Der heißeste Doc in Manhattan

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Wie erstarrt sieht Tessa, wer der neue Chirurg in ihrem Krankenhaus in Manhattan ist: Dr. Clay Matthews! Unvergesslich ist die leidenschaftliche Affäre mit ihm. Aber genauso unvergesslich ist auch der Betrug ihres Ex. Beginnt nun alles von vorn: Liebe, Glück und Tränen?


  • Erscheinungstag 09.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536288
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zwölf Jahre vorher

Theresa Camara, von allen nur „Tessa“ genannt, saß im Schneidersitz auf dem Boden ihres Schlafzimmers, umgeben von Kleidung. Kleidung von jemand anderem. Zwei große Müllsäcke voll, um genau zu sein. Sie blickte hinunter auf das neue Sommerkleid, für das sie zehn Stunden gearbeitet hatte, und ihr wurde ganz schlecht. Was ihr noch vor zwei Tagen wie ein extravaganter Kauf erschienen war – einer, der sie erwachsen und unabhängig wirken ließ – sah ausgesprochen billig aus, verglichen mit den Designerklamotten, die sie gerade bekommen hatte.

Und wie kam sie nur auf die Idee, sie nicht anzuziehen? Sollte sie nicht unendlich dankbar sein, dass ihre beste Freundin an sie gedacht hatte, als sie ihren Kleiderschrank ausmistete? In den beiden Säcken befanden sich mehr Klamotten, als Tessa jemals besessen hatte.

Doch tatsächlich bewirkten sie nur, dass sie sich arm fühlte.

Tessa schluckte. Das war schon okay. Schließlich würde sie sie zu einem guten Zweck einsetzen, einschließlich des pflaumenblauen Ballkleids, das jetzt auf einem Bügel an ihrem Schrank hing. Bestimmt würde sich niemand daran erinnern, dass Abby es erst letztes Jahr getragen hatte.

Tessas Eltern, die immer schwer gearbeitet hatten, seitdem sie aus Brasilien in die Vereinigten Staaten gezogen waren, waren gerade damit beschäftigt, ihr eigenes Renovierungsunternehmen aufzubauen. Erst vor Kurzem war es ihnen gelungen, einen großen Auftrag von einer Firma aus Manhattan an Land zu ziehen, bei dem es darum ging, eine Reihe von Bürogebäuden neu zu gestalten. Bestimmt würde sie das die nächsten Jahre in Anspruch nehmen. Im Moment hatten sie einfach nicht das Geld dazu, ihr ein Ballkleid zu schenken, das sie nur ein einziges Mal tragen würde. Oder Klamotten für ihr Abschlussjahr auf der Highschool, das in zwei Wochen begann.

Tessa richtete sich auf und griff nach einem dunklen Paar Röhrenjeans, die fast neu waren. Glücklicherweise hatten sie und ihre Freundin dieselbe Größe. Das Ganze war ein Geschenk des Himmels, so musste sie es sehen. Es würde ihre Eltern finanziell entlasten. Aus diesem Grund hatte sie einen Job im Supermarkt angenommen. Schließlich würde noch eine Menge anderer Kosten auf sie zukommen, auch wenn sie vorhatte, sich für das Medizinstudium um ein Stipendium zu bewerben. Sie verschränkte ihre Finger und küsste sie, in der Hoffnung, dass dieser Traum in Erfüllung gehen würde.

Und dann, eines Tages … eines Tages würde sie diejenige sein, die anderen helfen konnte. Sie würde unglaublich hart dafür arbeiten, um weiterhin so gute Noten zu bekommen wie jetzt. Dann würde sie sich auch um ihre Eltern kümmern, die alles für sie getan hatten.

Nein, Tessa brauchte keine Designerklamotten. Oder einen Haufen Geld. Sie musste nur erfolgreich sein, egal, welche Opfer sie dafür bringen musste. Daher beschloss sie auch, einen Vertrag mit sich abzuschließen. Sie würde ihr Studium selbst finanzieren. Ohne Unterstützung.

Sie würde sich von niemandem helfen lassen.

2. KAPITEL

Heute

„Domingo, Segunda-Feira, Terca-feira, Quarta-feira …“ Die Wochentage auf Portugiesisch aufzusagen, hatte Tessa schon immer geholfen, sich zu zentrieren. Aber statt das Entsetzen aufzulösen, das ihr die Kehle zuschnürte, wurde es mit jedem Atemzug stärker.

Sie starrte auf das Plakat in der Lobby des West Manhattan Saints Hospital, das den neuen Chirurgen der Orthopädie willkommen hieß.

Leute machten einen Umweg um sie, während sie ins Gebäude strömten, und ein junger Mann stieß aus Versehen gegen ihre Schulter, wofür er sich sofort entschuldigte. Er murmelte, dass er zu spät kommen würde. Auch Tessa war zu spät dran, und doch konnte sie nicht anders, sie musste das Poster anstarren.

Clayton Matthews, eine Begegnung mit der Vergangenheit – ihrer Vergangenheit, lächelte sie immer noch so an wie früher. Dabei zog sich eine Seite seines Mundes ein bisschen hoch, was sie so anziehend fand, dass ihre Knie weich wurden.

Er war einmal fast so etwas wie ein Gott für sie gewesen. Bevor sie erkannt hatte, wem sie das Stipendium für ihr Medizinstudium verdankte. Und wer fast für ihre gesamte Ausbildung aufgekommen war.

Gut, es war nicht er persönlich gewesen, sondern es waren seine Eltern. Warum sie das getan hatten, wusste Tessa nicht. Allerdings waren ihre und seine Eltern Freunde geworden, als ihr Vater an einem riesigen Häuserblock gearbeitet hatte, der Claytons Dad gehörte.

Nur weil ihre Eltern Geschäftspartner waren, hatte Tessa ihn überhaupt kennengelernt. Und der Anblick des Plakats erinnerte sie an diese schreckliche Szene, die sich bei der Abschlussfeier zugetragen hatte.

Tessa schluckte. Nein, sie wollte ihn nicht sehen. Besonders nicht jetzt, wo der zweite Todestag ihrer Mutter kurz bevorstand. Andererseits würden sie auf verschiedenen Stockwerken arbeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich über den Weg liefen, war also äußerst gering.

„Wow, Tessa, du siehst so aus, als hättest du gerade ein Gespenst gesehen“, sagte Holly Buchanan, eine Medizinstudentin, die im selben Haus wie sie in Brooklyn wohnte. Dann betrachtete sie das Plakat und nickte. „Sieht nicht schlecht aus, dein Gespenst. Ist das etwa das neueste Mitglied unserer glücklichen Familie?“

Tessa zog ein Gesicht. Glücklich? Also, die meisten ihrer Kommilitonen waren von den vielen Stunden, die sie arbeiten mussten, am Rande des Burnouts. Das galt auch für ihre Mitbewohner Holly, Caren und Sam. Sie trafen sich häufiger im Krankenhaus als zu Hause.

„Ja, sieht so aus“, erwiderte sie und versuchte dabei, die Bitterkeit in ihrer Stimme zu unterdrücken, was ihr offensichtlich nur halb gelang.

„Kennst du ihn etwa?“, fragte Holly neugierig.

Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht.“ Und das war nicht einmal gelogen. Denn der Mann, den sie gekannt hatte, war nicht derselbe wie dieser Fremde hier. Wie sie gehört hatte, war er inzwischen auch verheiratet.

„Also, überhaupt nicht stimmt ja wohl nicht“, erklang in diesem Moment eine Stimme hinter ihr, die sie nur zu gut kannte. „Denn schließlich kenne ich dich ziemlich gut.“

Tessa drehte sich erschrocken um, und da stand er und streckte Holly die Hand entgegen.

„Clayton Matthews, Orthopäde. Freut mich, Sie kennenzulernen!“

Holly warf Tessa einen schnellen Seitenblick zu, dann ergriff sie die dargebotene Hand und nannte ihm ihren Namen und ihren Fachbereich. Tessa hingegen wäre am liebsten im Erdboden versunken.

„Tut mir leid, aber ich muss los“, sagte Holly zu ihr. „Sonst bringt Langley mich noch um.“ Langley war verantwortlich für die Assistenzärzte, und Holly und er hatten von Anfang an keinen guten Start gehabt.

Ihre Freundin verabschiedete sich mit einer gemurmelten Entschuldigung und ließ sie und Clayton allein zurück.

„Tessa, wie schön, dich zu sehen“, sagte er erfreut. „Wie geht’s dir?“

Ach, mehr fiel ihm nach ihrer Trennung nicht ein? „Mir geht’s gut, und dir?“

„Ich bin ein bisschen überrascht. Ich hatte keine Ahnung, dass du deine Assistenzzeit am West Manhattan Saints Krankenhaus absolvierst.“

Nein? Schließlich war das West Manhattan Saints eine der größten Ausbildungsstätten für Medizinstudenten in der ganzen Stadt. Wo hätte sie sonst sein sollen?

Tessa ignorierte seinen Kommentar und warf erneut einen Blick auf das Poster. „Sieht nett aus, dein Foto.“ Und das meinte sie auch so. Das Foto zeigte Clayton so, wie er wirklich aussah, mit seinem dichten schwarzen Haar, dem markanten Kinn und den tiefblauen Augen, deren Blick einem das Gefühl geben konnte, als wäre man der einzig wichtige Mensch auf der ganzen Welt.

Selbst wenn man es nicht war.

„Danke“, erwiderte er. „Man tut, was man tun muss. Aber das weißt du ja.“

Ja, sie hatte es gewusst. Auch nachdem sie erfahren hatte, wer ihre Ausbildung bezahlt hatte. Genau wie der Mann, der jetzt vor ihr stand. Mit dem sie zur Schule gegangen und der schließlich ihr erster Lover geworden war.

Irgendwann hatte er angefangen, ihr Geschenke zu machen. Zuerst waren sie klein gewesen, dann wurden sie immer exklusiver, obwohl Tessa dagegen protestiert hatte.

Bei der Abschlussfeier hatte er ihr zusammen mit seinen Glückwünschen eine kleine flache Schachtel von einem Juwelier überreicht und sie geküsst. Nur dreißig Minuten später hatte dann eine Stimme aus dem Lautsprecher verkündet, dass das Wilma-Grandon-Stipendium nach Claytons Großmutter benannt worden war und dass sie es bekommen hatte.

Tausend Paar Augen hatten sich in diesem Moment auf sie gerichtet.

Und Tessa hatte nur an ihre Kindheit als arme Tochter brasilianischer Einwanderer denken können. An die Second-HandKleidung, die sie hatte tragen müssen. Sie war wie vom Donner gerührt gewesen. Wie hatte Clayton ihr das nur antun können?

Natürlich hatte sie sich schließlich in einem langen Brief bei seinen Eltern für ihre Großzügigkeit bedankt. Clayton hingegen hatte sie einen ganz anderen Brief geschickt, zusammen mit seinem Geschenk. Sie hatte ihm klipp und klar erklärt, dass es vorbei war. Und das hatte sie ihm auch gesagt, als er schließlich vor ihrer Tür stand und sie zur Rede stellen wollte.

Wie hatte er ihr nur eine so wichtige Information vorenthalten können? Tessa war total bedient gewesen. Das hatte er offensichtlich kapiert, denn das war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hatte.

Jedenfalls bis jetzt. Aber vielleicht konnten sie ja wenigstens freundlich zueinander sein.

Sie streckte die Hand aus. „Also, freut mich auch, dich zu sehen, Clay. Ich hoffe, es wird dir hier gefallen.“

Er zögerte einen Moment lang, ergriff dann ihre Hand und drückte sie. Sofort schoss ein Hitzestrahl durch ihren Körper.

Ups, das war ganz klar ein Fehler gewesen. Ein Schauer durchlief sie, als er sie ein bisschen näher an sich heranzog.

„Ich glaube, das tut es jetzt schon“, sagte er und zwinkerte.

Nur mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, sich umzudrehen und ganz weit wegzulaufen … weg von allem, wofür sie jetzt schon so viele Jahre gearbeitet hatte.

Aber das wäre ein Fehler gewesen, denn schließlich war sie aus einem ganz bestimmten Grund hier. Und zwar, um Menschen mit Hautkrankheiten zu helfen, die manchmal gutartig, manchmal aber auch bösartig waren.

Nein, sie würde nicht wegrennen, und zwar vor niemandem.

Daher warf sie den Kopf zurück und sah Clayton direkt in die Augen. „Ich habe gehört, du bist verheiratet. Wie geht es deiner Frau?“

Er zuckte zusammen und ließ ihre Hand los. Dann schluckte er und erwiderte: „Sie ist nicht mehr meine Frau. Wir sind geschieden.“

Geschieden? Oh, Gott! Wie sollte sie das überleben, wenn sie sich jeden Tag über den Weg liefen?

„Das tut mir leid zu hören“, erwiderte sie. „Aber ich bin schon spät dran und …“

Clayton trat einen Schritt zurück und nickte. „Natürlich, dann will ich dich nicht aufhalten. Bestimmt sehen wir uns irgendwo im Krankenhaus.“

Ob das eine Drohung oder ein Versprechen war, hätte sie nicht sagen können. Aber Tessa nutzte die Gelegenheit, um einen möglichst schnellen Abgang zu machen. Sie warf ihm ein schnelles, flüchtiges Lächeln zu und entfernte sich dann so schnell, wie ihre Beine es nur zuließen.

Clayton sah ihr nach, und sie konnte seinen Blick fast körperlich spüren.

Geschieden! Oh, verdammt, wie viel leichter wäre es gewesen, wenn er glücklich verheiratet gewesen wäre, mit einem Stall voller Kinder?

Was mochte zwischen ihm und seiner Frau passiert sein? Er schien nicht besonders glücklich darüber zu sein, dass es mit seiner Ehe vorbei war.

Das geht dich nichts an, Tessa. Sie beschleunigte ihre Schritte und nahm sich fest vor, ihm in nächster Zeit aus dem Weg zu gehen. Eigentlich hatte sie geplant, sich um die Fellowship für Mikrochirurgie zu bewerben, eine spezielle Weiterbildung, die sie hier am West Manhattan anboten. Aber vielleicht sollte sie sich lieber nach einer anderen Klinik umsehen.

Das Problem war nur, dass sie ausgesprochen gern hier war. Sie liebte das Krankenhaus, liebte ihre kleine Wohnung in dem Backsteingebäude mit Sam, Caren und Holly. Wollte sie wirklich zulassen, dass Clayton sie daraus vertrieb?

Tessa bog um die Ecke, aber erst als sie im Fahrstuhl war und hoch in den dritten Stock fuhr, erreichte sie der Schock, und sie lehnte sich mit dem Rücken zur Wand.

Clayton Matthews. Er war hier am West Manhattan Saints.

Und er hatte nichts von seiner Anziehungskraft verloren.

Ihre Lippen wurden zu einem dünnen Strich. Nein, sie würde sich davon nicht beeinflussen lassen. Sie würden ihren eingeschlagenen Kurs nicht seinetwegen ändern, egal, wie sehr sein Anblick ihre Knie weich werden ließ.

Das Beste würde sein, ihn in Zukunft einfach zu ignorieren. Und dafür brauchte sie eine Strategie.

Vorbeugung war das Wort der Stunde. Das richtige Wort, um negative Konsequenzen zu vermeiden.

Und das würde sie auch in Bezug auf Clayton tun. Sie würde ihm aus dem Weg gehen. Um jeden Preis.

„Traditionelle Capoeira aus Brasilien“ stand auf der Liste der Firmen, die das alljährliche Sommerfest des Krankenhauses unterstützten, und fiel Clayton sofort ins Auge. Darunter gab es eine Liste, in der man sich eintragen konnte, wenn man das Fest als Freiwilliger unterstützen wollte. Es sollte eine Lotterie geben, einen Malwettbewerb für Kinder und vieles mehr. Er überlegte, ob er sich für irgendetwas eintragen sollte, verschob den Gedanken jedoch auf später, wenn er sich etwas beruhigt hatte.

Denn um ehrlich zu sein, hatte ihn Tessas Anblick an diesem Morgen ganz schön durcheinandergebracht. Vielleicht hätte er mit der Situation besser umgehen können, wenn sie nicht vor diesem lächerlichen Poster gestanden hätte, das das Krankenhaus unbedingt hatte aufstellen müssen.

Und als er dann auch noch hatte hören müssen, dass sie leugnete, ihn zu kennen …

Nun, das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sein ursprünglicher Impuls, sich zu verdrücken, hatte sich plötzlich in Wut verwandelt.

Andererseits hatte er auch etwas in Tessas Augen aufblitzen sehen, als sie sich ihm schließlich zuwandte. Nur hatte er es nicht richtig deuten können. War es Bestürzung gewesen? Entsetzen? Schuld? Oder gar Schmerz?

Jedenfalls hatte sie keinen Schmerz gezeigt an dem Tag, als er bei ihr aufgetaucht war und sie ihm noch auf der Türschwelle klipp und klar mitgeteilt hatte, dass Schluss war. Wenn überhaupt jemand damals hätte Schmerz empfinden müssen, dann er. In den letzten sechs Monaten war ihre Beziehung nicht immer einfach gewesen, aber nie hätte er geglaubt, dass Tessa unglücklich gewesen war. Außer natürlich in Bezug auf das Geld. Was ja auch der Grund dafür gewesen war, dass sie ihm das Armband zurückgegeben hatte.

In diesem Moment räusperte sich jemand neben ihm, und er sah, dass es eine junge Frau mit einem Bleistift in der Hand war, die sich offensichtlich in die Liste eintragen wollte. Er trat einen Schritt zurück und machte ihr Platz.

Dann fiel sein Blick wieder auf den Namen des Capoeira-Tanzstudios. Ob Tessa dort immer noch trainierte? Als sie sich kennenlernten, hatte sie ihn dazu eingeladen, mehr über ihre brasilianische Herkunft zu erfahren. Er war ihrer Einladung gefolgt und hatte es nicht bereut. Als er sah, wie sie sich in dem Tanzzirkel, den man Roda nannte, bewegte, war er total hingerissen gewesen und hatte ihre fließenden Bewegungen mehr als sexy gefunden. Capoeira war eigentlich eine Kampfsportart, aber ihm war es mehr als ein Tanz vorgekommen.

Doch dann hatte Tessa ihm das Gegenteil bewiesen. Diese Disziplin war so leidenschaftlich und feurig wie sie selbst – und genauso stolz.

Die junge Frau lächelte ihn an, und Clayton kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück.

Automatisch erwiderte er ihr Lächeln, denn Tatsache war nun einmal, dass er Frauen mochte. Auch wenn er anscheinend kein Talent für längerfristige Beziehungen hatte. Das schien ein Gen zu sein, das seine Eltern – die inzwischen seit fünfunddreißig Jahren verheiratet waren – ihm nicht vererbt hatten.

Erneut betrachtete er die Liste und dachte über Tessa und das Studio nach. Vielleicht sollte er sich für das Putzteam bewerben? So schwer konnten zwei Stunden freiwilliger Arbeit doch nicht sein, oder?

Aber eigentlich wollte er in diesem Moment nur zurück an seine Arbeit und die Begegnung mit einer gewissen Rothaarigen vergessen.

Die ihn ganz schön erschüttert hatte. Und ein Feuer in ihm entzündet hatte, das er wohl besser mit Hilfe von Wasser und Schaum so schnell wie möglich löschen sollte. Um ihrer beider willen.

3. KAPITEL

Wo blieb nur seine Exfrau?

Clayton saß mit seiner Tochter Molly in der Cafeteria des Krankenhauses und hörte ihr zu, wie sie ihm erzählte, was sie gestern Abend alles mit Oma und Opa gemacht hatte.

Seine Eltern hatten die Nachricht seiner Scheidung mit stoischem Gleichmut aufgenommen, obwohl er insgeheim den Verdacht hatte, dass sie ihm übelnahmen, dass er sich nicht mehr Mühe gegeben hatte. Aber das stimmte nicht, er hatte alles probiert und war eine Menge Kompromisse eingegangen, damit seine Ehe funktionierte. Als nichts davon Erfolg hatte, war er mit seiner Frau sogar zu einem Paartherapeuten gegangen.

Leider ohne Erfolg. Offensichtlich hingen die größten Niederlagen in seinem ganzen bisherigen Leben immer mit Frauen zusammen.

Genervt blickte er auf seine Uhr und sah, dass Lizza bereits über eine halbe Stunde zu spät war. Während er in ein paar Minuten seinen Dienst antreten musste. Eigentlich hatte er sich noch mit seinen Kollegen bekannt machen wollen, bevor er seine morgendliche Runde antrat. Doch das konnte er jetzt wohl vergessen.

Da erblickte er aus den Augenwinkeln noch eine vertraute Gestalt an der Kasse und seufzte laut.

„Was ist denn, Daddy?“, fragte Molly alarmiert.

„Ach, gar nichts, Liebling“, erwiderte er. „Ich habe nur an die Arbeit denken müssen.“

„Oh, okay. Sag mal, muss ich eigentlich wirklich zu Mommy?“

Dieselbe Frage hatte sie ihm schon die letzten beiden Male gestellt. Clayton wusste nicht, was er ihr darauf antworten sollte. Lizza war sehr oft auf Reisen, besonders in Europa, wo sie sich über die neuesten Modetrends informierte. Im letzten Jahr hatte ihre Tochter nur ein paar Wochenenden mit ihr verbracht, obwohl sie noch keine dreieinhalb Jahre alt war.

„Bestimmt wäre Mommy traurig darüber, wenn du nicht zu ihr zurückkommst.“

„Ja, ich weiß“, seufzte Molly, und sein Magen zog sich zusammen.

Wenn jemand ihm vor vier Jahren prophezeit hätte, dass er nach der Trennung von Tessa heiraten und ein Kind bekommen würde, so hätte er demjenigen gesagt, dass er wohl seinen Verstand verloren hätte. Und trotzdem saß er jetzt hier mit seiner Tochter, die er über alles liebte. Nur ihretwegen konnte er überhaupt Lizzas ganzen Mist ertragen.

Suchend sah er sich in der Cafeteria um. Es war Frühstückszeit, und jeder Platz war besetzt. Plötzlich trafen sich seine und Tessas Blicke, und erneut blitzte etwas in Tessas Augen auf, das er nicht deuten konnte. Sie sah sich nach einem freien Tisch um, doch es gab keinen mehr.

Komm schon, Lizza. Beeil dich!

Clayton war klar, dass er Tessa nicht einfach so stehen lassen konnte, daher winkte er sie zu sich herüber. Tatsächlich wirkte es so, als würde sie lieber überall woanders sitzen, aber sie hatte keine Wahl. Wenige Minuten später stellte sie ihr Tablett neben Mollys ab und nahm Platz.

Die Kleine sah sie neugierig an. „Hallo, ich bin Molly. Wer bist du denn?“

Tessa blinzelte. „Ich bin Dr. Camara. Hallo, Molly. Was machst du denn hier?“

„Ich warte auf meine Mommy.“

Erneut zog sich Claytons Magen zusammen, dann stellte er die beiden einander vor. „Tessa, das ist meine Tochter.“

„Ist das deine Freundin?“, fragte Molly.

„Eine alte Freundin, ja.“ Abwartend sah Clayton Tessa an und wartete darauf, dass sie ihn korrigieren würde. Doch das tat sie nicht, sondern nickte nur.

„Ja, das stimmt. Dein Dad und ich sind zusammen zur Schule gegangen.“

„Oh. Kennst du Mommy auch?“

„Nein. Ist sie Ärztin?“

„Nein, sie macht schöne Kleider.“

Tessa griff nach ihrem Glas mit Saft und trank einen großen Schluck. „Oh, wie schön für dich. Dann hast du bestimmt eine Menge toller Sachen zum Anziehen.“

Irgendwie klang es ein bisschen traurig, was Clayton nicht entging.

„Du siehst so aus, als wärst du in Eile“, sagte er zu ihr.

Sie nickte. „Ja, ich assistiere heute in der plastischen Chirurgie. Bei einem Mohs-Eingriff.“

Er sah sie erstaunt an. „Mohs-Chirurgie? Ist das dein neues Fachgebiet?“ Diese berühmte Technik, die nach ihrem Erfinder benannt worden war, wurde häufig bei Hautverletzungen angewandt, die bösartig waren.

Tessa schüttelte den Kopf. „Wie du ja weißt, bin ich auf dermatologische Chirurgie spezialisiert. Aber ich hoffe, dass ich eine Fellowship in Mohs-Chirurgie bekommen werde.“

Darauf erwiderte er nichts, und die beiden sahen sich ein paar Sekunden stumm an, bis die Luft zwischen ihnen vor lauter Spannung zu knistern begann.

Und dann ertönte das rhythmische Klicken von High Heels, die sich auf den Tisch zubewegten.

„Mommy kommt“, flüsterte Molly, und es klang fast ein wenig resigniert.

Clayton drehte sich um und sah, dass Lizza auf sie zustolzierte. Ihr perfekt geschminktes Gesicht stand in scharfem Kontrast zu Tessas Sommersprossen und ihrem natürlichen Stil. Der Unterschied zwischen den beiden hätte Psychologiebücher füllen können.

Lizza blieb vor ihnen stehen und zog die Augenbrauen hoch, während Tessa so wirkte, als wäre sie am liebsten im Erdboden versunken.

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