Der Millionär in meinem Bett

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Was für ein Mann! Niemand hat die bezaubernde Erin davor gewarnt, wie umwerfend attraktiv ihr neuer Hotelgast sein würde, der Millionär Sam Thornton. Jede seiner Berührungen ist wie Feuer auf ihrer Haut, jeder Blick eine sinnliche Versuchung. So sehr sie auch versucht, auf Abstand zu gehen, es gelingt ihr nicht - und ihr erster Kuss ist ein einziges erotisches Feuerwerk! Als Sam sich danach sofort wieder zurückzieht, ahnt sie, dass er irgendetwas vor ihr verbirgt. Und tatsächlich - Sam hütet ein Geheimnis, das ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird …


  • Erscheinungstag 10.02.2015
  • Bandnummer 1859
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720971
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Was wirst du nun tun?“

Erin schaute von der besorgten Miene ihrer Freundin zu dem Brief in ihrer Hand und schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

„Du musst mehr herausfinden. Dann bist du zumindest informiert, falls du kämpfen musst“, erwiderte Sasha hitzig. „Was stand gleich in dem Brief von neulich? Dass jemand behauptet habe, der Kinderwunschklinik sei ein Fehler unterlaufen? Ohne diese Behauptung zu untermauern? Mal im Ernst, vielleicht war das nur ein unzufriedener Mitarbeiter, der den Laden aufmischen wollte.“

„Tja.“ Erin hob den Brief, den sie von einer Anwaltskanzlei in San Francisco erhalten hatte, außer Reichweite des Babys, ihres Sohnes. „Irgendwer ist offenbar so überzeugt von der Sache, dass er ihr nachgeht. Und außerdem: Falls es stimmt und die Tests beweisen, dass Riley nicht von James ist, habe ich dann überhaupt das Recht, dagegen vorzugehen?“

„Du bist seine Mutter, oder nicht? Damit hast du jedes Recht der Welt. Diese ‚Partei A‘ …“, Sasha grinste spöttisch über die Bezeichnung, „… ist lediglich ein Spender.“

„Wirklich, Sash? Das ist ein bisschen hart. Dieser Mann und seine Frau dürften die Klinik aus demselben Grund aufgesucht haben wie James und ich. Ich denke, es wäre grausam zu sagen, er sei bloß ein Spender.“

Erin küsste Riley auf den Kopf, atmete tief den besonderen Duft ein, den Babys verströmen, und schwelgte wieder einmal in dem Wunder, das dieses Leben auf ihrem Schoß war.

Sasha besaß den Anstand, beschämt dreinzublicken. „Nun, so oder so bist du Rileys Mutter. Das kann niemand bestreiten, und es bedeutet, dass du die weit größeren Chancen auf das Sorgerecht hast.“

Das ist ein geringer Trost, dachte Erin, während sie den Brief abermals las. Sie hoffte, irgendetwas zu finden, auf das sie zurückgreifen konnte, um den DNA-Test abzuwenden. Dieser würde eindeutig bestimmen, wer Rileys Vater war – ihr verstorbener Mann James oder ein Fremder. Sie rückte Riley auf dem Schoß zurecht, wobei sich ihr das Herz schmerzhaft zusammenzog. Die Situation war abwegig. Riley musste James’ Sohn sein. Davon hing ihrer beider Sicherheit ab.

Fehler wie der, der angeblich unterlaufen war, durften schlicht nicht passieren. Nachdem James und Erin bei der In-vitro-Fertilisations-Lotterie gewonnen hatten, waren sie vom Lake Tahoe nach San Francisco gereist, um sich der Prozedur zu unterziehen, die zur Geburt von Riley vier Monate zuvor geführt hatte.

Nicht einen Moment lang war ihnen in den Sinn gekommen, die Klinik könnte einen solch verheerenden Fehler begehen. Ebenso wenig hatten sie geahnt, dass hinter den grippeartigen Symptomen, die sich einige Monate darauf bei James eingestellt hatten, eine bakterielle Infektion steckte – keine zwei Wochen nach Rileys Geburt war James an Herzversagen gestorben.

Somit stand Erin nun allein mit alledem da, und diese Erkenntnis drohte sie zu überwältigen. Das Blatt Papier in ihrer Hand zitterte, und sie legte es vor sich auf den abgenutzten Küchentisch – einen Tisch, an dem Generationen von Connells gesessen hatten. Und an dem, laut Konditionen der Vermögenstreuhand, auch künftig nur Connell-Generationen sitzen sollten.

Sie hatte geglaubt, dass alles in ihrem Zuhause von Rechts wegen Riley als James’ Sohn zustünde. Was, wenn sie falschlag? Sie strich das Schreiben auf der blanken Tischplatte glatt und wünschte inbrünstig, ihre Briefe heute nicht von der Post geholt zu haben – oder irgendwann sonst.

Sasha legte eine Hand auf ihre. „Keine Sorge, Erin. Riley ist dein Sohn. Daran kann nichts etwas ändern, ganz gleich, wer sein Vater ist. Schreib zurück, dass du mehr Informationen möchtest, bevor du dich auf irgendwelche Tests einlässt. Nichts in dem Brief, den du von den Anwälten der Klinik erhalten hast, ist bewiesen. Sie haben dir keinen eindeutigen Nachweis dafür geliefert, dass überhaupt eine Verwechslung stattgefunden hat – und das Schreiben von den Anwälten dieses Kerls ist eine Anfrage und keineswegs eine gerichtliche Anordnung.“

Erin wurde leichter ums Herz. „Du hast recht. Und wenn ich zurückschreibe, verzögert das den Lauf der Dinge wenigstens, nicht wahr?“

„Braves Mädchen.“ Sasha warf einen Blick auf die Küchenuhr und seufzte. „Tut mir leid, ich muss los. Die Schule ist bald vorbei.“

„Geh nur, hol deine Rasselbande. Mach dir keine Gedanken meinetwegen. Und danke, dass du vorbeigekommen bist, als ich vorhin die Nerven verloren habe.“

Nachdem Erin die Briefe gelesen hatte, war sie ein zitterndes Wrack gewesen. Ein Anruf hatte genügt, und ihre einzige wahre Freundin hatte alles stehen und liegen lassen, um ihr beizustehen. In einer Welt, die sich in den vergangenen zwölf Monaten drastisch gewandelt hatte, war Sashas stete, liebevolle Unterstützung ein Geschenk des Himmels für Erin.

„Hey, dafür sind Freunde da, oder? Ruf mich an, sobald du mehr weißt, ja?“ Sasha umarmte sie kurz. „Wann soll dein Gast eintreffen?“

„Ab fünf.“

„Wieder einen zahlenden Gast zu haben, hilft dir wenigstens finanziell auf die Sprünge. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass James dir und Riley nicht mehr hinterlassen hat.“

Der kritische Ton ihrer Freundin ließ Erin die Stirn runzeln. „Er hat sein Bestes getan, Sash. Keiner von uns hat damit gerechnet, dass er so früh sterben würde. Dann waren da noch die Arztrechnungen nach Rileys Geburt und James’ Krankheit – nun, du weißt ja, dass sie uns die Haare vom Kopf gefressen haben.“

„Ich weiß, tut mir leid. Es ist nur so unfair …“

Erin schluckte gegen den Kloß in ihrer Kehle an. Ja, es war unfair. Nach allem, was sie durchgemacht, was sie überstanden hatten. Erneut spürte sie die alte, vertraute Depression in sich aufsteigen und riss sich hastig zusammen. Sich an die Vergangenheit zu klammern, änderte nichts. Sie hatte Riley, und allein darauf musste sie sich konzentrieren.

Nachdem sie Sasha zur Tür gebracht hatte, wechselte sie Riley die Windel, ehe sie ihn stillte und für sein nachmittägliches Nickerchen ins Bett legte. Sobald er schlief, nahm sie das Babyfon an sich. So würde sie mitbekommen, falls Riley unruhig wurde. Danach ging sie rasch nach oben, um einen letzten Blick ins Gästezimmer zu werfen. Es war eine Ewigkeit her, seit Gäste auf Connell Lodge gewesen waren, und Erins Gedächtnis war schwangerschaftsbedingt nach wie vor nicht das beste. Sie traute sich durchaus zu, etwas Wesentliches vergessen zu haben.

Aber nein. Das Zimmer war perfekt und wirkte im Licht der Nachmittagssonne, das durch die Sprossenfenster hereinströmte, zudem anheimelnd. Das breite Bett war mit frischer, nach Lavendel duftender Wäsche bezogen. Eine verspielt arrangierte Auswahl an Rosen aus dem Garten zierte in einer Kristallvase die hohe Kommode an der Wand. Die breiten Bodendielen glänzten frisch gewienert. Das integrierte Bad war ebenfalls makellos. Saubere flauschige Handtücher hingen über der dafür vorgesehenen Stange, und am Haken hinter der Tür befand sich ein frisch aus der Reinigung kommender Bademantel mit ordentlich geknotetem Gürtel. Seifen, Shampoos, ja, von allem war reichlich da.

Das gegenüberliegende Zimmer hatte sie auf Bitte ihres Gastes hin in ein Arbeitszimmer umfunktioniert. Er arbeitete offenbar an einem Buch und brauchte Ungestörtheit. Tja, die würde er haben. Für die Dauer seines Aufenthaltes würde er der einzige Gast hier sein, ja sogar der erste seit Monaten. Seine Anfrage über ihre Website war genau zur rechten Zeit eingetroffen.

Das hatte sie vermisst – stolz einen für Gäste hergerichteten Raum zu betrachten und sich zu fragen, wie die Ankömmlinge sein mochten und ob es ihnen hier gefiel. Es tat gut, sich wieder in die Arbeit zu stürzen. Während James’ Krankheit hatten sie das Personal entlassen und keine Gäste mehr aufgenommen. In schwangerem Zustand James zu pflegen und sich allein um alles Übrige zu kümmern, war Erin über den Kopf gewachsen.

Im Geiste ging sie ihre Liste durch und prüfte, was sie bis fünf Uhr noch erledigen musste. Ja, trotz ihres kleinen Zusammenbruchs wegen der Post war sie nach wie vor auf Kurs. Und vorausgesetzt, dass ihr Gast pünktlich eintraf, bliebe ihr genug Zeit, ihm seine Räumlichkeiten zu zeigen und das Abendessen aufzuwärmen, ehe Riley aufwachte und gestillt, beschäftigt und gebadet werden wollte.

Während sie auf dem Weg nach unten den weichen, prächtigen Treppenläufer unter den Füßen spürte, stellte sie fest, dass sie zum ersten Mal seit Langem glücklich war. Vielleicht ging es ja doch endlich aufwärts.

Sam Thornton stieg aus dem Wagen und keuchte leise, als ihm der inzwischen vertraute Schmerz durch Bein und Hüfte schoss. Die gut vierstündige Fahrt von San Francisco hierher hatte seinem frustrierend langsam heilenden Körper gewiss nicht gutgetan. Er hätte bis Reno fliegen sollen, aber dann wäre er auf einen fremden Fahrer angewiesen gewesen, dem er nicht vertraute. Also hatte er sich eingeredet, dass es besser wäre, den gesamten Weg mit dem Auto zurückzulegen. Er richtete sich auf, atmete gegen den Schmerz an und streckte langsam die Glieder.

„Alles in Ordnung, Sir?“ Sein Fahrer umrundete den Wagen.

„Es geht gleich wieder, Ray, danke. Ich hätte auf Sie hören und Sie öfter halten lassen sollen – und sei es nur Ihretwegen, wenn schon nicht meinetwegen.“

Ray hob eine Braue. „War das etwa ein Schuldeingeständnis, Sir?“

„Sie wissen, dass es das war, und nun halten Sie den Mund und helfen Sie mir mit der Tasche.“ Sam lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Selbst an Sams schlechtesten Tagen – und diese waren zahlreich gewesen – hatte Ray schweigend ertragen, was immer sein reizbarer Boss ihm an den Kopf geworfen hatte.

Nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, sah Sam in Ray ebenso einen Freund wie einen Angestellten – und insgeheim war er dankbar dafür, in diesem Moment, da er sich für das Kommende wappnete, einen Freund an der Seite zu haben.

Sam betrachtete das imposante alte, im englischen Stil erbaute Landhaus. Die verputzte Fassade war stellenweise von einer Kletterpflanze überwuchert, die offensichtlich länger nicht beschnitten worden war. Das ganze Anwesen wirkte wie etwas, das langsam, aber unerbittlich in die Verwahrlosung abglitt.

Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Das Haus interessierte ihn nicht, und es scherte ihn keinen Deut, ob es in Schuss gehalten wurde. Ihm ging es um etwas weit Wichtigeres.

„Sind Sie sicher, dass ich nicht doch einen oder zwei Tage bleiben soll, Sir?“, fragte Ray, als er Sam Reisetasche und Laptoptasche reichte.

„Ich brauche keinen Babysitter“, entgegnete Sam eine Spur zu scharf. Kurz schloss er die Augen und atmete durch. „Tut mir leid, Ray. Was ich sagen wollte, ist: Nein, danke. Ich komme schon klar. Fahren Sie nur weiter zu Ihrer Tochter und machen Urlaub wie geplant. Sollte ich Sie brauchen, rufe ich an. Aber das wird hoffentlich eine Weile nicht der Fall sein.“

„In Ordnung.“

Ray nickte ihm zu, stieg in den schnittigen schwarzen Audi A6 und fuhr davon. Nun allein auf der Auffahrt, wusste Sam, dass es kein Zurück mehr gab. Er bückte sich nach seiner Reisetasche und ging auf das Haus zu, als eine hochgewachsene, schlanke Frau mit kurzem dunklem Haar die breite Vordertür öffnete und auf die überdachte Veranda trat.

Der Privatdetektiv, den er angeheuert hatte, um die junge Witwe aufzuspüren, hatte nicht erwähnt, wie attraktiv sie war.

„Guten Tag“, sagte sie. „Willkommen auf Connell Lodge. Sie müssen Mr Thornton sein.“

Sam blieb stehen und umklammerte die Trageschlaufen seiner Tasche so fest, dass ihm die Fingerknöchel schmerzten. Das konnte doch unmöglich sein. Er fühlte sich nicht angezogen von dieser Frau – durfte es nicht. Er rang gegen das Verlangen an, das ihm heiß durch die Adern rauschte. Doch sein Körper, dieser Verräter, stand bereits in Flammen. Das Feuer loderte in Regionen, die er so lange ausgeblendet hatte, dass er sie längst für taub gehalten hatte. Wohltuend taub.

„Mr Thornton?“

Sam war gefangen von der Sorge in ihren Augen – Augen von einem so tiefen Schokoladenbraun, dass ein Mann bereitwillig in ihnen ertrinken mochte. Er riss sich zusammen. Diese Frau bezauberte ihn überhaupt nicht. In keinerlei Hinsicht. Das würde er nicht zulassen.

„Ja, der bin ich. Nennen Sie mich doch Sam.“ Er setzte sich wieder in Bewegung, noch immer steif nach der Fahrt, und streckte die Hand aus.

„Ich bin Erin. Erin Connell, Ihre Gastgeberin.“

Sie gab ihm die Hand, und da wusste er, dass er den Kampf gegen sich selbst verloren hatte. Er war sich der Berührung messerscharf bewusst, ja fühlte regelrecht das Knistern zwischen ihren Handflächen, das sich seinen Arm hinaufzog. Zu seiner Überraschung stieß Erin ein leises „Oh!“ aus, ehe sie seine Hand losließ und einen Schritt zurückwich. Also hatte auch sie es gespürt. Na toll, dachte er verdrießlich. So etwas hatte nicht passieren sollen.

„Bitte kommen Sie herein, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer“, sagte sie, ihre Stimme ein wenig rauer als zuvor. „Darf ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?“

„Nein, danke, das schaffe ich schon.“

Sie schritt ihm voran ins Haus, wobei sie ihm einen ausgezeichneten Blick auf ihren kerzengeraden Rücken und die sanften Rundungen von Hüften und Hinterteil gewährte. Diese Rundungen steckten in hautengen weißen Jeans, die in einigen Ländern bestimmt verboten gewesen wären. Erneut traf ihn das Begehren wie ein Fausthieb unterhalb der Gürtellinie. Er zwang sich, tief durchzuatmen.

Das war verrückt. Erin Connell ist nicht einmal mein Typ, dachte er, während er ihr die alte Holztreppe hinauf in den ersten Stock folgte. Nicht dass er einen Typ hatte. Er wollte keinen, nie wieder. Aber trotz seines stummen Protestes ließ sich das nagende Interesse nicht leugnen.

„Kommen Sie aus Übersee?“, erkundigte sie sich.

Die Frage hörte er oft. „Nein. Ich stamme zwar aus Neuseeland, lebe aber seit acht Jahren in den USA.“

„Ach, tatsächlich? Nach Neuseeland wollte ich immer schon mal. Soll schön dort sein. Vielleicht schaffe ich es ja eines Tages“, meinte sie leichthin, als sie den oberen Treppenabsatz erreichten.

Wie gut, ihre verführerische Gestalt nicht mehr genau im Blickfeld zu haben. Er folgte Erin in ein großes, helles Zimmer, das nach hinten auf den geometrisch gestalteten Garten hinausging. Nun, zumindest nahm Sam an, dass in dem Garten einst klare Strukturen vorgeherrscht hatten, denn auch dort zeigten sich Spuren von Vernachlässigung. Er schaute sich im Zimmer um. Auf das Innere des Hauses erstreckte sich die Verwahrlosung jedenfalls nicht.

„Das ist Ihr Zimmer. Sie müssten alles haben, was Sie brauchen.“ Sie öffnete die Tür zum Bad. „Sollten Sie darüber hinaus etwas benötigen, lassen Sie es mich umgehend wissen.“

Ihr Lächeln verblasste, als er sie nur wie ein Idiot anstarrte. Er rang sich einen Laut der Zustimmung ab und hatte offenbar Erfolg damit, denn ihre Züge entspannten sich.

„Also, Sie hatten auch um ein Arbeitszimmer gebeten, weshalb ich Ihnen den Raum gegenüber entsprechend hergerichtet habe. Wenn Sie bitte mitkommen wollen?“

Er folgte ihr auf den Flur und in das vertäfelte Zimmer gegenüber. Ein Schreibtisch stand in der Nähe eines tief ins Mauerwerk eingelassenen Fensters, von dem aus man die private Bucht des Anwesens und den See dahinter überblickte.

„Ich dachte, Sie würden vielleicht gern das Seepanorama genießen, während Sie arbeiten“, fuhr sie fort. „Ich hoffe, das ist Ihnen recht?“

„Es ist fantastisch“, erwiderte er. Und das war es, auch wenn es ihm nicht gelang, das angemessene Maß an Dankbarkeit in seinem Ton mitschwingen zu lassen. Für den geringen Preis wäre er auch mit einer Besenkammer unter der Treppe zufrieden gewesen. Im Geiste notierte er sich, einen großzügigen Bonus draufzuschlagen für die Mühe, die sie sich eindeutig seinetwegen gemacht hatte. Wenngleich er bezweifelte, dass sie den Zuschuss annehmen würde, wenn sie erst herausfand, weshalb er hier war. „Vielen Dank.“

Wieder schenkte sie ihm ein Lächeln, das ihn wie ein Hieb in die Magengrube traf. „Gern geschehen. Wir … nun, ich möchte, dass meine Gäste sich wohlfühlen.“ Ihre Stimme klang leicht zittrig. „Ich lasse Sie jetzt auspacken. In Ihrer Buchungsmail schrieben Sie, dass Sie gern früh zu Abend essen. Daher habe ich Ihnen unten im Herd etwas warm gehalten. Das Speisezimmer liegt im Erdgeschoss, direkt gegenüber der Treppe. Im Zimmer befindet sich gleich neben der Tür ein Glockenzug. Läuten Sie nach mir, wenn Sie hier fertig sind.“

„Danke, aber Sie müssen mich nicht von vorne bis hinten bedienen, Erin.“

Ihr Name fühlte sich fremd an auf der Zunge und zugleich seltsam richtig. Hatte dieser Ort ihn mit einem bizarren Zauber belegt? Sogleich verwarf er diesen lächerlichen Gedanken. Nein, es war kein Zauber. Wenn überhaupt, hatte seine so absurde wie jähe Anziehung wohl urtümlichere, primitivere Wurzeln. Wurzeln, die weniger etwas mit Sex oder seiner lästigen wilden Begierde für Erin Connell zu tun hatten als vielmehr mit dem Umstand, dass er sie für die Frau hielt, die seinen Sohn zur Welt gebracht hatte.

2. KAPITEL

Sams Blick fiel auf das Babyfon, das Erin am Gürtel trug. Ihm wurde merkwürdig eng um die Brust. Wie aufs Stichwort quäkte es aus dem Apparat, und zum ersten Mal hörte Sam sein Kind schreien. Er blinzelte, weil ihm die Augen feucht wurden, und schluckte mühsam. Die Kehle war ihm mit einem Mal wie zugeschnürt. Er zwang sich, etwas zu sagen. „Ihr Baby?“

„Ja, mein Sohn. Er ist vier Monate alt, aber keine Bange, er wird Sie nicht stören. Wir wohnen im Erdgeschoss am anderen Ende des Hauses.“

„Kein Problem.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Bitte verstecken Sie ihn nicht vor mir.“ Das Greinen aus dem Babyfon wurde durchdringender. „Da verlangt jemand nach Ihnen. Lassen Sie sich nicht aufhalten.“

„Danke.“ Sie war bereits auf dem Weg zur Tür. „Denken Sie daran, einfach nach mir zu läuten, wenn Sie Ihr Essen möchten. Ich bringe es Ihnen dann sofort.“

Sam hob bejahend die Hand und sah ihr nach, als sie rasch das Zimmer verließ. Er stieß den Atem aus und wandte sich dem Fenster zu. Aufgewühlt schaute er auf den unbewegten See hinaus, vergebens darauf hoffend, dass der Anblick ihn mit einem Frieden erfüllte, den er zu lange schon nicht mehr verspürt hatte. Ein ganzes Jahr war seit dem Tod seiner Frau vergangen. Ein Jahr voller Schmerz, Verlust, Kummer und überwältigender Schuldgefühle. Er hatte jede einzelne Regung begrüßt und stoisch erduldet. Es war das Mindeste, das er hatte tun können, bedachte man, dass eine dumme Entscheidung seinerseits Laura das Leben gekostet hatte.

Er hatte sich geschworen, keine Beziehung mehr einzugehen – nie wieder. Er hatte sich sogar sterilisieren lassen, um sicherzustellen, dass er kein weiteres Leben ruinieren konnte. Das schuldete er Laura und ihrem Andenken. Bis heute war ihm das nicht schwergefallen, aber seine Gastgeberin hatte etwas an sich, das all seine männlichen Instinkte ansprach. Dass Erin Connell eine solche Wirkung auf ihn hatte, ärgerte und verunsicherte ihn gleichermaßen. Nicht einmal seiner wunderschönen Frau war er so leidenschaftlich, so heftig, so unmittelbar verfallen gewesen.

Es war ganz und gar falsch, vor allem, weil er nur deshalb an den Lake Tahoe gekommen war, um etwas zu tun, das sie ihm wahrscheinlich nie verzeihen würde. Er war hier, um ihren Sohn einzufordern.

Im Laufschritt eilte Erin zur Hintertreppe, die hinunter zu ihrem Wohnbereich führte. Himmel, was für ein scharfer Typ. Ganz zu schweigen davon, dass ihr erster Gast seit der Wiedereröffnung um einiges jünger und attraktiver war, als sie erwartet hatte. Unwillkürlich rieb sie sich die rechte Hand an der Hüfte in dem Bemühen, das Kribbeln zu vertreiben, das mit Sams Händedruck begonnen und sich in ihrem Körper ausgebreitet hatte, wann immer er sie angesehen hatte.

Sie rannte die Stufen hinab und geradewegs zu Rileys Kinderzimmer, den wedelnden Ärmchen entgegen, die nach ihrer Aufmerksamkeit verlangten. Sie hob ihren Sohn hoch, barg ihn an der Schulter und wiegte ihn, wobei sie die beschwichtigenden Laute von sich gab, die ihn stets beruhigten. „He, kleiner Mann“, sagte sie zärtlich. „Hast du gut geschlafen? Allerdings nicht lange genug, nicht wahr? Hast du unseren neuen Gast ankommen hören? Hast du Angst, etwas zu verpassen, hm?“

Erin trug ihn zum Wickeltisch, zog ihm die nasse Windel aus und ersetzte sie durch eine frische. Dabei redete sie weiter mit Riley. „Ich kann dir nicht zum Vorwurf machen, dass du unseren Mr Thornton kennenlernen möchtest. Er ist nämlich ganz schön heiß. Nicht dass mich das interessiert, weißt du. In meinem Leben gibt es nur einen einzigen Mann.“ Sie beugte sich vor und prustete Riley auf den kleinen Bauch. „Und der bist du!“

Als sein vergnügtes Glucksen verebbte, hob sie ihn hoch, darum bemüht, sich auf das einzig Wichtige zu konzentrieren – auf ihren Sohn. Sam Thornton hatte sie gänzlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Er war nicht im Mindesten so, wie sie sich ihn anhand seiner höflichen E-Mails vorgestellt hatte. Sie hatte jemanden erwartet, der älter und … nun, langweiliger war. Nicht so sexy.

Er trug sein dunkelblondes Haar kurz geschnitten, und die Falten auf seiner Stirn und um seinen Mund deuteten darauf hin, dass er selten lachte. Doch seine schiefergrauen Augen waren hypnotisierend. Erin hatte das Gefühl, dass er ihr bis in die Seele blicken könnte, wenn er wollte. Und dann war da seine Berührung gewesen.

Sie erschauerte, wobei sie Riley ein wenig zu fest drückte und sich ein empörtes Quietschen einhandelte. Nein, sie wollte nichts von diesem Mann, auch wenn es eine Ewigkeit her war, dass sie sich durch jemanden ganz und gar weiblich gefühlt hatte.

Erin ging in die Küche und legte Riley in die Babywippe auf dem Tisch, von der aus er verfolgen konnte, was sie tat. Sie drehte die seitlich befestigte Halterung des Spielzeugmobiles so, dass er dieses in Reichweite hatte, falls ihm langweilig wurde. Vor sich hin summend, belud sie ein großes Tablett mit Gewürzen, die zu Rinderschmorbraten mit Rotwein passten.

Den Schmorbraten hatte sie im Laufe des Tages vorbereitet und im Backofen warm gestellt. Zusammen mit dem cremigen Kartoffelbrei und dem frischen grünen Gemüse aus dem Garten würde der Braten eine herzhafte Mahlzeit für ihren Gast abgeben. Vielleicht zu herzhaft, bedachte man, dass es Spätsommer war und die langen Abende noch herrlich warm waren.

Was soll’s, dachte sie. Wenn er sich beschweren wollte, sollte er sich an die Geschäftsleitung wenden. Sie lächelte – die Geschäftsleitung war sie. Es war eine Rolle, die ihr selbst, wenn alles gut lief, einiges abverlangte. Aber Erin liebte Connell Lodge von ganzem Herzen.

Als sie sich hier beworben hatte, um Teil des – damals umfangreicheren – Hauspersonals zu werden, hatte sie sich erstmals im Leben an einem Ort zu Hause gefühlt. Sie war mit leeren Händen gekommen und hatte sich ein Leben aufgebaut, eine Familie gegründet und sich endlich zugehörig gefühlt.

Zehn Jahre später nun wurde dies alles von einem Fremden bedroht, der behauptete, dass Riley nicht der Sohn ihres verstorbenen Mannes sei. „Partei A“, wer immer sich dahinter verbarg, hatte ja keine Ahnung, was er angerichtet hatte.

Was sie brauchte, war ein Anwalt. Doch der hatte seinen Preis, und den konnte sie unmöglich zahlen. Die Kanzlei, die sich seit über hundert Jahren um die Belange der Familie Connell kümmerte, würde sie auf keinen Fall bemühen. Immerhin waren dies die Leute, die sie und Riley vertreiben würden, sollte diese Vaterschaftssache ungünstig ausgehen.

Sie schüttelte den Kopf. Sie war James’ Frau gewesen, Punkt. Riley war ihr gemeinsamer Sohn. Connell Lodge war Rileys Zuhause und sollte es sein Leben lang bleiben. Die antiquierte Treuhand, die das Anwesen verwaltete, duldete nur direkte Nachfahren des Urvaters James Connell, der das Haus im frühen zwanzigsten Jahrhundert errichtet hatte. Als James’ legitimer und leiblicher Sohn hatte Riley jedes Recht, hier zu leben – und mit ihm sie, seine Mutter.

Eine unheilvolle Ahnung jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Was, wenn tatsächlich ein Fehler unterlaufen war?

Gott, sie hasste die ganze Angelegenheit und die heikle Situation, in die sie dadurch geraten war. Wenn sie in diesem Moment hätte gehen müssen, hätten sie und Riley nichts als die Kleider am Leibe und ein Taschengeld auf dem Bankkonto gehabt. Erin konnte sich keiner besonderen Fähigkeiten rühmen. Verflixt gut war sie lediglich darin, das Landhaus auf Vordermann zu bringen und sich um ihre Gäste zu kümmern.

Dass sie buchstäblich das Dach über dem Kopf verlor, kam nicht infrage. Irgendwie musste sie an Beweise gelangen, die diesen Albtraum verpuffen lassen würden.

Ein Name kam ihr in den Sinn: Janet Morin. Erin hatte sie während des Geburtsvorbereitungskurses kennengelernt und wusste, dass Janet geplant hatte, unmittelbar nach der Geburt ihrer Tochter wieder stundenweise in ihrer Anwaltskanzlei in South Lake Tahoe zu arbeiten. Vielleicht konnte sie Erin helfen oder ihr zumindest Wege aufzeigen, ohne dass es ein kleines Vermögen kosten würde. Sie nahm sich vor, Janet in den nächsten Tagen zu kontaktieren.

In diesem Augenblick stieß sich Riley die Nase an dem Spielzeug, das er in der Faust hielt, und begann ohrenbetäubend zu brüllen. Erin schnallte ihn los und nahm ihn auf den Arm, doch er war untröstlich. „Schhh, Riley-Bärchen, schhh.“ Sie drückte ihn an sich und übersäte sein kleines Gesicht mit Küssen, von denen er sich aber nicht besänftigen ließ.

Aus Erfahrung wusste sie, dass es nur eine Sache gab, die ihn beruhigte. Während sie aus den Augenwinkeln das altmodische Brett mit den Glocken beobachtete, die mit den Haupträumen des Hauses verbunden waren, setzte sie sich auf einen Küchenstuhl, knöpfte den oberen Teil ihrer Bluse auf und legte eine Brust frei.

Riley nuckelte begierig, und Erin wischte ihm die Tränen von den Pausbäckchen. „Oh, Riley, du hast dir keinen guten Zeitpunkt ausgesucht, mein Engel. Unser Gast wird jeden Moment unten sein und essen wollen. Ich glaube kaum, dass es ihm gefällt, wenn ich es ihm mit dir an meiner Brust serviere.“

„Ich warte gern.“

Die Stimme von der Tür her ließ Erin zusammenzucken, wodurch Riley ihrer Brust entzogen wurde. Rasch legte sie ihn wieder an und rückte sich die Bluse etwas züchtiger zurecht. „Tut mir leid.“ Sie spürte, wie sie rot wurde, als sie sah, worauf Sam Thornton den Blick gerichtet hatte. „Ich habe Sie nicht läuten gehört.“

„Ich habe auch nicht geläutet.“ Humpelnd kam Sam an den Tisch und zog sich einen Stuhl heran. „Ich war gerade im Speisezimmer. Es ist ein hübscher Raum, aber der Gedanke, dort allein zu essen, gefiel mir nicht. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich hier mit Ihnen essen würde?“

Hatte sie etwas dagegen? Ein Teil von ihr schrie: „Ja, und ob!“ Doch in seiner Stimme schwang etwas Flehendes mit, eine Einsamkeit, die sie bis ins Mark traf. Erklärte das die Schatten in seinen Augen? Die Falten in seinem attraktiven Gesicht?

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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