Der gefährliche Lord Darrington

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Sinnliche Sehnsucht erwacht in Beth. Nun weiß sie, warum der Earl of Darrington, den sie für eine Weile beherbergen muss, der gefährliche Lord Darrington genannt wird. Unzählige Herzen hat er bereits gebrochen. Und doch ersehnt auch sie sich bald insgeheim, dass er sie in seine starken Arme nimmt und leidenschaftlich küsst. Schockiert ruft sie sich zur Ordnung, sie ist verlobt und wird bald heiraten! Aber als der verführerische Earl ihr wohlgehütetes Geheimnis entdeckt, sieht sie keinen anderen Ausweg: Sie beschließt, ihn zu verführen, um sich sein Schweigen zu sichern …


  • Erscheinungstag 26.03.2013
  • Bandnummer 0546
  • ISBN / Artikelnummer 9783954464449
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Neuigkeit, dass der Earl of Darrington – genannt „der gefährliche Lord Darrington“ – sich zusammen mit Edwin Davies in dessen Jagdschlösschen in Highridge aufhielt, hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Es war eine Nachricht, die die meisten Mütter von Töchtern im heiratsfähigen Alter in ein gewisses Dilemma stürzte. Denn als gefährlich galt der attraktive Gentleman nicht ohne Grund.

Guy Wylder, Earl of Darrington, hatte sich bisher nicht entschließen können, eine eigene Familie zu gründen. Doch war man allgemein der Ansicht, es sei an der Zeit für ihn zu heiraten und einen Erben zu zeugen. Vor ein paar Jahren war er in einen Skandal verwickelt gewesen, aber die meisten Eltern waren bereit, wegen seines Titels und seines Reichtums darüber hinwegzusehen.

Der Earl hatte sich allerdings erfolgreich jedem Versuch widersetzt, ihn zur Ehe zu verleiten. Alle jungen Damen, die sich zu offensichtlich um seine Zuneigung bemühten, mussten früher oder später erkennen, dass ihnen nicht der erwünschte Erfolg beschieden war. Zwar war Lord Darrington einem heftigen Flirt gegenüber durchaus nicht abgeneigt, was zwangsläufig eine Menge Klatsch und Tratsch zur Folge hatte, aber damit weckte er nur falsche Hoffnungen. Die betreffende junge Dame glaubte nämlich irgendwann, er sei im Begriff, ihr sein Herz zu schenken. Doch gerade wenn sie fest damit rechnete, einen Antrag von ihm zu erhalten, zog er sich zurück. Und wenn sie ihm das nächste Mal begegnete, schien er Mühe zu haben, sich überhaupt an sie zu erinnern – was wiederum eine Menge Klatsch und Tratsch bedeutete.

So hatte das Verhalten des Earls mehr als einmal dazu geführt, dass fröhliche junge Mädchen in tiefe Melancholie verfielen. Was wiederum einige besorgte Eltern dazu brachte, ihre Töchter davor zu warnen, Interesse an dem gut aussehenden reichen, aber dabei so gefährlichen Gentleman zu zeigen.

Guy war allerdings der Meinung, es gebe bei Weitem nicht genug besorgte Eltern. Daher war er erleichtert darüber, dass Mr Davies nur Männer nach Highridge eingeladen hatte. Die Gruppe blieb meistens unter sich. Hin und wieder besuchten die Gentlemen den nahe gelegenen Gasthof White Hart. Ansonsten vergnügten sie sich mit allerlei typisch männlichen Tätigkeiten. Sie unternahmen weite Ausritte in die Moorlandschaften, die zu Mr Davies’ großem Landbesitz in Yorkshire gehörten. Und sie machten an einigen Tagen Jagd auf das Wild, das in der einsamen Gegend lebte.

„Man wird empört sein, wenn man erfährt, dass ich einen Earl zu Gast hatte und ihn nicht mit den Mitgliedern des hiesigen Landadels bekannt gemacht habe“, stellte Mr Davies lachend fest. „Wahrscheinlich kann ich mich glücklich schätzen, wenn man mir nur die kalte Schulter zeigt. Wahrscheinlicher ist, dass ich mir die heftigsten Vorwürfe anhören muss, weil ich dich nicht zu einer einzigen Gesellschaft mitgenommen habe, Guy.“

„Davey, ich bin nur hergekommen, weil du mir ein paar Jagdabenteuer und ansonsten ruhige Wochen in der Gesellschaft von Freunden in Aussicht gestellt hast.“

„Und ich habe mein Versprechen gehalten! Doch nun ist die Jagdsaison zu Ende. Was also spricht dagegen, dass wir zwei eine Tanzveranstaltung in der Stadt besuchen?“

Der Earl verzog den Mund zur Andeutung eines Lächelns. „Wir würden damit eine andere Art von Jagd eröffnen; eine, bei der wir die Beute sind.“

Es war offensichtlich, dass die beiden Freunde ihre selbst gewählte Einsamkeit genossen. Mr Davies’ andere Gäste hatten sich entschlossen, die Einladung eines Nachbarn anzunehmen. Und so waren Davey und Guy auf die Idee gekommen, einen Ausritt in die Hügel zu unternehmen, die sich am Rande des fruchtbaren Ackerlandes erhoben. Jetzt, da sie den Gipfel erreicht hatten, zügelten sie ihre Pferde, um einen Moment lang den Ausblick zu genießen.

„Die Gefahr, selbst zur Beute zu werden, lässt sich allerdings nicht ganz von der Hand weisen“, bestätigte Davey lachend. „Andererseits hat es sich bis Yorkshire herumgesprochen, wie du junge Damen, die Jagd auf dich machen, zu behandeln pflegst. Ich denke, alle Töchter im heiratsfähigen Alter sind inzwischen vor dir gewarnt worden.“

Guy schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht alle.“ Und in bitterem Ton setzte er hinzu: „Selbst wenn ich ein Frauen mordender Blaubart wäre, würden manche Eltern mir ihre Töchter noch auf dem Präsentierteller servieren. Mein Titel und mein Vermögen lassen sie alles andere vergessen.“

„Dein Titel und dein Vermögen sorgen dafür, dass man Geschichten über dich auf den Gesellschaftsseiten der meisten Zeitungen findet. Insbesondere die Schreiberlinge, die für den ‚Intelligencer‘ arbeiten, verbreiten dummen Klatsch über dich.“

„Ein fürchterliches Skandalblättchen, da hast du recht. Ich frage mich, wer so etwas liest! Mich persönlich interessiert es nicht besonders, was man über meine amourösen Abenteuer schreibt. Ich hoffe höchstens, dass die Mütter, die diese Geschichten lesen, ihren Töchtern den Umgang mit mir verbieten.“

„Ich weiß, dass dich der Klatsch kalt lässt. Aber deine Freunde würden es lieber sehen, wenn es nicht so viel Gerede über dich gäbe. Denk nur daran, was im ‚Intelligencer‘ über dich und das Ansell-Mädchen stand.“

„Bei Jupiter, ich habe zwei Mal mit der Kleinen getanzt, und schon hieß es, ich sei verliebt in sie!“

„Nun Lady Ansell jedenfalls war davon überzeugt, dass du ihrer Tochter einen Antrag machen würdest. Sie hat überall herumerzählt, du hättest sie nach Wylderbeck eingeladen.“

„Die Ansells haben sich selbst eingeladen. Sie behaupteten, das Mädchen sei sehr an Architektur interessiert und habe so wundervolle Dinge über Wylderbeck gehört. Leider war ich dumm genug zu sagen, sie könnten sich mein Haus selbstverständlich einmal anschauen.“ Guy warf seinem Freund einen kurzen Blick zu. „Ich hoffe, sie haben ihren Besuch dort genossen. Mein Verwalter hat mir in der vergangenen Woche geschrieben, wie enttäuscht sie waren, nach der überstürzten Reise feststellen zu müssen, dass ich mich gar nicht in Wylderbeck aufhielt. Meine Haushälterin hat ihnen alles Sehenswerte gezeigt und ihnen vorgeschlagen, im Gasthof abzusteigen.“

„Im Darrington Arms?“ Davey lachte, wurde aber gleich wieder ernst. „Das war nicht nett von dir, Guy.“

„Ich bin es leid, ständig verfolgt zu werden. Ehrlich gesagt, ist mir ein Skandal beinahe lieber, als dauernd von jungen Damen und ihren Müttern belagert zu werden.“

Davey runzelte die Stirn. „Man könnte fast denken, du seiest froh darüber, dass einige Leute dich noch immer für einen Vaterlandsverräter halten.“

„Das meinst du doch nicht ernst! Himmel, ich bereue meine jugendliche Dummheit mehr, als ich sagen kann. Aber der Schaden lässt sich nun mal nicht wiedergutmachen. Es ist mir bedeutend lieber, dass man sich über mein Liebesleben aufregt als über meine vergangenen Fehler. Ja, ich wünschte, das alles wäre vollkommen in Vergessenheit geraten. Leider bleibt nach so einer Geschichte immer ein bisschen Schmutz zurück.“

„Du selbst könntest dafür sorgen, dass dein Name reingewaschen wird. Schließlich war es nie mehr als ein böses Gerücht. Wenn du dich nicht aus dem Staatsdienst zurückgezogen hättest …“ Davey zuckte die Schultern. „Viele haben das als Schuldeingeständnis gedeutet. Die wirklich wichtigen Leute in Regierung und Verwaltung wissen natürlich, dass du unschuldig bist. Sie sähen es gern, wenn du deine Arbeit wieder aufnähmest. Gerade jetzt, da in Frankreich alles drunter und drüber geht, würden sie deine Hilfe willkommen heißen.“

„Tatsächlich habe ich bereits selbst darüber nachgedacht. Aber auch das Arbeiten wäre einfacher, wenn all diese Drachen und ihre heiratswilligen Töchter mich in Ruhe ließen.“

„Das würden sie – wenn du dir endlich eine Gattin nähmest.“

„Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.“ Lachend schüttelte Guy den Kopf. „Und jetzt wollen wir die Pferde noch ein bisschen galoppieren lassen!“

Sie jagten den Hang hinab und gleich den nächsten wieder hinauf. Am höchsten Punkt brachte Guy sein Pferd zum Stehen, um sich noch einmal in Ruhe umschauen zu können. Er genoss das Gefühl der Freiheit, das das weite Land um ihn herum ihm vermittelte. Fast war ihm, als brächte der Wind den Geruch des Meeres mit. Allerdings war die Küste mindestens dreißig Meilen entfernt.

„Bedauerst du, dass du dich den anderen nicht angeschlossen hast?“, fragte er seinen Freund. „Wärest du lieber mit ihnen zu den Osmonds geritten?“

„Ganz und gar nicht! Es gefällt mir, viele Gäste in Highridge zu beherbergen. Allerdings würde es mir weniger gefallen, wenn ich nicht selbst darüber entscheiden könnte, wie ich meine Tage verbringe. Als Gast bei den Osmonds müsste ich viele Zugeständnisse machen. So können wir aufstehen und schlafen gehen, wann es uns behagt. Jeder von uns kann sich zurückziehen, wenn er allein sein will. Wir können uns aber auch unterhalten, wann immer uns danach ist.“

Guy streckte die Hand aus und legte sie kurz auf Daveys Arm. „Du bist mir stets ein guter Freund gewesen, und ich weiß das zu schätzen. Selbst als alle Welt sich gegen mich wandte, hast du zu mir gehalten.“

„Du weißt genau, dass ich nicht der Einzige war, der an deine Unschuld geglaubt hat. Ich wünschte nur, du hättest dich damals entschlossen, dich zu verteidigen. Du hättest dich nicht so … ritterlich benehmen dürfen.“

„Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?“

„Du hättest die Schuldige nennen sollen.“

Guy schüttelte den Kopf. „Es hätte nichts genützt. Sie hatte das Land ja schon verlassen. Man hätte mir vorgeworfen, mich nicht galant zu benehmen.“

„Nicht galant? Welch ein Unsinn!“, rief Davey zornig aus. „Du hast eine vielversprechende Karriere wegen dieser Frau aufgegeben. Ich finde, es wäre deine Aufgabe gewesen, deine diplomatische Begabung für England einzusetzen. Stattdessen hast du dein Talent verschwendet.“

„Das stimmt nicht. Ich habe mich um meine Ländereien gekümmert, und zwar mit Erfolg! Mein Vater steuerte auf den Bankrott zu. Ich sage das nicht gern, doch wenn er länger gelebt hätte, wäre der Familienbesitz vor die Hunde gegangen. Und Nicks Anwesen …“ Er runzelte die Stirn. „Du weißt selbst, dass mein Bruder früher ein verantwortungsloser Taugenichts war.“

„Gut, dass er sich geändert hat! Inzwischen muss es beinahe fünf Jahre her sein, dass er zur Vernunft gekommen ist, nicht wahr? Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, dich auf der politischen Bühne zurückzumelden?“

„Bestimmt nicht! Die einen hätten sich über mich lustig gemacht, die anderen hätten hinter meinem Rücken über den alten Skandal geredet. Nein, darauf lege ich keinen Wert. Aber …“, er straffte die Schultern und schloss die Hände fester um die Zügel, „… das ist doch kein Thema für einen schönen Herbsttag! Lass uns weiterreiten. Gibt es noch etwas, das du mir zeigen möchtest?“

Davey wusste, dass es sinnlos war, weiter über Guys Probleme reden zu wollen. Er hob den Arm und deutete nach Nordwesten. „Ich dachte, du würdest dir vielleicht gern die Abtei von Mount Grace anschauen. Ich bin mit der Familie, die dort lebt, recht gut bekannt, daher wird niemand etwas dagegen haben, wenn wir die Ruinen erforschen. Du interessierst dich doch für Altertümer, nicht wahr?“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das passt natürlich nicht besonders gut zu dem Bild, das die meisten sich von dem gefährlichen Lord Darrington machen. Deshalb habe ich, solange die anderen dabei waren, die Abtei gar nicht erwähnt.“

Guy lächelte amüsiert. „Es ist mir vollkommen gleichgültig, welches Bild andere von mir haben. Aber du hast recht: Ich würde die Ruinen gern besuchen.“ Er wandte den Blick zur Sonne. „Wird die Zeit denn reichen? Es ist schon Mittag.“

„Wir brauchen uns nicht einmal zu beeilen. Wir sehen uns in aller Ruhe die Überreste der alten Abtei an und nehmen dann den Weg am Fuß der Hügel in Richtung Highridge. In Boltby können wir im Gasthof zu Abend essen. Die Küche dort ist sehr gut.“

„Einverstanden! Dann lass uns aufbrechen!“

In perfekter Harmonie ritten die Freunde nebeneinander den Hang hinunter.

Die Ruinen der Abtei von Mount Grace waren wirklich sehenswert. Und so kam es, dass die Freunde sich länger dort aufhielten als ursprünglich geplant. Die Sonne stand schon weit im Westen, als sie sich endlich auf den Heimweg machten.

„Es sieht nach Regen aus“, bemerkte Guy und musterte die dunklen Wolken, die sich am Horizont zusammenzogen.

„Ja, wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht völlig durchnässt zu Hause ankommen wollen“, meinte Davey. „Was hältst du davon, wenn wir das Abendessen in Boltby ausfallen lassen und den kürzesten Weg nach Highridge nehmen?“

„Du willst querfeldein reiten? Gut! Mein Pferd hat sich während der letzten Wochen daran gewöhnt, über die Steinmauern zu springen, die das Weideland durchziehen.“

Davey lachte. „Zugegeben, querfeldein zu reiten, könnte ein bisschen unbequem werden. Aber dafür werden wir das Kaminfeuer und das gute Essen in Highridge umso mehr zu schätzen wissen.“

Sie mussten etwa eine Meile weit einer schmalen Straße folgen, ehe sie das zur Mount Grace Priory gehörende Dorf mit seinen Gärten und kleinen Feldern hinter sich gelassen hatten. Dann wurde die Landschaft karger. Schon bald war weit und breit kein Haus mehr zu sehen.

Guy schaute zum Himmel auf und runzelte die Stirn. Die Sonne war hinter dicken grauen Wolken verschwunden, und die Luft roch nach Regen. „Wie weit ist es noch?“

„Knapp fünf Meilen. Zu dumm, dass wir nicht daran gedacht haben, unsere Reitmäntel mitzunehmen. Ich fürchte, da kommt ein richtiges Unwetter auf uns zu.“

„Mein Herkules ist noch nicht erschöpft, und auch dein Dark Girl macht einen recht frischen Eindruck. Wir können ein bisschen Tempo zulegen. Dann sind wir vielleicht zu Hause, ehe der erste Tropfen fällt.“

„Gut, versuchen wir es! Los geht’s!“

Davey trieb seine kraftvolle Stute zu einer schnelleren Gangart an. Und schon galoppierte sie Seite an Seite mit Herkules über das brachliegende Feld. Eine der vielen Steinmauern tauchte vor ihnen auf. Reiter und Pferde meisterten das Hindernis problemlos, landeten jedoch beinahe inmitten einer Herde von Schafen, die blökend auseinanderliefen.

Das war unvernünftig und riskant, dachte Guy, doch er zügelte seinen Hengst nicht.

Weiter ging der wilde Ritt. Der Himmel hatte sich inzwischen verdunkelt, und von weither war ein Donnerschlag zu hören. Jetzt begann es zu regnen. Noch war es nur ein leichtes Nieseln, aber schon bald würden sich die Schleusen des Himmels öffnen und alles völlig durchnässen.

Eine weitere Steinmauer tauchte auf. Sie war nicht besonders hoch, doch kurz bevor die Pferde zum Sprung ansetzen mussten, strauchelte Dark Girl. Es war zu spät, um noch anzuhalten. Also richtete Davey sich im Sattel auf, beugte sich nach vorn und rief „Hoch!“

Gehorsam hob die Stute ab – und blieb unglücklicherweise mit einem Hinterlauf an der Mauer hängen.

Guy sah, wie das Unglück geschah. Dark Girl stürzte, und Davey flog aus dem Sattel. Guy erschrak, zögerte jedoch keinen Augenblick. Ruhig befahl er Herkules zu springen, landete sicher auf der anderen Seite der Mauer und zügelte das Pferd. Gleich darauf schwang er sich neben seinem Freund und dessen Pferd aus dem Sattel.

Erschrocken bemerkte er, wie ernst die Situation war. Dark Girl lag auf der Seite und hatte Davey unter sich begraben. Das Pferd strampelte mit den Beinen, war aber offensichtlich zu verwirrt und verängstigt, um aufzustehen. Guy unterdrückte einen Fluch, bekam die Zügel der Stute zu fassen und zog. Das genügte, um Dark Girl auf die Füße zu bringen. Sie zitterte am ganzen Körper und schnaubte, schien jedoch unverletzt zu sein.

Guy wandte seine Aufmerksamkeit Davey zu. Dessen Gesicht war unnatürlich blass, seine Augen waren geschlossen. Eines seiner Beine lag seltsam abgewinkelt. „Davey!“ Er ließ sich neben seinem Freund auf die Knie sinken.

Der hob die Lider und murmelte: „… Mist gemacht …“

„Sprich nicht, und bleib ganz ruhig liegen. Ich muss nachschauen, wie schwer du dich verletzt hast.“

„… hätte besser aufpassen müssen“, murmelte Davey.

„Sei still!“, schimpfte Guy. Dann hob er den Kopf. Zwei Knechte, die wohl auf dem Feld gearbeitet hatten, rannten herbei.

„Wir ham alles gesehn“, rief einer ein wenig atemlos. „Könn’ wir irgendwie helfen?“

„Er braucht einen Arzt“, erklärte Guy. „Und wir müssen ihn unbedingt ins Trockene bringen.“

„Da drübn is ne Scheune. Un zum alten Kloster isses auch nich weit.“

Im ersten Moment glaubte Guy, der Mann meine die Abtei von Mount Grace. Doch dann sah er, dass der Knecht auf die Umrisse eines Gebäudes zeigte, das tatsächlich nicht weit entfernt war. „Ist das alte Kloster bewohnt?“, fragte er.

„Lady Arabella is bestimmt da. Sie geht nich mehr aus.“

„Gut!“ Rasch gab Guy den beiden Männern ein paar Anweisungen. „Ich werde hier warten“, schloss er. Dann zog er seine Jacke aus, um Davey damit zuzudecken.

„Ich hasse es, anderen zur Last zu fallen“, klagte der. „Außerdem …“ Er verzog das Gesicht.

„Du hast Schmerzen, nicht wahr? Ein bisschen Geduld! Wenn wir dich erst ins Haus gebracht haben, wirst du dich gleich besser fühlen.“

Davey stöhnte. „Hätte nie gedacht, dass es überhaupt solche Schmerzen gibt.“

„He, du bist doch sonst nicht so wehleidig!“ Insgeheim war Guy erleichtert darüber, dass sein Freund überhaupt Schmerzen empfand. Er hatte nur sehr begrenzte medizinische Kenntnisse, doch er wusste, dass schwere Rückenverletzungen meist dazu führten, dass die Betroffenen ihre Gliedmaßen nicht mehr spüren konnten. „Ich denke, der Arzt wird etwas gegen die Schmerzen tun können“, versuchte er Davey zu trösten.

Der stöhnte erneut auf und schloss die Augen. Gleich darauf sank sein Kopf zur Seite. Nur eine pulsierende Ader an seinem Hals zeigte, dass er noch lebte.

Guy hätte nicht zu sagen gewusst, wie lange er an Daveys Seite ausgeharrt hatte, bis Hilfe kam. Der Himmel war inzwischen noch dunkler geworden, und der Regen hatte zugenommen. Hin und wieder fegte ein Windstoß über das Feld. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ohne dass irgendjemand auftauchte.

Dann endlich erschienen mehrere Männer mit einem Eselskarren. Vorsichtig hoben sie den Verletzten hoch und legte ihn auf den Wagen. In diesem Moment war Guy froh, dass Davey das Bewusstsein noch nicht zurückerlangt hatte. Bestimmt hätte sonst jede Bewegung seinem Freund beinahe unerträgliche Schmerzen bereitet.

Langsam machten alle sich auf den Weg zum alten Kloster. Guy führte Dark Girl und Herkules am Zügel. Als sie ihr Ziel endlich erreichten, war er – wohl auch infolge der Aufregung – völlig erschöpft.

Hinter mehreren Fenstern brannten Kerzen, was das Gebäude in der verregneten dunklen Nacht überaus einladend erscheinen ließ. Die Haustür stand offen, und ein Lichtstrahl fiel auf die steile Außentreppe. Jetzt trat eine Gestalt aus dem Haus. Eine Frau, deren Gesicht nicht zu erkennen war, weil sie das Licht im Rücken hatte. Offenbar hatte sie gehört, dass die Gruppe mit dem Verletzten sich näherte.

„Hier“, rief sie, während sie auf den Eselskarren zulief, „ich habe eine Decke mitgebracht. Legt den Verletzten darauf. Dann könnt ihr ihn leichter tragen.“

Darrington musterte sie schweigend. Sie schien daran gewöhnt zu sein, Befehle zu geben. Freundlich, aber bestimmt erteilte sie den Männern Anweisungen. Und Guy fand, dass sie alles richtig machte. Dann wurde er abgelenkt, weil ein Stallknecht herbeigelaufen kam, um ihm die beiden Pferde abzunehmen. Guy bat ihn, Dark Girl noch einmal auf mögliche Verletzungen zu untersuchen, und folgte dann den anderen ins Haus.

Sie durchquerten eine große Eingangshalle, stiegen eine breite Treppe hinauf und betraten schließlich ein kleines Zimmer, in dem ein Feuer im Kamin prasselte. Offenbar hatte man den Raum in aller Eile für den Verletzten vorbereitet.

Still zog Guy sich in eine Ecke zurück. Von dort aus beobachtete er, was weiter geschah. Die Frau – sie war jünger, als er zunächst angenommen hatte – sorgte dafür, dass Davey vorsichtig aufs Bett gelegt wurde. Ihr rotes Haar leuchtete im Schein des Feuers, sie bewegte sich anmutig und strahlte eine gewisse Selbstsicherheit aus. Das alles gefiel ihm. Doch am meisten beeindruckte ihn, wie ruhig und überlegt sie die Situation meisterte. Niemand hätte bezweifeln können, dass sie mit der Führung eines Haushalts und allen damit zusammenhängenden Pflichten vertraut war. Ob sie Lady Arabella, die Eigentümerin des ehemaligen Klosters, war?

Die Ankunft des Arztes riss ihn aus seinen Gedanken.

„Guten Abend, Mrs Forrester.“

Also war sie nicht Lady Arabella.

Der Doktor trat ans Bett, betrachtete Davey einen Moment lang und stellte dann fest: „Dies ist also der junge Mann, um den ich mich kümmern soll. Wenn ich es richtig verstanden habe, hatte er einen Reitunfall?“

„Ja.“ Guy trat aus dem Schatten. „Das Pferd hat ihn unter sich begraben.“

„Ah …“ Noch einmal musterte der Arzt den bewusstlosen Mann. Dann zog er sich rasch den Mantel aus. „Machen wir uns also an die Arbeit. Mrs Forrester, können Sie mir einen Ihrer Bediensteten als Hilfe hierlassen? Die anderen sollten jetzt gehen.“

„Ich werde hierbleiben und Ihnen helfen“, bot Guy an.

„Nein, Sie werden jetzt Ihre nasse Kleidung ausziehen und alles tun, um sich aufzuwärmen. Sonst gehören Sie auch bald zu meinen Patienten“, erklärte der Arzt ruhig, aber bestimmt.

„Martin“, sagte Mrs Forrester, „du bleibst hier.“ Mit der Hand bedeutete sie den anderen, dass sie den Raum verlassen sollten. „Ich danke euch allen. Geht jetzt in die Küche. Die Köchin hat heißen Punsch für euch vorbereitet.“

„Auch für mich?“, fragte Guy in einem Anflug von Humor.

„Nein.“ Ernst schaute sie ihn aus ihren großen dunklen Augen an. „Sie können sich im ehemaligen Refektorium am Kamin aufwärmen. Man wird Ihnen etwas Heißes zu trinken dorthin bringen. Kommen Sie!“

Er folgte ihr ins Erdgeschoss, wo sie die Tür zu einem riesigen Raum öffnete. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass der Arzt recht hatte. Er war nicht nur klatschnass, sondern er fror auch. Zum Glück befand sich an einem Ende des Saals ein riesiger offener Kamin, in dem ein Feuer prasselte. Rasch ging er darauf zu.

„Wer, um Himmels willen, sind Sie?“, fragte jemand. „Sie werden den Saal in einen See verwandeln.“

Guy fuhr herum und entdeckte eine alte Dame, die sich aus einem Sessel erhoben hatte und ihn aufmerksam musterte. Sie trug ein schwarzes Kleid und ein schwarzes Seidenhäubchen.

„Verzeihen Sie mein vermutlich ein wenig ungepflegtes Aussehen.“ Guy verbeugte sich. „Darf ich mich vorstellen? Darrington.“

„Der Earl of Darrington?“

„Jawohl, Madam.“ Er hörte, wie Mrs Forrester scharf Luft holte. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass er zum Adel gehörte.

„Sie werden sich den Tod holen, wenn Sie sich nicht bald etwas Trockenes anziehen“, verkündete die alte Dame.

„Aber Tilly und Martin sind …“

„Wenn die Dienstboten beschäftigt sind, musst du dich um den Earl kümmern, Elizabeth. Und zwar sofort!“

„Bitte, ich möchte keine Umstände machen“, fiel Guy ein. „Wenn ich mich hier am Feuer aufwär…“

Mrs Forrester unterbrach ihn. „Meine Großmutter hat recht. Kommen Sie, ich werde Ihnen etwas Trockenes zum Anziehen heraussuchen.“

Gehorsam folgte er ihr nach oben. Diesmal achtete er mehr auf seine Umgebung und kam zu dem Schluss, dass die Eingangshalle und das ehemalige Refektorium zweifellos zu dem ehemaligen Kloster gehörten, dass es aber auch einen neueren Bereich gab. Offenbar war das ursprüngliche Gebäude während der Tudor-Zeit umgebaut oder erweitert worden. Die Ausstattung der Räume beeindruckte ihn. Überall gab es kostbare alte Möbel und Gemälde. Auch fielen ihm einige Truhen auf, die vermutlich mit Familienschätzen gefüllt waren.

Jetzt öffnete Mrs Forrester die Tür zu einem gut geheizten kleinen Schlafzimmer. Sie nahm ein großes Handtuch von einem Ständer neben dem Waschtisch. „Trocknen Sie sich ab, Mylord, und legen Sie Ihre nasse Kleidung in den Flur. Ich werde dafür sorgen, dass sie gereinigt und getrocknet wird.“

Er konnte gerade noch Danke sagen, ehe sie schon wieder zur Tür hinaus war.

Es tat gut, aus den nassen Sachen zu schlüpfen und sich abzurubbeln.

Guy zuckte zusammen, als es klopfte. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spaltbreit und entdeckte ein Bündel Kleidung auf dem Fußboden. Es handelte sich um einen Morgenmantel aus feinster Wolle, der ihm ein wenig zu kurz war, aber wunderbar wärmte.

Wenig später klopfte es erneut.

„Ja?“

Es war Elizabeth Forrester, die ein Tablett trug. Statt es ihr abzunehmen, hielt er ihr die Tür auf, und sie stellte es auf dem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters ab.

„Meine Großmutter sähe es gern, dass Sie mit uns zu Abend speisen. Ich werde nachschauen, ob ich etwas Passendes zum Anziehen für Sie finde. Vorerst bringe ich Ihnen heißen Tee, etwas Brot und Käse sowie ein Glas Wein.“

„Vielen Dank.“ Er schloss die Tür. „Bitte, richten Sie Ihrer Großmutter aus, dass ich mich sehr geehrt fühle.“

Mrs Forrester ließ den Blick zwischen ihm und der geschlossenen Tür hin und her wandern und wirkte zum ersten Mal verunsichert.

„Können Sie mir sagen, wie es meinem Freund geht?“, fragte Guy. „Ich bin sehr in Sorge um ihn.“

„Dr. Compton ist noch bei ihm.“

„Ah …“ Er wandte sich dem Waschtisch zu. „Darf ich diesen Kamm benutzen? Er gehört Ihnen, nicht wahr. Rote Haare …“

Sie zögerte, nickte dann jedoch. Und er begann, sein noch immer feuchtes Haar zu kämmen.

„Sie haben mir also Ihr eigenes Schlafzimmer zur Verfügung gestellt?“

„Ja, alle anderen Räume waren nicht geheizt und …“ Ihre Stimme erstarb.

„Es mag unklug sein, einen fremden Mann in das eigene Zimmer zu lassen. Aber ich bin Ihnen außerordentlich dankbar. Hoffentlich hat Ihr Gatte nichts dagegen einzuwenden.“

„Er ist schon seit sechs Jahren tot.“

„Mein Beileid. Ist dies sein Morgenmantel?“ Er schaute an sich hinunter.

„Nein, er gehört meinem Bruder. Doch der hat ihn nie getragen, weil er ihm viel zu groß war.“ Sie machte einen zögernden Schritt in Richtung Tür.

„Bitte, bleiben Sie!“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich muss …“

„Sehen wir uns beim Supper?“

„Ja, sicher.“

„Gut.“ Er nickte ihr zu. „Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.“

Als sie an ihm vorbeiging, nahm er den feinen Geruch nach Limonen wahr, der ihrem Haar entströmte.

2. KAPITEL

Beth war es nur mit Mühe gelungen, die Fassung zu bewahren. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, als sie am ganzen Körper zu zittern begann. Ihre Knie wurden so weich, dass sie kaum aufrecht stehen konnte. Ein Stöhnen unterdrückend lehnte sie sich gegen die Wand.

Was, um Himmels willen, hatte sie sich nur dabei gedacht, ein Zimmer zu betreten, in dem ein beinahe nackter Mann sich aufhielt? Der weiche Stoff des Morgenmantels hatte ihn umhüllt wie eine zweite Haut. Seine breiten Schultern, die schmalen Hüften, die muskulösen Oberarme, die kräftigen Schenkel – alles war deutlich erkennbar gewesen. In dem Moment, da ihr klar geworden war, dass er ihr das Tablett nicht abnehmen würde, hätte sie es auf dem Fußboden abstellen sollen. Auf gar keinen Fall hätte sie sich in die Höhle des Löwen wagen dürfen. Schließlich kannte sie den Ruf des Earls. Zweifellos nannte man ihn nicht ohne Grund den gefährlichen Lord Darrington.

Plötzlich musste sie lachen. Die Höhle des Löwen, wahrhaftig! Der Earl hatte tatsächlich die Ausstrahlung eines edlen Raubtiers! Ein Schauer war ihr über den Rücken gelaufen, als sie beobachtete, wie er den Kamm durch sein feuchtes Haar zog. Ja, einen kurzen Moment lang hatte sie sich gewünscht, es wären ihre Finger, die mit diesen dunklen Locken spielten.

Schockiert darüber, wie heftig sie mit all ihren Sinnen auf diesen Fremden reagiert hatte, schloss Beth die Augen. War dies etwas, das allen Witwen passierte, wenn sie ein paar Jahre lang allein gelebt hatten? Sie vermochte es kaum zu glauben, denn die Zärtlichkeiten und die intimen Momente, die sie mit ihrem Gatten erlebt hatte, waren ihr nie besonders bedeutsam erschienen. Und doch hatte sie sich eben vorgestellt, dass der Earl sie in die Arme schließen und leidenschaftlich küssen würde.

Sie zwang sich, langsam und tief zu atmen, um sich zu beruhigen. Sie musste vernünftig sein! Dass der Earl sie so aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, hing gewiss nur damit zusammen, dass der ganze Abend so ungewöhnlich verlaufen war. Zu viel Aufregung! Ja, das war es wohl. Also würde sie sich jetzt zusammennehmen und beim Supper wieder ganz sie selbst sein.

„Sie haben also etwas gefunden, das Ihnen passt, Mylord.“ Lady Arabella, die ein ganz in Schwarz und Silber gehaltenes Kleid trug und sehr aufrecht in ihrem Sessel saß, wirkte überaus imposant.

Guy trat zu ihr und verbeugte sich. „Ja, ich hoffe, Sie sind mit meiner Erscheinung zufrieden, Mylady. Die bestickte Weste ist vielleicht etwas unpassend für ein Supper in Yorkshire. Aber ein Morgenmantel wäre wohl noch unpassender gewesen.“

Beth, die neben dem Sessel stand, fand, dass der Earl großartig aussah in der Weste, die farblich zu der blau gestreiften Hose und dem Gehrock aus dunkelblauem Samt passte. Allerdings war die Weste tatsächlich ein wenig auffällig. Sie war nicht nur mit gelben Blüten und grünen Blättern bestickt, sondern zudem mit winzigen rautenförmigen Glasplättchen verziert, die im Kerzenlicht blitzten.

Erst jetzt bemerkte Beth, dass die Kleidungsstücke nicht richtig passten. Über Brust und Schultern des Earls saßen sie sehr eng. Darringtons Bauch jedoch war so flach, dass man problemlos ein Kissen unter Rock und Weste hätte schieben können. Trotzdem hatte er natürlich recht: Alles war besser, als im Morgenmantel zum Supper zu erscheinen.

Sie hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen blitzten so spöttisch, dass Beth nicht eine Sekunde lang daran zweifelte, dass er ihre Gedanken erraten hatte. Heftig errötend schaute sie rasch zu Boden.

„Da kein Gentleman anwesend ist, der uns offiziell miteinander bekannt machen könnte, und da meine Enkelin anscheinend die Sprache verloren hat, werde ich mich selbst vorstellen“, verkündete Lady Arabella. „Ich bin Lady Arabella Wakeford, Witwe von Sir Horace Wakeford und Tochter des Marquess of Etonwood. Und dies …“, sie wartete, bis der Earl ihre Hand wieder freigab, nachdem er einen Kuss darauf gehaucht hatte, „… dies ist meine Enkelin Mrs Elizabeth Forrester.“

Er verbeugte sich. „Mrs Forrester!“

Beth knickste. Sie wusste nicht recht, ob sie enttäuscht oder erleichtert darüber war, dass er ihr nicht die Hand geküsst hatte.

Ihre Großmutter, der das natürlich nicht entgangen war, schien aus irgendeinem Grund erfreut darüber. „Beth“, erklärte sie, „ist schon seit ein paar Jahren verwitwet. Die Kleidung, die Sie tragen, Mylord, gehörte zur Garderobe ihres Gatten. Ich glaube, er hat sie damals anlässlich seiner Vorstellung bei Hofe ausgewählt.“

„Tatsächlich?“ Guy lächelte. „Es ist mir eine Ehre und eine Freude, heute sozusagen in seine Fußstapfen zu treten.“

Versucht er mit mir zu flirten? fragte sich Beth. Mit fester Stimme sagte sie: „Mir scheint, sie könnten ein wenig zu groß für Sie sein.“

Lady Arabella, der die Zweideutigkeit dieser Worte entgangen war, meinte: „Mr Forrester neigte zur Korpulenz. Daher sind diese Kleidungsstücke Ihnen zumindest an einigen Stellen wohl wirklich etwas zu groß, Lord Darrington.“

Dessen Augen blitzten amüsiert auf, während Beth am liebsten im Erdboden versunken wäre. Immerhin war es eine Erleichterung festzustellen, dass ihre Großmutter völlig unbefangen fortfuhr: „Ich habe gesehen, wie Sie vor Kurzem das Zimmer Ihres verletzten Freundes verließen. Wie geht es ihm?“

„Dr. Compton hat ihm ein Schlafmittel gegeben, das sehr rasch gewirkt hat. Wie der Arzt mir sagte, sind einige Rippen sowie das rechte Bein gebrochen. Das wird heilen. Doch was mir Sorgen bereitet, ist das Fieber, unter dem er leidet.“

„Ich persönlich bin sehr erleichtert, dass Dr. Compton keine schlechteren Nachrichten hatte. Er ist ein hervorragender Arzt, dem ich voll und ganz vertraue“, erklärte Beth.

„Er hat den Bruch sehr gut gerichtet. Allerdings fürchte ich, dass es noch eine Weile dauern wird, bis wir Mr Davies guten Gewissens nach Hause bringen können. Er …“ Die Tür wurde geöffnet, und Guy brach mitten im Satz ab.

„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, Großmama.“ Die Stimme der jungen Dame klang angenehm melodisch. „Über all der Aufregung hat niemand daran gedacht, die Eier einzusammeln. Deshalb habe ich der Köchin angeboten, das zu übernehmen. Dabei habe ich mein Kleid schmutzig gemacht, sodass ich mich noch einmal umziehen musste.“

„Sophie!“ Beth trat einen Schritt nach vorn. „Ich möchte dich dem Earl of Darrington vorstellen. Mylord, dies ist meine Schwester Sophie.“

Sophie knickste, und Guy verbeugte sich.

Erleichtert stellte Beth fest, dass die beiden nur wenig Interesse aneinander zeigten. Sie fand, dass ihre Schwester sehr hübsch war. Jeder schien von ihr hingerissen zu sein. Aber sie war erst achtzehn, hatte noch keine Saison in London erlebt und war auch ansonsten nicht sehr erfahren im Umgang mit gut aussehenden Gentlemen. Gerade deshalb fürchtete Beth, Sophie könne sich Hals über Kopf in den als gefährlich bekannten Lord Darrington verlieben.

Doch Sophie erkundigte sich nur höflich nach dem Befinden des Verletzten und meinte dann mit einem ein wenig spöttischen Blick auf die reich bestickte Weste, die der Earl trug: „Ich wünschte, meine Schwester hätte nicht nur diese Kleidungsstücke ihres Gatten aufgehoben.“

Guy lachte. „Ich hätte auch die Uniform eines Lakaien angezogen, wenn sie mir gepasst hätte. Denn die Alternative wäre gewesen, in meinem Zimmer zu bleiben, solange meine eigene Kleidung noch nass ist.“

Beth starrte ihn einen Moment lang an. Das Lachen schien ihn vollkommen zu verwandeln. Ein heißer Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Rasch wandte sie den Blick ab.

„Ich persönlich bedauere es, dass man so aufwendig gearbeitete Kleidungsstücke nur noch selten sieht“, erklärte Lady Arabella. „Natürlich wäre etwas Einfacheres bequemer gewesen. Hättest du dem Earl nicht etwas von Simon geben können, Beth?“

„Die Sachen hätten ihm nicht gepasst, Großmama.“

Guy hob fragend die Augenbrauen.

„Mein Bruder“, erläuterte Beth.

Und Lady Arabella fügte hinzu: „Er ist vor mehr als einem Jahr gestorben.“

„Mein Beileid. War er …?“

Beth wechselte hastig das Thema. „Wollen wir nicht hineingehen? Das Supper ist bereit.“

Sogleich bot der Earl Lady Arabella den Arm.

„Wir halten uns nicht an die in London üblichen Zeiten“, meinte diese. „Wir dinieren früh und lassen das Supper nicht erst um Mitternacht servieren.“

„Wenn man einen Ball besucht, ist es sinnvoll, spät zu essen, Großmama“, sagte Sophie, als alle am Tisch Platz genommen hatten. „Aber hier? Ach, ich freue mich so auf meinen ersten Ball!“ Sie lächelte den Earl an. „Beth wird mich in der nächsten Saison nach London begleiten.“

„Halten Sie sich oft in London auf, Mrs Forrester?“, erkundigte er sich.

Sie schüttelte den Kopf.

„Sie verlässt Malpass eigentlich nur, um ihre Freundin in Ripon zu besuchen“, berichtete Sophie. „Aber sie hat versprochen, mich in die Gesellschaft einzuführen, wenn sie erst mit Mr Radworth verheiratet ist.“

„Sophie!“ Beth legte ihre Gabel mit einer so heftigen Bewegung auf den Tisch, dass es klirrte. „Das interessiert Lord Darrington bestimmt nicht.“

„Es ist kein Geheimnis, dass du eine Übereinkunft mit Miles Radworth hast, Beth. Kennen Sie ihn, Mylord?“

„Nein, Madam.“

„Sein Besitz liegt in Somerset. Aber seit einiger Zeit hat er ein Haus in Fentonby gemietet. Er war es, der uns die Nachricht vom Tod meines Enkels überbrachte.“ Die Augen der alten Dame hatten sich plötzlich mit Tränen gefüllt.

Es wurde sehr still im Raum. Nur das Knistern der brennenden Holzscheite im Kamin war zu hören. Dann erschien der Butler, um die Weingläser zu füllen.

Lady Arabella hob den Kopf und fuhr fort: „Mein Enkel ist bei einem Schiffsunglück ertrunken. Er befand sich auf seiner ‚Großen Tour‘. Wir sind Mr Radworth sehr dankbar dafür, dass er den weiten Weg auf sich genommen hat, um uns zu informieren.“

„Und dann hat er Beth gesehen und sich sofort unsterblich in sie verliebt“, verkündete Sophie.

„Tatsächlich?“ Guy schaute Beth an.

„Die beiden werden bald heiraten.“ Sophie strahlte.

„Herzlichen Glückwunsch, Mrs Forrester.“

„Danke.“ Beth hielt den Blick gesenkt.

„Sie, Mylord, und Ihr Freund wohnen nicht in der Nähe?“, wechselte Lady Arabella das Thema.

„Nun, Mr Davies besitzt einen Jagdsitz in Highridge, wo ich seit einiger Zeit zu Gast bin.“

„Bis Ihr Freund wieder gesund genug ist, um nach Highridge zurückzukehren, können Sie gern hierbleiben“, bot Lady Arabella großzügig an.

„Nein!“, entfuhr es Beth. Sie errötete und setzte ruhiger hinzu: „Ich denke, für Lord Darrington besteht keine Veranlassung, hier zu bleiben. Wir werden uns gut um Mr Davies kümmern.“

„Ich würde meinen Freund nur ungern allein lassen.“

„Glauben Sie nicht, dass Sie es in Highridge bequemer hätten? Sie könnten täglich herüber reiten, um nach Mr Davies zu sehen.“

„Unsinn“, warf Lady Arabella ein, „es sind mehr als fünf Meilen bis Highridge. Ich werde ein Gästezimmer für Sie herrichten lassen, Lord Darrington.“

„Aber …“ Beth war blass geworden. „Wir haben nur wenig Personal. Und der Earl ist gewiss daran gewöhnt …“

„Ich bin ein leicht zufriedenzustellender Mensch“, erklärte Guy mit sanfter Stimme.

In seinen Augen glaubte Beth ein amüsiertes Glitzern zu erkennen. Da es sie erzürnte, sagte sie heftiger als beabsichtigt: „Ein Kranker im Haus macht schon genug Arbeit, auch ohne dass man sich noch um andere Gäste kümmern muss.“

„Wenn es Ihnen recht ist, werde ich eine Botschaft nach Highridge schicken und Davies’ Kammerdiener bitten, hierher zu kommen. Er gilt als geschickter Krankenpfleger und kann auch mir hin und wieder zur Hand gehen, wenn ich tatsächlich Hilfe benötige.“

„Das ist eine gute Idee“, lobte Lady Arabella. „Möchten Sie auch Ihren eigenen Kammerdiener hier haben? Wir können ihn sicher irgendwo unterbringen.“ Dann wandte sie sich an ihre Enkelin. „Du benimmst dich merkwürdig, Elizabeth. Als wüsstest du nicht, dass heute alles nur deshalb ein wenig schwierig ist, weil wir einigen der Bediensteten freigegeben haben, um zum Markt zu gehen.“

„Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Madam“, sagte Guy, „werde ich meinen Pferdeknecht Holt herbestellen. Meinen eigenen Kammerdiener brauche ich nicht. Ich könnte ihn allerdings bitten, ein paar Dinge für mich zusammenzupacken und sie Peters – das ist Mr Davies’ Diener – mitzugeben.“

„Damit bin ich durchaus einverstanden“, gab Lady Arabella zurück. „Ich denke, als Tochter eines Marquess weiß ich, wie man Gäste unterhält und bewirtet.“

Das galt Beth, die in diesem Moment begriff, dass jeder weitere Widerstand zwecklos war. „Natürlich, Großmama“, murmelte sie.

Guy warf ihr einen kurzen Blick zu, sagte jedoch nichts. Seine Gedanken kreisten allerdings um sie und ihr seltsames Verhalten. Auch als die Damen das Speisezimmer verlassen hatten, damit er in Ruhe ein Glas Brandy trinken konnte, dachte er unentwegt an Beth Forrester. Warum wollte sie nicht, dass er blieb? Wusste sie um seinen zweifelhaften Ruf? Oder hatte er sie ernstlich verärgert, obwohl er sie doch nur ein wenig hatte necken wollen? Sicher, es war nicht richtig gewesen, die Tür zu schließen, als sie zu ihm ins Schlafzimmer gekommen war. Aber schließlich war sie kein unerfahrenes junges Mädchen, sondern eine verwitwete Frau.

Nun, vielleicht würde es am besten sein, sich bei ihr zu entschuldigen. Schließlich wollte er in der Nähe seines Freundes bleiben, solange es diesem nicht gut ging.

Er leerte sein Glas und begab sich in den Salon, wo er enttäuscht feststellte, dass nur Lady Arabella auf ihn wartete. Ihre Enkelinnen hatten sich bereits zurückgezogen. Sie hielt ihm mit einer wahrhaft majestätischen Geste die Hand zum Kuss hin und wünschte ihm eine gute Nacht. „Martin wird Sie zu Ihrem Zimmer führen, Lord Darrington.“

Er war entlassen.

3. KAPITEL

Guy schaute sich aufmerksam um. Der Bedienstete schien ihn nicht zu einem der Gästezimmer gebracht zu haben, sondern zum Schlafzimmer eines Gentleman.

„Hat Mr Forrester hier geschlafen?“, erkundigte der Earl sich.

„Nein“, gab Martin zurück, „es ist Mr Simons Zimmer. Lady Arabella will nicht, dass was verändert wird. Obwohl der junge Herr ja tot ist. Im Schrank sind noch seine Sachen. Die passen Ihnen aber nicht, Euer Lordschaft. Mr Simon war viel kleiner als Sie. Deshalb hat Mrs Forrester ein Nachthemd von ihrem Gatten für Sie rausgelegt. Morgen können Sie wieder Ihre eigenen Sachen anziehen, soll ich Ihnen sagen.“

Guy nickte und entließ den Diener. Er zog den Rock aus und hängte ihn über eine Stuhllehne. Es war unangenehm gewesen, ein in den Schultern zu enges Kleidungsstück zu tragen.

Dann warf er einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. Weit vor Mitternacht! Kein Wunder, dass er sich trotz all der Aufregung noch nicht müde fühlte. Nun, er konnte die Zeit nutzen, um seine Umgebung ein wenig zu erforschen.

An der Wand hingen Gemälde von Pferden und Jagdszenen. In einem Regal standen ein paar Bücher. Alles wirkte so, als sei der Bewohner des Zimmers nur kurz hinausgegangen und würde jeden Moment zurückerwartet. Eine Ausnahme bildete lediglich der Waschtisch. Dort gab es weder Bürste noch Rasiermesser und auch sonst nichts von dem, was ein Gentleman normalerweise benötigte. Vermutlich hatte Simon Wakeford all diese Dinge mitgenommen auf die Reise. Sie mussten mit ihm im Meer versunken sein.

Guy empfand ehrliches Mitgefühl für Lady Arabella und ihre Enkelinnen. Sein eigener Bruder Nick fuhr zur See, und tatsächlich hatte er sich schon oft Sorgen seinetwegen gemacht. Er konnte sich vorstellen, wie schmerzhaft es war, einen geliebten Menschen zu verlieren. Für Mrs Forrester musste es besonders schlimm sein, denn sie war verwitwet und trug nun die Verantwortung für ihre Schwester und ihre Großmutter.

Andererseits, überlegte er, geht mich das alles nichts an; sie hat mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass ich hier nur geduldet bin; warum also sollte ich meine Sympathie an sie verschwenden?

Er begann die Weste aufzuknöpfen, hielt aber inne, als er einen leisen Schrei hörte. Besorgt runzelte er die Stirn. Ehe er zu Bett ging, sollte er wohl noch einmal nach Davey schauen und sich davon überzeugen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut ging. Er nahm den Kerzenleuchter vom Nachttisch und trat in den Flur hinaus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die geliehenen Schuhe bereits ausgezogen hatte. Nun, sie waren sowieso zu groß. Deshalb hätte er nicht leise in ihnen gehen können. Auf Strümpfen würde er zumindest niemanden stören. Und er hatte ja nicht vor, das Haus zu verlassen.

Wenig später stand er vor Daveys Zimmer. Durch eine Ritze unter der Tür fiel ein schwacher Lichtstrahl. Guy trat ein, ohne anzuklopfen. Auf dem Nachttisch stand eine Lampe, deren Docht so weit heruntergedreht war, dass nur die nächste Umgebung beleuchtet wurde und die Ecken des Raumes im Schatten lagen.

Eine Bewegung in der Nähe des offenen Kamins, in dem ein paar Holzscheite brannten, zog seine Aufmerksamkeit auf sich.

„Mrs Forrester!“

Sie sprang erschrocken auf. Der Schein des Feuers fing sich in ihrem roten Haar und ließ es aufleuchten. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.

„Ich habe einen Schrei gehört und wollte nachsehen, ob es womöglich Mr Davies war“, meinte er entschuldigend. Er betrachtete seinen Freund, der reglos dalag. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein Ausdruck von Angst über Beth Forresters Gesicht huschte.

Sie machte einen Schritt in Richtung Tür, besann sich dann jedoch anders. „Mr Davies hat keinen Laut von sich gegeben, seit ich hier bin. Vielleicht haben Sie einen Pfau schreien hören oder irgendein Tier, das im Dunkeln auf Jagd geht. Auf dem Lande ist die Nacht voll von geheimnisvollen Geräuschen.“

„Ja, das stimmt.“ Er nickte nachdenklich. „Darf ich fragen, warum Sie hier sind, Mrs Forrester?“

„Dr. Compton meinte, es wäre gut, wenn jemand bei Ihrem Freund wachen würde.“

„Dabei hat er bestimmt nicht an Sie gedacht, Madam.“

Sie setzte sich wieder. „Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass Mr Davies alles hat, was er benötigt. Außerdem brauchen die Dienstboten ihre Nachtruhe, wenn sie morgen all ihre Pflichten gut erfüllen sollen.“

„Und Sie können einfach auf Ihre Nachtruhe verzichten?“ Er stellte den Leuchter auf dem Kaminsims an und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder Davey zu. „Glauben Sie, dass mit ihm alles in Ordnung ist?“

„Ab und zu wird er ein bisschen unruhig. Aber bisher ist er nicht aufgewacht. Tatsächlich wurde ich müde davon, ihm beim Schlafen zuzuschauen.“

„Vielleicht kann meine Gesellschaft Sie wieder munter machen?“, meinte er mit einem Anflug von Humor. „Ist es Ihnen recht, wenn ich ein bisschen hier bleibe?“

„Eigentlich nicht. Ich meine …“ Schon wieder war es ihm gelungen, sie zu verunsichern! Hatte er ihre Worte etwa so gedeutet, als bitte sie ihn, ihr Gesellschaft zu leisten?

Guy begriff sogleich, warum sie mitten im Satz abgebrochen hatte. Lächelnd sagte er: „Die Zeit vergeht schneller, wenn man jemanden hat, mit dem man sich unterhalten kann.“

„Ja“, murmelte sie.

Dann bemerkte er, dass sie seine Füße musterte. „Ich wollte nicht alle aufwecken, indem ich mit den Schuhen Ihres Gatten durchs Haus poltere“, erklärte er.

„Sie waren sehr leise. Ich jedenfalls habe Sie nicht gehört, obwohl es in diesem Haus aufgrund seines Alters jede Menge knarrende Dielenbretter und quietschende Türen gibt.“

„Ja, das ist mir aufgefallen, als Martin mich zu meinem Zimmer geführt hat. Alte Gemäuer sind des Nachts oft von seltsamen, geradezu unheimlichen Lauten erfüllt. Kein Wunder, dass manche Menschen glauben, es spuke in ihnen.“

„Dabei ist es nur der Wind, der an den Fensterläden und Türen rappelt und heulend ums Haus streicht“, setzte Beth hinzu. Man hätte fast meinen können, sie sei froh, natürliche Erklärungen für alle möglichen geheimnisvollen Geräusche geben zu können. „Wir hatten schon Gäste, die fest davon überzeugt waren, in Malpass Priory ginge ein Geist um. Angeblich hatten sie Stimmen gehört und nebelhafte Gestalten gesehen. Absurd, nicht wahr? Ich hoffe, Mylord, dass Sie sich nicht beunruhigen lassen und in Zukunft einfach im Bett bleiben, wenn Sie irgendwelche Laute hören.“

„Das werde ich tun“, versprach er.

Schweigen senkte sich über den Raum, und es verging einige Zeit, ehe Guy erneut das Wort ergriff. „Es ist mir sehr lieb, Mrs Forrester, dass ich Gelegenheit habe, mit Ihnen zu sprechen. Ich bedaure aufrichtig, dass mein Freund und ich Ihnen so viel zusätzliche Arbeit bereiten.“

„Bitte, machen Sie sich deshalb keine Gedanken!“

„Nun, offensichtlich wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn ich nach Highridge zurückgekehrt wäre.“

Beth errötete. „Ich wollte nicht unhöflich sein. Verzeihen Sie mir!“

Autor

Sarah Mallory
<p>Schon immer hat die in Bristol geborene Sarah Mallory gern Geschichten erzählt. Es begann damit, dass sie ihre Schulkameradinnen in den Pausen mit abenteuerlichen Storys unterhielt. Mit 16 ging sie von der Schule ab und arbeitete bei den unterschiedlichsten Firmen. Sara heiratete mit 19, und nach der Geburt ihrer Tochter...
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