Der Milliardär und das Hippiegirl

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Schock für Playboymilliardär Renzo Valenti: Hippiegirl Esther wurde von seiner Ex als Leihmutter engagiert und trägt sein Kind unter dem Herzen. Spontan macht er ihr einen Antrag - nur um einen Skandal zu vermeiden! Doch bald weckt ausgerechnet Esther nie gekannte Gefühle in ihm …


  • Erscheinungstag 17.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719920
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich bin schwanger, Mr. Valenti.“

Verblüfft musterte Renzo Valenti die junge Frau, die plötzlich aus dem Nichts vor seinem Hauseingang aufgetaucht war.

Renzo, der einmal das milliardenschwere Immobilienunternehmen seiner Familie übernehmen sollte, war ganz bestimmt kein Kind von Traurigkeit. Sein Ruf als internationaler Playboy mit hohem Frauenverschleiß eilte ihm voraus. Aber er hätte schwören können, diese Frau noch nie im Leben gesehen zu haben. Sie wirkte, als hätte sie den heißen Tag auf Roms Straßen verbracht statt bei heißem Sex in edler Seidenbettwäsche.

Da die Frau kein Make-up aufgetragen hatte, war deutlich sichtbar, wie sehr ihr die Hitze zusetzte. Das lange dunkle Haar war zu einem nachlässigen Knoten hochgebunden, der sich halb aufgelöst hatte. Das schwarze Tanktop und der bodenlange Rock schienen so eine Art Uniform amerikanischer Studentinnen zu sein, die den Sommer in Rom verbrachten. Unter dem Rocksaum lugten ausgelatschte Sandaletten hervor. An so eine Frau hätte er freiwillig nie einen zweiten Blick verschwendet. Doch was sollte er tun, wenn sie ihn in seinem Hauseingang mit Worten konfrontierte, die er zuletzt im Alter von sechzehn Jahren gehört hatte? Dieses Mal war er sich jedoch keiner Schuld bewusst.

„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Renzo. „Oder herzliches Beileid? Das liegt bei Ihnen.“

„Sie haben mich nicht richtig verstanden“, antwortete die Frau.

„Offensichtlich nicht. Wie kommen Sie dazu, meiner Haushälterin zu sagen, Sie müssten mich dringend sprechen? Ich kenne Sie überhaupt nicht. Was fällt Ihnen ein, in mein Haus einzudringen?“

„Ich bin hier nicht eingedrungen“, widersprach sie sofort. „Luciana hat mir freiwillig die Tür geöffnet.“

Wenn das so ist … Renzo wunderte sich. Eigentlich wäre das ein Kündigungsgrund. Was hatte sie sich dabei gedacht? Wollte sie ihn bestrafen, weil ihr sein Frauenverschleiß gegen den Strich ging? Allerdings ging sie das überhaupt nichts an. Diese armselige Kreatur hier hätte er eher als Straßenmusikantin in Haight-Ashbury vermutet als in seinem Nobelviertel. Luciana irrte, wenn sie glaubte, er würde sich mit so einer einlassen.

„Gut, und jetzt werden Sie wieder verschwinden“, forderte Renzo ungehalten.

„Aber es ist Ihr Baby.“

Er lachte sie aus. Was hätte er sonst tun sollen? Irgendwie musste er die Anspannung lösen, die ihn bei den Worten überkommen hatte. Ein Widerhall aus der Vergangenheit. Aber mit diesem Hippiemädchen hier hätte er sich niemals eingelassen, schon gar nicht in den vergangenen sechs Monaten, die er schließlich als verheirateter Mann verbracht hatte. Die Ehe war eine Farce gewesen. Ashley war ihm ständig untreu geworden. Er hingegen war nicht ein einziges Mal fremdgegangen. Die Kleine mit dem kaum sichtbaren Babybauch log!

Die kurze Ehe war von unzähligen Auseinandersetzungen mit Ashley geprägt gewesen. Renzo hatte keine Ahnung, wie vielen in seine Richtung geschleuderten Vasen er ausgewichen war. Dabei eilte Kanadierinnen doch der Ruf voraus, freundlich und gelassen zu sein!

Nach jedem heftigen Streit hatte Ashley versucht, Renzo wieder für sich zu gewinnen, ihn zu zähmen. Offenbar war ihr nicht bewusst, dass sich ein Mann wie Renzo nicht zähmen ließ.

Er hatte Ashley nur geheiratet, um seinen Eltern etwas zu beweisen. Der Schuss war nach hinten losgegangen. Nach sechs Monaten wurde die Ehe geschieden, und er war wieder ein freier Mann. Theoretisch hätte er sich also auch mit dieser kleinen Rucksacktouristin vergnügen können. Praktisch konnte er es jedoch kaum erwarten, sie vor die Tür zu setzen.

„Das ist unmöglich, cara mia.“

Schockiert sah sie zu ihm auf.

Hatte sie sich wirklich eingebildet, er würde auf sie hereinfallen? Oder ihr wenigstens helfen? Renzo fing ihren Blick auf. „Tut mir leid. Ich kann ja verstehen, dass Sie Ihr Glück bei mir versuchen wollen. Immerhin bin ich als Playboy bekannt. Aber Sie sind hier an der falschen Adresse.“ Renzo bemühte sich um Gelassenheit. „Ich bin nämlich in den vergangenen sechs Monaten verheiratet und meiner Frau absolut treu gewesen.“

„Ashley Bettencourt“, stieß sie leise hervor.

Renzo musterte sie verblüfft, als sie den Namen seiner Exfrau aussprach. Dann fiel ihm ein, dass die Heirat ja weltweit Schlagzeilen gemacht hatte. Umso seltsamer, dass diese Frau hier ausgerechnet ihn bezichtigte, der Vater ihres Kindes zu sein. „Genau die war meine Frau. Das wissen Sie offensichtlich aus der Boulevardpresse.“

„Nein, ich habe Ashley in einer Bar kennengelernt“, behauptete sie. „Sie hat dafür gesorgt, dass ich schwanger werde.“

Ungläubig wich Renzo zurück. „So ein Unsinn!“

Verzweifelt raufte die Kleine sich die Haare, bevor sie die Hände zu Fäusten ballte. „Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären“, sagte sie leise. „Eigentlich hatte ich gedacht, Sie wüssten, wer ich bin.“

„Wieso sollte ich?“

„Ach, warum habe ich mich nur darauf eingelassen?“, stieß sie verzweifelt hervor. „Wahrscheinlich bin ich tatsächlich so dumm, wie mein Vater behauptet.“

Renzo wurde neugierig. „Das scheint mir auch so, cara“, sagte er vorsichtig. „Trotzdem bin ich gespannt auf Ihre Geschichte.“

„Okay.“ Sie atmete tief durch. „Ich arbeite als Aushilfskraft in einer Bar in der Nähe des Kolosseums. Dort hat Ashley mich angesprochen. Wir haben uns unterhalten. Sie hat mir von den Problemen in Ihrer Ehe erzählt und davon, dass sie einfach nicht schwanger wurde.“

Renzo war schockiert. Ashley und er hatten gar nicht versucht, ein Kind zu bekommen! Bereits kurz nach der Heirat war Renzo klargeworden, dass ein Zusammenleben mit Ashley unmöglich war. Deshalb hatte er die Scheidung eingereicht. Der Gedanke an gemeinsame Kinder war daher absurd.

„Ich fand es merkwürdig, dass sie mir von ihren Problemen erzählte. Wir kannten uns doch gar nicht. Aber Ashley tauchte auch an den nächsten beiden Abenden in der Bar auf. Ich vertraute ihr an, wie ich nach Italien gekommen war und dass ich praktisch von der Hand in den Mund lebe.“ Sie ließ den Kopf hängen. „Dann hat sie gefragt, ob ich bereit wäre, ihr Baby auszutragen“, erklärte sie leise.

Fassungslos musterte Renzo die Kleine. Dann stieß er einen langen Fluch in seiner Muttersprache aus. „Ich glaube kein Wort. Das Miststück hat Sie ausgetrickst.“

„Aber sie hat mir versichert, Sie wüssten Bescheid und wären einverstanden“, entgegnete sie. „Woher sollte ich wissen, dass Sie keine Ahnung hatten? Ashley meinte, es wäre alles ganz einfach. Wir fahren nach Santa Firenze, wo Leihmutterschaft legal ist. Dann müsste ich das Baby nur noch austragen – natürlich gegen Bezahlung – und das Neugeborene seinen Eltern übergeben. Ashley klang richtig verzweifelt. So verzweifelt, dass sie eine Wildfremde um Hilfe bat.“

Ein eiskalter Schauer lief Renzo den Rücken hinunter. Der Schock saß tief. Die Geschichte klang absurd. Andererseits war Ashley alles zuzutrauen. Besonders nach der Scheidung, auf die sie mit einem fürchterlichen Wutausbruch reagiert hatte. Sie hatte Renzo vorgeworfen, in Kanada geheiratet zu haben, weil eine Scheidung dort unproblematisch wäre. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen …

„Und Sie haben sich auf so etwas eingelassen? Wieso haben Sie nicht wenigstens darauf bestanden, vorher auch mit dem Ehemann zu reden?“

„Ashley behauptete, Sie könnten nicht mit zur Klinik in Santa Firenze kommen. Jeder hätte Sie sofort erkannt. Sie selbst hat sich mit einer riesigen Sonnenbrille getarnt.“

„Ich kann das alles nicht glauben.“ Frustriert fuhr Renzo sich durchs dichte schwarze Haar. „Wie viel Geld hat diese Schlange Ihnen bezahlt?“

„Nur einen Bruchteil. Den Rest sollte ich bekommen, wenn ich das Baby übergebe. Aber Ashley will das Baby nicht mehr haben, wegen der Probleme mit Ihnen“, fügte sie leise hinzu.

„Probleme?“ Renzo lachte abfällig. „Sie meinte wohl die Scheidung.“

„Vermutlich.“

„Ach, davon wussten Sie gar nichts?“

„Nein. Ich habe in der Jugendherberge keinen Zugang zum Internet.“

„Sie wohnen in der Jugendherberge?“, fragte er erstaunt.

„Ja.“ Verlegen senkte sie den Blick. „Mir ist das Geld ausgegangen. Jetzt halte ich mich mit dem Aushilfsjob in der Bar über Wasser. Eigentlich wollte ich gar nicht so lange in Rom bleiben. Aber vor drei Monaten hat Ashley mich dann ja angesprochen.“

„In der wievielten Woche sind Sie?“

„In der achten. Und nun will Ashley das Baby plötzlich nicht mehr. Aber ich will … ich kann nicht abtreiben, ohne Ihre Meinung gehört zu haben. Deshalb bin ich hier.“

Verständnislos sah er sie an. „Wenn ich das Kind auch nicht will, dann ziehen Sie es selbst auf? Oder wie soll ich das verstehen?“

Die Kleine lachte hysterisch. „Nein, ganz sicher werde ich das Kind nicht aufziehen. Ich will keine Kinder, und heiraten will ich erst recht nicht. Aber ich habe mich nun mal darauf eingelassen, als Leihmutter zu fungieren. Natürlich fühle ich mich jetzt für das Baby verantwortlich. Ashley war ja fast eine Freundin. Sie war der einzige Mensch, der hier mit mir gesprochen hat. Sie hat mir ihr Herz ausgeschüttet und mich praktisch angefleht, das Baby für sie auszutragen, weil sie sich so sehr ein Kind wünscht. Und plötzlich will sie nichts mehr davon wissen. Sie hat es sich anders überlegt, aber ich sitze nun damit da.“

„Was würden Sie denn tun, wenn ich das Baby auch nicht will?“

„Dann gebe ich es zur Adoption frei.“

„Aha.“ Angestrengt dachte Renzo nach. „Sagen Sie mal, hat Ashley Ihnen zugesagt, dass Sie den restlichen Geldbetrag erhalten, wenn Sie das Baby austragen?“

„Nein.“

„Deshalb sind Sie nun zu mir gekommen, oder?“

„Nein, ich bin hier, weil ich Ihre Meinung hören wollte“, erklärte sie. „Es hat mich stutzig gemacht, dass Sie sich offenbar überhaupt nicht für das Wohlergehen Ihres Kindes interessieren.“

Heiße Wut stieg in Renzo auf. „Dann hören Sie mir jetzt bitte mal genau zu! Meine Exfrau hat sich hinter meinem Rücken an Sie gewandt. Ich habe keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte. Wie ist es ihr gelungen, nicht nur Sie zu manipulieren, sondern auch den Gynäkologen? Und mich? Was bezweckt sie mit ihrem plötzlichen Rückzieher? Nach der Scheidung erhält sie keinen Cent von mir, deshalb will sie offensichtlich auch kein Kind mehr von mir haben, um das sie sich für den Rest ihres Lebens kümmern müsste. Vielleicht war es auch eine dieser für Ashley typischen Kurzschlussreaktionen. Ein spontaner Einfall. Möglich, dass sie mir das Baby als Überraschung in die Arme legen wollte und nun das Interesse daran verloren hat. Das spielt ja jetzt auch gar keine Rolle. Tatsache ist, dass ich keine Ahnung von ihrem Plan hatte und dass ich dieses Baby nicht will.“

Die Kleine sackte in sich zusammen, fing sich aber gleich wieder und schaute Renzo herausfordernd an. „Sie finden mich in der amerikanischen Jugendherberge, falls Sie es sich anders überlegen. Wenn ich nicht da bin, arbeite ich in der Bar gegenüber.“ Sie wandte sich um und machte Anstalten, auf die Straße zu gehen. Dann wandte sie sich noch einmal um. „Ich wollte, dass Sie Bescheid wissen, damit Sie später nicht behaupten können, Sie hätten von nichts gewusst.“

Im nächsten Moment war sie verschwunden.

Das war es, dachte Renzo und beschloss, keinen Gedanken mehr an das Hippiemädchen zu verschwenden.

So einfach war das aber nicht. In den nächsten drei Tagen kreisten Renzos Gedanken immer wieder um die Szene in seinem Hauseingang. Ich weiß nicht mal, wie sie heißt, dachte er. Außerdem wusste er nicht, ob sie die Wahrheit sagte oder ob dies auch nur wieder einer von Ashleys skurrilen Einfällen war. Vermutlich Letzteres. Wahrscheinlich sollte er ihr wieder ins Netz gehen. Irgendetwas hatte sie jedenfalls vor. So einfach ließ sie ihn sicher nicht aus ihren Fängen. Zumal sie nach der Scheidung keinen einzigen Cent mehr von ihm erhalten hatte.

Vielleicht ist diese Babygeschichte ihre Rache, dachte Renzo plötzlich. Leihmutterschaft war in Italien nicht rechtens. Deshalb war Ashley mit der jungen Frau nach Santa Firenze gefahren. Was kümmert es mich, dachte Renzo dann. Wahrscheinlich hat das Hippiemädchen sich die Geschichte sowieso nur ausgedacht. Andererseits konnte es nichts schaden, die Kleine aufzusuchen, um ihr mal auf den Zahn zu fühlen. Ja, genau das würde er tun. Das war er sich und Gilian schuldig. Schon einmal hatte er ein Kind verloren. Nie wieder durfte ihm das passieren! Entschlossen machte er sich auf den Weg zu der Bar.

2. KAPITEL

Esther Abbott atmete erleichtert auf. Sie musste nur noch einen Tisch abräumen, dann war ihre Schicht beendet. Hoffentlich hatte sie heute genug Trinkgeld zum Überleben eingenommen. Sonst war die nächste schlaflose Nacht schon vorprogrammiert.

Die schmerzenden Fuße konnte sie wohl kaum auf die Schwangerschaft schieben, dazu war die noch nicht weit genug fortgeschritten. Aber wenn man zehn Stunden auf den Beinen war, taten einem die Füße natürlich weh.

Sie musste aber arbeiten, um zu überleben. Was blieb ihr anderes übrig? Renzo Valenti hatte ja nichts von ihr und ihrem Schicksal wissen wollen. Ashley Bettencourt wollte nichts mehr mit ihr und dem Baby zu tun haben. Wahrscheinlich wäre es am besten gewesen, die von Ashley geforderte Abtreibung vornehmen zu lassen. Doch das brachte Esther einfach nicht übers Herz.

Sie befand sich in einer prekären Lage. Eigentlich hatte Esther sich von der Europareise die lange ersehnte Freiheit erhofft. Sie wollte etwas von der Welt sehen. Zu Hause regierte ihr Vater mit eiserner Hand. Als Mädchen war es ihr strikt verboten, zu lesen und zu lernen. Frauen sollten sich ganz auf die Hausarbeit konzentrieren. Nicht einmal den Führerschein durfte sie machen. Wozu auch? Sie würde ja sowieso immer und überallhin von ihrem Zukünftigen begleitet werden. Freiheit, Unabhängigkeit waren absolut tabu für eine Frau. Genau danach hatte Esther sich aber so sehr gesehnt. Diese Sehnsucht hatte sie in ernste Schwierigkeiten gebracht. Ihr Vater hatte sie aus der Kommune geworfen. Sie hätte es dort sowieso keinen Tag länger ausgehalten.

Natürlich hätte Esther sich fügen können, indem sie ihre geliebten Bücher und CDs entsorgt hätte. Doch das hatte sie kategorisch abgelehnt.

Zwar war die Kommune ihr Zuhause gewesen. Aber was war das für ein Leben, wenn man praktisch unter Gleichgesinnten eingesperrt war? Die Kommune lebte im Stil vergangener Jahrhunderte. Wenn Esther länger dort geblieben wäre, hätte man sie zwangsverheiratet. Esther galt als schwierig und widerspenstig. Deshalb wollte keine der anderen Familien sie als Schwiegertochter haben. Schließlich war ihrem Vater nichts anderes übriggeblieben, als sie aus der Kommune zu verstoßen, um ein Exempel zu statuieren.

Wenn die mich jetzt sehen könnten, dachte Esther und rang sich ein ironisches Lächeln ab. Schwanger, allein und in einer verruchten Bar angestellt. Die Kommunarden würden sie erst recht verachten. Sie selbst war auch nicht gerade glücklich über die Situation, in der sie sich befand. Hätte sie sich doch nur nicht auf Ashleys Vorschlag eingelassen! Aber das Geld hatte sie gelockt. Damit hätte sie ihr Studium finanzieren können. Den Job in der Bar hätte sie an den Nagel hängen können. Die Arbeit dort sagte ihr überhaupt nicht zu.

Als Rucksacktouristin durch Europa zu ziehen war weit weniger romantisch, als sie es sich vorgestellt hatte. Mit Ashleys Geld in der Tasche wären ihr Übernachtungen in schmutzigen Jugendherbergen erspart geblieben. Aber es war nicht nur die Aussicht auf ein finanzielles Polster, das Esther bewogen hatte, auf Ashleys Vorschlag einzugehen. Sie hatte Mitleid mit der Frau gehabt, die sich so sehnlich ein Kind wünschte, um ihre Ehe zu retten. Ashley hatte versichert, das Kind zu lieben und zu umsorgen. Dem Kind würde es niemals an etwas fehlen. Das hatte Esther gerührt. Sie selbst hatte sich immer ungeliebt von ihren Eltern gefühlt.

Nun erwies sich das Bild der glücklichen Vorzeigefamilie, das Ashley gemalt hatte, als Lüge, die Esther nur schwer ertragen konnte.

War das die Strafe für ihren Ungehorsam, für ihren starken Willen, ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten? So würde ihr Vater es zweifellos sehen. Esther lachte verbittert.

Irgendwie werde ich es schon schaffen, dachte sie entschlossen. Jedenfalls würde sie ganz sicher nicht wieder zu Hause angekrochen kommen. Diese Genugtuung gönnte sie ihrem Vater nicht.

Sie sah auf. Ja, sie wollte das Kind zur Welt bringen und dann dafür sorgen, dass es von einer liebevollen Familie adoptiert wurde. Die leiblichen Eltern wollten es ja nicht haben, und ihre eigene Aufgabe war es nur, das Baby auszutragen.

Plötzlich hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, und wandte sich um.

Renzo lehnte am Eingang der belebten Bar und fing Esthers Blick auf.

Groß, das schwarze Haar aus der Stirn gekämmt, im Maßanzug, der Renzos fantastische Figur perfekt zur Geltung brachte, stand er da und musterte sie.

Renzo Valenti, der Vater des Babys, das sie unterm Herzen trug. Der Mann, der sie vor drei Tagen erbarmungslos in die Wüste geschickt hatte. Esther hatte nicht erwartet, ihn je wieder zu sehen.

Ein Hoffnungsschimmer glomm in ihr auf. Hatte Renzo seine Meinung geändert? Würde er das Baby nehmen und sie für ihre Leihmutterschaft entschädigen?

Esther faltete das Wischtuch, steckte es in die Tasche und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Renzos intensiver Blick traf sie mit voller Wucht. Ihr wurde heiß. Schmetterlinge schienen plötzlich im Bauch zu flattern. Ein Beben ging durch Esthers schlanken Körper. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Der Boden unter ihr schien zu schwanken, die Welt stillzustehen. Alles sehr beängstigend.

Doch dann setzte auch Renzo sich in Bewegung und stand wenig später vor ihr. Ein unsichtbares Band schien sie zu verbinden.

„Wir müssen reden“, sagte er ernst.

„Haben wir das nicht schon getan?“, fragte sie mit bebender Stimme.

„Ja, aber ich war zu schockiert und konnte nicht klar denken“, erklärte Renzo.

„Tut mir leid. Ich dachte, Sie wüssten Bescheid.“

„Nein, ich hatte keine Ahnung. Inzwischen habe ich nachgedacht. Wenn Ihre Geschichte der Wahrheit entspricht, müssen wir eine Lösung finden.“

„Okay. Ich habe die Wahrheit gesagt. Die entsprechenden Papiere befinden sich bei meinen Sachen in der Jugendherberge.“

„Wer garantiert mir, dass die Papiere nicht gefälscht sind?“

Esther lachte ihn aus. „Ich habe keine Ahnung, wie man Papiere fälscht.“

„Das behaupten Sie. Aber kann ich Ihnen glauben? Ich kenne Sie nicht, weiß überhaupt nichts von Ihnen.“

„Warum sind Sie hier, wenn Sie mir nicht glauben?“ Sein wütender Blick machte ihr Angst. Trotzdem hielt sie ihm stand. „Offensichtlich halten Sie die Geschichte durchaus für möglich. Warum sollte ich ausgerechnet zu Ihnen kommen, wenn Sie mit der Sache nichts zu tun haben?“ Herausfordernd schaute sie ihn an.

„Dann begleite ich Sie jetzt zur Jugendherberge.“

„Okay, meine Schicht ist sowieso gerade beendet. Ich muss mich nur noch abmelden.“

Renzo hielt sie am Arm fest. Ein Prickeln überlief Esther. Ein ihr bisher völlig unbekanntes Gefühl. Es gab ihr zu denken.

„Sie kommen jetzt mit! Falls nötig, rede ich nachher mit Ihrem Chef.“

„Das geht nicht.“

Renzo lächelte überheblich. „Doch. Auf geht’s, cara mia.“ Unnachgiebig zog er sie hinter sich her auf die Straße.

„Sie wissen doch gar nicht, wo ich wohne“, protestierte sie.

„Doch. Zufälligerweise kenne ich Rom wie meine Westentasche.“

„Dies ist aber nicht der Weg zur Jugendherberge.“

„Oh doch. Sie werden schon sehen“, widersprach er.

Tatsächlich erwies sich diese Route als Abkürzung. Wenige Minuten später standen sie vor dem Eingang der Jugendherberge. Erstaunt musterte Esther ihren Begleiter.

„Gern geschehen“, sagte Renzo und lächelte selbstzufrieden, bevor er ihr höflich die Tür aufhielt.

„Gern geschehen?“ Ratlos sah sie ihn an.

„Ich habe Ihnen gerade eine Abkürzung gezeigt. Sie sparen in Zukunft also Zeit.“

„Ach so.“ Esther schob sich an ihm vorbei und führte ihn zu dem kleinen Zimmer am Ende des Korridors, das seit Wochen ihr Zuhause war. Sie teilte es sich mit drei anderen jungen Frauen.

Sie schlüpfte aus den Sandaletten und ging barfuß über den unebenen Steinfußboden zum Bett, wo sie ihre Sachen aufbewahrte, wenn sie nicht schlief. Müde zog sie den Rucksack heran und suchte nach den Papieren. Renzo kam näher. Die Atmosphäre in dem kleinen Zimmer war angespannt.

„Bitte sehr“, sagte Esther wenig später und hielt ihm einen großen Umschlag entgegen.

Renzo griff danach. „Was ist das?“

„Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen und der von Ashley und mir unterschriebene Vertrag“, erklärte sie. „Die Unterschrift Ihrer Frau, Pardon, Exfrau, werden Sie ja wohl erkennen.“

Renzo blätterte in den Unterlagen, fand die Unterschriften und sah auf. „Scheint echt zu sein“, sagte er schließlich und verzog das Gesicht.

„Am besten rufen Sie Ashley an“, schlug Esther vor. „Wahrscheinlich ist sie ebenso wütend auf Sie wie auf mich.“

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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