Der italienische Traumprinz

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Ein Leben in Rom mit Prinz Gustavo – für Joanna wäre es der Himmel! Doch er lässt sie sitzen! Jahre später führt das Schicksal sie erneut zusammen. Sofort flammt die Leidenschaft wieder auf. Aber Joanna hat geschworen, sich nicht noch einmal das Herz brechen zu lassen ...


  • Erscheinungstag 28.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753257
  • Seitenanzahl 124
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Vasen aus massivem Gold, atemberaubende Juwelen, Reichtum ohnegleichen.“

Joanna Manton, die wohlig ausgestreckt am Strand lag, drehte den Kopf und sah zu ihrem zehnjährigen Sohn, der neben ihr saß und Zeitung las. „Wovon sprichst du, Billy?“

„Von einem großartigen Fund … einem Palast mit einem sagenhaften Schatz.“ Er bemerkte den amüsiert ungläubigen Blick seiner Mutter und fuhr fort: „Na ja, man hat einige alte Steine entdeckt.“

„Das hört sich schon realistischer an.“ Sie lachte. „Ich weiß doch, wie gern du Dinge ausschmückst. Wo hat man diese ‚alten Steine‘ entdeckt?“

„Bei Rom.“ Er reichte ihr die Zeitung und deutete auf einen kleinen Artikel.

„Faszinierende, einzigartige Grundmauern … ein riesiger eintausendfünfhundert Jahre alter Palast …“

„Das klingt wie auf dich zugeschnitten, Mum. Ein Bauwerk, an dem der Zahn der Zeit genagt hat …“

„Sollte dies eine Anspielung auf mein Äußeres sein, spar sie dir. Ich sehe vielleicht alt aus, fühle und denke aber vorgeschichtlich.“

„Genau das meinte ich.“

„Ich schicke dich ohne Abendessen ins Bett.“

„Du und welche Armee?“, fragte Billy frech und blitzte sie fröhlich an.

Wie sie ihren Sohn liebte! Leider sahen sie sich viel zu selten, weil sie wegen ihrer Arbeit als Archäologin häufig unterwegs war und sich Billys Freizeit zudem mit ihrem geschiedenen Mann Freddy teilen musste.

Gerade verbrachten sie den Sommerurlaub in Cervia an der italienischen Adriaküste und hatten die ersten Tage am Strand auch sehr genossen. Aber jetzt begann das Nichtstun für sie beide den Reiz zu verlieren. Leise summte sie vor sich hin, während sie den Artikel las.

Die Grundmauern eines riesigen Bauwerks sind auf dem Gelände des Palazzo Montegiano entdeckt worden, dem Stammsitz der Erbprinzen von Montegiano und der Residenz des jetzigen Prinzen Gustavo.

Unvermittelt hörte sie zu summen auf.

„Bist du schon einmal in Rom gewesen, Mum? Mum?“ Als sie immer noch nicht reagierte, beugte Billy sich etwas vor und winkte. „Erde an Mum, bitte kommen.“

„Oh, entschuldige. Was hast du gesagt?“

„Bist du schon einmal in Rom gewesen?“

„J… ja.“

„Du klingst seltsam.“

„Tue ich das, Schatz? Sorry, es ist nur … er hat immer gemeint, dass es dort einen versunkenen Palast geben würde …“

„Er? Du kennst diesen Prinzen Dingsda?“

„Ich bin ihm vor Jahren einmal begegnet“, erwiderte Joanna unsicher und wechselte schnell das Thema. „Wie wär’s mit einem Eis?“

Sie konnte ihrem Sohn unmöglich die Wahrheit erzählen und ihm antworten: „Gustavo Montegiano ist der Mann, den ich einst geliebt habe, und zwar mehr, als ich je deinen Vater geliebt habe. Er ist der Mann, den ich hätte heiraten können, wäre ich egoistisch genug gewesen.“ Und sie hätte noch hinzufügen können: „Er ist der Mann, der mir das Herz gebrochen hat, ohne zu wissen, dass er es überhaupt besaß.“

1. KAPITEL

„Klingle, verflixt noch mal, klingle!“ Starr sah Prinz Gustavo auf das Telefon. „Du solltest jede Woche anrufen, und jetzt sind schon zwei Wochen verstrichen.“

Ärgerlich stand er vom Schreibtisch auf, ging zur Tür und ließ den Blick über die Terrasse schweifen. Auf der letzten der breiten Stufen, die zum Rasen hinunterführten, saß seine neunjährige Tochter mit vorgebeugten Schultern und war ein einziges Bild des Jammers.

Noch aufgebrachter machte er wieder kehrt und wählte dann energisch eine Nummer. Niemand hatte seine geschiedene Frau je zu etwas gezwungen, das ihr nicht passte, doch heute würde er es tun, und zwar um des kleinen Mädchens willen, das sich verzweifelt nach einem Zeichen sehnte, dass die Mutter es nicht vergessen hatte.

„Crystal?“, meinte er schließlich schroff. „Du solltest dich regelmäßig melden.“

„Caro“, erwiderte sie mit säuselnder Stimme, die ihm einst erregende Schauer über den Rücken hatte laufen lassen. „Wenn du wüsstest, wie beschäftigt ich bin …“

„Zu beschäftigt, um Zeit für deine Tochter zu haben?“, fragte er.

„Meine arme kleine Renata? Wie geht es ihr?“

„Sie verzehrt sich nach ihrer Mutter“, antwortete er wütend. „Und da du jetzt am Apparat bist, wirst du auch mit ihr sprechen.“

„Aber Schatz, ich habe es eilig. Ich bin gerade im Aufbruch, und bitte ruf nicht wieder an …“

„Eine Minute wirst du wohl erübrigen können. Renata ist draußen und kann sofort ans Telefon kommen“, erklärte er und hörte das Mädchen bereits über die Terrasse rennen.

„Ich muss weg. Sag ihr, dass ich sie liebe.“

„Ich denke nicht daran. Sag es ihr bitte selbst. Crystal … Crystal?“

Sie hatte genau in dem Moment aufgelegt, als die Kleine ins Zimmer stürmte.

„Lass mich mit Mamma reden!“ Schon entriss sie ihm den Hörer. „ Mamma, Mamma.“

Gustavo beobachtete, wie die Freude aus ihrem Gesicht verschwand, als sie merkte, dass niemand mehr am anderen Ende der Leitung war, und wie er befürchtet hatte, sah Renata ihn vorwurfsvoll an.

„Warum hast du mich nicht mit ihr sprechen lassen?“

„Liebling, sie musste dringend weg. Es war ein schlechter Zeitpunkt für sie …“

„Nein, es war deine Schuld. Du hast sie angeschrien. Du willst nicht, dass sie mit mir redet.“

„Das ist nicht wahr …“ Er versuchte, seine Tochter zu umarmen, doch sie versteifte sich und setzte eine ausdruckslose Miene auf.

Sie macht es wie ich, verschließt ihr Inneres auf die gleiche Weise, wie ich es schon oft getan habe, dachte er traurig. Ja, Renata war zweifellos sein Kind, anders als Crystals zweites Baby, dessen Geburt die Scheidung beschleunigt hatte.

„Liebling …“, probierte er es erneut, schwieg dann aber, als sie ihn nur stumm und feindselig betrachtete.

Die Kleine lastete es ihm an, dass ihre Mutter weggegangen war und sie nicht mitgenommen hatte, denn sie konnte es nicht ertragen, etwas anderes zu glauben. Wenn er nur wüsste, was letztlich besser für sie war: ihr die Wahrheit aufzuzwingen oder sie weiter in dem Glauben zu lassen, dass ihre Mutter sich nach ihr sehnte und ihr grausamer Vater das Zusammensein verhinderte.

Widerstrebend ließ er Renata los, die sofort nach draußen rannte, setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und barg das Gesicht in den Händen.

„Komme ich ungelegen?“

Gustavo blickte auf und sah einen älteren Mann in schäbiger, mit Erde beschmutzter Kleidung auf der Schwelle der Terrassentür stehen. „Nein, tritt ein.“ Schon erhob er sich und wandte sich einer kunstvoll verzierten alten Kommode zu, in der ein kleiner Kühlschrank versteckt war. „Wie läuft es?“, fragte er, während er ihnen ein Bier einschenkte.

„Ich bin so weit vorangekommen, wie ich konnte, doch meine Fähigkeiten sind leider begrenzt“, antwortete Professor Carlo Francese.

„Nicht meiner Erfahrung nach.“

Sie beide hatten sich vor acht Jahren kennengelernt, als er, Gustavo, den Palazzo für eine Archäologentagung zur Verfügung gestellt hatte, und seither waren sie befreundet. Carlo war ein renommierter Altertumsforscher, weshalb er ihn auch sofort kontaktiert hatte, nachdem hier auf Montegiano vor Kurzem alte Grundmauern entdeckt worden waren.

„Gustavo, es handelt sich möglicherweise um einen Jahrhundertfund. Du brauchst für die Arbeiten echte Profis. Fentoni ist der Beste und wird sich begeistert darauf stürzen.“ Carlo betrachtete ihn prüfend. „Du hörst mir überhaupt nicht zu.“

„Natürlich tue ich es. Es ist nur … Ach, verdammt!“

„Crystal?“

„Wer sonst? Dass sie mich betrogen, von diesem Mann ein Kind bekommen und mich lächerlich gemacht hat, verüble ich ihr sehr, aber ich kann es ertragen. Was ich ihr nicht verzeihen kann, ist, wie grausam sie Renata zurückgelassen hat und dass sie sich nicht darum kümmert, mit ihr in Verbindung zu bleiben. Mein kleines Mädchen leidet fürchterlich, und ich kann ihm nicht helfen.“

„Ich habe Crystal nie so recht gemocht“, erklärte Carlo bedächtig. „Ich erinnere mich, dass wir uns einige Jahre nach eurer Hochzeit zum ersten Mal begegnet sind. Du warst ganz verrückt nach ihr. Mir erschien sie immer etwas distanziert.“

„Ja, das war ich“, bestätigte Gustavo leise und lächelte spöttisch. „Ich habe viel zu lang meine Hoffnungen in sie gesetzt, doch das musste ich wohl. Denn bevor ich sie geheiratet habe, habe ich mich gegenüber einer anderen Frau, mit der ich verlobt war, sehr schlecht benommen. Vermutlich musste ich glauben, dass Crystal es wert gewesen ist.“

„Du hast dich so richtig schlecht benommen?“ Interessiert blickte Carlo ihn an.

„Es tut mir leid, dich zu enttäuschen. Es gab kein großes Drama. Jene andere Frau und ich, wir haben uns nicht geliebt. Unsere Hochzeit war abgesprochen.“

Der Professor war nicht im Mindesten bestürzt. Selbst heute war es in hohen Adelskreisen noch üblich, Geld und Titel zu vereinen. Wo es um große Ländereien und alte Geschlechter ging, galt es als Familienpflicht, diese zu erhalten. Und Gustavo war zweifellos ein pflichtbewusster Mann.

„Wie ist es zu der Absprache gekommen?“

„Mein Vater lebte damals noch und hatte etwas Pech gehabt. Eine Freundin meiner Mutter hatte von einer sehr vermögenden jungen Engländerin gehört. Wir haben uns kennengelernt und uns gut miteinander verstanden.“

„Wie war sie?“

Gustavo überlegte einen Moment. „Sie war liebenswürdig und gescheit, jemand, mit dem ich reden konnte. Wir hätten wohl eine angenehme, gewissermaßen geruhsame Ehe geführt. Aber dann tauchte Crystal auf, und plötzlich war geruhsam nicht mehr genug. Crystal war … wie ein Komet am Himmel. Sie hat mich völlig verwirrt. Ich war blind und habe erst nach unserer Hochzeit gemerkt, wie egoistisch und rücksichtslos sie war.“

„Wie hast du dich von deiner Verlobten getrennt?“, fragte Carlo.

„Nicht ich habe die Verlobung gelöst, sondern sie hat es getan. Sie war wunderbar. Sie hat gesehen, was passierte, und gesagt, es wäre kein Problem, wenn ich lieber Crystal heiraten wolle.“

„Hätte sie dich nicht freigegeben, hättest du sie dann geheiratet?“

„Natürlich. Schließlich hatte ich es versprochen.“

„Wie hat deine Familie reagiert?“

„Meine Eltern waren nicht begeistert, konnten jedoch nichts machen. Wir haben es allen als gemeinsame Entscheidung hingestellt, die es in vieler Hinsicht auch war, da ich glaube, dass meine Verlobte insgeheim froh gewesen ist, mich los zu sein.“ Gustavo lächelte. „Wenn ich von ‚wir‘ rede, meine ich eigentlich sie, denn sie hat es allen erklärt, während ich wie ein Idiot daneben gestanden und wahrscheinlich auch wie einer gewirkt habe. Mein Vater war wütend, weil ihr Erbe nun für uns verloren war.“

„Und Crystal war arm?“

„Nein, allerdings war ihr Vermögen deutlich kleiner.“

„Du hast damals also dem Familieninteresse nicht den Vorrang eingeräumt? Dann muss Crystal dich sehr beeindruckt haben.“

Gustavo nickte und schwieg. Ja, sie war für ihn das Lachen, die Sinnesfreude und Leidenschaft in Person gewesen. Erst später hatte er erkannt, wie begrenzt sie zu ehrlichen Empfindungen fähig war. Weil sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hatte, hatte er geglaubt, dass sie tief sein müssten. Welch ein Irrtum. Er selbst verhielt sich ganz anders. Er verbarg seine starken Emotionen, sprach nicht darüber und galt deshalb als kühl.

Aber Carlo, der den Freund mitfühlend betrachtete, wusste es besser und wechselte das Thema. „Du solltest das Gelände so schnell wie möglich von Fentoni und seinem Team erforschen lassen.“

„Vermutlich ist er sehr teuer.“

„Das ist der Beste immer. Ist das Geld momentan wieder knapp?“

„Crystal will jeden Cent zurück, was ihr gutes Recht ist. Doch bedeutet es eine ziemliche Belastung für mich.“

„Vielleicht entwickelt sich der Fundort ja zu einer Goldgrube.“

„Sicher“, erwiderte Gustavo ohne Überzeugung. „Okay, rufen wir ihn an.“

„Ich tue es sofort.“

Und während Carlo die Nummer wählte, ging Gustavo erneut zur Terrassentür. In der Ferne entdeckte er seine Tochter, die auf einem Baumstumpf saß. Er winkte ihr zu, als sie aufsah, aber sie wandte sich sogleich ab. Könnte er ihr nur helfen! Verzweiflung und Schuldgefühle lasteten schwer auf ihm und lähmten ihn geradezu.

„Fentoni, alter Freund, dies ist eine wesentlich wichtigere Arbeit … Dein verdammter Auftrag! Sag ihnen, dass du es dir anders überlegt hast und diese Aufgabe übernehmen willst … Wie viel? … Oh, ich verstehe.“ Carlo blickte Gustavo an und zuckte resigniert die Schultern. „Wen könnte ich sonst fragen?“, erkundigte er sich bei Fentoni. „Ja, ich habe von Mrs Manton gehört. Doch wollen wir, dass eine Engländerin italienische Artefakte begutachtet … In Ordnung, ich verlass mich darauf. Hast du ihre Nummer?“ Er schrieb sie sich auf und beendete das Gespräch.

„Eine Engländerin?“

„Sie ist auf Italien spezialisiert und war Fentonis beste Schülerin. Warum machen wir es nicht folgendermaßen: Ich kontaktiere und informiere sie, bitte sie um einen Besuch, und dann kannst du dir einen Eindruck von ihr verschaffen und dich mit ihr über die Bedingungen einigen.“

„Ja, okay, Carlo. Danke.“

Als Carlo Joanna anrief und ihr erzählt hatte, worum es ging, hatte sie nur eine Frage.

„Heißt das, dass Prinz Gustavo nach mir verlangt hat?“

„Nein, Professor Fentoni hat Sie empfohlen. Mein Vorschlag wäre, dass Sie herkommen und sich den Fundort anschauen“, antwortete Carlo.

Joanna war hin und her gerissen. Eigentlich dürfte es ihr nicht schaden, Gustavo nach zwölf Jahren wieder zu begegnen. Sie war schließlich kein Teenager mehr, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Es würde ihr im Gegenteil sogar gut tun, ihn zu sehen. Wie sie war auch er inzwischen älter geworden und hatte sich verändert, sodass ihr Bild von ihm, das sie vergeblich aus ihrem Herzen zu vertreiben versucht hatte, durch die Wirklichkeit korrigiert werden würde. Und dann war sie endlich ganz von Gustavo frei.

„Ich hatte vor, den Sommer mit meinem zehnjährigen Sohn zu verleben.“

„Bringen Sie ihn mit. Der Prinz hat eine Tochter im gleichen Alter. Wann darf ich Sie erwarten?“

„Ich weiß nicht …“

„Montegiano?“, fragte Billy, der schamlos gelauscht hatte, und Joanna nickte. „Sag ihm, dass du kommst.“

„Billy!“

„Mum, du willst den Job so sehr, dass du die Erde praktisch schon an den Fingern spürst.“ Er nahm ihr das Handy ab. „Sie ist so gut wie unterwegs“, sprach er ins Telefon und meinte unschuldig, als er ihren entrüsteten Blick bemerkte: „Ich helfe dir nur, keine Zeit zu verlieren. Warum zaudern Frauen immer?“

Insgeheim war sie froh, dass er ihr die Entscheidung abgenommen hatte. Sie informierte Carlo, dass sie in einigen Tagen dort sein würden, und verabschiedete sich.

„Billy, ich dachte, du wolltest, dass wir uns vergnügen.“

Übermütig lächelte er sie an. „Mum, wir verabscheuen es, uns zu vergnügen. Es ist so langweilig.“

Joanna stimmte in sein Lachen ein. Sie waren wahrlich Gleichgesinnte.

Am nächsten Morgen luden sie ihre Sachen in den Wagen und machten sich auf die siebenhundertundfünfzig Kilometer lange Reise durch Italien. Kurz vor dem Ziel wurde Joanna dann doch etwas unsicher. „Wir übernachten heute Abend hier“, erklärte sie, als sie Tivoli erreichten.

„Aber bis Montegiano ist es nicht mehr weit.“

„Ich bin müde und möchte lieber ausgeruht am Vormittag dort ankommen“, erwiderte sie schnell, und Billy gab sich zufrieden.

Als er später schon schlief, saß sie am Fenster ihres Zimmers, sah in Richtung Rom und schimpfte sich einen Feigling.

Warum hatte sie sich nur auf diese Sache eingelassen? Manches aus der Vergangenheit ließ man besser auf sich beruhen. Ehrlich gestand sie sich ein, dass sie noch ein klein wenig die achtzehnjährige Lady Joanna von damals war, die eingewilligt hatte, Prinz Gustavo als möglichen zukünftigen Ehemann kennenzulernen. Sie hatte es aus einer Laune heraus getan, aus amüsierter Nachsicht mit ihrer lieben Tante Lilian, die alles geplant hatte.

„Eigentlich interessiert mich das Ganze gar nicht“, hatte sie zu dieser am Vorabend von Gustavos Ankunft gesagt. „Es ist schon ein toller Einfall, uns miteinander verkuppeln zu wollen, weil er mein Geld benötigt und du aus mir eine Prinzessin machen möchtest.“

„Deine Formulierung ist ausgesprochen geschmacklos. In unseren Kreisen sorgt man dafür, dass die richtigen Leute zusammengeführt werden.“

Mit „in unseren Kreisen“, hatte sie die Welt der Reichen und Titelträger gemeint, und da sie, Joanna, einen Adeligen in der Verwandtschaft hatte und ein großes Vermögen besaß, gehörte sie natürlich auch dazu.

Sie hatte dies alles sehr lustig gefunden. Wie jung war sie noch gewesen, voller Einfälle und gleichzeitig so entsetzlich unwissend.

Doch manchmal wurden Märchen wahr. Die gute Fee hatte jenen Sommer damals verzaubert, und eine kleine Weile lang war alles perfekt gewesen.

Joanna schloss die Augen, ließ ihren Gedanken freien Lauf und spürte sogar nach zwölf Jahren noch, wie einzigartig und magisch jene Zeit gewesen war.

Lord Rannley, ihr Vetter zweiten Grades, hatte die ganze Familie für sieben Tage auf sein prächtiges Anwesen, Rannley Towers, eingeladen, und dort war sie dann Gustavo begegnet.

Als sie ihn zum ersten Mal sah, schritt er gerade über den gepflegten Rasen auf das Herrenhaus zu, war allerdings noch so weit davon entfernt, dass sie ihn ein, zwei Minuten lang eingehend betrachten konnte. Er bewegte sich unglaublich elegant und war ein Bild von einem Mann, dunkelhaarig, über einen Meter fünfundachtzig groß und ausgesprochen schlank. Da es ein heißer Tag war, hatte er die Hemdsärmel aufgekrempelt und auch den Kragenknopf geöffnet.

Er wirkte wie ein Märchenprinz auf sie, und dieser Eindruck setzte sich für immer in ihr fest. Alles an ihm war vollkommen, zu vollkommen, um wahr zu sein. Wenn sie nur so klug gewesen wäre, es zu erkennen!

Aber sie hatte ihren gesunden Menschenverstand eingebüßt, als er schließlich auf sie zutrat und sie begrüßte, nachdem einer ihrer Vettern sie einander vorgestellt hatte. Buon giorno, Signorina. Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

Keiner hatte sie gewarnt, dass es möglich war, von jetzt auf gleich den Kopf wegen eines jungen Mannes mit dunklen Augen und zärtlich-ernster Ausstrahlung zu verlieren. Doch es war geschehen, und danach hatte es kein Zurück mehr gegeben.

Natürlich erwähnte niemand den Grund für das Zusammentreffen. Offiziell war Gustavo auf Reisen, um etwas von der Welt zu sehen, und besuchte dabei alte Freunde seines Vaters. Nur als sich die Familie am Abend zum Diner versammelte, setzte man ihn selbstverständlich neben sie.

Joanna erinnerte sich noch gut daran, wie schwierig es für sie gewesen war, sich für jenes Essen zurechtzumachen. Denn nachdem sie Gustavo begegnet war, hatte sie sich äußerst kritisch betrachtet.

„Ich bin nichts Besonderes. Ich bin zu groß, zu dünn …“

„Du bist nicht dünn, sondern schlank“, protestierte Tante Lilian. „Und die meisten jungen Frauen würden alles darum geben, deine Größe zu haben. Wenn du dich ein bisschen bemühtest, könntest du richtig hübsch sein.“

„Ich und hübsch? Nein“, erwiderte sie energisch, und Tante Lilian stöhnte auf.

Ihr Haar war blond, allerdings nicht goldblond, sondern aschblond, und ihr Gesicht ansprechend, wenngleich sie sich die Lippen etwas ebenmäßiger und die Nase einen Hauch kleiner gewünscht hätte. Die grauen Augen gefielen ihr am besten, jedoch hätte sie lieber dunkelblaue gehabt. Nicht alles an ihr war ideal, und noch nie war sie sich dessen so bewusst gewesen wie jetzt.

Sie entschied sich für ein zartblaues Seidenkleid, das zwar ein Vermögen gekostet hatte, aber sie dennoch nicht in eine strahlende Schönheit verwandelte. Auch legte sie nur wenig Make-up auf, denn zu mehr fehlte ihr das Selbstvertrauen, und trug das schulterlange Haar schließlich offen, nachdem sie diverse Frisuren ausprobiert hatte.

Gustavos Verhalten bei Tisch war formvollendet. Er redete mit allen und versuchte nicht, sie in Beschlag zu nehmen. Doch wenn er sich ihr zuwandte, hatte sie das Gefühl, als wären sie beide allein auf der Welt.

Sie wusste nicht, worüber sie an dem Abend oder den folgenden Tagen sprachen. Manchmal ritten sie zusammen aus, sie lachten und plauderten miteinander, und zuweilen ertappte sie ihn, wie er sie mit ernster Miene betrachtete, und ihr Blut pulste sogleich schneller in ihren Adern.

Mitte der Woche führte er sie zum Essen aus und zeigte sich als charmanter, aufmerksamer Begleiter, flirtete jedoch leider nicht mit ihr. Er erkundigte sich nach ihrem Leben, und sie erzählte ihm, wie sie nach dem Tod ihrer Eltern bei Tante Lilian aufgewachsen war. Auch er berichtete von seinem Leben auf Montegiano, und die Liebe, die in seiner Stimme mitschwang, sagte ihr, warum er bereit war, sein Zuhause an allererste Stelle zu setzen.

„Meine Familie wohnt schon seit sechshundert Jahren im Palazzo und hat ihn immer weiter vergrößert und verschönert.“

„Das klingt wunderbar. Mich faszinieren alte Bauten.“

„Ich möchte, dass du ihn dir ansiehst.“

Und während sie den Wein genossen, fragte er leise: „Du weißt, welche Pläne unsere Freunde verfolgen, oder?“

Ihr Herz schlug sofort höher. Wollte Gustavo ihr etwa jetzt einen Heiratsantrag machen?

„Wir sollten uns nicht von ihnen beeinflussen lassen“, meinte er dann allerdings nur, nachdem sie genickt hatte. „Es ist einzig unsere Entscheidung, und ohne Zuneigung und Respekt ist keine Verbindung zwischen uns möglich.“

Er redet lediglich von Zuneigung und Respekt, dachte sie leicht ernüchtert. Sie hatte sich viel mehr erhofft. Aber für eine Weile reichte es ihr, hier mit ihm zu sitzen und sich weiter von ihm verzaubern zu lassen.

Später gingen sie noch in einen Nachtklub und tanzten miteinander. Joanna war selig, als sie endlich in seinen Armen lag, und konnte die süßen Gefühle kaum ertragen, die sie erfüllten. Sie spürte seine Hand an ihrer Taille, die Wärme seines Körpers, und atmete seinen verführerischen Duft ein. Ja, sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt.

Am Ende der Woche lud er sie und Tante Lilian nach Montegiano ein, und sie schwebte im siebten Himmel. Natürlich wollte er ihr erst sein Zuhause zeigen, bevor er sich ihr erklärte.

Sie war so überzeugt davon, ihn zu verstehen, dass seine Reserviertheit sie nicht sonderlich beunruhigte. Gustavo war ein etwas in sich gekehrter Mensch und wirkte äußerlich sehr beherrscht. Doch sie ahnte, dass sich hinter dieser Fassade noch ein anderer Mann verbarg, der lebensfroh und leidenschaftlich war und darauf wartete, dass die richtige Frau sein Herz befreite.

Und diese Frau konnte sie sein, denn sie waren sich sehr ähnlich. Auch sie war eher still und zurückhaltend. Sie beide würden sich zunächst auf geistiger Ebene treffen, und aus dieser Harmonie würde sich zwangsläufig eine Liebesbeziehung entwickeln.

Zumindest redete sie sich dies ein.

Montegiano war traumhaft schön. Das Anwesen lag etwa fünf Kilometer von Rom entfernt, erstreckte sich über tausend Morgen Land und wurde von dem Palazzo dominiert, der auf einer Anhöhe thronte und Joanna sogleich in seinen Bann schlug.

Nur zu gern ließ sie sich von Gustavo von Zimmer zu Zimmer führen und durch lange Korridore, an deren Wänden die Bilder seiner Ahnen hingen. Er berichtete ihr so anschaulich von ihnen, dass diese für sie zum Leben erwachten, und er war sichtlich beeindruckt, wie sachkundig sie auf seine Erläuterungen reagierte.

„Du kennst dich in Geschichte offenbar gut aus, und besonders in der meines Landes.“ Gustavo lächelte sie an.

„Die Vergangenheit hat mich schon immer wahnsinnig interessiert. Ich habe einmal auf einer Ausgrabungsstätte gearbeitet und war so begeistert, dass ich jetzt Archäologie studieren würde, wenn ich nicht …“ Sie schwieg unvermittelt, hätte fast gesagt „heiraten würde“ und fuhr eilig fort: „… zuweilen mit Entscheidungsschwierigkeiten zu kämpfen hätte.“

Tagtäglich ritten sie zusammen aus, und er erzählte ihr mit beinahe zärtlich klingender Stimme von Montegiano. „Gefällt dir mein Zuhause?“, fragte er sie schließlich eines Tages, während sie einen Spaziergang durch den Wald machten.

„Ich liebe es.“

„Kannst du dir vorstellen, hier glücklich zu sein?“

Das war sein Heiratsantrag.

Joanna folgte ihrem Herzen, schob alle Ängste beiseite und nahm ihn so schnell an, dass die Erinnerung daran sie später noch erröten ließ. Und als Gustavo sie dann an sich zog und endlich küsste, vergaß sie alles und jedes. Voll süßer Freude fühlte sie seine Lippen auf ihren, während sie ein erregender Schauer nach dem anderen durchfuhr. Trotzdem hielt sie sich noch ein wenig zurück und wartete, bis sie spürte, dass seine Leidenschaft genauso groß war wie ihre.

Sie vereinbarten, zwei Monate später in England zu heiraten, und als Gustavo mit seiner Familie vierzehn Tage vor dem Termin auf Rannley Towers eintraf, um bei einigen rauschenden Festen dabei zu sein, war Joanna überglücklich. Die Zeit der Trennung war vorbei, und bald würden sie verheiratet sein. Auch ihr Brautkleid, ein Traum aus elfenbeinfarbener Seide, war schon so gut wie fertig. Ja, dachte sie, während sie sich bei der letzten Anprobe im Spiegel betrachtete, ich sehe wirklich hübsch aus. Joanna war voller Zuversicht, Gustavos Liebe zu erringen.

Und dann tauchte Crystal, die Freundin ihres Vetters Frank, auf der Bildfläche auf.

2. KAPITEL

Crystal war klein, hatte goldblondes Haar, eine perfekte Nase, dunkelblaue Augen und einen sinnlichen Mund. Sie war einfach entzückend und verzauberte jeden mit ihrer strahlenden Schönheit und ihrem frechen Humor.

Weil sie sehr schnell sprach, bat Gustavo sie oft, langsamer zu reden oder ihm ein englisches Wort zu erklären. Mehrfach hörte Joanna sie sagen: „Nein, das musst du so aussprechen.“ Und dann lachte Crystal, und er stimmte heiter mit ein.

Hatte Joanna damals das erste Mal Gefahr gewittert? Wenn ja, hatte sie es sich jedenfalls nicht eingestanden.

Autor

Lucy Gordon
Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
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