Der Captain ist 'ne Lady

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Für Cinco Gentry, einen gefragten Sicherheitsexperten, ist es selbstverständlich, seinem Freund Kyle zu helfen: Er soll Captain Frosty Powell bei sich verstecken, bis ein Attentäter, der schon Frostys Chef auf dem Gewissen hat, gefasst wurde. Doch Cinco ahnte nicht, dass der Captain eine ausgesprochen sexy Lady ist, die nicht nur unter seinen Angestellten für Unruhe sorgt, sondern auch sein Leben heftig durcheinander wirbelt. Zwischen der Sorge um Merediths Sicherheit, heiß loderndem Begehren und seinem Entschluss, sich auf keine Beziehung einzulassen, versucht Cinco seinen Alltag einigermaßen in der Balance zu halten. Aber als er eines Nachts im Garten auf Meredith trifft, kann er seine Gefühle nicht mehr kontrollieren: Zärtlich beginnt er, Meredith zu streicheln ...


  • Erscheinungstag 28.08.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727062
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cinco Gentry steckte sein Handy wieder ein und hoffte inständig, eben keinen katastrophalen Fehler begangen zu haben. Sein alter Freund und Geschäftspartner Kyle Sullivan aus dem nahe gelegenen San Angelo hatte ihn zu dieser unchristlichen Morgenstunde angerufen und ihn um einen Gefallen gebeten.

Es ging um einen neuen Klienten, der Schutz brauchte und Unterschlupf auf der Gentry-Ranch. Dieser Klient war Frosty, Kyles ehemaliger Kamerad bei der Air Force, der sich offenbar eine Menge Probleme eingehandelt hatte.

Sicherheit und Personenschutz aller Art waren jedenfalls Cincos Spezialität. Und er hoffte, dass das neue Projekt für seine Sicherheitsfirma besser laufen würde als sein Leben in letzter Zeit.

Am vergangenen Abend hatte er eine frustrierende Aussprache mit seinem Bruder und seiner Schwester gehabt. Deshalb stand er jetzt im ersten Morgenlicht wieder einmal vor den leeren Gräbern seiner Eltern und haderte mit den vier Generationen von Gentrys, die vor ihm auf der Ranch gelebt hatten.

Besonders bedrückend wirkten auf ihn diese beiden Grabsteine. Wie gern hätte er seinen Eltern noch einige Fragen gestellt – zum Beispiel, was damals in jener Unwetternacht wirklich mit ihnen geschehen war und was er jetzt mit seinen rebellischen Geschwistern machen sollte.

Die Granitgrabsteine für T. A. Gentry und seine Frau dienten seit zwölf Jahren nur dem Andenken der beiden und erinnerten ihn ständig daran, dass er niemals die Wahrheit erfahren würde.

Der Ausblick vom Graveyard Hill, dem Gräberhügel, war an diesem Morgen großartig. Auf der einen Seite verblasste allmählich der Vollmond und ließ die letzten Schneefelder bläulich schimmern. Auf der anderen Seite schob sich die Sonne langsam über einen Hügel. In ihrem Schein leuchtete der Schnee rot wie Feuer. Die Landschaft rings um Cinco strahlte in allen Farben des Regenbogens, doch er nahm es kaum wahr.

Seit dem Verschwinden seiner Eltern kümmerte er sich um die Ranch und um seine Geschwister. Trotzdem hätte er liebend gern jederzeit die Stellung als Familienoberhaupt an seinen Vater zurückgegeben. Sein Vater hatte ihn erzogen und ihm beigebracht, dass jeder im Leben eine Pflicht hatte – so gut zu sein, wie man es sich nur wünschen konnte. Doch sein Vater war vermutlich ertrunken, und daher hatte Cinco seine Träume aufgeben und nach Hause zurückkehren müssen.

Nun bestand für ihn die oberste Pflicht darin, den Rest der Familie zusammenzuhalten und dafür zu sorgen, dass es seinen Geschwistern Cal und Abby gut ging. Dabei waren die beiden stur wie Maulesel, wenn er ihnen Vorhaltungen wegen ihres unbedachten Verhaltens machte. Wieso verstanden sie nicht, dass dies jetzt seine Welt war – Sicherheit. Darin war er wirklich gut geworden, und in der Internet-Branche hatte er sogar Kyle übertrumpft.

Jetzt musste er nur noch seine jüngeren Geschwister davon überzeugen, dass er genau wusste, was für sie am sichersten war.

Eine Stunde später lief der Kaffee durch die Maschine. In der Küche war es warm, und das Geschirr stand in der Spüle. Allmählich fragte sich Cinco, ob er Kyle vielleicht genauere Anweisungen hätte geben sollen, wie er fahren musste. Schließlich war sein Partner seit etlichen Jahren nicht mehr auf der Ranch gewesen.

Er griff nach seiner Jacke, dem Hut und den Schlüsseln für einen der Geländewagen und verließ das Haus durch die Waschküche. Da es nur eine Zufahrtsstraße zum Hauptgebäude der Ranch gab, würde er Kyle mühelos finden, falls sein Freund sich doch nicht verfahren haben sollte.

Gerade als er die Veranda hinter dem Haus betrat, hörte er einen Motor. In einer Staubwolke tauchte ein teurer grüner Wagen auf, ein englisches Modell, lang gestreckt, tief liegend und schnittig. Das Auto passte in diese Gegend ungefähr so wie ein Cowboy auf einen Elefanten.

Die Ranch der Familie Gentry war so modern wie alle anderen im Umkreis, aber Cinco war klar, dass sie auf Leute aus der Großstadt hinterwäldlerisch und verschlafen wirkte, zum Beispiel auf Kyle und wahrscheinlich auch auf diesen Frosty.

Als der Wagen auf der anderen Seite des Vorplatzes hielt, versuchte Cinco, durch die Windschutzscheibe einen Blick auf Kyles alten Kameraden zu erhaschen. Durch die getönten Scheiben war der Mann, der Schutz brauchte, jedoch nicht zu sehen.

Der im Herbst in West Texas allgegenwärtige Staub kratzte Cinco im Hals, als er auf den Wagen zuging. Kyle stieg auf der Fahrerseite aus, beugte sich noch ein Mal hinunter und sagte etwas zu seinem Begleiter. Dann öffnete sich die Beifahrertür, aber mehr als einen Rücken bekam Cinco auch jetzt nicht geboten, weil sich der Mann bückte. Offenbar holte er noch etwas aus dem Wagen.

Allmählich setzte sich der Staub wieder, den der Wagen aufgewirbelt hatte, und Cinco sah einen perfekt geformten, aufregenden Po vor sich, als er um den Wagen herumging.

Kyle strahlte über das ganze Gesicht, während sich sein Beifahrer langsam aufrichtete. Vor Cinco stand eine hoch gewachsene Frau. Sie hatte helle Haut, ein ernstes Gesicht und trug eine Sonnenbrille. Steif, als hätte sie einen Stock verschluckt, stand sie da und sah sich um.

Sollte das etwa Frosty Powell sein? O Mann! Kyle konnte sich auf etwas gefasst machen, wenn sie erst allein waren. Auf gar keinen Fall würde diese Frau auf der Ranch bleiben.

„Schön, dich zu sehen, Gentry!“ Kyle schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken.

Cinco rührte sich nicht von der Stelle und betrachtete eingehend die Frau in der schlichten Kakihose. Über der Kakibluse trug sie eine braune Fliegerjacke. Ungefähr einsfünfundsiebzig ohne Schuhe, schätzte er. Somit reichte sie ihm etwa bis zur Schulter.

Endlich nahm sie die Sonnenbrille ab, sah sich das Haus, die Nebengebäude und die weiter entfernten Ställe an und richtete den Blick schließlich auf ihn. Dabei musterte sie ihn vom Scheitel bis zur Sohle – von seinem alten Hut, den er bei der Arbeit trug, bis zu den abgewetzten Lederstiefeln.

Am liebsten hätte Cinco seine Stiefel schnell noch geputzt, aber er verzichtete sogar darauf, sie an seinen Jeans abzureiben. Schließlich war er hier zu Hause und nicht sie. Also warf er ihr einen finsteren Blick zu, damit sie gleich wusste, woran sie bei ihm war.

Offenbar registrierte sie die Spannung, die zwischen ihnen herrschte, denn sie nahm die Herausforderung, die in seinem Blick gelegen hatte, kühl lächelnd an.

Einer Frau wie sie war Cinco noch nicht begegnet. Ihr goldblondes Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, hing ihr über die rechte Schulter und reichte bis auf ihre Brüste. Die blauen Augen verrieten viel über sie. Diese Frau besaß eine Menge Energie, und im Moment war sie eindeutig wütend. Ihre Haltung zeigte, dass sie es verstand, für ihre Interessen einzutreten.

Kyle übernahm die Vorstellung. „Frosty, das ist Cinco Gentry. Cinco, das ist mein alter Kamerad …“

„Frosty Powell?“, fiel Cinco ihm ins Wort und ließ keinen Zweifel daran, dass er seinen Augen nicht traute.

„Ja.“

Die Frau reichte Cinco die Hand. „Captain Meredith Powell, ehemals United States Air Force. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Gentry. Sie müssen Kyle entschuldigen. Wir kennen uns schon so lange, dass er manchmal meinen richtigen Namen vergisst“, fügte sie mit einem flüchtigen Lächeln hinzu. Ihr Blick blieb jedoch kalt.

Cinco schaffte es zwar, ihr die Hand zu schütteln, nur mit dem Sprechen klappte es nicht so recht bei ihm. Ihre Stimme hatte tief geklungen, angenehm und geheimnisvoll. Allein wie sie seinen Namen ausgesprochen hatte, löste schon Verlangen in ihm aus, und das fand er höchst beunruhigend und auch frustrierend.

Es fiel Cinco schwer, sich zu fassen. Das Aussehen dieser Frau und ihre Stimme passten überhaupt nicht zusammen, fand er. Das brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und das wiederum gefiel ihm gar nicht.

Ihr Händedruck fiel höflich, wenn auch etwas zu kräftig aus. Nur selten reichte ihm eine Frau die Hand, und wenn es doch einmal dazu kam, war der Händedruck weich und sanft, meistens sogar ziemlich schlaff und zurückhaltend. Bei Captain Meredith Powell war nichts zurückhaltend und schon gar nichts schlaff.

Alles an ihr war ungewöhnlich. Nein, so eine Frau hatte er noch nicht getroffen. Flüchtig dachte er an Ellen, die einzige wahre Liebe in seinem Leben, die Frau, die er vergeblich hatte lieben und beschützen wollen. Dunkles, weiches Haar, feminine Kleider – das war Ellen gewesen. Die hoch gewachsene Blondine entsprach nicht im Geringsten diesem Bild.

Cinco räusperte sich. Er fühlte ein Kratzen im Hals, als hätte er den Staub des ganzen Vorplatzes eingeatmet. Energisch verdrängte er die unerwünschten Erinnerungen an Ellen, zog seine Hand zurück und wandte sich an Kyle. „Gehen wir hinein. Der Kaffee ist fertig.“

„Ich muss erst noch Frosts Gepäck aus dem Wagen holen. Dann komme ich nach“, erwiderte Kyle und wollte zum Wagen gehen.

Cinco ergriff seinen Arm. „Erst der Kaffee, mein Freund, und dabei unterhalten wir uns.“

Während Meredith das Ranchhaus durch die Hintertür betrat, verstärkte sich ihr Gefühl, in einem völlig fremden Land angekommen zu sein. Die Ranch, die Atmosphäre hier und die ganze Gegend waren daran schuld.

Während ihrer aktiven Laufbahn bei der Air Force war sie in einigen fremden Ländern stationiert gewesen und hatte sogar Spezialeinsätze in der Dritten Welt mitgemacht. Trotzdem kam ihr dies alles hier noch viel fremder vor, geradezu als wäre sie in die Vergangenheit oder an den Drehort eines klassischen Westerns versetzt worden. Und Cinco Gentry fiel dabei die Hauptrolle als Cowboy zu.

Kyle hatte kein Wort über diese Ranch in Texas verloren. Dabei hätte er sie ruhig darauf vorbereiten können, wie ländlich und abgeschieden alles war.

Cinco – woher der Name auch stammen mochte – entsprach ebenfalls nicht ihren Erwartungen. So hatte sie sich stets einen altmodischen Filmstar vorgestellt – eng sitzende Jeans, schwarzer Cowboyhut, die Krempe tief ins Gesicht gezogen.

Bei der Begrüßung hatte sie ihm in die Augen gesehen, braune Augen, die nur auf den ersten Blick warm wirkten. Sah man genauer hin, verrieten sie mehr über den Mann. Er wirkte intelligent und auch gefährlich. Und genau deshalb konnte sie nicht bei ihm bleiben, schon gar nicht hier draußen in der Wildnis.

„Ich nehme die Jacke“, sagte Cinco und griff nach der Fliegerjacke, nachdem Meredith die Sonnenbrille eingesteckt hatte und herausgeschlüpft war. Ihre Jacke landete zusammen mit seiner an Haken, die an die raue Holzwand geschraubt waren. Stiefel standen aufgereiht in dem schmalen Korridor. „Geht schon in die Küche und nehmt euch Kaffee.“

Cinco nahm seinen Hut ab, deutete zur zweiten Tür auf der rechten Seite und ließ Kyle den Vortritt. Meredith folgte.

Von außen hatte alles unmodern und uneinheitlich ausgesehen. Zwischen hohen Bäumen und Büschen hatte Meredith weit verstreut liegende Gebäude gesehen, bei denen es keinen klaren Stil gab. Einige Wände waren mit Holzbrettern verschalt, andere bestanden aus grauen Ziegeln. Und die Gebäude in der Ferne sahen noch seltsamer aus.

Die Küche machte den gleichen Eindruck auf sie. Die Schränke waren eindeutig von Hand gefertigt, wenn auch sehr sorgfältig gearbeitet. Die Geräte dagegen waren funktionell, modern, aus rostfreiem Edelstahl und blitzten vor Sauberkeit.

Eine Wand wurde gänzlich von einem Kamin eingenommen. Er war aus Steinen gemauert und hatte eine so große Feuerstelle, dass man darin aufrecht stehen konnte. Die geschwärzten Seitenwände zeigten, dass er ziemlich alt sein musste.

Die gegenüberliegende Wand war oberhalb der Spüle gänzlich verglast. Hängepflanzen zu beiden Seiten verdeckten teilweise die Sicht nach draußen auf Bäume und Wiesen. Wer nur diesen Teil der Küche sah, hätte sofort an ein Foto aus einem modernen Stil- und Einrichtungsmagazin gedacht. Verwirrt setzte Meredith sich an den Tisch.

Kyle reichte ihr eine Tasse Kaffee. „Tolles Ranchhaus, findest du nicht?“, meinte er, kehrte an die Küchentheke zurück und nahm sich auch eine Tasse.

Meredith betrachtete die elektrischen Leitungen für die Beleuchtung, die an den roh behauenen Balken der Decke verliefen. Auch das passte alles nicht zusammen.

„Sehr … interessant“, erwiderte sie. „So etwas habe ich noch nie gesehen, aber das ändert gar nichts, Kyle. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es völlig unnötig ist, mich hier draußen einzusperren.“

„Powell, darüber wird nicht mehr diskutiert“, wehrte er ab. „Die Entscheidung ist längst gefallen. Es gibt nichts mehr dazu zu sagen.“

Cinco betrat die Küche. „Wozu gibt es nichts mehr zu sagen? Was ist eigentlich los?“, fragte er und strich sich durch sein braunes Haar. „Was habt ihr zwei denn für ein Problem?“

„Gar keines.“ Kyle trank hastig einen Schluck von seinem Kaffee ab, weil er sich zu viel eingeschenkt hatte. „Frosty glaubt nur, dass sie so tun kann, als wäre nichts passiert und als könnte sie weiterleben wie bisher. Dabei läuft ein irrer Mörder durch die Gegend, der sie nur zu gern erschießen würde. Sonst ist natürlich alles in Ordnung.“

Meredith dachte gar nicht daran, sich das anzuhören. Sie sprang ärgerlich auf. „Ich tue nicht so, als wäre nichts passiert! Außerdem hat sich mein Leben ohnehin völlig verändert.“

In den letzten zwei Tagen hatte sie das mit Kyle so oft durchgekaut, dass sie einfach nicht mehr wollte. Vielleicht konnte sie den Cowboy eher überzeugen. Er machte einen recht intelligenten Eindruck und war bestimmt in der Lage, Kyle zur Vernunft zu bringen.

„Hören sie, Cinco, es ist so“, begann sie. „Dieser Irre hat den General vor meinen Augen auf den Stufen des Capitols erschossen. Das war aber an meinem letzten Tag bei der Air Force. Ich hatte bereits meinen Abschied eingereicht und eine Stelle als Pilotin bei einer kommerziellen Fluglinie angenommen. Das FBI hat bei der Festnahme des Täters gepatzt, aber Transcon Air hält mir die Stelle offen, doch mir bleibt nicht viel Zeit.“

Sie wandte sich fast beschwörend an Cinco Gentry: „Jetzt sagen Sie mir bitte eines. Woher soll dieser Irre, dieser Richard Rourke, denn wissen, wo ich bin, wenn ich plangemäß bei der Airline anfange und das Training dort beginne?“

„Rourke ist verrückt, aber nicht dumm“, warf Kyle ein. „Das FBI vermutet, dass er Verbindungen zur Mafia hat. Und die wiederum verfügt über Zugang zu vertraulichen Informationen. Wenn die dich aufspüren wollen, entkommst du ihnen nicht. Zum Beispiel musst du die Nummer deiner Sozialversicherung angeben, wenn du Gehalt beziehst, oder?“

Bevor sie widersprechen konnte, wandte Kyle sich an Cinco.

„Gentry, du kennst dich in Fragen der Sicherheit so gut aus wie ich“, stellte er fest. „Glaubst du vielleicht, eine Frau mit diesem Aussehen fällt nirgendwo auf?“

Cinco sah Meredith lange an, sagte jedoch nichts.

Meredith fröstelte unter seinem forschenden Blick. „Einen Moment, Kyle. Was glaubst du eigentlich, wer du bist, dass du …“

Eine starke Hand legte sich auf ihre Schulter und ließ sie verstummen. „Sie sind die Zeugin, die Richard Rourke als Mörder von General VanDerring identifizieren kann?“, fragte Cinco und drehte sie zu sich um. „Das ganze Land sucht Rourke, und Sie sind der einzige Mensch, der ihn hinter Gitter bringen kann. Außer Ihnen hat ihn niemand am Tatort gesehen. Mit Rourke ist nicht zu spaßen“, fügte er besorgt hinzu. „Und das wissen Sie bestimmt selber.“

„Spaßen?“, fragte Meredith gereizt und hatte Mühe, nicht zu schreien.

Kyle legte ihr beruhigend einen Arm um die Schultern. „Ganz ruhig, Frosty. Es hat keinen Sinn zu widersprechen“, drängte er und wandte sich erneut an Cinco. „Das U.S. Marshal’s Office wollte Frosty in Schutzhaft nehmen, solange die Suche nach Rourke läuft. Sie wollte nicht und hat sich an mich um Hilfe gewandt, und ich konnte die Leute davon überzeugen, dass ich jemanden kenne, der ihr das gleiche Maß an Sicherheit bieten kann wie sie. Bei dir unterliegt sie allerdings wesentlich weniger Beschränkungen.“

Cinco nickte.

Also war auch er der Meinung, dass diese Ranch so sicher war wie die Verstecke der U.S. Marshals. Meredith seufzte. Sie hatte verloren, und ihr blieb nur die Wahl zwischen einem Bundesgefängnis und der Ranch des Partners ihres Freundes. Widerstand war zwecklos, mochte ihr das alles auch noch so wenig gefallen.

Jetzt lächelte Cinco zum ersten Mal. „Hier ist es sehr gemütlich“, versicherte er. „Bei mir werden Sie viel glücklicher und auch sicherer sein als anderswo.“

„Ganz bestimmt“, erwiderte sie sarkastisch und fürchtete, die Wahrheit nur zu gut zu kennen, denn langsam hatte sie das Gefühl, hinter den Gittern eines Bundesgefängnisses wesentlich besser dran zu sein als mitten in der Wildnis allein mit diesem Cowboy.

2. KAPITEL

„Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, dass es sich bei Frosty um eine Frau handelt“, sagte Cinco vorwurfsvoll, während er mit Kyle das Gepäck aus dem schnittigen Wagen holte. Meredith benutzte unterdessen das Bad, um sich ein wenig herzurichten.

„Manchmal vergesse ich das einfach“, behauptete Kyle und nahm die Schlüssel aus seiner Hosentasche. „Ich sehe in ihr keine Frau.“

Cinco blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften.

„Nein, wirklich“, versicherte Kyle. „Sie gehört zu den besten Piloten, die die Air Force jemals hatte. Sie ist hart im Nehmen und intelligent, und bei einer Schlägerei steht sie mehr ihren Mann als jeder Kerl, den ich jemals kennengelernt habe.“

„Die Tatsache bleibt aber bestehen, dass sie eine Frau ist“, erklärte Cinco. Eigentlich hätte er sich die Bemerkung sparen können, weil das nun wirklich nicht zu übersehen war. „Weißt du, wie schwierig es für mich wird, ihr den nötigen Schutz und den Trost zu bieten, den sie vermutlich brauchen wird? Hättest du mir keinen richtigen Kerl anschleppen können?“ Er ging um den Wagen herum zum Kofferraum. „Einem Kerl könnte ich Verstand einhämmern, falls es notwendig werden sollte, und wenn uns die Warterei auf die Nerven geht, könnte ich ihn zum Zeitvertreib ein bisschen herumscheuchen.“

„Gentry, gib Frosty eine Chance. Sie ist wirklich keine Frau, um die man sich kümmern muss, und vermutlich könnte sie dich weiter scheuchen als bis zum letzten Zaunpfosten der Gentry-Ranch“, behauptete Kyle und öffnete lachend den Kofferraum.

„Und dann ist da noch etwas“, fuhr Cinco verärgert fort. „Was ist das überhaupt für ein Name, Frosty?“

„Die meisten Piloten bei der Air Force haben einen Spitznamen, meistens aus der Zeit des Trainings während der Ausbildung.“

„Und wie ist sie zu ihrem gekommen?“

„Keine Ahnung.“ Kyle holte eine Reisetasche und einen Aktenkoffer aus dem Wagen und schlug die Heckklappe wieder zu. „Vermutlich, weil sie nie auch nur mit der Wimper gezuckt hat“, fuhr er fort, als Cinco ihn skeptisch ansah, „hat nie Angst gezeigt und ist beim Training nie ins Schwitzen geraten. Sie war kalt wie Eis. Nur ein einziges Mal hat einer sie dumm angemacht, und sie hat ihn allein mit ihrem Blick zu Eis erstarren lassen. Danach hat es keiner mehr gewagt.“

„Aha, Eis gleich Frost.“ Cinco hielt seinen Freund fest, bevor er zum Haus zurückgehen konnte. Noch war er nicht völlig überzeugt.

„Was hast du, Gentry?“ Kyle machte sich los. „Du verweigerst doch sonst nicht deine Hilfe, wenn jemand dich braucht. Und du drückst dich nie um deine Pflichten, wenn jemand bei dir Unterschlupf sucht.“

Cinco seufzte. Kyle kannte ihn viel zu gut und spielte dementsprechend genau die richtigen Karten aus. Seit klar war, dass Frosty die Augenzeugin des Mordes an General VanDerring war, konnte er sie nicht mehr abweisen. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass er sich gern dermaßen manipulieren ließ. Und er hatte keine Ahnung, was er mit dieser Amazone anfangen sollte.

Die letzten vierundzwanzig Stunden waren die schlimmsten gewesen, die er seit dem Unfall seiner Eltern vor zwölf Jahren erlebt hatte. Damals, nach dem Unfall, hatte er gebetet, dass alles nur ein Traum wäre. Vergeblich. Am vergangen Abend nun hatte ihm sein Bruder eröffnet, dass er heiraten müsse. Und dann hatte auch noch Abby angerufen, weil sie beschlossen hatte, nicht weiter zu studieren, sondern heimzukommen und die Stelle des Vorarbeiters auf der Ranch zu übernehmen.

Und jetzt auch noch das!

„Kyle, was soll ich bloß mit einer Frau anfangen, die bei mir Unterschlupf sucht?“

„Woher soll ich das wissen?“, fragte Kyle trocken. „Ich sehe sie doch nicht als Frau, sondern als Pilot. Außerdem habe ich nicht die geringste Ahnung, was man bei euch Cowboys überhaupt so machen kann. Gentry“, fuhr er hastig fort, als Cinco eine Verwünschung murmelte. „Gib ihr einfach eine Chance, einverstanden? In den letzten Monaten hat sie viel durchgemacht. Zuerst stirbt ihr Vater unerwartet an einem Herzinfarkt …“

Cinco drehte sich um und ging zum Haus zurück.

„… dann will sie den Abschied von der Air Force nehmen“, sagte Kyle und schloss sich ihm an, „möchte ihren Vorgesetzten von seinem letzten Termin im Pentagon nach Hause fliegen und muss zusehen, wie er im Kugelhagel eines Verbrechers stirbt. Und sie selbst hätte auch leicht dabei draufgehen können.“

Vor dem Haus holte Kyle seinen Freund ein.

„Noch etwas, Cinco. Halte sie auf jeden Fall vom Internet und von Flugzeugen fern. Beides könnte das plötzliche Ende der Starzeugin gegen Richard Rourke herbeiführen, und wir können es uns nicht leisten, einen Klienten zu verlieren und damit in den Medienzirkus zu geraten.“

Nein, davon hatte Cinco schon genug gehabt für den Rest seines Lebens. Einmal den Medienrummel durchzumachen reichte ihm.

Kyle blieb mit Frostys Gepäck in den Händen stehen und wartete, dass Cinco ihm die Tür aufmachte. „Unserer Firma Cyber-Investigations und uns als Sicherheitsexperten würde es schließlich auch schaden, wenn wir einen so wichtigen Auftrag versieben würden, nicht wahr?“

„Kennen Sie Kyle gut?“, fragte Meredith und stellte ihre Kaffeetasse in die Spüle.

Sie und ihr Gastgeber hatten Kyle verabschiedet, der mit seinem Jaguar in die Zivilisation und die Freiheit zurückkehrte, und waren soeben ins Haus gegangen.

„Vor dreizehn Jahren waren wir zusammen an der technischen Hochschule von Massachusetts.“

„Tatsächlich?“, fragte sie überrascht. „Sie haben studiert?“

„Tja, Ma’am“, erwiderte Cinco amüsiert, „wie lautet doch dieses alte Sprichwort, das mein Daddy so oft strapaziert hat?“ Er tat, als müsste er angestrengt nachdenken. „Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Man darf sich nie nach dem äußeren Schein richten. Nehmen Sie zum Beispiel dieses Haus. Auf den ersten Blick weiß man nicht so recht, was es sein soll, stimmt’s? Nimmt man sich aber genug Zeit, entdeckt man die Arbeit und Hingabe von fünf Generationen, die daraus ein Zuhause gemacht haben.“

In diesem Moment verwünschte Meredith ihre helle Haut, auf der die Röte nur zu deutlich zu sehen war, die verriet, wie verlegen sie wurde. Da half es leider gar nichts, dass sie sich eisern zu beherrschen versuchte. Dass sie so leicht rot wurde, lastete wie ein Fluch auf ihr.

„Tut mir leid“, erwiderte sie, um nicht völlig dumm dazustehen, „im Moment zeige ich mich vermutlich nicht von meiner besten Seite. Das liegt an den Umständen. Ich wollte keinesfalls andeuten, Sie könnten nicht …“

Cinco winkte ab, hielt jedoch weiter den Blick unverwandt auf sie gerichtet.

Der Mann ging ihr unter die Haut, und das hatte nicht nur mit seinem guten Aussehen zu tun. Die Ursache lag tiefer, ohne dass sie genauer nachforschen wollte, was es war. Dabei war ihr bisher nie ein Mann wirklich unter die Haut gegangen, nicht einmal … Nein, an diesen Mistkerl wollte sie so wenig denken wie an andere dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit. Schließlich hatte sie sich geschworen, ihn zu vergessen.

Autor

Linda Conrad
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