Der Bad Boy und die schöne Erbin

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Die Zeit mit der bezaubernden Esme ist für Dr. Max Kirkpatrick wie ein Wintermärchen. Während sie sich auf ihrem Herrensitz in den verschneiten Highlands gemeinsam um einen Patienten kümmern, weckt die wohltätige Erbin mehr in Max als nur pure Leidenschaft: Sie gibt dem ehemaligen Bad Boy den Glauben an die Liebe zurück! Doch mit diesem Glauben kehrt auch seine alte Angst wieder, alles zu verlieren. Und so trifft Max schweren Herzens eine Entscheidung, die ihn zu zerreißen droht.


  • Erscheinungstag 29.12.2020
  • Bandnummer 2473
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714628
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Verdammt, war das kalt!

Der arktische Wind, der aus den Highlands nach Glasgow heruntergeweht kam, ließ Max Kirkpatrick frösteln. Doch die klirrende Kälte lenkte ihn auch von seiner Wut ab.

Wieder einmal erinnerte ihn das Universum ausgerechnet in der Adventszeit daran, wie wenig Gutes er in dieser Welt ausrichten konnte.

Er ließ seinen Blick über die grauen Krankenhausmauern wandern, über die ehemalige Brachfläche darunter, wo Patienten mit ihren Haustieren spazieren gingen oder im Gewächshaus arbeiteten. Seit Wochen schneite es immer wieder. Trotzdem war der Garten gut besucht.

Neben Max wuchs eine mit Raureif überzogene Rose, eine der ersten Pflanzen, als er vor drei Jahren das Projekt „Plants to Paws“ – Pflanzen für Pfoten – gestartet hatte. Die Eltern eines kleinen Jungen hatten sie gepflanzt. Er hatte hier gern mit dem Familienhund gespielt, schließlich jedoch den Kampf gegen den Krebs verloren. Sie kamen noch immer her und kümmerten sich um die Rose, als wäre der Junge noch da. Und in gewisser Weise war er das auch.

Aber nur noch diese Woche.

Zuerst hatte Max es nicht glauben wollen. Wie konnte jemand den Garten zerstören? Nun, da der Unrat, das ausgebrannte Auto und mehrere Schichten Graffiti von den Wänden des Clydebank Hospitals verschwunden waren. An ihrer Stelle waren Gemüsebeete gewachsen, eine kleine Wildblumenwiese mit Bänken, deren Messingschilder an geliebte Menschen erinnerten, ein Gewächshaus und ein extragroßes Gartenhaus, das er zusammen mit anderen Ärzten gebaut hatte. Zuletzt hatten sie einen Holzofen organisiert, um es gemütlicher zu machen. Das alles würde verschwinden, zusammen mit dem weihnachtlichen Kranz an der Tür, der unter Max’ Protest, es sei viel zu früh, dort angebracht worden war.

Er ging in die Hocke, um ein paar verirrte Kiesel in ein Steinbeet zurückzulegen.

Schwanzwedelnd kam ein junger Border Collie auf ihn zugelaufen. Die Hündin legte sich vor ihm auf den Boden und streckte ihm ihren Bauch hin.

Max kraulte das weiche Fell. „Hey, Kleine. Du bist ja eine Hübsche. Wem gehörst du denn?“

„Manch einer würde sagen, sie gehört niemandem.“

Die Frauenstimme ging ihm unter die Haut. Tief, rauchig und geschmeidig wie warmer Honig. Genau die Art Stimme, die einen Mann zu allem Möglichen treiben konnte, wenn er nicht aufpasste. Zum Glück war Max seit Jahren immun.

Er wollte gerade erwidern, dass er sich mit der komplexen Beziehung zwischen Mensch und Hund bestens auskannte, als ein Paar sehr teuer aussehender Stiefel neben ihm auftauchte. Teure Stiefel und ein Privatschulakzent, na wunderbar. Sie klang zwar schottisch, aber Max hätte alles darauf verwettet, dass sie zu genau der Art Schule gegangen war, mit der seine Militärschule Kontakte unterhielt. Der Schulleiter hatte gerne betont, wie wichtig es war, sich mit den „Einflussreichen“ gut zu stellen.

Wohl eher mit den „Gewissenlosen“, wenn man nach den neuesten Entwicklungen ging. Es war Max unbegreiflich, wie die Krankenhausleitung es über sich brachte, das Grundstück von „Plants to Paws“ an einen Bauträger zu verkaufen, der einen kostenpflichtigen Parkplatz errichten wollte. Sicher, das Krankenhaus brauchte Geld, aber was war mit den Patienten?

Drei Jahre harter Arbeit einfach so zunichtegemacht. Und mit ihnen das kleine bisschen Frieden, endlich in die Tat umgesetzt zu haben, was er für seine Mutter nicht hatte schaffen können. Einen Rückzugsort. Sayonara „Plants to Paws“, hallo Zementmischer! Und das bloß für ein bisschen Geld, das den Stationen wahrscheinlich nicht einmal zugutekommen würde.

Der junge Hund drückte die Schnauze gegen seine Hand.

„Wie heißt sie?“, fragte Max, ohne aufzusehen.

„Skye“, antwortete die Stimme über ihm.

Sie klang ein bisschen zu sehr nach Weihnachten – einfach viel zu gut.

Ihre Lederstiefel kamen noch einen Schritt näher. „Fallen Sie nicht auf ihre ‚Hab mich lieb‘-Show herein. Skye hat immer einen Hintergedanken, und wie es aussieht, spielen Sie ihr direkt in die Pfoten.“

„Ist sie ein Arbeitshund oder ein Therapiehund?“ Er hatte versucht, im Krankenhaus Therapiehunde einzuführen. Die liebenswerten Fellfreunde hätten sicher einiges bewirken können, aber die Ressourcen waren wie so oft begrenzt.

„Sie ist ein Arbeitshund. Noch in der Ausbildung. Allerdings ist sie ein bisschen vorwitzig, wie ihre Mutter.“

Verflucht. Die Stimme dieser Frau war wie Butter und Honig in einem. Zusammen mit einem heißen Whisky genau das Richtige für einen kalten Tag wie diesen.

„Welche Ausbildung?“, fragte er. Hauptsächlich, um sich von anderen Gedanken abzulenken.

„Zum Rettungshund.“

Das überraschte ihn. Anhand ihrer Stimme hätte er eher auf Hütehund getippt. Sie klang wie jemand, der Land besaß – die Sorte Land, die von anderen bewirtschaftet wurde. Als er zu ihr aufsah, blendete die Sonne, und er erkannte nur blondes Haar, lange Beine und einen Kaschmirmantel, der definitiv nicht in seiner Preisklasse lag.

Miss Lederstiefel hockte sich neben ihn, und in dem Moment, als ihre Blicke sich trafen, sprang er zurück auf die Beine.

Durchdringend blaue Augen, wilde, kurze Locken in der Farbe von Sommerweizen, ein Gesicht, das so schön war wie aus Marmor gemeißelt. Sie schien gegen Unrecht immun zu sein.

„Sind Sie eine Patientin?“ Ihm fiel keine bessere Frage ein, obwohl er die Antwort schon kannte.

„Nein.“ Auch sie hatte sich erhoben und reichte ihm die Hand. „Esme Ross-Wylde.“

Max bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Selbst er, der sich wenig für Berühmtheiten interessierte, hatte schon von den Ross-Wyldes gehört. Höchster schottischer Landadel mit sagenhaften fünftausend Morgen Land ein paar Stunden nördlich von Glasgow, wenn er sich recht erinnerte. Bevor seine Mutter den „Diktator“, seinen Stiefvater, geheiratet hatte, war sie mit ihm zur berühmten Weihnachtskirmes der Ross-Wyldes gefahren. Max erinnerte sich an ein riesiges altes Haus, eher ein Schloss, an jede Menge Platz, ausgedehnte Stallungen, eine Eisbahn, kandierte Äpfel und Lebkuchenmänner. Es war das letzte Weihnachtsfest gewesen, das er sich nicht hatte „verdienen“ müssen.

„Also …“ Er schlug die Hände zusammen und sah sich unter den Besuchern des kleinen Parks um. „Ist Skye hier mit jemandem verabredet?“

Darauf zeigte sie ein derart strahlendes Lächeln, dass sein Körper in Flammen hätte aufgehen können. Zum Glück erwischte sie ihn an einem sehr schlechten Tag. In weniger trüber Stimmung wäre er in Versuchung geraten, einige seiner Regeln zu brechen …

„Eigentlich suchen wir Sie.“ Sie hielt einen äußerst vertrauten Schal hoch.

„Woher haben Sie den?“ Max hörte selbst, wie harsch er klang.

Bei seinem Glück war ausgerechnet diese Frau der skrupellose Bauunternehmer. Wenn sie ihn bezirzen wollte, bevor sie ihm mitteilte, wann die Abrissbirne kam, war er genau in der richtigen Stimmung …

Esme schien unbeeindruckt. Sie nickte in Richtung Gartenhaus und gab ihm den Schal zurück. „Ein Mitglied ihres Fanclubs war so freundlich. Sie meinte, so könnte Skye das Aufspüren üben.“

Er folgte ihrem Blick und erkannte einige Patienten der Onkologie-Station, die frech zu ihnen herüberwinkten. Seit durchgesickert war, dass die Schwestern ihn „der Mönch“ nannten, versuchte ständig irgendwer, ihn zu verkuppeln.

Max verdrehte die Augen und wandte sich wieder Esme Ross-Wylde zu. „Dann sind Skye und Sie hier, um mich zu retten?“

Sie zuckte lässig die Schultern. „Wenn Sie so wollen.“

Skyes Schwanzwedeln beschleunigte sich.

Wenn ihn nicht alles täuschte, erschien auf Esmes ausgesprochen verführerischen Lippen der Anflug eines Lächelns.

Irgendwie fühlte sich das hier wie Flirten an. Aber Max flirtete nicht. Er arbeitete in der Notaufnahme von Glasgows unterfinanziertestem Krankenhaus. Nach Feierabend fiel er todmüde ins Bett. Morgens stand er auf und fing von vorne an. Manchmal kam er hier in den Garten und grub ein Gemüsebeet um, doch ansonsten blieb ihm wenig Zeit für anderes. Erst recht nicht fürs Flirten.

Da er nichts erwiderte, fragte sie: „Wie würde es Ihnen gefallen, ‚Plants to Paws‘ zu behalten – und zwar genau so wie jetzt?“

Sein Blick traf ihren, und für den Bruchteil einer Sekunde spürte er etwas, das nichts mit Dankbarkeit oder Hoffnung zu tun hatte. Eine unwillkommene, animalische Anziehungskraft fuhr ihm in sein tiefstes Inneres, und so wie es aussah, spürte sie es ebenfalls.

Oh, verdammt. Wenn ihn das Leben irgendetwas gelehrt hatte, dann, dass es nie gut war, wenn etwas zu schön war, um wahr zu sein.

Vom „Diktator“ wusste er, dass alles einen Preis hatte. „Wo ist der Haken?“

„Wie charmant!“ Esme zog eine Augenbraue hoch. „Und so gewinnen Sie die Herzen der Frauen?“

„Bei manchen funktioniert’s.“ Dr. Kirkpatrick zuckte nonchalant die Schultern.

„Bei mir nicht.“

„Umso besser.“ Seine vollen Lippen wurden zu einer dünnen Linie, und sie hatte das Gefühl, dass er ganz ähnliche Gründe für sein Stirnrunzeln hatte wie sie. Anscheinend trug auch er alte Verletzungen mit sich herum, und wenn sie sich nicht täuschte, waren diese Verletzungen nur langsam verheilt. Wenn überhaupt.

Sie schob das Kinn vor. Max Kirkpatrick war nicht ihr Typ. Aber die Schmetterlinge in ihrem Bauch und das leichte Glitzern in seinen Augen verrieten, dass sie beide wussten, da war etwas.

Als sie von dem Arzt erfahren hatte, in dessen Mehrzweckgarten Patienten Gemüse anpflanzen und Haustiere ausführen konnten, hatte sie sich einen anderen Mann darunter vorgestellt. Einen, der weniger sexy war.

Sie streichelte Skye über den Kopf. Auf Hunde war Verlass, selbst auf Welpen. Sie waren ehrlich, zuverlässig und loyal.

Auf Männer … eher nicht. Das hatte sie spätestens gelernt, als ihr Privatleben durch die Boulevardpresse gegangen war. Damals war sie gerade einmal zwanzig Jahre alt gewesen und unglaublich naiv. Inzwischen behielt sie ihr Inneres unter Verschluss – was gut war, denn sonst hätte er ihr vielleicht angemerkt, dass sie ihn in Gedanken auszog.

„Sagen Sie mir jetzt endlich, wo der Haken ist?“, fragte er stirnrunzelnd, als hätte er mit exakt denselben Bildern zu kämpfen. Sexy Bildern von animalischer Natur, die jeder Vernunft zuwiderliefen.

Normalerweise war Sponsoring eine recht nüchterne Angelegenheit. Aber sonst fühlte sie sich dabei auch nicht, als stünde ihr Körper in Flammen. Wie ein weihnachtliches Feuer im Kamin, dessen Flackern und Funkeln Jahre der Selbstkontrolle zunichtemachte. So lange schon hatte sie erfolgreich ihr verletzliches Herz beschützt, und nun führte sie sich auf wie ein liebeskranker Teenager.

Komm schon, Esme. Du weißt doch, wie’s geht! Das ist ein Projekt wie jedes andere.

Schließlich brachte sie rau hervor: „Wie ich hörte, können Sie meine Hilfe gebrauchen.“

Max verschränkte die Arme vor der Brust und richtete sich zu voller Größe auf, sicher einen Meter neunzig. Eine klassische, einschüchternde Macho-Pose.

Wobei … Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass Dr. Kirkpatrick anders tickte. Eher defensiv als aggressiv. Da war etwas in seiner aufrechten Haltung, das von Militärausbildung sprach. Bei ihrem Bruder hatte es genauso ausgesehen.

Obwohl alle hier eingemummelt waren, bis nur noch die Augen herausschauten, trug Max Kirkpatrick nur einen Fleecepullover über seiner blauen Krankenhausuniform. Ein normaler Mensch müsste erfrieren.

Ein normaler Mann brachte sie auch nicht dazu, ihre Regeln zu brechen. Aber dieser hier? Hmm … Dunkle, walnussbraune Haare, ein bisschen lockig und zerzaust. Am liebsten wäre sie mit den Fingern hindurchgefahren. Augen wie starker Espresso. Tiefgründig und undurchdringlich, mit goldenen Einsprengseln, wenn die Sonne hineinfiel.

Alles an ihm war groß, dunkel und geheimnisvoll. Unwiderstehlich …

Nein!

Sie mochte überhaupt keine geheimnisvollen Männer, sondern verlässliche. Wobei „bodenständig und zuverlässig“ natürlich auch wieder nicht funktionierte, wenn ihr Bruder sie mit „geeigneten Dates“ versorgte.

Dr. Kirkpatrick brach das Schweigen zuerst. „Können Sie mir erklären, wie Sie ausgerechnet jetzt darauf kommen, mir zu helfen?“

Ach. Das hatte sie ganz vergessen. Wie sollte man sich auch konzentrieren, wenn man zu einem derart attraktiven Mann aufsah? Manchmal hatte es Nachteile, so klein zu sein.

„Ich leite die ‚Heatherglen Foundation‘. Die Stiftung habe ich gegründet, als mein Bruder während eines Militäreinsatzes mit seinem Suchhund ums Leben kam.“

Sie beobachtete ein Muskelzucken an seinem Kiefer. Offensichtlich hatte sie recht mit der Militärausbildung.

„Ich interessiere mich für Wohltätigkeitsprojekte, bei denen Tiere zur Therapie eingesetzt werden“, fuhr sie mit mehr Selbstvertrauen fort. „Es ist recht einfach: Ich wähle ein Projekt aus und organisiere einen Wohltätigkeitsball, um Spenden zu sammeln. Anschließend leistet die Heatherglen Foundation zusätzlich fortlaufende Unterstützung.“

„Klingt super. Viel Spaß!“, antwortete Max in einem Tonfall, der deutlich „Ohne mich!“ beinhaltete.

„So könnten wir ‚Plants to Paws’ retten. Wollen Sie das nicht? Der Ball findet kurz vor Weihnachten statt, ein wirklich zauberhaftes Ereignis.“

Er verdrehte die Augen. „Und Sie spielen dann Schottlands Mrs. Santa Claus?“

„Kein Grund, unhöflich zu werden.“

Sie mochte Weihnachten selbst nicht besonders. Ihr Bruder war an Heiligabend gestorben. Seither steckte ihre liebste Zeit des Jahres voller schmerzlicher Erinnerungen. Der Weihnachtsball war ihr Versuch, ein kleines bisschen Weihnachtsfreude zurückzuholen. Allerdings war es ihr in zehn Jahren Stiftungsarbeit immer noch nicht gelungen.

Er hob kapitulierend die Hände. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn drei Jahre Schufterei einfach so niedergewalzt und geteert werden sollten? An Weihnachten!“

„Ich würde alles dafür tun, den Garten zu retten.“

Er quittierte ihren Einwurf mit einem Schnauben.

Am liebsten hätte Esme gesagt, er solle sie einfach einmal googeln. Aber je nachdem auf welcher Seite er landete, konnte er durchaus den falschen Eindruck bekommen.

Also atmete sie tief durch. „Ich kenne alle Spender persönlich. Das sind Leute, die der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten.“ Sein Blick sprach Bände. „Nehmen Sie es einfach als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.“

„Ich vertraue keinen hübschen Verpackungen.“

Es war offensichtlich, dass er damit sie meinte.

Und das machte sie nun endgültig wütend. Sie war kein kleines, unbekümmertes Society-Girl, das sein Ego aufpolierte, indem es weihnachtliche Geschenke verteilte.

Demonstrativ blickte er auf seine Uhr. „Meine Patienten warten. Wenn Sie mich also entschuldigen würden …“

„Das tue ich nicht!“

Er neigte den Kopf zur Seite und ließ einen Finger kreisen, als wollte er die Sache beschleunigen.

Was sollte dieses Gehabe? Die „Heatherglen Foundation“ war das einzig Gute, das aus den schmerzhaftesten Erfahrungen ihres Lebens entstanden war. Sie würde ihn nicht darum bitten, ihre Hilfe anzunehmen.

Das Schlimmste jedoch war, dass Max Kirkpatrick ihr innerhalb von Sekunden unter die Haut gegangen war. Durch den dicken Wintermantel und den warmen Kaschmirpullover darunter. Mit ihm zu sprechen fühlte sich schrecklich persönlich an, geradezu intim.

Esme rieb sich die Hände, als wollte sie etwas loswerden. „Ich biete Ihnen meine Hilfe an. Mit einer Spenderliste, die in Schottland ihresgleichen sucht. Wenn Sie nicht interessiert sind, Gavin Henshall zu stoppen, bevor er ‚Plants to Paws‘ dem Erdboden gleichmacht, dann ist das Ihr Problem.“

Zu ihrer Überraschung hielt er inne und blinzelte.

Aha. Hatte sie einen wunden Punkt getroffen?

„Ich glaube kaum, dass ein paar Tausend Pfund Gavin Henshall aufhalten können.“

Das stimmte natürlich. Darum erzählte Esme, wie viel für das letzte Projekt zusammengekommen war.

Und er blinzelte abermals. „Was muss ich dafür tun?“

Ziemlich direkt, aber immer noch besser, als wenn er sie zum Society-Häschen abstempelte.

Dr. Kirkpatrick musste ihr Stirnrunzeln richtig gedeutet haben, denn plötzlich verneigte er sich und sah sie von unten herauf mit einem unerwartet charmanten Lächeln an. „Ich bitte um Verzeihung. Wie Sie sehen, hat meine gute Erziehung versagt, Miss Ross-Wylde. Oder sollte ich Mrs. sagen?“

„Miss“, gab Esme etwas zu schnell zurück, und sie bemerkte, wie er die Augen zusammenkniff.

Genau so musste sie geschaut haben, als er bei der Erwähnung von Gavin Henshall gestockt hatte.

Er hatte ihren wunden Punkt entdeckt und sie seinen. Höchste Zeit zu gehen! Aber da war irgendetwas an ihm. Sie wollte wissen, wie er tickte. Warum konnte Max Kirkpatrick nicht abstoßend sein oder verheiratet? Unauffällig musterte sie seinen Ringfinger.

Nichts.

Ihr Herz raste, und sie wusste kaum noch wohin mit sich selbst.

Einfach die Details erklären. Sein Nein akzeptieren und gehen.

Scheinbar gelassen kreuzte sie die Arme vor der Brust. „Ich habe mit der Krankenhausleitung ausgehandelt, dass der Verkauf ins neue Jahr verschoben wird. Wenn der Weihnachtsball genug einbringt, bleibt ‚Plants to Paws‘, wie es ist.“

„Auf Dauer?“

„Genau. Allerdings …“

Er lachte auf. „Ich wusste doch, es gibt einen Haken!“

Sie hob die Augenbrauen. „Meine Bedingung, Dr. Kirkpatrick, ist, dass Sie als Leiter des Wohltätigkeitsprojekts zwei Patienten auswählen, die von einem Begleithund profitieren würden.“

„Das ist also Ihre Bedingung, ja?“

Esme ignorierte ihn einfach. „Wir bieten den Patienten zwei Wochen Einzeltraining in unserem Hundetherapiezentrum. Natürlich kommen wir für die Kosten auf, und wir lassen ihnen auch im Anschluss Unterstützung zukommen, falls es finanzielle Schwierigkeiten gibt.“

Sein Gesichtsausdruck änderte sich kaum, trotzdem erkannte sie, dass er ernsthaft darüber nachdachte.

„Was können Ihre Hunde, abgesehen vom Suchen und Retten?“

Esme lächelte. Sie sprach nicht gern über sich selbst, von ihren Hunden konnte sie stundenlang schwärmen. „Unsere Begleithunde sind spezialisiert auf den Umgang mit Epileptikern, Diabetikern, Krebsleidenden und Patienten mit motorischen Einschränkungen. Wir haben aber auch Hunde, die bei emotionalen Problemen helfen, bei Ängsten oder posttraumatischen Belastungsstörungen.“

Er nickte. „Und was wäre mein Part?“

Normalerweise würde sie ihn jetzt nach Heatherglen einladen, aber das kam nicht infrage.

„Nichts. Abgesehen von Ihrer Anwesenheit beim Ball, wo Sie den Scheck entgegennehmen.“ Die Lüge kam flüssiger über ihre Lippen als erwartet. Sonst lud sie die Projektleiter ein, die Patienten und deren Familie zu begleiten, wenn sie nach Heatherglen kamen. Aber zwei Wochen mit Max Kirkpatrick im romantisch dekorierten weihnachtlichen Schloss? Auf gar keinen Fall!

Stattdessen redete sie munter weiter. „Das Training findet in unserem Hundetherapiezentrum statt, es befindet sich aber auch eine Rehaklinik auf dem Gelände. Mein Bruder leitet sie. Ich habe Ihren Patienten eine Woche zwischen dem 15. und dem 23. Dezember freigehalten. Am 23. findet der Ball statt. Mir ist klar, dass es zeitlich eng wird mit Weihnachten, aber da der Bauträger es so eilig hat mit dem Parkplatz, dachte ich, wir legen sofort los. Die Patienten können die Hunde über die Feiertage mit nach Hause nehmen und im Januar für eine zweite Trainingswoche zurückkehren.“

Unzählige Emotionen erschienen auf seinem Gesicht und verschwanden wieder, bevor sie auch nur eine davon hätte deuten können.

„In Ordnung“, sagte er schließlich. „Solange wir eines klarstellen …“

Esme konnte nicht anders als lachen. „Entschuldigen Sie, Dr. Kirkpatrick. Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich diejenige, die Ihnen hilft …“

„Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie mein Projekt auf den Kopf stellen.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich so etwas vorhätte?“

„Bittere Erfahrung.“

Am liebsten hätte Max seine Worte zurückgenommen. Aber Gavin Henshalls Name hatte ihn in den dürren Vierzehnjährigen zurückverwandelt, der alles dafür getan hatte, dass sein Stiefvater ihn mochte. Nur um festzustellen, dass es nie reichte.

Militärinternat, Praktika, Boot Camp. Egal, wie hart er gearbeitet hatte, der Zutritt zum Haus seines Stiefvaters war ihm verwehrt geblieben, und er hatte seine Mutter nicht vor ihm beschützen können.

Vor der Hochzeit war noch alles in Ordnung gewesen. Gavin hatte Max und seine Mutter mit Lügen geblendet. Liebe und Respekt hatte er ihnen versprochen, ein Haus mit Garten in einem guten Viertel. Die richtige Bildung für den „erstaunlich pfiffigen Jungen“.

Der Krebs hatte seine Mutter schließlich befreit, dachte Max zynisch. Ihm selbst war es nie gelungen.

Er schüttelte den Kopf und zwang sich zurück ins Hier und Jetzt.

Esme Ross-Wylde kam ihm nicht vor wie ein Prinzesschen, das Goldmünzen an die Bedürftigen verteilte. Aber Geld bedeutete Macht, und bei Gavin hatte Max gesehen, wozu Macht fähig war.

„Entweder du verdienst dir deinen Unterhalt, oder du bist raus.“

„Und was ist Ihre Aufgabe in der Stiftung?“ Er musste sicher sein, dass sie sich nicht aus dem Staub machen würde, wenn er sich auf das einließ.

„Sie meinen, abgesehen von meinem Auftritt als Mrs. Santa Claus?“ Sie presste die Lippen zusammen, und er erkannte, dass sein Kommentar sie getroffen hatte. „Ich leite die Stiftung, arbeite aber auch als Tierärztin und Verhaltenstrainerin. Ich bin mir nicht zu schade, Hundehaufen wegzumachen, falls es Ihnen darum geht.“

Er musste sich das Lachen verkneifen. Esme Ross-Wylde machte Hundehaufen weg! Offensichtlich wollte sie klarstellen, dass sie ihr Leben ebenso in die Hand genommen hatte wie er.

„Mehr nicht?“, zog er sie auf.

Ihr Lächeln kam vollkommen natürlich. Anscheinend entspannte es sie, über ihre Arbeit zu reden. „Unsere Tierklinik ist die einzige weit und breit, und das Hundetherapiezentrum ist ausgebucht. Unsere Begleithunde sind auf bestimmte Aufgaben trainiert, wie etwa bei einem epileptischen Anfall den Alarmknopf zu betätigen. Genau wie Minensuchhunde sind auch sie keine Kuscheltiere.“

Der Stolz in ihrer Stimme gefiel ihm. „Dafür gibt es Therapiehunde?“

„Ein Therapiehund hilft bei Stressabbau und bringt Lebensfreude in Pflegeheime oder Krankenhäuser. Ein persönlicher Assistenzhund ist ein verlässlicher Freund bei posttraumatischen Belastungsstörungen oder auch Angststörungen.“

Max nickte. Man sah es in den Gesichtern seiner Patienten, wenn sie im Park ihre Haustiere trafen. Tiere brachten Freude ins Leben. Menschen leider nicht immer.

Sie fuhr fort: „Wir haben festgestellt, dass gerade größere Hunde hervorragende Assistenzhunde für ehemalige Soldaten abgeben, die oft unter PTBS leiden und Unterstützung im Alltag brauchen.“

Wieder nickte er knapp. Er hatte selbst solche Kameraden gehabt. Wie er es geschafft hatte, vier Einsätze im Mittleren Osten ohne Kratzer zu überstehen, war ihm ein Rätsel. Die psychischen Folgen standen auf einem anderen Blatt.

„Und Ihr Bruder? Wie viel hat er dabei zu sagen?“

Einen Moment lang wirkte sie amüsiert. Als wollte sie sagen: Glauben Sie wirklich, ich lasse mir von meinem großen Bruder reinreden?

„Mein Bruder ist Neurologe, er leitet die Rehaklinik. Die Stiftung war schon immer mein Baby. Das werden Sie selbst sehen, wenn Sie nach Heatherglen …“ Sie brach ab.

„Ich dachte nicht, dass ich eingeladen bin.“ Was ihn nicht störte. Im Gegenteil: Es erleichterte ihn. Allerdings musste er zugeben, dass er neugierig war und nicht unbedingt auf das Schloss …

Eine tiefe Röte überzog ihre Wangen. „Normalerweise kommt der Leiter des Projekts mit zu den Trainings, aber da der Zeitraum so kurz vor Weihnachten liegt, dachte ich …“ Wieder geriet sie ins Stocken.

Max beobachtete, wie ein Krankenwagen an die Klinik fuhr. Seine Pause war offensichtlich vorbei, und dieses Gespräch wurde komplizierter, als es sein sollte. Die Frau hatte ein großes Herz, er sollte ihre Hilfe annehmen. Allein „Plants to Paws“ zuliebe.

„Keine Sorge. Ich bin ohnehin schon ausgebucht.“

„Verstehe.“ Sie schob sich eine Locke hinters Ohr. Unwillkürlich fragte er sich, ob ihr Haar wirklich so weich war, wie es aussah.

Seine Stimme klang trotzdem neutral. „Wo würden meine Patienten wohnen?“

„Auf Heatherglen.“ Zögerlich begegnete sie seinem Blick. „Ein Teil des Schlosses wurde zur Klinik umfunktioniert. In den alten Stallungen befindet sich das Zentrum für Hundetraining.“

„Also keine ausgedehnten Jagden mehr?“

Sie runzelte die Stirn. „Waren Sie schon einmal auf Heatherglen?“

„Ist lange her.“ Er spürte ihren Blick, als er sich niederhockte, um Skye zu streicheln. Auf keinen Fall würde er ihr erzählen, dass der Tag auf Heatherglen zu seinen wenigen schönen Kindheitserinnerungen zählte. Er wollte nicht um eine Einladung betteln.

Aber die Vorstellung, seinen Patienten zu helfen und gleichzeitig Gavin Henshall eins auszuwischen, war verlockend. Was würde er nicht alles geben, dessen Gesicht zu sehen, wenn es nichts wurde mit seinem Bezahlparkplatz.

„Also …“ Ein Schauer durchlief ihn beim Klang von Esmes Stimme. „Heißt das, Sie nehmen mein Angebot an?“

Er stand auf und sah ihr direkt in die Augen. „Wenn wir ‚Plants to Paws‘ retten können, sollten wir es tun. Geben Sie mir Ihre Nummer?“

Im ersten Moment dachte Esme, er wollte sie um ihre Privatnummer bitten.

Ein Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Schlittschuh laufen im Mondschein, ihr Fäustling in seiner großen, starken Hand. Gleichmäßiges Dahingleiten unter sternenklarem Himmel, bis er sie an sich zog und …

„Oder die E-Mail Ihrer Stiftung? Was ist das Einfachste?“

Autor

Annie Oneil
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