Denn du führst mich in Versuchung

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"Ich bin Ashley George, und ich finde die wahre Liebe in der Stadt, die niemals schläft." In ihrer Reality-Show vermittelt sie die attraktivsten Junggesellen - im wahren Leben hat sich Ashley nach einer schrecklichen Trennung ein einjähriges Zölibat auferlegt. Wenn da nur nicht ihr Nachbar Marcus Chambers wäre - reich, wahnsinnig gut aussehend … und ein echter Widerling. Gut, dass sie sowieso keinen Mann mehr will! Warum nur träumt sie trotz seiner offensichtlichen Ablehnung davon, dass Marcus sie leidenschaftlich verführt?


  • Erscheinungstag 16.05.2017
  • Bandnummer 1977
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723736
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schiere Verzweiflung überkam Ashley George, als sie Marcus Chambers vor dem Fahrstuhl stehen sah, während sie ihre Wohnungstür abschloss.

„Ich nehme an, dass ich auf Sie warten soll.“ Marcus’ britischer Akzent und die allzu selbstsichere Äußerung seines Kommentars machten diesen noch ärgerlicher. Er wusste, dass sie nach unten wollte. Aber wenn sie die elf Etagen ihres Apartmentgebäudes in Manhattan in Bleistiftrock und zehn Zentimeter hohen Absätzen unter fünf Minuten schaffen wollte, ging es nicht ohne den Aufzug. Ashley atmete tief ein und rauschte an ihm vorbei in den Lift. Wobei sie ihre langen blonden Haare hinter sich her wehen ließ.

„Erdgeschoss?“, fragte er.

Sie ballte die Fäuste. Nur zwei Sekunden in einem Raum mit ihm, und schon ging er ihr auf die Nerven. „Wir wissen doch beide, dass wir zu derselben Besprechung wollen. Drollige Sprüche bringen also gar nichts.“

Marcus glättete das Jackett seines anthrazitfarbenen Anzugs, faltete die Hände und starrte auf die Fahrstuhltür. „Ein Gentleman ist niemals drollig.“

Drollig war in seinem Fall tatsächlich eine Untertreibung. Unglaublich gut aussehend, ja. Was bei diesem Muffel epischen Ausmaßes eine Schande war. Was immer ihn dazu machte, musste entweder genetisch bedingt oder ein Produkt seiner Vergangenheit sein. Ansonsten schien er über alles zu verfügen: Geld, ein Apartment an der Upper West Side, mehr Attraktivität, als für ein Leben nötig war, und – obwohl Ashley die kleine Lila nur im Vorbeilaufen gesehen hatte – eine wunderschöne kleine Tochter.

„Ich müsste gar nicht in diesem Aufzug sein, wenn Sie sich nicht ständig beim Eigentümergremium beschweren würden“, erwiderte Ashley.

Marcus räusperte sich. „Und ich müsste mich nicht ständig beschweren, wenn Sie eine kompetente Firma mit der Renovierung ihrer Wohnung beauftragt hätten.“ Über seine Schulter hinweg traf sie ein strafender Blick aus stechend grünen Augen. „Ich habe das Chaos satt. Es scheint Ihnen überallhin zu folgen.“

Ashley schürzte die Lippen. Ganz unrecht hatte er nicht. Ihr Alltag musste auf einen Außenstehenden wirken wie ein Tornado mit neun Leben. Sie war immer in Eile, jonglierte oft mit ihrem Telefon, während die Millionen Dinge in ihrem Kopf es irgendwie schafften, ihrem Mund zu entweichen. Ja, es hatte Probleme mit ihrer Renovierung gegeben, aber die Dinge liefen eben nicht immer rund. Sie versuchte ihr Möglichstes, den Überblick zu behalten. Viel Verständnis hatte er bisher nicht bewiesen.

Sie seufzte und lehnte sich gegen die Aufzugwand, während sie heimlich die Augenweide vor sich genoss. Würde Marcus sich einer Persönlichkeitstransplantation unterziehen, wäre er vermutlich perfekt mit seinem kantigen Kinn und dem dichten, dunkelbraunen Haar. Ashley senkte den Blick und erschauerte, als Bilder seiner Brust und Bauchmuskulatur vor ihrem inneren Auge auftauchten. Sie hatte bisher nicht das Glück gehabt, seinen Oberkörper live und in Farbe zu sehen, aber wenigstens ein paar Bilder im Internet von ihm ausgegraben. Laut eines Wohltätigkeitskalenders voller heißer Typen war er einer der begehrtesten Junggesellen Großbritanniens. Und alleinerziehender Vater. Scheidungen waren immer furchtbar.

Irgendwo auf der Welt gab es die Richtige für diesen äußerlich so umwerfenden und innerlich so ungenießbaren Mann. Ashley glaubte das von jedem. Sie musste in ihrer Reality-Fernsehshow Manhattan Matchmaker gar nicht so tun. Die wahre Liebe und Seelenverwandte gab es wirklich.

Und sie glaubte auch daran, eines Tages den Richtigen für sich selbst zu finden. Aber nachdem sie kurz vor Thanksgiving von einem Kerl verlassen worden war, den sie für den Richtigen gehalten hatte, wollte sie eine einjährige Pause einlegen. Lange hatte sie nicht durchgehalten. Marcus war Anfang Januar eingezogen, hatte sie eine Woche später um ein Date gebeten, und sie war so dumm gewesen, Ja zu sagen. Dieser Abend vor drei Monaten hatte nur bestätigt, dass sie sich zurzeit mit keinem Mann einlassen sollte. Was die Liebe betraf, vertraute sie ihren Instinkten nicht, zumindest nicht, wenn es um ihr eigenes Herz ging. Nicht seitdem James ihr das Herz gebrochen hatte. Ihr Leben war in der Tat ein Chaos.

Marcus neigte den Kopf zur Seite, als wollte er eine Verspannung im Hals lösen. Ein Hauch seines Aftershaves wehte zu ihr herüber, dessen Wirkung auf sie so unvermeidlich war wie die Hitze eines Sommers in South Carolina. Verdammt. Er roch sogar gut – warm und männlich – wie der feinste Bourbon … was schon merkwürdig war, wenn man bedachte, dass er der Geschäftsführer seiner in Familienbesitz befindlichen Gin-Brennerei war.

Der Fahrstuhl piepte. „Nach Ihnen.“ Sein samtiger Akzent hallte in ihrem Kopf wider. Wenn er ihn doch nur dazu benutzen würde, etwas zu sagen wie: „Du siehst umwerfend aus. Tut mir leid, dass ich in den letzten drei Monaten so ein Arsch war.“

Ashley marschierte in den Konferenzraum. Leider war ihr Rock zu eng, um ihren Schritten die gewünschte Entschlossenheit zu verleihen, mit der sie allen Anwesenden vermitteln wollte, dass sie unbeschadet aus diesem Treffen hervorzugehen gedachte. Die fünf Mitglieder des Eigentümergremiums saßen an einem langen Tisch und berieten sich. Ihr Magen verknotete sich, als sie die Vorsitzende Tabitha Townsend erblickte. Tabitha hielt von Ashley ungefähr so viel wie von einem Rotweinfleck auf einem weißen Teppich. Nun galt es, Tabitha und die anderen Gremiumsmitglieder zu umgarnen, und das nach einem anstrengenden Tag, an dem sie Werbung für die neue Staffel von Manhattan Matchmaker machen musste.

„Hallo, alle zusammen.“ Ashley schüttelte die Hand ihrer einzigen Verbündeten Mrs. White, einer langjährigen Anwohnerin. Sie gehörte durch und durch zur Oberschicht New Yorks und war süchtig nach Reality-Fernsehen. Ashleys Show gehörte zu ihren Favoriten.

„Würden Sie es für mich sagen? Nur einmal?“ Mrs. White sah sie hoffnungsvoll an.

Sie hatte keine Wahl. Irgendjemanden in diesem Raum musste sie glücklich machen. „Ich bin Ashley George, und ich finde die wahre Liebe in der Stadt, die nie schläft.“

Mrs. White klatschte entzückt in die Hände. „Ich freue mich immer so, wenn Sie das sagen. Damit gebe ich vor all meinen Freunden an.“

„Für Sie immer gern.“

Mrs. Whites Lächeln verblasste. „Ich wünschte nur, dass unsere heutige Besprechung unter günstigeren Bedingungen stattfinden würde. Wir sollten uns über die neue Staffel Ihrer Show unterhalten, nicht über dieses Nachbarschaftsgezänk.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass es sich um mehr als Gezänk handelt“, unterbrach Marcus mit der Wärme eines Eisbergs.

Mrs. Whites Blick schoss zwischen ihnen hin und her. „Es ist wirklich schade, wissen Sie? Sie beide würden ein wunderbares Paar abgeben. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Ihre Differenzen aus der Welt zu schaffen und miteinander auszugehen?“

Marcus gab ein verärgertes Husten von sich. Oh, sie waren ausgegangen, und es war furchtbar gelaufen. Nervös bis zum Anschlag hatte Ashley sich vor der Vorspeise ein Gläschen Wein zu viel genehmigt und alle Gründe heruntergerattert, warum James mit ihr Schluss gemacht hatte: Sie wäre zu karrierefixiert, noch nicht reif für eine feste Bindung oder gar für Kinder. Die Liste war lang gewesen und Marcus’ Reaktion darauf so schlimm, dass der Abend mit einem knappen Händedruck geendet hatte, sehr zu Ashleys Enttäuschung. Vielleicht wären sie nicht gleich in Liebe entbrannt, aber Marcus war so heiß, dass sie sich auf einen Kuss gefreut hatte.

Am nächsten Tag fing ihre Renovierung an, und der Grundstein für den Kampf „Chambers gegen George“ wurde gelegt.

Ashley hielt Mrs. Whites Hand fest. „Vorsicht. Die Leute werden noch denken, Sie wären die Kupplerin.“ Wie gern wäre sie in der Nähe der einzigen Person geblieben, die auf ihrer Seite war.

Bei ihrer Runde um den Tisch erhielt sie von Tabitha statt eines Händedrucks einen Dolchblick – der weicher wurde, als sie sich Marcus zuwandte. „Mr. Chambers, wie schön Sie zu sehen.“ Mit ihren manikürten Fingern strich sie an dem Kragen ihrer Bluse entlang. Trotz ihres Versuchs, verführerisch zu wirken, war Tabitha definitiv nicht die Richtige für Marcus. Das konnte jeder sehen. Er gehörte zu einer Frau, die aus Marmor gemeißelt war, statt aus Feuer und Schwefel.

„Setzen Sie sich, Ms. George“, blaffte Tabitha.

Ashley schürzte die Lippen, folgte aber dem Befehl und setzte sich auf einen der beiden Stühle auf der anderen Seite des Tischs. Dies hier schien weniger das Treffen einer Eigentümergemeinschaft als ein Exekutionskomitee zu sein. Marcus setzte sich neben sie.

„Ms. George“, begann Tabitha. „Dem Gremium ist bekannt, dass Ihre Wohnungsrenovierung außer Kontrolle geraten ist.“ Sie öffnete einen dicken Ordner, aus dem Papiere quollen. Marcus war gründlich gewesen. „Ihre Arbeiter nehmen wenig Rücksicht auf Mr. Chambers, den einzigen anderen Mieter auf Ihrer Etage. Um sieben Uhr morgens wurde mehrfach die Kreissäge angeworfen.“

„Ich war nicht in der Stadt“, verteidigte Ashley sich. „Der Vorfall tut mir leid.“

„Ms. George, bitte heben Sie die Hand, bevor Sie sprechen.“ Tabitha blätterte eine Seite um. „Dann gab es laute Musik.“

Sie riss die Hand hoch. „Es war nur Popmusik. Die Tischler lieben sie.“

„Ich bin noch nicht fertig, Ms. George. Ruhe, bitte.“

Ashley sank in ihren Sitz zurück. „Entschuldigung.“

Tabitha räusperte sich. „Wie gesagt, die Arbeiter hinterlassen ständig Dreck und Staub im Flur. Und am Schlimmsten ist es, dass man sie im Gebäude rauchen sieht, was ein enormes Brandrisiko darstellt und streng verboten ist.“

Ashley drehte sich der Magen um. Ihr tragischstes Erlebnis war ein Brand gewesen. „Sie wissen eigentlich, dass es verboten ist. Aber ich werde sie noch einmal darauf hinweisen.“

„Offen gestanden bin ich geneigt, Ihnen zu sagen, dass Sie Ihr Projekt stoppen und eine andere Firma beauftragen müssen.“

Ihr wurde übel. Die Baufirma war nur ihre zweite Wahl gewesen, aber selbst dort hatte sie ein Jahr lang auf der Warteliste gestanden. Die Firma leistete ordentliche und bezahlbare Arbeit – eine absolute Notwendigkeit angesichts der beträchtlichen Verpflichtungen gegenüber ihrer Familie in South Carolina.

Sie konnte das Projekt nicht stoppen. Sie würde jeden Cent verlieren, den sie bereits bezahlt hatte. Und sie müsste auf einer Baustelle leben, wo doch momentan ihr einziges Ziel darin bestand, ihrem Leben mehr Stabilität zu verleihen. Bei ihrem Arbeitspensum und dem sich verschlechternden Gesundheitszustand ihres Vaters nach mehreren Schlaganfällen war die Aussicht auf ihre Traumwohnung das Einzige, was sie an manchen Tagen weitermachen ließ. Sie hatte mit nichts angefangen und verdammt hart für dieses Apartment gearbeitet. Das wollte sie sich auf keinen Fall nehmen lassen.

„Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten bei Mr. Chambers. Ich werde den Arbeitern noch einmal ins Gewissen reden. Ab jetzt wird alles glattlaufen.“

Tabitha schüttelte den Kopf. „Nach Überprüfung der Aktenlage hat das Gremium beschlossen, dass dies das letzte Mal ist, Ms. George. Sollte Ihr Projekt nicht auf eine für Mr. Chambers zufriedenstellende Weise fertiggestellt werden, ziehen wir die Notbremse. Noch eine Beschwerde von ihm, und das war’s.“

Ashleys Blick schoss zu Marcus. Seine Mundwinkel zuckten. Sollte das ein Lächeln werden? „Nur eine Beschwerde? Das ist doch ein Witz.“ Sie wedelte mit der Hand in seine Richtung. „Man kann es ihm nie recht machen. Vermutlich würde er sich auch darüber beschweren, wie ich auf diesem Stuhl sitze. Das ist total unfair.“

Total unfair. Eine treffende Wortwahl, wenn man Ms. Georges Bereitschaft bedachte, die Unregelmäßigkeiten ihrer Renovierungsarbeiten völlig zu ignorieren. Marcus und seine elf Monate alte Tochter Lila versuchten gerade, sich in New York ein neues Leben aufzubauen. Es war nur fair, dass er ihr den letzten Schlag versetzte, falls das Chaos so weiterging.

„Mr. Chambers“, sagte Mrs. White, „bitte seien Sie sich der Bedeutsamkeit der Situation bewusst. Wir möchten nicht gezwungen sein, Ms. Georges Projekt wegen einer Kleinigkeit zu beenden.“

„Vielen Dank“, platzte Ashley mit einer Spur Verzweiflung heraus. „Er kann doch nicht allein darüber entscheiden. Wenn nur er das Sagen hat, wird das Projekt platzen, bevor wir oben angekommen sind.“

Marcus war konsterniert. Warum tat sie so, als wäre er hier der Unvernünftige? Sie war die Verursacherin dieses ganzen Schlamassels. „Sie tun so, als ob ich eine große Sache daraus machen würde.“

„Ich sagte doch, es tut mir leid.“

Tabitha rieb sich die Stirn. „Das Gremium wird seine Entscheidung nicht zurücknehmen. Eine weitere Beschwerde von Mr. Chambers, und Ms. George muss sich eine neue Baufirma suchen.“

„Aber …“

„Kein Wort mehr, Ms. George.“ Tabitha guckte so streng, dass sogar Marcus sich unangenehm berührt fühlte.

Unheilschwangere Stille trat ein. Ashley wand sich in ihrem Sitz. Sein Blick fiel auf ihre Beine, insbesondere auf ihre wohlgeformten Waden und zierlichen Knöchel, die durch glänzende Lacklederpumps betont wurden. Er hatte nicht viele Schwächen, nur leider ein Faible für Frauen in sexy Schuhen – für Ashley in solchen Schuhen, um genau zu sein. Wenn etwas in diesem Moment wirklich unfair war, dann das.

Marcus zwang sich wegzusehen. Ashleys Schönheit und ihre Wirkung auf ihn machten sie zu einer Frau, die er auf Abstand hielt. Nur so konnte er einen klaren Kopf bewahren.

Mrs. White räusperte sich. „Ich würde gern noch eine Bedingung hinzufügen. Mr. Chambers sollte seine Beschwerde zuerst Ms. George vortragen. Bitte versuchen Sie selbst, zu einer Einigung zu gelangen.“

Er blinzelte. Sich an Ms. George wenden? Oh nein. Das konnte nicht gut gehen. „Das kann nicht Ihr Ernst sein. Sie hat heute klar bewiesen, dass sie sich aus jeder Beschwerde herausreden wird. Wie sollen wir da zu einer Einigung kommen?“

„Ich kann sehr vernünftig sein.“

„Was Sie in der Vergangenheit so nachhaltig bewiesen haben?“ Marcus’ Puls nahm einen unkontrollierten Rhythmus an.

Tabitha entließ sie mit einer genervt wirkenden Handbewegung. „Mrs. White hat recht. Klären Sie das unter sich.“

Marcus und Ashley schlichen aus dem Raum wie zwei Kinder, die ohne Abendbrot ins Bett geschickt wurden. Keiner von ihnen konnte einen Sieg verzeichnen, aber zumindest war Marcus im Vorteil. Er hielt die Fahrstuhltür für Ashley offen. „Ich muss sichergehen, dass ich alle Ihre Telefonnummern habe“, sagte er brüsk. „Büro und Festnetz. Falls es ein Problem gibt.“

Er zog sein Handy aus der Tasche und verkniff sich die Worte, die er eigentlich sagen wollte. Nach ihrem ersten Date hatte er sich geschworen, Ashley so weit wie möglich fernzubleiben. Sie verkörperte seine selbstsüchtigsten Wünsche – den Teil von ihm, der sich nach einer Frau sehnte, die vor Leben sprühte, ungezähmt war, wunderschön, sexy und ein bisschen verrückt. Doch er suchte eine Mutter für Lila, also eine Frau von ruhigem und vernünftigem Wesen, die vorhersehbar handelte. Für Lila würde er lernen, sich damit zufriedenzugeben.

Ashley stellte ihre riesige Handtasche auf ihr Knie und begann darin zu kramen. Marcus versuchte erfolglos wegzusehen. Sein Blick wurde von ihrem Ausschnitt so angezogen wie der eines verdurstenden Mannes von kaltem Wasser. Ihre Haut hatte einen zarten Pfirsichton. Eine Locke ihres goldblonden Haars fiel über ihr hinreißendes Dekolleté. Er schloss die Augen. Es war nicht eine Minute länger zu ertragen. Sie war wie ein Dorn in seinem Fleisch, so sehr sie vielleicht auch der Rose glich, an der dieser wuchs.

Der Aufzug piepste, die Türen öffneten sich, und sie standen vor der einzigen Person, die immer in der Lage war, ihn aufzuheitern: Lila.

Lilas Kindermädchen Catherine schob sie in einem Buggy vor sich her. „Mr. Chambers, ich wollte Lila noch ein bisschen spazieren fahren.“ Catherines Blick klebte an Ashley. „Ms. George, Manhattan Matchmaker gestern Abend war toll.“

„Bitte, nennen Sie mich doch Ashley. Es war nur eine Wiederholung, oder?“ Ashley trat in den Flur.

Catherine platzte fast vor Aufregung, so begeistert war sie von Ashley und ihrer Sendung. Sie und Marcus’ Haushälterin Martha schienen über nichts anderes zu reden. Er verstand zwar, warum man von Ashley so angetan war, aber die Show selbst war albern. Ein Betrug. Wahre Liebe und Seelenverwandte waren reine Fiktion.

„Aber diese Folge liebe ich“, sagte Catherine. „Es war die mit dem Arzt und der Bäckersfrau. Nur Sie konnten die beiden zusammenbringen. Sie haben sich total ineinander verliebt.“

Ashley lächelte. „Das ist sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.“

Marcus hielt den Fahrstuhl auf, während Catherine den Buggy hineinschob. Er drückte Lila einen Kuss auf die Stirn und atmete ihren süßen Duft ein. Mit dem Daumen rieb er über ihre rosige Wange. Ihr Lächeln und ihr fröhliches Gurgeln waren wie Balsam auf seiner Seele. Lila war fraglos das Kostbarste in seinem Leben und verdiente so viel mehr, als er allein ihr geben konnte. Was genau der Grund war, Ashley zu meiden und eine Mutter für Lila zu finden.

„Hab Spaß, Liebling. Daddy liest dir noch eine Geschichte vor, wenn du zurückkommst.“ Er ließ die Türen zugleiten, während Catherine zum Abschied winkte.

„Ihre Tochter ist hinreißend. Ich habe sie bisher kaum gesehen. Auch nicht an dem Abend, als wir ausgegangen sind.“ Ashley sah einen Moment an die Decke. „Sie sind gut darin, sie von mir fernzuhalten, wissen Sie.“

Er war gut darin, Lila von jedem fernzuhalten. Sein Beschützerinstinkt ihr gegenüber war ausgesprochen stark. Sie hatte schon so viel durchmachen müssen, und es war seine Schuld gewesen. Er hatte sich die falsche Frau ausgesucht und sie dann, als es schlecht lief, davon überzeugt, dass ein Baby alles besser machen würde. Er war der Grund, warum Lilas Mutter nicht für sie da war.

„Wollten Sie mir nicht gerade Ihre Telefonnummern geben?“, fragte er.

„Ich schreibe Ihnen.“ Ashley tippte auf ihrem Handy herum.

Marcus’ Telefon leuchtete auf. Eine SMS mit ihren anderen Telefonnummern. Und einer Nachricht.

Ich bin kein böser Mensch, wissen Sie.

„Ich habe nie gesagt, dass Sie böse sind, Ms. George.“

„Bitte, nennen Sie mich nicht Ms. George. Wir hatten ein Date. Es wäre so viel leichter, wenn wir die Formalitäten weglassen könnten.“

„Die wenigsten Dinge im Leben sind leicht, aber wenn Sie das versöhnlich stimmt, werde ich Sie Ashley nennen.“

Ashley nahm ihn ins Visier. Einen Moment lang schien es so, als ob sie tief in seine Seele blicken könnte – ein Gefühl, das ihm gar nicht gefiel. „Warum so unwirsch, Chambers? So waren Sie doch auch nicht, als ich Sie kennenlernte. Was genau hat Sie zu solch einem Griesgram gemacht?“

„Ich schätze Ihre geschickte Ausdrucksweise, denke aber nicht, dass dies ein angemessenes Gesprächsthema ist.“

Marcus drehte sich zur Tür um, doch ihre Hand auf seinem Arm hielt ihn auf. Es war, als würde er gar kein Jackett tragen. Die Wärme ihrer Berührung drang ungehindert durch den Wollstoff. Er blickte auf die schlanken Finger, die auf seinem Bizeps lagen.

„Sie können sich nicht verstecken. Vor mir schon gar nicht. Ich bin ausgesprochen aufmerksam. Darum habe ich diesen Beruf. Ich sehe Dinge in Menschen, die sie selbst nicht sehen.“

Er sah sie an und kämpfte mit den Empfindungen, die durch seinen Körper strömten. Wärme. Anziehung. Ein tiefes, verzweifeltes Bedürfnis, ihren Kopf an sich zu ziehen und den Kuss einzufordern, den er sich bei ihrem ersten Date versagt hatte. Der Blick aus ihren großen braunen Augen war so ernst, wie er es noch nie erlebt hatte. Es wäre so leicht, sich in diesem Moment dem Gefühl hinzugeben, das nur sie ihm vermittelte. Aber er schuldete Lila zu viel. „Guten Abend, Ms. George.“

Sie schüttelte den Kopf und tätschelte seine Schulter. „Ashley, Chambers. Irgendwann.“

2. KAPITEL

Ashley hatte Marcus mit einigen streng geheimen Spitznamen bedacht: „Tower of London“ für seine Statur, „Earl of Handsome“ für sein Aussehen und „die britische Nervensäge“. Letzteres war für Situationen wie gestern Abend reserviert. Sie hatte selten Schwierigkeiten, aus Menschen schlau zu werden, aber Marcus war eine harte Nuss. Warum lehnte er sie so sehr ab? Nach ihrem gestrigen Schlagabtausch hatte sie die halbe Nacht wachgelegen, um sich einen Reim darauf zu machen, und auch die Fahrt zu ihrem Büro damit verbracht. Der Mann hatte alles. Warum war er so unglücklich? Warum so verschlossen?

Es klopfte an ihrer Tür, und Grace, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Senders, steckte ihren Kopf herein. Ihr gewelltes rotbraunes Haar war zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt, den sich nur jemand leisten konnte, der so selbstbewusst war wie sie.

„Können wir anfangen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte sie herein. Der Vorteil, ein Büro direkt im Sender zu haben, war, dass man zu Besprechungen nur über den Flur laufen musste. Der Nachteil war, dass man unter ihrer Fuchtel stand.

Ashley nickte, schüttelte die verwirrenden Gedanken an Marcus ab und griff sich Block und Stift. „Ja, natürlich.“ Zeit zu arbeiten. Es mussten noch ein paar abschließende Dinge für die Premierenparty von Manhattan Matchmaker besprochen werden.

„Also … darf ich fragen, wie deine Eigentümersitzung gestern Abend lief?“ Grace setzte sich mit ihrem Laptop auf den Knien Ashley gegenüber an den Schreibtisch. Sie war von Anfang an eine Fürsprecherin ihrer Show gewesen, und die beiden waren während der letzten drei Jahre gute Freundinnen geworden.

„Sie haben entschieden, dass ich mir eine neue Baufirma suchen muss, wenn sich der Tower of London noch ein einziges Mal beschwert.“

„Aua. Das ist hart.“

„Du sagst es.“ Das ungute Gefühl kehrte zurück. Marcus hatte zu viel Kontrolle über die einzige Sache in ihrem Leben, die nur ihr gehörte. „Das Fazit? Er hasst mich. Und ich werde den Gedanken nicht los, dass es dabei um mehr geht als nur den Dreck im Flur.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand dich hasst, Ash. Er scheint einfach total verklemmt zu sein. Wer schüttelt einem nach einem Date die Hand?“

„Erinnere mich nicht daran.“ Das war ein weiterer Beweis für ihren Verdacht. „An die Arbeit! Es gibt noch Millionen Dinge zu tun vor der Party am Donnerstagabend. Die Leute bei Peter Richie erwürgen mich, wenn ich heute Nachmittag nicht zur Anprobe erscheine.“

Grace schüttelte entsetzt den Kopf. „Ash, Peter Richie ist einer der heißesten Designer auf diesem Planeten. Er schenkt dir ein Kleid, und du schaffst es nicht, es anzuprobieren? Die Party ist in zwei Tagen.“

„Ich weiß. Ich bin schrecklich.“ In Wahrheit hatte sie es vermieden. Peter war liebenswürdig und großzügig, aber dieser Luxus war ihr als Matchmakerin zuteil geworden, nicht der wahren Ashley George. Ein Designer, der ihr ein Haute-Couture-Kleid schneiderte? Wie aberwitzig. Die wahre Ashley war in Kleidern aufgewachsen, die ihre Mutter für sie genäht hatte.

Grace öffnete ihren Laptop. „Wenn du mit dem Kleid noch nicht fertig bist, will ich gar nicht wissen, wie es um deine Begleitung steht.“

Ashley schürzte die Lippen. Sie hatte gehofft, dass der Sender dieses Anliegen vergessen würde. „Bestehen sie immer noch darauf?“

„Ja. Die Premiere dient dazu, Werbung für deine Sendung zu machen. Vergiss nicht, dass sie sich immer noch nicht entschieden haben, deine Idee für die neue Show aufzugreifen.“

„Sie sind nur wegen dieser dummen Fotos in der Klatschpresse so darauf fixiert.“

„Es hilft deinem Image wenig, wenn man sieht, wie du an einem Samstagabend Eiscreme und Schokoriegel kaufen gehst. Das wirkt sich auf die Einschaltquoten aus.“

„Das war vor drei Wochen, und ich hatte schlimmes PMS. Es hat nichts damit zu tun, dass ich keinen Freund habe.“ Aber wenn sie einen gehabt hätte, hätte sie ihn das Eis besorgen lassen können. „Ich hasse es, dass das die Leute interessiert.“

Grace begann auf ihrem Laptop herumzutippen. „Und wie. Es ist das Thema im Manhattan-Matchmaker-Forum. Deine Fans wollen dich glücklich sehen. Sie wollen, dass die Frau, die jedem die wahre Liebe finden kann, sie auch für sich selbst findet. Du lebst von dieser Art Aufmerksamkeit, Ash.“

Sie holte tief Luft. „Du wirst mich mit jemandem verkuppeln oder einen Escort-Service beauftragen müssen. Ich habe nicht einen Kandidaten.“

„Auf gar keinen Fall. Wenn ich versuche, irgendetwas zu arrangieren, wird das sofort publik. Ich sehe schon die Klatschspalten.“ Grace machte eine dramatische Geste. „Die Matchmakerin findet nichts Passendes für sich selbst.“

„Hey, das ist unfair. Du weißt, dass ich gerade bewusst eine Pause einlege.“

„Und meine Oma würde sagen, dass du gleich wieder aufs Pferd musst, nachdem du heruntergefallen bist.“

„Tja, meinen Sattel habe ich gerade verlegt. Ich hatte kein richtiges Date, seit James mit mir Schluss gemacht hat.“

Graces Augen flackerten. „Das stimmt nicht. Der Tower of London? Mit ihm hattest du ein Date.“

Es fühlte sich an, als ob ihr das Herz in der Brust festklemmte. „Das war kein Date, sondern ein Desaster.“

„Er hat dich gefragt. Das zählt als Date.“ Grace rutschte begeistert auf ihrem Stuhl nach vorn. „Denk doch mal nach. Wenn du ihn auf die Party bekommst, wird es ihm künftig viel schwerer fallen, sich über deine Wohnung zu beschweren.“

„Was ist mit ‚zu viel Vertraulichkeit erzeugt Verachtung‘?“

„Alles Ausreden. Wie war sein Name nochmal? Marcus?“ Grace begann wieder zu tippen.

„Chambers“, grummelte Ashley. Wie sollte das funktionieren? Oh, warte, das würde es nicht. Er würde natürlich Nein sagen – wodurch jede Begegnung im Flur noch qualvoller zu werden versprach.

„Da ist er schon.“ Graces Augen scannten den Bildschirm. „Chambers Gin. Berühmte britische Familie. Scheidung.“ Sie sah hoch. „Scheidung?“

„Ja, habe ich dir doch erzählt. Er hat ein Baby. Lila. Ich weiß auch nicht viel mehr, als dass seine Frau aus einer ebenso angesehenen Familie kam und sie sich sechs Wochen nach der Geburt aus dem Staub gemacht hat.“ Ashley rieb sich die Stirn. „Steht alles im Internet.“

„Ich nehme mal an, du hast das alles gelesen?“

Autor

Karen Booth
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