Die Bräute von Butler County

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KÜSS MICH BIS ZUM MORGEN

Eigentlich sollte der Werbefachmann Jack Ferris doch Frannie für ihr Brautmoden-Studio beraten. Doch nun berät sie ihn bei der Betreuung seiner süßen Nichte. Dass Frannie das aus der Ruhe bringt, liegt allerdings nicht an dem Kind: Dieser anziehende Mann raubt ihr den Atem! Es scheint allerdings, als ob er an ihr allein ihre mütterlichen Qualitäten schätzte ...

VIEL ZU SÜß, UM NEIN ZU SAGEN

Für den smarten Ronan Sullivan sind die Signale eindeutig: Die umwerfende Deirdre kann ihn nur zu einem romantischen Dinner auf ihrer Veranda eingeladen haben, weil sie ihn genauso begehrt wie er sie. Ihr leidenschaftlicher Kuss und die heiße Nacht geben ihm recht. Doch dann weist Deirdre ihn unvermittelt zurück. Was ist nur los mit dieser wunderbaren Frau?

LEIDENSCHAFT WIE AM ERSTEN TAG

Als Jillian das Haus ihres Ex-Verlobten Dexter Piersall betritt, erkennt sie sofort, dass sie diesem atemberaubenden Mann noch immer nichts entgegenzusetzen hat. Dabei hätte sie allen Grund, ihn zu verachten! Und als er ihr dann einen Heiratsantrag macht, zerreißt es ihr fast das Herz: Liebt er sie wirklich oder geht es ihm nur um die Zukunft seiner Firma?


  • Erscheinungstag 07.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728458
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Anne Marie Winston

Die Bräute von Butler County

IMPRESSUM

Küss mich bis zum Morgen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© by Anne Marie Rodgers
Originaltitel: „The Baby Consultant“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1049 - 1999 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Ingrid Kasper

Umschlagsmotive: Yeko Photo Studio/Fotolia

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733742744

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Der Mann, der hinten in seinem Büro stand und telefonierte, war ganz vertieft in sein Gespräch, sodass Frannie Gelegenheit hatte, ihn genauer zu betrachten. Er war keine Schönheit im landläufigen Sinne, dafür war seine Nase etwas zu groß geraten, aber er besaß ausgeprägt männliche Gesichtszüge, die durch den militärisch kurzen Haarschnitt noch betont wurden. Nur ein paar vorwitzige hellblonde Haare, die dem scharfen Messer des Friseurs wohl entgangen waren, lockten sich auf seinem Kopf. Dee, eine gute Freundin von Frannie, hatte überschwänglich von diesem Mann geschwärmt.

Obwohl Frannie die Gefühle ihrer Freundin nicht ganz nachvollziehen konnte, musste sie zugeben, dass der Mann, der jetzt beim Telefonieren wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief, eine äußerst attraktive Erscheinung war. Seine Ausstrahlung verfehlte nicht ihre Wirkung auf sie, und sie unterzog ihn einer genaueren Prüfung.

Er war sehr groß und hatte eine ausgesprochen sportliche Figur: breite Schultern, einen geraden, kräftigen Rücken, schmale Hüften und eine schlanke Taille. Frannies Blick wurde von seinen langen, muskulösen Beinen regelrecht gefesselt. Sie konnte die Augen kaum davon losreißen. Dazu kam noch seine elegante, kraftvolle Art, sich zu bewegen. Als er sich umwandte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf seinen knackigen Po gelenkt, und sie betrachtete ihn anerkennend. Seine Figur war umwerfend, da musste sie ihrer Freundin recht geben. Zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie, dass Frauen beim Anblick eines solchen Mannes total den Kopf verlieren konnten. Sie unterdrückte ein Lachen, denn bis jetzt hatte sie die Schwärmereien ihrer Freundinnen immer als übertrieben abgetan, da ihr selbst so etwas noch nie passiert war. So ein Exemplar von einem Mann war ihr allerdings auch noch nie begegnet.

In diesem Moment drehte er sich zu ihr um, lächelte sie an und winkte ihr zu, doch näher zu treten und Platz zu nehmen. Frannie ging zu seinem Schreibtisch, stellte ihren Aktenkoffer ab und setzte sich. Das Lächeln, das er ihr jetzt schenkte, war überwältigend. Es nahm ihr fast den Atem, und sie spürte, dass ihr Herz heftig zu pochen begann. Himmel, ihr wurden sogar die Knie weich. Gott sei Dank saß sie schon, denn wahrscheinlich hätten ihre Beine sie nicht länger getragen.

Dee hatte sie vorgewarnt und ihr gesagt, dass Frauen sich gewissermaßen um ihn schlügen. Dennoch konnte sie ihre Reaktion nicht fassen. Dass der kurze Moment, in dem ihre Blicke sich getroffen hatten, ausreichte, sie so zu verzaubern, hätte sie nicht gedacht. Auf der Stelle hätte sie jede Verrücktheit für ihn begehen können.

Die Tür des Schreibbüros öffnete sich, und seine gut aussehende Sekretärin erschien. „Nur noch einen kleinen Moment, dann hat der Chef Zeit für Sie“, sagte sie, lächelte Frannie freundlich an und verschwand wieder.

Seine Sekretärin sah wie ein Model aus. Frannie spürte so etwas wie Eifersucht auf die schöne, junge Frau. Wenn sie nicht so freundlich zu mir gewesen wäre, könnte ich sie glatt hassen, gestand sie sich ein.

Er telefonierte immer noch. Eine Hand hatte er in die Hüfte gestützt, und er schien verärgert zu sein, obwohl er sich Mühe gab, das zu verbergen. „Ich sagte dir doch schon, dass es mir leidtut, Mona. An dem Tag habe ich ein Spiel. Aber wenn du möchtest, kannst du gern mitkommen.“ Seine Stimme klang höflich, dennoch sah Frannie es ihm an, dass es ihn große Mühe kostete, freundlich zu bleiben. Es schien, als knirsche er mit den Zähnen. Wenn Mona das sehen könnte! Für Frannie war es offensichtlich, dass er nicht bereit war, dem Wunsch dieser Frau nachzukommen.

Da Frannie dem Gespräch nicht länger zuhören wollte, griff sie in ihren Aktenkoffer und holte eine Mappe mit Fotos heraus. Sie legte sich die Mappe auf den Schoß, öffnete sie und schaute sich noch einmal kritisch die Bilder der Brautkleider an, die sie selbst entworfen und genäht hatte. Sie konzentrierte sich so stark darauf, dass sie die Welt um sich herum vergaß, sogar Jack Ferris mit seinem hinreißenden Charme.

Das cremefarbene Satinkleid hatte eine aufwendige Perlenstickerei auf dem eng anliegenden Oberteil. Das Kleid wäre noch besser zur Geltung gekommen, wenn sie auch die Rückenansicht fotografiert hätte. Der lange, kostbare Schleier aus echter Spitze war unbeschreiblich schön. Dann schaute sie sich das viktorianische Brautkleid an. Es war ein außergewöhnliches Modell. Nicht ihr Stil, aber der jungen Frau, für die sie es entworfen und genäht hatte, stand es. Es passte alles zusammen, sogar die weiten, mit Pelz verbrämten Ärmel. Auf Frannies Rat hin hatte die Braut die Haare hochgesteckt und statt eines Schleiers einen großen, mit Federn geschmückten Hut getragen. Der Anblick war bezaubernd gewesen. Jetzt ruhte ihr Blick auf dem zarten, seidenen Etuikleid mit dem Überwurf aus Brüsseler Spitze. Das Herstellen dieses Kleides hatte ihr ganz besondere Freude gemacht. Wäre es wohl besser gewesen, wenn sie nur ihre klassischen Entwürfe mitgebracht hätte? Denn Frannie hatte zu ihrem Erstaunen festgestellt, dass die überwiegende Zahl ihrer Kundinnen sich für die traditionellen Brautkleider entschied. Wenn sie an die Auswahl für ihre Broschüre dachte – der Grund ihres Besuchs in dieser hochgepriesenen Werbeagentur –, wurde sie unsicher. Ob man ihr hier auch dabei helfen würde?

Als sie sich wieder in ihre Kreationen vertiefte, hörte sie plötzlich ein Klicken. Der Chef der Werbeagentur hatte sein Gespräch beendet.

„Entschuldigen Sie bitte die Verzögerung, Miss Brooks. Mein Name ist Jack Ferris.“ Er kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu und lächelte sie an.

Wieder dieses Lächeln. Frannie erhob sich ein wenig, um ihm die Hand zu geben. In dem Moment rutschte ihr die Mappe vom Schoß, und die Bilder landeten verstreut auf dem Fußboden.

„Ach, du liebe Zeit“, seufzte sie, als sie in die Hocke ging, um ihre Fotos aufzuheben. Da Jack Ferris sich auch spontan bückte, stießen sie mit den Knien aneinander. Frannie war ihm jetzt so nah, dass sie sein Aftershave riechen konnte. Das hielt sie nicht aus und rückte schnell von ihm ab, denn ihr fiel sogar das Atmen schwer.

In Sekundenschnelle waren die Bilder eingesammelt, und Frannie, die jetzt Jack Ferris direkt gegenüber auf dem Teppich kniete, konnte es nicht vermeiden, ihm ins Gesicht zu sehen. Es war, als bliebe die Zeit stehen, und Frannie wusste nicht, wie ihr geschah. Schmetterlinge schienen in ihrem Bauch zu tanzen.

Aber sie durfte sich keinesfalls eine Blöße geben, denn er war es sicher gewohnt, dass Frauen ihm hingerissen zu Füßen lagen. Frannie hatte nicht vor, ihn in diese Richtung auch noch zu ermutigen.

Sie lächelte ihn an und reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Mr Ferris“, sagte sie höflich.

„Bitte, nennen Sie mich doch Jack.“ Er nahm ihre kleine zarte Hand in seine große starke. Als Frannie die Wärme und die Kraft seiner Hand spürte, fiel ihr der ewige Gegensatz ein: Mann und Frau, das Harte und das Zarte. Er half ihr auf die Füße, ließ ihre Hand aber nicht los. Sie hätte sich nicht ohne Aufhebens von ihm befreien können, wobei sie sich ein wenig kindisch vorgekommen wäre. Darum nickte sie zustimmend, als er auf eine Sitzgruppe deutete, die in einer Fensterecke stand. „Lassen Sie uns dort Platz nehmen. So ist es viel bequemer. Ich lege nämlich keinen großen Wert auf Förmlichkeiten“, erklärte er.

„Also, Sie sind zu mir gekommen, damit ich Ihnen einen Entwurf für eine Broschüre herstelle, ist das richtig?“, begann er, nachdem sie sich gesetzt hatten. „Sie wollen eine Werbeaktion für Ihr … Nähatelier starten.“ Er hatte einige Notizen vor sich liegen, die er kurz überflog.

„Ich entwerfe und fertige Brautkleider“, entgegnete sie nicht ohne Stolz. „Kostbare Roben nähe ich sogar selbst mit der Hand. Darüber hinaus bin ich behilflich, die passenden Accessoires dafür auszusuchen. Ich entwerfe aber nicht nur Brautkleider, sondern auch Modelle für andere große Anlässe. Manchmal kommt es vor, dass ich gebeten werde, das Brautkleid der Großmutter wieder instand zu setzen, das fünfzig Jahre gut verpackt auf dem Dachboden gelegen hatte.“

„Entschuldigen Sie bitte das Missverständnis. Es war nicht meine Absicht, Sie zu verletzen, denn ich habe den allergrößten Respekt vor jemandem, der so etwas kann. Ich bin nicht einmal in der Lage, mir einen Knopf anzunähen.“

Frannie musste bei seinen Worten lachen. „Das haben mir schon viele gesagt, dabei ist es gar nicht so schwer, die Grundbegriffe des Nähens zu erlernen.“

Er lächelte amüsiert. „Meine Hände sind dafür zu groß. Man sagt mir zwar nach, dass ich außergewöhnlich gute Reaktionen habe, aber meine Feinmotorik lässt ziemlich zu wünschen übrig. Also, was genau kann ich für Sie tun?“ Jack Ferris schaute sie mit seinem unwiderstehlichen Blick fragend an.

„Ich weiß es auch nicht so recht“, antwortete Frannie etwas unsicher. Als er die Augenbrauen hochzog, fuhr sie hastig fort: „Ich habe mein Geschäft erst letztes Jahr eröffnet. Es ist recht gut angelaufen, sogar besser, als ich es erwartet hatte. Aber nun würde ich meinen Kundenkreis gern erweitern und mein Geschäft vergrößern. Meine Kunden kommen bis jetzt nur hier aus dem Umkreis. Ich würde gern Interessenten im Umland von Baltimore gewinnen und kam daher auf die Idee mit der Broschüre.“

„Wie haben Sie denn das Geschäft auf die Beine gestellt?“ Er lehnte sich interessiert vor. Marketing war schließlich sein Fachgebiet, damit verdiente er sein Geld.

„Durch gute Beziehungen. Eine Freundin von mir, die selbst Geschäftsfrau ist, verfügt über einen großen Bekanntenkreis.“ Frannie konnte in Gedanken an ihre Freundin ein fröhliches Lächeln nicht unterdrücken. „Sie hat mich bekannt gemacht, dann ging alles ganz einfach. Die neu gewonnenen Kundinnen empfahlen mich weiter. Von da an brauchte ich mich über Arbeitsmangel nicht zu beklagen.“

„Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie eine gute Ware anzubieten haben“, warf Jack Ferris ein. „Demnach müssen Sie gut sein. Wo haben Sie nähen gelernt? Entschuldigung … entwerfen gelernt?“ Er lächelte ihr augenzwinkernd zu, als wisse er ganz genau, dass Frannie ihm großzügig seinen Fehler verzieh.

„Ich habe zwei Jahre lang eine Fachhochschule für Mode und Design in Philadelphia besucht und kam dann wieder nach Hause zurück.“

„Demnach sind Sie hier aus der Gegend?“

„Nicht genau. Erst als ich mit meinem Geschäft anfing, zog ich hierher nach Westminster. Meine Familie lebt in Taneytown, das ist nicht weit von hier.“ Sie holte tief Luft, dann sagte sie mutig: „Ich habe ein Problem Mr … also gut, Jack. Ich kann es mir noch nicht leisten, viel Geld für eine Werbung auszugeben.“

„Meine Klienten kommen aus ganz verschiedenen Bereichen und haben daher völlig unterschiedliche Bedürfnisse“, antwortete Jack beruhigend und lächelte sie verführerisch an. Darauf würde sie nicht hereinfallen, so dumm war sie nicht. Denn sie war ziemlich sicher, dass er seine Worte zweideutig gemeint hatte. Sie brauchte nur in seine blitzenden Augen zu schauen, um ihren Verdacht bestätigt zu sehen. Dieser Playboy flirtete sicher mit jeder Frau, die in seine Nähe kam.

Frannie blieb ernst. „Im nächsten Frühling habe ich die Gelegenheit, meine Kollektion an verschiedenen Orten vorzuführen, und ich dachte daran, Broschüren drucken zu lassen, die interessierte Besucher dann mitnehmen könnten“, erklärte sie ihren Plan.

Jack nickte zustimmend. „Das ist ein guter erster Schritt, um Kunden zu gewinnen. Ihr Produkt hat sicher einen Markt und findet offensichtlich Anklang.“ Wieder lächelte er sie charmant an. „Man denke nur an all die Bräute, die bereit sind, für diesen großen Tag das Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Und das für Kleider, die einmal getragen werden und über die man auch noch stolpern kann.“ Er lachte wie über einen gelungenen Witz.

„Ich habe allerdings festgestellt, dass die meisten Bräute sehr budgetbewusst sind“, entgegnete Frannie leicht verletzt. Je mehr Jack Ferris versuchte, dieses Gespräch von der heiteren Seite zu nehmen, desto distanzierter reagierte sie. Denn mit solchen Männern hatte sie schon ihre Erfahrungen gemacht. Sie erinnerte sich besonders an einen. Darum fühlte sie sich jetzt auch nicht sehr wohl. Oliver war auch so ein Mann gewesen. Er hatte immer ganz genau gewusst, wie er seinen Charme einsetzen musste, um seine Ziele zu erreichen.

Jack schien in Gedanken weit weg zu sein, als er jetzt begann, sich Notizen zu machen. „Ich komme zum wichtigsten Punkt, der zuerst geklärt werden sollte. Wer kann sich solche Roben überhaupt leisten? Wer kann das bezahlen?“ Er blickte hoch und schaute Frannie fragend an. „Haben Sie Preisvergleiche gemacht?“

Sie nickte. „Da meine besten Modelle von Hand genäht werden, ist der Preis gerechtfertigt und liegt im mittleren Bereich im Vergleich zu anderen Angeboten“, antwortete sie.

„Das hört sich gut an.“ Jack Ferris machte sich ununterbrochen Notizen. „Jetzt sagen Sie mir bitte noch, was Sie in Ihrer Broschüre besonders betonen wollen. Was ist für Ihre Kundinnen besonders wichtig?“

Von dem Augenblick an, in dem Jack Ferris sich mit der gestellten Aufgabe beschäftigte, war er ein ganz anderer geworden. Sachlich, konzentriert und effizient, stellte Frannie abschließend fest, als sie ihre Sachen zusammenpackte und aufstand, um zu gehen. Aber als Jack Ferris ihr die Tür aufhielt und sie verabschiedete, lächelte er sie wieder verführerisch an.

„Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden“, sagte er leise und nickte ihr augenzwinkernd zu.

„Ich kann es kaum erwarten, Ihren ersten Entwurf zu sehen“, antwortete Frannie und sah sich gezwungen, ihm die Hand zu geben, damit sie das Geschäft besiegeln konnten. Wie beim ersten Mal spürte sie die Wärme, die von seiner großen, starken Hand ausging. Es war nur ein Händedruck, aber der wirkte auf sie sehr vertraulich, genau wie sein verflixtes Lächeln.

Frannie entdeckte ihre fröhlich winkenden Freundinnen sofort, als sie das kleine Lokal in Westminster betrat, und schlängelte sich flink zu ihrem Tisch hindurch. Amüsiert bemerkte sie, dass Jillian Kerr wieder einmal einen Mann verhext hatte, der um sie herumschlich wie ein liebeskranker Kater.

„Hi, Frannie!“, rief Deirdre Patten und stand auf, um sie zu umarmen. Für Dee waren Männer ungefähr so anziehend wie bissige Hunde. Daher war es zu verstehen, dass der Mann, den ihre Freundin Jill im Schlepptau hatte, ihr die Laune ziemlich verdarb.

„Liebes“, sagte Jillian, stand auch auf und kam um den Tisch herum, um Frannie herzlich zu begrüßen. Sie lächelte den Mann, der ihr auf den Fersen gefolgt war, freundlich an. „Okay, Bob, jetzt musst du dich verabschieden, denn dieses Treffen ist nur für Ladys.“

Frannie lächelte. „Weißt du, Jill, ich wundere mich immer wieder, wie du es anstellst, die Männer um den kleinen Finger zu wickeln. Ist dir das schon jemals nicht gelungen?“

Jillians selbstsicheres Lächeln verschwand, und zu Frannies Überraschung antwortete sie: „Doch, einmal.“ Und düster fügte sie hinzu: „Aber danach nie wieder.“

Plötzlich herrschte eine angespannte Stille. Da Frannie fühlte, dass Jill nicht näher auf die Geschichte eingehen wollte, um vielleicht noch tröstende Worte zu hören, versuchte sie, mit einer scherzhaften Bemerkung diesen Moment zu überbrücken. „Weißt du, was ich glaube? Du und Jack Ferris, ihr beide würdet ein tolles Paar abgeben.“

„Nie im Leben!“, protestierte Jill. „Ich kenne Jack. Er wird noch flirten, wenn er neunzig ist. Er ist ein toller Typ, zugegeben, aber nichts für mich. Er wäre mir ein viel zu unsicherer Kandidat. Wie ich schon sagte, für mich muss ein Mann kontrollierbar sein.“

Deirdre lachte belustigt auf. „Dann vergiss Jack sofort. Er ist ganz und gar kein Typ, den man an die Leine legen kann.“ Sie wandte sich Frannie zu. „Du hast Jack also aufgesucht. Und was hält er von deiner Idee mit der Broschüre?“

„Er hatte mir versprochen, einen ersten Entwurf zu erstellen und mir einen Kostenvoranschlag zu machen. Er wollte sich einige Tage später bei mir melden. Aber inzwischen sind schon zwei Wochen vergangen, und ich habe immer noch nichts von ihm gehört“, antwortete Frannie. Sie zog die Augenbrauen hoch. „Er war so ganz anders, als ich ihn mir nach eurer Beschreibung vorgestellt hatte. Ich glaube nicht, dass man sich in seiner Nähe wirklich wohlfühlen kann.“

Dee hob die Schultern. „Jack und ich wohnten früher in derselben Straße. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Mein Bruder spielte Lacrosse mit ihm, und für mich war er immer wie ein jüngerer Bruder.“

Jillian schaute Frannie neugierig an. „Was hattest du denn für einen Eindruck von Jack Ferris? Hat er dir etwa auch den Kopf verdreht?“

„Ich dachte, er interessierte dich gar nicht“, gab Frannie zurück, um einer Antwort auszuweichen.

„Nur weil ich keine nähere Beziehung mit ihm eingehen möchte, heißt das noch lange nicht, dass ich für seine männlichen Reize nicht empfänglich bin“, entgegnete Jillian und zwinkerte Dee zu. „Also, raus mit der Sprache. Wie fandest du ihn?“

„Wie du schon sagst, er ist wirklich ein Charmeur. Und ich bin ganz sicher, dass die Frauen nur so auf ihn fliegen und ihm zu Füßen liegen. Das bläht sein Ego sicher gewaltig auf.“

„Bist du ihm etwa auch zu Füßen gefallen?“, rief Jill schockiert aus. „Ich habe immer angenommen, dass Männer, die es darauf anlegen, eine Frau zu beeindrucken, bei dir keine Chance haben.“

Dee fühlte sich jetzt verpflichtet, Jack zu verteidigen. „Hört mal, Jack ist ein wirklich netter Typ, und ich glaube nicht, dass er eine Strichliste führt über alle Frauen, die er herumgekriegt hat.“

„Aber wir wollen das natürlich ganz genau wissen“, ergänzte Jill und zeigte auf Frannie. „Du bist unser Versuchskaninchen.“

„Ich denke nicht daran“, widersprach Frannie lachend, wurde dann aber gleich wieder ernst. „Mir gefällt es übrigens gar nicht, dass er sich bis heute noch nicht bei mir gemeldet hat. Und ich überlege ernsthaft, ob ich ihm den Auftrag geben soll, selbst wenn sein Preis meinen Vorstellungen entspricht.“

„Das ist überhaupt nicht Jacks Art, ich verstehe das nicht“, mischte Deirdre sich ein. „Zwar sehe ich ihn nur noch selten, aber er war immer sehr zuverlässig, ganz besonders in geschäftlichen Dingen. Er müsste sich schon sehr geändert haben.“

„Nun ja“, war alles, was Frannie auf Deirdres Bemerkung erwiderte, denn die Kellnerin kam an ihren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. „Allerdings muss ich unbedingt meine Fotomappe zurückhaben, da ich sie für meine Kundinnen brauche. Die Bilder sind für mich ein wichtiges Arbeitsmaterial“, fügte Frannie etwas frustriert hinzu.

Zwei Stunden später, als Frannie ihre Nachmittagspost durchsah, hielt sie Jacks Entwurf für die Broschüre in Händen. Sie starrte mit offenem Mund auf seinen Preisvorschlag. Wie war Dee nur auf die Idee gekommen, zu behaupten, seine Preise seien erschwinglich? Frannie hatte angenommen, dass Deirdre ähnlich scharf rechnen musste wie sie selbst. Eines wusste Frannie jetzt ganz genau: Es würde noch lange dauern, bis sie sich eine Werbung für „Brooks’ Modellbrautkleider“ bei Jack Ferris leisten konnte.

Vielleicht sogar sehr lange.

Der Gedanke deprimierte sie. Frannie war über den Anfangserfolg ihres Geschäfts sehr glücklich gewesen und wie auf Wolken gegangen. Es war für sie ein bedeutsamer Schritt, allein in die Kleinstadt Westminster zu ziehen und sich dort selbstständig zu machen. Bis dahin hatte sie mit kurzen Unterbrechungen immer in einer großen Familie gelebt, und es fiel ihr nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass niemand mehr da war, um den sie sich kümmern musste. Um dieses Vakuum auszufüllen, hatte sie sich voller Elan in ihre Arbeit gestürzt.

Das hatte sicherlich zu ihrem Erfolg beigetragen. Sie hatte bald eine Näherin einstellen können, und seit einigen Monaten beschäftigte sie stundenweise eine Hilfe, die den Bräuten an ihrem großen Tag beim Ankleiden half, damit auch wirklich alles perfekt saß.

Frannie sah ein, dass es schwierig würde, ihr Geschäft zu vergrößern, wenn allein die Kosten für das Herstellen von Broschüren so hoch waren.

Kurz entschlossen ging sie zum Telefon und suchte die Nummer von Jack Ferris’ Werbeagentur heraus. Seine Sekretärin meldete sich und teilte ihr mit, dass Jack verreist sei, sie ihn aber bald zurückerwarte. „Wollen Sie eine Nachricht für ihn hinterlassen?“, fragte die junge Frau freundlich.

Aber Frannie verzichtete darauf und rief nach fünf Tagen erneut an. Jetzt hörte sie nur den Anrufbeantworter mit der Nachricht, dass die Firma wegen einer dringenden familiären Angelegenheit vorübergehend geschlossen sei. Das ging so bis zum Ende der Woche.

Am darauffolgenden Freitag war Frannies Geduld am Ende. Familienprobleme oder nicht, sein Benehmen ist einfach unmöglich, dachte sie und suchte sich seine private Telefonnummer heraus, um ihn dort anzurufen.

Niemand meldete sich, und der automatische Anrufbeantworter gab dieselbe Nachricht durch, die sie schon in der Agentur gehört hatte.

Jetzt reichte es ihr. Seit einem Monat hatte sie geduldig gewartet. Jack Ferris’ Verhalten war ihr unbegreiflich.

Sie brauchte dringend ihre Fotos und war entschlossen, so lange vor seiner Haustür zu warten, bis er kam.

Das Haus, in dem er wohnte, sah von außen gediegen und teuer aus. Der gemauerte Ziegelbau fiel auch in dieser Gegend auf. Frannie läutete fünf Mal, aber es rührte sich nichts. Die Haustür war abgeschlossen, wie sie schon vermutet hatte. Sie war richtiggehend wütend auf Jack Ferris. Sie erinnerte sich genau daran, ihm ganz deutlich gesagt zu haben, dass sie ihre Fotos so schnell wie möglich zurückhaben musste. Er war nicht nur ein gefährlicher Charmeur, sondern auch noch unzuverlässig, denn er hatte ihr fest versprochen, sich innerhalb einer Woche bei ihr zu melden.

Eine Woche, du liebe Güte. Jetzt waren schon vier Wochen vergangen. Ihr war aufgefallen, dass er einen Universitätsabschluss hatte. Das Diplom hing in seinem Büro an der Wand. Demnach musste er rechnen können. Außer, sein Studium lag schon so lange zurück, dass er inzwischen vergessen hatte, bis vier zu zählen.

Frannie war so ärgerlich, dass sie Rücksicht und Anstand einfach vergaß, die Terrasse betrat und von dort aus ins Haus spähte. Sie sah in eine perfekt aufgeräumte Küche, in der nur eine einzige Kaffeetasse auf der Theke stand und eine Zeitung aufgeschlagen auf dem Fußboden lag. An die Küche schloss sich ein Essplatz an, und tiefer im Raum konnte sie eine Sitzecke erkennen. Offenbar war das der Wohnbereich.

Irgendetwas beunruhigte Frannie, nur wusste sie eigentlich nicht, was es war. Irgendwie passte diese einzelne Tasse nicht zu der ansonsten sehr ordentlichen Wohnung. Es sah aus, als wäre Jack in großer Eile aufgebrochen und seitdem nicht wieder zu Hause gewesen.

Nun, ihre Sorge sollte das nicht sein. Sie entschied sich, zu ihrem Wagen zurückzugehen. Schließlich wollte sie nur ihre Sachen wiederhaben, alles andere ging sie nichts an.

Als Frannie ihre Wagentür öffnen wollte, um einzusteigen, fuhr ein rasanter Sportwagen in die Auffahrt und hielt direkt neben ihr an. Hinter dem Steuer saß Jack Ferris.

„Na endlich“, stieß sie erleichtert hervor. Obwohl es ihr sehr selten passierte, dass sie ärgerlich wurde, und noch seltener, dass sie ihren Ärger herausließ, hatte sie jetzt ein paar passende Sätze parat, die sie ihm allzu gern entgegengeschleudert hätte. Sie wollte schon zu ihm an die Fahrertür gehen, blieb aber überrascht stehen, als sie einen kurzen Blick durch das Seitenfenster seines Sportwagens warf. Ein winziges schreiendes Baby lag festgeschnallt in einem Kindersitz.

Bevor Frannie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, war Jack bereits aus dem Wagen gesprungen und um das Heck herumgelaufen. Abwesend schaute er Frannie kurz an, riss dann die Beifahrertür auf und begann das Baby loszuschnallen.

Jetzt, bei offener Tür, klang das Schreien wirklich entsetzlich. Wahrscheinlich schrie das Kind schon länger, denn es hörte sich ziemlich heiser an. Die kleinen Fäuste und das Gesicht waren krebsrot von der Anstrengung.

Jack hob das wild strampelnde Baby hoch, nahm es auf den Arm und versuchte etwas unbeholfen, ihm beruhigend den Rücken zu klopfen. Schließlich drehte er sich zu Frannie um.

„Sie sind Miss Brooks, nicht wahr?“, fragte er und zog nachdenklich die Stirn kraus.

„Ja, die bin ich“, antwortete sie, bemüht, kühl und sachlich zu bleiben, obwohl das ziemlich schwierig bei dem schreienden Baby war. „Ich habe in den letzten Wochen immer wieder versucht, Sie zu erreichen, weil ich unbedingt meine Fotomappe zurückhaben muss“, fügte sie schnell hinzu, um ihren Besuch zu erklären.

Jack wechselte das Kind auf den anderen Arm, langte hinter den Sitz und holte eine Tasche hervor, die bis obenhin mit Windeln vollgepackt war. Das Baby hörte nicht auf zu schreien. „Oh, Mann“, stöhnte er und schüttelte den Kopf. „Ich hatte Sie völlig vergessen. Ich wette, Sie würden mir jetzt am liebsten eine Strafpredigt halten.“

Er wandte sich ihr mit schuldbewusstem Gesicht zu, und erst jetzt bemerkte sie, wie erschöpft er aussah. Seine Augen waren rot unterlaufen, und seine Haare standen zu Berge. Plötzlich drohte ihm das strampelnde Baby aus dem Arm zu gleiten, aber Frannie reagierte blitzschnell, indem sie es mit der Hand abstützte. Sie konnte das verzweifelte Schreien des Winzlings nicht mehr mit anhören. Ihr weiches Herz rührte sich, und sie dachte an alle ihre Nichten und Neffen, die sie schon beruhigt hatte.

„Darf ich?“ Sie hielt die andere Hand unter das Köpfchen des Kindes, um es in die Arme zu nehmen. Jack war sofort einverstanden.

„Oh, bitte“, sagte er erleichtert und reichte Frannie das Baby. Sie nahm es in die Arme, lehnte es gegen ihre Schulter und streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Dabei sprach sie leise, zärtliche Worte.

Jack ging zum Kofferraum des Wagens und nahm ein zusammengelegtes Reisebettchen und noch weitere große Taschen heraus. Vollbepackt stellte er sich zu Frannie und schaute erstaunt auf das Baby hinab. Das Kind hatte sich allmählich beruhigt, nur ab und zu entrang sich dem kleinen Körper ein Seufzer.

„Wie haben Sie das nur fertiggebracht?“, fragte er interessiert. „Sie schreit nämlich schon, seit wir aus dem Flugzeug gestiegen sind.“

„Sie sind mit ihr geflogen?“, fragte sie überrascht. Seinen Worten hatte sie entnommen, dass das Baby ein Mädchen war.

„Ja. Aber das ist eine lange Geschichte, und ich bin sicher, die möchten Sie gar nicht hören“, wich er einer genaueren Antwort aus. Nachdenklich schwieg er einen Moment, ehe er fragte: „Würden Sie das Baby so lange halten, bis ich alle Sachen ins Haus getragen und das Bettchen aufgestellt habe?“

Frannie nickte.

„Ihre Fotos sind leider in meinem Büro, darum muss ich Sie bitten, sich bis Montagmorgen zu gedulden. Meine Sekretärin wird Ihnen als Erstes Ihre Mappe bringen. Meine Agentur war während der letzten Wochen geschlossen, darum konnten Sie niemanden erreichen.“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, ich war der Meinung, dass ich alles erledigt hätte, bevor ich abreiste.“

Das Baby an sich gedrückt, folgte sie Jack, der mit seinem Gepäck zur Eingangstür ging. Die Fotomappe war plötzlich gar nicht mehr so wichtig, und ihre Wut war verflogen. Frannie schämte sich sogar, dass sie so ärgerlich gewesen war. Denn eines war ihr unterdessen klar geworden: Was er auch in der Zwischenzeit gemacht hatte, er hatte sie nicht einfach vergessen. Daher war sie auch sofort einverstanden gewesen, ihm behilflich zu sein.

Als sie seine Wohnung betraten, fiel ihr sofort die geschmackvolle, teure Einrichtung auf. In dem dicken, weichen Teppich versank sie fast bis zu den Knöcheln. Jack setzte die Taschen ab und begann damit, das Reisebettchen aufzustellen. Das war gar nicht so einfach, wie es die Werbung immer versprach. Jedes Mal, wenn er die eine Seite auseinandergezogen hatte, klappte die andere wieder zusammen. Plötzlich hatte er eine Idee. Er stellte seinen Riesenfuß auf die eine Seite und lehnte sich hinüber auf die andere, um beide Seiten endlich auseinanderdrücken zu können. Beinahe gelang ihm das auch, aber eine Seitenwand war jetzt immer noch zusammengeklappt. Frannie, die seine vergeblichen Bemühungen nicht länger mit ansehen konnte, ging zu ihm hin und half, indem sie das Bettchen mit einer Hand festhielt. „Jetzt können Sie versuchen, die gegenüberliegende Seite auseinanderzudrücken“, sagte sie.

Endlich war das Bettchen aufgestellt, und Jack stöhnte erleichtert auf. „Ich danke Ihnen. Nun können Sie das Baby hineinlegen, während ich die restlichen Sachen hole. Die Kleine wird sich solange schon irgendwie beschäftigen.“

Das sollte wohl ein Scherz sein. Jedenfalls hoffte Frannie das. Sie zeigte auf einige Hebel am Boden des Bettchens. „Sie müssen unbedingt erst diese Hebel dort unten feststellen, sonst kann das Ganze zusammenklappen, auch wenn das Baby darin liegt.“

Jack starrte auf den Mechanismus. „Du meine Güte, wie gut, dass ich Sie habe.“ Schnell sicherte er die Hebel.

„Ich glaube nicht, dass es der Kleinen gefallen wird, wenn ich sie jetzt hinlege“, sagte Frannie und schaute auf das Baby, das mit seinem Köpfchen fortwährend an ihre Brust schlug. Ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass es hungrig war.

Jack blickte ein wenig verunsichert drein. „Also, dann geben Sie sie mir. Ich denke, ich kann auch mit einer Hand auspacken.“

Er wollte das Kind entgegennehmen, aber Frannie zögerte.

„Jack?“

„Was ist?“

Frannie wartete, aber es war offensichtlich, dass Jack das Verhalten des Kindes nicht deuten konnte. Endlich sagte sie: „Ich glaube, sie hat Hunger.“

Er schlug sich an den Kopf. „Ja, klar, wie konnte ich das nur vergessen? Die Stewardess hatte mir ja noch gesagt, dass sie wohl alle drei bis vier Stunden gefüttert werden muss.“

Diese Geschichte wurde immer seltsamer. Frannie konnte sich nicht vorstellen, wie Jack Ferris zu dem Baby gekommen war und was er damit vorhatte. Nur eines war ihr klar: Er hatte nicht die leiseste Ahnung vom Umgang mit Babys. „Wie lange ist es denn her, seit die Windeln gewechselt wurden?“, wollte sie wissen.

Er fuhr sich verzweifelt mit seiner großen Hand durchs Haar. Das hatte er in den letzten Tagen anscheinend öfter getan. „Ich weiß es nicht genau. Ich glaube aber, dass eine der Stewardessen sich darum gekümmert hat.“

„Sie glauben das? Himmel, Jack, wo ist denn die Mutter? Und wie ist sie dazu gekommen, Ihnen das Baby anzuvertrauen?“, fragte sie entrüstet.

Jack ließ die Schultern hängen. „Ihre Mutter ist tot.“ Er sah auf das Baby hinab. „Ich bin alles, was sie jetzt noch hat.“

Die Mutter war tot! Das war ja entsetzlich. Was Frannie sich auch alles zusammengereimt hatte, auf diese Idee wäre sie nie gekommen. Langsam setzte sie sich mit dem Baby im Arm auf das Sofa. Sie schaute in das kleine Gesicht mit den roten Bäckchen und dem niedlichen Mund und spürte, wie ihr Herz überfloss vor Wärme und Liebe zu diesem kleinen, hilflosen Wesen. Vorsichtig strich sie über das Köpfchen mit dem zarten blonden Haarflaum.

„Soll das heißen, dass die Kleine bei Ihnen bleiben wird?“, fragte Frannie ungläubig. Es war zwar sonst nicht ihre Art, sich in die persönlichen Angelegenheiten anderer einzumischen, aber dies war ein besonderer Fall. Sie konnte es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, das Haus zu verlassen, bevor sie nicht wusste, dass das Baby gut versorgt war.

Jack ließ sich ihr gegenüber in einen tiefen Sessel fallen. „Sie wird bei mir bleiben, denn ich bin jetzt ihr gesetzlicher Vormund und ihr einziger noch lebender Verwandter.“ Er stützte die Ellbogen auf die Knie und senkte den Kopf.

Die Geschichte wurde immer merkwürdiger. „Sind Sie der Vater?“

Jack fuhr hoch und funkelte sie an. „Natürlich nicht“, antwortete er empört.

Sie hob die Schultern. „Das war doch eine ganz logische Folgerung.“ Das Baby begann wieder zu schreien, und Frannie stand auf, um es hin und her zu wiegen. „Vielleicht sollten wir jetzt besser die Windeln wechseln und es füttern.“

„Ich glaube auch“, stimmte Jack ihr zu, stand auch auf und suchte nach der Tasche mit den Windeln. Als er sich wieder zu Frannie umdrehte, begann er etwas zögernd: „Miss Brooks …“

„Frannie“, korrigierte sie ihn und lächelte ihn an. „In so einer Situation passt das wohl besser. Wenn ich mir vorstelle, dass das Baby mich hier vor Ihren Augen vielleicht anspuckt …“

„Würden Sie denn wirklich noch ein wenig bleiben?“, fragte er erleichtert, und sein Gesicht leuchtete auf. Wenn die Situation nicht so traurig gewesen wäre, wäre Frannie jetzt in Lachen ausgebrochen. „Ich möchte zwar nicht aufdringlich erscheinen und Sie von irgendetwas abhalten, aber wie Sie selbst gesehen haben, verstehe ich rein gar nichts von Babys. Ich brauche unbedingt einen Crashkurs, sozusagen die allerwichtigsten Grundlagen, damit ich die nächsten Stunden überstehe. Später werde ich einen Kinderarzt aufsuchen, der mir alles Weitere erklären kann.“

Sie wollte ihm sagen, dass die Grundlagen der Säuglingspflege gar nicht so einfach waren, aber sie unterließ es, da sie bemerkte, dass er mit den Nerven sowieso schon ziemlich am Ende war. „Ich bleibe gern noch ein wenig hier und helfe Ihnen“, versprach sie ihm.

Jack war heute ein ganz anderer Mann als der, den sie vor einigen Wochen in der Agentur kennengelernt hatte. Von dem selbstbewussten Charmeur war nicht mehr viel übrig geblieben. Während Frannie dem Baby die Windeln wechselte, räumte Jack den Wagen aus. Danach schaute er ihr genau zu, wie sie abgekochtes Wasser in ein Fläschchen goss, Milchpulver hineintat und alles kräftig durchschüttelte. An ihrem Handgelenk prüfte sie dann, ob die Temperatur richtig war.

Als sie sich mit der kleinen Alexa aufs Sofa setzte, um sie zu füttern, holte er sich einen Notizblock und stellte noch ein paar Fragen. Jede Einzelheit schrieb er sich gewissenhaft auf.

„Haben Sie die Absicht, heute noch ins Büro zu gehen?“, erkundigte Frannie sich. „Sie müssen nämlich wissen, dass Babys in diesem Alter noch nicht lange durchschlafen.“

„Heute arbeite ich nicht mehr“, antwortete Jack etwas müde und ließ sich neben Frannie aufs Sofa fallen. „Ich hoffe, ich habe mir alles ganz genau notiert, damit ich es auch richtig mache, wenn Sie wieder fort sind“, meinte er.

„Es gibt recht gute Bücher zu kaufen“, entgegnete Frannie freundlich, um ihm ein wenig Mut zu machen.

Er lehnte sich zurück und vergaß für einen Moment seine Notizen. „Wie kommt es, dass Sie so viel über Säuglingspflege wissen?“, fragte er plötzlich.

„Ich habe drei jüngere Brüder. Zwei von ihnen haben inzwischen eigene Kinder, die ich zum Teil mit großgezogen habe“, antwortete Frannie wahrheitsgemäß.

Sie riskierte einen scheuen Blick zu ihm hinüber. Die Augen hatte er geschlossen, seine Hände ruhten auf den muskulösen Oberschenkeln. Ein kleiner Bart umrahmte dunkel sein Gesicht, so als wäre er ein paar Tage nicht dazu gekommen, sich zu rasieren. Trotzdem wirkte er ungemein anziehend und sehr männlich, das musste sie zugeben.

Als sie das Baby hochhob und es gegen ihre Schulter lehnte, damit es ein Bäuerchen machte, stieß sie aus Versehen gegen seinen Arm. Er strömte eine solche Wärme aus, als würde ein Feuer in ihm brennen. Sie war versucht, ihn nochmals zu berühren, doch dann wandte er sich ihr zu, und sie nahm sich zusammen. Er war ihr sehr nahe, und als er sich vorbeugte, um den Rücken des Kindes vorsichtig zu tätscheln, kam er ihr noch näher.

„Ich danke Ihnen so sehr für Ihre Hilfe“, sagte er aufrichtig. Frannie beobachtete fasziniert seinen Mund, als er mit ihr sprach. Wie es sich wohl anfühlte, wenn diese Lippen ihre berührten? Wie er wohl küssen mochte? Ob er sich eher zärtlich abwartend verhielt oder mit aller Macht versuchte zu verführen, so ganz der charmante, siegesgewohnte Casanova? Dieser Mann konnte ihr gefährlich werden.

Aber auch die Richtung, die ihre Gedanken nahmen, war gefährlich. Sie sollte auf sich achtgeben und auf keinen Fall das Schicksal herausfordern.

„Ist Ihnen klar, dass dieses Baby Ihr Leben vollständig umkrempeln wird?“, fragte sie Jack. „Wissen Sie genau, dass es außer Ihnen niemanden gibt, der diese Aufgabe übernehmen könnte?“

„Außer mir ist keiner mehr da“, antwortete er leise. Obwohl er ihr das Gesicht zugewandt hatte, nahm er sie gar nicht richtig wahr. Er schien in Gedanken weit weg zu sein. Die tiefe Trauer, die seine Züge überschattete, machte Frannie irgendwie hilflos und unsicher. In was für eine Situation war sie da nur geraten?

Impulsiv legte sie tröstend eine Hand an seine Wange.

Er bedeckte ihre Hand augenblicklich mit seiner und schloss die Augen. Es war, als wollte er die Wärme, die von ihr ausging, noch intensiver spüren. „Alexa ist meine Nichte“, sagte er und legte sich ihre Hand auf seinen Schoß. Gedankenverloren begann er mit ihren Fingern zu spielen. „Mein Bruder und seine Frau sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“

„Dann ist Ihr Bruder … war er der Vater?“ Es fiel ihr ziemlich schwer, bei seinen zärtlichen Berührungen sachlich zu bleiben.

„Ja. Randy und Gloria hatten lange auf ein Baby gewartet. Und beide waren überglücklich, als Alexa endlich geboren wurde.“ Er presste die Augen fest zusammen. Es sah aus wie ein verzweifelter Versuch, die schreckliche Realität auszublenden. „Ein schwerer Sattelzug geriet durch zu hohe Geschwindigkeit auf dem Highway außer Kontrolle und schlitterte auf ihren Wagen. Das Unglück ereignete sich zwei Wochen nach Alexas Geburt. Weil das Kind so niedrig auf dem Rücksitz festgeschnallt war, ist es mit dem Leben davongekommen. Das Dach des Wagens war wie wegrasiert.“

Frannie schrie vor Entsetzen auf und begann zu zittern. Sie drehte ihre Hand, verschränkte die Finger mit seinen und drückte sie ganz fest. „Oh, Jack, das tut mir so leid. Was für eine schreckliche Tragödie.“ Als Alexa jetzt begann, an ihrer Schulter kleine, schmatzende Geräusche von sich zu geben, wurde Frannie erst recht schmerzlich bewusst, welchen Verlust dieses Kind erlitten hatte. Es würde seinen Vater oder seine Mutter nie kennenlernen. Ihr Onkel, Jack Ferris, war der einzige Verwandte, der ihr geblieben war.

Jack stöhnte auf, ehe er fortfuhr, etwas mehr zu berichten. „Ich hatte fast einen Monat in Florida zu tun, um alles zu regeln. Der Wohnsitz musste aufgelöst werden, und es gab eine Menge Papierkram zu erledigen, um die Vormundschaft zu übernehmen.“

„Alexa kann sich glücklich schätzen, dass es Sie gibt und dass Sie diese Aufgabe übernommen haben. Ich kenne keinen Mann, der freiwillig eine solche Verpflichtung auf sich genommen hätte. Schließlich ist das eine Entscheidung für die nächsten zwanzig Jahre.“

„Oh, ich hatte schon Bedenken“, gab Jack zu. „Sie haben ja selbst gesehen, wie wenig Ahnung ich von Säuglingen habe. Es kann gut sein, dass Alexa nach ein paar Tagen ganz und gar nicht mehr mit mir zufrieden ist.“ Sein Humor kam trotz der traurigen Ereignisse wieder durch. Frannie bemerkte das auch an dem Leuchten in seinen Augen, als er sagte: „Und nicht nur das. Ich habe auch überhaupt keine Ahnung, was ich tun muss, wenn Alexa in die Pubertät kommt und beginnt, sich mit ihren Freunden zu treffen.“

Frannie hatte in den letzten Stunden einen ganz anderen Jack Ferris kennengelernt als noch vor einigen Wochen in seiner Agentur. Inzwischen hatte sie ihre Meinung über ihn gründlich geändert, irgendwie bewunderte sie ihn jetzt sogar. „Ich hatte eher daran gedacht, wie sehr das Baby mit seinen Anforderungen Ihren Tagesablauf beeinflussen wird. Das wird auch Auswirkungen auf Ihren Berufsalltag haben. Ganz zu schweigen von Ihren privaten Bedürfnissen. Möglicherweise bleibt auch Ihr Liebesleben dabei für eine Zeit lang auf der Strecke“, warnte sie ihn.

„Ja, ich ahne schon, dass mir große Veränderungen bevorstehen. Vielleicht muss ich sogar heiraten, um dieses Kind aufzuziehen, wer weiß?“, sagte Jack und schaute sie schelmisch lächelnd an.

Wahrscheinlich sollten Jacks Worte ein Scherz sein, aber sie trafen bei Frannie auf eine Wunde, die zu ihrer Überraschung immer noch schmerzte. „Wie kommen Sie denn auf die Idee?“, fragte sie, und ihre Stimme klang kühl und distanziert, als sie hinzufügte: „Frauen sind doch nicht allein für die Pflege von Babys zuständig.“

„So habe ich das doch auch nicht gemeint“, verteidigte er sich.

„Für mich wird es jetzt Zeit, ich muss gehen“, beendete Frannie abrupt die Unterhaltung. Geschickt legte sie ihm das Baby in die Arme und stellte das Fläschchen auf den Sofatisch. „Ich glaube nicht, dass sie jetzt noch mehr trinken wird, denn sie scheint völlig erschöpft zu sein. Legen Sie Alexa ins Bettchen und versuchen Sie, auch ein wenig zu schlafen, denn wahrscheinlich wird sie sich in ein paar Stunden wieder melden.“ Sie drehte sich um und begann nach ihrer Handtasche zu suchen.

„Frannie, so warten Sie doch!“, rief Jack etwas nervös, um sie aufzuhalten.

Aber sie wollte nichts mehr hören. Ob er gescherzt hatte oder ob seine Worte ernst gemeint waren, spielte für sie keine Rolle. Sie konnte einfach nicht so tun, als ob sie seine Bemerkung lustig gefunden hätte. Aber ihr gutes Herz regte sich trotzdem wieder. Sie wandte sich ihm zu und sagte: „Beruhigen Sie sich, Jack, es besteht gar kein Grund zur Panik. Alles ist nur halb so schlimm, wie es jetzt aussieht. Es wird gut gehen, Sie haben sich doch alles Wichtige notiert. Diese Nacht wird vorübergehen, und morgen ist ein neuer Tag. Dann rufen Sie die zuständige Fürsorgerin an, die Ihnen gern behilflich sein wird.“

Während sie dann weiter nach ihrer Handtasche suchte, die sie achtlos irgendwohin gelegt hatte, sagte sie sich selbst immer wieder, dass sie sich nicht verantwortlich fühlen musste. Sie brauchte auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Dieses Baby war nicht ihr Problem. Schließlich kannte sie Jack kaum, und es war nicht ihre Aufgabe, ihm bei der Pflege des Kindes zu helfen. Er würde schon einen Weg finden, um mit dieser Situation selbst fertig zu werden.

2. KAPITEL

Jack hatte sein Wort gehalten. Gleich am Montagmorgen kam die hübsche Sekretärin und brachte Frannies Mappe.

„Es tut mir wirklich leid, dass Sie Ihre Fotos erst jetzt zurückbekommen. Das war mein Versehen. Als Jack so plötzlich nach Florida musste, regelten wir zwar noch einige Dinge per Telefon, aber ich übersah in der Hektik Ihre Mappe.“

„Das ist schon in Ordnung“, sagte Frannie, denn sie konnte ihm einfach nicht mehr böse sein. In der letzten Nacht hatte sie einige Stunden wach gelegen und darüber nachgedacht, wie Jack wohl mit dem Baby zurechtkäme.

„Jack hat mir erzählt, dass Sie sein rettender Engel waren“, sagte die Sekretärin, und ein warmes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Ich arbeite jetzt schon einige Jahre für ihn und kenne ihn wirklich sehr gut, aber als Vater hätte ich ihn mir nie vorstellen können. Es ist ganz bestimmt nicht leicht für ihn.“

Die Worte der hübschen Blondine machten Frannie wütend. Was fiel dem Mann eigentlich ein, so heftig mit ihr zu flirten, wenn er eine langjährige Beziehung mit seiner Sekretärin hatte? Beinahe hätte sie tatsächlich vergessen, was sie vom ersten Augenblick an von ihm gehalten hatte.

„Das war keine große Sache. In der Situation hätte ich jedem geholfen“, sagte Frannie kurz angebunden. Sie wollte die Sekretärin so schnell wie möglich loswerden.

Frannie konnte den ganzen Tag über an nichts anderes mehr denken als an ihre Enttäuschung. Am späten Vormittag, sie war gerade mit der allerletzten Anprobe eines Hochzeitskleides im Atelier beschäftigt, hörte sie plötzlich die Türglocke, und eine Männerstimme rief: „Ich habe hier etwas für Sie, Miss Brooks!“

Sie stand auf und ging durch die Schwingtür nach vorn ins Geschäft.

Der Mann hielt einen riesigen Strauß roter Rosen in den Händen, hinter dem er fast verschwand. Zu sehen waren nur seine klobigen Schuhe, die sich merkwürdig auf ihrem rosa Teppich ausnahmen. „Sie müssen jemanden ja ungemein beeindruckt haben“, sagte der Lieferant bewundernd.

„Ich wüsste allerdings nicht, wen“, entgegnete Frannie verwundert. „Wahrscheinlich ist das ein Versehen.“

„Das weiß ich nicht, aber hier steht Ihr Name“, antwortete er und zeigte auf einen weißen Umschlag, bevor er ging. Frannie zog die Karte heraus, die an dem Strauß steckte.

„Für meinen Engel. Gruß, Jack“, las sie.

Im ersten Moment verspürte sie eine große Freude, die aber sehr schnell wich. Jack wollte mit seinem Riesenblumenstrauß bestimmt nur seinen Dank ausdrücken, nichts weiter.

„Das nenne ich einen Blumenstrauß. Was hast du dafür tun müssen?“, fragte April, die neugierig näher gekommen war.

„Die Rosen sind nur eine kleine Aufmerksamkeit von einem Geschäftsfreund“, flunkerte Frannie etwas nervös unter dem fragenden Blick ihrer Angestellten.

Die Woche verging wie im Fluge, so viel gab es zu tun. Der Juni war anscheinend zum Heiraten besonders begehrt. Nur einen Monat später, das wusste Frannie schon jetzt, würde sie froh sein, wenn am Tag nur ein einziger Kunde käme.

Es war inzwischen Freitagnachmittag geworden. Frannie und April ruhten sich gerade ein wenig aus, als die Glocke wieder bimmelte.

Müde stand Frannie auf, um nach vorn zu gehen und den Kunden zu begrüßen. Am liebsten hätte sie das Schild „geschlossen“ an die Tür gehängt. Aber das ging nicht, da sie heute noch einige Anproben hatte.

Vor Staunen konnte sie nichts mehr sagen, als sie Jack Ferris vor sich stehen sah. Er hatte sich ein Tragegestell umgeschnallt, in dem Alexa sich anscheinend recht wohlfühlte. Das war ein unglaublicher Anblick. Frannie schaute wie gebannt auf das Bild.

Jack sah heute wieder einmal umwerfend aus. Er trug eine dunkelblaue Hose und dazu ein flaschengrünes Polohemd. Frannie spürte, wie ihr das Herz schneller schlug.

„Das ist eine Überraschung“, sagte sie schließlich und war froh, dass ihre Stimme sich einigermaßen normal anhörte.

„Wir kommen gerade vom Kinderarzt, und ich dachte, es wird Sie vielleicht interessieren, wie es Lex geht“, erklärte er.

„Sie nennen dieses niedliche kleine Mädchen Lex?“, fragte Frannie, erleichtert, ein ungefährliches Gesprächsthema gefunden zu haben.

„Ja! Jedes Kind braucht doch einen Kosenamen. Sie haben doch auch einen.“ Lächelnd kam er näher. „Ist Frannie nicht die Kurzform von Francesca?“ Es schien ihm gar nichts auszumachen, dass seine Nähe sie nervös machte.

Sie schüttelte verneinend den Kopf und trat einen Schritt zurück. „Mein Taufname ist Frances.“

„Bin ich froh, dass ich Sie nicht Frances oder Fran nennen muss. Ich mag nämlich Frannie.“ Er lächelte sie bedeutungsvoll an und kam wieder einen Schritt näher.

Es war ihr ganz egal, was er mochte oder nicht. Wenn er ihr nur nicht so auf den Leib rücken würde. Um ihm auszuweichen, ging sie noch einen Schritt zurück und stand jetzt mit dem Rücken an der Wand. „Ich mag Frannie auch. Aber Sie wollten mir doch von Alexa erzählen.“

„Jack ist im Übrigen eine Kurzform für John, so hieß nämlich mein Vater. Finden Sie nicht auch, dass Jack besser zu mir passt als John?“, fuhr er unbeirrt fort.

„Ja, ich finde auch, dass Jack zu Ihnen passt“, bestätigte Frannie. Sie holte tief Luft. „Sie kommen mir zu nahe.“

„Das weiß ich“, antwortete er ohne die Spur eines schlechten Gewissens.

Sie schaute ihn überrascht an und spürte ein Kribbeln auf der Haut. Sie ermahnte sich, seinem Verhalten keine allzu große Bedeutung beizumessen. Denn für ihn war sein Charme ja zur zweiten Natur geworden.

„Machen Sie das bei allen Ihren Bekannten so?“, fragte Frannie belustigt.

„Nur bei denen, die ich ganz besonders mag“, erklärte er ihr lächelnd, trat dann aber etwas zurück.

Frannie musterte ihn skeptisch. Bildete sie es sich nur ein, oder lag in seinem Blick eine erhöhte Aufmerksamkeit?

„Ich danke Ihnen für die Rosen, aber das war wirklich nicht nötig gewesen.“

„Ich wollte Ihnen damit nur meine Dankbarkeit ausdrücken, weil Sie mir so sehr geholfen haben. Ich stand regelrecht unter Schock, als ich plötzlich allein für ein so kleines Baby verantwortlich war.“

„Das erste Kind ist immer ein Schock, sogar für die Eltern, die Monate Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten“, sagte Frannie.

„Das kann ich mir gut vorstellen. Meistens erzählen die Leute nur, wie süß die Kleinen sind, vergessen aber, wie oft sie nachts aufstehen müssen, um sie zu versorgen.“ Er stöhnte, und erst jetzt fiel Frannie auf, wie müde er aussah.

Sie musste lachen, versuchte aber, es zu verbergen, indem sie verlegen hustete.

Jack schaute sie aus zusammengekniffenen Augen prüfend an. „Sie können mich nicht täuschen, Sie finden das ziemlich lustig, habe ich recht?“

„Ja, weil ich weiß, wovon Sie sprechen.“

„Stimmt es also, dass Sie die Kinder Ihrer Brüder mit aufgezogen haben?“

„Ja, das stimmt. Nachdem ich drei Monate lang die Zwillinge von einem meiner Brüder betreut hatte, die auch noch zu früh auf die Welt gekommen waren, sehnte ich mich nach nichts so sehr wie nach einigen Stunden ununterbrochenem Schlaf.“

Jack nickte. „Das glaube ich Ihnen gern. Ich versorge Lex schließlich erst seit einer Woche, und mir geht es schon genauso.“

Alexa begann zu strampeln, und er schaute sie liebevoll an. „Was ist los, Püppchen? Gefällt es dir nicht mehr, so eingeengt zu sein?“, fragte er zärtlich. Dann schaute er Frannie an. „Möchten Sie die Kleine ein wenig halten?“

„Mit dem größten Vergnügen“, antwortete Frannie, obwohl sie dazu eigentlich gar keine Zeit hatte.

Er nahm Alexa aus dem Tragegestell, zog ihr die winzige Mütze vom Kopf und reichte die Kleine weiter. Frannie staunte, wie sicher er nach so kurzer Zeit mit dem Kind umging.

„Hallo, meine Süße, wie geht es dir denn heute? Ich wette, dass du viel Spaß mit deinem Onkel Jack hast“, sagte Frannie zärtlich.

Jack lachte amüsiert. „Ich weiß nicht, ob wir Spaß miteinander haben. Ich weiß nur, dass wir irgendwie unseren Alltag bewältigen“, sagte er gut gelaunt.

Alexa gähnte ausgiebig und blickte Frannie unverwandt aus blauen Augen an. Plötzlich verzog sie das kleine Gesicht und lächelte.

Frannie war entzückt und konnte ihre Freude kaum verbergen. „Sieh nur, sie lächelt mich an“, sagte sie glücklich zu Jack. Ganz unbewusst war sie zu dem persönlicheren Du gewechselt.

„Sie lächelt augenblicklich jeden und alles an“, antwortete Jack nüchtern.

„Danke, das ist wirklich ein wunderschönes Kompliment“, erwiderte Frannie und lachte.

„So habe ich das nicht gemeint.“ Jack lachte auch.

Frannie wiegte Alexa in den Armen. Man konnte sehen, wie sehr die Kleine das genoss. Sie reckte und streckte sich vor Wohlbehagen und gab glucksende Laute von sich. „Du kannst schon ein freundliches Gesicht erkennen, nicht wahr?“, fragte Frannie zärtlich. Sie hob die Kleine hoch und berührte liebevoll das Gesichtchen.

Jack stand immer noch ganz nah bei ihr. Frannie war nur so beschäftigt mit Alexa, dass es ihr gar nicht auffiel. Doch als sie etwas zu Jack sagte und plötzlich zu ihm hochsah, merkte sie, dass er ununterbrochen auf ihre Lippen starrte. Sein intensiver Blick jagte ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Auch als sie dann schwieg, blickte er weiter fasziniert auf ihren Mund.

Für einen Moment war es, als bliebe die Zeit stehen. Frannie hielt den Atem an. Glück und Wärme durchströmten sie. In ihr wurden Gefühle wach, die sie lange Zeit verdrängt hatte. Es waren Gefühle der Liebe und Zärtlichkeit, die sie für diesen Mann empfand.

Ganz langsam hob er die Hand und strich mit dem Finger leicht über ihren Mund, der es ihm ganz besonders angetan zu haben schien. Es sah aus, als könne er seinen Blick nicht davon lösen.

Auch Frannie schaute ihn unentwegt an. Jede Einzelheit seines Gesichtes wollte sie sich einprägen. Sie war sicher, dass sie noch nie einen so schönen Mann gesehen hatte wie Jack.

Jack nahm den Blick von ihrem Mund und schaute ihr jetzt in die Augen. Die Sekunden dehnten sich. Es waren keine Worte mehr nötig, um Frannie völlig zu verzaubern. Er begehrte sie, und sie begehrte ihn, das konnte sie vor sich nicht mehr leugnen.

Plötzlich begann Alexa zu quengeln, rülpste dann laut und vernehmlich, und der Bann war gebrochen. Beide wandten ihre Aufmerksamkeit sofort dem Kind zu.

„Das war kein Bäuerchen, sondern schon ein echter Bauer“, bemerkte Jack.

Frannie reichte Jack lachend das Baby. „Hier, nimm du sie wieder. Ich glaube, ich habe einen schlechten Einfluss auf das Kind.“

„Nein, da muss ich dir widersprechen. Genau das Gegenteil ist der Fall.“

Frannie spürte nach langer Zeit wieder einmal die Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen. Allerdings ärgerte sie sich ein wenig über sich selbst. Musste sie sich denn von seinem Charme so beeindrucken lassen? Sie sollte sich besser zusammennehmen. „Danke für deinen Besuch, Jack. Aber jetzt muss ich wieder an die Arbeit. Ich hoffe, mit Alexa klappt alles weiter so gut wie bisher“, sagte sie höflich, aber bestimmt.

Jack hatte die Kleine noch nicht ganz in das Tragegestell gesteckt, er schien zu zögern. „Frannie?“

Bildete sie sich das ein, oder wirkte er ein wenig unsicher? „Ich muss jetzt wirklich weitermachen“, sagte sie ungeduldig.

„Ich weiß, es dauert auch nur eine Sekunde. Ich möchte, dass du über etwas nachdenkst.“ Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.

Sie sollte denken, wenn er in der Nähe war? Das war wohl kaum möglich. Wenn er bei ihr war, vergaß sie sogar die schlechte Erfahrung mit Oliver. Mit Jack wäre sie sogar zu einer neuen Partnerschaft bereit, trotz ihrer Vorbehalte.

„Frannie, ich brauche ganz dringend jemanden, der Alexa hütet, während ich arbeite. Könntest du diese Aufgabe nicht übernehmen?“, platzte er heraus.

Sie war im ersten Moment sprachlos. Was dachte der Mann sich eigentlich? Wut stieg in ihr auf. Anscheinend wiederholte sich im Leben alles immer wieder. Das gleiche Theaterstück nur mit einer anderen Besetzung. Hatte sie etwa ein Zeichen auf der Stirn? Sah sie aus wie eine Säuglingsschwester oder Haushälterin? Es war einfach nicht zu fassen.

Obwohl sie aufgebracht war, schaffte sie es, äußerlich ruhig zu bleiben. „Wer hütet Alexa denn jetzt?“, fragte sie.

„Ich nehme sie mit zur Arbeit. Meine Sekretärin und ich passen abwechselnd auf sie auf. Aber es ist so hektisch bei uns im Büro. Ich dachte, hier geht es ruhiger zu. Und du hast deine Wohnung doch gleich nebenan. Alexa braucht dringend jemanden, der mehr Zeit für sie hat.“

„Wie bist du denn auf die Idee gekommen, dass ich Zeit habe?“, fragte Frannie mit ungewohnter Schärfe in der Stimme.

Jack spürte ihren Unwillen. Ihm kam es vor, als sei er aus Versehen in ein Minenfeld geraten und müsste jetzt vorsichtig versuchen, wieder heil da herauszukommen.

„Du hast doch nicht ständig Kundschaft und wohnst gleich nebenan“, meinte er.

Frannie fuhr sich mit den Händen durchs Haar, um nicht in Versuchung zu geraten, ihn zu packen und zu schütteln. „Ja, du hast recht, meine Wohnung ist gleich nebenan. Und weißt du auch, warum? Weil ich während der Hauptsaison nicht einmal Zeit hätte, nach Hause zu fahren. Dann steht während des ganzen Tages die Türglocke nicht still. Frauen kommen zur Anprobe, andere wollen beraten werden. Heute zum Beispiel ist mein Terminkalender vollgestopft bis spätabends. Komm mit, ich zeig’ dir meinen Arbeitsplatz.“

Frannie drehte sich um und ging durch die Schwingtür ins Atelier voraus. Ob er jemals in einer Schneiderwerkstatt gewesen ist, fragte sie sich.

Jack schien überrascht zu sein, so hatte er sich das offenbar nicht vorgestellt. In der Mitte des Raumes stand ein riesengroßer dreiteiliger Ankleidespiegel. An den Wänden befanden sich Regale, beladen mit vielen verschiedenen Stoffen. In einem Wandschrank sah er mindestens fünfzig halb fertige Modelle hängen. Auf einem Rolltischchen stapelten sich Modemagazine. Alles war sehr praktisch und ansprechend geordnet. Aber auch einem blutigen Laien wie Jack wurde klar, dass es hier viel Arbeit gab.

„Hast du immer noch den Eindruck, dass ich Zeit habe, auf ein Baby aufzupassen?“ Frannie drehte sich zu ihm um.

Hinter ihr meldete April sich. „Hi, ich bin April. Und Sie sind sicher der Rosenkavalier, stimmt’s?“

„Ja, der bin ich. Es freut mich, Sie kennenzulernen, April. Ach, tun Sie mir bitte einen Gefallen. Sagen Sie doch Ihrer Chefin, dass ich mich freiwillig von ihr schlagen lasse.“

April lachte belustigt auf. Frannie war ärgerlich. Ihm gelang es anscheinend immer, Frauen um den kleinen Finger zu wickeln. Aber bei ihr würde er kein so leichtes Spiel haben. Sie würde nicht auf ihn hereinfallen, jedenfalls jetzt nicht mehr.

„Du kannst eine Pause machen, April. Geh etwas trinken, mach einen Spaziergang oder schau dir eine TV-Serie an. Was immer du willst“, sagte Frannie.

April machte große Augen, legte aber sofort ihr Maßband auf den Tisch und verschwand durch die Tür, die in Frannies Wohnung führte.

„Frannie, ich entschuldige mich. Es tut mir wirklich leid“, sagte Jack.

„Das glaube ich nicht. Wahrscheinlich tut es dir nur leid, dass es dir nicht gelungen ist, mich mit deinem Charme so einzuwickeln, dass ich dir dein Baby versorge. Kannst du dir vorstellen, wie unglaublich berechnend du mir vorkommst? Ich wette, dass deine Klienten überwiegend Frauen sind. Ganz allein aus dem Grund, damit du sie leichter manipulieren kannst.“ Frannie hatte sich regelrecht in Rage geredet.

„Die Wette würdest du verlieren“, antwortete Jack kühl.

Das war zu viel für sie. „Jetzt geh bitte, Jack, denn ich habe zu tun.“ Sie ging zur Tür und riss sie auf.

Jack zögerte einen kurzen Moment, kam dann aber und blieb vor Frannie stehen. Sie musste zu ihm aufsehen, da er so viel größer war als sie. Das ärgerte sie noch mehr, aber sie hob kämpferisch das Kinn.

Auch er war jetzt wütend, denn seine Augen sprühten Feuer. Dennoch blieb er ganz ruhig, als er sagte: „Etwas muss ich noch richtigstellen, bevor ich gehe: Du hast dir von mir ein völlig verzerrtes Bild zurechtgelegt. Ich habe dich wegen Alexa im guten Glauben gefragt. Ich bedaure es sehr, dass du keine Zeit für sie hast, denn es ist mein größtes Anliegen, jemanden zu finden, der sie so liebt wie ich. Dir hätte ich sie gern anvertraut.“

Frannie gelang es, sich so lange zu beherrschen, bis Jack durch die Tür verschwunden war. Dann sackte sie in sich zusammen.

Seine Worte klangen ihr noch in den Ohren, und sie fühlte sich gar nicht mehr so stark und heldenhaft, sondern eher berechnend und schuldig.

Dieser unmögliche Mann! Das hatte er doch nur beabsichtigt. Er war es, der berechnend war, ganz bestimmt.

Das Spiel stand drei zu drei. Jack rannte über das Spielfeld hinter dem Ball her. Aber heute war er nicht richtig bei der Sache. Immer wieder wanderte sein Blick zu den Zuschauerbänken. Kurz vor Spielbeginn hatte er bemerkt, dass Frannie sich dorthin gesetzt hatte. Er war sicher, sie noch nie bei einem Lacrossespiel gesehen zu haben. War sie vielleicht seinetwegen hergekommen? Es könnte ja sein, dass sie sich für ihre Worte entschuldigen wollte, die sie ihm vor zwei Wochen so wütend entgegengeschleudert hatte. Nein, das sind keine zwei Wochen her, sondern genau elf Tage, korrigierte er sich. Das wusste er schließlich ganz genau.

Im ersten Moment war er so überrascht gewesen, als er sie erkannt hatte, dass der Coach ihn dreimal rufen musste, bevor er ihn hörte.

Er wunderte sich über sich selbst. Frannie war ihm doch völlig gleichgültig, obwohl, das musste er zugeben, sie den verführerischsten Mund besaß und Augen, die ihn vom ersten Moment an fasziniert hatten.

Während er sie noch einige Sekunden vor Spielbeginn beobachtet hatte, sah er, wie Dee Halleran, die Schwester eines Teamkameraden, sich neben Frannie setzte.

Dee sagte etwas zu Frannie und deutete auf ihn. Frannie erschrak. Offensichtlich hatte sie ihn unter seiner Maske nicht erkannt. Dee winkte ihm zu, aber Jack tat so, als sähe er sie nicht. Der Coach hatte die Spieler noch kurz um sich geschart, um mit ihnen letzte Strategien zu besprechen, doch Jack hörte nur mit halbem Ohr hin. Seine Gedanken kreisten um Frannie. Sie war sicher mit Dee befreundet, denn sie war es auch gewesen, die seine Agentur bei Frannie empfohlen hatte.

Da er noch immer nur halb bei der Sache war, gelang es in diesem Moment einem Spieler der Gegenpartei, ihn anzurempeln und zu Boden zu werfen.

Von den Seitenrängen schrie jemand auf. Seine Sportkameraden tanzten ausgelassen um ihn herum. Das war ein verrückter Anblick: Erwachsene Männer, kämpferisch ausgerüstet mit Gesichtsmasken und Schutzanzügen, die um einen Mitspieler, der am Boden lag, einen Tanz aufführten. Nach kurzer Zeit reichte ein Kollege ihm die Hand und half ihm hoch. Er schlug ihm kameradschaftlich auf den Rücken. „Pech gehabt, Junge!“, sagte er.

Jack stöhnte. Verflixt! Er wurde allmählich zu alt für diesen harten Sport. In den letzten fünf Jahren hatte er seinen Sportsfreunden immer wieder gesagt, dass er aussteigen möchte. Aber die hatten davon nichts wissen wollen und ihn überredet, weiterzumachen. Da in diesem Jahr wichtige Entscheidungsspiele anstanden, hatte er wieder einmal nachgegeben. Aber im nächsten Jahr war endgültig Schluss, dann würde er nur noch als Coach ein Lacrossefeld betreten.

Während Jack seine Sachen in die Tasche packte, suchte er mit den Augen die Zuschauerbänke ab. Himmel, wo war nur die Frau seines Kollegen geblieben, der er Alexa anvertraut hatte?

Plötzlich sah er die blonden Haare der jungen Frau weit hinten in der letzten Reihe. Jack schulterte seine Sporttasche und stieg mit großen Schritten die Tribüne hoch, um sein Baby abzuholen.

„Hallo, da bist du ja endlich, Jack. Die Kleine riecht ziemlich streng. Ich glaube, die Windeln müssen gewechselt werden“, empfing die junge Frau ihn und reichte Jack die Babytasche. Offensichtlich konnte sie das Kind nicht schnell genug loswerden. Jack schaute Alexa prüfend an. Sie atmete ruhig und schien tief zu schlafen.

„Was gibt’s, mein Liebling?“, fragte Jacks Sportkamerad. Er war inzwischen auch gekommen und schloss seine Frau zärtlich in die Arme. „Nervt dich das Baby?“

„Und wie! Das kannst du dir sicher denken.“ Die liebevolle Art, wie das Paar miteinander umging, machte Jack eifersüchtig, und er spürte, wie sehr er sich auch so eine Beziehung wünschte. Gedankenverloren schaute er ihnen nach, als sie sich eng umschlungen entfernten. Einmal hatte er geglaubt, sein Glück gefunden zu haben. Leider war es nicht von Dauer gewesen.

Wozu über traurige Erinnerungen grübeln? Jack wollte lieber mit Frannie Brooks reden. Er hatte Deirdre und ihren Bruder erspäht, also würde Frannie auch nicht weit weg sein. Während er auf das Grüppchen zuging, überlegte er, ob er sich bei Frannie entschuldigen sollte. Wie würde sie das wohl aufnehmen? Jack war tatsächlich ein wenig nervös.

„Hi, Jack.“ Deirdre lächelte ihn herzlich an. Sie sah so müde aus. Kein Wunder bei den zwei wilden Jungen, die gerade mit Lacrosseschlägern, die sie stibitzt hatten, einem Ball hinterherjagten.

„Hi, Dee.“ Er umarmte sie herzlich und gab ihr einen freundschaftlichen Kuss. „Wie geht es dir?“ Jack musterte sie prüfend. Er war aufrichtig besorgt um sie.

„Geht so.“ Dee wich seinem Blick aus und deutete auf Frannie, die ihrem Gespräch still zugehört hatte. „Darf ich dir meine Freundin, Frannie Brooks, vorstellen? Ach, das ist ja gar nicht nötig, da ihr euch ja bereits kennt.“

„Hallo, Jack“, grüßte Frannie. Sie sprach zwar leise, aber in ihrer Stimme lag nicht die Eiseskälte, die er befürchtet hatte. Jack fiel ein Stein vom Herzen.

Inzwischen hatte er über ihren Streit vor elf Tagen nachgedacht und konnte ihre Empörung verstehen. Ja, er fand sogar, dass sie recht hatte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, dass es für sie leichter sein würde, Alexa während der Arbeit zu hüten, als für ihn? Zu seiner Entschuldigung konnte er nur vorbringen, dass er unter einem so großen Schlafmangel litt, dass seine grauen Zellen nicht mehr richtig arbeiteten.

„Hi, Frannie“, grüßte er. Jetzt sollte er sich eigentlich bei ihr entschuldigen, aber zuerst musste er sie ausgiebig betrachten. Ihre Augen funkelten, und ihr Näschen hatte sie stolz in die Luft gereckt. Es kitzelte ihn in den Fingerspitzen, es zärtlich zu berühren.

Heute war sie sportlich gekleidet, aber trotzdem chic. Ihm gefiel das sehr. Sie trug Shorts und ein kariertes Oberteil dazu, das nicht ganz bis zur Taille reichte. Schon bei der kleinsten Bewegung konnte er ihre nackte Haut sehen. Frannie erinnerte ihn an eine bekannte Comicfigur, die es ihm schon als kleiner Junge angetan hatte.

„Wie geht es Alexa?“, fragte Frannie.

Er war völlig in Gedanken versunken. Ein Glück, dass Frannie diese nicht erraten konnte. „Danke, nicht schlecht“, antwortete er automatisch und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Alexa hatte ihre erste Erkältung, aber wir beide haben das ganz gut überstanden.“

„Lee, leg sofort den Schläger hin!“, rief Deirdre in diesem Moment empört und rannte hinunter auf das Spielfeld, wo ihre beiden Söhne in einen handfesten Krach verwickelt waren und aufeinander einschlugen. „Ich bin sofort wieder zurück, Frannie, dann können wir fahren!“, rief sie ihr über die Schulter zu.

Jack und Frannie waren jetzt allein. Aber keiner von ihnen sagte ein Wort. Das Schweigen wurde allmählich unangenehm.

Jack räusperte sich. Jetzt ist die Gelegenheit günstig, sei kein Feigling, sprach er sich selbst Mut zu. „Du, Frannie, unsere Auseinandersetzung von neulich tut mir wirklich leid. Heute verstehe ich auch deine Reaktion. Kannst du mir verzeihen?“

Bevor Frannie etwas erwidern konnte, wurden sie von einer sportbegeisterten jungen Frau unterbrochen, die Jack im Vorbeigehen freundschaftlich auf den Po klatschte. „Hey, Jack, ruf mich doch mal an“, sagte sie lachend.

Am liebsten hätte Jack seinen Unmut offen gezeigt, aber seine gute Erziehung gewann die Oberhand. „Hey, Iris“, grüßte er freundlich. Allerdings könnte sie lange warten, bis er sie anrief.

Musste Iris denn gerade in diesem Moment vorbeikommen? Das nannte man wohl perfektes Timing. Frannies Verdacht wurde dadurch wieder einmal bestätigt, dass er ein Frauenheld war. Sicher bekam er jetzt wieder von ihr einen Minuspunkt. Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass Frannie ihm noch antworten würde, da sagte sie:

„Ich verzeihe dir.“ Es klang etwas distanziert, und sie wollte sich auch sogleich umdrehen und gehen. Doch Jack hielt sie am Arm fest. Es verletzte ihn, dass sie in ihm einen Playboy sah, der die Frauen so oft wechselte wie sein Hemd. Das musste er unbedingt richtigstellen. Denn es stimmte einfach nicht.

Er war zwar immer höflich und zuvorkommend dem weiblichen Geschlecht gegenüber und freute sich, wenn er ihnen mit seinem Humor ein Lächeln entlocken konnte, aber das war schließlich nicht verwerflich. Selbstverständlich hatte er auch einige Beziehungen im Laufe der Jahre gehabt, aber das waren nicht Dutzende gewesen.

„Ich möchte eines richtigstellen, Frannie. Ich bin kein Playboy“, sagte er.

„Das habe ich auch nie behauptet“, entgegnete sie kühl.

„Frannie, ich kann es nicht ertragen, mit dir Streit zu haben. Obwohl du meine Entschuldigung angenommen hast, spüre ich doch, dass du immer noch verärgert bist.“

„Nein, das bin ich nicht, wirklich.“ Endlich lächelte sie ihn an.

„Was ich dir jetzt sagen werde, sollte ich vielleicht lieber zurückhalten, denn dann glaubst du wieder nur, dass ich die Wirkung meines Charmes an dir ausprobieren möchte. Aber ich schwöre dir, es stimmt: Du siehst bezaubernd aus … wenn du dich ärgerst.“

„Aber das kann doch nicht sein.“

Jack zog eine Augenbraue hoch und sah Frannie prüfend an. Sie begann zu lachen. „Also gut, du hast recht. Ich habe mich geärgert. Aber jetzt nicht mehr.“

„Wollen wir gute Freunde sein?“ Jack hielt ihr die Hand hin, um das Versprechen zu besiegeln. Er war ganz sicher, dass eines Tages mehr aus ihrer Beziehung würde. Sie würden miteinander schlafen und die Wonnen der körperlichen Liebe erleben. Und wenn die Beziehung irgendwann einmal zu Ende gehen sollte, dann bliebe ihnen noch immer ihre Freundschaft. Aber er hütete sich, diese Gedanken auszusprechen. Das wäre sicher nicht sehr klug. Möglicherweise würde er Frannie dadurch verprellen.

„Freunde“, sagte Frannie und schlug in seine Hand ein.

In dem Moment rutschte ihm die Windeltasche von der Schulter, und als er versuchte, sie wieder hochzuschieben, geriet Alexas Tragetasche in eine bedenkliche Schieflage.

Frannie, die ihm instinktiv helfen wollte, stieß unabsichtlich gegen ihn. Ein Schauer überlief sie, so als hätte sie einen Stromstoß erhalten, den sie am ganzen Körper spürte. Jack ging es nicht anders. Nur der kurze Moment der Berührung reichte aus, um seine Hormone völlig durcheinanderzubringen.

Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte er ihre außergewöhnliche Ausstrahlung gespürt. Zwar war sie keine Titelblattschönheit, aber sie war unglaublich anziehend. Damals hatte er verzweifelt versucht, das Telefongespräch mit – wie hieß sie noch? – zu beenden, aber es war ihm nicht so schnell gelungen wie gewünscht.

Während Frannie dann wartend an seinem Schreibtisch gesessen hatte, war sein Blick von ihren Beinen regelrecht gefesselt worden. Schon damals hatte er gewusst, dass er sie näher kennenlernen wollte, und beabsichtigt, sie zu einem Essen einzuladen.

Als er mit ihr dann auf dem Boden kniete, um ihre Bilder einzusammeln, hatte er so intensive Schauer der Erregung verspürt, dass es ihm danach schwergefallen war, sich in der später anberaumten Sitzung zu konzentrieren.

Er hatte sich fest vorgenommen, ihren Entwurf so schnell wie möglich fertigzustellen und sie danach einzuladen. Aber dann war die Nachricht von dem Unglück seines Bruders eingetroffen, und er hatte seine eigenen Pläne zurückstellen müssen.

Was ist es nur, was mich so erregt, sobald ich in Frannies Nähe bin, fragte er sich nicht zum ersten Mal. In diesem Moment wurde Alexa wach, und zärtlich schaute er sie an. Sie war sein kleines Baby und gehörte ganz und gar ihm. Jetzt fand er es gar nicht mehr so schlimm, dass dieses kleine Wesen sein Leben so verändert hatte. Und wenn er ehrlich zu sich war, musste er sogar zugeben, dass er es genoss.

„Ich glaube, hier ist wieder jemand hungrig“, sagte er zu Frannie.

„So sind die Babys nun einmal.“ Sie lächelte, zögerte kurz und sagte dann: „Jack ich hatte vorgehabt, dich anzurufen.“

„Das ist ja großartig.“

„Dein Entwurf für meine Broschüre ist wunderschön, er gefällt mir sehr. Leider kann ich mir das im Moment noch nicht leisten.“

Deirdre kam mit ihren zwei Söhnen an der Hand zurück. Es war Zeit, sich zu verabschieden. Auch Alexa wurde unruhig und begann zu weinen. Frannie strich zärtlich mit dem Finger über Alexas kleine Hand. „Tschüss, Püppchen, bis bald“, flüsterte sie liebevoll und folgte ihrer Freundin.

3. KAPITEL

Alexa verhielt sich heute ganz anders als sonst. Sie war unruhig und weinte schon den ganzen Tag.

Jack trug sie durch die Wohnung, um sie zu beruhigen, aber sie schrie immer lauter. Er wusste nicht mehr, was er machen sollte. Das Fläschchen nahm sie nicht, und die Windeln waren trocken, denn die hatte er vor Kurzem erst gewechselt. Was konnte Alexa nur haben? Jack war verzweifelt.

Da es ihm vorkam, als wäre Alexa sehr heiß, zog er ihr den kleinen Schlafanzug aus. Aber jetzt schrie sie noch erbärmlicher. Frannie wüsste sicher einen Rat. Kaum hatte er den Gedanken ausgedacht, da suchte er sich ihre Telefonnummer heraus und wählte. Du liebe Güte, es war fast Mitternacht und dazu auch noch ein Wochenende. Sie schlief wahrscheinlich schon oder hatte eine Verabredung.

„Hallo“, meldete sie sich.

Jack fiel ein Stein vom Herzen. Sie war zu Hause und nicht mit einem anderen Typ unterwegs. „Frannie, ich bin es, Jack. Es tut mir so leid, dass ich dich mitten in der Nacht anrufe, aber …“

Sie unterbrach ihn. „Um Himmels willen, ist was mit dem Baby los?“

„Scheint so. Alexa schreit seit Stunden wie verrückt, und ich weiß mir nicht mehr zu helfen.“

„Soll ich kommen?“

„Das wäre wunderbar!“, rief Jack laut ins Telefon, um das gellende Stimmchen zu übertönen.

„Ich bin in zehn Minuten da.“ Frannie wartete nicht auf eine Antwort, sondern legte sofort den Hörer auf.

Erleichtert setzte sich Jack aufs Sofa. Alexa brüllte zwar immer noch, aber jetzt war er beruhigt. Frannie würde gleich da sein, dann würde alles gut werden.

Es waren gerade acht Minuten vergangen, da hörte er auch schon ihren Wagen kommen. Sie musste gefahren sein wie der Teufel. Auch wenn sie sich einige Strafzettel eingehandelt hatte, würde Jack sie liebend gern bezahlen. Hauptsache, sie war da, bei ihm und Alexa.

Autor

Anne Marie Winston
<p>Anne Marie Winston lebt im ländlichen Pennsylvania und war früher Lehrerin. Doch als sie wegen ihrer Kinder zu Hause blieb, wusste sie eines Tages, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu probieren. 1989 fing sie an, ihre erste Romance zu schreiben, und 1991 verkaufte sie ihr erstes Manuskript...
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