Der Schlüssel zu deinem Herzen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Wohlig rekelt sich Jessica in der einsamen Berghütte unter ihrer Bettdecke. Doch als sie sich umdreht, starrt sie in ein Paar grüner Augen: Dylan Russell - dunkelhaarig, sexy und der beste Freund ihres Bruders. Wie kommt dieser Frauenheld in ihr Bett?


  • Erscheinungstag 21.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724689
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jessica McGuire wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als etwas sie anstieß und aufweckte. Als sie die Augen öffnete, erkannte sie, dass es draußen dämmerte und dass der Regen immer noch nicht aufgehört hatte. Das Nächste, was ihr zu Bewusstsein kam, hatte jedoch nichts mit dem Wetter zu tun, denn ein starker Arm legte sich um ihre Taille, und sofort war Jessica hellwach. Jemand schmiegte sich an sie, und dieser Jemand war eindeutig nackt und männlich.

Sie erstarrte. Angst packte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Dann riss ein Adrenalinstoß sie aus ihrer Erstarrung. Hastig stieg sie aus dem Bett, schnappte sich ihr weites T-Shirt, zog es sich über den Kopf und eilte zur Schlafzimmertür. Ein Blick zurück ließ sie erleichtert aufseufzen. Sie blieb stehen. Zwar war der Großteil seines Gesichts verdeckt, doch schien der Fremde in ihrem Bett offenbar zu schlafen.

Verwirrt zog Jessica die Brauen zusammen und schlich vorsichtig zurück zum Bett, um einen Blick auf das Gesicht des Mannes zu erhaschen. Irgendetwas an ihm kam ihr vage vertraut vor. Auf jeden Fall schien er keine unmittelbare Bedrohung für sie darzustellen.

Jessica probierte den Lichtschalter aus. Sie hatte immer noch keinen Strom. Stromausfälle bei Sturm waren in diesem Teil der Olympic Peninsula im Bundesstaat Washington nichts Ungewöhnliches. Das Fehlen der Elektrizität hatte sie daher nicht weiter gekümmert. Außerdem war sie viel zu müde gewesen, um sich darüber Gedanken zu machen, als sie in dem dunklen Ferienhaus, das ihr Bruder und sie nur als „die Hütte“ bezeichneten, die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufgestiegen war. Dort hatte sie sich ausgezogen, ihre Sachen auf den Fußboden geworfen und sich ins Bett fallen lassen. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen.

Heute Morgen sah die Sache allerdings anders aus. Vorsichtig warf sie einen Blick auf den schlafenden Mann in ihrem Bett und hob ihre restlichen Kleidungsstücke vom Boden auf. Sie würde den Fremden aufwecken und hinauswerfen, sobald sie vollständig bekleidet war.

Sie hob ihr letztes Kleidungsstück auf und wollte gerade leise nach unten ins Bad gehen, als sie erschrocken feststellte, dass der Fremde wach war und sie beobachtete. Sie schluckte, als ihr klar wurde, dass dieser attraktive, sexy Mann sich nackt an sie geschmiegt hatte.

Die Decke war bis zu seinen Hüften heruntergerutscht und entblößte einen muskulösen, athletischen Körper. Sein zerzaustes dunkles Haar war an der Seite des Kopfes, die auf dem Kissen gelegen hatte, zusammengedrückt. Selbst in dem dämmrigen Licht des frühen Morgens entging ihr das freche Funkeln in seinen grünen Augen nicht, während er sie von oben bis unten musterte.

Der Krach hatte ihn geweckt. Er hatte sich mitten in einem erotischen Traum von einem warmen, nackten weiblichen Körper befunden, der sich an ihn drängte, und seine Hand war über seidige Haut geglitten. Es war alles so real gewesen, dass ihn die Unterbrechung geärgert hatte. Langsam machte er die Augen auf, und was er sah, passte in jeder Hinsicht zu seinem Traum. Sein Blick wanderte von den schlanken Beinen der Frau zum Saum des weiten T-Shirts, das gerade mal ihren Po bedeckte.

Er drehte sich auf die Seite und stützte den Ellbogen auf. Die Frau war etwa ein Meter siebzig groß. Ihre zerwühlten Haare verliehen ihr etwas Verwegenes, Wildes. Die starke Ähnlichkeit verriet ihm, dass sie Jessica McGuire war, die Schwester seines besten Freundes. Natürlich hatte sie sich verändert, seit er sie vor vielen Jahren zuletzt gesehen hatte, und sie war eindeutig kein schüchterner Teenager mehr.

Er versuchte gar nicht erst zu verbergen, dass ihm gefiel, was er sah. Seine Stimme klang noch heiser vom Schlaf. „So, so, die kleine Jessica McGuire. Du bist erwachsen geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.“

Sie starrte ihn entgeistert an. „Dylan Russell? Bist du das wirklich?“

„Leibhaftig.“ Er spähte unter die Decke, die den unteren Teil seines Körpers verbarg, und lächelte mutwillig. „Und zu allen Schandtaten bereit.“

Jessica errötete. Eigentlich hielt sie sich für eine selbstbewusste, selbstständige Frau, die hart arbeitete und ein geordnetes Leben führte. In ihrem Bett neben einem nackten Mann aufzuwachen passte nicht in dieses Bild. Sie versuchte, ihren spärlich bekleideten Körper zu bedecken, indem sie die übrigen Kleidungsstücke vor sich hielt. Sie war sich nicht sicher, glaubte jedoch ein leises Lachen aus Dylans Richtung zu hören. Sie wurde wütend. Offenbar störte es ihn nicht im Mindesten, dass er nackt neben ihr aufgewacht war. Fast kam es ihr so vor, als würde er ihr Unbehagen genießen.

Sie versuchte gelassen zu wirken, konnte jedoch nicht ganz verhindern, dass sie verärgert klang. „Du scheinst das Ganze ja sehr amüsant zu finden.“

Er lachte. Es war jene Art von sexy Lachen, das sofort das Verlangen einer Frau wecken und jegliche Zweifel vertreiben konnte. „Du nicht?“

„Nein, ich finde es weder amüsant noch entzückend oder sonst was. Wie bist du hierher gekommen? Als ich ankam, habe ich keinen Wagen gesehen. Wie bist du in die Hütte gekommen? Die Tür war abgeschlossen.“

„Alle Fragen lassen sich leicht beantworten.“ Er setzte sich auf und fuhr sich durch die Haare. „Offenbar hast du nicht versucht, deinen Wagen in die Garage zu fahren, sonst hättest du meinen Wagen darin entdeckt.“

„Nein, ich habe so nah wie möglich an der Haustür geparkt, damit ich zwischen Garage und Haus nicht durch den Regen laufen musste. Das erklärt aber noch nicht, wie du hineingekommen bist.“

„Ich habe einen Schlüssel.“

„Einen Schlüssel?“, wiederholte sie erstaunt. „Woher hast du den denn?“

„Justin gab ihn mir, weil ich ihm sagte, dass ich mich gern für ein paar Wochen hier aufhalten würde.“

„Justin hat dir angeboten, die Hütte zu benutzen? Davon hat er mir nichts erzählt.“

„Vielleicht weil er dachte, dass du die nächsten drei Wochen in New York verbringen würdest.“

„Ja, richtig“, meinte sie leise. Es stimmte. Eigentlich sollte sie jetzt in New York sein, nicht in einer Berghütte auf der anderen Seite des Landes. Tatsächlich war sie auch bis gestern Morgen in New York gewesen, bevor sie einen Flug zurück nach Seattle genommen hatte, weil das Projekt, an sie arbeitete, verschoben worden war.

Sie riss sich zusammen. „Ich schlage vor, wir unterbrechen diese Unterhaltung für eine Weile. Ich muss mich anziehen, und du musst aus meinem Bett verschwinden und aus meinem Schlafzimmer. Du kannst nicht hier bleiben.“

Er betrachtete sie neugierig und machte keine Anstalten, seine Sachen zusammenzusuchen. Stattdessen rekelte er sich behaglich und zog sich die Decke bis zur Brust. „Und wieso nicht?“

„Wieso nicht?“ Hatte sie ihn richtig verstanden? Stellte er tatsächlich ihre Entscheidung infrage? „Ich dachte, das dürfte klar sein – weil ich nicht in New York bin und du hier in meinem Bett liegst, darum.“

„Ich habe einfach das erstbeste Schlafzimmer genommen.“

„Dies hier ist mein Schlafzimmer. Justin gehört das andere.“

„Du hast recht, wir sollten diese Unterhaltung für eine Weile unterbrechen“, lenkte Dylan ein und grinste wieder. „Zumindest bis ich Kaffee getrunken habe.“ Er langte über das Bett nach seiner Jeans, die auf der Sessellehne lag, hielt jedoch inne und sah zu Jessica. „Würde es dir etwas ausmachen, dich umzudrehen, damit ich meine Hose anziehen kann? Oder willst du einfach so stehen bleiben und deine Sachen an dich drücken?“

„Das ist mein Schlafzimmer. Du bist derjenige, der … Ich meine …“ Offenbar stand er im Begriff, die Decke zurückzuschlagen und aufzustehen. „Ich meinte nicht …“ Sie drehte sich abrupt um und rannte zur Tür hinaus, ihre Kleidungsstücke fest an sich gepresst. Dylans Lachen folgte ihr die Treppe hinunter bis ins Badezimmer. Es verstummte erst, als sie die Tür hinter sich zuwarf.

Jessica zog den Duschvorhang zurück, setzte sich auf den Badewannenrand und schloss die Augen. Sie wusste nicht, ob sie über Dylans Dreistigkeit wütend oder amüsiert sein sollte. Ihr Ärger siegte. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, sie in Verlegenheit zu bringen. Und es geschah nicht zum ersten Mal. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie sechzehn Jahre alt war.

Justin hatte Dylan damals am Wochenende mit nach Hause gebracht. Anders als im vorangegangenen Jahr, als die schüchterne fünfzehnjährige Jessica für Dylan geschwärmt und verzweifelt versucht hatte, seine Aufmerksamkeit zu bekommen, hatte sich die Sechzehnjährige in dieser Aufmerksamkeit gesonnt. Dylan hatte mit ihr Karten gespielt, sich mit ihr unterhalten und sie zum Lunch eingeladen. Er hatte ihr sogar einen Stoffteddy für ihre Sammlung gekauft, und sie hatte gehofft, dass Dylan sie ebenso sehr mochte wie sie ihn.

Sie hatte ihr schönstes Kleid angezogen, extra Make-up aufgetragen und die Haare hochgesteckt. All das, um ihm zu zeigen, dass sie alt genug war, um mit einem zwanzigjährigen Studenten auszugehen. Doch zur verabredeten Zeit musste sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass es sich nicht um das erwartete Rendezvous handelte. Stattdessen war es ein Essen mit fast einem Dutzend Freunden, und Jessica hatte sich als Einzige schick gemacht. Am schlimmsten war jedoch, dass Dylan eine Freundin mitgebracht hatte.

Es war peinlich und demütigend gewesen. Sie hatte diesen Vorfall nie vergessen, obwohl Dylan sie rückblickend betrachtet keineswegs in die Irre geführt hatte. Er hatte nur nett sein wollen, indem er sie zu dem Treffen mit Freunden einlud. Aber Jessica hatte nur gehört, was sie hören wollte, statt das, was Dylan tatsächlich gesagt oder gemeint hatte.

Aber das war lange her. Jetzt war sie eine erwachsene, intelligente Frau von einunddreißig, die sich von einem attraktiven Mann mit dichtem dunklen Haar, grünen Augen und einem umwerfenden Lächeln nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ.

Nach allem, was ihr Bruder ihr über Dylan Russells Lebensstil erzählt hatte, war es für ihn nichts Ungewöhnliches, eine Frau in seinem Bett vorzufinden. Was machte er eigentlich hier? Er war nicht der Typ, der sich in einer einsamen Berghütte verkroch, schon gar nicht ohne weibliche Gesellschaft. Die Geschichten über ihn besagten, dass er ein charmanter Schuft war, der von einem Bett zum nächsten sprang und feste Bindungen scheute.

Er war ein durch die Welt ziehender Playboy, der sich in einem luxuriösen Hotel mit Whirlpool und Zimmerservice sicher wohler fühlte. Was machte er also jetzt in ihrer Hütte? Dann fiel ihr etwas anderes ein. Erwartete er womöglich jemanden hier? Eine Frau? Der Zorn, den sie bei dieser Vorstellung verspürte, überraschte sie. Sein Privatleben ging sie schließlich nichts an.

Obwohl sie Justins Geschichten über Dylan stets faszinierend gefunden hatte, wusste sie doch, dass es besser war, die Finger von einem solchen Mann zu lassen, ganz gleich, wie aufregend und sexy er sein mochte. Und Dylan Russell rangierte auf der Liste der aufregenden Männer ganz oben. Aus Erfahrung wusste sie, dass Männer dieses Typs zwar äußerlich viel hermachten, aber wenig Tiefgang besaßen. Sie war mit einem attraktiven Mann verheiratet gewesen, der gern einen Blick riskierte und den es herzlich wenig kümmerte, in wessen Bett er lag. So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben.

Sie verscheuchte diese Gedanken, denn jetzt musste sie sich erst mal anziehen.

Nicht nur Jessica dachte über die Ereignisse der letzten Minuten nach.

Dylan hatte das Geplänkel mit Jessica weitaus interessanter gefunden, als er für möglich gehalten hätte. Jessica selbst war viel reizvoller, als er nach den Schilderungen ihres Bruders vermutet hätte. Justin stellte seine Schwester immer als eine sachliche und bodenständige Frau dar, die genau wusste, was sie vom Leben wollte – im Gegensatz zu den Frauen, mit denen Dylan gewöhnlich zusammen war. Was Justin vergessen hatte zu erwähnen, war die Tatsache, dass seine Schwester außerdem einen umwerfenden Körper besaß.

Wo war Jessica McGuire vor drei Monaten gewesen, als er genau jemanden wie sie gebraucht hätte? Als es in seinem Leben rapide bergab ging? Er ermahnte sich, dass sie die Schwester seines besten Freundes war und er somit doppelt vorsichtig sein sollte. Er durfte diese wunderschöne, intelligente Frau, die offenbar genau wusste, was sie wollte, nicht als eine weitere mögliche Bettgespielin betrachten.

Dylan atmete tief durch und versuchte die Erinnerungen an ihren warmen Körper neben seinem zu verscheuchen. Doch es gelang ihm ebenso wenig, wie den Anblick zu vergessen, als er sie mit zerwühlten Haaren und spärlich bekleidet neben dem Bett hatte stehen sehen. Etwas schnürte seine Brust zusammen. Er atmete erneut tief durch in der Hoffnung, dass dieses Gefühl nachließ. Dann warf er die Decke zurück, stieg aus dem Bett und zog sich an.

Dylan ging die Treppe hinunter und blieb auf der letzten Stufe stehen. Durch die geöffnete Küchentür konnte er Jessica sehen. Ihre Miene war finster. Sie schien etwas anzustarren. Er betrat die Küche, trat hinter Jessica und spähte über ihre Schulter.

„Stimmt etwas nicht?“

Seine Stimme erschreckte sie. Abrupt drehte sie sich um und entdeckte sein Gesicht dicht vor ihrem. Einen langen Moment schaute sie in seine Augen, oder besser gesagt, er schien sie in die Tiefen seiner Augen hinabzuziehen, während er in ihrem Gesicht nach einer Erklärung suchte.

„Ob etwas nicht stimmt?“ Sie wich vor seiner beunruhigenden Nähe zurück.

„Du hast den Herd so düster angesehen. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Sie wich einen weiteren Schritt zurück, bis sie gegen den Küchentresen stieß. „Ob etwas nicht in Ordnung ist?“ Sie wusste, dass sie sich ziemlich dumm anhörte, wenn sie bloß immer wiederholte, was er sagte. Sie riss sich energisch zusammen. „Der Gasherd funktioniert nicht, und es gibt kein warmes Wasser, und die Fußbodenheizung im Wohnzimmer geht nicht an. Etwas muss mit dem Propangastank nicht in Ordnung sein.

Gestern Abend habe ich nichts gemerkt, denn ich bin gleich ins Bett gegangen. Ich wollte noch eine Weile lesen, aber dann fiel durch das Unwetter der Strom aus. Der Tank dürfte eigentlich nicht zugedreht sein. Er wurde letzte Woche erst aufgefüllt und müsste aufgedreht sein.“ Sie schaute zum Fenster und dann nach oben, wo der Regen auf das Dach prasselte. „Verdammt, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als hinauszugehen und nachzusehen, was los ist.“

„Wo ist der Propangastank?“

„Hinter der Garage.“

Dylan sah aus dem Fenster. „Es regnet ziemlich stark. Ich werde hinausgehen und nachsehen. Du bleibst hier im Trockenen.“

„Vergiss es. Ich komme schon allein zurecht.“

„Ich habe ja auch nicht behauptet, dass du nicht allein zurechtkommst“, stellte er klar. „Ich habe nur meine Hilfe angeboten.“

Jessica schnappte sich eine Jacke von der Garderobe neben der Haustür. „Du hast mir nicht deine Hilfe angeboten, sondern mir gesagt, was ich zu tun habe.“ Sie zog die Jacke an, schlug den Kragen hoch und öffnete die Haustür. Bevor sie ging, warf sie Dylan einen geringschätzigen Blick zu. „Ich brauche deine Hilfe nicht.“ Damit trat sie hinaus, um dem Wetter zu trotzen.

Draußen überlegte sie, ob sie vielleicht ein bisschen zu grob gewesen war. Dylan hatte ja eigentlich nichts Falsches gesagt. Doch dann setzte sie eine entschlossene Miene auf. Er hatte sie völlig aus der Fassung gebracht, und das gefiel ihr absolut nicht. Sie zog fröstelnd die Schultern hoch und lief hinaus in den Regen.

Dylan sah ihr wütend nach. Sie hatte ihn zurückgewiesen, als hätte er eine abfällige Bemerkung gemacht. Dabei hatte er ihr lediglich seine Hilfe angeboten. Eine solche Behandlung war er nicht gewohnt, besonders nicht von einer schönen Frau. Allerdings war er es auch nicht gewohnt, sich mit unabhängigen, selbstbewussten Frauen auseinanderzusetzen, die wussten, was ein Propangastank war, geschweige denn, was sie damit zu tun hatten.

Er folgte ihr hinaus in den Regen und holte sie an der Garagenecke ein. Er stand daneben, während sie sich bückte, um die Gasanzeige des Tanks und die Anschlüsse zu überprüfen. Sie sah auf zu ihm und schützte mit der Hand ihre Augen gegen den Regen. „Das Ventil ist zu. Der Tank war zugedreht.“

Sie drehte das Ventil auf und richtete sich wieder auf. Dylan stellte sich ihr in den Weg. Sie standen dicht voreinander, fast so wie vorhin in der Küche.

Erneut zog sich in seiner Brust etwas zusammen, während er sie betrachtete. Ihr Haar klebte nass vom Regen an ihrem Kopf. Kleine Rinnsale liefen ihr übers Gesicht und formten ihre dunklen Wimpern zu winzigen Spitzen. Er wollte ihr das Wasser von den Wangen wischen und die Tropfen von ihren allzu verlockenden Lippen küssen. Sie hatte einen Mund, der einen Mann in den Wahnsinn treiben konnte. Dylan unterdrückte sein Verlangen und gab ihr den Weg frei.

Doch Jessica rührte sich nicht. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach der Berührung, die beinah stattgefunden hätte. Sie schluckte und versuchte ihren rasenden Puls zu beruhigen. Schließlich gelang es ihr, sich aus seinem Bann zu befreien und zurück zur Hütte zu rennen.

Dylan folgte ihr. Auf der überdachten Veranda zog sie ihre regendurchweichte Jacke aus, schüttelte das Wasser ab, stieg aus den matschbedeckten Stiefeln und ließ sie draußen zurück. Dylan folgte ihrem Beispiel und streifte ebenfalls seine Schuhe ab. Drinnen hängte Jessica ihre Jacke zum Trocknen auf den Garderobenständer.

Dylan zog sich sein nasses Sweatshirt über den Kopf. Darunter kam ein nasses T-Shirt zum Vorschein. Jessica versuchte nicht darauf zu achten, wie der Stoff an seinen ausgeprägten Muskeln klebte, doch dieser Versuch war zwecklos. Ihre Atmung beschleunigte sich, und zu ihrem Entsetzen begann auch ihr Puls wieder zu rasen. Irgendwie musste sie verhindern, dass Dylan weiterhin diese Wirkung auf sie hatte.

Er hängte den Sweater auf den Türknopf, fuhr sich durch die nassen Haare und drehte sich zu Jessica um. „Damit dürften die Fragen nach dem heißen Wasser und dem Herd wohl geklärt sein. Wo hast du die Streichhölzer? In der Küche?“

Sie gab sich große Mühe, sich ihre Aufgewühltheit nicht anmerken zu lassen. „Der Gaslieferant muss den Tank zugedreht und vergessen haben, ihn wieder aufzudrehen, als er ihn letzte Woche aufgefüllt hat.“ Sie nahm die Streichhölzer vom Kaminsims. „Zum Glück für dich bin ich rechtzeitig hier aufgetaucht, um alles wieder in Ordnung zu bringen.“ Sie hatte diesen Gedanken gar nicht laut aussprechen wollen.

Dylan sprang sofort darauf an. „Einen Gastank aufzudrehen und ein Streichholz an ein paar Sparbrenner zu halten übersteigt nicht meine Fähigkeiten.“

Sie errötete vor Verlegenheit. Was war los mit ihr? Sie schien nicht in der Lage zu sein, mit dem Sticheln aufzuhören. „Ich wollte damit nicht andeuten …“

Er unterbrach sie spöttisch. „Da du ja alles so gut im Griff hast, überlasse ich alles Weitere dir und nutze die Gelegenheit, aus den nassen Sachen zu kommen. Wenn du mich entschuldigen würdest …“ Damit drehte er sich um und ging davon.

Jessica schaute ihm nach, wie er die Treppe hinaufging. Dieser Mann, den sie früher so angebetet hatte, war plötzlich nur noch ein ganz gewöhnlicher Mann in nassen Kleidern, aus denen das Wasser auf den Boden tropfte. Na ja, „gewöhnlich“ war vielleicht nicht das richtige Wort. Denn an Dylan Russell und seiner überraschend beunruhigenden Wirkung auf sie war nichts Gewöhnliches. Wie um ihre Gedanken und Empfindungen zu bestätigen, durchlief sie ein prickelnder Schauer, der sie daran erinnerte, dass sie längst nicht alles so gut unter Kontrolle hatte, wie sie es sich wünschte.

Dylan zog sich die nassen Sachen aus. Er war sich nicht sicher, was er von dem unerwarteten Verlauf dieses Morgens halten sollte. Er verfügte über keinerlei Erfahrung mit Frauen, die nicht nur hübsche Begleiterinnen und begeisterte Bettgefährtinnen waren.

Aber die gab es jetzt ohnehin nicht mehr für ihn. Es war lange her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war. An Gelegenheiten hatte es sicher nicht gemangelt. Doch die Jagd machte ihm keinen Spaß mehr, besonders wenn die Beute keine Herausforderung darstellte. In diese Kategorie fiel Jessica jedenfalls absolut nicht. Zu welcher Kategorie sie gehörte, wusste er allerdings auch noch nicht. Er wurde jedoch den Verdacht nicht los, dass sie für ihn etwas völlig Neues war.

Er nahm warme Socken, einen Pullover und eine Jeans aus der Kommode, in die er gestern Abend seine Sachen eingeräumt hatte. Während er sich anzog, kreisten seine Gedanken weiter um Jessica. Er fand sie schön, intelligent, faszinierend … und sehr beunruhigend.

Er dachte an ihre Bemerkung, dass er sich glücklich schätzen konnte, dass sie da war, um Reparaturen in der Hütte durchzuführen. Ihm gefiel die darin enthaltene Andeutung nicht, er sei unfähig, sich um solche einfachen Dinge zu kümmern. Vermittelte er ein solches Bild von sich? War das die Meinung, die man von ihm hatte? Sah man ihn als jemand, der sich ziellos durchs Leben treiben ließ? Als jemand, der nicht in der Lage war, die alltäglichen kleinen Dinge zu bewältigen? Er presste die Lippen zusammen. Das gefiel ihm nicht, aber er wusste, dass es das war, das die Leute glaubten.

Zu dieser Erkenntnis war er schon vor drei Monaten gekommen, als ein Geschäft schief gelaufen war und ihn in eine tiefe Depression gestürzt hatte. Es war nicht das Geschäft selbst und schon gar nicht der Verlust des Geldes, was eine solche Wirkung auf ihn gehabt hatte. Es war viel mehr als das. Und aus diesem Grund hatte er Justin gebeten, die Hütte benutzen zu dürfen. Er musste sich über seine Möglichkeiten klar werden und Entscheidungen treffen. Er musste etwas tun, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Er sah zur Treppe, die ins Wohnzimmer hinunterführte. Wie sollte er in Ruhe nachdenken, wenn die aufregende Jessica McGuire in seiner Nähe war und ihn ablenkte?

Kaffee … er brauchte Kaffee gegen die feuchte Kälte. Er wollte schon die Treppe hinuntergehen, machte aber noch einmal kehrt. Es gab keinen Grund, weiter ihre Privatsphäre zu stören, indem er ihr Schlafzimmer benutzte. Es wäre nichts gewonnen, wenn er sie sich absichtlich zum Feind machte. Rasch packte er daher seine Sachen zusammen und brachte sie in das zweite Schlafzimmer.

Anschließend eilte er die Treppe hinunter. Er hatte ein paar Lebensmittel mitgebracht, aber nicht genug, um damit zwei Leute länger als zwei Tage zu versorgen. Sobald der Regen nachließ, würde einer von ihnen zu dem kleinen Supermarkt an der Hauptstraße gehen müssen. Plötzlich hielt er inne. Offenbar hatte er bei seinen Überlegungen bereits beschlossen, dass sie sich die Hütte teilen würden. Oder besser gesagt, er hatte nicht die Absicht zu gehen.

Selbst als er seine Sachen in das andere Schlafzimmer gebracht hatte, war dieser Gedanke nicht konkret gewesen. Er grinste. Wie würde Jessica wohl auf diese Aussicht reagieren? Doch seine Amüsiertheit hielt nur kurz an. Kaum hatte er das Wohnzimmer betreten, registrierte er ihre finstere Miene.

„Wenn du in meinem Schlafzimmer fertig bist, würde ich mir gern trockene Sachen anziehen“, erklärte sie.

„Selbstverständlich.“ Er trat zur Seite und fragte sich, woher ihre Gereiztheit jetzt kam. Er beschloss, sie selbst herausfinden zu lassen, dass er seine Sachen aus ihrem Schlafzimmer entfernt hatte.

Sie begann die Treppe hinaufzugehen, blieb stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um, gerade lange genug, um ihm einen missbilligenden Blick zuzuwerfen. Sie schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und ging weiter.

Er war sich nicht sicher, was dieser Blick zu bedeuten hatte, aber er beunruhigte ihn. Es hatte nicht nur damit zu tun, dass ihr seine Anwesenheit hier missfiel. Da war noch etwas anderes in ihrem Blick gewesen, das er nicht genau benennen konnte. Vor vielen Jahren waren sie sich bei verschiedenen Anlässen begegnet, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie heute praktisch Fremde waren. Natürlich war es eine unangenehme Situation, und er wusste auch nicht genau, wie man am besten damit umging, damit jeder bekam, was er wollte … oder, in seinem Fall, was er brauchte.

Und was er unbedingt brauchte, war eine Flucht in die Einsamkeit. Er wollte weder das geschäftige Treiben in einer Ferienanlage noch die unpersönliche Atmosphäre eines Hotels oder das Gefühl des Eingesperrtseins in einem Zimmer, nur um Menschen und jeglichen Aktivitäten zu entkommen. Justins Hütte war die perfekte Lösung seines Problems gewesen – Einsamkeit ohne das Gefühl des Eingesperrtseins.

Autor

Shawna Delacorte
Shawna Delacorte hatte schon immer eine große Schwäche für Krimis und baut in ihre romantischen Handlungen gern eine spannende Nebenhandlung ein. Aber wussten Sie, das sie ursprünglich Drehbuchautorin werden wollte und lange Zeit im Filmgeschäft tätig war?
Mehr erfahren