Der verbotene Kuss des Scheichs

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Heiratsvermittlerin Rosanna soll eine standesgemäße Braut für Scheich Salim suchen –nicht selbst nach seinen Zärtlichkeiten hungern! Nur wie, wenn Salim sich ausgerechnet als der sexy Fremde entpuppt, der sie vor Kurzem bei einem Fest zum sinnlichsten Kuss ihres Lebens verführt hat? Ohne es zu wollen, fühlt sie sich beim Besuch in seinem Palast sofort wieder magisch von ihm angezogen. Aber wenn sie nicht ihr Herz riskieren will, muss sie ihm widerstehen! Denn mehr als seine heimliche Geliebte kann eine einfache Bürgerliche wie sie doch niemals sein …


  • Erscheinungstag 16.05.2023
  • Bandnummer 2596
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518529
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Man sollte das Dudelsackspielen in geschlossenen Räumen verbieten.“

Die Frau auf der Terrasse fuhr herum. Verführerisch schwangen ihr die dunklen welligen Haare um die Schultern.

Als Salims Blick in ihren tauchte, pulsierte das Blut dumpfer durch seinen Körper. Es erfüllte ihn mit Genugtuung. Wieder spürte er ihn – diesen heißen Funken.

In der Burg war seine Reaktion verhaltener ausgefallen, weil er die Frau nur aus der Ferne gesehen hatte. Trotzdem hatte er sich auch dort bei jedem Blickkontakt zu ihr hingezogen gefühlt, ebenso jedes Mal, wenn er hätte schwören mögen, dass die Fremde ihn beobachtete. Das Prickeln zwischen seinen Schulterblättern war unmissverständlich gewesen.

„Sie sind wohl kein Freund von Dudelsäcken?“

Ihr ironisches Lächeln gefiel ihm viel besser als das distanzlose Strahlen mancher Salonlöwin, die er drinnen hatte abblitzen lassen.

Salim schlenderte zum Rand des Rasens, wo die Frau im Lichtschein der Fackeln stand. Hinter ihr erstreckte sich ein silbrig glänzender See. Er wurde von einem Berg begrenzt, der dunkel in den schottischen Sommerabend ragte.

Anders als die übrigen Damen trug sie kein Abendkleid, sondern einen Smoking, der ihre Rundungen und langen Beine perfekt zur Geltung brachte. Betörend lange Beine waren es. Sogar in Schwarz fiel diese Frau auf – nicht nur wegen des silberfarbenen Glitzertops, das zwischen dem Satinrevers zum Vorschein kam.

„So würde ich es nicht ausdrücken“, murmelte er. „Unter den richtigen Umständen können Dudelsäcke durchaus mitreißend sein.“

Fasziniert entdeckte er, dass er selbst mitgerissen wurde. Sein Körper sprach auf die Nähe der Fremden an; seine Neugier war erwacht.

Schön im klassischen Sinne war diese Frau nicht, eher … anziehend. Irgendetwas an ihr ließ seine innere Stimme ein Wort flüstern, das erstaunlich nach „meine“ klang.

Salim war ein moderner Mann. Für ihn zählten die Realität, Fakten und gegengeprüfte Zahlen. Gleichzeitig respektierte er seine Instinkte. Sie hatten ihn schon mehr als einmal gerettet. Auch jetzt hörte er auf sie.

Die Frau lächelte breiter. Prompt fühlte er sich, als würde die Morgenröte nach einer kühlen Nacht die Wüste erwärmen.

„Vielleicht würde der Dudelsackspieler Sie auf Anfrage bei Tagesanbruch mit seiner Musik wecken. Allerdings bezweifle ich, dass Sie sich damit bei den anderen Gästen in der Burg beliebt machen würden.“

Ihr leises, kehliges Lachen ließ einen Schauer der Erregung über Salims Wirbelsäule rieseln … geradewegs bis in seine Leistengegend. Er zog die Brauen zusammen, ganz kurz nur. Es war eine Sache, die Reaktion seines Körpers auf eine attraktive Frau wahrzunehmen, aber eine ganz andere, Erregung zu spüren, als wäre sie ein Wildpferd, das außer Kontrolle durch seinen Leib galoppierte.

Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee.

Noch während ihm der Gedanke kam, drehte sich die Frau halb von ihm weg, wie um das Tal in der Dämmerung zu bewundern – oder Salim einen Grund zu geben, zur Party zurückzukehren. Mit einem Mal wirkte es, als wäre sie nicht an ihm interessiert. Trotz der Blicke, die sie ihm zugeworfen hatte.

Plötzlich war ein Rückzug keine Option mehr. Denn was wäre es gewesen, wenn nicht ein Rückzug?

Hinter ihm öffnete jemand die Glastüren. Der Kellner, bei dem er seine Bestellung aufgegeben hatte, kam gemessenen Schrittes näher.

„Madam? Sir?“ Er hielt das Silbertablett mit den beiden Champagnerflöten etwas höher.

Salim nahm sie, nickte dankend und hielt der Frau ein Glas hin, während der Kellner verschwand.

Mit gerunzelter Stirn drehte sie sich wieder zu ihm um. Jetzt erkannte Salim, dass ihre Augen unter den dunklen Brauen klar und grau waren. Zinnfarben, genau wie der See hinter ihr. Oder wie Salims zeremonieller Krummsäbel.

„Sie haben Champagner bestellt?“

Auch ihre Worte waren scharf wie eine Klinge. Allerdings las Salim keine Verärgerung in ihrem Blick, sondern die Andeutung von etwas, was er bei dieser eleganten, selbstsicheren Frau nicht erwartet hatte: Nervosität. Machte die Anziehungskraft zwischen ihnen auch sie argwöhnisch?

„Ja. Ich habe Sie auf die Terrasse gehen sehen, und eine ruhige Unterhaltung draußen erschien mir wesentlich reizvoller als das Gedränge in der Burg.“ Er ließ einen Moment verstreichen. „Aber wenn Sie lieber allein sein möchten …“

„Nein!“

Ihre rasche Antwort rief ein Gefühl des Triumphs in ihm hervor, genau wie das Schürzen ihrer Lippen. Es sah aus, als würde sie einsehen, dass sie sich einfach nicht verstellen konnte.

„Danke“, fuhr sie fort. „Ein Drink wäre nett.“

Rosanna hatte keine flüchtigen Affären; sie küsste nie Wildfremde. Warum also drängte sie sich mit hämmerndem Herzen an diesen attraktiven Mann und konnte gar nicht genug von seiner unglaublich männlichen Hitze bekommen?

Er schlang ihr einen starken Arm um die Taille. Dann legte er ihr die freie Hand auf den Hinterkopf, während er mit der Zunge tief in ihren Mund eindrang. Trotzdem fühlte sie sich ihm noch nicht nah genug.

Sie keuchten. Jede Berührung schien ein kleines Feuer auf der Haut zu entzünden. Lustvoll neckten sie einander mit den Zungen. Und doch wollte Rosanna mehr. So viel mehr.

Verzweifelt klammerte sie sich an seine Schultern, bog den Rücken durch und presste die Brüste an seinen muskulösen Oberkörper. Er stieß einen leisen, kehligen Laut aus, der wie ein anerkennendes Knurren klang. Erregung flutete durch ihren Körper.

Sie war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt, doch noch nie hatte sie jemand auf diese Weise geküsst, und noch nie hatte sie so intensiv reagiert. Dieser unbändige Hunger war ebenso neu wie aufregend.

Flüchtig dachte sie an Phil, doch sofort verdrängte sie die Erinnerung. Dafür blitzten Szenen des heutigen Abends vor ihrem inneren Auge auf. Der Humor dieses Mannes, das herausfordernde Glitzern in seinen dunklen Augen, seine geschliffenen Konsonanten und dieser Unterton, der seine Stimme zu einer unverhohlenen Verlockung machte. Wie er ihr zuhörte und sie gleichzeitig mit dem Blick herausforderte, im Hier und Jetzt zu leben.

Wann hatte ein Mann sie je mit diesem Humor und diesem tiefgründigen Verständnis verführt, so geistreich und charmant? Mit diesem dunklen, knisternden, undefinierbaren Etwas, das sich ihr entgegenstreckte, sich um ihr Inneres wand und an ihr zog, zog, zog – bis sie nachgab und näher kam.

Bei der allerersten Berührung ihrer beider Hände fühlte sie sich, als würde Strom durch ihren Arm bis zu den Brüsten fließen, um dann zu der sehnsüchtig pulsierenden Stelle zwischen ihren Beinen zu sinken. Fast wollte sie zurückweichen, geängstigt von diesem Flächenbrand in ihrem Körper. Doch dann sah sie, wie der Fremde die Stirn runzelte, als habe auch er nicht mit einem solch jähen Verlangen gerechnet.

Irgendwie landete ihre Hand auf seinem Brustkorb. Er nahm sie und hob sie zum Mund. Rosanna sah, wie seine Lippen ihre Haut berührten, fühlte es. Sie bekam weiche Knie. Als könnte er es spüren, zog er sie an sich.

Sie legte den Kopf in den Nacken und schmiegte sich bereitwillig an den Fremden. In der nächsten Sekunde streichelte er ihr über die Haare, ließ die Hand über die Schulter gleiten und schob sie unter das Revers ihres Blazers. Mit seinen langen Fingern streifte er die Pailletten auf ihrem Top – so unglaublich langsam, dass sie sich fragte, ob er ihr Zeit für einen Rückzieher geben oder sie vor Verlangen in den Wahnsinn treiben wollte.

Schließlich ertrug sie die erotische Folter nicht länger. Ungeduldig legte sie ihre Hand auf seine und schob sie sich auf die Brust.

Lichter wirbelten hinter Rosannas geschlossenen Lidern, als der Fremde ihre Brust umschloss. Mit der Daumenkuppe provozierte er ihre Knospe, die sich sofort aufrichtete. Ein Beben lief durch ihren Körper, und sie klammerte sich an den Fremden. In der nächsten Sekunde drückte er sanft zu. Es kam ihr vor, als würde er mit seiner Liebkosung viele kleine brennende Pfeile abfeuern und ihr Inneres zum Schmelzen bringen. Erregt schnappte sie nach Luft. Die schmeckte nach ihm, nach Champagner, exotischen Gewürzen und Sinnlichkeit.

Sie sandte einen stummen Dank an das übereifrige Hausmädchen, das versehentlich nicht nur Rosannas Bluse, sondern auch ihren BH zum Waschen mitgenommen hatte. Die feste und doch sanfte Hand, die so geschickt ihre Brust liebkoste, mit nur einer Lage hauchdünnem Stoff dazwischen … Pure Wonne.

Er zog sie enger an sich. Sie fühlte die gezügelte Kraft in seinem langen Körper und die harte Erektion an ihrem Bauch.

Hitze durchströmte sie, ihre Haut prickelte. Sie wollte diesen Mann nackt spüren, hob eine Hand zu seiner seidenweichen Fliege und …

„Verzeihung, Sir.“

Sie erstarrten. In einem Reflex spannte er die Finger an. Sogar das fühlte sich gut an. Sogar so gut, dass sich die Muskeln in Rosannas Unterleib voller Begehren zusammenzogen.

Ein, zwei Herzschläge lang bewegte sich keiner von ihnen, dann hob er den Kopf. Sein Atem auf ihrer Wange glich einem Streicheln. Mit dunklen Augen schaute er auf sie hinunter. In seinem Blick lag ein Versprechen, das etwas Fundamentales in ihr schwach werden ließ. Wie gern sie dieses Versprechen einlösen wollte!

Er richtete sich auf und zog Rosanna an seine Schulter, damit der Neuankömmling ihr Gesicht nicht sehen konnte.

„Ja? Was gibt es?“

„Es tut mir leid, aber wir haben einen Anruf erhalten. Er ist wichtig, sonst hätte ich nicht …“

Er atmete aus. Sie spürte seinen breiten Brustkorb an ihrem Körper.

„Schon gut, Taqi. Ich verstehe.“ Noch ein tiefer Atemzug. „Ich bin gleich bei Ihnen.“

Rosanna hörte nicht die Schritte des Mannes, der sich entfernte, zu laut dröhnte ihr der eigene Puls in den Ohren. Doch er musste gegangen sein, denn plötzlich umwehte sie ein kühler Lufthauch. Der Fremde nahm die Hand von ihrer Brust. Als er zurücktrat, biss sie sich auf die Zunge, um nicht zu protestieren. Sofort schloss er beide Hände um ihre Oberarme, als wüsste er, wie unsicher sie auf den Beinen war.

„Ich bitte um Entschuldigung“, murmelte er. Jetzt klang sein undefinierbarer Akzent stärker durch.

Sie schaute ihm in die ebenholzfarbenen Augen und nickte. Entschuldigte er sich für die Unterbrechung oder für die Tatsache, dass er sich an einem öffentlichen Ort nicht beherrscht hatte? Zum Glück war dieser Taqi offenbar ein Bekannter von ihm – und diskret.

Während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen, empfand sie keine Reue. Sie hatte sich Hals über Kopf in einen Tsunami des Verlangens gestürzt. Etwas derart Aufregendes war ihr noch nie passiert – was eine Menge über ihr bisheriges Leben aussagte!

Der Adamsapfel des Fremden bewegte sich abrupt rauf und wieder runter, als er schwer schluckte. Rosanna war heilfroh darüber. Offenbar kostete es nicht nur sie selbst Überwindung, sich mit der Wirklichkeit zu arrangieren.

„Ich muss gehen“, sagte er. „Wenn Taqi mich aufsucht, ist es dringend.“

Wieder nickte sie. „Ich verstehe.“

Er stand da und betrachtete sie mit seinen unergründlichen dunklen Augen. Schließlich neigte er den Kopf.

„Danke.“

Eine Sekunde später stand sie alleine da. Mit langen, lässigen Schritten kehrte der Fremde in die Burg zurück.

Rosanna schaute ihm hinterher und hob eine Hand an die Kehle, als könnte sie dadurch das Herz im Zaum halten, das ihr bis zum Hals schlug. Dann ging sie zu der dunklen Ecke am Ende der Terrasse und wartete, bis sich ihre Atmung normalisierte und kein Feuerwerk mehr in ihrem Körper explodierte.

Kaum zu fassen, was eben passiert war. Noch nie hatte sie so instinktiv auf einen Mann reagiert. Nicht einmal auf Phil, den sie hatte heiraten wollen!

Die Erkenntnis versetzte ihr einen Schock. Gleichzeitig kam ihr das Intermezzo unausweichlich vor. Ausgerechnet ihr, einer Frau, für die One-Night-Stands nichts waren und die Männern aus Erfahrung nicht arglos vertraute. Als wäre es völlig normal, wenn ein Unbekannter so etwas in ihr auslöste! Und völlig normal, seinen Abschied wie einen Verlust zu empfinden …

Nachdenklich strich sie sich mit beiden Händen die Haare glatt und schloss die Knöpfe ihres Blazers, die bei der erotischen Umarmung aufgegangen waren. Dann setzte sie sich auf eine steinerne Bank, um auf den Fremden zu warten.

Vergeblich.

Nach einer Weile wurden die Türen der Burg geöffnet, und Gäste strömten heraus. Eine halbe Stunde standen alle auf der Terrasse und bewunderten das prächtige Feuerwerk zu Ehren des Burgherrn und seiner frischgebackenen Ehefrau.

Für Rosanna war das Spektakel eine willkommene Ablenkung. Im grellen Licht des Feuerwerks bahnte sie sich einen Weg durch die Gäste und hielt Ausschau nach einer bestimmten Person mit dunklen Haaren und breiten Schultern. Ihre Fingerspitzen kribbelten bei der Erinnerung daran, wie sich sein Kopf und die kurzen weichen Haare unter ihrer Haut angefühlt hatten.

Doch er war fort.

Und sie kannte nicht einmal seinen Namen.

1. KAPITEL

„Aber Marian, ich bin noch nicht so weit!“

„Natürlich bist du das. Schließlich hast du jahrelange Erfahrung als Personalvermittlerin, oder? Betrachte es einfach als einen weiteren Auftrag.“

„Einfach?“ Mit dem Handy am Ohr zog Rosanna die Brauen hoch. „Selbst für deine Verhältnisse ist es kein x-beliebiger Auftrag.“

Marian schwieg einen Moment, und Rosanna stellte sich vor, wie die Patientin sich im Klinikbett zurücklehnte.

„Also gut. Ist es nicht.“

Rosanna war daran gewöhnt, unter Hochdruck und mit überzogenen Erwartungen der Kunden zu arbeiten. Doch diese Sache überstieg alles bisher Dagewesene.

„Der Kunde ist derart prominent …“, begann sie, wurde aber sofort von ihrer Tante unterbrochen.

„Was wir nicht öffentlich diskutieren.“

„Natürlich nicht, Marian. Du kannst dich auf meine Diskretion verlassen.“ Während ihrer Tätigkeit als Personalvermittlerin war ihr absolute Verschwiegenheit in Fleisch und Blut übergegangen. Kopfzerbrechen bereitete ihr nur der Rest dieses Auftrags.

„Ich weiß, Rose. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, dich bei diesem Projekt an Bord zu haben.“

Bestimmt ist sie genauso besorgt wie ich, weil ich als Neuling einen solchen Auftrag übernehme, dachte Rosanna.

Doch es ging nicht anders. Marians Dienstleistung war sehr exklusiv und diskret. Ihre Agentur bestand lediglich aus ihr selbst und einer Sekretärin, die in Teilzeit arbeitete. Nun gehörte auch ihre Nichte dazu. Die war zwar noch dabei, sich einzuarbeiten, aber eine Provision wie diese durften sie sich keinesfalls entgehen lassen.

Rosanna bekam eine Gänsehaut. Nicht nur, dass ihr Ruf und ihre Karriere auf dem Spiel standen: Falls sie versagte, würden ein paar abfällige Worte ihres mächtigen Kunden unter seinesgleichen reichen, um Marians Firma zu ruinieren.

„Ich mache alles, was du willst. Aber ich werde deinen Rat brauchen.“

Hörte sie da einen erleichterten Seufzer? Sie wünschte, sie hätte an Marians Seite auf deren Operation warten können, doch ihre Tante hatte darauf bestanden, dass sie keine Zeit verloren.

„Natürlich, und ich bin jederzeit telefonisch erreichbar. Ich hätte dich nicht eingestellt, wenn ich nicht an dich glauben würde. Jetzt schreib auf, welche Dateien du auf deinen Laptop laden musst …“

Zwanzig Minuten später hatte Rosanna eine ansehnliche Liste mit Anweisungen. Das war gut. Wenn sie Aufgaben abarbeitete, blieb ihr nämlich keine Zeit, sich Sorgen zu machen.

„Der Wagen holt dich um zehn Uhr ab“, schloss Marian.

„Um zehn schon?“ Entsetzt sah Rosanna auf die Uhr. Wie lange brauchte sie, um zu packen?

„Genau. Also nicht trödeln. Viel Glück.“

Oh ja, sie brauchte alles Glück, das sie kriegen konnte. Zum ersten Mal würde sie in der überaus erfolgreichen Partnervermittlungsagentur ihrer Tante den Ton angeben. Und als wäre das nicht schon knifflig genug, bestand ihr erster Soloauftritt darin, die perfekte Braut für einen Scheich zu finden.

Dieser Auftrag unterschied sich völlig von ihrer früheren Arbeit als Personalvermittlerin in Sydney. Es war auch etwas völlig anderes, als Marian bei diskreten Recherchen zu unterstützen.

Phils Betrug hatte Rosannas Welt einstürzen lassen und Marians Jobangebot in London zu einem rettenden Anker gemacht. Aber es war etwas anderes, Angestellte für ein Unternehmen zu finden, als einem König bei der Wahl seiner Braut zu helfen.

Rosanna hatte Australien wie unter einer Wolke verlassen, die schwer auf ihr lastete. Seit dem Betrug durch ihren Ex quälten sie Selbstzweifel. Sie hätte Phil durchschauen sollen. So viel zu ihrer viel gepriesenen Menschenkenntnis!

Sie atmete tief durch und konzentrierte sich auf das Positive. Mit ihren beruflichen Fähigkeiten, kombiniert mit Marians Rat und Kontakten, sollte sie durchaus in der Lage sein, die gute Fee für ein ehrgeiziges Aschenputtel zu spielen.

Am frühen Abend fand sich Rosanna auf dem Rücksitz einer Limousine wieder. Leise schnurrend fuhr der Wagen auf die Hauptstadt von Dhalkur zu. Die Sonne versank hinter den fernen purpurfarbenen Hügeln und tauchte die antike Stadt in goldenes Licht. Schatten färbten sich erst bernsteinfarben, dann ockerfarben und violett. Gebannt betrachtete Rosanna die Stadtmauer mit ihren Zinnen vor der Silhouette aus Spitzdächern, Kuppeln und Türmen. Sie befand sich in einer anderen Welt.

Der Mitarbeiterstab des Scheichs hatte sämtliche Formalitäten geregelt, sodass sie die Annehmlichkeiten eines privaten Luxusjets hatte genießen können. An Entspannung war allerdings nicht zu denken gewesen. Sie fühlte sich nicht gut gewappnet, obwohl sie während des Fluges Marians Unterlagen über potenzielle Bräute gesichtet hatte. Im Hotel würde sie weitermachen – und auch detaillierte Recherchen über ihren Kunden anstellen.

Seine Majestät Scheich Salim von Dhalkur.

Marian hatte empfohlen, sich zunächst auf die Damen zu konzentrieren. Der Scheich konnte Rosanna nach ihrer Ankunft selbst über seine Vorlieben und Abneigungen informieren. Unabhängig davon hätte sie sich besser gefühlt, wenn sie mehr über ihn gewusst hätte als seinen Namen, sein Alter – einunddreißig –, seinen Familienstand – ledig, aber aktiv auf der Suche nach einer Gattin – und seinen Beruf – frischgebackener König.

Sie hatte von seinen Plänen zur Modernisierung des Landes gelesen, und auch von Mutmaßungen, dass er ebenso visionär wie entschlossen sein musste, um solche Veränderungen in seinem erzkonservativen Land durchzusetzen. Über ihn persönlich hatte in den Artikeln jedoch nichts gestanden. Sein Krönungsfoto zeigte einen hochgewachsenen Mann, der stolz vor einer jubelnden Menschenmenge stand. Es war allerdings aus einiger Entfernung aufgenommen.

Gerade wollte Rosanna ihr Handy zücken und ein Porträtfoto suchen, da fuhr die Limousine durch ein riesiges Tor, und sie passierten breite Mauern mit Überwachungskameras. Schließlich tauchte vor ihnen ein weitläufiger Park mit Palmen auf. Teiche glitzerten hinter blühenden Büschen, als sich der Wagen einem prachtvollen Eingang näherte.

Breite Stufen mit azurblauen Fliesen führten zu einem hohen Rundbogen, dessen kunstvolle Schnitzereien smaragd- und goldfarben glänzten. Wenige Meter dahinter stand ein etwas kleinerer Rundbogen, dessen Türkis- und Silbertöne Rosanna sogar noch besser gefielen. Dahinter befand sich ein noch kleinerer Rundbogen in Kobalt und Gold, der beschlagene Metalltüren einrahmte. Sie glänzten bronzefarben in der untergehenden Sonne.

„Wunderschön“, flüsterte Rosanna angesichts der architektonischen Meisterleistung.

„Man sagt, dreißig Kunsthandwerker haben dreißig Jahre für diesen Eingang gebraucht“, erklärte der Chauffeur stolz, während eine der hohen Türen aufging und ein älterer Mann in langer weißer Robe erschien.

„Fahren wir denn nicht zu meinem Hotel?“, fragte Rosanna.

„Meine Anweisung lautet, Sie zum Palast zu bringen.“

Vielleicht wollte ihr der ältere Herr, der jetzt auf die Limousine zuging, Informationen über ihre Unterkunft geben. Der Chauffeur stieg aus und öffnete ihr die Tür. Hinter ihm stand nun der Mann in der weißen Robe. Er stellte sich als Haushofmeister des Palastes vor.

„Willkommen in Dhalkur, Miss MacIain. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise?“

„Ja, vielen Dank.“ Sie stieg aus.

„Ausgezeichnet.“ Er drehte sich um und ging Richtung Eingang. „Wenn Sie mir bitte folgen würden?“

„Aber ich …“ Sie musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten. „Ich dachte, zuerst werde ich in meine Unterkunft gebracht.“

Der Mann musterte sie kurz.

„So ist es“, bestätigte er dann. „Sie wohnen als Gast im Palast.“

„Natürlich.“ Rosanna war zufrieden, weil sie gelassen so klang, als wären Aufenthalte in Palästen ihr täglich Brot.

Heimlich wischte sie die feuchten Handflächen an ihrer Sommerhose ab. Aus der Nähe sah sie, dass die Rundbögen noch kunstfertiger und opulenter waren als vermutet. Steckten da etwa Edelsteine zwischen den Fliesen? Sie blieb stehen und schaute bewundernd nach oben.

Der Haushofmeister drehte sich um.

„Verzeihung. Ich habe vergessen, welchen Eindruck das Tor der Königin auf Gäste macht.“

Tausende exquisiter Fliesen bildeten Blumen und Vögel in schillernden Farben. „Der Königin?“

„Sie lebte vor mehreren Jahrhunderten. Es heißt, sie habe den damaligen Scheich zweimal abgewiesen, als er um ihre Hand anhielt. Erst beim dritten Mal soll sie eingewilligt haben – weil er ihr nicht nur Reichtum und Rang bot, sondern auch sein Herz. Um das zu feiern, errichtete er diesen Eingang, mit einem Rundbogen für jeden Antrag. Dabei ließ er die Lieblingsedelsteine seiner Auserwählten einarbeiten: Smaragde und Lapislazuli.“

Unerwartet in einem Land, in dem der Scheich angeblich alle Macht besaß.

„Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein, wenn sie einen König abgewiesen hat.“

„Die Scheichs von Dhalkur sind stark und entschlossen. Warum sollte ein solcher Mann eine schwache Frau wollen?“

Rosanna dachte an die potenziellen Bräute. War eine von ihnen schwach? Suchte ihr Kunde eine ebenbürtige Frau, oder bevorzugte er eine fügsame Dame?

Der Haushofmeister schaute auf seine Armbanduhr. „Es tut mir leid, dass ich zu Eile dränge, Miss MacIain, aber wir dürfen Seine Majestät nicht warten lassen.“

Hastig folgte sie ihm in einen Korridor mit Mosaikfußboden. Der Flur war so breit wie ihr gesamtes Apartment.

„Seine Majestät?“

„Ja. Ich fürchte, es wird eine kurze Audienz sein. Seine Majestät hat bald einen weiteren Termin.“

Unauffällig strich sie sich die Haare glatt und zupfte ihren Blazer zurecht. Sie wünschte, sie hätte sich vor dem ersten Treffen mit ihrem Kunden etwas Frisches anziehen und ihre Recherchen über ihn abschließen können.

Trotzdem würde sie klarkommen. Schließlich war sie kompetent und erfahren, wenn auch noch keine umfassend ausgebildete Heiratsvermittlerin!

Gefühlt legten sie mehrere Kilometer zurück, bis ihr Begleiter schließlich vor einer hohen Tür aus poliertem Holz stehen blieb. Er klopfte ein einziges Mal.

„Herein.“

Der Haushofmeister öffnete die Tür, machte einen Schritt vorwärts und verbeugte sich.

„Miss MacIain ist hier, Eure Majestät.“

„Danke. Das wäre alles.“

Die tiefe Stimme ließ ihr einen heißen Schauer über die Wirbelsäule rieseln – geradewegs in ihre Körpermitte. Wegen der Vorfreude, sagte sie sich. Nicht wegen Nervosität. Oder gar, weil im Klang der Stimme etwas vage Vertrautes mitschwang …

Wortlos bedeutete der Haushofmeister ihr einzutreten, dann schoss er die Tür von außen.

Rosanna wusste wenig über die Etikette in Dhalkur, aber über diesen Teil hatte sie sich informiert. Mit gesenktem Blick vollführte sie einen Hofknicks, dankbar für den Ballettunterricht in Kindertagen.

„Sie dürfen näher treten.“

Als sie sich aufrichtete, zitterten ihre Beine. Diese Stimme …

Sie setzte sich in Bewegung, hob den Kopf – und blieb wie angewurzelt stehen.

Ihre Augen weiteten sich, und sie musste sich zwingen, den Mund zu schließen. Denn auf der anderen Seite eines wuchtigen Schreibtisches saß nicht der Scheich von Dhalkur, sondern ein Mann, den sie kannte. Ein Mann, dem sie vor sechs Monaten bei einer Party in Schottland begegnet war. Der sie mit seinem Charme bezaubert und zum traumhaftesten Kuss ihres Lebens verführt hatte. Dem sie sich glatt hingegeben hätte, als erstes sexuelles Abenteuer mit einem Fremden.

Doch dann war er gegangen und nie zurückgekehrt.

„Sie“, krächzte Rosanna. „Was machen Sie denn hier?“

2. KAPITEL

Salim beobachtete, wie sich die Frau vor ihm aufrichtete. Als er sie erkannte, war es wie ein heftiger Schlag gegen die Brust. Hitze strömte in seine Leistengegend.

Diese Augen! Der Mund! Ihre Körperhaltung! Auch die rauchige Stimme warf ihn zu jenem denkwürdigen Abend vor einem halben Jahr zurück.

So viel war in diesen sechs Monaten passiert. Trotzdem erkannte er sie auf der Stelle wieder, unabhängig von ihrem veränderten Erscheinungsbild. Zwar trug sie auch heute eine Hose und einen Blazer, doch dort hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Die Haare umschmeichelten ihre Schultern nicht wie eine weiche Wolke, und es gab auch kein metallisch glänzendes Top, das das Licht einfing wie Quecksilber und seine Aufmerksamkeit auf die verlockenden Rundungen ihrer Brüste lenkte. Sie trug auch keine hohen Schuhe, die sie zugleich elegant und wie eine sexy Sirene wirken ließen.

Stattdessen stand sie geschäftsmäßig da, in einem hellgrauen Hosenanzug, mit halbhohen Schuhen, die dunklen Haare straff zum Dutt gebunden. Nur die rostrote Farbe ihrer hochgeschlossenen Bluse lockerte den nüchternen Eindruck ein wenig auf.

Und jene Sekunde, in der seine Besucherin ihn erkannt hatte. Ihr Mund war weicher geworden, und sie hatte ihn förmlich mit den Augen verschlungen.

Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an. Dieser unglaubliche Zufall, der sie herführte …

Autor

Annie West
<p>Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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