Der Prinz und die schöne Unschuld

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"Darf ich Ihnen im Namen des Königreichs Atilia mein Beileid aussprechen?" Pia ist schockiert! Als sie diesen Mann das letzte Mal gesehen hat, lag er schlafend im Bett, während sie sich heimlich aus der Suite des Luxushotels stahl: nicht länger unschuldig, erschrocken über die Dinge, die er ihr beigebracht hat, und überzeugt davon, dass sie ihn nie wiedersieht. Doch jetzt trifft die schöne Erbin ihn beim Begräbnis ihrer Eltern: Er ist der Kronprinz von Atilia! Der ihr tief in die Augen sieht - bis ihr Bruder ihn vor allen Trauergästen wütend zur Rede stellt …


  • Erscheinungstag 16.06.2020
  • Bandnummer 122020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714215
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Für uns zählt nur das Blut − das königliche Geblüt“, hatte Kronprinz Ares’ herrischer Vater seinem Sohn schon als Fünfjährigem erbarmungslos gepredigt.

Doch natürlich hatte Ares nicht begriffen, was der König damit meinte. Er wusste nicht, was sein Vater unter Geblüt verstand, oder was das ihm, dem jungen Prinzen, abverlangte. Mit fünf war Ares wichtig, wie viele Stunden er täglich durch die Palastanlagen toben konnte − außerhalb der Befehlsgewalt seiner Nanny, die ständig versuchte, einen Gentleman aus ihm zu machen.

Dennoch hatte Ares schmerzlich erfahren müssen, dass keiner es wagen durfte, seinem Vater zu widersprechen.

Der König hatte immer recht. Sich gegen den König aufzulehnen, war töricht.

Mit zehn wusste Prinz Ares dann genau, was sein Vater mit königlichem Blut meinte − aber er konnte es nicht mehr hören. Es war doch nur Blut. Niemand machte eine große Sache daraus, wenn er sich das Knie schrammte − dennoch musste er sich unerbittlich das Gerede von der Wichtigkeit des Geblüts anhören.

Schließlich war es das gleiche Blut, das aus den Schrammen quoll, wenn Ares ungezogen war, was seiner alten Nanny graue Haare bescherte.

„Du bist nicht wichtig“, hielt sein Vater ihm erbost vor, wenn er zu ihm bestellt wurde. „Du bist nur ein Glied in einer endlosen Folge von Königen − nicht mehr!“

Unbeherrscht schleuderte der König Flaschen und Karaffen nach Ares, wenn er sich in seinen Privatgemächern wieder einmal über seinen Sohn austobte. Ares hasste diese Vorladungen, doch niemand fragte ihn, ob sie ihm gefielen.

Wie oft hatte man ihn ermahnt, sich nicht zu rühren, wenn sein Vater wütete. Dann hieß es stillsitzen, geradeaus blicken, keine Regung zeigen. Für den zehnjährigen Ares die reinste Qual.

„Dein Vater sucht eine Art Blitzableiter“, versuchte seine Mutter ihm mitfühlend klarzumachen, wenn sie sich später zu ihm setzte und ihm liebevoll die Wangen streichelte. „Sitze aufrecht und gerade da, wenn es wieder einmal so weit ist … du darfst nicht blinzeln, dir nie anmerken lassen, was in dir vorgeht.“

„Und wenn ich etwas zurückschleudere?“

Das entlockte der Königin nur ein trauriges Lächeln. „Auf keinen Fall. Bitte nicht, mein Sohn.“

Im Lauf der Zeit war das Ganze für Ares zu einer Art Spiel geworden. Stocksteif mimte er die Statue, als die er die königliche Galerie im Nordpalast des sagenumwobenen Inselreichs Atilia eines Tages zieren würde − ganz aus Marmor und Gold, mit einer Abstammungsplakette, auf der seine Errungenschaften verzeichnet sein würden.

„Seit Jahrhunderten trägt unser Königshaus die Krone Atilias“, donnerte sein Vater wieder einmal, während Ares sich einzureden versuchte: Ich bin aus Stein. „Und jetzt ruht die Königswürde ausgerechnet auf deinen Schultern … eines Schwächlings, von dem ich kaum glauben kann, dass ich ihn gezeugt habe.“

Ein Block aus Stein, sagte Ares sich dann, während er starr aus den Fenstern aufs Meer hinausblickte.

Als junger Mann hatte Ares die Kunst perfektioniert, in Gegenwart seines Vaters tödlich stillzusitzen. Ja, er hatte diese Kunst sogar noch verfeinert, weil er inzwischen sicher war, keinen Tropfen des Blutes des alten Königs in den Adern zu haben. Er hasste seinen Vater und konnte unmöglich mit ihm verwandt sein.

„Solche Dinge darfst du nie aussprechen“, warnte seine Mutter ihn dann ermattet und blickte ihn flehend an. „Niemand am Hof deines Vaters darf je an deiner Abstammung zweifeln, Ares. Versprich es mir.“

Und natürlich hatte er es ihr versprochen. Für seine Mutter tat er alles.

Dennoch war dem Kronprinzen nicht immer danach, Statue zu spielen. Gelegentlich funkelte er seinen Vater so rebellisch an, dass der König sich vergaß und etwas nach ihm schleuderte, statt an die Palastmauern.

„Du bist eine einzige große Enttäuschung für mich“, brüllte der Alte ihn bei jeder Vorladung an – die glücklicherweise nur wenige Male im Jahr stattfand. Normalerweise wurde Ares auf irgendein Internat in Europa abgeschoben. „Wieso hat das Schicksal mich mit einem so schwachen, unverschämten Erben bestraft?“

Was Ares natürlich veranlasste, die schlimmsten Erwartungen seines Vaters zu erfüllen.

Er stürzte sich ins pralle Leben … genoss das süße Leben in allen Teilen der Welt in vollen Zügen.

Für ihn war Europa ein einziger großer Spielplatz. Er fand Freunde in den schrecklich vornehmen Internaten, aus denen er regelmäßig schnell wieder herausflog. Gemeinsam mit seinen reichen, gelangweilten Kumpeln zog er über den Kontinent − von den Alpen zu den Stränden am Mittelmeer und zurück. Er tummelte sich auf Underground-Partys in Berlin, feierte wilde Orgien auf exklusiven Superjachten an den glamourösen Plätzen des Mittelmeers.

„Du bist jetzt ein Mann“, erklärte sein Vater ihm verbittert an Ares’ einundzwanzigstem Geburtstag. „Jedenfalls dem Alter nach.“

Nach den Gesetzen des Inselreichs wurde der königliche Erbe nun offiziell zum Kronprinzen und Nachfolger des Königs ernannt. Damit war Ares’ Platz in der Thronfolge und damit auch die Rangfolge seiner Nachkommen endgültig festgeschrieben.

Noch mehr Geschwafel über das Geblüt, dachte Ares, der das einfach nicht mehr hören konnte. Längst fand er viel mehr Spaß an gesellschaftlichem Glanz − und was er anstellen konnte, wenn er erst einmal Zugriff auf sein eigenes Riesenvermögen hatte.

„Keine Sorge, Vater“, versicherte er dem Monarchen nach der Ernennung zum Thronfolger. „Ich habe nicht vor, dich jetzt als dein endgültiger, offizieller Erbe weniger zu entsetzen als bisher.“

„Du hast dich genug ausgetobt, um den Planeten doppelt zu bevölkern“, erboste sich der alte König.

Ares machte sich nicht die Mühe, ihm zu widersprechen − weil der alte Herr da gar nicht so falschlag. Das wäre zu unverschämt gewesen … obwohl König Damascus selbst berüchtigt war für sein wildes Sexleben …

Aber er war ja auch seit der Kindheit mit Ares’ Mutter verlobt gewesen.

Ein weiterer Grund, warum Ares seinen Vater hasste.

„Du billigst das nicht?“ Längst hatte Ares aufgehört, in den Gemächern seines Vaters Statue zu spielen.

Inzwischen war er ein erwachsener Mann − der Thronerbe und zukünftige Herrscher über das Inselkönigreich – und war berechtigt, überall im Namen der Krone aufzutreten, die er eines Tages tragen würde. Selbstbewusst stand er am Fenster und ließ den Blick auf sanfte Hügel und das kristallklare blaue Wasser auf sich wirken.

Vor ihm breitete sich das Ionische Meer aus … mit dem Gemurmel der Wellen, dem zarten Blütenduft, den die Brise herübertrug. Das alles würde irgendwann sein Atilia sein …

Dann brauchte er keine Rücksicht mehr zu nehmen auf den König und dessen Gewohnheit, Vasen zu zerschmettern und in Wutanfälle auszubrechen.

„Höchste Zeit, dass du heiratest“, fuhr der Alte fort.

Amüsiert drehte Ares sich zu ihm um, lachte schallend, als er merkte, dass sein Vater es ernst meinte. „Sicher kannst du dir denken, wie scharf ich darauf bin.“

„Ich wage nicht, mir auszumalen, was du als unverheirateter Thronerbe alles anstellen wirst.“

„Dir wird wohl nichts anderes übrigbleiben“, hielt Ares ihm nur spöttisch vor, was sein Vater an ihm nicht kannte. „Ich habe nicht die Absicht, jemals zu heiraten.“

An dem Tag zerschmetterte sein Vater die kostbare Karaffe, ein dreihundertfünfzig Jahre altes, unschätzbares Familienerbstück. Direkt neben Ares zerbarst das Prunkstück in tausend Scherben, doch er zuckte mit keiner Wimper, blickte den Alten nur ungerührt an.

Doch damit war etwas in Ares zerbrochen.

Nicht wegen des Splitterregens, der auf ihn hinunterprasselte, sondern wegen des Wutausbruchs seines Vaters. Ares ertrug es einfach nicht mehr.

Es war der ganze hässliche Auftritt … das Titelgehabe, das hochtrabende Gerede vom Königreich, das Geschwafel vom königlichen Geblüt, das seinem Vater so viel bedeutete. Seine Eltern hatte Ares kaum zu Gesicht bekommen … nur eine endlose Parade von Bediensteten, die ihn gelegentlich seinem Vater vorgeführt hatten. Und auch nur dann, wenn sie hoffen konnten, dass der Prinz sich anständig aufführte.

Wenigstens halbwegs.

Am liebsten würde Ares darauf verzichten, ein Prinz zu sein. Dann müsste er das idiotische Blut nicht an die nächste Generation weitergeben.

Er hatte nicht die Absicht zu heiraten.

Und Kinder wollte er schon gar nicht.

Vielleicht lag es sogar an dem Geblüt und der Krone, dass aus seinem Vater ein Monster geworden war. Für Ares war der Mann ein Ungeheuer. Seiner Frau, der Königin, gegenüber verhielt er sich eiskalt, aber beherrscht … doch Ares bekam die Karaffen und Wutanfälle ab. Und er hatte nicht vor, das Blut eines Tobsüchtigen an seine Kinder weiterzugeben. Nie und nimmer.

„Du hättest deinen Vater nicht so reizen dürfen, Ares“, hielt seine Mutter ihm Jahre später sanft vor, nachdem sein Vater ihn wieder einmal mit Gerede vom Heiraten in den Ohren gelegen hatte. Da war Ares sechsundzwanzig. „Sonst müssen wir Kristallkaraffen aus dem Südpalast kommen lassen.“

Das Wirtschafts- und Handelszentrum mit dem offiziellen Regierungssitz der Herrscherfamilie befand sich auf der nördlichsten Insel des alten Königreichs Atilia, während der Südpalast mit seinen herrlichen mediterranen Stränden der Erholung und Freizeit diente, wo man atmen und sich frei fühlen konnte, wenn die Last der Staatsgeschäfte zu erdrückend wurde.

Nicht dass Ares diese Bürde auf sich zu nehmen gedachte. Er hielt sich lieber auf der Südinsel auf. Nach offiziellen Pflichtreisen durch die Welt gönnte er sich dort ausgiebige Erholungswochen, bis sein Vater ihn zu sich bestellte, wo Ares endlos langweilige Predigten über Geblüt und Verpflichtungen über sich ergehen lassen musste.

„Ich verstehe einfach nicht, was den Alten antreibt“, bemerkte Ares trocken. „Täte ich es, wären die letzten zwanzig Jahre anders verlaufen. Dann hätte es im Palast nicht so viel Krach und Scherben gegeben.“

Wie so oft, hatte seine Mutter daraufhin nur traurig gelächelt. Weil sie ihn vor seinem Vater nicht retten, den König nicht dazu bringen konnte, den Kronprinzen so zu behandeln wie sie – eiskalt und gleichgültig. „Es ist nicht verwerflich, sich Gedanken über die nächste Generation zu machen“, hatte sie zu bedenken gegeben.

„Ich habe es einfach nicht in mir“, hatte Ares ausgesprochen, was er seit Jahren wusste, und die verhärmten Züge seiner geliebten Mutter betrachtet. „Falls du mir das Heiraten schmackhaft machen willst und etwas gut daran findest, Königin dieser Inseln zu werden, kann ich dieses zweifelhafte Vergnügen niemandem empfehlen.“

Das stimmte leider. Auch, dass Ares das Leben genießen wollte. Zwar bewohnte er im Saracen House auf der Nordinsel einen separaten Palastflügel, doch dort ließ er sich praktisch nie blicken. Lieber hielt er sich im turbulenten Berlin oder in London auf, wo das wahre Leben pulsierte. Oder im aufregend verrückten New York, wo es Tag und Nacht rundging.

Eigentlich an jedem Ort, wo sein Vater nicht in Erscheinung trat.

Im Übrigen hatte Ares noch keine Frau kennengelernt, mit der er mehr als eine Nacht verbringen wollte. Und schon gar nicht ein ganzes Leben – voller Pomp, Tradition und Standesdünkel. Die Frau, für die er seine Meinung änderte, musste erst noch geboren werden.

Dass es sie nicht gab, bereitete ihm keinerlei Kopfschmerzen.

„Ich sehe, wie du mich betrachtest, Ares“, bemerkte seine stets elegante Mutter. Wie so oft saß sie würdevoll und kerzengerade in ihrem Lieblingsraum des Palasts, in das die Sonne hell hereinschien. „Aber ich weiß noch gut, wie es war, jung und voller Lebenshunger zu sein.“

„Bitte komm mir nicht mit Geschichten aus deiner tollen Jugendzeit“, wehrte Ares ab. „Mir kommt es eher so vor, als hättest du sie im Kloster verbracht.“

Das geheimnisvolle Lächeln der Königin beruhigte Ares. Er konnte nur hoffen, dass seine Mutter auch Schöneres kennengelernt hatte als die trostlose Ehe mit seinem gefühlskalten Vater.

„Du musst dir eine Frau aus deinen Kreisen suchen“, drängte seine Mutter ihn liebevoll. „Wie immer eure Beziehung wird – was ihr Eheleute untereinander ausmacht –, sie muss eine Königin ohne Makel sein. Das gilt auch für die Kinder, die ihr habt. Verstehst du, was ich meine?“

Das verstand Ares nur zu gut. Doch da hatte er eigene Vorstellungen.

„Klar.“ Ares lachte unbekümmert. „Dass ich mit dem Heiraten möglichst lange warten sollte.“

Als Ares Mitte dreißig war, starb seine Mutter unerwartet: Krebs im Endstadium, der viel zu lange unentdeckt geblieben war. Ares stand immer noch unter dem Schock des Verlusts, als sein Vater ihn Monate nach ihrer Beerdigung in den Nordpalast zitierte.

„Es war der Herzenswunsch deiner Mutter, dass du heiratest“, eröffnete der König ihm und schwenkte drohend ein schweres Kristallglas. „Dein königliches Geblüt gebietet, dass du endlich deine Pflicht erfüllst, Ares. Spiel und Spaß sind vorbei.“

Doch Ares war nun mal nicht nach Pflichten zumute, die sein königliches Geblüt ihm auferlegten.

Seine geliebte Mutter hatte ihm ihre wie einen Schatz gehüteten Tagebücher hinterlassen, und da Ares sie schmerzlich vermisste, vertiefte er sich in die Eintragungen, um sich ihr nahe zu fühlen.

So erfuhr Ares die Wahrheit über seine Eltern – oder, besser gesagt, seinen Vater und ihre königliche Ehe. Nach Ares’ Geburt hatten die Ärzte seinen Eltern klargemacht, dass die Königin keine Kinder mehr haben konnte. Danach hatte sein Vater sich keinen Zwang auferlegt und war öffentlich mit wechselnden Geliebten aufgetreten.

Natürlich hatte Ares schon als Junge gemerkt, welche Rolle die „netten Damen“ bei Hof in Wirklichkeit spielten.

Sein Vater hatte seiner Mutter das Herz gebrochen … rücksichtslos, wenn er mit wieder einer anderen Geliebten ins Bett ging.

Das machte Ares’ Beziehung zu seinem Vater noch unerträglicher. Er hasste den Mann aus tiefstem Herzen.

„Sie haben meine Mutter ständig schamlos betrogen.“ Bewusst siezte er den Alten und ballte die Hände zu Fäusten. „Und jetzt, nach ihrem Tod, wagen Sie es, auf ihre Herzenswünsche zu pochen?“

Der König verdrehte die Augen. „Ich bin es leid, dich mit Samthandschuhen anzufassen und deine dreisten Weigerungen hinzunehmen.“

„Wenn Ihnen so viel an der königlichen Abstammung liegt, schlage ich vor, Sie kümmern sich selbst um die Nachfolge, Hoheit! Ich habe nicht vor, die Drecksarbeit für Sie zu machen. Also müssen Sie sich schon selbst ins Zeug legen, mein ach so frauenfreundlicher königlicher Vater und Gebieter. Merken Sie sich eins: Mit mir können Sie nicht rechnen.“

Wütend brauste der König auf: „Das überrascht mich nicht. Schwächling bleibt Schwächling! Am liebsten würdest du deinen Thron verschenken.“

Warum nicht? dachte Ares. Er hatte den Thron nie gewollt. Und schon gar nicht Kinder. Er wollte frei sein − mehr nicht! In dem kalten Lügenpalast sollten keine Kinder aufwachsen.

Nie und nimmer würde er eine Frau behandeln wie sein Vater seine Mutter.

Der König heiratete sofort wieder – eine Frau, die jünger war als Ares. Der mit seiner Weigerung, zur Hochzeit zu erscheinen, einen Skandal auslöste.

Das Königreich stand Kopf. Die königlichen Berater waren außer sich.

„Der Thron ist befleckt“, ereiferte sich der Kabinettsminister Sir Bartholomew, der mit einem Beratergefolge extra nach New York City eingeflogen war. Er musste Ares zur Vernunft bringen, der sich seit der katastrophalen Auseinandersetzung mit seinem Vater weigerte, sich mit ihm im selben Raum aufzuhalten. „Das Königreich ist in Aufruhr. Ihr Vater hat seine Geliebte als neue Königin installiert, welche Schande! Falls sie Kinder haben, will der König ihnen Vorrang in der Thronfolge einräumen. Das dürfen Sie nicht zulassen, Hoheit.“

„Wie sollte ich es verhindern?“, fragte Ares ungerührt.

Er lebte am anderen Ende der Welt, verbrachte seine Zeit mit royalen Auftritten und Wohltätigkeitsveranstaltungen im Namen seiner Mutter und genoss das Leben. Die Regenbogenpresse feierte ihn. Je freier er den Hass auf seinen Vater auslebte, desto begeisterter bejubelte man seine Kapriolen, die sie dem jungen Kronprinzen nachsahen.

Ares dachte nicht daran, sich dem Hof zu unterwerfen. Er hatte keine Lust, den typischen Royal zu spielen.

„Sie müssen nach Atilia zurückkehren, Hoheit“, beschwor Sir Bartholomew ihn in der Penthouse-Suite seines Hotels in Manhattan. Selbst wenn Sie es nur tun, weil Ihr Vater Sie als Playboy-Prinz hinstellt, unter dessen Lotterleben das Volk leidet. Wenn Sie wenigstens zurückkehren würden, um dem Volk einen Weg in die Zukunft aufzuzeigen.“

„Ich bin nicht der König, den Sie brauchen“, wehrte Ares zum Entsetzen des Ministers ab. „Dieser König werde ich nie sein. Ich habe nicht die Absicht, das verflixte königliche Blut pflichtschuldigst weiterzugeben.“

Nachdem die Minister gegangen waren, dachte Ares wie so oft an seine sanfte Mutter. Was gäbe er jetzt für ihren Rat, ihr trauriges Lächeln, die liebevollen Berührungen, ihren feinsinnigen Humor!

„Du musst heiraten“, hörte er sie behutsam drängen.

Sie fehlte ihm schrecklich.

Dennoch hatte er nicht vor, dem Beispiel seiner Eltern zu folgen.

In seiner Tasche summte das Handy. Das waren garantiert wieder Einladungen zu Partys, auf denen er sich amüsieren konnte, als sei er ein ganz normaler Mann und kein königlicher Erbe.

Ares erhaschte einen Blick in den Spiegel, aus dem ihm das verhasste Ebenbild des Königs entgegenschaute.

Könnte seine Mutter ihn jetzt sehen …

Er straffte die Schultern und schlenderte in die laue New Yorker Nacht hinaus.

2. KAPITEL

„Schwanger?“

Gespielt gleichmütig blickte Pia Alexandrina San Giacomo Combe ihren älteren Bruder Matteo an.

Zwei Monate lang hatte sie diesen Blick vor dem Spiegel geübt, um überzeugend, ruhig und selbstbewusst zu wirken.

„Du hast richtig gehört, Matteo.“

Auch das hatte sie einstudiert.

„Das kannst du unmöglich ernst meinen!“, ereiferte sich ihr Bruder.

Pia stand vor seinem mächtigen Schreibtisch im Arbeitszimmer des alten Herrenhauses. Dieses war im Besitz der Familie ihres Vaters, seit der erste Vorfahr der Combes es aus der Fronarbeit in der Textilfabrik ganz nach oben geschafft und das Anwesen gebaut hatte. So jedenfalls hieß es in der hochtrabenden Familiengeschichte der Combes. Nach langem Hin und Her hatten ihre Eltern sich stillschweigend auf diese Version geeinigt.

Jetzt stand Pia im schwarzen Trauerkleid vor ihrem Bruder, das ihr schon sechs Wochen nach dem Tod ihrer Mutter etwas zu eng saß. Entschieden taktlos blickte Matteo auf ihren Bauch.

Der trotz aller Tricks leider nicht mehr so flach aussah wie früher. Ob es Pia gefiel oder nicht − um ein Geständnis kam sie nun nicht mehr herum.

Natürlich war ihrer Mutter in den letzten zwei Wochen vor ihrem Tod aufgefallen, dass ihre Tochter um die Taille voller geworden war, obwohl Pia stets peinlich auf ihre schlanke Linie geachtet und eher wie eine scheue Gazelle gewirkt hatte.

„Babyspeck ist Gift für die Heiratschancen eines Mädchens“, hatte die legendäre Alexandrina San Giacomo schon ihre zwölfjährige Tochter ermahnt − was alles nur noch schlimmer machte. „Du bist eine San Giacomo. Und Giacomos haben keine Pausbäckchen. Lass die Finger von Süßigkeiten.“

Danach hatte Pia sich eisern an den Rat ihrer Mutter gehalten, obwohl sie es mit der elfenhaften, ewig schlanken und schönen Alexandrina nie würde aufnehmen können. Schon als junges Mädchen hatte Pia sich ihre Mutter tapfer als Vorbild vor Augen gehalten, obwohl sie immer zur Molligkeit neigte … bis sie mit zweiundzwanzig eines Morgens feststellen musste, voller und rundlicher geworden zu sein.

Entsetzt war sie daraufhin nach New York City gejettet.

Ein Gedanke hatte sie die ganze Zeit verfolgt: Warum hatte ihre skandalträchtige Mutter sie so komisch darauf angesprochen?

Weil ihre ledige Tochter schwanger war und ein Skandal drohte? Alexandrina hatte ihrer Tochter aus gutem Grund eingeschärft, peinlichst auf einen makellosen Ruf zu achten, das wusste Pia. Wenn sie in die höchsten gesellschaftlichen Kreise aufsteigen wollte, musste er so unbefleckt sein wie frisch gefallener Schnee.

Davon konnte jetzt nicht mehr die Rede sein. Pia war schwanger von einem Fremden, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Mit unabsehbaren Folgen …

Doch nicht nur deshalb war ihre Mutter bedrückt gewesen …

Sechs Wochen waren seitdem vergangen.

Alexandrina war viel zu früh gestorben, und die Familie und ihre zahllosen Bewunderer waren untröstlich. Dann war Pias Vater, der mächtige, lebensstrotzende Eddie Combe, den Pia für unsterblich gehalten hatte, vor drei Tagen einem Herzinfarkt erlegen.

Und an all dem trug sie, Pia, vermutlich eine Mitschuld …

„Ist das dein Ernst?“, wiederholte Matteo fassungslos.

Sie versuchte, sich gefasst zu geben – wie ihre Mutter selbst in den schrecklichsten Momenten ihres Lebens. „Leider ja.“

Matteo machte ein Gesicht, als hätte er auf Glasscherben gebissen. „Ist dir klar, dass wir in wenigen Augenblicken unseren Vater zu Grabe tragen?“

Doch Pia hatte andere Sorgen. Schicksalsergeben faltete sie die Hände und blickte aus dem Fenster auf die üppig grüne Landschaft und den bleiernen Sturmhimmel hinaus, der sich über Yorkshire zusammenbraute.

Eine Weile betrachtete Matteo sie schweigend, gab sich den Anschein, die schockierende Botschaft erst verkraften zu müssen.

Als er sich wieder gefangen hatte, sagte er leise. „Man sieht dir an, dass du schwanger bist, Pia.“

Das war ihm also nicht entgangen. „Ja.“

„Bei der Beerdigung dürften sich Horden von Paparazzi überall tummeln. Vor sechs Wochen bei Mutters Beerdigung haben sie keine Sekunde verpasst, und heute dürfte es noch schlimmer werden. Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn die Leute merken, dass du schwanger bist?“

Pia musste es ihm lassen, Matteo hielt sich tapfer, versuchte die Zähne zusammenzubeißen.

„Und was soll ich tun? Was schlägst du vor?“, fragte Pia kühn, obwohl sie seit dem Tod ihres Vaters kaum ein Auge zugetan hatte. Wenn sie der Beerdigung fernblieb, würde das unabsehbare Folgen haben.

„Wie … konnte es so weit kommen?“, fragte Matteo düster.

Sie waren einander stets sehr nahe gewesen. In der turbulenten Beziehung ihrer Eltern hatte es nicht viel Raum für die Kinder gegeben.

Matteo, ein gutaussehender, in sich gekehrter junger Mann, war sich seiner tragenden Rolle als letzter San Giacomo-Erbe und Nachfolger seines Vaters im Familienunternehmen stets bewusst gewesen – er war der Sohn, den man aus einer solchen Verbindung erwartete.

Pia dagegen hatte sich eher scheu im Hintergrund gehalten, weil sie sich zu dick fand. Schließlich hatten die Eltern sie in eine Klosterschule gesteckt, danach in ein Mädchenpensionat. Die Familie hatte versucht, sie der Öffentlichkeit möglichst zu entziehen.

Natürlich unter dem Vorwand, sie beschützen zu wollen.

Doch Pia hatte Bescheid gewusst. Sie neigte dazu, zuzunehmen, wenn sie nicht aufpasste, war nicht sehr weltgewandt. Die schönste Frau der Welt, eine schwanengleiche Erscheinung, konnte unmöglich eine so unscheinbare Tochter haben. Selbst jetzt sah Pia sich eher als hässliches junges Entlein.

„Du willst wissen, wie es dazu kommen konnte?“ Am liebsten hätte sie schallend gelacht. Nur die besorgte Miene ihres Bruders hielt sie davon ab. „Ich hätte gedacht, das liegt auf der Hand.“

„Danke, dass du deine Eskapade wie einen schlechten Witz hinzunehmen scheinst, Pia“, bemerkte Matteo vorwurfsvoll. „In einer Stunde wird unser Vater beerdigt. Du hättest mich wenigstens warnen können, damit …“ Erneut betrachtete er sie kritisch.

„Ich hielt es für schonender, es dir unter vier Augen zu sagen.“ Pia schämte sich. Am liebsten hätte sie ihrem Bruder gar nichts erzählt. „Außerdem bist du erst in London, seit …“ Über den Tod ihrer Mutter wollte sie jetzt nicht sprechen, „Na ja, ich wusste, dass du zur Beerdigung kommst. Da wollte ich lieber warten, bis wir uns wiedersehen.“

Sie war jetzt zweiundzwanzig und sehr behütet aufgewachsen, immer noch die kleine Schwester – schüchtern und empfindlich – besonders, wenn ihr älterer Bruder sie so entsetzt ansah.

„Es ist eine Katastrophe“, stöhnte er. „Das ist kein Spiel mehr, Pia.“

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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