Die Braut des spanischen Playboys

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"Ich will, dass Sie mich heiraten."Rafael Martinez heiraten? Die Vorstellung war so lächerlich, dass Cora ihn nur anstarren konnte. "Soll das ein Witz sein?"Was sucht ein milliardenschwerer spanischer Playboy an einem regnerischen Samstagabend in einem Park in Cornwall? Lady Cora glaubt zu träumen, als Rafael Martinez zielstrebig auf sie zukommt und sie auffordert, ihn nach Spanien auf sein Weingut zu begleiten. Bloß für einen Job? Von wegen! Er will, dass sie ihn heiratet. Jedoch nur, weil er ihren Adelstitel braucht. Cora hingegen könnte mit seinem Geld endlich ihre Schulden zahlen. Eine reine Geschäftsbeziehung also. Aber warum prickelt es dann so sinnlich, als er sie zur Übung zärtlich küsst?


  • Erscheinungstag 14.02.2017
  • Bandnummer 2271
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708108
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cora Brookes beugte sich vor, kraulte den Border Collie am Kopf und ließ sich auf die Parkbank fallen. Sie vergötterte Flash, genau wie sämtliche Hunde, um die sie sich kümmerte. Aber da sie das Hundeausführen zusätzlich zu ihrem Hauptberuf und dem Nebenjob als Buchhalterin erledigte, fühlte sie sich wie gerädert – sowohl körperlich als auch geistig.

Sie beschloss, sich auf das Positive in ihrem Leben zu konzentrieren. Immerhin hatte sie eine tolle Stelle ergattert, im Management des Caversham Castle Hotel, das zu dem großen Unternehmen Caversham Worldwide Holidays gehörte. Außerdem waren Ethan und Ruby Caversham großzügige Arbeitgeber. Dank des Lohns und der Nebenverdienste würde Cora eines Tages die enormen Schulden begleichen können, die ihr auf der Seele lagen.

Entschlossen reckte sie das Kinn vor. Selbst wenn sie ihren Eltern das Geld zurückzahlte, konnte sie damit nicht deren Liebe kaufen. Nicht einmal Zuneigung. Doch sie würde sich nicht mehr ganz so grässlich fühlen, weil sie ihre Familie derart enttäuscht hatte.

Denk nicht dran.

Flash bellte scharf. Cora war heilfroh über die Ablenkung und spähte durch den Sprühregen. Ein großer, schlanker Mann steuerte zielstrebig auf sie zu.

Sofort verschwand die Erleichterung wieder. Ungläubig zog Cora die Stirn kraus. Das konnte unmöglich Rafael Martinez sein. Was suchte ein milliardenschwerer spanischer Playboy und Weingutbesitzer an einem regnerischen Samstagabend in einem Park in Cornwall?

Ihr Herz stolperte. Nur ganz kurz. Kein Wunder – jedes weibliche Wesen reagierte so auf Rafael Martinez. Allerdings lag es bei Cora nicht daran, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, sondern weil sie nervös war. Aber gab es dazu überhaupt einen Grund?

Rafael erinnert sich nicht an dich, sagte ihr der gesunde Menschenverstand. Sie waren sich ein paarmal bei den Cavershams über den Weg gelaufen, und er hatte nie signalisiert, dass er sie erkannte und wusste, dass die Verwaltungsexpertin Cora Brookes in Wirklichkeit Lady Cora Derwent war, Mitglied einer der hochrangigsten adligen Familien Großbritanniens.

Wie sollte er auch? Sie hatte nie im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden. Das überließ sie ihren charismatischen, attraktiven und charmanten Geschwistern. Die unscheinbare Cora mit ihren karottenroten Haaren und ihrer unbeholfenen Art blieb abseits des Rampenlichts. Nur ihre türkisblauen Augen fielen auf, doch auch die machten sie kaum unvergesslich. Obendrein waren Rafael und sie einander bei der Party, die schon Jahre zurücklag, noch nicht einmal vorgestellt worden.

Trotzdem zog sie jetzt den Kopf zwischen die Schultern, beschäftigte sich mit Flash und hoffte, Rafael möge vorübergehen.

Fehlanzeige. Aus den Augenwinkeln sah sie ein Paar durchtrainierte Beine in Jeans vor sich.

„Cora.“

Die tiefe Stimme, in der stets ein amüsierter Unterton mitzuschwingen schien, ließ ihr einen Schauer über den Rücken rieseln. Cora nahm sich zusammen, richtete sich auf und hob den Kopf. Sie sah rabenschwarze Haare. Ausdrucksstarke ,dunkle Augen, die sie in den Bann zogen. Die markante Nase verlieh Rafael einen resoluten Ausdruck, und sein Kinn unterstrich diese Wirkung. Trotz seiner verheißungsvollen Lippen strahlte er Gefahr aus.

Dieser Mann wusste, was er wollte, und er nahm es sich. Nicht mit Gewalt, was ihn noch bedrohlicher machte – denn zu seinem attraktiven Äußeren gesellten sich Charme und Arroganz. Darin glich er Coras Verwandten, die ebenfalls glaubten, sie könnten sich alles leisten, weil es ihnen nun mal zustand.

„Rafael.“

„Evelyn hat mir gesagt, dass ich Sie hier finden würde.“

Cora verfluchte innerlich Ethans Assistentin, konnte ihr aber kaum Vorwürfe machen. Schließlich war Rafael Martinez der Geschäftspartner und Freund von Ethan Caversham. Überdies hatte er zweifellos seinen Charme spielen lassen, um Evelyn die gewünschte Auskunft zu entlocken. Aber warum? Falls sich Cora um Unterlagen für das Caversham-Martinez-Projekt kümmern sollte, konnte das doch wohl warten, bis sie wieder im Büro war.

„Gibt es ein Problem?“, fragte sie. „Sie wissen bestimmt, dass Ethan verreist ist?“

„Ja. Wie ich höre, hat er Ruby nach Paris entführt.“

Er sagte es leichthin, doch in seiner Miene lagen eine Verständnislosigkeit und Geringschätzung, die Coras Unmut anfachten.

„Was für eine romantische Idee“, erwiderte sie.

Gleichgültig zuckte er die breiten Schultern, auf die sich Coras Blick wie von selbst heftete.

„Davon verstehen Sie gewiss mehr als ich. Mir erscheint es eher klischeehaft, aber ich gebe gern zu, dass Romantik nicht zu meinen Stärken zählt.“

Ganz im Gegensatz zu Flirten. Cora verkniff sich die Bemerkung, nicht aber das Stirnrunzeln. Es war kein bisschen klischeehaft, dass Ethan und Ruby liebend gern Zeit miteinander verbrachten.

„Paris ist die romantischste Stadt der Welt. Die beiden haben garantiert ein wunderschönes Wochenende dort.“

Wusste der Himmel, warum sich Cora zu einer Verfechterin der Romantik aufschwang – ihre Erfahrung auf diesem Gebiet war gleich null.

„Wie auch immer, ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen über Romantik zu reden.“

Selbstverständlich nicht. Die Vorstellung, das könnte ein Thema zwischen ihnen sein, war lachhaft.

„Sondern?“

Ich bin nicht im Dienst, dachte Cora gereizt. Ihre Verärgerung nahm zu, als sie sich dabei ertappte, wie sie ihre Hände an der Jeans abwischte und fast ihre vom Regen gekräuselten Haare glatt gestrichen hätte.

„Was kann ich für Sie tun? Es muss dringend sein, wenn Sie persönlich herkommen“, meinte sie argwöhnisch.

Er verzog das Gesicht und setzte sich neben sie auf die Bank. „So könnte man es ausdrücken.“

Zu ihrer Überraschung legte Flash das Kinn auf Rafaels Knie.

„Flash – Platz“, befahl sie.

„Schon in Ordnung.“ Rafael tätschelte den schwarz-weißen Hund und kraulte ihn mit seinen starken Fingern genau dort, wo Flash es am liebsten mochte. „Ist das Ihr Hund?“

„Nein.“ Cora musste an ihre eigenen geliebten Hunde denken. Sehnsucht keimte in ihr auf. Sie hatte Poppy und Prue auf dem Landsitz der Familie Derwent zurücklassen müssen. Es wäre unfair gewesen, sie mitzunehmen. „In meiner Freizeit führe ich Hunde aus. Flash kommt aus dem Tierheim und braucht viel Aufmerksamkeit. Sein Herrchen ist Freiberufler und sitzt gerade an einem großen Auftrag, deshalb kümmere ich mich um Flash. Normalerweise mag er keine Fremden.“ Sie hörte selbst, dass der letzte Satz schnippisch klang.

„Hunde mögen mich.“

Natürlich taten sie das. Schweigend streichelte er den Hund, und Cora wurde bewusst, dass sie wie gebannt auf Rafaels Finger starrte. Die leisen Laute, die Flash vor Wohlbehagen von sich gab, brachten sie zur Besinnung. Sie rückte ein Stück von Rafael weg, weil ihr plötzlich alles zu viel war – sein muskulöser Körper und die Art, wie er den ganzen Raum einzunehmen schien. Dieser Mann strahlte irgendetwas aus, das sie nicht benennen konnte und auch nicht analysieren wollte.

Sie holte tief Luft. „Also, was kann ich für Sie tun?“

„Ethan hat erwähnt, dass er Sie in eins der anderen Caversham-Unternehmen versetzen wird.“

Cora nickte. „Er und Ruby möchten sich selbst auf Caversham Castle konzentrieren. Deshalb glaubt er, dass ich woanders mehr bewirken kann.“

„Wie wäre es mit dem Caversham-Martinez-Projekt? Sie würden mir direkt zuarbeiten.“

„Ihnen?“ Cora klappte die Kinnlade herunter.

„Sie klingen überrascht.“

„Bin ich auch. Oder eher verblüfft.“ Sie war eine ausgezeichnete Verwaltungsfachkraft. Es mochte nicht ihr Traumjob sein, aber sie beherrschte ihn. „Warum schlagen Sie mir das nicht einfach per E-Mail vor, statt persönlich herzukommen?“

„Ich schätze das Überraschungsmoment. Auf diese Weise sehe ich, was ich kriege.“

Rafael musterte sie mit seinen dunklen Augen, und Cora kämpfte gegen den Impuls an, in sich zusammenzusinken. Es gab ihr ein mulmiges Gefühl, so eingehend betrachtet zu werden. Sie wusste genau, dass sie nicht annähernd mit den Frauen mithalten konnte, denen Rafael normalerweise Beachtung schenkte. Zumal sie gerade in Jeans mit Schlammspritzern, Wanderstiefeln und einer übergroßen Kapuzenjacke vor ihm stand. Die roten Haare hatte sie zu einem strubbeligen Pferdeschwanz zusammengebunden.

Dennoch zwang sie sich, den Blickkontakt beizubehalten, aufrecht zu sitzen und frostig dreinzuschauen. „Oder was Sie nicht kriegen“, erwiderte sie.

„Heißt das, Sie sind an einer Zusammenarbeit mit mir nicht interessiert?“

Cora überlegte fieberhaft und schluckte das Nein herunter, das ihr auf der Zunge lag. Inzwischen sollte sie ja wohl gelernt haben, nicht mit dem Erstbesten herauszuplatzen, das ihr in den Sinn kam. Wie oft hatte ihre Mutter deswegen missbilligend geseufzt?

„Warum kannst du nicht mehr wie deine Schwester sein?“ In Coras Kindheit war diese Frage ihr ständiger Begleiter gewesen. Tja, warum eigentlich, hatte sie sich oft gewundert. Welches grausame Schicksal trug die Verantwortung dafür, dass ihre Zwillingsschwester so schön, lebhaft und perfekt war? Ganz anders sie selbst: durchschnittlich und unauffällig. Kaitlins blasser Schatten.

Sie zupfte an einer losen Strähne. Karottenrot. Kaitlin hingegen hatte rotgoldene Haare, die im Licht glänzten. Sicher hätte sie sich jetzt vorgebeugt und Rafael mit ihrem Lächeln, ihrer rauen Stimme und ihrem Ausschnitt bezirzt. Ihn dazu gebracht, Einzelheiten über den Job zu erzählen – und dann abgelehnt, ohne dass er ihr böse sein konnte.

Tja, Kaitlin saß aber nicht hier, und Cora wollte nicht für Rafael arbeiten. Der Instinkt sagte ihr, dass dieser Mann ebenso schädlich für sie war wie ihre Familie. Verwandte konnte sie sich nicht aussuchen – wohl aber ihren Chef.

„Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, doch ich glaube nicht, dass es der richtige Schritt für mich wäre.“

„Weshalb nicht? Sie wissen noch nicht einmal, welche Stelle ich für Sie im Sinn habe.“

„Das spielt keine Rolle. Ich möchte Ihre wertvolle Zeit nicht verschwenden.“

„Wie Sie schon sagten: Es ist meine wertvolle Zeit – und ich entscheide, wie ich sie nutze.“

Rafael zog die Brauen hoch, allerdings las Cora in seinem Blick mehr Belustigung als Missfallen. Dann lächelte er – ein Lächeln, das zweifellos schon unzählige Frauen in den Bann gezogen hatte. Den Grund konnte Cora gut nachvollziehen, doch ebenso gut kannte sie den Wert eines solchen Lächelns. Sie fragte sich nur, warum Rafael es an sie vergeudete.

Sie erstickte ihre Neugierde im Keim. Rafael erwartete garantiert, dass sie ihn anflehte, für ihn arbeiten zu dürfen. Von wegen.

„Sicher, aber ich möchte auch meine wertvolle Zeit nicht verschwenden.“ Sie lächelte zuckersüß und stand auf. „Tut mir leid, ich bin nicht interessiert.“

Er blieb sitzen. „Glauben Sie mir, Cora, Sie wollen hören, was mir vorschwebt. Ganz bestimmt.“

Mit seiner Selbstsicherheit traf er bei ihr einen Nerv.

„Hören Sie mich an. Ich weiß, dass Ihre Zeit wertvoll ist – deshalb will ich auch gut dafür zahlen.“

Cora starrte ihn an. Sie registrierte die Kompromisslosigkeit in seiner samtigen Stimme und den entschlossenen Zug um seinen Mund. Ihre Neugierde siegte über gute Vorsätze, Intuition und gesunden Menschenverstand. Diese Sache war Rafael wichtig, und sie hatte keinen Schimmer, wieso. Verwaltungsfachkräfte gab es wie Sand am Meer. Trotzdem wollte er zahlen, damit sie ihm zuhörte …

Und Geld brauchte sie dringend. „Na gut. Ich höre Sie unverbindlich an. Sollte ich den Job danach immer noch nicht wollen, sage ich Nein.“

„Abgemacht.“

Damit konnte sie gut leben. Es würde ihr Genugtuung bereiten, Rafael zurückzuweisen und von seinem hohen Ross zu holen.

„In Ordnung. Fünfhundert Pfund pro Stunde.“ Eine unverschämte Forderung, doch das kümmerte Cora nicht. Sie wäre beinahe erleichtert gewesen, wenn Rafael aufgestanden und gegangen wäre. Beinahe.

„Ich zahle Ihnen fünftausend Pfund pro Tag.“

„Pro Tag?“, stieß sie entgeistert hervor.

„Ja. Morgen früh um neun hole ich Sie am Hotel ab.“ Jetzt erhob er sich – offenbar hielt er ihre Einwilligung für selbstverständlich. „Bis dann.“

Sie wollte protestieren. Ablehnen. Gleichzeitig meldete sich ihre Vernunft ohrenbetäubend laut mit dem Argument, dass sie fünftausend Pfund unmöglich ablehnen durfte. Rafael hat mich über den Tisch gezogen, schoss es ihr durch den Kopf. Vor lauter Aufregung pulsierte das Blut schneller durch ihre Adern.

Er drehte sich um. „Und nehmen Sie Ihren Reisepass mit.“

Rafael Martinez parkte vor dem Caversham Castle Hotel und fragte sich flüchtig, ob er nun vollends den Verstand verloren hatte.

Nein. Er schloss die Finger fester um das Lenkrad. Dies war der beste Weg nach vorn – die einzige Möglichkeit, Don Carlos de Guzman, Duque de Aiza, zum Verkauf des Weingutes zu bewegen.

Zum Verkauf an mich zu bewegen, korrigierte sich Rafael. Denn Don Carlos verabscheute ihn, ohne seine wahre Identität zu kennen.

Zorn flammte in ihm auf, als er sich an Don Carlos’ Worte erinnerte. „Mit Männern wie Ihnen, Rafael, mache ich ungern Geschäfte.“

Nun, sie würden sehen. Bald, Großpapa. Bald. Rafael genoss es, sich seine Rache auszumalen, doch noch viel besser würde es ihm gehen, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte. Intensiv würde diese Rache schmecken, mit einer würzigen Note – genau wie der Rioja aus dem Weingut Martinez.

Vorher musste er allerdings Cora als Mitstreiterin gewinnen. Sie mochte ihn nicht, das stand fest. Aber warum? Nun, ihm fiel nur ein einziger Grund dafür ein: Auch sie blickte auf die ärmlichen Verhältnisse herab, in denen er aufgewachsen war. Für Lady Cora Derwent und Don Carlos musste er der Inbegriff des neureichen Emporkömmlings aus schlechter Familie sein.

Sie mochten sein Geld verachten, doch es würde sich als Schlüssel erweisen. Gestern Abend hatte offenbar nur die Aussicht auf das viele Geld Cora davon abgehalten, ihm eine Abfuhr zu erteilen.

Jetzt kam sie durch den Nieselregen auf ihn zu. Jemand musste den dunkelblauen Hosenanzug eigens mit dem Ziel entworfen haben, ihre körperlichen Vorzüge zu verbergen. Dazu trug sie flache blaue Pumps. Sie wirkte unscheinbar.

Er stieg aus und strich zärtlich über das Dach des silberfarbenen Zweisitzers, auf den er so stolz war. Dieses prachtvolle Fahrzeug bewies, wie weit er es seit seiner Kindheit gebracht hatte.

Nicht dass der Wagen Cora zu imponieren schien. Selbst Don Carlos hätte die Lippen nicht abfälliger zusammenpressen können.

„Guten Morgen.“

„Guten Morgen.“

Aus der Nähe betrachtet fand Rafael, dass die Kleidung sie nicht nur unscheinbar, sondern fast unsichtbar machte. Die roten Haare hatte sie zu einem strengen Knoten gebunden. Sie stand leicht krumm da, mit gesenktem Kopf. Vielleicht, um nicht erkannt zu werden. Rafael beschloss, herauszufinden, warum sich Lady Cora Derwent als Cora Brookes ausgab.

Während ihre Verwandten gar nicht genug Publicity kriegen konnten, hatte sie das Scheinwerferlicht nie gesucht. Mit Artikeln über Adlige verkauften sich Zeitschriften am besten, und aristokratischer als die Derwents konnte man kaum sein. Die Familie konnte ihren Stammbaum bis zur Herrschaft der Tudors zurückverfolgen.

Der Gedanke an Stammbäume erinnerte Rafael an seine eigene Herkunft. In ihm brodelte die vertraute Wut hoch. Wut, die er in Zielstrebigkeit ummünzte.

„Können wir?“, fragte er.

„Ja.“

Er hielt Cora die Beifahrertür auf und wartete, während sie – geringschätzig, wie er fand – auf dem niedrigen Sitz Platz nahm. Vielleicht war das Auto in ihren Augen ein vulgäres Statussymbol.

Allerdings entschlüpfte ihr ein leiser wohliger Seufzer, als sie es sich auf dem luxuriösen Carbonfasersitz bequem machte.

Rafael ließ den Motor aufheulen. „Cora, dies ist Lucille.“ Wieder trat er auf das Gaspedal. „Hören Sie? Lucille mag Sie.“

Cora lächelte kaum merklich, und sein Blick wanderte zu ihren vollen, ungeschminkten Lippen. Zu gern hätte Rafael gewusst, warum sie nicht öfter lächelte.

„Mich täuschen Sie nicht“, sagte er. „Ebenso wenig wie Lucille. Geben Sie es schon zu: Sie sind beeindruckt.“

Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Nein.“ Mit den Fingerspitzen strich sie über das Armaturenbrett. „Sie können Lucille gern ausrichten, dass ich einen britischen Sportwagen jederzeit einem italienischen oder deutschen Modell vorziehe. Lucille ist dem Spionageflugzeug Blackbird nachempfunden, und …“ Sie brach ab.

Rafael blinzelte irritiert. Cora hatte eben so begeistert ausgesehen – kein bisschen unscheinbar mehr. „Sie kennen sich mit Autos aus?“

„Nein. Aber mein Bruder, und deshalb weiß ich ein bisschen was darüber.“

Ihr Bruder. Gabriel Derwent. Überaus charismatisch und ebenso intelligent. Hatte sich kürzlich zur Freude der Klatschpresse von Lady Isobel Petersen getrennt und lebte seitdem im Ausland. Seine Abreise hatte Gerüchte über ein Zerwürfnis mit seinen Verwandten geschürt, doch die PR-Leute der Familie Derwent beteuerten, Gabriel arbeite an einem spannenden neuen Projekt.

Rafael bemerkte, dass Cora die Stirn runzelte. Möglicherweise bereute sie, dass sie ihren Bruder erwähnt hatte, obwohl sie ihre wahre Identität geheim halten wollte. Ihre Lippen bildeten wieder eine schmale Linie, und sie verschränkte die Arme.

„Das heißt allerdings nicht, dass ich verstehe, warum jemand so viel Geld für ein Auto ausgibt“, fügte sie hinzu. „Nur, um ein Statussymbol zu besitzen.“

„Ich kann nicht für alle Leute sprechen, die das tun“, erwiderte Rafael. „Aber ich habe Lucille gekauft, weil es mir Spaß macht, sie zu fahren.“

„Da bleibe ich lieber bei Schokolade. Das ist billiger.“

„Und wenn Sie das Geld hätten?“

Ihre Miene verfinsterte sich. „Dann würde ich teurere Schokolade kaufen. Wie auch immer: Was Sie mit Ihrem Geld machen, ist allein Ihre Sache. Wie sieht eigentlich Ihr Plan für heute aus?“

„Wir fahren zum Flughafen Newquay und steigen in eine Maschine nach Spanien.“

„Soll das ein Scherz sein?“, fragte Cora geschockt.

„Nein. Unser Ziel ist eins der Martinez-Weingüter in La Rioja.“

„Warum?“

Damit ich Ihnen einen Heiratsantrag machen kann.

Rafael glaubte nicht, dass diese Antwort gut ankommen würde. „Damit ich Ihnen zeigen kann, welcher Job mir für Sie vorschwebt.“

„Sie zahlen mir also fünftausend Pfund, damit ich mit Ihnen einen Tag auf einem spanischen Weingut verbringe und mir eine Jobbeschreibung anhöre. Wo ist der Haken?“

„Es gibt keinen.“

Sie musterte ihn misstrauisch und zog die Schultern hoch. „Den gibt es immer.“

„Diesmal nicht. Ich möchte lediglich, dass Sie mich anhören. Wenn Sie dann nicht interessiert sind – okay.“

Cora schüttelte den Kopf. „Sie sind sich ja mächtig sicher, dass ich Interesse haben werde.“

„Und Sie sind sich mächtig sicher, dass Sie es nicht haben werden. Dieses Risiko gehe ich ein. Es kostet mich einen Tag meines Lebens. Falls Sie ablehnen, heißt das.“

„Kein Haken? Nichts Unseriöses? Alles über jeden Zweifel erhaben?“

„Nein, nein und ja.“

„Es klingt bloß ein bisschen übertrieben.“

Nicht für einen Plan wie meinen.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Entspannen Sie sich. Das Leben steckt voller Chancen. Packen Sie diese beim Schopf.“

„Ich bin kein großer Fan von Chancen.“

Ihr bitterer Unterton entging ihm nicht. Rafael spürte einen unerwarteten Anflug von Mitgefühl.

„Sie müssen die Chance ja nicht nutzen“, sagte er. „Bloß in Erwägung ziehen. Was haben Sie schon zu verlieren? Schlimmstenfalls beschreibe ich den Job, und Sie lehnen ab. Dann ist für Sie dabei eine Reise nach Spanien und Lunch mit mir herausgesprungen.“

„Hurra.“

Trotz ihrer sarkastischen Art hätte Rafael schwören können, dass Cora kaum wahrnehmbar lächelte.

„Kommen Sie schon, genießen Sie es. Wann hatten Sie zuletzt einen Tag frei?“

Vor langer Zeit, sofern er ihre blasse Haut und die Schatten unter den Augen richtig deutete.

„Ich weiß nicht recht …“

„In La Rioja sind heute zweiundzwanzig Grad. Außerdem ist es dort unglaublich schön. Berge mit schneebedeckten Gipfeln, grüne Weinberge, blauer Himmel, mittelalterliche Dörfer …“

Cora atmete aus und lehnte sich zurück. „Okay. Überredet. Aber ich werde nicht verzückt in Ohnmacht fallen. Oder zwangsläufig für Sie arbeiten wollen.“

„Verstehe.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich liebe Herausforderungen.“

Und diese war ein Prachtexemplar.

2. KAPITEL

„Sie haben einen Privatjet gemietet?“ Beklommen schaute Cora sich im Flugzeug um. Ausgeschlossen, dass Rafael so einen Aufwand betrieb, um sie als Verwaltungsfachkraft zu gewinnen.

Vielleicht war er ein Drogenschmuggler und wollte sie mit seinem Reichtum blenden, damit sie für ihn arbeitete. Oder dieser Ausflug diente dazu, etwas zu verschleiern. Womöglich gehörte Rafael der spanischen Mafia an.

Nun, sie sollte wohl eher ihre blühende Fantasie zügeln.

„Ist das ein Problem?“

„Ja!“

Obwohl das eigentliche Problem Coras chaotische Gefühlslage war. Seit der Unterhaltung im Park fühlte sie sich unruhig – sogar gereizt. Abends hatte sie im Internet recherchiert, um mehr über Rafael herauszufinden. Keine gute Idee, denn danach hatte sie sogar von ihm geträumt.

„Niemand mietet einen Privatjet für so einen Anlass.“

„Ich schon. Sonst hätten wir den ganzen Tag gebraucht, um nach La Rioja zu kommen.“

Wie unfair! Er sprach den Namen der Region so aus, dass es Cora durch und durch ging. Rafael konnte fließend Spanisch. Na und? Er besaß ein spanisches Weingut. Vielleicht war er sogar Spanier.

In diesem Punkt hatte ihre Recherche kein klares Bild ergeben. Cora hatte lediglich erfahren, was ohnehin jeder wusste: Rafael Martinez war schon als junger Mann sehr erfolgreich gewesen. Millionär mit zwanzig. Er hatte eine Technologie-App entwickelt und damit in der Geschäftswelt für Furore gesorgt.

„Aber die Kosten … Ganz zu schweigen von der Umweltbelastung!“

„Ich fliege nicht täglich mit einem Privatjet. Die Umweltbelastung ist mir durchaus bewusst, genauso wie die Tatsache, dass Piloten und Mechaniker für diese Firma arbeiten und das Flugzeug einfach schön ist. Ich genieße den Luxus, am Flughafen nicht in einer Schlange stehen, umsteigen und einen Wagen mieten zu müssen. Außerdem gefällt es mir, von niemandem entdeckt zu werden, der dann in einem sozialen Netzwerk verkündet, wohin ich gerade reise.“

Cora stockte. Auch sie riss sich nicht darum, erkannt zu werden. Ihre Verwandten wussten, dass es ihr gut ging. Nicht aber, wo sie derzeit wohnte oder was sie machte. Dabei sollte es vorläufig bleiben. Sie brauchte Abstand, um ihre Wunden zu lecken. Noch wichtiger war ihr Stolz. Wenn sie ihre Eltern das nächste Mal traf, wollte sie ihnen wenigstens einen Teil der Schulden zurückzahlen können.

Rafael gab ihr fünftausend Pfund, also sollte sie vielleicht aufhören, an seiner Entscheidung für einen Privatjet herumzumäkeln.

„Ich bedaure lediglich, dass Sie so viel Geld umsonst ausgeben“, sagte sie deshalb nur.

Die Motoren dröhnten. Gleich startete der Jet. Rafael setzte sich auf einen eleganten schokoladenbraunen Ledersessel. „Warum beharren Sie darauf, dass Sie nicht für mich arbeiten wollen?“

Eine berechtigte Frage – und nicht leicht zu beantworten.

Weil Sie zu gut aussehen, zu arrogant sind, zu erfolgreich, zu gefährlich …

Das stimmte zwar, hätte sich aber dämlich angehört. Außerdem gab es da ja auch noch die Sportwagen, die Privatjets und diese Ausstrahlung von Rafael Martinez, die Cora mehr und mehr verunsicherte.

„Ich kenne die Caversham-Firmengruppe inzwischen sehr gut, bin dort vernetzt und arbeite gern für Ethan und Ruby. Über Wein weiß ich so gut wie nichts.“

Rafael schüttelte den Kopf. „Ausgezeichnet, Cora. Bestnote für Höflichkeit. Und jetzt die wahren Gründe.“ Er nahm seinen Laptop. „Wie wäre es, wenn ich Ihnen den heutigen Lohn jetzt gleich überweise? Dann können Sie sagen, was Sie wollen.“

Ihre Augen verengten sich, und das Blut stieg ihr in die Wangen. „Nicht nötig.“

„Dann seien Sie ehrlich. Ich kann damit umgehen.“

Wieder lächelte er auf diese eigentümliche Art und Weise – als wüsste er, dass er sie überzeugen würde.

Sie schüttelte den Kopf.

„Wie kann ich hoffen, Sie als Mitarbeiterin zu gewinnen, wenn ich Ihre Vorbehalte nicht kenne?“

„Na gut.“ Wenn er die ungeschminkte Wahrheit wollte, konnte er sie kriegen. Schließlich musste Cora im Moment keine Lady sein. Er musste begreifen, dass sie auf keinen Fall für ihn arbeiten würde. Wenn dieser Mann etwas wollte, war er hartnäckig, und aus unerfindlichen Gründen wollte er sie – Cora Brookes. Nicht Lady Cora Derwent.

Zugegeben, die Vorstellung war faszinierend. Verlockend …

Cora rief sich zur Ordnung. Sie sollte endlich klarstellen, dass sie nicht die Absicht hegte, ihn irgendwann einmal Chef zu nennen. Nie. Ihr Leben lang waren Leute wie Rafael um sie gewesen, und während der letzten paar Jahre hatte sie für ihre Eltern gearbeitet. Sie wusste genau, wie sich das anfühlte.

„Es gefällt mir nicht, dass Sie glauben, durch Ihr Vermögen und Ihr Äußeres ein Recht auf alles zu haben, was …“ Cora verstummte, weil etwas Seltsames in Rafaels Augen aufblitzte.

„Alles, was …?“, fragte er mit samtiger Stimme.

„Alles, was Sie wollen. Glamouröse Frauen, schnelle Autos, Privatjets, Vorzugsbehandlung … Ich mag Ihre Art nicht. Die Art, sich für überlegen zu halten.“

Autor

Nina Milne
<p>Nina Milne hat schon immer davon geträumt, für Harlequin zu schreiben – seit sie als Kind Bibliothekarin spielte mit den Stapeln von Harlequin-Liebesromanen, die ihrer Mutter gehörten. Auf dem Weg zu diesem Traumziel erlangte Nina einen Abschluss im Studium der englischen Sprache und Literatur, einen Helden ganz für sich allein,...
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