Der heißblütige Herzensdieb

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Ein riskantes Doppelspiel: Getarnt als Go-go-Tänzerin, soll die junge Detektivin Darcy Cawson herausfinden, wer auf dem exklusiven Partyschiff des Clubbetreibers Manuel López die Passagiere bestiehlt. Aber kaum sticht die „Euforia“ in See, beginnt es heiß zwischen der sexy Tänzerin und Manuel zu knistern. Immer unbezähmbarer brennt das Verlangen zwischen ihnen, bis Darcy in seinen Armen schwach wird. Dabei beschleicht sie bei ihren Ermittlungen ein schrecklicher Verdacht: Steckt etwa ihr Traummann höchstpersönlich hinter den Diebstählen an Bord?


  • Erscheinungstag 09.07.2024
  • Bandnummer 142024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524858
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Tut mir leid, aber ohne Passierschein kann ich Sie beim besten Willen nicht durchlassen, Señora.“ Der Mann in der dunkelblauen Uniform des Sicherheitsdienstes der Marina Port Ibiza schüttelte den Kopf. „Ich sagte Ihnen ja bereits, Sie müssen mit der Agentur, die Sie geschickt hat, Kontakt aufnehmen und sich die notwendigen Dokumente schicken lassen.“

„Und ich erklärte Ihnen bereits, dass ich nicht von einer Agentur geschickt wurde, sondern von Mara Luz López, der Miteignerin der Jacht.“ Darcy Cawson stemmte die Hände in die Seiten. „Und ich habe keinen Passierschein, weil niemand gewusst hat, dass ich einen brauchen werde.“

„Warum rufen Sie Señora Luz dann nicht einfach an und besorgen sich die Dokumente von ihr? Damit wären alle Probleme mit einem Schlag gelöst.“

„Señora López ist nur leider gerade nicht erreichbar, wie ich Ihnen ebenfalls bereits mitteilte.“

Darcy fühlte sich wie auf heißen Kohlen. Señora López hatte ihr gesagt, dass sie sich spätestens um halb zwölf an Bord der Euforia melden musste, weil die Motorjacht ansonsten ohne sie auslaufen würde. Eine Tänzerin mehr oder weniger, wen kümmerte das schon? Aber jede Verzögerung im Hafen kostete Geld. Und außer Señora López wusste niemand, warum sie wirklich engagiert worden war. Selbst ihren Bruder hatte ihre Auftraggeberin nicht informiert.

Um zu tanzen, sicher. Ihr Background als Tänzerin war der Grund, warum sie für diesen Job ausgewählt worden war. Denn nur weil sie nach ihrer Knieverletzung nicht mehr professional als Tänzerin arbeiten konnte, bedeutete das nicht, dass sie ihr Handwerkszeug verlernt hatte. Oder dass sie nicht ein paar Wochen auf einer Partyjacht, die durch das Mittelmeer cruiste, ein bisschen zu heißen Beats mit dem Hintern wackeln konnte.

Nein, das war unfair. Go-go-Tänzerinnen machten sehr viel mehr als das. Es gab in der Regel keine festen Choreografien, keine vorausgewählte Musik. Pure Improvisation, keine Regeln, keine Beschränkungen. Alles, was zählte, war, die Gäste auf die Tanzfläche zu locken und für Stimmung zu sorgen. Und das war nicht immer so leicht, wie es sich vielleicht anhören mochte. Zudem gab es auch feste Auftritte, in denen sie zusammen mit anderen Tänzern ein Showprogramm aufführen würde. Und nach allem, was man hörte, hatten die es durchaus in sich.

Darcy war in klassischem Ballett und Contemporary Dance ausgebildet worden und war gut darin, zu improvisieren. Sie zweifelte nicht daran, dass sie in ihrer vorübergehenden Rolle überzeugen konnte.

Immerhin war sie ein Profi.

Gewesen.

Jetzt ging sie einem etwas anderen Beruf nach. Und wenn das so bleiben sollte, dann musste sie zumindest erst einmal an Bord gelangen. Und das gestaltete sich als weitaus schwieriger als ursprünglich angenommen.

Komm schon, Darcy, denk nach! Denk nach!

Lautes Lachen und Schritte, die sich näherten. Darcy blickte sich um. Eine größere Gruppe kam den Steg hinunter auf sie zu, redend und lachend. Junge Männer und Frauen, die sich in einer Sprache unterhielten, die Darcy nicht verstand. Es klang osteuropäisch. Die Frauen hatten die Köpfe zusammengesteckt und tuschelten leise miteinander, während sich die Männer schubsten und spielerisch in den Schwitzkasten nahmen. Es sah so aus, als würden sie gerade von einer Party oder einem Besuch im Club kommen, übernächtigt, aber bester Dinge. Und während der Sicherheitsmann sich um die Neuankömmlinge kümmerte, witterte Darcy ihre Chance, schnappte sich den Griff ihres Trolleys und schlich sich geduckt am Sicherheits-Checkpoint vorbei.

Jeden Moment rechnete sie damit, dass der muskelbepackte Türsteher sie zurückrufen oder ihr nachlaufen würde. Doch irgendwie schaffte sie es, unbemerkt zu bleiben.

Schließlich, als sie mehrere Hundert Meter zwischen sich und den Checkpoint gebracht hatte, wagte sie es, innezuhalten, um zu verschnaufen.

Geschafft.

Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Der Geruch von Salzwasser, vermischt mit einem Hauch von Seetang, stieg ihr in die Nase. Einen Moment lang gestattete sie es sich, einfach nur den Wind zu genießen, der mit ihren kupferroten Locken spielte. Doch dann straffte sie die Schultern. Sie hatte keine Zeit zu verlieren!

Die Euforia lag nicht direkt im Jachthafen von Ibiza-Stadt, denn dazu war sie schlicht und einfach zu groß. Sie lag ein Stück außerhalb im offenen Meer, und ein Shuttleboot würde sie dorthin bringen.

Sie fragte zwei Männer, die auf einer mittelgroßen Jacht saßen und sich von der Sonne bräunen ließen, nach dem Weg zum Shuttleanleger. Zum Glück war es nicht besonders weit, sodass sie, ihren Trolley hinter sich herziehend, nur knapp fünf Minuten brauchte.

Es standen schon zwei Frauen und ein Mann auf dem Steg, die sich bereits zu kennen schienen. Sie unterhielten sich jedenfalls so angeregt miteinander, dass es eine Weile dauerte, bis sie sie bemerkten. Dann schauten sie in ihre Richtung, und Darcy spürte die abschätzenden Blicke, mit denen die anderen sie von oben bis unten musterten.

Sie wusste genau, wonach sie suchten. Nach ihren Schwachstellen und ihren Stärken. Nach Dingen, die sich notfalls nutzen ließen, um die eigene Position zu behaupten. Darcy war praktisch in der Tanzszene aufgewachsen. Sie wusste nur zu gut, dass dort mit harten Bandagen gekämpft wurde. Jeder war sich selbst der Nächste. Und das war unter Go-go-Girls und Go-go-Boys mit Sicherheit auch nicht anders.

Mit einem selbstsicheren Lächeln trat sie auf die kleine Gruppe zu. „Hallo“, sagte sie. „Ich bin Darcy. Ihr arbeitet auch auf der Euforia?“

Eine der Frauen, eine hübsche Dunkelhaarige, schlank mit Rundungen, bei denen sie bei keinem ernst zu nehmenden Ballettensemble eine Chance gehabt hätte, musterte Darcy skeptisch, bevor sie antwortete. „Ja, wir sind Mitglieder der Tanztruppe. Ich bin Alina, und das hier sind Valeria und Andrei.“ Sie deutete auf die beiden anderen, die sie begleiteten. „Wir kommen gerade von unserem Landgang zurück. Du bist neu?“

Darcy, der die subtile Spannung, die in der Luft lag, nicht entging, zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. „Ja, ist heute mein erster Tag. Ihr seid schon länger dabei? Wie ist das Arbeitsklima denn so?“

„Du stellst wirklich eine Menge Fragen“, sagte Valeria, eine Rothaarige mit einer auffälligen Tätowierung in Form einer Rosenranke am Arm. „Aber ja, wir sind schon vom ersten Tag an dabei.“ Sie ließ unter den Tisch fallen, dass dieser „erste Tag“ gerade einmal etwas mehr als zwei Monate zurücklag, doch Darcy ließ diesen Umstand unkommentiert. „Du bist vermutlich der Ersatz für Lydia. Die hat es einfach nicht gebracht. Man kann nur hoffen, dass du dich besser anstellst.“

„Nun, du siehst auf jeden Fall schon mal aus wie eine Tänzerin“, stellte Andrei, der sein Haar kurz geschoren trug, fest. „Was hast du vorher gemacht?“

„Ach, verschiedene Dinge“, entgegnete Darcy ausweichend. „Vor allem Modern Dance und Ballett.“

„Du hast also gar keine Erfahrung im Clubbereich?“, fragte Valeria stirnrunzelnd.

Bevor Darcy etwas entgegnen konnte, hörten sie das Motorboot, das sich dem Steg mit hoher Geschwindigkeit näherte. Weniger als zehn Minuten später befanden sie sich auf dem Weg zur Euforia.

Die Jacht.

Darcy blickte zurück und beobachtete, wie der Hafen hinter ihr zurückblieb. Die weißen Luxusjachten in allen Größen lagen nebeneinander im klaren türkisblauen Wasser wie die Perlen einer Kette. Es war ein eindrucksvoller Anblick. Dahinter erstreckten sich die Küste mit Hotels und im Hintergrund die Berge, die sich majestätisch gegen den makellos blauen Himmel abzeichneten. Die massiven Mauern der Dalt Vila ragten majestätisch in den strahlend blauen Himmel empor. Die engen, gepflasterten Gassen wanden sich wie ein Labyrinth durch die Stadt, durchzogen von charmanten weiß getünchten Häusern. Blumenkästen schmückten die Fensterbretter. Hoch über allem thronte die Catedral de Santa María de los Neus, majestätisch und erhaben.

Schließlich drehte sie sich um und sah zu der Jacht, auf der sie die kommenden Wochen verbringen würde, bis sie am Ende wieder in Marbella vor Anker gingen, und sie atmete scharf ein. Aus der Nähe betrachtet war sie sogar noch eindrucksvoller, noch überwältigender als vom Hafen aus oder von den Fotos, die sie im Internet gesehen hatte.

Sie war riesig.

Anders als die meisten Jachten im Hafen war sie nicht einfach nur weiß, sondern zweifarbig. Der untere Teil des Rumpfes war in einem stumpfen Schwarz gestrichen, und auch im oberen Bereich gab es immer wieder schwarze Akzente.

Die Jacht verfügte über mehrere Decks, die sich stufenweise nach oben erstreckten. Durch große Fenster auf den Seiten konnte Darcy einen ersten Eindruck vom Inneren erahnen.

Klare Linien und Formen dominierten, alles wirkte elegant und schick und unglaublich luxuriös. Sie konnte die Gäste sehen, die an Deck standen, auf Loungesesseln saßen oder in exklusive Bademode gekleidet in das kühle Nass des Pools eintauchten.

Kaum zu glauben, dass auf so einer Jacht ein Krimineller sein Unwesen trieb. Doch genau wegen dem war Darcy hier. Offiziell war sie die neue Tänzerin, die abends auf der Tanzfläche für Stimmung sorgte. Doch in Wahrheit war sie auf der Suche nach einen Juwelendieb.

Und sie würde ihn erwischen, selbst wenn es das Letzte war, was sie tat. Denn sie brauchte diese Chance. Sie brauchte sie wirklich dringend.

Um die kleine Detektei, die sie aufgemacht hatte, nachdem ihre Tanzkarriere ein so jähes Ende gefunden hatte, stand es nicht besonders gut. Was sie wirklich benötigte, war positive Publicity. Und falls sie es schaffte, diesen Fall zu lösen, war ihr die so gut wie garantiert.

Nein, nicht falls. Es würde ihr auf jeden Fall gelingen.

Es war nur eine Frage der Zeit.

„Was soll das heißen, Sie können da nichts machen?“ Manuel López wechselte sein Handy vom rechten an das linke Ohr. „Sie sind doch die Polizei, oder etwa nicht? Ja, mir ist klar, dass unser nächster Hafen in Frankreich liegt und daher außerhalb Ihres Zuständigkeitsgebiets. Aber gibt es für so etwas nicht irgendwelche anderen Behörden? Interpol vielleicht? Ja, ich verstehe. Ich … Ja. Vielen Dank für gar nichts.“

Er beendete das Gespräch und steckte das Telefon zurück in die Hosentasche, bevor er sich frustriert seufzend mit einer Hand durchs Haar fuhr.

Das darf doch alles nicht mehr wahr sein!

Dabei hatte anfangs alles so gut ausgesehen. Die Euforia war eine Perle unter den Clubjachten, von denen einige das Mittelmeer durchkreuzten. Doch ihr Konzept war anders. Alles war darauf ausgerichtet, eine Elite-Klientel anzuziehen. Die Reichen und Schönen, den Jetset, die oberen Zehntausend.

In diesem Sinne war sie sogar noch exklusiver als der Club Aventura in Marbella, den Manuel gemeinsam mit seinem Bruder Ramiro und seiner Halbschwester Mara Luz führte. Und genau so hatte Manuel es sich auch vorgestellt. Er hatte zwei Jahre damit verbracht, alles genauestens zu planen, von der Einrichtung der einzelnen Suiten, über die eigentlichen Club-Räume, die Bar und den Außenbereich, bis hin zum großen, türkisfarben im mediterranen Sonnenschein funkelnden Pool.

Er hatte nichts, wirklich gar nichts dem Zufall überlassen und getan, was er konnte, um die Euforia zu dem Erfolg zu machen. Um zu beweisen, dass er auch aus eigener Kraft dazu in der Lage war, etwas aufzubauen, und nicht nur, wenn sein älterer Bruder ihn dabei unterstützte.

Nicht, dass Ramiro ihm je das Gefühl gegeben hätte, unzulänglich zu sein. Ganz im Gegenteil sogar. Sein Bruder hatte stets ganz klargemacht, dass sie beide gleichwertige Partner waren. Alle Entscheidungen wurden gemeinsam getroffen, ganz egal, worum es auch ging. Und auch ihr Vater hatte zu seinen Lebzeiten nie einen Unterschied zwischen seinen Söhnen gemacht. Und Ramiro und er hatten den Club Aventura gemeinsam zu dem gemacht, was er heute war. Aus dem kleinen Jazzclub ihres Vaters war ein Treffpunkt für die Reichen und Schönen geworden. Das hatten sie zusammen auf die Beine gestellt.

Und natürlich hatten sie auch über die Finanzierung der Euforia gemeinsam entschieden, denn, ob es Manuel nun gefiel oder nicht, komplett allein hätte er das Projekt niemals stemmen können. Dennoch war es sein „Baby“, und er regelte so viele Dinge wie irgend möglich persönlich. Er war weit mehr als nur der Mitinhaber der Clubjacht. Er war Showmanager, oberster Küchenchef und Hoteldirektor in einer Person. Es war seine Idee gewesen, seine Planung, und wenn jetzt etwas schiefging, dann würde es seine Schuld sein.

Aber alles war vor zwei Monaten gut angelaufen. Es mangelte nicht an Anfragen, und das erste Feedback war durchweg positiv gewesen; den ausgewählten Gästen, die sich den Eintritt zu einem der exklusiven Clubabenden überhaupt leisten konnten, schien es zu gefallen.

Grundsätzlich war die Euforia nichts für den schmalen Geldbeutel, ganz gleich, ob man nun einen Teilabschnitt buchte, die gesamte Rundreise mitmachte oder lediglich für einen Abend zum Feiern an Bord kam.

Die meisten Gäste gehörten zur letzten Kategorie, nur sehr wenige blieben bis zur Rückkehr in den Heimathafen an Bord. Dennoch waren sämtliche Kabinen ausgebucht, denn es stiegen immer wieder Gäste aus oder zu.

Es würde noch dauern, bis sie wirklich anfingen, Profit zu erwirtschaften. Immerhin waren die Kosten für den Umbau nicht unerheblich gewesen. Doch das war vollkommen normal und wirklich kein Grund zur Besorgnis, denn die Jacht war schon jetzt bis weit ins nächste Jahr hinein ausgebucht.

Wenn allerdings herauskam, dass ein Juwelendieb an Bord sein Unwesen trieb, konnte sich das ganz schnell ändern. Es hatte mittlerweile bereits drei Vorfälle gegeben, bei denen wertvoller Schmuck „abhandengekommen“ war. Beim ersten Mal hatte Manuel den Verdacht gehabt, dass der Gast – die reiche Geliebte eines Scheichs – ihr kostbares Diadem vielleicht einfach nur verlegt hatte. Solche Dinge passierten auch den Reichen und Schönen, und ihr vermögender Gönner schien diese Möglichkeit ebenfalls in Betracht gezogen zu haben. Ganz davon abgesehen hatte ihm der Verlust eines Schmuckstücks im Wert von über zehntausend Euro kaum ein Wimpernzucken entlockt. Er hatte einfach seine Kreditkarte gezückt und empfohlen, seine Begleiterin solle sich auf seine Kosten doch einfach ein neues Spielzeug aussuchen.

Beim zweiten Mal, nur knapp eine Woche später, war ein wertvoller Goldring verschwunden, und die Dame – eine bekannte Schauspielerin – war sich absolut sicher, dass sie ihn auf keinen Fall verloren oder versehentlich irgendwo liegen gelassen hatte. Manuel war geneigt gewesen, ihr zu glauben. Und da sie zu diesem Zeitpunkt vor Athen ankerten, war die griechische Polizei hinzugezogen worden. Doch abgesehen von einer Aufnahme der Diebstahlsanzeige war weiter nichts geschehen. Manuel hatte es der Versicherung gemeldet und die entsprechenden Formulare eingereicht.

Damit hatte es so ausgesehen, als wäre die Angelegenheit erledigt.

Bis es in Venedig zu einem weiteren Zwischenfall gekommen war, und vorgestern, hier im Hafen, schon wieder.

Das konnten nun wirklich keine Zufälle mehr sein. Jemand an Bord der Euforia vergriff sich am Eigentum anderer. Bisher kam die Versicherung zwar noch für etwaige Schäden auf, aber das würde vermutlich nicht mehr lange so weitergehen. Und davon abgesehen würde der Imageschaden, wenn die ganze Sache an die Öffentlichkeit geriet, gewaltig sein. Er hatte alle entsprechenden Vorkommnisse diskret regeln können, aber war kein Narr. Irgendwann würde die Bombe platzen. Und so weit durfte er es gar nicht erst kommen lassen. Dazu stand einfach viel zu viel auf dem Spiel. Deshalb hatte er auch bisher keinen Privatdetektiv engagiert, denn je mehr Menschen von den Vorkommnissen an Bord erfuhren, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Diebstähle ans Licht kamen.

Die Euforia war seine Idee gewesen, und er hatte unermüdlich an dem Konzept gearbeitet, bis es ihm am Ende gelungen war, seinen älteren Bruder Ramiro zu überzeugen.

Die Jacht war seine Chance, zu beweisen, dass er auch ohne Ramiros Hilfe etwas auf die Beine stellen konnte – dem Rest der Welt, vor allem aber sich selbst. Obwohl sein Bruder ihm nie das Gefühl vermittelt hatte, etwas anderes zu sein als ein ebenbürtiger Partner, brauchte Manuel diesen Erfolg. Er musste sich selbst beweisen, dass er es aus eigener Kraft schaffen konnte. Dass er nicht von der Unterstützung seines Bruders abhängig war.

Dass eine Diebstahlserie ihm jetzt einen Strich durch die Rechnung machen sollte, konnte er einfach nicht akzeptieren. Vor allem, da inzwischen weit mehr auf dem Spiel stand als sein Stolz.

Vonseiten der Behörden schien sich jedoch niemand wirklich zuständig zu fühlen. Die Diebstähle waren in verschiedenen Ländern, bisher in Spanien und Griechenland, verübt worden, und bald würden sie französische Gewässer erreichen, und das schien die ganze Angelegenheit in einen bürokratischen Albtraum zu verwandeln.

Mit einem ärgerlichen Grollen wirbelte er herum, um noch einmal mit dem Chef des Sicherheitsdiensts zu sprechen. Doch mitten in der Bewegung stieß sein Arm gegen etwas, und im nächsten Moment ergoss sich kaltes Wasser über ihn.

„Verdammt!“ Die Arme ausgebreitet, blickte er an sich hinunter. Sein Hemd und sein Sakko waren völlig durchnässt.

„Oh Gott, d… das tut mir ja so leid“, stammelte die Kellnerin, die gerade dabei gewesen war, eine Karaffe mit Eiswasser zu einem der Gäste am Pool zu bringen, als er in sie hineingerannt war. „Ich habe Sie nicht gesehen, Señor. Ich …“

Er winkte ab. „Sie können nichts dafür. Ich hätte besser aufpassen sollen.“

„Soll ich Ihnen ein Handtuch holen, Señor?“

„Was? Nein, nein, das ist nicht nötig.“ Er schüttelte sein Sakko von den Schultern und hängte es über die Reling, anschließend öffnete er nacheinander, von oben nach unten, die Knöpfe seines Hemds und zog es aus. Dann knüllte er das maßgeschneiderte Kleidungsstück achtlos zusammen und tupfte sich mit der Seite, die trocken geblieben war, ab.

Natürlich bemerkte er die Blicke, die er auf sich zog, aber das war für ihn nicht ungewöhnlich. Er war nicht eingebildet, aber er wusste, dass er gut aussah und dass sich Frauen zu ihm hingezogen fühlten. Und dass sie hinschauten, machte ihm nichts aus. Im Gegenteil, es schmeichelte ihm sogar.

Doch irgendetwas war anders, denn plötzlich fühlten sich die Blicke wie glühende Kohlen auf seiner Haut an. Und als er aufschaute, wusste er auch, wieso.

Die Augen der Frau, die ihn anstarrte, waren von einem tiefen Grün, umrahmt von langen, dichten Wimpern. Ihr Haar schimmerte im hellen Sonnenschein wie feuriger Kupfer, und es ergoss sich in sanften Wellen über ihre Schultern. Ihre Haut war so hell, dass sie fast durchscheinend wirkte. Herrlich volle Lippen mit einem ausprägten Amorbogen. Und dann diese Figur. Schlank und athletisch, mit Beinen, die nicht enden zu wollen schienen.

Und, ja, sie starrte ihn noch immer an.

Er schmunzelte amüsiert. „Normalerweise erwarte ich aber schon, dass man mich zum Essen ausführt, bevor man mich praktisch mit den Augen vernascht.“

„… mit den Augen vernascht.“

Blinzelnd kehrte Darcy wieder ins Hier und Jetzt zurück, und als ihr bewusst wurde, was sie getan hatte, schoss ihr das Blut in die Wangen.

Oh nein, wie unglaublich peinlich!

„W… was?“, stieß sie heiser hervor.

„Ich sagte, dass ich gern zum Essen ausgeführt werden möchte, bevor Sie mich weiter mit Blicken ausziehen.“

Also, das war ja wohl …!

„Ich habe Sie nicht angestarrt“, sagte sie, obwohl das eine so dreiste Lüge war, dass sie sich selbst schon ein wenig dumm dabei vorkam. „Und wieso auch? Sie sind längst nicht so attraktiv, wie Sie zu glauben scheinen.“

Gespielt schockiert presste er sich eine Hand auf die Brust. „Autsch, das tat weh. Ich bitte um Verzeihung, sollte ich die Situation falsch eingeschätzt haben. Sie leiden vermutlich unter irgendeiner seltenen Krankheit, die Sie in den denkbar ungünstigsten Momenten zur Salzsäule erstarren lässt, nicht wahr?“

Oh, dieser …

Sie war wirklich nicht in der Stimmung, sich von irgendeinem unverschämten Typen auf der Nase herumtanzen zu lassen. Seit sie vor über einer Stunde die Euforia betreten hatte, befand sie sich nun schon auf der Suche nach dem Showmanager. Sie wurde von einem Ende der Jacht zum anderen geschickt, doch der Mann schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Und niemand sonst schien über ihre Ankunft informiert worden zu sein. Was auch erklärte, dass der Sicherheitsdienst der Marina sie nicht auf seiner Liste gehabt hatte.

Sie war gestresst, verschwitzt und durstig, und das dünne T-Shirt und die Shorts, die sie trug, klebten regelrecht an ihr. Und das Allerletzte, was sie jetzt brauchte, war ein arroganter Pinsel, der sich über sie lustig machte. Ganz gleich, ob sie ihn nun angestarrt hatte oder nicht.

Was sie definitiv getan hatte.

Weil seine Arroganz bedauerlicherweise nicht gänzlich ungerechtfertigt war. Er war ihr gleich aufgefallen. Hochgewachsen, muskulös, mit breiten Schultern und einer schmalen Taille. Dunkles Haar, das ihm lockig in die Stirn fiel. Ein kantiges Kinn und hohe Wangenknochen. Ein sinnlicher Mund und dunkle Augen, die wie Kohlen zu glühen schienen.

Er hatte sie sofort in seinen Bann geschlagen, wobei sie sich sonst kaum von gutem Aussehen beeindrucken ließ. In ihrem alten Job war sie einer Menge unglaublich attraktiver Menschen begegnet, und nur wenige waren innerlich so schön gewesen wie äußerlich.

Jetzt bereute sie allerdings schwer, dass sie sich von ihm so hatte einwickeln lassen. Und sie war nicht bereit, ihn einfach so mit seinem Benehmen durchkommen zu lassen.

Kämpferisch reckte sie das Kinn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, ganz sicher nicht. Ich war einfach nur in Gedanken versunken, das ist alles. Ich habe gar nicht gemerkt, dass Sie da sind, bevor Sie mich angesprochen haben.“

Er hob eine Braue. „Ach, tatsächlich? Für mich machte das aber einen vollkommen anderen Eindruck.“

„Nun, dann muss dieser Eindruck Sie getäuscht haben. Und zu Ihrer Information: Wenn ich Sie wirklich so angestarrt haben sollte, wie Sie behaupten, dann wäre es damit spätestens jetzt vorbei. Wenn ich nämlich eines auf den Tod nicht ausstehen kann, dann sind es oberflächliche Männer, die sich für unwiderstehlich halten.“

Er furchte die Stirn, doch Darcy gab ihm keine Chance, etwas zu erwidern, und fuhr stattdessen gleich fort: „Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mir ein Vergnügen war, aber das wäre gelogen. Daher ziehe ich es vor, zu schweigen. Sie entschuldigen mich?“

Mit gestrafften Schultern wandte sie sich ab, nahm den Griff ihres Trolleys in die Hand und entfernte sich mit großen Schritten. Ohne ein wirkliches Ziel, einfach nur so weit wie möglich von ihm.

Als sie schließlich sicher sein konnte, dass sie aus seinem Blickfeld verschwunden war, lehnte sie sich gegen eine Wand und holte tief Luft. Was, zum Teufel, war nur in sie gefahren? Sie hatte soeben einen Gast vor den Kopf gestoßen, und das als neues Mitglied der Crew der Euforia. Sie konnte nur hoffen, dass das niemand bemerkt hatte. Und dass der Gast sich nicht über sie beschwerte.

Seufzend strich sie sich durchs Haar und wandte sich an das nächste Crewmitglied, das vorbeieilte.

„Entschuldigung“, sagte sie, „ich bin gerade angekommen und soll als Tänzerin hier anfangen, aber ich konnte den Showmanager bisher nicht finden. Können Sie mir vielleicht helfen?“

Der Mann in der weißen Kellner-Uniform lächelte und wechselte das Tablett, das er trug, von der rechten in die linke Hand. Dann streckte er ihr die frei gewordene Rechte entgegen. „Max“, stellte er sich vor. „Ich arbeite meistens abends an der Bar, von daher werden wir uns vermutlich öfter über den Weg laufen.“

„Darcy“, sagte sie und ergriff seine Hand.

„Also, was den Showmanager betrifft, hast du Glück, ich habe ihn gerade gesehen, als ich vom Pool kam. Geh einfach dort entlang“, er deutete in die Richtung, aus der Darcy gekommen war, „dann läufst du ihm geradewegs in die Arme. Du kannst ihn im Grunde gar nicht verfehlen. Groß, dunkelhaarig und“, er wackelte mit den Brauen, „umwerfend attraktiv.“

Darcy lachte. „Vielen Dank für deine Hilfe. Man sieht sich.“

Als sie sich auf den Weg zurückmachte, ärgerte sie sich schon wieder über sich selbst. Sie hatte sich so von diesem unverschämten Gast ablenken lassen, dass sie vermutlich einfach am Showmanager vorbeigelaufen war, ohne ihn auch nur wahrzunehmen.

Aber das würde ihr definitiv nicht noch einmal passieren. Suchend schaute sie sich um, während sie langsam übers Deck ging. Doch anstelle des Showmanagers erblickte sie nur wieder ihn. 

Sie wollte gerade unauffällig die Flucht ergreifen, als er sie auch schon bemerkte. „Sie schon wieder“, sagte er und klang amüsiert. „Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein?“

„Ja“, sagte Darcy, ehe sie sich bremsen konnte. „Sie könnten sich etwas überziehen.“

Autor

Penny Roberts
Penny Roberts verspürte schon als junges Mädchen die Liebe zum Schreiben. Ihre Mutter sah es gar nicht gern, dass sie statt Schule und Hausaufgaben ständig nur ihre Bücher im Kopf hatte. Aber Penny war sich immer sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, und ihr Erfolg als Autorin gibt ihr...
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