Der Fremde in meinem Bett

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Tief und fest schläft Alana, da verwöhnt sie plötzlich jemand mit erregenden Zärtlichkeiten. Nur ein Traum? Als sie am nächsten Morgen aufwacht, liegt der Verführer aus ihrer Fantasie nackt neben ihr. Und er ist der neue Freund ihrer Schwester!


  • Erscheinungstag 05.03.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716073
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alana Hawthorne klebte den letzten Umzugskarton zu. Diesmal hatte sie recht schnell gepackt. Anders als damals, als sie von ihrem Heimatort Wauwatosa, einer Vorstadt von Milwaukee, hierher nach Chicago gezogen war. Das hatte sehr viel länger gedauert, weil sie sich ständig hatte entscheiden müssen, was sie mitnehmen wollte und was nicht – was ihr gehörte und was ihrer Schwester Melanie.

Sie lebte mittlerweile sechs Jahre in Chicago und hatte ihr Geld damit verdient, den Gebäudekomplex, in dem sie auch wohnte, erfolgreich zu verwalten. Sie war sehr stolz darauf. Nichtsdestotrotz vermisste sie den Charme des Hauses in Wauwatosa, in dem sie und Melanie aufgewachsen waren. Das Haus mit den bleiverglasten Fenstern und dem prächtigen Gebälk, das Haus, das so viele gute und schlechte Erinnerungen barg.

Übermorgen um diese Zeit würde sie in Orlando, Florida, sein und in ein ähnliches Gebäude einziehen, das sie ebenfalls managen würde. Sie freute sich nicht unbedingt auf diesen Umzug. Aber nach dem Sturz ihrer Großmutter im letzten Monat hatte Alana beschlossen, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, etwas gutzumachen. Schließlich hatten sich ihre Großeltern zehn Jahre lang liebevoll um sie und ihre Schwester gekümmert und sie aufgezogen. Also wollte sie jetzt in der Nähe ihrer Großeltern sein.

Ihr Handy klingelte. Alana sprang auf und nahm es von der leeren Anrichte. Die zukünftigen Besitzer dieser Wohnung waren sehr beeindruckt von dem tadellosen Zustand des Apartments gewesen. Allerdings wussten sie natürlich nicht, dass sie bis zu ihrer Trennung von Sam im letzten Herbst die meiste Zeit in dessen Apartment verbracht hatte. Alana sah auf das Display. Ihre Schwester. „Hallo, Melanie.“

„Du errätst nicht, was ich dir zu sagen habe.“

Alana rümpfte die Nase. Hallo, Alana. Wie geht es mit dem Packen voran? Brauchst du Hilfe? „Gute oder schlechte Neuigkeiten?“

„Gute. Fabelhafte. Aber wie gesagt – du kommst nie darauf.“

„Du hast einen Mann kennengelernt.“

„Oh.“ Melanie klang enttäuscht. „Ja. Aber nicht einen Mann, sondern den Mann.“

Alana schloss besorgt die Augen. Den Mann, hm? Vermutlich wurde dieser Mann von der Polizei gesucht oder hatte dummerweise gerade eine Pechsträhne beim Glücksspiel. „Das ist ja großartig.“

„Ich bin so aufgeregt. Er ist toll. Und es kommt noch besser: Dieser Mann wird dir wirklich gefallen.“

„Wo bist du ihm begegnet?“ In einer zwielichtigen Bar? An einer Bushaltestelle? In einem Gerichtssaal?

„Bei Habitat für Humanity.“

Alana drehte sich zum Fenster um. „Ist das dein Ernst, Melanie? Ich hatte keine Ahnung, dass du dich ehrenamtlich bei einer gemeinnützigen Organisation engagierst.“

„Auch das ist Teil meines neuen und besseren Lebens. Er ist offen, ehrlich, direkt und verantwortungsvoll. Wirklich erstaunlich. Er hat das College besucht und all das.“

„All das?“

„Alles, was du für wichtig hältst.“

„Melanie, ich bin beeindruckt.“ Tatsächlich schöpfte Alana etwas Hoffnung. Sonst brachten Melanies Freunde sie eher zur Verzweiflung. „Wir lange kennst du ihn schon?“

„Lange. Einen Monat.“

„Wirklich.“ Diesmal hatte ihre Schwester also nicht sofort nach der ersten Verabredung angerufen, um zu verkünden, dass sie den Mann fürs Leben gefunden hatte. „Fantastisch. Ich freue mich so für dich.“

„Er heißt Sawyer Kern. Du wirst ihn mögen.“ Melanie holte tief Luft. „Ich habe nur … Und wie läuft’s bei dir?“

Alana wurde sofort misstrauisch. „Gut. Ich habe fast alles gepackt. Wolltest du mir nicht noch etwas sagen?“

„Oh. Ja. Nur eine Kleinigkeit.“ Melanie lachte nervös.

„Also?“

„Ich wollte dir sagen, dass wir demnächst zusammen hier wohnen.“

„In Grans und Grandads Haus?“

„Es ist jetzt unser Haus, Alana.“

„Ich weiß. Aber …“ Selbst wenn ihre Großeltern ihr und Melanie das Haus verkauft hatten, als sie nach Florida zogen, würde es in ihrem Herzen immer ihren Großeltern gehören. „In Ordnung. In unserem Haus?“

„Ja. Ich meine, natürlich musst du damit einverstanden sein.“

„Wann zieht er ein?“

„Äh … Morgen.“

Ihre Schwester hatte bis zur letzten Minute gewartet, um ihr das zu erzählen? Oder hatte dieser Sawyer Melanie erst in letzter Minute gefragt? Alana wurde noch wachsamer. „Nach einem Monat? Ist das nicht ein bisschen voreilig?“

„Ich weiß, dass es ziemlich schnell zu gehen scheint. Aber es ist auch wirklich praktisch. Denn er braucht eine Bleibe, und ich kann ihm auf diese Weise helfen.“

Ah. Ein Obdachloser. Super. „Ist er aus seiner Wohnung geworfen worden?“

„Nein. Nichts in der Art. Er hat nach seinem Auszug einfach noch keine neue Wohnung gefunden, vermute ich.“

„Bezahlt er die Hälfte der Miete und so weiter?“

„Ja, Alana.“ Melanie klang wie ein aufgebrachter Teenager. „Das hat er versprochen.“

„Schriftlich?“

Ihre Schwester schnaubte spöttisch.

Setze sie nicht zu sehr unter Druck. „Was macht er?“

„Oh …“

Alarmiert schloss Alana erneut die Augen. Ein Stripper oder Drogendealer?

„Er war Anwalt. Aber das war zu stressig. Daher macht er im Moment eine Pause, um sich zu erholen.“

Das wurde ja immer besser. „Wie lange ist er schon arbeitslos?“

„Verdammt, Alana. Ich wusste, dass du mich ins Kreuzverhör nimmst. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt. Und du bist nicht meine Mutter.“

Oh nein. Alana verlor den letzten Funken Hoffnung. Melanie ging immer zum Angriff über, wenn sie in die Defensive geriet. Mit Sicherheit verschwieg ihre Schwester ihr irgendetwas Negatives, was diesen Mann anging. „Ja. Es ist dein Leben. Aber das Haus gehört zur Hälfte mir.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass er ein toller Mann und nicht wie die anderen ist.“

„Wirklich. Das hast du bei den anderen Männern auch gesagt.“

„Alana.“

Alana atmete tief durch. Sie hatte ihr geliebtes Haus und ihre geliebte Stadt zum Teil deshalb verlassen, weil sie und Melanie ständig miteinander stritten. Aber auch wegen des Angebots, luxuriöse Eigentumswohnungen für einen Mann zu verwalten, den ihr Großvater kannte. Zuvor hatte sie ihrem Grandad viele Jahre lang geholfen, ein Bankgebäude im Geschäftsviertel Milwaukees zu managen. „In Ordnung. Tut mir leid. Du weißt, dass ich nur …“

„Dass du eine Glucke bist.“

„Nein, dass ich vorsichtig bin. Kannst du mir das ernsthaft verübeln? Schließlich könnte dieser Sawyer auch vorhaben, dich zu heiraten und dich dann aus deiner Hälfte des Hauses zu vertreiben. Oder ständig gruselige Freunde einzuladen, die das Haus verschandeln.“

„So ist er nicht.“

„Das hast du beim letzten Mann auch gesagt. Dem Exbetrüger, der versucht hat, das Familiensilber zu stehlen.“ Jedes Mal, wenn Melanie sich bei Männern auf ihre Fehlurteile verließ, fühlte sich Alana in das erste Jahrzehnt ihres Lebens zurückversetzt, das sie bei ihrer Mutter verbracht hatten. Bevor ihre Großeltern ihre und Melanies Erziehung übernommen hatten, war ihre Kindheit von Angst, Verwirrung und Unsicherheit geprägt gewesen.

„Ich fange ein neues Leben an. Das verspreche ich.“

Alana ermahnte sich, ruhig zu bleiben. Vielleicht war Sawyer tatsächlich in Ordnung. Aber dieses schöne Haus gehörte zur Hälfte ihr, und sie hasste die Vorstellung, dass irgendein Mann darin wohnte, der nicht dorthin gehörte und nicht begriff, welche Bedeutung es für sie hatte. Wenn ihre Schwester sich nur nicht schon so oft getäuscht hätte. „Kannst du ihn nicht zuerst ein bisschen besser kennenlernen, bevor er einzieht?“

„Ich kenne ihn seit einem Monat. Was willst du mehr?“

„Zwei Monate? Vier? Acht? Ein Jahr?“

„Er braucht jetzt einen Platz zum Wohnen. Und den habe ich.“

„Den haben wir.“ Alana dachte nach. Sie könnte die Fahrt nach Florida um ein oder zwei Tage verschieben. Sie musste ihren neuen Job erst in ein paar Wochen antreten. Ihre Möbel wurden ohnehin eingelagert, solange sie bei ihren Großeltern blieb. „Wie wäre es, wenn ich nach Wauwatosa komme und den Mann kennenlerne? Wenn er so ist, wie du sagst, ist alles gut. Dann kann er einziehen.“

„Um Himmels willen, Alana. Ich bin keine zwölf mehr.“

Nein, du verhältst dich manchmal nur so. „Ich weiß, Melanie. Aber das Haus gehört zur Hälfte mir. Ich denke, mein Wunsch ist verständlich.“

„Ich denke, du solltest deiner eigenen Schwester vertrauen.“

„Ich möchte ihn kennenlernen.“ Diese Stippvisite war eine spontane Idee gewesen. Ihr Umzug war schon stressig genug. Aber jetzt, da ihre Schwester sich so gegen ihr Kommen wehrte, war Alana sicher, dass ihr Argwohn und ihre Sorge berechtigt waren.

„Oh … Nun …“

Jetzt wusste sie definitiv, dass sie so bald wie möglich nach Wauwatosa fahren musste, um Melanie davor zu bewahren, sich ihr Leben zu vermasseln – auf genau dieselbe Weise, wie ihre Mutter es getan hatte.

Als Alana in Richtung Norden auf der Route 194 die vertraute Skyline von Milwaukee sehen konnte, hatte sie einen Kloß im Hals. Sie wünschte, sie hätte ihre Kamera dabei, um ein Foto zu machen, das sie sich dann in Orlando an die Wand hängen könnte. Sie kurbelte das Fenster herunter, um die warme Sommerluft hereinzulassen. In Florida würde sie um diese Jahreszeit vor Hitze fast umkommen. Zudem war im Juli dort der Höhepunkt der Hurrikansaison. Derzeit braute sich ein Tief über dem Atlantik zusammen.

Sie hatte ihre Großeltern angerufen, um sie darüber zu informieren, dass sie ihre Pläne geändert hatte. Damit Gran und Grandad sich wegen Melanies üblichen Männergeschichten keine Sorgen machten, hatte sie ihnen erzählt, sie könne es kaum erwarten, den tollen Mann kennenzulernen, den sich ihre Schwester geangelt hatte. Gran hatte müde geklungen. Und sie hatte jede Frage nach ihrem Wohlbefinden abgewehrt und gesagt, dass es ihr nach dem Sturz gut gehe. Sie konnte noch niemals damit umgehen, dass sich jemand um sie sorgte.

Alana bog nach Wauwatosa ab und fuhr durch das schöne Viertel „The Highlands“ mit den gewundenen Alleen und eleganten alten Häusern. In den Vierzigerjahren hatten ihre Großeltern nach der Hochzeit ein zweistöckiges Haus am Betsy Ross Place gekauft und dort bis zu ihrem Umzug nach Florida vor sechs Jahren gewohnt. Damals hatte Alana gerade ihr Studium abgeschlossen.

Sie parkte in der Einfahrt und sah sich um. Inzwischen war es fast völlig dunkel geworden. Doch im Haus brannten keine Lichter, und die Garage war leer. Sie hatte – um eine erneute Auseinandersetzung zu vermeiden – Melanie nicht gesagt, dass sie kommen würde. Sie stieg aus, und bevor sie ihre Reisetasche aus dem Kofferraum nahm, streckte sie sich und sah sich um. Melanies Honda stand nicht in der Garage. Aber ein alter Chevy parkte vor dem Haus. War das Sawyers Auto? Wenn er allein im Haus war, könnte das unangenehm werden. Denn bisher waren ihr fast alle Freunde von Melanie auf den ersten Blick unsympathisch gewesen. Sie hoffte, dass ihre Schwester lediglich nach der Arbeit etwas trinken gegangen war und sich nicht bis zum frühen Morgen auf irgendeiner Party herumtrieb.

Nachdem sie die Haustür aufgeschlossen hatte, nahm sie den vertrauten Duft wahr und freute sich darüber, nach so langer Zeit wieder zu Hause zu sein. Im Flur links an der Wand hingen die Familienfotos, die sie beim letzten Besuch ihrer Mutter vor vier Jahren gemacht hatte. Mom oder Tricia, wie sie jetzt von ihren erwachsenen Töchtern genannt werden wollte, hatte sich seitdem nicht mehr sehen lassen. Doch immerhin rief sie noch zu den Geburtstagen an und versprach, sie „wirklich bald“ zu besuchen. Und sie schickte willkürlich irgendwelche Grußkarten und gelegentlich Geschenke, mit denen weder Melanie noch sie selbst etwas anfangen konnten.

„Mel?“ Alana ging in die Küche und schaute sich um. Saubermachen gehörte nicht zu Melanies Stärken. Und in dem riesigen Kühlschrank herrschte wie üblich gähnende Leere.

Zwei Stunden später hatte sie im Supermarkt eingekauft, die Vorräte verstaut, eine gesunde Mahlzeit gegessen und es sich mit einem Buch im Wohnzimmer bequem gemacht. Um elf Uhr abends klappte sie das Buch zu und beschloss, nicht länger auf ihre Schwester zu warten. Sie brauchte jede Nacht acht Stunden Schlaf, um am Tag fit zu sein. Für Melanie hingegen schien Schlaf eher Nebensache zu sein. Konnten zwei Schwestern unterschiedlicher sein? Sie kämpfte schon immer mit ihrem Gewicht, während Melanie mühelos ihre schlanke Figur hielt. Sie war überlegt, praktisch und ordentlich, während ihre Schwester unbedacht, impulsiv und schlampig war. Ihre Mutter hatte ihnen jedoch versichert, dass sie denselben Vater hatten.

Alana seufzte und ging in den ersten Stock hinauf. Sie hätte dieses Treffen gern hinter sich gebracht, um nicht die ganze Nacht darüber nachdenken zu müssen. Zum Glück hatte sie ihre neuen, höher dosierten Schlaftabletten mitgenommen, die sie heute Nacht definitiv brauchen würde. In Gedanken versunken machte sie die Tür zu ihrem früheren Mädchenzimmer auf und blieb wie angewurzelt stehen. Melanie hatte all ihre persönlichen Dinge entfernt. Sogar die geblümten Vorhänge und der dazu passende Bettüberwurf waren verschwunden.

Aufgebracht marschierte sie in Melanies Zimmer. Abgesehen von dem gemachten Bett war dort alles wie immer. Überall lagen Kleider herum, und der Frisiertisch war mit Schminkutensilien und Schmuckstücken überhäuft. Anschließend sah sie sich das Hauptschlafzimmer an. Das Doppelbett war offensichtlich benutzt worden. Hier mussten Melanie und Sawyer schlafen. Im Gästezimmer nebenan war dagegen alles unverändert.

Was hatte es mit ihrem Zimmer auf sich? War das Melanies Art, ihre große Schwester für immer aus dem Haus zu verbannen? Mel hätte sie fragen müssen, ob es in Ordnung wäre, ihre Vergangenheit zu entsorgen. Alana lehnte sich im Flur mit dem Rücken gegen die Wand. Tränen stiegen ihr in die Augen. Vielleicht hätte sie nicht kommen sollen. Doch ihre Sorge um das Haus und um Melanie hatte ihr keine andere Wahl gelassen.

Im Badezimmer wusch sie sich, putzte sich die Zähne und schluckte dann eine Schlaftablette. Heute Nacht würde sie tief und fest schlafen, bevor sie sich morgen mit alldem befassen würde. Aber zunächst musste sie noch etwas gegen ihre Kopfschmerzen einnehmen. Im Medizinschrank entdeckte sie eine Schachtel mit einem Schmerzmittel und schaute sich im Spiegel an, während sie einen Plastikbecher mit Wasser füllte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, wirkte müde und war blass: Der Stress der letzten Tage hatte seine Spuren hinterlassen. Kurz bevor sie die Tablette einnahm, wunderte sie sich noch darüber, dass sie nicht die übliche orangebraune Farbe hatte. Doch sie war zu müde, um sich deswegen Gedanken zu machen.

Zurück in ihrem Zimmer, zog sie das cremefarbene Trägertop und die passenden Boxershorts an, die sie im Sommer bevorzugt als Nachtwäsche trug. Dann legte sie sich mit einem Buch ins Bett. Innerhalb von wenigen Minuten fielen ihr die Augen zu. Sie konnte gerade noch die Nachttischlampe ausmachen, bevor sie einschlief.

Sawyer Kern schlug die Augen auf. Hatte er etwas gehört oder nur geträumt? Er starrte an die Decke. Wo war sein Ventilator? Das Zimmer kam ihm nicht im Entferntesten bekannt vor. Wie war er hierhergekommen? Er versuchte, sich zu konzentrieren. Träumte er etwa noch? Nein, das glaubte er nicht. Dann erinnerte er sich daran, auf einer Party gewesen zu sein, die sein Bruder Finn für einen seiner Freunde gegeben hatte.

In Ordnung, ich hatte wohl ein paar Drinks mehr als üblich, dachte Sawyer noch immer ganz benommen. Aber er war in seinem ganzen Leben noch nie so betrunken gewesen, dass er einen Blackout gehabt hatte. Verwirrt runzelte er die Stirn. Moment. Jetzt fiel ihm ein, dass er zuletzt mit einer brünetten Schönheit geredet hatte. Einer Künstlerin. Nein, einer Versicherungsmaklerin. Oder war sie beides? Er erinnerte sich, dass sie ihm Avancen gemacht hatte und er absolut nicht abgeneigt gewesen war. Ja, und dann hatte ihm Phil, Finns Studienkollege, einen anderen Drink angeboten. Er hatte die sogenannte „Spezialität des Hauses“ angenommen, obwohl er diesen Phil noch nie gemocht hatte.

Die Brünette hingegen hatte die Augen verdreht und den Drink abgelehnt. Sawyer hatte aus einer Bemerkung Phils geschlossen, dass er und die Brünette eine gemeinsame Vergangenheit gehabt hatten, bis sie ihm den Laufpass gab. Wie war noch ihr Name? Debbie? Oder Deborah? Ich habe mich also mit Debbie oder Deborah unterhalten und die „Spezialität des Hauses“ getrunken, überlegte Sawyer. Und dann … Nichts. Keinerlei Erinnerung. Was, zum Teufel, hatte Phil ihm in den Drink getan? Etwas Stärkeres als Alkohol, etwas, das ihn völlig …

Erneut hörte er das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Den leisen, erregten Seufzer einer Frau. Oh, oh. Er drehte den Kopf und sah im dämmrigen Licht den Umriss einer Schulter neben sich im Bett. Ah, die sexy Brünette. Er musste mit ihr nach Hause gegangen sein. Erneut sah er sich im Zimmer um und wusste plötzlich wieder, dass er in Melanies Haus war. Demnach hatte er die Frau hierhin mitgenommen.

Hatte sich diese heiße Brünette trotz seines benebelten Zustands etwas davon versprochen, ihn nach Hause zu begleiten? Und er hatte es gehalten? Sawyer war von sich selbst beeindruckt. Nun, für seine zweiunddreißig Jahre war er ja wirklich noch gut in Schuss, oder? Allerdings konnte er es nicht fassen, dass er sich absolut nicht daran erinnern konnte. Sein One-Night-Stand drehte sich auf den Rücken. Komisch, in seiner Erinnerung hatte sie die Haare kürzer getragen. Er legte sich auf die Seite, sodass er sie betrachten konnte. Sie duftete gut, was er gestern Abend in der Bar überhaupt nicht bemerkt hatte. Vielleicht hätte sie nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden – was auch immer sie getan hatten, nachdem sie hier eingetroffen waren. „He, Debbie … Deborah.“

Sie drehte sich ihm zu. Die Tagesdecke rutschte von ihrer Schulter und enthüllte einige Zentimeter eines sehr sexy Trägertops. Offensichtlich hatte sie mehr Oberweite, als er angesichts ihrer schlanken Figur angenommen hatte. Hatte er sie noch nicht einmal ausgezogen? Hatten sie es so eilig gehabt? Oder war überhaupt nichts passiert, weil er nicht mehr in der Lage gewesen war, seinen Mann zu stehen? Er hoffte, dass er zumindest Debbie Vergnügen bereitet hatte. Aber vielleicht hatte Phil ihm ja etwas in den Drink getan, um ihn schachmatt zu setzen und genau das zu verhindern.

Sawyer wand sich. Diesmal würde er alles richtig machen. Allein ihre Nähe weckte bereits seine Lust. „Debbie.“ Mit dem Finger strich er sanft über ihren Hals.

„Mm.“ Sie runzelte die Stirn.

„Du bist schön“, flüsterte er. „Sogar noch schöner als gestern Abend.“ Das klang definitiv anders, als er beabsichtigt hatte. Sein Kopf funktionierte noch immer nicht richtig. Ganz im Gegensatz zu seinem Körper. In dem Dämmerlicht sah sie aus wie ein Star aus einem Schwarz-Weiß-Film. Ihre Haut wirkte cremefarben statt golden wie am Abend zuvor, und ihre Haare schienen schwarz statt rotbraun zu sein. Er küsste den Ansatz ihrer Brüste. Sie seufzte weich. Er fuhr über ihre Wade und die Kniekehle bis hinauf zu ihrem Po, der in der Jeans so verführerisch ausgesehen hatte.

Noch immer konnte er nicht glauben, dass diese unglaubliche Frau mit ihm nach Hause gekommen war. In sein vorübergehendes Zuhause. Bei Melanie. Mist, er hatte noch nicht mit ihr darüber geredet, ob Frauen bei ihm übernachten durften. Aber schließlich würde so etwas nicht ständig vorkommen, und Melanie konnte bestimmt damit umgehen.

Als Sawyer die Finger unter den Stoff ihrer Boxershorts wandern ließ, seufzte Debbie erneut. Es schien ihr zu gefallen, also schob er die Träger des Tops über ihre Schultern und liebkoste mit dem Mund ihre Brustwarzen, während er die Hand zwischen ihre Oberschenkel schob und sie dort streichelte. Wow, sie war bereits feucht. Einen Moment lang hob sie den Kopf und öffnete die Lippen. Ihr Atem ging unregelmäßig. Aber die Augen hielt sie geschlossen. Sie muss mir etwas vorspielen. Niemand konnte durchschlafen, wenn er auf diese Weise berührt wurde. Es sei denn, sie hatte sich später am Abend auch noch die „Spezialität des Hauses“ genehmigt und jetzt ebenfalls einen Blackout. Reagierte sie nur unbewusst auf ihn? Das war schon ein bisschen ungewöhnlich – und es gefiel ihm.

Dennoch wäre es nicht gentlemanlike, wenn er ihren benebelten Zustand ausnutzte, um mit ihr zu schlafen. Etwas völlig anderes wäre es natürlich, wenn es ihm einzig und allein darum ginge, ihr Vergnügen zu bereiten. Wie auch immer, er sehnte sich danach, sie zu kosten und auf Touren zu bringen. Sie war so sexy. Langsam streifte er ihr die Shorts herunter, küsste ihren Bauch und glitt weiter nach unten, um sie zu schmecken. Wie gut das war. Sawyer genoss, was er tat, und nahm sich alle Zeit der Welt, um sie mit Mund und Zunge zu verwöhnen. Dann tastete er sich vor und drang zusätzlich mit den Fingern in sie ein, bis sie vor Lust wimmerte.

Dieses Geräusch, diese unverhohlene Leidenschaft brachten ihn fast um den Verstand, immer intensiver stimulierte er sie, bis sie mit einem erstickten Schrei zum Orgasmus kam und er fast das Gefühl hatte, den Höhepunkt selbst zu erleben. Oh Mann. Er war jetzt so erregt, dass er sich beherrschen musste, nicht sofort in sie einzudringen. Doch sie hielt die Augen noch immer geschlossen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich selbst zu befriedigen.

„Debbie“, sagte er nach einer Weile. Sie antwortete nicht. Lächelnd ging er schließlich ins Badezimmer. Was war das gerade gewesen? Hatte er Gefühle für eine Frau entwickelt, die nicht einmal bei Bewusstsein war? War das eine typische Männerfantasie? Im Medizinschrank fand er eine Schachtel mit Tabletten gegen seine Kopfschmerzen. Er bemerkte, dass jemand „Joes Pillen“ unten auf das Etikett geschrieben hatte. Doch er machte sich keine Gedanken darüber und nahm eine der Tabletten mit etwas Wasser ein.

Zurück im Zimmer, deckte er Debbie fürsorglich zu und legte sich neben sie ins Bett. Er hoffte, dass sie sich morgens erinnern würde, wer er war und warum sie hier war. Denn er war absolut sicher, dass er dann all das noch einmal tun wollte – und mehr. Zusammen mit ihr.

Alana wachte mit einem Lächeln auf, war aber noch nicht annähernd bereit, die Augen zu öffnen. Sie hatte wie ein Murmeltier geschlafen und einen wundervollen Traum gehabt. Ein unglaublich sexy Fremder hatte sie hier auf dem Bett zur Ekstase gebracht. Sie konnte sich noch genau an seine feuchte Zunge, seinen warmen Mund und seine geschickten Finger erinnern. Der Mann wusste genau, wie man eine Frau glücklich machte. So jemandem würde sie zu gern einmal im richtigen Leben begegnen.

Sie war wie berauscht und so erregt gewesen, dass sie tatsächlich zum Höhepunkt gekommen war. Wenn sie sonst einen erotischen Traum hatte, wachte sie normalerweise auf, bevor sie zum Gipfel kam, und war dann frustriert. Aber die letzte Nacht war wirklich himmlisch gewesen. Schließlich schaffte sie es, die Augen einen Spalt zu öffnen, und sah, dass die Sonne ins Zimmer schien.

Plötzlich erstarrte sie. Oh nein. Hinter ihr hatte sich jemand bewegt. Alana wagte kaum zu atmen und drehte sich um. Was war das? Blitzartig sprang sie auf und rang heftig nach Atem. In ihrem Bett war ein Mann. Um Himmels willen. Was … Wie konnte sie … Wer … Panisch zerrte sie die Tagesdecke vom Bett und schlang sie um sich. Blut stieg ihr in den Kopf. War das etwa kein Traum gewesen heute Nacht? Ihr wurde schlecht. Hatte tatsächlich ein völlig Fremder sie missbraucht, während sie geschlafen hatte? Sie zwang sich, tief durchzuatmen. Was für ein Bastard! Wer immer er auch war. „He.“ Sie versetzte der Matratze einen kräftigen Tritt, um den Kerl aufzuwecken. „He.“

Der Typ schlug die Augen auf, und sie versetzte der Matratze einen erneuten Tritt. Endlich drehte er sich zu ihr um und blinzelte verärgert. „Warum trittst du gegen mein Bett?“

„Das ist mein Bett.“

„Hm?“ Er sah sich verwirrt um.

„Wer sind Sie?“

Sawyer starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Dann schüttelte er den Kopf. „Oh nein. Du hast dir doch diesen Drink genehmigt.“

„Was?“

„Phils ‚Spezialität des Hauses‘, von der du mir abgeraten hattest. In dem Drink muss etwas gewesen sein, das dir jetzt noch den Kopf vernebelt.“

Meine Güte. Ein totaler Psychopath. Alana starrte ihn fassungslos an. Offensichtlich einer von Melanies Freunden. „Ich habe gestern Abend nichts getrunken.“

„Die Party, die mein Bruder Finn Kern für Dan organisiert hat?“

„Ich kenne niemanden namens …“

„Wir hatten uns länger unterhalten.“ Er hatte auch noch die Frechheit, sie von oben bis unten zu mustern. „Obwohl du tatsächlich anders aussiehst, als ich dich in Erinnerung habe.“

„Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind.“

„Sawyer Kern. Kommt dir das bekannt vor?“

„Sawyer?!“ Alana schnappte vor Entrüstung nach Luft. Dieser Lustmolch war Melanies toller neuer Freund, der so ganz anders war als all die anderen?

„Ich dachte mir, dass du dich erinnerst.“

„Du bist Melanies …“

Er kniff die Augen zusammen. „Du kennst Melanie?“

„Ich bin ihre Schwester.“

„Alana?“ Jetzt setzte er sich auf und rieb sich hektisch über das Gesicht. Gegen ihren Willen registrierte sie, wie breit seine Brust war. Und diese sinnlichen Lippen hatte sie zwischen ihren Beinen … Oh nein! „Warum warst du auf dieser Party?“

„Ich war auf keiner Party.“

Sawyer schien eine Weile zu brauchen, um das zu verdauen. „Also habe ich dich nicht von dort hierher mitgebracht und es dann vergessen.“ Er grinste und schüttelte den Kopf. „Ich wusste, dass ich nicht so benebelt gewesen sein konnte.“

Wie konnte er nur irgendetwas an dieser Situation lustig finden? „Du bist zu mir ins Bett gekrochen. In diesem Zimmer.“

„Ich hatte einen ziemlich starken Drink auf der Party. Deswegen habe ich dich nicht bemerkt. Das heißt, zunächst habe ich dich nicht bemerkt.“ Er lächelte zweideutig.

Alana trat einen Schritt zurück und errötete. Na toll. Ein Lustmolch, der sich auch noch bis zum Blackout betrinkt. Ihre Schwester machte nie halbe Sachen. „Ich hatte eine Schlaftablette genommen und bin erst heute Morgen aufgewacht. Vor ein paar Minuten. Vorher nicht. Ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen.“

Sawyer grinste über ihre Verwirrung. „Du erinnerst dich an nichts?“

„Natürlich nicht. Ich habe geschlafen.“

„Hm. Dann ist es besser, wenn ich dich aufkläre. Denn ich erinnere mich an viele Dinge, die etwa um drei Uhr nachts passiert sind. Du hast hier gelegen, und ich …“

„Nein. Hör auf.“

Sawyer machte ein völlig unschuldiges Gesicht. „Du willst es nicht wissen? Ich finde, das könnte ziemlich wichtig sein.“

Autor

Isabel Sharpe
Im Gegensatz zu ihren Autorenkollegen wurde Isabel Sharpe nicht mit einem Stift in der Hand geboren. Lange Zeit vor ihrer Karriere als Schriftstellerin erwarb sie ihren Abschluss in Musik auf der Yale Universität und einen Master in Gesangsdarbietung auf der Universität von Boston. Im Jahre 1994 rettet sie die Mutterschaft...
Mehr erfahren