Der Bedrohung so nah

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Vor sechs Jahren hat Leigh Michaels einen Waffenhändler geliebt - und dann verraten. Jetzt ist Ian Rasmussen aus dem Gefängnis ausgebrochen, getrieben von dem Wunsch, sich an Leigh zu rächen. Das Zeugenschutzprogramm greift nicht mehr, ihre neue Identität ist aufgeflogen, sie muss fliehen! Was Special Agent Jake Vanderpol erneut auf den Plan ruft. Dabei ist er der letzte Mann, dem Leigh vertraut. Damals hat er erst ihr Herz erobert und sie dann als Lockvogel eingesetzt, um Rasmussen zu überführen. Aber sie weiß auch, dass Jake der Einzige ist, der sie retten kann. Eine atemlose Flucht durch eine eisige Winterlandschaft beginnt. Bedroht von Killern und Kälte haben sie nichts - außer ihrer heißen Gefühle füreinander.


  • Erscheinungstag 10.01.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783862789412
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Linda Castillo

Der Bedrohung so nah

Aus dem Amerikanischen von Miriam Höllings

PROLOG

Erin McNeal liebte den Geschmack von Adrenalin. Doch als sie ihren Partner mit gefesselten Händen und einer Pistole im Nacken auf dem Boden liegen sah, bildete es tief in ihrem Hals einen bitter schmeckenden Kloß. Verdammt, wie ist er nur in diese Lage geraten? Und warum war sie auch noch dumm genug gewesen, ihm in diese gottverlassene Lagerhalle zu folgen? Offenbar hatten sie auch neun Jahre Polizeidienst nicht genügend Vorsicht gelehrt.

Mit klopfendem Herzen zog sie ihren Dienstrevolver aus dem Halfter an ihrem Rücken und betete, dass sie ihn nicht brauchen würde. Auf einen Schusswechsel konnte sie gut verzichten. Die beiden Männer waren mit halbautomatischen Pistolen bewaffnet und würden nicht zögern, sie auch zu benutzen. Aber Erin war Polizistin. Sie würde nicht zusehen, wie ihr Partner erschossen wurde, nur weil sie in der Unterzahl war.

Ohne die Männer aus den Augen zu lassen, spannte sie den Hahn mit dem Daumen. Die Verstärkung, die sie per Funk angefordert hatte, würde nicht rechtzeitig genug eintreffen, um das Unvermeidliche zu verhindern. Ihr Partner hatte höchstens noch eine Minute zu leben – wenn er Glück hatte. Damit blieben ihr ungefähr dreißig Sekunden, sich etwas einfallen zu lassen.

„Entweder du sagst uns jetzt, wer dein Informant ist, Cop, oder wir prügeln es aus dir heraus“, sagte der Mann mit dem schlecht sitzenden Anzug.

Erin war zu weit entfernt, um den Typen zu erkennen. Doch die Gelassenheit und seine ruhige Hand verrieten ihr, dass er ein Profi war. Dem erwartungsvollen Unterton in seiner Stimme nach zu urteilen, würde ihr Partner nicht der erste Mensch sein, den er umbrachte. Wo, zur Hölle, blieb die Verstärkung?

„Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit“, sagte der andere Mann. „Leg ihn um.“

Der Mann im Anzug hob seine Waffe. „Letzte Chance, Cop.“

Erin kam aus ihrer Deckung hinter dem Gabelstapler hervor, hob den Revolver und richtete ihn auf den Mann im Anzug. „Polizei! Waffen fallen lassen und die Hände über den Kopf!“

Der Mann schwenkte herum, wobei er langsam die rechte Hand in sein Sakko gleiten ließ. „Was, zum Teufel …“

Erin zielte auf den Mann, der nach seiner Waffe griff.

„Keine Bewegung!“

Die Männer blickten sich kurz an, und Erin überkam ein ungutes Gefühl. Sie schienen nicht vorzuhaben, sich kampflos zu ergeben. Schon gar nicht einer Frau.

Langsam hob ihr Partner den Kopf. Sie sah die gleiche Angst in seinen Augen, die auch in ihrer Brust wie ein wildes Biest wütete. Sie war in der Unterzahl, das war offensichtlich. Keine gute Voraussetzung, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, geschweige denn, das von jemand anderem zu retten.

Verdammt, so war das nicht geplant gewesen.

Als Panik sie zu übermannen drohte, ging sie automatisch in ihre wieder und wieder trainierte Schusshaltung. Die Beine schulterbreit auseinander, den Hahn des Revolvers gespannt, die Waffe auf das Ziel gerichtet – doch keinesfalls, ohne zu zittern. „Waffen fallen lassen!“ rief sie. Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie sich selbst kaum hörte.

Aus dem Augenwinkel nahm sie plötzlich eine Bewegung über sich wahr. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie die Gestalt auf dem Gerüst sah. Dunkle Kleidung. Getönte Brille. Ein flüchtiges Aufblitzen von blauem Stahl.

Eine Mischung aus Angst und Adrenalin schoss durch ihren Körper. Sie schwenkte den Revolver nach oben und fühlte ihr Blut in den Adern gefrieren. Der Typ auf dem Gerüst war viel zu jung, um eine Waffe auf einen Cop zu richten. In ihrer Polizeiausbildung hatte sie gelernt, dass sie in solchen Situationen abdrücken musste, doch sie konnte nicht. Ihr Finger war wie erstarrt. Eine Sekunde später peitschte ein Schuss durch die Luft. Das Geräusch hallte in ihrem Kopf wider, als das Geschoss ihre Schulter mit der Kraft einer Kanonenkugel durchschlug. Sie begann rückwärts zu wanken. Ein gleißender Schmerz schoss ihr durch den Arm in die Fingerspitzen und zwang sie in die Knie.

Benommen hob sie die Waffe und feuerte zweimal in rascher Folge. Die Gestalt fiel über das Geländer und kam mit einem abscheulich dumpfen Geräusch auf dem Boden auf.

Ein weiterer Schuss peitschte durch die Lagerhalle. Erin schrie den Namen ihres Partners. Zu spät. Die Kugel hatte ihr Ziel bereits gefunden. Erin versuchte, sich aufzurichten, doch ihr versagten die Beine, und sie sank zurück auf den Betonboden. Ein beinah unmenschlicher Laut löste sich aus ihrer Kehle, und ihre Sicht verschwamm. Noch immer bei Bewusstsein, hörte sie wie durch einen Schleicher das Heulen von Sirenen in der Ferne. Wütende Rufe. Schritte auf dem Betonboden.

Zwanzig Meter weiter der regungslose Körper ihres Partners.

Wut und Unglauben mischten sich mit Trauer, während ein brutaler Schmerz ihren Körper durchzuckte. Doch das war nichts im Vergleich zu dem Gefühl der Schuld, das ihr Herz in tausend Stücke riss.

Bitte lieber Gott, lass ihn nicht sterben.

Als die Dunkelheit sich um sie schloss, betete sie still, dass ihr Partner überleben und ihr eines Tage verzeihen würde. Und dass sie eines Tages in der Lage sein würde, sich selbst zu verzeihen. Dann verlor sie das Bewusstsein.

1. KAPITEL

Erin McNeal fuhr mit ihrem Auto auf den Parkplatz der Polizeistation von Logan Falls, Indiana, und starrte das zweigeschossige Backsteingebäude an. Sie spürte die Angst in sich aufziehen wie ein plötzlich nahendes Unwetter.

„Du schaffst das“, sprach sie sich laut Mut zu und zwang sich, die Finger vom Lenkrad zu lösen, das sie fest umklammert hielt. Doch die Worte halfen weder gegen das Herzklopfen noch gegen das erstickende Gefühl der Enge in ihrer Brust.

Es war unglaublich, wie nervös sie war. Beinah hätte sie laut aufgelacht. In ihrer neunjährigen Dienstzeit als Polizistin hatte sie es mit einigen der gefährlichsten Verbrecher Chicagos aufgenommen. Und nun gingen ihr die Nerven durch, weil sie ein Bewerbungsgespräch bei dem Polizeichef einer Stadt hatte, die gerade einmal halb so groß war wie ihr ehemaliges Revier.

Doch das gehört der Vergangenheit an, dachte sie finster. Sie war nicht mehr bei der Polizei von Chicago. Sie war nicht mehr die einzige Frau dort, die sich in neun Jahren von einer Streifenpolizistin über Zivilfahnderin zum Detective in der Abteilung für Drogenkriminalität hochgearbeitet hatte.

Tatsache war, dass Erin arbeitslos war. Und mit der ramponierten Schulter, ihrem ruinierten Ruf und einem Sack voll persönlicher Probleme war der Deputy-Posten in Logan Falls das Beste, worauf sie hoffen konnte. Kleinstadt hin oder her, sie musste einen guten Eindruck machen.

Die Nerven bis aufs Äußerste gereizt, stieg sie aus dem Auto und ging zum Eingang der Polizeiwache. Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter, umfasste die Bewerbungsmappe fest, hob das Kinn und atmete zweimal tief ein. Doch es half nichts. Nur mit Mühe konnte sie den Drang unterdrücken, in nervöses Gelächter auszubrechen. Als sie vor sechs Monaten durch die Tür einer verlassenen Lagerhalle, in der sich ein bewaffneter Verdächtiger verschanzt hatte, gestürmt war, hatte sie nicht annähernd so viel Angst gehabt wie heute. Aber damals war sie ein Adrenalinjunkie gewesen und hatte gewusst, dass sie gut in ihrem Job war. Jetzt war ihr Selbstvertrauen am Boden und ihre Karriere im Eimer. Sie hatte Glück, wenn sie diese Angelegenheit überstand, ohne auch noch ihre Selbstachtung zu verlieren.

Sie zwang sich, die Vergangenheit ruhen zu lassen, setzte ihr bestes Cop-Gesicht auf und ging zur Tür. Sie konnte nur hoffen, dass der Mann dahinter nicht allzu hohe Ansprüche hatte.

Grübelnd ging Polizeichef Nick Ryan den Lebenslauf durch. Auf dem Papier war die Karriere von Exdetective Erin McNeal tadellos. Zwei Empfehlungen aus den jeweiligen Abteilungen, eine Tapferkeitsauszeichnung, einen Blue Star für eine schwere Verletzung im Dienst. Commander Frank Rossi, ein alter Freund aus Polizeischultagen, dem er einen Gefallen schuldete, hatte sie empfohlen.

Er hatte ihm versichert, dass sie eine gute Polizistin war. Gerissen. Hart. Vielleicht etwas zu selbstbewusst und zu sehr von sich selbst überzeugt. Zumindest bis zu jener Nacht, in der sie einen Undercover-Einsatz in den Sand gesetzt und ihr Partner dafür die Rechnung bezahlt hatte. Frank war gezwungen gewesen, sie aus dem aktiven Dienst zu nehmen. Am Ende hatte sie schmachvoll gekündigt.

Warum, zum Teufel, musste diese Bewerbung ausgerechnet auf seinem Schreibtisch landen? Einen Cop mit einer Vorgeschichte wie dieser konnte er in seinem Team genauso wenig gebrauchen wie einen Tornado, der durch seine Stadt fegte. Warum hatte Frank ihn nicht gleich gebeten, von der Brücke am Logan Creek zu springen?

Doch Nick suchte nun schon seit fast einem Monat nach einem neuen Deputy. Angeschlagener Ruf hin oder her, Erin McNeal passte ins Profil. Und sie war Franks Nichte. Zu dumm, dass Frank ausgerechnet jetzt diesen Freundschaftsdienst einforderte.

Besorgt und verärgert zugleich starrte Nick auf ihren Lebenslauf. Die Misere dieser Frau war nicht sein Problem. Auch wenn Erin McNeal einmal eine gute Polizistin gewesen war, hatte sie in seinen Augen die ultimative Sünde begangen und im entscheidenden Moment nicht abgedrückt. Und ein Cop, der nicht in der Lage war, seinem Partner Rückendeckung zu geben, hatte es nicht verdient, ein Cop zu sein.

Aber Nick war Frank einen Gefallen schuldig. Sein Freund war immer für ihn da gewesen. Als Trauzeuge, als Nick und Rita geheiratet hatten, genauso wie als Sargträger auf ihrer Beerdigung zwölf Jahre später.

Seufzend lehnte Nick sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Er wollte nichts mit dieser Sache zu tun haben. Auch wenn Logan Falls eine Kleinstadt war, in der es kaum mehr als ein paar Gelegenheitsdiebstähle und die eine oder andere häusliche Auseinandersetzung gab, einen lädierten Cop konnte er in seinem Team nicht gebrauchen. Aber er hatte Frank versprochen, sich um sie zu kümmern und aufzupassen, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet. Ihr eine Chance zu geben, wieder auf die Beine zu kommen. Nick war sich sicher, dass er es bereuen würde. Doch er hatte in seinem Leben schon so vieles bereut, da kam es auf eine Sache mehr oder weniger auch nicht mehr an.

„Beeindruckender Lebenslauf.“ Hector Price, zurzeit Nicks einziger Vollzeit-Deputy, pfiff anerkennend durch die Zähne. „Der Beste, der uns vorliegt, Chief. Der Typ hat traumhafte Referenzen. Sechs Jahre Streife. Zwei Jahre Zivilfahnder. Ein Jahr Detective bei der Drogenfahndung.“

„McNeal ist eine Frau“, sagte Nick gereizt.

Hector guckte verblüfft. „Mensch, die hat echt was drauf. Ein schwarzer Gürtel in Karate. Und sie hat sogar eine höhere Trefferquote beim Schießen als Sie, Chief. Sie ist wirklich gut!“ Als er Nicks finsteren Blick sah, fügte er schnell hinzu: „Also ich meine natürlich für eine Frau.“

Auch für einen Mann, dachte Nick missmutig. Zu gut. Er fragte sich, ob und wem sie etwas beweisen wollte. Es würde ihn überhaupt nicht wundern, wenn all diese außergewöhnlichen Fähigkeiten mit ihren Schuldgefühlen zusammenhingen.

Er kannte ihren Partner Danny Perrine aus Chicago. Und er hatte etliche Gerüchte über die Schießerei gehört. Offenbar hatte Erin McNeal in jener Nacht nicht nur ihre Treffsicherheit und ihren schwarzen Gürtel in Karate, sondern auch all die anderen Dinge, die man ihr auf der Polizeischule beigebracht hatte, vergessen. Danny hatte einen hohen Preis dafür zahlen müssen.

„Solange sie damit leben kann, all ihre großartigen Qualifikationen am Zebrastreifen vor der Schule unter Beweis zu stellen“, sagte Nick.

„Wir hatten noch nie einen weiblichen Cop in Logan Falls, Chief. Das wird bestimmt interessant.“

Nick hätte gerne darauf verzichtet und eine Sorge weniger gehabt. Er hatte sie zwar noch nicht einmal kennengelernt, aber er mochte sie aus Prinzip nicht. Das war unfair, doch es war ihm egal. Nur weil er Frank einen Gefallen tat, hieß das nicht, dass er sie deswegen gleich mögen musste. Er würde einfach abwarten, bis sie von allein dahinterkam, dass die Polizeiarbeit in einer Kleinstadt nichts für sie war.

Es klingelte, und die Eingangstür öffnete sich. Nick sah auf. Bei dem Anblick der Frau, die in der Tür stand, wurde ihm warm ums Herz. Sie sah aus, als hätte sie soeben die Höhle des Löwen betreten mit dem Vorsatz, ihn ordentlich zu verdreschen, ganz gleich, wie groß seine Pranken waren. Sie strahlte dabei eine merkwürdige Mischung aus Nervosität und Leg-dich-ja-nicht-mit-mir-an-Haltung aus. McNeal konnte es nicht sein, die erwartete er erst in zwei Stunden. Abgesehen davon würde er einen Cop sofort erkennen. Nein, diese Frau war kein Cop, sondern eine unbedarfte Zivilistin. Wahrscheinlich verkaufte sie irgendetwas an der Haustür und hatte heute ihren ersten Tag.

Ihr Anzug war gut geschnitten. Nicht sehr figurbetont, aber dafür umso stilvoller. Selbst mit flachen Schuhen war sie auch im Vergleich zu seinen ein Meter neunzig nicht gerade klein. So wie sie sich bewegte, war sie sicherlich sportlich. Bestimmt würde sie ihm gleich einen Kofferraum voll Büromaterial präsentieren und ihm das Geschäft seines Lebens anbieten. Er stöhnte innerlich auf.

Ohne sich die Mühe zu machen, aufzustehen, sah er sie an. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich möchte zu Nick Ryan.“

Sie hatte die grünsten Augen, die er je gesehen hatte. Katzenaugen, dachte er, groß und vorsichtig, voll weiblicher Geheimnisse, eingerahmt von dunklen samtweichen Wimpern. Hohe Wangenknochen und ein voller Mund dominierten ihr etwas zu blasses, zu ernstes Gesicht. Sommersprossen zierten ihre schmale Nase. Das widerspenstige rotbraune Haar hatte sie zu einem Knoten im Nacken zusammengebunden. Sie sah aus, als wäre sie eine weite Strecke mit offenem Fenster gefahren.

„Sicherlich haben Sie das Hausieren-Verboten-Schild an der Tür übersehen“, sagte er, in der Hoffnung, ihnen beiden Zeit zu ersparen.

„Ich möchte Ihnen nichts verkaufen“, sagte sie. „Ich habe einen Termin.“

Nick starrte sie an. Eine ungute Ahnung überkam ihn, als er die Mappe in ihrer Hand und den entschlossenen Ausdruck in ihren kühlen grünen Augen bemerkte. Normalerweise brachte ihn eigentlich nichts so schnell in Verlegenheit, doch er spürte, wie ihm die Hitze den Nacken hochkroch – und das dringende Bedürfnis, Frank Rossi zu erwürgen.

„Sie sind Erin McNeal“, sagte Nick.

Sie nickte. „Ich bin ein bisschen zu früh.“

„Nicht nur ein bisschen.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Zwei Stunden, um genau zu sein.“

„Die Fahrt ging schneller, als ich dachte.“ Sie ging ihm entgegen und streckte die Hand aus.

Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor. „Ich bin Nick Ryan.“

Irgendwie hatte er sich einen Exdetective ganz anders vorgestellt. Er hatte harte und müde Augen erwartet, die in all den Jahren im Dienst viel zu viel gesehen hatten. Doch diese Frau war alles andere als hart. Sie war jung und schlank und irgendwie viel zu … sanft.

„Ich soll Sie von Frank grüßen“, sagte sie.

Stirnrunzelnd streckte Nick die Hand aus. Vermutlich lachte sich Frank in Chicago gerade ins Fäustchen. Ihr Händedruck irritierte ihn. Ein bisschen zu schnell, doch überraschend kräftig. Erstaunt stellte Nick fest, dass sie Schwielen an den Händen hatte. Offenbar trainierte sie mit Gewichten. Wie, um alles in der Welt, hatte er sie nur für eine Vertreterin halten können? Sanft oder nicht, diese Frau war ein Cop durch und durch.

„Ich habe meinen Lebenslauf mitgebracht“, sagte sie.

„Frank hat ihn mir gefaxt.“

Schnell ließ er ihre Hand los, als ihm bewusst wurde, dass er sie noch immer hielt. Obwohl sie nicht besonders nah bei ihm stand, konnte er ihren weiblichen Duft, eine Mischung aus einem exotisch-würzigen Parfüm und dem Geruch frisch gewaschener Haare, riechen. Wie war es möglich, dass eine Frau mit schwieligen Händen und den Augen eines Cops so gut roch?

Als er bemerkte, dass er sie anstarrte, riss er sich von ihrem Anblick los und sah Hector an, der ebenfalls mit offenem Mund dastand und den Blick nicht von ihr abwenden konnte. „Das ist Deputy Price.“

Erin streckte ihre Hand aus. „Freut mich, Deputy.“

„Ma’am.“ Hector sprang auf die Füße, wischte sich die Hand an der Uniformhose ab und reichte sie ihr.

Nick kämpfte nach wie vor mit der Tatsache, dass Detective Erin McNeal nicht annähernd so abgebrüht und zynisch war, wie er es erwartet hatte, sondern eine Frau war, die himmlisch roch und aussah, als wäre sie gerade einer dieser dramatischen Polizei-Fernsehserien entsprungen.

Sie war keine Schönheit im klassischen Sinne. Ihre Haare waren weder richtig rot noch braun und ließen sich kaum in einem Knoten bändigen. Ihr Mund war für seinen Geschmack etwas zu groß, und auch aus Sommersprossen machte er sich nicht viel. Doch ihre natürliche Ausstrahlung war durchaus attraktiv. Sie hatte etwas von dem Mädchen von nebenan, das schon immer lieber mit Zwillen als mit Puppen gespielt hat.

Sie musterte Nick. „Frank hat mir erzählt, dass Sie ein alter Freund von ihm sind.“

Nick runzelte die Stirn. Die Art, wie sie das Wort „alt“ betonte, gefiel ihm nicht. Nur weil er sich wesentlich älter als achtunddreißig fühlte, hieß das nicht, dass es auch so war. „Ja, wir kennen uns schon recht lange“, sagte er.

Nick merkte, dass es ihm mindestens genauso schwerfiel wie seinem Deputy, den Blick von ihr abzuwenden. Er räusperte sich. „Damals in Chicago waren Frank und ich Partner.“

„Er spricht nur gut von Ihnen“, sagte sie.

„Nur weil ich ihm einen Gefallen tue.“

Ihr Blick fixierte ihn, als frage sie sich, ob er sie gerade gekränkt hatte. Offenbar hatte sie eine sehr gute Wahrnehmung. Für einen kurzen Moment hatte Nick die Hoffnung, dass sie den Job am Ende doch ablehnen würde.

„Ich bin wirklich viel zu früh“, sagte sie. „Ich kann gerne warten, wenn Sie gerade beschäftigt sind.“

Großartig, er hatte sie schon wieder angestarrt. Er benahm sich wie ein pickelgesichtiger Teenager, der seinem Lieblingsplaymate begegnete. Erin McNeal war eine Polizistin – und eine schlechte dazu. Vermutlich war sie genauso wie all die anderen Frauen, mit denen er damals in Chicago zusammengearbeitet hatte.

Als er bemerkte, dass Hector beinah die Augen aus dem Kopf fielen, zeigte er auf sein Büro. „Dort drinnen können wir reden, Ms McNeal.“

Mit großen, selbstbewussten Schritten ging sie zu der Tür. Er folgte ihr, wobei er es tunlichst vermied, ihren Hintern zu inspizieren, auch wenn er instinktiv wusste, dass ihm der Anblick gefallen würde. Am besten nahm er gar nicht erst zur Kenntnis, dass diese Frau eine Figur hatte, die ihm gefiel. Je weniger er an ihr mochte, desto besser.

Er setzte sich hinter den Schreibtisch in seinem Büro und sah zu, wie sie auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz nahm. Ihr Blazer öffnete sich ein kleines Stück, als sie ihre Beine überkreuzte, und gab für einen kurzen Augenblick den Blick auf etwas Spitze und den Ansatz ihrer Brüste unter ihrer Bluse frei. Fest entschlossen, sich auf das Interview zu konzentrieren, heftete er seinen Blick auf die Unterlagen, die vor ihm lagen. „Ihre Referenzen sind wirklich beeindruckend“, sagte er. „Frank hat Sie sehr empfohlen.“

„Frank war ein guter Commander.“

„Es hilft sicherlich, dass er Ihr Onkel ist.“

Nick sah auf seine Unterlagen. Ob sie wusste, dass Frank ihm von der Schießerei erzählte hatte? „Sie haben Ihre Abschlussprüfung zum Detective mit sehr gutem Ergebnis bestanden. Nach nur zwei Jahren haben Sie sich von der Zivilfahndung versetzen lassen, um Detective zu werden. Hier steht‚ weil Sie die ‚geistige Herausforderung suchen‘. Ihre Aufklärungsrate ist hoch. Und Ihre Treffsicherheit ausgezeichnet.“ Er sah sie an. „Ziemlich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass in Chicago über dreizehntausend Polizisten im Dienst sind.“

Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich liebe meinen Beruf.“

Eine Antwort, die ihm trotz seiner Vorbehalte ihr gegenüber gefiel. Bestimmt hatte sie einige Hürden auf dem Weg zum Detective überwinden müssen. Er kannte etliche Männer, die nicht einmal halb so gut waren wie sie. Und ebenso viele, die bis zum Äußersten gehen würden, sie am Aufstieg zu hindern, weil sie dem falschen Geschlecht angehörte. Trotzdem hatte sie es geschafft. Nick bewunderte Beharrlichkeit fast ebenso wie Mut. Er fragte sich, ob sie mutig genug war, das Thema anzuschneiden, über das offenbar keiner von ihnen reden wollte.

„Hier in Logan Falls ist es recht ruhig“, sagte er. „Ein paar straffällige Jugendliche. Häusliche Auseinandersetzungen. Letzten Freitag wurde der Brass Rail Saloon ausgeraubt, aber so was kommt nur sehr selten vor. Meinen Sie, dass Sie mit so viel Aufregung zurechtkommen?“

„Wenn ich in Chicago mit einem Stadtteil wie der South Side fertig geworden bin, dann wird Logan Falls wohl kaum ein Problem für mich darstellen.“

Natürlich hatte er die Frage nicht ernst gemeint, doch anscheinend hatte er sie damit provoziert. Stolz war sie also auch. Verärgert darüber, wie wenig sie seinen Erwartungen entsprach, studierte er erneut ihre Unterlagen. Frank hätte ihn wenigstens vorwarnen können, wie gut sie aussah. Aber am meisten ärgerte er sich darüber, dass es ihm überhaupt auffiel.

„Ich sehe, Sie hatten persönliche Probleme“, sagte er.

„Nichts Großes …“

„Es ist meine Pflicht, Sie danach zu fragen.“ Er blätterte eine Seite um. „Sie haben sich einer dienstlichen Anordnung widersetzt.“

Sie betrachtete ihn argwöhnisch, während sie ihr Gewicht auf dem Stuhl verlagerte. „Ich hatte ein Problem mit einer Anweisung, was ich meinem Lieutenant auch mitgeteilt habe.“

„Worum ging es dabei?“

„Ein paar unliebsame Fälle, die zugunsten vermeintlich wichtiger Dinge zurückgestellt wurden. Die Opfer waren hauptsächlich Prostituierte, für die sich niemand interessierte. Ich fand das nicht fair.“

Nick bestätigte das Gesagte mit einem unverbindlichen Nicken. Es gefiel ihm gar nicht, dass er ihrer Meinung war, aber er vermisste die Arbeit in der Großstadt und die politische Dimension, die diese mit sich brachte, nicht im Geringsten. „Macht die Schulter noch Probleme?“ Ihre Augen weiteten sich. Offenbar war sie auf diese Fragen nicht vorbereitet gewesen. „Frank hat mir von der Schießerei erzählt“, erklärte er.

„Ein bisschen Arthritis“, antwortete sie. „Aber nichts Schlimmes.“

„Haben Sie die medizinischen Tests bestanden?“

Sie nickte. „Ich bin Linkshänderin, daher beeinträchtigt die Verletzung meine Treffsicherheit nicht. In der rechten Hand habe ich allerdings nicht mehr so viel Kraft.“

Oberflächlich gesehen war ihre Antwort durchaus akzeptabel und auf den Punkt gebracht. Vermutlich genau so, wie sie es geplant hat, dachte Nick. Doch er war ein aufmerksamer Beobachter und sah auch die weniger deutlichen Zeichen. Weder die Tatsache, dass sie ihre Tasche so fest umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, noch das leichte Zittern ihrer Hand oder die angespannten Muskeln ihres Kiefers waren ihm entgangen. Alles Anzeichen von Stress. Offensichtlich setzte ihr die Schießerei wesentlich mehr zu, als sie zugab. Typisch Cop, dachte er und stöhnte innerlich auf. Er hätte sein letztes Hemd darauf verwettet, dass die Frau, die ihm gegenübersaß, einen ganzen Sack voll persönlicher Probleme mit sicher herumtrug. Genauso wie er.

„Frank hat gesagt, Sie hätten Glück gehabt, dass Sie überhaupt lebend wieder aus der Lagerhalle gekommen sind.“

Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie ihm widersprechen. Doch dann überlegte sich es sich offenbar anders. „Ich hatte sehr viel Glück.“

Im Gegensatz zur Ihrem Partner Danny Perrine. Der Gedanke machte ihn wütend. Er fragte sich, ob sie vorhatte, ihm die Geschichte von allein zu erzählen, oder ob er ihr jedes einzelne Detail aus der Nase ziehen musste.

„Waren Sie danach beim Polizeipsychologen?“, fragte er beiläufig. Ihr Blick fixierte ihn. Sie wusste, dass es keine beiläufige Frage war, das sah er ihr an. Auch wenn sie es versuchte, gelang es ihr nicht, ihre Reaktion darauf vor ihm zu verbergen. Er hatte das kurze Aufflackern ihrer Gefühle in der Tiefe ihres Blickes gesehen.

„Ich war für einige Monate bei Dr. Ferguson in Behandlung. Das ist Pflicht für alle Cops, die in einen Schusswechsel verwickelt waren. Sie hat mir eine uneingeschränkte Dienstfähigkeit attestiert.“

„Warum hat Frank Sie dann gefeuert?“

„Frank hat mich nicht gefeuert, ich habe gekündigt.“

„Auf dem Papier vielleicht. Aber dass Sie gehen würden, war klar. Und natürlich wussten Sie, dass es sich im Lebenslauf besser macht, wenn Sie von sich aus kündigen.“ Auch wenn Nick sie nicht ansah, spürte er ihre Anspannung. Er ließ die Stille kurz wirken, dann sah er sie an. „Sie haben doch nicht gedacht, dass ich Sie nicht nach der Schießerei fragen würde, oder?“

Erin sah ihn mit wachsamen Augen an. „Natürlich nicht.“

„Mir liegt Ihre komplette Akte vor“, erklärte er. „Möchten Sie mir Ihre Version der Geschichte erzählen?“

„Frank sagte …“

„Warum hören Sie nicht auf, darüber nachzudenken, was ich bereits von Frank weiß, und erzählen mir einfach, was passiert ist?“

Zum ersten Mal schien er sie aus der Fassung gebracht zu haben. Sie blinzelte, dann senkte sie den Blick, während sie nervös mit ihren Händen spielte. „Er hätte Ihnen nicht meine komplette Akte geben dürfen. Teile davon sind vertraulich.“

„Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass er Sie hier hereinspazieren lässt, damit Sie mich mit Ihren Testergebnissen und Ihrer Aufklärungsrate blenden können, wenn wir beide genau wissen, dass Sie in den vergangenen sechs Monaten ernsthafte Probleme hatten, oder?“

„Frank weiß, dass ich eine gute Polizistin bin.“

„Und er weiß auch, dass Sie zurzeit etwas labil sind. Sie waren in eine Schießerei verwickelt. So etwas belastet einen selbst, ob man das zugeben will oder nicht. Frank wollte mich nicht im Unklaren lassen, nicht nachdem, was mit Danny Perrine passiert ist.“

Sie zuckte zusammen. „Ich bin nicht labil. Ich habe einen Fehler gemacht …“

„Einen ziemlich großen, der Ihren Partner beinahe das Leben gekostet hätte.“

„Ich bin mir völlig darüber im Klaren …“

Nick gab ein kurzes, ungläubiges Lachen von sich, um zu verdeutlichen, was er von Cops hielt, die Fehler machten. „Nur weil Sie sich darüber im Klaren sind, heißt das noch lange nicht, dass sich das Problem in Luft auflösen oder es nie wieder vorkommen wird.“

„Ich hab es verbockt“, sagte sie. „Ich bin zu früh in den Polizeidienst zurückgekehrt nach der … der Sache mit Danny. Aber es geht mir schon besser …“

„Oh, gut zu wissen. Da fühle ich mich im gemeinsamen Einsatz mit Ihnen jetzt gleich viel sicherer, da ich nun weiß, dass es Ihnen jetzt besser geht.“

Wütend sah sie ihn an. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich Ihren Sarkasmus sparen könnten.“

Es verschaffte ihm zwar eine gewisse Befriedigung, ihre Wut zu sehen, doch er ging darüber hinweg. „Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, McNeal. Ich versuche nur, herauszufinden, ob Sie noch immer für den Polizeidienst geeignet sind.“

„Warum geben Sie mir nicht einfach eine Chance, es zu beweisen?“

„Weil ich Angst habe, dass Sie im entscheidenden Augenblick versagen. Auf eine Kugel im Rücken kann ich gut verzichten.“

Sie starrte ihn an. Ihren Augen waren geweitet, und ihre Nasenflügel bebten kaum merklich. „Sie können sich auf mich verlassen.“

„Wenn das der Fall wäre, wären Sie noch immer in Chicago.“

„Franks persönliches Gutachten von mir war falsch.“

Nick lehnte sich vor. „Sie meinen, er hat gelogen? Warum sollte er?“

„Ich bin seine Nichte. Er will mich beschützen, um Himmels willen. Er denkt, zu Hause wäre ich am besten aufgehoben.“

„Er hat Ihnen eine Stelle in der Verwaltung angeboten. Warum haben Sie abgelehnt?“

„Ich bin Polizistin. Schreibtischarbeit ist nichts für mich.“

„Und deswegen spielen Sie lieber Rambo und lassen Ihren Partner im Stich, wenn es drauf ankommt?“

„So war es nicht.“

Er war ungerecht, das wusste er. Aber dies hier war seine Stadt. Er hatte das Recht dazu, sie auf Herz und Nieren zu prüfen.

„Ich weiß, was in der Lagerhalle passiert ist“, sagte er. „Ich weiß von Danny Perrine. Sie haben nicht abgedrückt, McNeal. Wann hatten Sie vor, mir das zu erzählen?“

Sie starrte ihn an. Die Muskeln an ihrem Kiefer waren angespannt, und aus ihren Augen sprühten Funken.

„Bevor Sie nun auf Ihre Auszeichnungen und Qualifikationen hinweisen – warum erklären Sie mir nicht einfach, weshalb ich Sie einstellen sollte?“

Nur mit Mühe und Not konnte Erin sich davon abhalten, ihn zum Teufel zu schicken. Vor sechs Monaten noch hätte sie ihm ins Gesicht gelacht. Doch heute, verunsichert und verzweifelt, wie sie war, brachte sie es einfach nicht fertig. Stattdessen fragte sie sich, wie dieses Vorstellungsgespräch innerhalb von weniger als zehn Minuten einen so katastrophalen Verlauf hatte nehmen können.

Er weiß es, dachte sie. Er weiß genau, dass ich es nicht mehr kann.

Mit einem Mal spürte sie tief in ihrem Inneren wieder diesen vertrauten Schmerz. Wie eine messerscharfe Klinge schnitt er durch sie und hinterließ eine frische Wunde aus Zweifel und Schuld.

Sie senkte den Blick. Ihre Hände hielten ihre Handtasche fest umklammert. Sie zwang sich, ihren Griff zu lösen. Sie würde nicht zulassen, dass dieser Mann eine linkische Anfängerin aus ihr machte. Sie hob den Kopf und sah ihn unverwandt an.

„Das hier wird nicht funktionieren. Und wir wissen es beide“, sagte sie.

Nick fuhr sich mit Zeigefinger und Daumen über den Nasenrücken. „Wenn das mal keine Untertreibung ist“, sagte er finster.

Enttäuschung machte sich in ihr breit. Nichtsdestotrotz streckte sie das Kinn vor und erhob sich. „Ich werde Ihnen nicht länger die Zeit stehlen, Chief Ryan.“

„Wir sind noch nicht fertig.“

„Doch, das sind wir.“ Sie hängte sich die Handtasche über die Schulter.

Er stand auf. „Sehen Sie, ich habe Frank …“

„Sie müssen mir keinen Gefallen zu tun, Chief. Nur weil mein Onkel Ihr Freund ist, sind Sie nicht verpflichtet, mich anzustellen. Ich brauche Ihr Mitleid nicht.“ Und genauso wenig brauchte sie diesen Job. Es gab genug andere Stellen für sie. Sie musste nur die richtige finden. Auf keinen Fall hatte sie es nötig, sich mit einem Idioten wie Nick Ryan abzugeben und sich bei jeder Gelegenheit runtermachen zu lassen.

Zum ersten Mal schien er ernsthaft verärgert. „Es war nicht persönlich gemeint …“

„Schon in Ordnung. Ich bin es gewohnt, unterschätzt zu werden. Ich habe ein ziemlich dickes Fell.“ Sie versuchte, zuversichtlich zu lächeln, musste sich dabei jedoch auf die Unterlippe beißen, damit diese nicht zitterte. Verdammt. „Ich habe noch andere Optionen.“

„Ach, wirklich?“

„Sicherheitsdienste und solche Sachen.“

„Aha.“

„Abgesehen davon arbeite ich ohnehin lieber in einer größeren Stadt.“

„Das glaube ich gerne.“

Sie würde irgendetwas anderes finden müssen. Letzten Monat hatte sie die Rate für ihr Auto nicht bedienen können. Vielleicht war ein Job bei einer Sicherheitsfirma tatsächlich gar nicht so verkehrt.

„Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.“ Ohne ihn anzusehen, ging sie zur Tür. Sie kam sich vor wie eine Versagerin. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal so schlecht gefühlt hatte. Vielleicht nach dem letzten versiebten Bewerbungsgespräch. Oder als sie zum letzten Mal das Revier verlassen hatte. Oder an dem Tag, an dem sie rausgefunden hatte, dass sie nicht so stark war, wie sie dachte, als sie im alles entscheidenden Moment nicht reagiert hatte.

„McNeal.“

Erst als sie die Tür erreicht hatte, blieb sie stehen. Sie war sich nicht sicher, was passieren würde, wenn sie sich umdrehte. Normalerweise war sie weder besonders emotional veranlagt noch nah am Wasser gebaut. Doch zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit fühlte sie, dass sie kurz davor stand, hemmungslos loszuheulen.

„Frank Rossi empfiehlt nicht jeden“, sagte Nick.

Die Hand auf die Türklinke gelegt, hielt Erin inne. Wütend blinzelte sie die Tränen weg.

„Ich vertraue seinem Urteil“, sagte er. „Sie haben neun Jahre für ihn gearbeitet. Vielleicht sollten auch Sie ihm vertrauen.“

Die Bedeutung seiner Worte drang nur langsam zu ihr durch. Wie ein leichter Nieselregen, der auf verdorrtes Land fällt. Hoffnung keimte in ihr auf, und sie bekam weiche Knie. Sie atmete ein. Und wieder aus. Dann drehte sie sich um und sah ihn an, vergeblich darum bemüht, ihr Zittern zu unterdrücken. „Frank ist mein Onkel und nicht grade sehr objektiv, wenn es um mich geht.“

„Selbst wenn das stimmen sollte: Gibt es irgendeinen Grund, warum ich an Ihrer Befähigung für den Polizeidienst zweifeln sollte?“

„Ich war eine gute Polizistin“, sagte sie etwas aus Atem. „Und ich bin es nach wie vor.“

„Ich brauche einen Deputy. Sie sind mir empfohlen worden. Und Sie haben die entsprechenden Referenzen. Sind Sie interessiert?“

Erin starrte ihn an. Ob er ihr den Job auch dann anbieten würde, wenn er von den Albträumen wüsste? Oder von den wiederkehrenden Erinnerungen, die sich auf sie stürzten wie ein Raubvogel auf seine Beute? Schon die Fehlzündung eines Autos reichte aus, um sie in Gedanken zurück in die Lagerhalle zu versetzen.

„Sie wollen mich einstellen?“, platzte es aus ihr heraus.

Sein Blick durchbohrte sie. „Logan Falls ist eine Kleinstadt. Ein guter Ort, um wieder auf die Beine zu kommen und sich darüber klar zu werden, ob Sie weiterhin im Polizeidienst bleiben oder lieber etwas anders machen wollen.“

Ihr Herz klopfte so heftig, als wäre sie gerade eine Meile gerannt. Hoffnung, aber auch Angst stieg in ihr auf, als sie seinem stechenden Blick standhielt. „Ich bin interessiert.“

„Dann setzen Sie sich am besten wieder hin, damit wir das Bewerbungsgespräch zu Ende führen können.“

Noch vor sechs Monaten hätte ihr Stolz es ihr geboten, ihm zu sagen, er solle sich zur Hölle scheren. Doch heute war ihr klar, dass sie sich in dieser Situation beide nicht erlauben konnten, einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen. Entweder Frank hatte ihn hereingelegt, oder Chief Nick Ryan brauchte wirklich dringend einen Deputy. Sie war sich nicht sicher, welche der beiden Möglichkeiten schlimmer war.

„In Ordnung.“ Mit wackeligen Beinen ging sie zum Stuhl zurück und setzte sich wieder.

Sie beobachtete, wie er erneut hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. Den Krähenfüßen um die Augen herum nach zu urteilen, musste er in etwa Ende dreißig sein. Seine braunen Haare waren kurz geschnitten und so dunkel, dass sie fast schwarz waren. Obwohl es noch nicht mal nachmittags war, lag bereits ein dunkler Schatten auf seinem rasierten, kräftigen Kinn. Er war nicht besonders gut aussehend, aber schöne Männer hatte sie noch nie gemocht. Ein paar Ecken und Kanten waren ihr lieber als ein perfektes Gesicht, und Charakter war ihr wichtiger als Charme. Die markanten Züge seines Gesichts verrieten ihr, dass er über beides im Übermaß verfügte.

Mit der Narbe an seiner rechten Augenbraue, dem stechenden Blick und dem unnachgiebigen Mund hatte Nick Ryan eindeutig ein Charaktergesicht. Er war gut über einen Meter achtzig groß, denn sogar mit ihren hochgewachsenen Einssechsundsiebzig musste sie zu ihm aufsehen. Er hatte die schlanke Statur eines Langstreckenläufers gepaart mit der Muskelkraft eines Boxers. Doch es war nicht sein Körper, der ihm eine machtvolle Präsenz verlieh, sondern seine Augen. Sie hatten die Farbe von starkem Kaffee und waren so kalt wie der Wind am Lake Michigan im Januar. Sein Mund war ein gerader Strich, und sie wusste instinktiv, dass er nicht oft lächelte.

„Wann können Sie anfangen?“

Sie blinzelte. Peinlich berührt stellte sie fest, dass sie ihn angestarrt hatte. „Montag.“ Wie sie allerdings innerhalb von zwei Tagen den Umzug von Chicago nach Logan Falls bewerkstelligen sollte, wo sie noch nicht einmal eine Wohnung hier hatte, war ihr ein Rätsel. Aber irgendwie würde sie es schaffen.

„Sie müssen diese Formulare ausfüllen.“ Er reichte ihr einige Bögen Papier. „Die Bezahlung ist nicht so gut wie in Chicago, aber dafür sind die Lebenshaltungskosten hier auch niedriger.“

Wie betäubt nahm sie die Papiere. Furchtbar, wie stark ihre Hände zitterten. „Ich habe noch keine Wohnung.“ Sie war die rund hundert Meilen von Chicago heute Morgen in weniger als zwei Stunden gefahren und hatte sich nicht weiter in der Stadt umgeguckt, sondern sofort die Polizeiwache angesteuert.

„Über dem Blumenladen in der Commerce Street ist eine Zweizimmerwohnung frei.“ Nick öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches, zog eine Visitenkarte heraus und gab sie ihr. „Mike Barton ist mein Nachbar. Er sucht seit zwei Monaten nach einem Mieter. Am besten rufen Sie ihn an.“

Sie hatte noch nicht richtig verarbeitet, dass er sie eingestellt hatte, da bot er ihr auch schon eine Wohnung an. „Das werde ich machen.“

„Übernachten Sie hier, oder fahren Sie zurück nach Chicago?“

„Wenn es heute mit einer Wohnung klappt, werde ich am Abend zurückfahren, um meine Sachen zu holen. Dann könnte ich übermorgen einziehen.“ Erin erhob sich. Sie fühlte sich wie nach einer Achterbahnfahrt.

„Gut, dann sehen wir uns am Montagmorgen.“

Sie erhob sich und ging zur Tür. Auf halbem Weg hielt sie jedoch inne, holte tief Luft und drehte sich zu ihm um.

„Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?“, fragte sie.

Mit undurchschaubarer Miene stand er auf und ging zu ihr.

„Am liebsten hätten Sie mich zur Hölle geschickt. Sie waren kurz davor. Aber Ihr Stolz hat es nicht zugelassen. Sie wollten nicht, dass ich sehe, wie sehr ich Sie aus dem Konzept gebracht habe. Das hat mich beeindruckt.“

„Sie haben mich nicht aus dem Konzept gebracht.“

Er besaß tatsächlich die Frechheit und lächelte belustigt. „Ach nein?“

Ihre Wangen brannten. Sie mochte es nicht, wenn man mit ihrer Würde spielte. Es war nicht mehr viel davon übrig. „Ich war verärgert, dass Sie mir so auf den Zahn gefühlt haben, obwohl ich ganz offensichtlich über die nötigen Qualifikationen verfüge.“

„Das werden wir sehen.“ Zu ihrer Überraschung streckte er die Hand aus. „Sorgen Sie einfach dafür, dass ich meine Entscheidung nicht bereue.“

„Das werde ich.“ Sie reichte ihm die Hand.

Die Berührung durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag, der von ihm auf sie übersprang und jedes einzelne Nervenende in ihrem Körper in Erregung versetzte. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Hoffentlich hatte er es nicht bemerkt. Nur vage war sie sich seines Griffs bewusst. Er war fest, aber nicht schmerzhaft. Sein Blick bohrte sich in ihren und jagte ihr einen kribbelnden Schauer nach dem anderen über den Rücken.

Der Knoten in ihrer Brust war geplatzt, aber nur, um einem neuen Gefühl der Anspannung zu weichen. Nur allzu gerne hätte sie dieses schwerelose Gefühl darauf geschoben, dass sie so lange auf diesen Augenblick gewartet hatte. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das nicht stimmte. Die Tatsache, dass er so nah bei ihr stand und sie die frische Note seines Aftershaves riechen konnte, war viel eher dafür verantwortlich. Es war verrückt, so einem unwichtigen Detail überhaupt ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass Polizeidienst und Beziehungen genauso kompatibel wie Benzin und Feuer waren – und ebenso explosiv.

Verstört von ihrer eigenen Reaktion, ließ sie seine Hand los und trat einen Schritt zurück. Nicks Blick ruhte auf ihr, doch er lächelte nicht. Er sah genauso überrascht und irritiert aus, wie sie sich fühlte.

Wenn er die Zähne noch stärker zusammenbiss, würde er anschließend zum Zahnarzt müssen.

Er räusperte sich, öffnete ihr die Tür und ließ sie vorangehen. Sofort nutzte sie den Moment zur Flucht. Ohne Deputy Price weiter Beachtung zu schenken, hastete sie zur Eingangstür, um sich möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Unsicher, was da gerade genau zwischen ihr und Nick Ryan passiert war, wusste sie nur, dass es nicht gut war. Und dass es sich auf keinen Fall wiederholen durfte. Dieser Job war ihre letzte Chance.

Sie umfasste den Türknauf, als Nicks Bariton durch den Raum hallte. „McNeal.“

Sie hielt inne. Ein Dutzend Szenarios gingen ihr durch den Kopf. Er wollte mehr Details über den Vorfall mit Danny. Oder er wollte wissen, warum ihre Hände zitterten, warum er hören konnte, wie das Herz in ihrem Brustkorb hämmerte. Sie atmete tief ein, drehte sich um und zwang sich, ihn anzusehen.

Mit ausdrucksloser Miene stand Nick vor seiner Bürotür. „Sagen Sie Frank, er hat was gut bei mir.“

2. KAPITEL

Nick starrte in seinen Kaffeebecher. Was für ein Dummkopf er doch war. Nur zu gerne hätte er geglaubt, dass er Erin McNeal nur deswegen eingestellt hatte, weil er Frank einen Gefallen schuldete. Weil sie beeindruckende Zeugnisse hatte oder vielleicht sogar, weil er einer Kollegin helfen wollte, wieder auf die Beine zu kommen. Doch er wusste ganz genau, dass die Entscheidung, sie einzustellen, viel eher von der Verzweiflung, die er in ihren Augen gesehen hatte, ausgelöst worden war– und der Tatsache, dass sie sich trotz allem einfach umgedreht hatte und beinahe aus seinem Büro marschiert wäre.

Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Das war jetzt schon das vierte Mal in zwanzig Minuten, stellte er verärgert fest. Er versuchte sich einzureden, dass er nicht an sie dachte, dass er nicht nervös war, weil sie an ihrem ersten Tag mit ihm auf Streife fahren würde. Aber er wusste, dass das Unsinn war. Es waren drei Tage vergangen, seit er Logan Falls’ erste Polizistin eingestellt hatte. Und er hatte mehr an sie gedacht, als ihm lieb war. Natürlich vor allem wegen der Schießerei und weil es seine Pflicht als ihr Chef war, zu wissen, was in ihr vorging, vergewisserte er sich selbst. Trotzdem konnte er es nicht leugnen: Sein Interesse an ihr war viel persönlicherer Natur, als ihm lieb war.

Am meisten störte ihn, wie er auf sie reagiert hatte. Nicht als Vorgesetzter oder als Kollege, sondern als Mann. Als Mann, der bereit gewesen war, seinen gesunden Menschenverstand außen vor zu lassen, als er die tiefe Verletzlichkeit und den verletzten Stolz hinter ihrer harten Fahr-zur-Hölle-Fassade gesehen hatte – und die weiblichen Kurven, die seinen Puls in die Höhe getrieben hatten.

Was Frank wohl davon halten würde, wenn er wüsste, dass sein Freund ein Auge auf seine fast zehn Jahre jüngere Nichte geworfen hatte?

Nick verzog das Gesicht und nahm einen Schluck Kaffee. Er hatte sich schon oft gefragt, wie lange sein Desinteresse an Frauen anhalten würde. Er hatte geglaubt, nach Rita sei er so immun gegen weibliche Reize, wie man es als Mann nur sein konnte, und es hatte ihm auch überhaupt nichts ausgemacht. Je weniger Ablenkung er hatte, desto mehr Aufmerksamkeit konnte er seiner Tochter schenken. Doch dann war Erin McNeal in sein Büro spaziert und hatte ihn eines Besseren belehrt. Allerdings hatten sich seine Hormone einen äußerst ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, ihm seine Bedürfnisse als Mann vor Augen zu führen.

Also gut, sie war attraktiv. Na und? Nick verfügte über mehr Verstand und Selbstdisziplin, als ihm guttat. In der Regel gelang es ihm recht gut, sich Ärger vom Hals zu halten. Und mit ihrer wohlgeformten Figur war Erin McNeal dafür prädestiniert, ihm Ärger zu bereiten. Nicht, dass er sich ihre Kurven bewusst angesehen hatte. Aber es gab Momente, da konnte ein Mann einfach nicht anders, als die Vorzüge einer Frau zu bemerken, egal, wie eisern er sich vornahm, sie zu ignorieren.

Diese Frau interessierte ihn, so viel musste er sich wohl oder übel selbst eingestehen. Aber er würde damit fertig werden. In den letzten drei Jahren hatte er keinen Gedanken an eine neue Beziehung verschwendet. Nach Rita hatte er sich geschworen, nie wieder sein Herz an eine Frau zu verlieren. Die Konsequenzen waren zu schwerwiegend. Ganz abgesehen davon mochte er McNeal nicht einmal.

Die Glocke an der Eingangstür klingelte. Erschrocken zuckte Nick zusammen. Kaffee schwappte über den Rand seines Bechers. Er fluchte. Ohne hinzugucken, wusste er, dass es Erin war.

Er versuchte, die nervöse Anspannung, die in ihm aufstieg, zu ignorieren, und blickte durch seine offene Bürotür zum Eingang. Sein Herz hämmerte wie wild, als er sah, wie sie auf ihn zusteuerte. Obwohl er wusste, dass er es später bereuen würde, musterte er sie von Kopf bis Fuß. Der dunkelblaue Blazer und der Rock, die sie trug, waren eigentlich eher konservativ, doch ihr Hüftschwung und die Form ihrer Waden sprachen eine andere Sprache. Sie erinnerte ihn an einen Panther. Graziös und dennoch auf der Hut. Und ein bisschen gefährlich. Ihre Beine waren lang, ihre Schritte selbstbewusst, doch er spürte die Anspannung, die sich hinter ihrem geschmeidigen Gang verbarg. Sie sah ihm in die Augen.

„Morgen“, sagte er.

„Morgen.“ Sie betrat sein Büro.

„Sie sind früh. Es ist noch nicht mal acht.“

„Ich fange gerne früh an.“

Obwohl eine innere Stimme ihn davor warnte, erlaubte er sich einen Blick auf die Seidenbluse unter ihrem Blazer. Noch bevor er wieder wegsehen konnte, wurde er von der Spitze und den Kurven darunter abgelenkt, auch wenn diese ihn natürlich absolut nichts angingen.

Innerlich fluchend deutete er auf den Stuhl ihm gegenüber. „Setzen Sie sich.“

„Danke.“

Ihre Augen schienen ihm heute dunkler als letztes Mal. Sie hatten die Farbe eines Regenwalds, schattenreich und geheimnisvoll. Sie setzte sich und kreuzte die Beine übereinander, wobei das Revers ihres Blazers ein wenig auseinanderfiel. Schnell wandte er den Blick ab und sah auf seine Unterlagen. „Haben Sie eine Wohnung gefunden?“

„Oh ja. Sogar die, die Sie mir empfohlen haben.“

„Gut. Mr Barton ist bestimmt ein guter Vermieter.“ Nick wusste nicht, was mit ihm los war. Noch nie in seinen zehn Jahren als Polizeichef hatte er mit einem seiner Deputys kein vernünftiges Gespräch zustande gebracht. Was hatte Erin McNeal nur an sich, dass er sich in ihrer Gegenwart wie ein pubertierender Jugendlicher fühlte und keinen Ton herausbrachte?

Wütend über sein eigenes Verhalten, stand er auf und ging zu dem metallenen Aktenschrank hinter seinem Schreibtisch, in dem ihre Uniform, ihr Dienstrevolver und ihre Dienstmarke fein säuberlich auf einem Haufen lagen.

„Bis zum Ende Ihrer Probezeit in dreißig Tagen fahren Sie mit mir“, sagte er. „Ich werde Ihnen die Stadt zeigen. Die Brennpunkte, die Stadtgrenzen und die wichtigsten Gebäude. Clyde Blankenships Pferde sind heute Morgen ausgerissen. Wir werden kurz bei ihm vorbeifahren, um uns zu vergewissern, dass er seinen Zaun repariert hat. Er ist schon über neunzig, da leistet er manchmal nicht mehr ganz so gute Arbeit.“

Autor

Linda Castillo
<p>Linda Castillo wurde in Dayton/Ohio geboren und arbeitete lange Jahre als Finanzmanagerin, bevor sie sich der Schriftstellerei zuwandte. Sie lebt mit ihrem Ehemann, vier Hunden und einem Pferd auf einer Ranch in Texas.</p>
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