Der Fremde mit der Maske

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Es gibt nur einen Ausweg: Wenn Sarah ihre Jungfräulichkeit verliert, muss sie den verhassten Sir Jeremy nicht heiraten! Sie flieht und begegnet einem maskierten Fremden. Wird er ihr ihren Wunsch erfüllen?


  • Erscheinungstag 23.04.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733764111
  • Seitenanzahl 51
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Norfolk, im Juli 1816

Sanft klopfte der Mann mit der Maske seinem ziemlich hässlichen grauen Jagdpferd den Hals. „Geduld, Tolly. Einmal noch, dann kriegst du Hafer, und ich bekomme ein Dutzend Flaschen feinsten alten Brandys.“

Das Pferd schnaubte und drehte die Ohren lauschend seinem Reiter zu. Jonathan rückte sich bequemer im Sattel zurecht und kniff die Augen gegen den letzten hellen Lichtstreifen am Horizont schützend zusammen. Es war nun nach acht, und seit einer halben Stunde hatte kein Fahrzeug mehr die Straße passiert, die die Dörfer Saint’s Mary Mead und Saint’s Ford mit dem Marktflecken St. Margaret’s verband. Bis dahin hatte reger Verkehr geherrscht, sodass die Einlösung der Wette vom letzten Abend ein Leichtes gewesen war. Er schob eine Hand in seine Tasche und zog die Ausbeute hervor, alles Andenken an jeweils einen Kuss, den von den ersten fünf vorbeikommenden Frauen zu erlangen er gewettet hatte.

Da gab es eine Daunenfeder aus dem leeren Eierkorb eines Bauernmädchens, das seinen Kuss unter Kichern und mit Hingabe erwidert hatte. Hier das aus Stroh geflochtene Püppchen stammte von einer ältlichen Dame im Eselswagen, die ihre fast geleerten Körbe heimbrachte und fröhlich blinzelte, während sie ihn neckend ins Kinn kniff. Dann ein Briefchen Stecknadeln von einer hageren alten Jungfer, die zutiefst errötete, als er ein Küsschen auf ihre trockene, papiergleiche Wange hauchte. Und da das Zettelchen mit dem schriftlichen Versprechen auf ein rotes Kätzchen (der Sprössling einer garantiert guten Mäusejägerin), das ihm eine Farmersfrau gab, während sie vor Lachen japste und ihm ihr rundes rotes Gesicht in freudiger Erwartung entgegenreckte.

Jonathan steckte das winzige Püppchen an sein Revers, schob die Feder hinter sein Hutband und fragte sich, welche seiner Haushälterinnen er am ehesten mit einem Kätzchen beglücken könnte. Sein Spaß an diesem abendlichen Sport ließ langsam nach. In einer Stunde sollte er sich mit seinen Freunden zum Dinner im ‚Goldenen Löwen‘ treffen, um die Früchte seines Erfolgs vorzuweisen, und die Chancen, dass das dafür notwendige fünfte weibliche Wesen vorbeikam, schwanden zusehends.

Tolly hob den Kopf und spitzte die Ohren. „Ah, Hufschlag“, pflichtete Jonathan ihm bei. „Ein einzelnes Pferd, also vermutlich ein Mann.“ Er drängte den Grauen durch eine Lücke in der dichten Hecke am Wegesrand, zog die ungeladene Pistole, legte sie über seine Schenkel und wartete.

„Schändliches, heuchlerisches Vieh“, murmelte Sarah Tatton zum wiederholten Male und zügelte ihre Stute, bis sie Schritt ging. Ungeduldig wischte sie sich die Tränen von den Wagen. Nun, da ihre anfänglich kochende Wut abzukühlen begann und sich langsam etwas wie Panik in ihr regte, war es mitnichten angenehm, nur mit einem Abendkleid angetan im Damensattel durch die Landschaft zu galoppieren.

Wie hatte sie so sanftmütig, so vertrauensvoll unschuldig sein können? Achtzehn Monate hatte sie brav auf dem Lande gehockt und ihre hausfraulichen Fähigkeiten vervollkommnet, während ihr Papa überall herumtrompetete, welch gute Partie er für seine Tochter ergattert hatte. Und was brachte ihr diese Partie ein? Ihr Wäscheschrank war makellos, ihre Vorratskammer bewundernswert, sie konnte auf dem Piano eine Sonate spielen und bei Dinnergesellschaften selbst noch die heikelste Konversation meistern. Und nun, endlich, endlich, hatte sich ihr Verlobter herabgelassen, im väterlichen Haus zu erscheinen, um den Verlauf der Hochzeitsfeierlichkeiten zu besprechen.

Sir Jeremy Peters mochte nur mäßig gut aussehen und auch nicht den glänzendsten Geist besitzen, doch er war, wie jedermann ihr während ihrer zweiten Saison versichert hatte, wirklich ein Fang für die Tochter eines Landadeligen, die nur mittelmäßig schön war und nur eine mittelmäßige Mitgift zu erwarten hatte. Mehr als wohlhabend war er und einflussreich – Besseres konnte ihr nicht widerfahren, und sie sollte ihrem Vater dankbar sein.

„Respektabel?“, schnaubte Sarah in sich hinein. Eine halbe Stunde in seiner Gesellschaft, während der er ihr zu ihrem sittsamen Kleid gratulierte und ihr eine geschmacklose, wenn möglicherweise auch wertvolle Kette aus unregelmäßigen Perlen verehrte, hatte gereicht, um ihr das Herz schwer zu machen. Sie hatte ihn nicht als so langweilig in Erinnerung gehabt. Als sie jedoch in ihrem Zimmer war, um sich zum Dinner umzukleiden, brach Mary, ihre Zofe, mitten im Zuknöpfen ihrer Robe in Tränen aus.

„Ich muss es Ihnen sagen, Miss Sarah! Ich darf nicht zulassen, dass Sie diesen Mann heiraten, und wenn es mich meine Stelle kostet“, hatte sie gejammert. Was Sarah dann hörte, verschlug ihr den Atem, und ihr wurde ganz übel. Während ebender Abendgesellschaft, auf der er um Sarahs Hand angehalten hatte, war er Mary mehr als zu nahe getreten. Anschließend hatte er ihr gedroht, wenn sie nur ein Wort davon verlauten lasse, werde er Sir Jeremy sagen, dass sie sich ihm gegen Geld angeboten habe.

Also konfrontierte Sarah ihren Vater mit dem, was sie erfahren hatte: dass ihr Verlobter einer von denen war, die schutzlose junge Frauen schändeten. Und ihr Papa tat die Sache einfach ab!

„Unsinn!“, polterte er und klatschte seine Zeitung gereizt auf den Tisch. „Ganz bestimmt eins von den jungen Flittchen, die sich ein paar Schilling nebenbei verdienen wollen. Hatte es nur drauf abgesehen!“

„Aber nein, Papa, es ist ein ganz anständiges Mädchen.“ Ihm zu sagen, um wen es sich handelte, wagte sie nicht, da sie noch gut in Erinnerung hatte, wie eins der Hausmädchen ohne Zeugnis entlassen worden war, als es sich nach Cousin Williams Besuch in anderen Umständen befunden hatte. Wenn es um Bedienstete ging, gehörte ihr Vater zur alten Schule. „Und selbst wenn sie nicht unwillig gewesen wäre, kannst du von mir nicht erwarten, dass ich einen Mann mit solch lockerer Moral heirate“, wandte sie ein.

„Eine Dame ignoriert dergleichen. Sie hat die Pflicht, treu und unbescholten und über jeden Tadel erhaben zu sein und ihre Kinder aufzuziehen. Ihr Gatte mag anderswo Zerstreuung suchen.“

„Zerstreuung!“

Ergrimmt knurrte er: „Zerstreuung. Es hat nichts zu bedeuten, und eine vornehme, wohlerzogene Dame denkt nicht einmal an Derartiges, geschweige denn gibt sie zu, davon zu wissen.“

„Ich kann Sir Jeremy unmöglich heiraten“, erklärte sie kategorisch.

„Du wirst ihn ganz bestimmt heiraten, mein Mädchen! Ich werde mir wegen deiner prüden Ziererei nicht eine so gute Partie für dich durch die Finger schlüpfen lassen. Du heiratest ihn – oder ich werde herauskriegen, von wem du diesen anstößigen Unfug hast, und der wird dafür büßen. Hast du verstanden?“

Wie würde sie für Mary eine neue Stellung finden können? Eine, in der die Zofe vor dem Zorn ihres Vaters sicher war? Wäre sie in London, könnte sie zu einer guten Stellenvermittlung gehen, ihr ein hervorragendes Zeugnis ausstellen, doch hier, mitten auf dem Land, würde sie das alles per Brief erledigen müssen, und leider bestand ihr Vater darauf, dass ihre Gesellschafterin ihre gesamte Korrespondenz überwachte.

In dem Augenblick hatte sie sich nicht vorstellen können, wie sie beim Dinner überhaupt höflich bleiben sollte.

Um Haltung ringend hatte sie vor dem Speisesalon gestanden, als sie die beiden Männer drinnen reden hörte.

„Sittsam und tugendhaft, das ist es, was ich an Miss Tatton schätze“, verkündete Sir Jeremy. „Die Gewissheit, dass man eine Jungfrau mit makelloser Erziehung ehelicht und nicht eins dieser frivolen Dinger, die nur ihre Kavaliere und ihre Vergnügungen im Sinn haben. Wie kostbar ist doch die Reinheit einer echten Dame! Ich habe eine lange, mühsame Suche hinter mir, nun bin ich überzeugt, einen solchen Schatz gefunden zu haben.“

Dieser Heuchler schätzte allein ihre Jungfräulichkeit? Er verführte junge, unbescholtene Frauen und hatte die Dreistigkeit, solche Reden zu schwingen? Und ihr Vater nahm das in seiner Selbstgefälligkeit hin?

„Richten Sie Sir Hugh aus, dass ich Migräne habe und leider heute Abend nicht zum Dinner erscheinen kann“, befahl sie dem Lakaien. Kaum dass er den Rücken gekehrt hatte, war sie auf und davon zu den Ställen.

Für vielleicht eine Stunde das Haus hinter sich zu lassen, würde ihr zumindest helfen, ihre Wut abzukühlen.

Aber was nun? Nach und nach wurde ihr Zorn von Furcht verdrängt, als ihre Vorstellungskraft begann, ihr lebhafte Bilder davon zu malen, wie das Leben mit Sir Jeremy aussehen würde. Ihr Gefühl sagte ihr: Reiß aus! Doch was sollte das nützen? Wie sollte sie leben?

Die Frage wurde zur rein theoretischen, als sie hinter einer Kurve des Weges in den Lauf einer langen Pistole schaute. „Halt und her damit!“

Ein Straßenräuber? Sagten die das wirklich immer? Sarah merkte, dass ihr der Mund offenstand, und klappte ihn rasch zu. Die Gestalt vor ihr kam direkt von dem Titelblatt eines der Heftchen, die das Leben berüchtigter Räuber schilderten. Ein großes, hässliches graues Pferd, ein Dreispitz, trotz der Juliwärme ein weiter Umhang, und eine schwarze Maske, die das halbe Gesicht verhüllte.

Sie zerrte sich Sir Jeremys Perlenschnur über den Kopf und hielt sie ihm hin. Sie gönnte sie ihm.

„Nein, die will ich nicht, Herzchen.“ Seine Stimme, tief und von Bildung zeugend, klang amüsiert. Sie schien ihr durch und durch zu gehen. War er ein Gentleman, den das Leben gebeutelt hatte?

Irgendwie fand sie ihre eigene Stimme wieder. „Was wollen Sie dann?“

„Einen Kuss und ein kleines Andenken als Beweis dafür.“ Er dirigierte sein Pferd neben ihr eigenes, und sie merkte, dass nicht nur das Pferd sehr groß war. Sie zwang sich, still zu sitzen und nicht zurückzuzucken. Und dann fand sie, dass sie das auch gar nicht wollte. „Ein Kuss?“ Er war glatt rasiert, und seine weißen Zähne blitzten im Abendlicht. Und die leichte Brise wehte ihr nicht etwa den dumpfen Mief von Ungewaschenheit entgegen, mit dem sie gerechnet hatte, sondern den klaren Duft nach Leder und Zitrusaroma. „Mit so etwas spaßt ein Kavalier nicht. Nehmen Sie die Perlen, und gut ist es.“

„Nein.“ Er fing die Kette mit einer unbehandschuhten Hand auf und legte sie ihr wieder um den Hals. Dann schob er die Pistole zurück ins Halfter, verbeugte sich leicht und lüftete seinen Hut. „Ich scherze nicht.“

Sein Haar war dunkelbraun, ziemlich lang und wellte sich ein wenig. Seine Augen, grün, wurden von der Maske beschattet, doch als er lächelte, konnte sie trotzdem die Lachfältchen in den Winkeln erkennen.

„Nur ein Kuss?“

Autor

Louise Allen
<p>Louise Allen lebt mit ihrem Mann – für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden – in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.</p>
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