Die Devaneys - fünf Brüder finden sich und die große Liebe

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Fünf Brüder, die in der Kindheit auseinandergerissen wurden, finden wieder wieder zusammen als sie ihre Liebe entdecken...

GLAUB WIEDER AN DIE LIEBE

Diesem Mann muss geholfen werden, findet Temperamentsbündel Maggie. Dass Ryan Devaney sie kühl abblitzen lässt, entmutigt sie nicht. Es wäre ja gelacht, wenn sie ihm nicht beweisen kann, wie wunderschön das Leben, wie großartig die Liebe sein kann! Und wenn Maggie sich etwas in den Kopf setzt, dann erreicht sie es auch. Zumindest bis jetzt …

WUNDER GESCHEHEN

Erst hat er Deanna aus den Flammen gerettet, dann hat er ihr finanziell geholfen. Und als Feuerwehrmann Sean Devaney die alleinerziehende Mutter in dem Restaurant besucht, in dem sie jobbt, küsst er sie auch noch heiß! Plötzlich ist Sean mehr als Deannas Held: Er ist der Mann, in den sie sich verliebt hat - und der doch angeblich nicht an die Liebe glaubt …

MICHAELS RÜCKKEHR

Arbeit und Privatleben trennt die hübsche Physiotherapeutin Kelly Andrews grundsätzlich - bis sie sich bereit erklärt, Exoffizier Michael Devaney zu behandeln. Denn wenn sie sein verletztes Bein berührt, scheint die Welt den Atem anzuhalten. Als warte sie nur darauf, dass Michael und sie sich endlich zu ihren zärtlichen Gefühlen bekennen …

DAS GEHEIMNIS DER DEVANEYS

Alice weiß, das gibt es nur einmal auf der Welt! Einen Mann sehen und die Magie des Augenblicks spüren: Patrick Devaney, groß, breitschultrig und mit einer faszinierend-düsteren Ausstrahlung. Sie will ihn! Bei einem Treffen auf seinem Hausboot geht Alice aufs Ganze - allerdings ohne Erfolg! Patrick küsst sie zärtlich, streichelt sie sanft, aber vor dem letzten Schritt scheut er zurück. Niedergeschlagen zweifelt Alice schon an ihrer Anziehungskraft. Sie ist fest entschlossen, Patrick zu vergessen. Erst als sie von einer Freundin erfährt, dass Patrick sie liebt, aber glaubt, sich niemals binden zu können, keimt Hoffnung in Alice auf. Das dunkle Geheimnis der Devaneys wird ihr Glück nicht zerstören!

VIER JAHRE VOLLER SEHNSUCHT

Er war ihre große Liebe: Daniel Devaney! Doch in den schmerzlichsten Stunden ihres Lebens ließ er sie im Stich. Für Molly gab es nur eine Lösung: Trennung! Vier Jahre sind seitdem vergangen. Konnte die Zeit alle Wunden heilen? Als Danie in Mollys Restaurant als Anwalt Recherchen anstellen muss, sehen sie sich das erste Mal wieder. Wie damals überwältigt sie die Leidenschaft - nach wie vor sehnt sich Molly nur nach diesem attraktiven Mann. Daniel scheint es umgekehrt nicht anders zu gehen - seine stürmischen Küssen sprechen Bände. Obwohl Mollys Herz lichterloh brennt, zögert sie, dem Glück mit Daniel eine zweite Chance zu geben ...


  • Erscheinungstag 23.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735173
  • Seitenanzahl 650
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sherryl Woods

Die Devaneys - fünf Brüder finden sich und die große Liebe

IMPRESSUM

Glaub wieder an die Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© by Sherryl Woods
Originaltitel: „Ryan’s Place“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1398 - 2004 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Jutta Nickel

Umschlagsmotive: CoffeeAndMilk /iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733776824

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Ryan Devaney hasste Feiertage. Nicht nur, dass sie ihm einen schlechten Umsatz bescherten. Die wenigen Gäste, die an Feiertagen den Weg in seinen Pub in Boston fanden, waren für gewöhnlich genauso deprimiert wie er. An diesen Tagen plärrte die Jukebox nur die schwermütigsten Lieder, was ihn sicher zu Tränen gerührt hätte, wenn er sich die Heulerei nicht schon vor langer Zeit ein für alle Mal abgewöhnt hätte. Thanksgiving war bei Weitem der schlimmste von allen Feiertagen. All die bittersüßen Erinnerungen … Und es sah nicht danach aus, als ob sich das ausgerechnet in diesem Jahr ändern sollte.

Die klare Winterluft roch nach Schnee. In der Küche des Pubs stand der Koch und buk ein paar Dutzend Kürbiskuchen, von denen Ryan einen Teil in die Obdachlosenunterkunft bringen würde. Der andere Teil sollte den Gästen serviert werden, die am nächsten Tag in seinem Pub eine einsame Mahlzeit zu sich nehmen wollten. Ryan konnte sich dunkel daran erinnern, dass ihm der Duft aus der Küche früher einmal glückliche Augenblicke beschert hatte, aber das gehörte längst zur Vergangenheit. Seit mehr als zwanzig Jahren gab es in seinem Leben nichts mehr, wofür er dankbar zu sein hätte.

Kaum schoss ihm dieser Gedanke durch den Kopf, als er auch schon innehielt. Pater Francis – der Pfarrer, der es offenbar als seine persönliche Mission betrachtete, Ryans Seele zu retten – würde ihm gehörig die Leviten lesen, sollten solche Seufzer jemals an sein Ohr dringen. Die Kirche des Pfarrers lag nur ein paar Häuserblocks von dem Pub entfernt, und seine Gemeinde profitierte beträchtlich von Ryans Großzügigkeit. Pater Francis hielt wenig von Ryans Neigung, an Feiertagen regelmäßig in Selbstmitleid zu versinken.

„Du hast ein Dach über dem Kopf. Du hast Geld in der Tasche und eine warme Mahlzeit im Bauch“, hatte Pater Francis ihn schon mehr als einmal gerügt. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Dein Geschäft blüht und gedeiht. Und du hast Kunden, die sich auf dich verlassen. Es hängt von dir ab, ob unzählige andere Menschen ein Dach über dem Kopf haben und etwas zu essen bekommen oder nicht. Und sie wissen es noch nicht mal. Wie kannst du da behaupten, dein Leben wäre trostlos? Ich schäme mich für dich, Ryan Devaney. Ich schäme mich zutiefst.“

Es war fast so, als hätte Ryans Grübelei den Pfarrer herbeibeschworen, denn plötzlich rutschte Pater Francis auf einen leeren Hocker an der vollen Bar. Wie gewöhnlich musterte er Ryan aufmerksam. „Wieder mal völlig in Gedanken versunken, was?“

Der missbilligende Unterton ließ Ryan innerlich zusammenzucken. Trotzdem freute er sich, dass er in der Stimme des weißhaarigen Mannes immer noch einen leisen Akzent hören konnte, der die irische Herkunft des Geistlichen verriet. „Was für ein kalter, frostiger Winterabend“, meinte Ryan irritiert. „Was kann ich für dich tun?“

„Eine Tasse Irish Coffee wäre schön, wenn’s nicht zu viele Umstände macht. Der Wind peitscht ziemlich scharf um die Ecken, und meine müden, alten Knochen vertragen das nicht mehr so gut wie früher.“

„Für dich ist mir keine Mühe zu viel“, gab Ryan ehrlich zurück. So sehr er sich auch manchmal über den Pater ärgerte, er verdankte ihm sein Leben. Pater Francis hatte ihn aus tiefer Verzweiflung gerissen und ihm so manchen Ärger vom Hals gehalten. Er hatte ihm den Weg geebnet, der ihn schließlich hierher geführt hatte. In sein eigenes Geschäft anstatt in die Gefängniszelle. „Warum sitzt du nicht gemütlich vor dem Kaminfeuer?“

„Ich war unterwegs zum Obdachlosenheim. Heute Abend ist eine neue Familie eingetroffen. Kannst du dir etwas Schlimmeres vorstellen, als ausgerechnet am Abend vor Thanksgiving zum ersten Mal in eine Obdachlosenunterkunft eingeliefert zu werden? Jede Familie brät einen Truthahn, backt Kürbiskuchen und dankt für die Gaben, die der Herr im Himmel ihnen zuteilwerden ließ.“

Ryan warf ihm einen scharfen Blick zu. Es lag genau siebzehn Jahre zurück, dass Pater Francis ihn am Abend vor Thanksgiving nach St. Mary’s geholt hatte. Hungrig, verängstigt und mutterseelenallein. Damals war er fünfzehn Jahre alt gewesen und hatte einen unbändigen Hass auf die ganze Welt. Um ein Haar hätte man ihn wegen eines Raubüberfalls auf einen kleinen Supermarkt festgenommen, aber Pater Francis war es gelungen, die Polizisten auf dem Revier sowie den tobenden Ladenbesitzer gnädig zu stimmen.

„Nein. Ich kann mir nichts Traurigeres vorstellen“, bestätigte er kurz angebunden. „Niemand weiß das besser als du. Was willst du von mir?“

Der Pfarrer lächelte verschmitzt und zwinkerte ihm zu. „Nichts Besonderes. Sprichst du morgen mit ihnen? Deine Geschichte ermutigt eine Menge Leute in der Nachbarschaft. Wenn ihnen zu Ohren kommt, was du unter schwierigsten Umständen auf die Beine gestellt hast, werden sie wieder Hoffnung schöpfen.“

„Wahrscheinlich erwartest du, dass ich wenigstens einem von ihnen Arbeit geben kann“, fügte Ryan resigniert hinzu.

„Einem … oder beiden. Soweit ich gehört habe, ist die Mutter eine ausgezeichnete Köchin. Hast du mir nicht erzählt, dass ihr in der Küche knapp besetzt seid?“, fragte Pater Francis unschuldig. Hastig fuhr er fort, bevor Ryan ihm ins Wort fallen konnte. „Und da jetzt die Feiertage und die Ferien vor der Tür stehen, wirst du alle Hände voll zu tun haben mit den Leuten, die nach dem Einkaufen bei dir einkehren, um sich ein bisschen aufzuwärmen. Ein paar Firmen hier in der Gegend würden ihre Weihnachtsfeier bestimmt gern in deinem Pub abhalten, stimmt’s? Vielleicht könntest du einen zusätzlichen Kellner ganz gut gebrauchen, wenigstens über Weihnachten und Silvester.“

„Kein Problem, einen Kellner extra einzustellen. Und die Frau, kann sie Corned Beef zubereiten? Kohlsuppe? Irish Stew? Kann sie Brot backen?“, fragte Ryan.

Der Pfarrer fühlte sich sichtlich unwohl. „Wär’s nicht langsam mal Zeit für ein bisschen Abwechslung?“ Er zog die hellgrün eingeschweißte Speisekarte vom Tresen und tippte mit dem Zeigefinger auf die Vorspeisen. Es waren immer noch dieselben wie damals am St. Patrick’s Day vor neun Jahren. Sogar die Tagesgerichte hatten sich nicht verändert. „Reichlich langweilig, findest du nicht?“

„Wir sind hier in einem irischen Pub“, erinnerte Ryan ihn trocken. „Und meine Gäste möchten sich gern darauf verlassen, dass sie Fish and Chips am Freitag und Irish Stew am Samstag bekommen.“

„Wer weiß, vielleicht haben es die Leute auch satt, dass du ihnen immer das Gleiche auftischst. Versuch’s doch mal mit ein paar feurigen Gewürzen. Das bringt Abwechslung in deine langweilige Speisekarte.“

Feurige Gewürze? Entsetzt musterte Ryan die Gesichtszüge des Pfarrers. „Also, was genau kann diese Frau kochen?“

„Ihre Enchiladas sollen sensationell sein“, meinte Francis begeistert.

Ryan runzelte die Stirn. „Halt. Was genau soll das heißen? Du verlangst, dass ich jemanden einstelle, der in einem irischen Pub mexikanische Gerichte kocht?“

Unwillkürlich schauderte er, als er sich vorstellte, wie sein irischer Koch die Neuigkeit wohl aufnehmen würde. Rory O’Malley würde einen Monat lang lautstark mit Töpfen und Pfannen hantieren, wenn er nicht sogar auf der Stelle kündigte. Rory mit seinem breiten irischen Akzent und seinem dicken Wanst, den er seiner Schwäche für Bier zu verdanken hatte. Ganz gewiss hatte er ein weiches Herz, aber wenn er richtig in Fahrt war, dann wütete er schlimmer als ein temperamentvoller französischer Küchenchef. Trotzdem verlief die Arbeit in der Küche reibungslos, seit Rory dort das Kommando übernommen hatte. Und deshalb hielt Ryan sich am liebsten außerhalb der Reichweite seines Küchenchefs auf und vermied alles, was ihn hätte beleidigen können.

Pater Francis gab sich aufgeregt. „Dein Restaurant wird in aller Munde sein, Ryan“, versprach er. „Als bestes Beispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Völker und Kulturen.“

„Spar dir deine salbungsvollen Worte“, murmelte Ryan in sich hinein. „Schick sie übermorgen zu mir. Hoffentlich lässt sie sich schnell einarbeiten. Und in meinem Pub werden keine Tacos serviert, Ende der Diskussion. Spricht sie wenigstens Englisch?“

„Ganz ordentlich“, meinte Pater Francis mit undurchdringlicher Miene.

Ryan stöhnte verzweifelt auf. „Eigentlich sollte ich es dir überlassen, Rory die Sache beizubringen“, murmelte er.

„Rory ist ein feiner Kerl. Ein irischer Landsmann. Außerdem ist er selbst erst vor Kurzem eingewandert“, erklärte Pater Francis zuversichtlich. „Ich bin sicher, dass er einverstanden sein wird. Und er wird es zu schätzen wissen, dass man seine Küche in der Presse loben wird.“

„Aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass er die Neuigkeit nicht ganz so positiv aufnimmt, wie du es vorhersagst, dann wünsche ich dir, dass du dich in der Küche schnell zurechtfindest, Pater. Es hängt immer noch eine Schürze am Haken, auf die dein Name gestickt ist.“

„Dann lass uns beten, dass es gar nicht erst so weit kommt“, entgegnete Pater Francis und runzelte besorgt die Stirn. „Wenn ich Mrs Malloy im Pfarrhaus und Rory nicht hätte, dann müsste ich glatt vor Hunger sterben“, bemerkte er mit einem Seufzer.

Sein Blick fiel auf den Eingang des Pubs. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. „Schau doch mal, mein Junge, wer da hereingeschneit kommt. Wenn das kein heilsamer Anblick für meine trüben Augen ist. Siehst du, deine gute Tat wird umgehend belohnt!“

Ryan drehte sich ebenfalls zur Tür. Es stimmte, der Anblick, der sich ihm bot, war wirklich bezaubernd. Eine Frau, die so wunderschön war wie sie, konnte jeden Mann im Bruchteil einer Sekunde aus seiner schlechten Laune reißen. Mit großen Augen versuchte sie, im Halbdunkel des Pubs etwas zu erkennen. Die blasse, zarte Haut war durch den scharfen Wind gerötet, und das dichte kastanienbraune Haar fiel ihr nachlässig über die Schultern. Ihre schlanken Beine steckten in Jeans und hohen Lederstiefeln, bestens geeignet, die wildesten erotischen Fantasien in einem Mann zu entfachen. Lustvoll stöhnte Ryan auf.

„Junge, wo bleiben deine Manieren?“, schimpfte Pater Francis. „Sie ist ein zahlender Gast und offensichtlich zum ersten Mal in deinem Pub. Geh hin, und begrüße sie.“

Warum nur muss der alte Kerl sich immer in alles einmischen? dachte Ryan, warf dem Pater einen säuerlichen Blick zu und durchquerte den überfüllten Pub. „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

„Das wage ich zu bezweifeln“, entgegnete sie grimmig. „Ich bezweifle sogar, dass die Heiligen Drei Könige persönlich mir helfen könnten.“

„Wie wär’s, wenn Sie es einen Barkeeper und einen alten Priester mal versuchen lassen?“, meinte Ryan lachend. „Würde das reichen? Oder sind Sie hier mit jemandem verabredet? Mit den meisten Stammgästen bin ich persönlich bekannt.“

„Nein, ich bin nicht verabredet. Aber wenn Sie mich jemandem vorstellen würden, der einen Autoreifen reparieren kann?“, bat sie verzweifelt. „Im Umkreis von zehn Meilen habe ich jede Werkstatt angerufen. Keine Einzige bietet einen Vor-Ort-Pannenservice an. Und alle erzählen mir wichtigtuerisch, dass morgen Thanksgiving ist. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Mein Auto ist vollgeladen mit Lebensmitteln, und ich habe absolut keine Lust, sie verderben zu lassen, nur weil ich hier in einem Nest gelandet bin. Natürlich wird alles zu Eisblöcken gefroren sein, wenn ich nach Hause komme, aber …“

Geflissentlich unterdrückte Ryan ein Lachen. „Haben Sie keinen Ersatzreifen?“

Wenn Blicke töten könnten, hätte Ryan auf der Stelle tot umfallen müssen. „Natürlich habe ich einen Ersatzreifen. Können Sie sich nicht vorstellen, dass ich ihn längst ausprobiert habe? Ich bin doch nicht komplett bescheuert.“

„Was ist denn dann das Problem?“

„Er hat auch einen Platten. Was zum Teufel ist das blöde Ding wert, wenn es ausgerechnet dann einen Platten hat, wenn man es am dringendsten braucht?“

Ryan verzichtete darauf, sie daran zu erinnern, dass man den Ersatzreifen von Zeit zu Zeit überprüfen sollte. Der kluge Tipp kam ganz offensichtlich zu spät, und sie schien nicht in der Stimmung, sich überflüssige Ratschläge anzuhören.

„Wie wär’s damit?“, begann Ryan. „Sie setzen sich erst mal zu Pater Francis. Ich gebe Ihnen was zu trinken, damit Sie sich ein bisschen aufwärmen können. Und dann besprechen wir, wie wir Ihr Problem am besten lösen können.“

„Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, hier tatenlos herumzuhocken.“ Entschuldigend schaute sie Pater Francis an. „Es tut mir leid, Pater, aber ich sollte schon seit Stunden zu Hause bei meinen Eltern sein. Wahrscheinlich werden sie langsam wahnsinnig vor Sorge.“

„Haben Sie …“

„Natürlich habe ich angerufen“, unterbrach sie den Pfarrer. „Meine Eltern wissen Bescheid, aber Sie kennen sie nicht. Beide werden verrückt sein vor Sorge, bis ich persönlich zur Tür hereinspaziere. Sie sorgen sich immer, ganz egal, ob es eine große Sache ist oder eine kleine. Insgeheim glauben sie wahrscheinlich, dass sie mit der Geburtsurkunde ihrer Kinder das Recht erworben haben, sich lebenslang Sorgen um sie zu machen.“

Mit wahnsinnigen Eltern hatte Ryan genug Erfahrung. Seine eigenen hatten sich nicht einen Pfifferling um ihn und seine Brüder gekümmert. Als er neun Jahre alt gewesen war, hatten sie die drei ältesten Brüder der staatlichen Fürsorge überlassen und waren mit den zweijährigen Zwillingen verschwunden. Wenn es überhaupt eine Erklärung dafür gab, warum sie ihre Söhne so kaltherzig behandelt hatten, hatten sie es dennoch nicht für nötig gehalten, sie Ryan und seinen Brüdern mitzuteilen.

Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie es gewesen war, als er den damals siebenjährigen Sean zum letzten Mal gesehen hatte. Sean hatte sich beinahe die Augen aus dem Kopf geweint, als er von einer Sozialarbeiterin weggeführt wurde. Michael war zwei Jahre jünger und schien tapferer zu sein … aber vielleicht hatte er mit seinen fünf Jahren ganz einfach nicht begriffen, was ihnen gerade angetan wurde. Niemals hatten die Brüder einander oder ihre Eltern wieder gesehen.

„Du schließt den Pub ungefähr in einer Stunde, nicht wahr, Ryan?“, fragte Pater Francis und riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Seine Augen glitzerten. „Vielleicht kannst du die junge Lady nach Hause bringen.“

„Wirklich? Könnten Sie das? Ich weiß, es ist aufdringlich, und bestimmt haben Sie Ihre eigenen Pläne für Thanksgiving, aber ich bin echt am Rande der Verzweiflung.“

„Warum nehmen Sie nicht ein Taxi? Ich rufe gerne eines für Sie, und dann sind Sie in kürzester Zeit zu Hause.“

„Schon versucht“, hielt sie dagegen. „Aber es ist ein weiter Weg, und die meisten Fahrer sind wegen des Feiertags bei ihren Familien. Es sind nicht viele Leute unterwegs. Beide Taxiunternehmen, die ich angerufen habe, konnten nichts für mich tun.“

„Aber Sie kennen mich doch überhaupt nicht“, wandte Ryan ein. „Sie wissen doch bestimmt, dass Sie sich niemals zu einem Fremden ins Auto setzen dürfen?“

Pater Francis lachte auf. „Auf das Wort eines Priesters wird sie sich wohl verlassen können. Und ich bescheinige dir, dass du kein Wässerchen trüben kannst. Du bist der perfekte Gentleman. Übrigens, Ryan Devaney, das hier ist …“ Erwartungsvoll schaute er die junge Frau an.

„Maggie O’Brien“, stellte sie sich vor.

Ein strahlendes Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Priesters breit. „Irischer Stammbaum, nicht wahr? Ryan, du kannst nicht ernsthaft mit dem Gedanken spielen, eine Irin im Stich zu lassen.“

Bestimmt hat sie dort noch weniger Zeit verbracht als ich, dachte er. Es war eine echte Kunst, einen irischen Pub erfolgreich zu führen, und er hatte sich eine Weile auf der smaragdgrünen Insel aufgehalten, um genau das zu lernen. Aber Maggies Tonfall klang ganz danach, als sei sie in Boston aufgewachsen.

„Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass Miss O’Brien und ich amerikanische Landsleute sind“, bemerkte er trocken.

„Aber es fließt Blut irischer Vorfahren in deinen Adern“, beharrte der Priester. „Und ein wahrhafter Ire vergisst niemals seine Wurzeln.“

„Wie dem auch sei“, erwiderte Ryan resigniert, weil ihm längst klar war, dass er sich zum zweiten Mal an diesem Abend in das Unausweichliche fügen musste. „Miss O’Brien, ich würde mich freuen, Sie nach Hause fahren zu dürfen, wenn Sie warten können, bis ich den Pub in einer Stunde schließe. Inzwischen gebe ich Ihnen gern den Schlüssel zu meinem Wagen. Sie können Ihre Lebensmittel aus Ihrem Wagen in meinen laden.“ Er warf dem Priester einen eindringlichen Blick zu. „Pater Francis freut sich, wenn er Ihnen helfen kann, nicht wahr, Pater?“

„Es ist mir ein Vergnügen“, bestätigte Pater Francis und sprang so eilfertig auf die Füße wie seit zehn Jahren nicht mehr.

„Miss O’Brien“, rief Ryan den beiden nach, während sie zum Ausgang eilten, „was auch immer Sie tun, hören Sie einfach nicht auf das, was er Ihnen von mir erzählt!“

„Ich preise dich nur in den höchsten Tönen“, gab Pater Francis entrüstet zurück. „Wenn ich meinen Lobgesang beendet habe, wird sie denken, dass du vom Vater im Himmel persönlich gesandt worden bist.“

„Genau das habe ich befürchtet“, gab Ryan zurück. Irgendwie beschlich ihn das ungute Gefühl, dass diese Maggie O’Brien von Minute zu Minute mehr zu der Auffassung kam, tatsächlich einem Heiligen begegnet zu sein.

„Ich bin nicht sicher, dass Mr Devaney glücklich ist, mich nach Hause zu fahren“, sagte Maggie zu Pater Francis, während sie die Lebensmittel von ihrem Wagen in Ryan Devaneys Fahrzeug umluden. Sie überlegte kurz, ob sie die Sachen im Kofferraum lassen sollte, aber es begann gerade zu schneien. Dicke, nasse Flocken rieselten herab, und wenn die Wettervorhersage recht behielt, würden die Straßen in kürzester Zeit unbefahrbar sein. Niemand konnte sagen, wie lange es dauern würde, bis sie ihren Wagen wieder erreichen würde.

„Kümmern Sie sich nicht um seine Worte“, meinte der Priester. „Ryan ist ein herzensguter Kerl, aber sein Leben verläuft immer im gleichen Trott. Außerdem arbeitet er zu viel und zu schwer. Ein unverhoffter Ausflug mit einer hübschen jungen Frau ist genau das Richtige für ihn.“

Was für eine interessante Neuigkeit, dachte Maggie und kam zu dem Schluss, dass der Priester sich möglicherweise als Heiratsvermittler versuchte. Aber warum? Insgeheim wunderte sie sich natürlich, dass ein Mann wie Ryan Devaney jemanden brauchte, der Kontakte zu Frauen für ihn herstellte. Mit seinen leuchtend blauen Augen, seinem dichten schwarzen Haar und dem Grübchen auf dem Kinn sah er wie ein irischer Schurke aus, dazu geboren, Frauen zu verführen. Maggie war nicht verborgen geblieben, dass im Pub mehr als eine Frau enttäuscht das Gesicht verzogen hatte, als er seine Aufmerksamkeit ausgerechnet ihr zugewandt hatte.

„Gibt es Ryans Pub schon lange?“, fragte sie Pater Francis.

„Am St. Patrick’s Day werden es genau neun Jahre“, erklärte er ihr.

Maggie war überrascht. Durch das abgewetzte Holz, die glänzenden Messingeinfassungen und die alten Reklameschilder für irischen Whiskey und irisches Bier sah der Pub aus, als würde er schon seit mehreren Generationen bewirtschaftet.

Der Pfarrer grinste sie an. „Aha. Ich sehe, Sie sind überrascht. Das würde Ryan gefallen. Er ist sechs Monate lang auf Schatzsuche in Irland gewesen, um dem Pub einen antiken Hauch zu verleihen. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, macht er keine halben Sachen.“ Aus den Augenwinkeln schaute er sie an. „Meiner Meinung nach gilt das auch dann, wenn er ein Auge auf eine Frau geworfen hat.“

Maggie hatte kaum mehr als eine Viertelstunde mit Ryan Devaney verbracht, trotzdem konnte sie nicht verhehlen, dass sie neugierig geworden war. „War er noch nie verheiratet?“

„Nein. Was für eine schlimme Geschichte“, sagte der Pater. „Er behauptet, dass er nicht an die Liebe glaubt.“

Seine Stimme klang so übertrieben traurig, dass Maggie fast lachen musste. „Wie kommt denn das?“, fragte sie stattdessen. „Hat er so schlechte Erfahrungen gemacht?“

„Ja, aber nicht, wie Sie denken. Es liegt an seinen Eltern. Sie sind abgehauen und haben ihn im Stich gelassen, als er noch ein hilfloser kleiner Junge war.“

„Wie schrecklich!“ Augenblicklich empfand Maggie tiefes Mitleid, und sie vermutete, dass der gerissene alte Mann es genau darauf angelegt hatte. „Hat er sie denn niemals wieder gesehen?“

„Niemals. Er hat ein paar schlimme Jahre hinter sich. Doch wenn man davon absieht, ist ein prächtiger Kerl aus ihm geworden. Sie werden keinen besseren, zuverlässigeren Freund finden als Ryan Devaney.“

„Wie lange kennen Sie ihn schon?“

„Seit siebzehn Jahren.“

Eindringlich musterte Maggie sein Gesicht. „Irgendwie wittere ich hier eine interessante Geschichte.“

„Richtig. Aber ich denke, Ryan sollte sie Ihnen lieber selbst erzählen.“ Er fing ihren Blick auf. „Würden Sie einen Rat von einem Fremden abweisen?“

„Von Ihnen, Pater? Niemals.“

„Irgendwie ähnelt Ryan einem guten Wein. Man darf ihn nicht hinunterstürzen, wenn man ihn genießen will.“

Maggie lachte. „Pater, Ihr Rat kommt ein bisschen zu früh. Ich habe den Mann doch gerade erst kennengelernt. Er bringt mich nach Hause – aber nur, weil Sie ihn dazu gezwungen haben, wenn ich das hinzufügen darf. Ich glaube nicht, dass wir mehr daraus machen sollten“, erwiderte sie und folgte Pater Francis zurück in die Bar.

Ryan hatte alle Hände voll damit zu tun, die letzte Bestellung zu servieren, aber trotzdem standen plötzlich zwei Irish Coffee vor ihnen, ohne dass sie ein Wort hatten sagen müssen. Dankbar wärmte Maggie ihre eiskalten Finger an der heißen Tasse.

Schweigend saß Pater Francis neben ihr und nippte an seinem Kaffee. Anfangs war Maggie nicht in der Lage gewesen, sein Alter zu schätzen. Aber jetzt war seine Mimik weniger lebhaft, und die tiefen Falten in seinem Gesicht traten wesentlich deutlicher hervor. Vermutlich ist er weit über siebzig, dachte sie. Zu dieser späten Stunde jedenfalls waren die Spuren seines langen Lebens nicht zu übersehen.

Offensichtlich war es Ryan nicht entgangen, wie erschöpft der Priester aussah. Er legte die Schürze ab, murmelte der Kellnerin neben ihm etwas zu und händigte ihr ein Schlüsselbund aus.

„Wir können jetzt gehen“, sagte er und trat hinter der Bar hervor. „Maureen wird abschließen. Pater, ich fahre Sie auch schnell nach Hause. Es ist viel zu kalt, um zu Fuß zu gehen. Ganz besonders um diese Uhrzeit.“

„Unsinn“, protestierte der Geistliche. „Es sind ja nur ein paar Häuserblocks. Seit wann schaffe ich das nicht mehr? Hast du schon ein einziges Mal gehört, dass ich mich beklage? Ein kleiner Fußmarsch hält mich schließlich fit.“

„Und davon haben Sie tagsüber wahrhaftig genug, wenn der Wind nicht so scharf weht. Abgesehen davon liegt das Pfarrhaus an unserem Weg“, konterte Ryan, obwohl er keine Ahnung hatte, in welche Richtung er fahren musste, um Maggie nach Hause zu bringen.

Sie unterstützte Ryan sofort. „Pater, bitte. Ich täte nichts lieber, als einen Blick in Ihre Kirche zu werfen. Vielleicht komme ich dieser Tage mal zu einem Gottesdienst.“

Prompt erhellte sich der Gesichtsausdruck des Pfarrers. „Ein ausgezeichneter Gedanke. St. Mary’s ist eine wundervolle Gemeinde. Sie sind jederzeit willkommen.“

Ryan warf ihr einen dankbaren Blick zu und machte sich dann auf den Weg nach draußen. In der letzten halben Stunde war der Wind noch eisiger geworden. Maggie zitterte vor Kälte, obwohl sie einen warmen Mantel und einen dicken Schal trug.

„Gleich wird Ihnen warm werden“, versprach Ryan und schenkte ihr einen wärmenden Blick. „Wenn die Heizung erst in Gang kommt, bringt sie jeden Eisberg zum Schmelzen.“

„Ich weiß es wirklich zu schätzen, was Sie für mich tun“, wiederholte sie. „Ich weiß, dass ich mich Ihnen aufdränge.“

„Ryan freut sich, Ihnen helfen zu dürfen“, beharrte Pater Francis vom Rücksitz, als sie vor einem roten Sandsteinhaus anhielten, das direkt neben der Kirche stand. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, Maggie O’Brien. St. Mary’s ist genau nebenan, wie Sie sehen können. Scheuen Sie sich nicht, die Kirche zu besichtigen.“

„Vielen Dank für Ihre Hilfe, Pater.“

„Was habe ich denn schon getan? Nichts, was nicht jeder andere Ire auch tun würde, wenn eine Lady in Schwierigkeiten gerät. Ein fröhliches Thanksgiving, Maggie.“

„Gute Nacht, Pater“, erwiderte Ryan mit fester Stimme. Er wartete, bis der Pfarrer langsam die Stufen der Treppe hinaufgestiegen und in seinem Haus verschwunden war. Dann wandte er sich an Maggie. „Es tut mir sehr leid“, sagte er. „In letzter Zeit beschäftigt Pater Francis sich vorzugsweise mit meinem Liebesleben. Er ist wild entschlossen, mich unter die Haube zu bringen und einen Haufen Babys zu meinen Füßen spielen zu sehen. Ich bitte um Entschuldigung, sollte er Sie in Verlegenheit gebracht haben.“

„Es ist doch wundervoll, dass er sich so rührend um Sie kümmert“, meinte Maggie ehrlich. „Offensichtlich bedeuten Sie ihm sehr viel.“

„Und umgekehrt“, gestand Ryan.

„Er hat mir erzählt, dass sie sich schon lange kennen“, fuhr sie fort und hoffte, dass sie ihn mit ihrer Bemerkung dazu brachte, die Geschichte zu erzählen, die der Pater nicht hatte preisgeben wollen.

„Schon sehr lange“, bestätigte Ryan und konzentrierte seinen Blick auf die Straße. Es war glatt geworden, und es schneite ununterbrochen.

Oder versuchte er nur, seine schmerzhafte Vergangenheit vor ihr zu verbergen? Maggie vermutete, dass sie damit ins Schwarze traf, aber sie erinnerte sich rechtzeitig an den Rat des Pfarrers, Ryan nicht zu drängen. Sie war von Natur aus ungeduldig und neugierig, und es fiel ihr schwer, sich zu beherrschen.

Sie schaute aus dem Fenster, als der Wagen plötzlich langsamer wurde und schließlich anhielt.

„Maggie?“

Sie drehte sich zu ihm hin und begegnete seinem Blick. „Ja?“, fragte sie ein wenig zu eifrig. Hatte er sich etwa doch entschlossen, ihr seine Geschichte zu erzählen?

„Eine lange Nacht liegt vor uns, wenn Sie mir nicht verraten wollen, in welche Richtung ich fahren soll“, bemerkte er lachend.

„Du liebe Güte, was bin ich blöd.“ Eilig erklärte sie ihm den Weg zum Haus ihrer Eltern. Ganz in der Nähe lag das Massachusetts Institute of Technology, wo ihre Mutter Professorin war.

Ryan nickte. „Ich kenne die Gegend. Wir sind gleich da. Und wenn Sie wollen, kann ich es arrangieren, dass Ihr Wagen am Freitag abgeschleppt wird.“

Unwillkürlich schreckte Maggie zurück, als sie sein großzügiges Angebot hörte. „Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich werde mich selbst darum kümmern.“

Aber noch während sie protestierte, wurde ihr klar, dass ihr liegen gebliebener Wagen die einzige Garantie dafür war, Ryan Devaney wieder zu sehen. Verstohlen warf sie ihm einen Blick zu und spürte, wie ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte. Das durfte sie keinesfalls ignorieren. Nicht, dass sie an die Macht des Schicksals glaubte. Jedenfalls nicht so wie Pater Francis. Aber für den Fall, dass es doch so etwas wie Schicksal gab, tat sie sicher gut daran, wenn sie es sich nicht auf Anhieb mit ihm verscherzte.

2. KAPITEL

Ryan mochte Frauen, die wussten, wann sie den Mund zu halten hatten. Und er konnte sich wirklich etwas Besseres vorstellen als Frauen, die dauernd in Angelegenheiten herumschnüffelten, die sie überhaupt nichts angingen. Maggie O’Brien schien ihn wortlos zu verstehen. Sein Respekt wuchs mit jedem Kilometer, und sie hatte ihn sich wirklich verdient, denn sie schien das Schweigen genauso zu genießen wie er.

Aber manchmal tut man zu viel des Guten, überlegte er nach einer Weile. Er war kurz davor, die Stille mit einem Bombardement von Fragen zu durchbrechen. Fragen, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten, seit sie den Pub betreten hatte.

Er hatte Maggie O’Brien noch nie vorher in seinem Pub, dem Ryan’s Place, gesehen. Es waren also die üblichen Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, aber dieses Mal wollte er zu seiner eigenen Überraschung noch hundert andere Dinge wissen. Persönliche Dinge. Wenn du damit anfängst, sie auszuhorchen, ermunterst du sie womöglich, den Spieß umzudrehen, überlegte er insgeheim. Besser, du behältst deine Neugier unter Kontrolle.

„Haben Sie etwas dagegen, dass ich das Radio einschalte?“, fragte er und griff schon nach dem Knopf.

Sie schien verwundert, dass er überhaupt fragte. „Natürlich nicht. Wie Sie möchten.“

„Was würden Sie gern hören?“

„Jazz“, schlug sie zögernd vor. „Ist nicht jedermanns Geschmack, ich weiß. Aber bei mir zu Hause kann ich keinen Jazzsender empfangen, und das fehlt mir wirklich.“

Ryan war überrascht, dass sie gern Jazz hörte. „Also, ich hätte Sie glatt als Oldie-Fan abgestempelt.“

„Stimmt, aber der wehmütige Klang eines Saxofons rührt mich jedes Mal irgendwie zu Tränen. Es klingt unglaublich melancholisch.“ Besorgt schaute sie ihn an. „Schon okay, wenn Sie es nicht mögen. Oldies sind genauso gut.“

Er musste gar nicht lange nach dem Sender suchen. Kurz darauf erfüllten sanfte Jazzklänge das Auto. „Der Jazzsender ist gespeichert“, erklärte er grinsend. „Mir scheint, wir haben etwas gemeinsam, Maggie O’Brien. Pater Francis wäre außer sich vor Begeisterung, glauben Sie nicht auch?“

„Irgendwie glaube ich, dass wir ihn nicht noch mehr ermutigen sollten“, erwiderte sie trocken. „Immerhin hält der Mann Trauungen ab. Er bringt es fertig und lässt uns vor den Altar treten, noch bevor wir uns richtig kennengelernt haben.“

„Dummes Zeug“, murmelte Ryan und zuckte innerlich zusammen, als ihm plötzlich klar wurde, wie hart er ihre spöttische Bemerkung abgetan hatte. „Entschuldigen Sie. Es ist nicht persönlich gemeint.“

„Ich bin nicht gekränkt“, gab Maggie unbefangen zurück.

Aber aus den Augenwinkeln stellte Ryan fest, dass das Lächeln auf ihren Lippen verschwunden war. Sie starrte wieder aus dem Fenster und tat fasziniert vom Schnee, der inzwischen in dichten Flocken vom Himmel fiel.

Obwohl die sanften Jazzklänge sie ablenkten, wunderte Maggie sich über den Mann neben sich. Er war in ein grimmiges Schweigen verfallen, und offensichtlich fand er, dass das plärrende Radio die Stille erträglicher machte.

Als sie es nicht länger aushielt, riskierte sie einen kurzen Blick zu ihm hin. Seit sie den Ryan’s Place betreten und in die Augen seines Besitzers geschaut hatte, bemerkte sie eine beunruhigende Aufregung in ihrem Innern. Das Gefühl übertraf bei Weitem die Dankbarkeit, die sie ihm schuldete, weil er ihr – wenn auch widerwillig – aus der Klemme half.

Er sah fantastisch aus. Ein schwarzhaariger, irischer Traummann. Das Haar war ein kleines bisschen zu lang, und es ließ ihn irgendwie verrucht wirken. Seine tiefblauen Augen funkelten vergnügt. Wenigstens schien er nicht wütend, dass Pater Francis ihn überrumpelt hatte. Ein gerissener alter Mann, dachte sie. An Ryans Mundwinkel entdeckte sie eine dünne Narbe. Für jemanden, der nicht genau hinschaute, war sie kaum sichtbar. Aber sie hatte ganz genau hingesehen. Ryans Mund war so sinnlich, dass jede Frau, die einigermaßen bei Verstand war, sich blendend vorstellen konnte, wie er seine Lippen auf ihren Mund presste.

Sie kannte den Mann noch keine zwei Stunden, und schon hatte er sie so sehr beeindruckt, dass ihr Herz vor Aufregung schneller schlug und ihre Gedanken wild durcheinanderwirbelten. Ganz sicher ist meine angeborene Neugier daran schuld, redete sie sich ein.

Ihr Vater war Journalist. Er steckte seine Nase dauernd in Angelegenheiten, von denen er annahm, dass sie die Öffentlichkeit interessieren würden, lange bevor die Öffentlichkeit selbst davon erfuhr. Ihre Mutter war Professorin am weltweit renommierten MIT, dem Massachusetts Institute of Technology. Wenn man bei solchen Eltern aufwuchs, war es unvermeidlich, dass man einen unstillbaren Hunger danach verspürte herauszufinden, warum Menschen sich so verhielten, wie sie sich verhielten. Der Sarkasmus ihres Vaters hatte ein wenig auf sie abgefärbt, von ihrer Mutter hatte sie eine gute Portion gesunden Menschenverstand geerbt, zusammen mit der Begabung, hinter die Kulissen der Dinge zu schauen, die sich vor ihrer Nase abspielten.

Ihre Freunde wandten sich an sie, wenn die Partnerschaft in der Krise steckte, wenn der Vorgesetzte Ärger machte oder wenn die Eltern das Unmögliche verlangten. Maggie wusste immer Rat.

Nur mit ihrem eigenen Leben kam sie nicht zurecht. Immer noch war sie dabei, ein Plätzchen für sich zu erobern. Sie hatte Betriebswirtschaft studiert, aber die Widersprüche, die sie an anderen Menschen so sehr schätzte, machten ihr in ihrem eigenen Leben schwer zu schaffen, denn sie suchte nach einem Job, der ihrer kreativen Begabung ebenso entgegenkam wie ihrem Konto.

Ihre letzte Anstellung hatte ihr das nicht bieten können. Das kleine Städtchen an der Küste in Maine hatte ihr ausnehmend gut gefallen, und deswegen hatte sie sich eingeredet, dass sie sich glücklich schätzen sollte, dort die Buchführung für eine kleine Firma zu erledigen. Aber am Ende hatten weder die morgendlichen Strandspaziergänge noch die netten, kleinen Boutiquen oder die freundlichen Nachbarn sie für die tägliche Langeweile bei der Arbeit entschädigen können. Vor zwei Wochen hatte sie die Kündigung eingereicht, und am selben Tag hatte sie sich von einer Beziehung getrennt, die zu nichts führte.

Jetzt war sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung in ihrem Leben. Bis Neujahr wollte sie sich dafür Zeit geben. Ihr Bankkonto war noch einigermaßen gut gefüllt, und sie musste nicht sofort eine neue Stelle suchen. In den kommenden Wochen wollte sie bei ihren Eltern und ihren Geschwistern bleiben und dann entscheiden, ob sie nach Maine zurückkehren wollte. Immerhin war dort in den vergangenen vier Jahren ihr Zuhause gewesen. Vielleicht würde sie sich dort eine interessantere Arbeit suchen und eine Partnerschaft aufbauen, die aufregender war als die letzte Beziehung und die eine gemeinsame Zukunft versprach.

Es war ein verführerischer Gedanke, sich von Ryan Devaney von der Grübelei ablenken zu lassen. Wieder schaute sie ihn an. Immer noch hielt er den Blick starr auf die Straße gerichtet.

„Ich bedaure sehr, dass ich Ihre Pläne so plötzlich über den Haufen geworfen habe“, entschuldigte sie sich.

„Kein Problem“, erwiderte er, ohne sie anzuschauen.

„Die meisten Leute sind an den Feiertagen ja sehr beschäftigt.“

„Schon okay“, gab er zurück und presste seine wundervollen Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.

„Hat der Pub morgen geöffnet?“

„Ein paar Stunden. Manche Gäste wissen nicht, wo sie Thanksgiving verbringen sollen.“

Sie erinnerte sich, dass Pater Francis ihr einen Teil von Ryans Geschichte erzählt hatte. Er war von seinen Eltern im Stich gelassen worden. Offensichtlich empfand er Mitgefühl mit den Gästen, die in der gleichen Lage waren wie er damals. Mutterseelenallein auf der Welt. „Es ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, dass Sie ihnen einen Platz anbieten, an dem sie sich wohlfühlen.“

„Es ist eine rein geschäftliche Entscheidung“, behauptete er und wies den Gedanken weit von sich, dass irgendein Gefühl mit im Spiel sein könnte.

„Und Ihre eigene Familie? Stört es die gar nicht?“, fragte sie mit gespielter Unschuld.

„Nein“, erwiderte er knapp.

„Erzählen Sie mir von ihnen“, bohrte sie weiter.

Plötzlich schaute er sie an. „Da gibt es nichts zu erzählen.“

Seine Stimme klang niedergeschlagen, aber sie bezweifelte, dass ihm das überhaupt auffiel. „Oh“, meinte sie, „jede Familie hat eine Geschichte.“

„Miss O’Brien“, begann er und runzelte die Stirn. „Ich habe Ihnen angeboten, Sie nach Hause zu fahren. Unterhaltung ist nicht inbegriffen. Wenn Sie ein bisschen Krach brauchen, drehen Sie doch einfach das Radio lauter.“

Sein scharfer Tonfall ließ sie zögern. Aber jeder Hobbypsychologe konnte erkennen, dass seine heftige Abwehr ein tief verborgenes Bedürfnis nach Gesprächen überdecken sollte. Und Maggie fragte sich, ob Ryan Devaney jemals mit einem Menschen über das geredet hatte, was er krampfhaft vor ihr verbergen wollte.

„Manchmal ist es leichter, mit einem Fremden als mit einem Freund zu reden“, wandte sie vorsichtig ein.

„Und manchmal gibt es gar nichts zu erzählen“, konterte er.

Obwohl sie einen Teil seiner Geschichte schon kannte, versuchte sie, das Geheimnis aus seinem Mund zu erfahren. „Sind Sie verheiratet?“

„Nein.“

„Waren Sie es jemals?“

„Nein.“

„Was ist mit dem Rest Ihrer Familie?“

Abrupt trat er in die Bremsen und schaute sie an. Seine Augen funkelten vor Wut. „Ich habe keine Familie“, erklärte er gepresst. „Überhaupt keine. Sind Sie jetzt zufrieden, Miss O’Brien?“

Zufrieden? Weit davon entfernt, dachte sie, als sie seinen wütenden Blick sah. Sie war jetzt neugieriger als zuvor. Aber dies war ganz sicher nicht der richtige Moment, Ryan das wissen zu lassen. Vielleicht morgen, nachdem sie ihn überredet hatte, Thanksgiving bei ihrer Familie zu verbringen. Vielleicht war er dann weich genug gestimmt, ihr zu erzählen, was ihm vor so vielen Jahren das Herz zerrissen hatte. Warum behauptete er, dass er keine Familie hatte, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprechen konnte? Vielleicht gehörte sie jetzt nicht mehr zu seinem Leben, aber ganz bestimmt gab es sie – irgendwo.

Maggie wusste zwar keine Antwort, aber trotzdem verspürte sie tiefes Mitleid. Sie hatte beide Eltern, drei Schwestern und zwei Brüder, Dutzende von Tanten, Onkeln und Cousins. Sie alle waren übermütig, unmöglich, kompliziert und unbestreitbar wundervoll – nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemanden gab, der gar keine Familie hatte.

Ryan hatte einen Ausdruck leichter Bestürzung in Maggies Augen entdeckt, als er ihr gesagt hatte, dass er keine Familie besaß. Und er war sich fast sicher, dass er noch etwas anderes entdeckt hatte. Entschlossenheit.

Vielleicht war er deswegen kein bisschen überrascht, als sie ihn zum Bleiben einlud, nachdem sie das große Haus der Familie am Kendall Square erreicht hatten.

„Es ist fast zwei Uhr in der Nacht“, erklärte sie ihm. „Sie müssen völlig erschöpft sein. Bitte bleiben Sie. Ich bin sicher, dass das Haus heute Abend total überfüllt sein wird, aber irgendwo wird sich schon noch eine freie Couch finden. Wenn es ganz schlimm kommt, dann gibt es immer noch die Schlafsäcke auf dem Dachboden. Ich kann Ihnen gern einen geben.“

„Keine Sorge. Ich bin es gewohnt, spät zu Bett zu gehen. Ist schon in Ordnung“, beharrte er, während er ihr Gepäck aus dem Kofferraum auslud. Pater Francis und Maggie hatten den Wagen beladen, und deshalb sah er jetzt erst, dass sie vermutlich gut und gern die Hälfte ihres gesamten Besitzes mit sich herumschleppte. „Haben Sie einen längeren Besuch eingeplant?“, bemerkte er spöttisch.

„Bis Neujahr“, erwiderte sie.

„Und Ihr Job? Sie haben doch einen, nehme ich an?“

„Ich habe gerade gekündigt“, erzählte sie freimütig. „Und bin jetzt wieder auf der Suche. Es war eine ziemlich gut dotierte Stelle als Betriebswirtin in einer kleinen Firma, aber trotzdem langweilig. Und ich hoffe, dass ich irgendwas finde, wo ich kreativ arbeiten kann.“

„Zum Beispiel?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Wenn ich das nur wüsste“, meinte sie unschlüssig. Aber dann klang sie wieder optimistisch. „Ich werde es schon herausbekommen.“

„Vielleicht Psychologie?“, meinte Ryan. „Sie haben es ganz gut drauf, lästige Fragen zu stellen.“

„So besonders gut kann ich nicht gewesen sein“, entgegnete sie. „Schließlich haben Sie nur die wenigsten beantwortet.“

„Was wäre denn eine kreative Arbeit?“, fuhr er fort. „Haben Sie Karrierepläne?“

Sie grinste. „Wollen Sie den Spieß umdrehen, Mr Devaney?“

„Jeder Barkeeper ist ein kleiner Psychologe“, meinte er lachend. „Mit dem Unterschied, dass wir nur Fragen stellen und zuhören. Wir geben niemals einen Rat. Aber lassen Sie uns den Kram hier reinschaffen, bevor wir beide erfrieren.“

„Wir sollten hintenherum reingehen“, sagte Maggie und wies ihm den Weg. „Viele Sachen müssen sowieso in der Küche verstaut werden.“

Er bemerkte, dass Licht aus den vorderen Fenstern schien. Das galt auch für die Küche. Es sah so aus, als wollte man die zu spät kommende Tochter willkommen heißen. Fast war er ein bisschen neidisch, als eine große Frau die Küchentür aufriss und die Arme ausbreitete.

„Da bist du ja endlich“, rief sie und umarmte Maggie heftig. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

„Mom, vor einer Dreiviertelstunde habe ich dich angerufen und dir gesagt, dass ich unterwegs bin“, erinnerte Maggie ihre Mutter amüsiert. „Ich bin sogar zehn Minuten früher da als angekündigt.“

„Das heißt, dass Sie gerast sein müssen, junger Mann“, schalt die Frau und wandte sich augenzwinkernd an Ryan. Ihre Augen leuchteten genauso hellgrün wie die ihrer Tochter. „Ich bin Nell O’Brien. Und Sie müssen Mr Devaney sein. Es war sehr freundlich von Ihnen, Maggie nach Hause zu fahren, selbst wenn Sie das Tempolimit überschritten haben.“

Ryan begegnete ihrem Blick. „Sie sind doch nicht von der Polizei, oder?“, spottete er.

„Nein, aber ich habe eine Menge Erfahrung damit, junge Männer einzuschüchtern“, erwiderte Mrs O’Brien belustigt. „Schließlich habe ich vier Töchter und zwei Söhne. Sie alle brauchen eine feste Hand.“

Vergeblich versuchte er, sein Grinsen zu unterdrücken. „Wenn Maggie hier ein Beweis dafür ist, dann glaube ich Ihnen aufs Wort.“

„Hey“, protestierte Maggie, „ich war die brave älteste Tochter.“

„Wenn es dir gerade in den Kram gepasst hat“, hielt ihre Mutter dagegen. „Aber jetzt kommt erst mal beide rein. Ich habe Kaffee gekocht, wenn Sie jedoch lieber etwas anderes möchten, kann ich das schnell herrichten.“

„Für mich bitte nichts“, lehnte Ryan höflich ab und zog sich bereits von der Tür zurück. Die Wärme der großen, einladenden Küche, das sanfte Gespött zwischen Mutter und Tochter – das waren genau die Situationen, die er zu meiden versuchte. „Ich muss wieder nach Hause fahren.“

„Kommt nicht infrage“, sagte Mrs O’Brien. „Es ist viel zu spät, um sich noch auf die Straße zu wagen, Mr Devaney. Sie müssen vollkommen erschöpft sein. Ich werde die Couch im Gästezimmer herrichten. Bevor Sie anfangen, mit mir zu diskutieren, denken Sie dran, dass ich älter und klüger bin. Und ich mag es nicht, wenn man mir widerspricht.“

„Wenn Sie nicht Polizist sind, dann müssen Sie General sein“, vermutete Ryan.

„Nein, nur eine Frau, die weiß, was das Beste für Sie ist“, konterte Nell mit einem heiteren Lächeln. „Ihr beide kommt jetzt in die Küche, esst eine Kleinigkeit und trinkt etwas. Ich werde zu Bett gehen, nachdem ich das Gästezimmer hergerichtet habe. Dein Vater wird wissen wollen, dass du sicher zu Hause angekommen bist, Maggie. Außerdem muss ich morgen früh aufstehen und den Vogel in den Ofen schieben.“ Sie zwinkerte Maggie zu. „Dein Vater hat einen riesigen Truthahn gekauft. Ich muss das Tier chirurgisch zerlegen und ihn wieder zusammenmontieren, wenn er gebraten ist. Garrett darf es aber auf keinen Fall merken.“

Ryan witterte seine Chance zur Flucht, nachdem Mrs O’Brien verschwunden war, aber Maggies Blick ließ ihn zögern.

„Sie sollten es noch nicht mal in Erwägung ziehen“, meinte sie und fixierte ihn mit einem strengen Blick.

„Woran?“

„Sich in aller Heimlichkeit davonzustehlen.“

„Maggie, ich habe Ihnen einen kleinen Gefallen getan“, erklärte er. „Sie schulden mir gar nichts. Abgesehen davon, ich habe morgen etwas vor. Der Tag fängt früh an. Ich muss wirklich nach Hause.“

Ihre Augen glitzerten vor Überraschung. „Sie haben Pläne?“

Es beleidigte ihn fast, dass sie sichtlich schockiert war. „Ich bin doch nicht allein auf der Welt.“

Sie trat einen Schritt zurück. „Ja, natürlich nicht. Daran hätte ich denken sollen“, entschuldigte sie sich peinlich berührt.

Ryan hätte sie in dem Glauben lassen sollen, dass eine andere Frau im Spiel war, denn zu diesem Schluss war sie ganz offensichtlich gekommen. Stattdessen begann er, sich zu erklären.

„Ich bringe Essen in das Obdachlosenheim von St. Mary’s“, erzählte er. „Mittags muss alles fertig sein, und das heißt, dass wir rechtzeitig anfangen müssen. Um vier Uhr öffnet der Pub für die Stammgäste, die nicht wissen, wo sie den Tag verbringen sollen. Ganz davon zu schweigen, dass der Papierkram heute Abend liegen geblieben ist. Die Kasse ist auch noch nicht abgerechnet.“

Sie nickte. Eine Spur von Erleichterung huschte über ihr Gesicht. „Was für eine wundervolle Idee.“ Der Gedanke an die Mahlzeit für die Obdachlosen gefiel ihr offensichtlich sehr. „Können Sie im Heim noch Hilfe gebrauchen?“

Hilfe konnten sie immer gebrauchen. Trotzdem zögerte Ryan. Es war besser, die Sache zu beenden. Hier und jetzt. Offensichtlich besaß die Frau eine unerschütterliche Entschlossenheit, und sie war zweifellos in der Lage, seinen mühsam errichteten Schutzwall niederzureißen.

„Natürlich können Sie Hilfe gebrauchen“, meinte sie, ohne seine Antwort abzuwarten. „Um zehn warten wir im Obdachlosenheim.“

„Wer, wir?“

„Meine Familie. Außer meiner Mutter natürlich. Sie muss sich hier zu Hause mit dem irrsinnigen Vogel abplagen, aber alle anderen werden mit anpacken. Und ich werde einen meiner Brüder bitten, einen Ersatzreifen für meinen Wagen mitzubringen. Perfekt!“

„Sollte Ihre Familie nicht lieber hier zu Hause mit anpacken?“

„Mom weigert sich sowieso, irgendjemanden in die Küche zu lassen. Wir würden nur im Weg rumstehen“, behauptete Maggie. „Außerdem habe ich eine Menge Sachen mitgebracht, die wir nur in den Herd schieben müssen. Und meine Geschwister bringen auch alle etwas mit. Meine Mutter muss sich wirklich nur um den Truthahn kümmern.“ Eindringlich musterte sie ihn. „Sie sollten noch nicht mal daran denken, mich zu enttäuschen. Ich bin Ihnen einen Gefallen schuldig.“

„Nein, das sind Sie nicht“, wiederholte er, obwohl er wusste, dass seine Worte völlig überflüssig waren.

Aber abgesehen davon, verspürte er plötzlich eine unbändige Freude auf Thanksgiving. Er freute sich so sehr, wie er sich seit seinem achten Lebensjahr nicht mehr gefreut hatte. Das war das letzte Mal gewesen, dass er den Feiertag zusammen mit seiner Familie verbracht hatte. Ein Jahr später am Tag vor Thanksgiving hatten seine Eltern ihn im Stich gelassen. Und Weihnachten hatte er schon bei einer Pflegefamilie gelebt. Er hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, wo seine Eltern und seine Brüder abgeblieben waren.

Und nichts in seinem Leben war jemals wieder so gewesen wie früher.

„Spät geworden letzte Nacht?“, erkundigte sich Rory, als er und Ryan das Essen in den Lieferwagen einluden, um es zum Obdachlosenheim zu bringen. „Du siehst ziemlich erledigt aus.“

Ryan ärgerte sich darüber, dass sein Koch sich ganz offensichtlich prächtig amüsierte. „Ich habe Pater Francis einen Gefallen getan. War bis morgens um drei unterwegs.“

„Und hat dieser Gefallen zufällig etwas mit einer hübschen rothaarigen Lady zu tun?“

Ryan warf ihm einen säuerlichen Blick zu.

„Hab ich mir schon gedacht. Warum denkt Pater Francis niemals an mich, wenn eine hübsche Frau seinen Weg kreuzt?“, klagte Rory.

„Wahrscheinlich hält er dich für einen notorischen Herzensbrecher“, unterstellte Ryan. „Du genießt einen schlimmen Ruf, mein Lieber.“

„Vollkommen unverdient“, beharrte Rory und warf Ryan einen nachdenklichen Blick zu. „Sag mal, hast du auf diesen rothaarigen Engel, den Pater Francis angeschleppt hat, wirklich ein Auge geworfen? Oder darf ich mich an sie ranmachen, wenn sie uns das nächste Mal besucht?“

„Finger weg von Maggie“, warnte Ryan gereizt.

Rory grinste. „Aha. So sieht’s also aus. Pater Francis wird begeistert sein, dass seine Machenschaften endlich Früchte tragen. Kann es sein, dass unser Ryan eine Frau gefunden hat, die ihn länger interessiert als nur für eine Nacht?“

„Mach dich nicht lächerlich“, entgegnete Ryan ärgerlich. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. „Und weißt du was? Wenn du deine Zunge nicht besser im Zaum hältst, könnte ich auf die Idee kommen, dich rauszuschmeißen.“

„Das würdest du nicht wagen“, meinte Rory zuversichtlich. „Wer soll dir denn dann das original irische Essen kochen?“

„Vielleicht ändere ich die Speisekarte“, antwortete Ryan gelassen und dachte an die neuen Mitarbeiter, die er eingestellt hatte.

„Höchst unwahrscheinlich“, vermutete Rory.

„Wieso bist du dir da so sicher? Morgen fängt jemand neu bei uns an. Pater Francis behauptet, dass die Frau ihre Sache ganz gut machen wird.“

Rory runzelte die Stirn. „Eine Köchin? Zufällig diese himmlische Maggie?“, bohrte er hoffnungsvoll nach.

„Nein.“

„Ist sie wenigstens aus Irland?“

„Nein.“

„Da hast du’s. Wie kann sie dann gut sein?“

„Bislang habe ich nur Gerüchte gehört“, gestand Ryan. „Man sagt, dass sie ganz ausgezeichnet würzt. Also habe ich sie eingestellt, ohne sie mir vorher anzuschauen.“

„Du verzichtest sogar auf das Vorstellungsgespräch? Du stellst eine Frau für meine Küche ein, die du noch nie in deinem Leben gesehen hast?“, platzte Rory entsetzt heraus. „Ich kann es nicht ertragen, dass eine vollkommen fremde Person den ganzen Tag um mich herumschleicht. Noch dazu eine Frau.“

„Warum nicht? Betrachte es doch einfach als willkommene Abwechslung. Besonders, weil sie verheiratet ist. Und falls du in Versuchung gerätst, denk rechtzeitig daran, dass ihr Ehemann vorn im Pub arbeitet.“ Mit festem Blick schaute er Rory an. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du damit ein Problem hast, oder? Es gibt Grenzen, die noch nicht mal du überschreiten würdest.“

Rory stöhnte auf. „Wieder mal Schützlinge von Pater Francis, stimmt’s? Wir treffen sie heute im Heim, richtig?“

Ryan sah keinen Sinn darin, Rorys Vermutung vom Tisch zu wischen. Er nickte und zog in Erwägung, Rory bei dieser Gelegenheit auch gleich den Rest zu erzählen. Die neuen Aushilfen sprachen kaum Englisch und konnten nur mexikanisch kochen, aber dann entschied er, dass sein Freund für den Moment genügend schockiert war. Stattdessen erinnerte er ihn nochmals daran, dass er jederzeit ersetzt werden konnte. „Lass dir das eine Warnung sein, deine Zunge in Zukunft besser im Zaum zu halten. Und wenn du ihr nachher im Heim über den Weg läufst, sei nett zu ihr.“

„Okay, okay. Ich werde nett sein.“ Neugierig schaute er Ryan an. „Wirst du Maggie wiedersehen?“

„Sie hat versprochen, dass sie mit ihrer ganzen Familie vorbeikommt, um heute im Heim auszuhelfen“, gestand er kleinmütig ein.

„Ist das nicht wundervoll? Pater Francis wird sich für eine himmlische Gabe mehr bedanken, und das heute – an Thanksgiving!“

„Zum Teufel mit dir, Rory!“

Am meisten ärgerte Ryan sich darüber, dass der rundliche Koch unverhohlen lachte. Denn nach seiner Einschätzung der Lage gab es absolut nichts zu lachen. Offensichtlich war er von Heiratsvermittlern eingekreist, die einen Heidenspaß daran hatten, ihn Höllenqualen leiden zu lassen. Und beide hatten sie Maggie dazu auserkoren, die Sache in die Hand zu nehmen. Ganz bestimmt deshalb, weil sie längst bemerkt hatten, was er sich selbst nicht eingestehen wollte – dass er sich zu ihr hingezogen fühlte.

Der Geräuschpegel im Esszimmer der O’Briens stieg ins Unerträgliche. Die kreischenden Kleinkinder rissen sich um Maggies Aufmerksamkeit, und ihre Brüder stritten sich um das größte Stück des Pfannkuchens, den ihre Mutter serviert hatte. All das war wie Musik in ihren Ohren, selbst wenn sie sich mit ihrer Stimme nicht durchsetzen konnte.

Als ihr dritter Versuch, das Geschrei endlich auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, auf taube Ohren stieß, schickte sie einen Hilfe suchenden Blick an ihre Mutter.

„Schluss jetzt!“ Nell O’Brien musste kaum ihre Stimme anheben. Es lag an ihrem ruhigen, unnachgiebigen Tonfall, dass sogar ihre jüngsten Enkelkinder plötzlich verstummten. Offensichtlich war sie zufrieden mit dem Ergebnis. „Ich glaube, Maggie möchte euch etwas sagen“, meinte sie sanft.

„Seit wann hat Maggie deine Unterstützung nötig?“, fragte Matthew. „Sprich lauter, Schwesterherz. Du bist doch auch nicht schüchtern, wenn es darum geht, uns zum Schweigen zu bringen.“

„Ihr habt aber noch nie solchen Krach gemacht, und ich bin vollkommen aus der Übung“, entgegnete sie. „Okay. Ich habe mehr oder weniger versprochen, dass wir heute Vormittag in einem Obdachlosenheim in der Stadt aushelfen.“

„Versprochen? Wem?“ Matthew klang eher neugierig als ärgerlich.

„Es kann sich nur um den attraktiven Mann handeln, der sie gestern Nacht nach Hause gebracht hat“, vermutete ihre Schwester Colleen spöttisch. „Mom hat gesagt, dass ihr Herz heute früh immer noch flatterte, nachdem sie ihn gestern Abend gesehen hatte. Schade, dass ich ihn verpasst habe. Zähl auf mich, Maggie, ich möchte den Kerl gern kennenlernen, bei dem Mom ins Schwärmen gerät.“

„Für dich mag das vielleicht ein Grund sein“, gab John, der ältere Bruder, zu. „Ich habe andere. Wir können es nicht zulassen, dass irgendein fremder Mann unserer Maggie das Herz bricht.“

„Was soll das heißen, ein attraktiver Mann?“ Katie, die jüngste der Schwestern, kam mit einem Glas Orangensaft aus der Küche. „Wo ist er? Darf ich ihn treffen?“

„Er ist entschieden zu alt für dich“, erwiderte Maggie.

„Stimmt genau“, mischte sich ihr Vater ein. „Unsere Katie darf noch nicht mal an einen Mann denken, bevor sie nicht mindestens fünfundzwanzig ist. Also hat sie noch ein ganzes Jahr vor sich, bevor sie sich auch nur im Entferntesten mit dem Gedanken tragen sollte, sich ernsthaft auf jemanden einzulassen. Aber davon ganz abgesehen“, deutete er grinsend auf Maggie, „dieser Ryan gehört ihr.“

„Wohl kaum“, protestierte sie heftig. „Wir kennen uns doch gar nicht.“

„Aber der Kerl scheint dich immerhin so sehr zu interessieren, dass du uns an Thanksgiving alle nach Boston schleppen willst“, erwiderte ihr Vater.

„Dann seid ihr also einverstanden? Ihr kommt alle mit?“, fragte Maggie.

„Natürlich“, bestätigte ihr Vater. „Du wusstest doch, dass wir mitkommen würden.“ Er wandte sich an seine Frau. „Ist es in Ordnung, wenn wir dich für ein paar Stunden ohne Hilfe lassen?“

„Ich werde erleichtert sein, euch alle aus dem Weg zu haben“, erwiderte sie.

„Was ist mit den Kindern? Du kannst doch nicht gleichzeitig auch noch auf die Kleinen aufpassen“, wandte Maggies Vater ein und ließ seinen Blick über den Tisch schweifen. „Wer von euch bleibt hier und hilft aus?“

„Garrett O’Brien, an dem Tag, an dem ich nicht mehr auf drei kleine Kinder aufpassen kann, wird man mich ins Grab legen“, entgegnete Mrs O’Brien. „Unsere fünf kleinen Teufel habe ich doch auch fast ohne Hilfe großgezogen, nicht wahr?“

„Abgemacht“, verkündete Garrett O’Brien. „In einer Stunde fahren wir los. Wir werden zehn Personen sein. Das hast du doch versprochen, Maggie, nicht wahr?“

„Ja, Dad. Danke.“ Eindringlich musterte sie ihre Brüder. „Und wenn ihr Ryan Devaney begegnet, erwarte ich erstklassiges Benehmen von euch. Haben wir uns verstanden?“ Dann warf sie Katie einen warnenden Blick zu. „Und du denkst an das, was Dad zu dir gesagt hat.“

„Jetzt reicht’s, ihr Mädchen“, griff ihr Vater ein und stiftete wieder mal Frieden zwischen den beiden. „Thanksgiving soll ein glücklicher Tag für die Familie sein.“

„Und ich bin glücklich“, erklärte Maggie. „Über meine ganze Familie. Meine freche kleine Schwester natürlich nicht mitgezählt.“

Jetzt musste sie sich nicht nur Sorgen darüber machen, wie Ryan wohl reagierte, wenn sie im Obdachlosenheim auftauchte, sondern auch noch darüber, wer aus ihrer Familie sie wohl zuerst in Verlegenheit stürzte.

3. KAPITEL

Das Obdachlosenheim St. Mary’s lag nur ein paar Straßen von der Kirche entfernt. Als Maggie und ihre Familie dort ankamen, herrschte bereits ein geschäftiges Treiben. Pater Francis entdeckte sie sofort und begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln.

„Ryan erzählte schon, dass Sie heute Morgen vorbeischauen wollten. Vielen Dank, dass Sie einen Teil Ihres Feiertags für uns opfern. Das ist sehr großzügig von Ihnen.“ Er ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen, die mit ihr hereingekommen war, und strahlte über das ganze Gesicht. „Das muss Ihre Familie sein.“

Maggie stellte den Pfarrer ihrer Familie vor. Gleichzeitig schaute sie sich verstohlen um, ob sie Ryan irgendwo entdecken konnte.

„Ryan und Rory sind in der Küche“, erklärte der Pfarrer mit einem Grinsen. „Aber an Ihrer Stelle würde ich mich im Moment von dort fernhalten. Unser Rory ist ein kleiner Tyrann, und sein Zeitplan ist ziemlich knapp. Er duldet keine Störungen. Wahrscheinlich freuen sich die Frauen, wenn Sie beim Tischdecken helfen.“

Dann wandte er sich an Maggies Vater und an die Brüder. „Es wäre schön, wenn Sie dabei helfen könnten, die restlichen Tische und Stühle aufzustellen. Heute werden viele Leute zu uns kommen, also sollten wir uns beeilen. Die ersten Gäste werden schon mittags eintreffen, aber die letzten werden nicht vor drei Uhr wieder gehen.“

Maggie, Colleen und Katie machten sich mit den anderen Frauen an die Arbeit, obwohl Maggie unablässig nach Ryan Ausschau hielt.

„Wo steckt er denn?“, fragte Katie, als sie ihn nach über einer Stunde immer noch nicht zu Gesicht bekommen hatte.

„Du hast gehört, was der Pater gesagt hat“, gab Maggie zurück. „Er hilft in der Küche. Übrigens, wo ist Colleen?“

„Ich hab sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen“, sagte Katie. „Sie ist bestimmt in die Küche gegangen. Obwohl du eigentlich dort sein solltest. Fällt dir nicht irgendeine Entschuldigung ein, mit der du dich dort blicken lassen könntest? Wenn du es nicht machst, dann tue ich es.“

„Katie O’Brien, gar nichts wirst du tun“, protestierte Maggie. „Wir sind hergekommen, weil wir helfen wollen und nicht, um Ryan Devaney nachzustellen. Irgendwann wird er die Küche schon verlassen. Bis dahin kümmere ich mich gar nicht um ihn.“

„Mit Geduld wirst du dir keine Lorbeeren verdienen“, tadelte Katie. „Und ich glaube nicht, dass man jemals zu viel tun kann, wenn man sich einen Mann angeln will.“

„Ich will mir Ryan nicht angeln“, verteidigte Maggie sich. „Ich bin nur ein wenig neugierig auf ihn.“

Colleen kam gerade rechtzeitig, um ihre letzte Bemerkung aufzuschnappen. „Wir verbringen unseren Feiertag in einem Obdachlosenheim, um deine Neugier zu befriedigen?“, fragte sie zweifelnd. „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wir sind hier, weil du auf den Kerl scharf bist. Und weil ich gerade von der Küche komme und ihn dort gründlich unter die Lupe genommen habe, kann ich nur sagen – da wartet viel Arbeit auf dich, Maggie!“

„Du warst in der Küche?“, fragte Katie entsetzt. „Dann will ich ihn auch sehen.“

Maggie warf beiden Schwestern einen wütenden Blick zu. „Langsam bereue ich, dass ich euch mitgenommen habe.“

Just in diesem Augenblick schwang die Küchentür auf, und Ryan trat heraus. Er balancierte eine große Platte mit zerlegtem Truthahn. Ihm folgte ein mächtiger Mann, der ein Tablett mit Kartoffeln, verschiedenen Gemüsesorten und Soßen trug.

Ryans Haar war völlig verwuschelt. Sein blaues Hemd passte perfekt zu seinen blauen Augen, und die engen Jeans betonten seine schmalen Hüften. Maggies Mund wurde trocken, und sie konnte nicht länger behaupten, dass sie nur im St. Mary’s war, um ihre Neugierde zu befriedigen.

Langsam machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit, als er Maggie entdeckte. Aber dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf den Eingang des Heims. Die Leute warteten ungeduldig auf Einlass. Plötzlich wirkte er besorgt, und er sagte ein paar Worte zu dem Mann, der neben ihm stand und die lange Schlange ebenfalls beobachtete. Der Mann nickte und eilte zurück in die Küche.

Ryan ging in Maggies Richtung. Eilig riss sie sich von ihren Schwestern los und kam ihm entgegen. Womöglich hätten ihre Schwestern angefangen, ihm peinliche Fragen zu stellen.

„Sie wollen tatsächlich eine gute Tat vollbringen“, stellte er fest und fing ihren Blick auf. „Nicht jeder hält, was er verspricht.“

„Ich schon“, betonte sie. Sie hielt seinem Blick stand und wich nicht aus. „Eben haben Sie besorgt auf die Massen geschaut, die draußen warten. Gibt’s ein Problem?“

„Die Schlange ist länger, als ich angenommen hatte. Ich habe Rory gefragt, ob er meint, dass wir genug zu essen haben. Er vermutet zwar, dass es reicht, aber trotzdem geht er schnell zum Pub und holt noch einen Truthahn. Nur für alle Fälle.“ Ryan schaute sich um. „Was ist mit Ihrer Familie, Maggie? Haben Sie sie überredet, heute mitzukommen?“

„Meine Schwestern sind da drüben“, erklärte sie und bemerkte, dass Colleen und Katie sie unverwandt anstarrten. „Tut mir leid, dass wir so intensiv beobachtet werden. Übertriebene Neugier ist unsere Familienkrankheit.“

„Und Ihre Brüder? Sind die in der Nähe?“

„Unterwegs mit meinem Vater“, erwiderte sie. „Sie legen hier und dort Hand mit an. Pater Francis achtet schon darauf, dass sie nicht faul herumstehen.“

Ryan strahlte über das ganze Gesicht. „Passen Sie gut auf, dass Sie Pater Francis nicht in die Finger geraten“, warnte er. „Wenn Sie nicht vorsichtig sind, wird er dafür sorgen, dass Sie ihm einen Vollzeitvertrag unterschreiben, bevor der Tag vorbei ist. Wenn es um seine Schützlinge geht, ist er einfach hemmungslos.“

„Ich kann mir Schlimmeres vorstellen, als hier zu helfen“, meinte Maggie.

Ihre Antwort schien ihm irgendwie zu missfallen. Hastig murmelte er eine Entschuldigung und eilte zurück in die Küche. Verwundert starrte sie ihm nach.

Den Rest des Nachmittags bekam sie ihn nur noch gelegentlich zu Gesicht. Die meisten Gäste schien er gut zu kennen. Er scherzte mit den Männern, flirtete mit den Frauen und alberte mit den Kindern herum, aber trotzdem wirkte er irgendwie merkwürdig reserviert. Wann immer er Maggies Blick auffing, schaute er schnell zur Seite, als ob er fürchtete, dass sie seinen oberflächlichen Charme durchschauen könnte.

Sie beobachtete, wie Ryan einer schwangeren Frau und ihren zwei dunkelhaarigen Kindern ein Stück Kürbiskuchen servierte. Angestrengt bemühte sie sich, seinen undurchdringlichen Gesichtsausdruck zu deuten. Bestürzung und Mitleid mischten sich mit Sorge und Freundlichkeit. Er sprach zwar angeregt mit dieser Frau, aber Maggie hatte trotzdem das Gefühl, dass sein Blick sich innerlich auf etwas ganz anderes richtete.

Die Szene berührte sie so sehr, dass sie unter einem Vorwand in die Küche ging und nach mehreren Stücken Kürbiskuchen griff. Als sie wieder zurück war, hörte sie, wie Ryan der Frau ermutigende Worte zusprach. Es schien, als hätte er ihr einen Job versprochen, der ihr und ihrer Familie wieder auf die Beine helfen sollte. Ein paar Minuten später steckte er dem Ehemann ein bisschen Geld zu und wies ihn an, dafür zu sorgen, dass seine Frau einen Arzt aufsuchte.

„Kommen Sie morgen in den Pub“, sagte er zu dem Mann. „Dann werden wir Ihre Arbeitszeiten absprechen.“

Der Mann strahlte ihn an. „Gracias, Señor. Danke. Rosita und ich werden pünktlich sein. Wir können sehr hart arbeiten. Sie werden sehen. Sie werden es nie bereuen, uns diese Chance gegeben zu haben.“

Ryan seufzte auf, als der Mann wieder zu seiner Frau ging. Maggie trat hinter ihn.

„Das war sehr nett, was Sie da eben gemacht haben“, bemerkte sie anerkennend.

Erschrocken wirbelte er herum. Beinahe hätte er das Tablett fallen lassen, das er in den Händen hielt. „Woher kommen Sie denn so plötzlich?“

„Ich bin schon seit Stunden hier.“

„Sie wissen genau, was ich meine. Haben Sie mein Privatgespräch belauscht?“

„Nein, ich bringe nur Kürbiskuchen“, meinte sie unschuldig und deutete auf den Kuchen aus der Küche, den sie vor sich hertrug. „Ich kann nichts dafür, dass ich mit angehört habe, was Sie gerade gesagt haben. Stellen Sie die Leute ein?“

Er zuckte die Schultern, als ob das nichts zu bedeuten hätte. „Sie brauchen Arbeit. Und zu dieser Jahreszeit benötige ich immer ein paar Leute extra. Nicht der Rede wert.“

„Für die beiden schon.“ Aber sie wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Es bereitete ihm sichtlich Unbehagen. „Soweit ich weiß, sorgen Sie hier jedes Jahr für das Essen. Das ist sehr großzügig von Ihnen.“

„Ich besitze ein Restaurant. Und Rory kocht gern für Leute, die eine gute Mahlzeit zu schätzen wissen“, erwiderte er. „Warum nicht auch für einen guten Zweck?“

Wieder leugnete er seinen Anteil an der guten Tat. Seine Bescheidenheit sollte ihr eigentlich imponieren, aber stattdessen war sie irgendwie beunruhigt. „Warum können Sie keine Komplimente ertragen?“

„Vielleicht verdiene ich sie gar nicht“, entgegnete er. „Schließlich war ich nicht derjenige, der die ganze Nacht über am Herd gestanden, den Truthahn gebraten und Kürbiskuchenteig in die Formen gegossen hat. Rory hat dafür gesorgt, und er tut es, seit er für mich arbeitet.“

„Aber Sie haben wahrscheinlich die Zutaten bezahlt. Und Rorys Arbeitszeit“, konterte sie.

„Die Zutaten ja, aber nicht Rorys Arbeitszeit. Er weiß genauso gut wie ich, wie es ist, an Feiertagen allein zu sein. Wir versuchen, dafür zu sorgen, dass wenigstens ein paar Menschen das Gefühl gar nicht erst kennenlernen müssen.“

Eindringlich musterte sie ihn. „Seit wann machen Sie das schon?“

„Nicht, dass es Sie etwas angeht, aber ich mache das, seit ich den Pub eröffnet habe. Und jetzt genug davon“, erklärte er und schloss das Thema ab. „Pater Francis wird Ihnen und Ihrer Familie sicher sehr dankbar sein, dass Sie heute geholfen haben.“

„Es war …“ Sie suchte nach den passenden Worten. Natürlich freute sie sich über die Dankbarkeit der Menschen, aber was sie über Ryan Devaney in Erfahrung gebracht hatte, war ihr weitaus wichtiger gewesen. „Es war … eine Erleuchtung.“

Seine Augen wurden schmaler, als er ihren Kommentar hörte. „Schön, wenn wir ein wenig zu Ihrer Feiertagsunterhaltung beitragen konnten“, antwortete er mit einem scharfen Unterton in der Stimme. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen. Ich habe zu arbeiten.“

Als er an ihr vorbeieilte, griff Maggie nach seinem Arm. Sie spürte, wie seine Muskeln unter ihrer Berührung zusammenzuckten. „Sie wissen genau, dass ich nicht die Absicht habe, Sie zu beleidigen“, sagte sie ruhig. „Wer hat Ihnen das angetan? Wer ist dafür verantwortlich, dass Sie niemandem vertrauen können, der Ihnen über den Weg läuft?“

Ryan zögerte. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er immer noch wütend war. „Das ist eine lange Geschichte. Und heute haben wir ganz bestimmt keine Zeit dafür“, erklärte er schließlich mit fester Stimme.

Maggie ließ nicht locker. „Werden wir irgendwann dafür Zeit haben?“

Er begegnete ihrem Blick und hielt ihn gefangen. Eine Weile glaubte sie fest, dass er Nein sagen würde, aber dann seufzte er tief auf.

„Wahrscheinlich lassen Sie sowieso nicht locker“, meinte er.

Der resignierte Unterton in seiner Stimme ließ sie laut auflachen. „Ja, Ryan Devaney, darauf können Sie sich verlassen.“

Ryan war immer noch mürrisch, weil Rosita Gomez, die Köchin, die kaum Englisch sprach und von irischem Essen absolut keine Ahnung hatte, im siebten Monat schwanger war. Das hatte Pater Francis taktvoll unterschlagen, als er sie in Ryans Pub für den Job angepriesen hatte. Ryan konnte es kaum erwarten, Rorys Gesicht zu sehen, wenn er es erfuhr. Zum Glück war es ihm gestern im Heim gelungen, eine Begegnung zwischen den beiden zu verhindern. Aber lange würde es nicht mehr dauern. Rosita und ihr Mann waren zu zwei Uhr in den Pub bestellt worden, um den notwendigen Papierkram zu erledigen. Als es klopfte, nahm Ryan an, dass seine beiden neuen Angestellten vor der Tür stünden. Stattdessen sah er Maggie O’Brien vor sich. Vergeblich versuchte er, einen Seufzer zu unterdrücken.

„Sie schon wieder“, murmelte er.

„Ich hoffe, dass ich nicht ungelegen komme“, bemerkte sie fröhlich.

„Nein, ist schon okay“, erwiderte er und bemühte sich, seinen Widerwillen zu verbergen. „Bis zu meiner nächsten Verabredung sind es noch ein paar Minuten. Kommen Sie rein. Was treibt Sie heute nach Boston? Haben Sie wieder eine Autopanne draußen vor meinem Pub, weil Sie Ihren Wagen hoffnungslos überladen haben?“

„Nein. Meinem Bruder sei Dank, ich habe vier nagelneue Reifen. Matt hat den Wagen heute Morgen abgeholt und die ganze Zeit über gemeckert, wie unverantwortlich es von mir ist, mit Reifen in solch bemitleidenswertem Zustand zu fahren. Wahrscheinlich hat er sich sehr männlich und überlegen gefühlt. Und ich vermute, dass …“

„Ja, also …“, unterbrach Ryan.

„Fangen Sie nicht an zu streiten. Nicht, wenn ich mit Geschenken komme.“

Ryan musterte sie aufmerksam. „Mit Geschenken?“

„Ja, aber nicht für Sie. Meine Schwestern und ich haben eingekauft. Dabei haben wir ein paar Sachen entdeckt, die Rosita für sich und für ihr Baby gut gebrauchen könnte. Sie erwarten sie doch heute Nachmittag, nicht wahr? Gestern habe ich mit ihr gesprochen, kurz nach Ihnen. Und am Nachmittag habe ich mich länger mit ihr unterhalten. Ich weiß, dass sie nicht viel ins Heim mitgebracht hat. Warten Sie nur, bis Sie es gesehen haben.“

Maggie kramte in ihren Einkaufstüten herum und strahlte über das ganze Gesicht, als sie ein paar Babysachen herauszog. „Haben Sie schon mal so etwas Süßes gesehen? Hier, das hier, schauen Sie mal.“ Sie hielt ein blassgelbes Strickmützchen hoch. „Und das hier.“ Jetzt zeigte sie ihm einen Strampelanzug mit gestickten Enten auf dem Latz.

Schließlich hatte sie seinen ganzen Schreibtisch mit Babysachen bedeckt und setzte sich zufrieden hin. „Wie finden Sie das?“

„Ich finde Sie bezaubernd“, platzte Ryan heraus und bedauerte es sofort, als er das Lächeln in ihrem Gesicht bemerkte. „Ich wollte sagen, dass Rosita es ganz bestimmt bezaubernd findet. Warum haben Sie das gemacht? Sie müssen ein Vermögen dafür ausgegeben haben.“

„Alles aus dem Schlussverkauf“, erzählte sie. „Wir konnten einfach nicht widerstehen.“ Sie hielt eine weitere riesige Tüte hoch. „Außerdem haben wir für Rosita ein paar Umstandskleider besorgt. Sie sind neu, aber in einer Tasche im Wagen haben wir ein paar alte Umstandskleider von Colleen mitgebracht. Sie schwört, dass sie sie nie wieder brauchen wird, obwohl ich sicher bin, dass Daniel sie überreden wird, noch mindestens zwei Kinder zu bekommen. Er will eine große Familie. Schließlich war er Einzelkind.“

Ryans Gedanken wirbelten in seinem Kopf durcheinander. „Colleen ist die Schwester, die mich in der Küche beäugt hat?“

Maggie nickte.

„Und Daniel ist …“

„… ihr Ehemann.“

„War er gestern auch in St. Mary’s?“

„Ja, zusammen mit meinem Vater und meinen beiden Brüdern plus Katie, meiner jüngeren Schwester. Frannie, meine andere Schwester, lebt zu weit von uns entfernt, um an Thanksgiving nach Hause zu fahren, aber an Weihnachten wird sie hier sein. Sie können sich nicht vorstellen, was das dann für ein Chaos ist.“

Doch, das konnte er. Nachdem die Zwillinge geboren waren, waren im Haus der Devaneys fünf Kinder gewesen. An zwei Weihnachtsfesten. Irgendwie hatten seine Eltern zugesehen, dass Geschenke unter dem Weihnachtsbaum lagen, selbst wenn es sich um gebrauchtes Spielzeug aus dem Billigladen in der Nachbarschaft gehandelt hatte. Von dem Augenblick an, an dem er und seine Brüder die Treppe hinuntergestiegen waren, um zu sehen, ob der Weihnachtsmann sie schon besucht hatte, war das Haus mit Lachen und fröhlichem Lärm erfüllt gewesen.

„Ryan?“, fragte Maggie sanft und schaute ihn besorgt an. „Irgendwas nicht in Ordnung?“

„Nein“, sagte er mit fester Stimme. „Alles okay. Warum warten Sie nicht einfach einen Moment auf Rosita? Dann können Sie ihr die Sachen persönlich geben. Sie müsste jeden Augenblick hier sein.“

Maggie schüttelte den Kopf. „Ich möchte sie nicht in Verlegenheit bringen.“

„Ich bin sicher, dass sie sich bei Ihnen bedanken will.“

„Ein anderes Mal. Ich sollte verschwinden, bevor sie eintrifft“, beharrte Maggie und eilte zur Tür hinaus, bevor er widersprechen konnte.

Ryan hatte das Gefühl, das längste Wochenende seines Lebens zu verbringen. Jedes Mal, wenn sich die Tür des Pubs öffnete, wanderte sein Blick zur Tür, weil er hoffte, dass Maggie mit einem eisigen Windstoß hereingeweht kam. Eigentlich war er überzeugt, dass Pater Francis und Rory nichts davon bemerkt haben konnten, aber sie blieben seltsam still.

Am Montag war der Pub geschlossen. Das war der Tag, an dem Ryan normalerweise liegen gebliebene Besorgungen erledigte und den Papierkram nachholte. Aber heute konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Es war nachmittags um halb fünf, als er verärgert aufgab und sich zu einem flotten Spaziergang entschloss, um seinen Kopf ein wenig zu lüften. Vielleicht würde es ihm dann endlich gelingen, sich die Fantasien von Maggie aus dem Kopf zu schlagen.

Stattdessen stieß er geradewegs mit ihr zusammen, als er die Tür öffnete. Er starrte sie an wie ein unbeholfener Teenager. „Maggie, was machen Sie denn hier?“

Sie schluckte schwer und trat einen Schritt zurück. „Ich wollte auf einen Kaffee vorbeikommen. Mir ist kalt.“

„Der Pub ist heute geschlossen“, erklärte Ryan und deutete auf das geschnitzte Holzschild, das neben der Tür angebracht war. Klar und deutlich stand darauf zu lesen, dass der Pub montags geschlossen hatte. „Aber ich hätte nichts dagegen, selbst einen Kaffee zu trinken. Eigentlich wollte ich einen Spaziergang machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber Kaffee ist genauso gut.“

Sie strahlte ihn an. „Also, wenn Sie wirklich meinen …“

Ryan war sich gar nicht so sicher, was er wirklich meinen sollte, wenn sie ihn so anstrahlte. „Kommen Sie schon rein“, forderte er sie schließlich auf. „Bevor es hier drinnen genauso kalt wird wie draußen.“

Als sie eingetreten war, schloss er die Tür, schob den Riegel vor und stellte sich hinter die Bar. Er bildete sich ein, dass er sich dann sicherer fühlte. Wahrscheinlich würde es verhindern, dass er nach ihr griff und sie küsste, bis ihre Wangen glühten. Und das ganz gewiss nicht von der eiskalten Luft.

Schließlich hatte er eine Kanne Kaffee gekocht, zwei Tassen gefüllt, ihr eine gegeben und selbst einen Schluck genommen.

„Wollen Sie hinter der Bar stehen bleiben?“, fragte Maggie. „Vielleicht können Sie sich neben mich setzen? Oder wir setzen uns in eine der Nischen?“

„Mir geht’s hier ganz gut“, gab er zurück. „Ich bin es gewohnt, hier zu stehen.“

„Und wir wollen Sie doch keinesfalls aus Ihrer Kuschelecke herauslocken“, erwiderte sie. Unverhohlener Spott glitzerte in ihren Augen.

Verärgert schaute er sie an. „Es hat schon seine Gründe, warum Menschen Kuschelecken haben“, entgegnete er. „Warum sie zerstören?“

„Man nennt es ‚leben‘“, erklärte sie und klopfte mit der Handfläche auf den Barhocker neben sich. „Versuchen Sie es, Ryan. Gehen Sie das Risiko ein. Und die gemütliche Nische heben wir uns für ein anderes Mal auf.“

Seufzend gab er auf und fügte sich ihrer Aufforderung. Aber er setzte sich nicht direkt neben sie, sondern ließ einen Barhocker zwischen sich und ihr frei. Sie musste sich ein Grinsen verkneifen.

„Maggie, warum sind Sie zu mir gekommen? Schließlich ist das hier nicht der einzige Pub in der Stadt, wo Sie einen Kaffee bekommen können.“

„Aber es ist der einzige Pub, dessen Besitzer ich kenne“, konterte sie. „Übrigens, Sie sind der Besitzer, und es ist Ihr freier Tag, was also machen Sie hier?“

„Ich arbeite ein paar Sachen auf, die liegen geblieben sind“, antwortete er ausweichend.

„Haben Sie kein Hobby?“, fragte sie weiter. „Irgendetwas, was Sie entspannt?“

Unkomplizierter Sex entspannt mich, dachte Ryan unwillkürlich, aber er zweifelte ernsthaft daran, dass sie seine Antwort hören wollte. Und heute war Sex gewiss das Letzte, was ihm im Kopf herumgegangen war. Nein, das stimmt nicht ganz, korrigierte er sich selbst. Sex mit Maggie hatte er sich die ganze Zeit nicht aus dem Kopf schlagen können, und er war zu dem Schluss gekommen, dass es eine sehr, sehr schlechte Idee war.

Trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, unverhohlen seinen Blick über ihren Körper schweifen zu lassen. Ihre Wangen färbten sich rot.

„Nein, das meinen Sie nicht ernst“, erwiderte sie. Offensichtlich hatte sie auf Anhieb begriffen.

„Zu dumm“, spottete er. „Zufällig weiß ich genau, dass mich das sogar sehr entspannt.“

Sie fing seinen Blick auf. „Vielleicht ein andermal.“ Sie gab sich alle Mühe, möglichst prüde und verklemmt zu klingen.

Ryan verschluckte sich heftig an seinem Kaffee. „Was haben Sie gerade gesagt?“ Er unterbrach sie, als sie antworten wollte. „Schon gut. Lassen Sie uns das Thema gar nicht erst anschneiden.“

Jetzt war es an ihr, ihn mit einem wissenden Blick zu bedenken. „Ach ja? Wie kommt das?“

„Maggie, was wollen Sie von mir?“ Mühsam versuchte er, seine Verzweiflung und seine Hilflosigkeit zu verbergen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher“, sagte sie.

„Dann spielen Sie ein riskantes Spiel“, warnte er sie.

„Ich weiß“, stimmte sie zu und schaute ihn an. „Aber es sieht ganz so aus, als könnte ich mich selbst nicht bremsen. Ich fühle mich einfach angezogen von diesem Ort. Irgendwas fesselt mich an diesem Pub … und an Ihnen …“ Ihre Stimme geriet ins Stocken, und sie zuckte die Schultern. „Ich kann es nicht erklären.“

Sie schwiegen beide und schauten einander in die Augen. Schließlich seufzte Maggie auf und schaute weg.

„Darf ich Sie was fragen?“, meinte sie nach einer Weile beiläufig und schaute immer noch zur Seite.

„Sicher.“

„Pater Francis hat mir erzählt, dass Sie nicht an die Liebe glauben. Warum nicht?“

Ryan antwortete nicht. „Ich nehme an, dass Sie an die Liebe glauben. Warum?“, stellte er stattdessen eine Gegenfrage.

„Weil ich sie jeden Tag beobachten kann. Zwischen meinen Eltern. Ich spüre ihre Liebe jeden Tag, seit ich geboren bin. Ich beobachte sie bei meinen Brüdern und ihren Ehefrauen, zwischen Colleen und ihrem Mann. Es gibt nichts, was sie nicht füreinander und für ihre Familien tun würden.“

Ryan hörte zu und versuchte, seine Zweifel zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht. „Sind Sie selbst schon der Liebe begegnet?“, fragte er schließlich.

„Nein. Aber ich weiß, dass sie existiert, weil ich sie spüre, sobald ich mit meiner Familie zusammen bin. Sie ist in ihrem Lachen, in der Art, wie sie einander anschauen, wie sie einander berühren. Wie können Sie sie ignorieren, wenn sie genau vor Ihren Augen ist?“

„Nein“, widersprach er ruhig. „Sie ist vor Ihren Augen. Ich habe sie noch nie gesehen.“ Er verspürte nicht die geringste Lust, noch länger mit ihr über die Liebe zu diskutieren. Abrupt stand er auf. „Ich mache mich jetzt besser an meine Arbeit.“

Maggie sah zuerst aus, als wollte sie mit ihm streiten, aber dann stellte sie ihre Kaffeetasse ab und griff nach ihrem Mantel. „Danke für den Kaffee.“

„Kein Problem.“ Er stopfte die Hände in die Taschen, während er sie zur Tür begleitete.

Sie öffnete die Tür, zögerte dann aber. „Ich werde wiederkommen. Es sei denn, Sie sagen mir, dass ich wegbleiben soll“, erklärte sie herausfordernd und ließ ihren Blick keine Sekunde von ihm.

„Meinetwegen“, murmelte er, als ob seine Antwort völlig belanglos sei.

Ihre Mundwinkel glitten nach oben. „Darf ich das als Einladung verstehen?“ Bevor er begriff, was sie vorhatte, hatte sie sich auch schon auf die Zehenspitzen gestellt und presste ihre Lippen auf seine Wange.

„Bis bald“, verabschiedete sie sich fröhlich und war die Straße hinuntergeeilt, bevor er seine Gedanken ordnen konnte.

Ryan starrte in den dunklen Abend hinaus, um wenigstens noch einen Blick von ihr zu erhaschen, aber sie war verschwunden.

Langsam hasste Maggie das stumme Telefon im Hause ihrer Eltern. Es schwieg hartnäckig. Offenbar hatte Ryan ihren Wink nicht begriffen. Sie hatte sich ihm förmlich an den Hals geworfen, aber er hielt immer noch dieselbe geradezu unnahbare Distanz zu ihr. Ohne ihre ausgeprägte Selbstsicherheit hätte sie das sicher als demütigend empfunden.

„Was grübelst du vor dich hin?“, fragte ihre Mutter, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich zu Maggie an den Küchentisch. „Soll ich überhaupt fragen? Es geht um Ryan, nicht wahr?“

„Ich weiß, dass es lächerlich klingt“, sagte Maggie. „Ich kenne den Mann doch kaum, aber trotzdem muss ich die ganze Zeit an ihn denken. Er wirkt so einsam und verlassen.“

Ihre Mutter lächelte. „Zwei Dinge, die eine Frau immer faszinieren. Wann willst du endlich aktiv werden?“

„Wie denn zum Beispiel?“

„Ihn zum Abendessen einladen zum Beispiel.“

„Hierher?“, fragte Maggie bestürzt. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie ihre Eltern den so zurückhaltenden Ryan ausfragten. „Ich glaube nicht, dass Ryan eine Einladung akzeptieren würde. Offen gesagt, ich habe den Eindruck, dass er sich unwohl fühlt, wenn irgendetwas normal ist. Mir scheint, er fühlt sich nur auf seinem eigenen Terrain richtig wohl.“

„Du meinst im Pub“, vermutete ihre Mutter. „Dann sollten wir ihn besuchen. Ich möchte diesen jungen Mann, den du dir ausgesucht hast, gern wiedersehen. Wie wär’s mit heute Abend? Dein Vater sollte eigentlich früh nach Hause kommen, weil Freitag ist. Wir müssen morgen nicht arbeiten. Außerdem ist es schon ewig lange her, seit wir einen Abend in Boston verbracht haben.“

Die Aussicht darauf, mit Nell und Garrett O’Brien das Ryan’s Place zu besuchen, verursachte Maggie reichlich Unbehagen. „Bist du sicher, dass es der richtige Weg ist?“, hakte Maggie nach.

„Natürlich. Ein großartiger Anlass, einen Abend mit meinem Mann auszugehen. Hast du nicht gesagt, dass am Wochenende immer eine irische Band im Pub spielt? Das wäre wundervoll.“ Sie hielt kurz inne. „Vorausgesetzt, wir können deinen Vater vom Mikrofon fernhalten“, ergänzte sie rasch.

Maggie grinste. Die Sangesleidenschaft ihres Vaters war legendär. Traurigerweise konnte er keinen Ton halten, aber das störte ihn nicht im Geringsten.

„Es ist deine Aufgabe, Dad von der Bühne fernzuhalten“, erklärte sie ihrer Mutter. „Ich kann es mir nicht leisten, dass Ryan uns hochkant rausschmeißt.“

Ihre Mutter kicherte. „Ja, das würde deine Pläne ziemlich über den Haufen werfen, nicht wahr?“

4. KAPITEL

Pater Francis hatte Ryan angerufen. Seine Stimme hatte verzweifelt geklungen, und deshalb war Ryan zu ihm ins Obdachlosenasyl geeilt. Der Pfarrer war gerade dabei, eine kräftige afroamerikanische Frau zu beruhigen, die sich an einen weinenden Jungen klammerte, der ungefähr zehn Jahre alt war. Als er näher kam, entdeckte er, dass der Junge irgendein gesundheitliches Problem haben musste. Seine Gesichtsfarbe war blass und der Blick stumpf.

Als Pater Francis Ryan entdeckte, drückte er der Frau beruhigend die Hand und ging zu ihm hinüber.

„Was ist los?“, wollte Ryan wissen.

„Die arme Frau ist außer sich“, begann Pater Francis. „Und wer soll ihr das vorwerfen? Vor ein paar Wochen haben die Ärzte ihr mitgeteilt, dass ihr Sohn einen angeborenen Herzfehler hat. Wahrscheinlich hat er ihn von seinem Vater geerbt. Offensichtlich waren die Neuigkeiten so erschütternd für den Vater, dass er seinen Job gekündigt hat und abgehauen ist. Er hat Frau und Sohn ohne Einkommen und ohne Versicherung zurückgelassen.“

Ryan spürte, wie sich sein Magen vor Wut zusammenkrampfte. Wie konnte der Mann seiner Familie nur so etwas antun? „Wahrscheinlich möchtest du, dass ich dir Geld für die Operation gebe“, vermutete er. „Ich werde mich morgen darum kümmern. Aber das hättest du mir auch heute Abend im Pub erzählen können. Warum sollte ich unbedingt herkommen?“

„Der Junge braucht seinen Vater“, sagte der Pfarrer. „Er kann eine so riskante Operation nicht überstehen, solange er glaubt, dass sein Vater ihn im Stich gelassen hat. Du hast zwar noch nie mit schweren Krankheiten zu tun gehabt, aber ich bin sicher, dass du dir vorstellen kannst, wie er sich fühlt.“

Unglücklicherweise wusste Ryan das ganz genau. „Du kannst nicht erwarten, dass ich seinen Vater suche.“

„Doch. Genau das erwarte ich.“ Pater Francis schaute ihn unverwandt an. „Und weil das nicht von heute auf morgen erledigt sein wird, möchte ich, dass du seine Stelle vertrittst und dem Jungen ein Freund bist.“

Es fiel Ryan nicht schwer, finanzielle Hilfe anzubieten. Er hätte sogar einen Privatdetektiv angeheuert, der eine Suche nach dem Vater einleitete, aber es kam überhaupt nicht infrage, sich emotional auf den Jungen einzulassen. „Warum wirst du nicht der Freund des Jungen?“, fragte er unwirsch.

„Ich bin Pfarrer, und ich bin ein alter Mann. Es wäre etwas völlig anderes“, beharrte Pater Francis. „Komm schon. Triff dich mit dem Jungen und seiner Mutter. Du musst mit ihnen reden, sonst weißt du nicht, wonach du suchen sollst.“

„Du meinst wohl, dass ich das einfach so bewältigen kann“, murmelte Ryan in sich hinein. Langsam ärgerte er sich darüber, dass er dauernd den überzogenen Erwartungen des Pfarrers genügen sollte. Trotzdem folgte er ihm pflichtbewusst. Ängstlich beobachtete die Frau, dass die beiden Männer sich ihr näherten.

„Letitia Monroe, darf ich Ihnen Ryan Devaney vorstellen. Er ist gekommen, um Ihnen zu helfen.“ Pater Francis tätschelte dem Jungen die Hand. „Und das hier ist Lamar.“

Ryan nickte der Mutter zu und schüttelte dem Jungen zur Begrüßung die kalte Hand. „Nett, dich kennenzulernen, Lamar. Angenehm, Mrs Monroe.“

„Können Sie uns helfen, meinen Mann wiederzufinden?“, fragte sie hoffnungsvoll. Ihre Wangen waren noch immer feucht von den Tränen.

„Mal sehen, was sich machen lässt“, versprach Ryan. „Ich habe ein paar Freunde, die großartig darin sind, verschwundene Leute aufzuspüren.“

Seine Worte schienen sie in Panik zu versetzen. „Keine Polizei“, flehte sie ihn an.

„Nein, nein, keine Polizei“, versicherte er und sprach einige Minuten mit Mrs Monroe. Schließlich glaubte er, genügend Informationen beisammen zu haben, um sie dem Privatdetektiv weiterzugeben, der fast jeden Abend auf dem Weg nach Hause bei ihm im Pub vorbeischaute.

„Glauben Sie wirklich, dass Sie ihn finden können?“, fragte Mrs Monroe. „Für Lamar würde eine Welt zusammenbrechen, wenn sein Vater nicht an seiner Seite ist, wenn er unters Messer kommt.“

„Und für Sie auch“, vermutete Ryan.

„Für mich?“, stieß sie hervor. „Mir ist es vollkommen egal, ob er mir jemals wieder unter die Augen kommt. Was ist das für ein Mann, der seine Familie beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten verlässt?“

Ryan konnte zwar auch keine Gründe nennen, die den Mann entschuldigen würden, aber er versuchte es trotzdem. „Pater Francis meinte, dass Lamars Krankheit erblich bedingt sein könnte. Vielleicht fühlt Ihr Mann sich einfach schuldig. Wenn ich in seiner Lage wäre, hätte ich mit einem ganzen Wust von Gefühlen zu kämpfen.“

Sein Gedanke schien sie zu erschrecken. Dann nickte sie langsam. „Ich werde darüber nachdenken. Und ich bin Ihnen dankbar für alles, was Sie für uns tun.“

„Hoffentlich kann ich Ihnen in ein oder zwei Tagen schon irgendwelche Nachrichten bringen. In der Zwischenzeit arrangiere ich alles für Lamars Operation. Das Krankenhaus wird Ihnen keine Probleme machen.“

Sie lächelte erleichtert. „Mr Devaney, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.“

„Keine Ursache“, meinte er und warf dem Jungen einen Blick zu. Er schien sich gerade prächtig mit Pater Francis zu amüsieren. „Hauptsache, Lamar kommt schnell wieder auf die Beine. Ich werde mal sehen, ob ich ihn zum Football mitnehme.“

Ehe er sich’s versah, umarmte die Frau ihn stürmisch.

„Jeden Abend werde ich Sie in mein Gebet einschließen“, versicherte sie ihm.

„Ich würde den Gefallen gern erwidern, aber ich glaube, Sie fahren besser, wenn ich Pater Francis die Ehre überlasse“, erwiderte Ryan trocken. „Und jetzt muss ich zurück an meine Arbeit. Wir bleiben in Kontakt. Sie können sich darauf verlassen.“

Ryan stahl sich davon, bevor Pater Ryan ihn mit einer weiteren Mission betrauen konnte. Draußen begann Ryan plötzlich zu zittern. Es lag jedoch weniger an der Kälte als daran, dass er unwillkürlich an die Monroes denken musste. Er dachte immer noch an sie, als er an die Bar trat. Maureen hatte ihn während seiner Abwesenheit vertreten.

„Alles okay?“, fragte sie ihn besorgt.

„Ja, es wird schon wieder“, erwiderte er entschlossen. „Ist Jack Reilly heute Nacht schon hier gewesen?“

„Hab ihn noch nicht gesehen“, sagte sie. „Aber in der Nische neben der Bühne ist noch ein bekanntes Gesicht.“

„Oh“, stieß er hervor. In der Nische saß Maggie mit ihren Eltern. Sie hatten sich das Fish-and-Chips-Special aus der Abendkarte bestellt und tranken ein Bier dazu. Er schaute Maureen an. „Kannst du mich noch ein paar Minuten vertreten?“

„Natürlich“, versicherte sie.

Er durchquerte den Pub und hielt beim Tisch der O’Briens an. „Guten Abend. Willkommen im Ryan’s Place“, sagte er und ließ seinen Blick von Nell O’Brien zu ihrem Mann schweifen. Schließlich nickte er Maggie zu.

„Ryan, Ihr Pub gefällt mir ausgezeichnet“, sagte Nell begeistert. „Er erinnert mich an den Pub in Dublin, den Garrett und ich während der Flitterwochen besucht haben.“

The Swan“, fügte Garrett hinzu und warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. „Ich vermute, dass wir einer der Nächte dort unseren ersten Sohn zu verdanken haben.“

Nell errötete. „Garrett O’Brien. Wie kannst du so etwas sagen, noch dazu vor einem Fremden.“

„Ryan ist kein Fremder. Er ist ein Freund von Maggie. Stimmt’s, Maggie, mein Mädchen?“

Maggie grinste ihren Vater an. „Vielleicht zieht er es trotzdem vor, nicht in alle Details von Johns Empfängnis eingeweiht zu werden“, erwiderte sie verlegen.

Ryan lachte auf. „Zugegeben, ich bin fasziniert.“ Es gefiel ihm, dass Maggie rot geworden war. „Und Maggies Empfängnis? Gibt es da auch eine Geschichte zu erzählen?“

Garrett O’Brien wollte gerade den Mund aufmachen, als ihm ein „Autsch“ entfuhr. Offensichtlich hatte Maggie ihn am Schienbein getroffen. „Entschuldigen Sie, mein Freund. Man hat mich überzeugt, dass es besser wäre zu schweigen. Sogar in unserer geschwätzigen Zeit gibt es Dinge, die man besser für sich behält.“

Ryan wandte sich an Maggie. „Mir scheint, ich muss Ihnen auf die Pelle rücken, damit Sie mir alles erzählen“, sagte er. „Aber jetzt sollte ich besser zusehen, dass ich mich hinter den Tresen stelle. Sonst macht Maureen einen Aufstand.“

„Kommen Sie wieder zu uns, wenn Sie ein paar Minuten Zeit erübrigen können“, lud Nell ihn ein.

„Gern“, versprach Ryan und warf Maggie einen sehnsüchtigen Blick zu, bevor er zum Tresen ging und angestrengt versuchte, sie aus seinen Gedanken zu verbannen.

Es gelang ihm nicht, sein Versprechen einzulösen. Stattdessen wurde es eine unglaublich lange Nacht. Wegen der beliebten Bands war es freitags immer voll, aber heute war es weit schlimmer als sonst. Es nützte wenig, dass sein neuer Kellner sich angestrengt bemühte, die ungewohnten Bestellungen entgegenzunehmen, aber Ryan musste immerhin zugeben, dass Juan sich sehr bemühte. Trotzdem hatte Maureen mehr Tabletts zu stemmen, als man es ihr eigentlich zumuten konnte. Außerdem hielt Ryan Ausschau nach Jack Reilly, der ihm helfen sollte, Lamars Vater aufzuspüren.

Plötzlich stand Maggie neben ihm. „Sieht ganz so aus, als könnten Sie ein paar Hände mehr hinter dem Tresen gut gebrauchen“, meinte sie und band sich schon eine Schürze um.

„Was machen Sie da?“

„Ich springe ein“, erwiderte sie und lächelte einen Gast freundlich an, der eben erst hereingekommen war. Sie nahm die Bestellung des Mannes auf und stellte ein Glas Bier vor ihn hin, bevor Ryan auch nur etwas erwidern konnte. Als sie zurückkam, lächelte sie zufrieden. „Irgendwelche Beschwerden?“

Unwohlsein gegen Pragmatismus. Ryan wog ab. Sein Pragmatismus gewann. „Nicht im Geringsten“, erwiderte er. „Ich kann Hilfe gut gebrauchen.“

Jetzt erst bemerkte er, dass ihre Eltern zur Tür eilten. Sie winkten ihm fröhlich zu, als sie den Pub verließen. Er wandte sich Maggie zu und musterte sie eindringlich. „War das nicht Ihre Heimfahrt, die da gerade zur Tür hinausspaziert ist?“

Sie grinste ihn an. „Wenn ich Pech habe“, erwiderte sie gelassen und verschwand, um die nächste Bestellung aufzunehmen.

„Was soll das heißen?“, wollte er wissen, als sie wieder zurück war.

„Das soll heißen, dass Sie mir jetzt einen Gefallen schulden“, antwortete sie. „Eine freiwillige Kellnerin darf wohl erwarten, dass Sie nach Hause gefahren wird, oder?“

Ryan schüttelte den Kopf, als ihm klar wurde, dass er gerade in eine üble Falle getappt war. „Wahrscheinlich schon. Ich werde Rory bitten.“

Ihr Lächeln verschwand, als sie seinen Vorschlag hörte. Ryan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Damit haben Sie nicht gerechnet, stimmt’s?“

Sie fing seinen Blick auf und schaute ihn ruhig an. „Nein, ganz bestimmt nicht.“

„Dann werde ich wohl die Aufgabe übernehmen müssen. Und wenn es nur darum geht, dass ich herausfinde, was genau Sie im Schilde führen.“

„Sie werden nicht enttäuscht sein“, versprach sie und warf ihm einen Blick zu, der sein Blut in Wallung brachte.

Und die Abwehrmechanismen, an denen er sein Leben lang hart gearbeitet hatte, brachen endgültig in sich zusammen.

Es war nach Mitternacht. Der letzte Gast war vor zwanzig Minuten gegangen, aber wenn sie sich nicht täuschte, war Ryan immer noch dabei, die Einnahmen in das Rechnungsbuch einzutragen. Maggie saß in der Nische auf der Bank und rieb sich die schmerzenden Füße. Es lag lange zurück, dass sie als Kellnerin gejobbt hatte. Sie hatte vollkommen vergessen, wie anstrengend das sein konnte.

Maggie ließ ihren Blick durch den Pub schweifen und bemerkte, dass Ryan ins Büro verschwunden war. Vielleicht würde es ihr gelingen, ihn ein wenig zur Eile anzutreiben, wenn sie zu ihm ging und eine bemitleidenswerte Miene aufsetzte. So wie sie sich fühlte, würde ihr das nicht schwerfallen.

Stöhnend stand sie auf. Sie trug nur ihre Strümpfe, nahm die Schuhe, die Handtasche und den Mantel in die Hand und ging zu ihm hinüber. Ryan saß am Schreibtisch und notierte die Zahlen in ein Rechnungsbuch.

„Ich bin gleich fertig“, bemerkte er, ohne aufzuschauen. „Ich möchte nur noch die Tageseinnahmen eintragen, dann kann ich morgen bei null anfangen.“

„Sie machen Ihre Buchhaltung noch auf Papier?“, fragte sie und starrte überrascht auf das unhandliche Buch. Tatsächlich entdeckte sie in dem kleinen Raum keinen Computer. „Warum haben Sie denn keinen PC? Es kostet Sie weniger Zeit, und wenn Sie die Steuererklärung machen müssen, haben Sie mit einem Klick alles zur Hand, was Sie brauchen.“

„Es funktioniert auch so“, erwiderte er kurz angebunden.

„Aber …“

Er blickte auf und grinste sie an. „In Ihrer Freizeit verkaufen Sie wohl Computer, was?“

„Nein, aber ich kenne mich ein bisschen mit der Sache aus. Ich könnte Ihnen in kürzester Zeit ein System aufstellen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Sie eine elektronische Lagerverwaltung brauchen.“

„Maggie, ich brauche kein Computersystem. Ich habe ein eigenes System“, erklärte er ruhig, aber nachdrücklich. „Hier bleibt alles beim Alten.“

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte sie unbekümmert.

„Maggie!“

„Keine Sorge“, beruhigte sie ihn. „Ich setze mich hier in die Ecke und bin mucksmäuschenstill, während Sie Ihre Arbeit zu Ende bringen. Sie werden noch nicht mal bemerken, dass ich hier bin.“

„Das bezweifle ich“, murmelte er.

Maggie machte es sich in einem Sessel in der Ecke seines Büros bequem und zog die Knie gegen den Oberkörper. Zwei Minuten später war sie eingeschlafen.

Nachdem Ryan seine Arbeit beendet hatte, schaute er sich um und fand sie schlafend in seinem bequemen Sessel. Irgendwann am Abend hatte sie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aber jetzt hatten sich ein paar Locken auf ihre Wangen gekringelt. Ihr dunkelgrünes Sweatshirt war verrutscht und gab einen verführerischen, cremefarbenen Hautstreifen frei. Der Anblick ließ sein Herz schneller schlagen. Wenn er doch nur mit dem Finger über diesen zarten Hautstreifen hätte streichen dürfen! Wenn er doch nur mit seiner Hand unter das Sweatshirt hätte fahren dürfen, um ihre sanft gerundeten Brüste zu umfassen … Sein Mund wurde ganz trocken bei diesem Gedanken.

Er schluckte schwer. Irgendwie musste er sie unbeschadet nach Hause bringen, bevor er sich von seinem Impuls hinreißen ließ und eine Riesendummheit beging.

Ryan ging zu ihr hin und hockte sich neben den Sessel. Obwohl er sich alle Mühe gab, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, eine widerspenstige Locke von ihrer Wange zu streichen.

„Maggie?“, flüsterte er. Seine Stimme klang plötzlich heiser. „Es wird Zeit, dass Sie aufwachen.“

Sie gähnte und bewegte sich ein bisschen, aber sie hielt die Augen weiter geschlossen. Ryan unterdrückte ein Stöhnen, als ihm der Gedanke durch den Kopf schoss, wie es wohl wäre, wenn sie sich wohlig in seinem Bett rekelte. Die Vorstellung von verrutschten Bettlaken auf ihren langen, nackten Beinen verfolgte ihn …

„Maggie“, wiederholte er und ließ seine Stimme ein wenig eindringlicher klingen. „Zeit, nach Hause zu fahren.“

Sie gähnte wieder. Rekelte sich erneut. Dann endlich schlug sie die Augen auf und seufzte. Ein Lächeln flog ihr über das Gesicht. „Na?“, grüßte sie sanft.

„Hey, Schlafmütze.“

„Wahrscheinlich bin ich eingeschlafen. Wie spät ist es denn?“

„Nach eins. Höchste Zeit, Sie nach Hause zu bringen.“

Sie hielt seinen Blick gefangen. „Ich könnte auch hier bleiben. Dann sparen Sie sich die Fahrt.“

Abrupt sprang Ryan auf und trat so ungestüm zurück, dass er beinahe über seine eigenen Füße gestolpert wäre. „Keine gute Idee.“

Seine Reaktion schien sie zu amüsieren. „Bestimmt haben Sie ein Sofa, auf dem ich schlafen könnte“, vermutete sie und setzte ihre Unschuldsmiene auf. „Übrigens, wo wohnen Sie eigentlich?“

„Im Obergeschoss.“

„Na, das ist doch viel praktischer, als den weiten Weg zu mir nach Hause zu fahren.“

„Ja, vielleicht, aber meine innere Stimme sagt mir, dass ich mich nicht mit Ihren Brüdern oder Ihrem Vater anlegen möchte. Wahrscheinlich fänden die es etwas frühreif, dass Sie jetzt schon bei mir übernachten.“

„Also frühreif, nicht ausgeschlossen?“

„Maggie.“ Das klang halb nach einem Protest, halb nach einer Bitte.

„Ich möchte nur, dass absolut klar ist, wie die Dinge zwischen uns stehen“, verlangte sie.

„Und ich werde mich glücklich schätzen, es Ihnen mitzuteilen, wenn ich es genau weiß“, entgegnete Ryan.

„Sie glauben wohl, dass Sie der Einzige sind, der hier etwas zu melden hat“, warf sie ihm vor. „Falsch, Devaney. Schließlich bin ich Teil der Rechnung, die Sie da aufmachen.“

„Haben Sie mir nicht erzählt, dass Ihr Leben im Moment ein wenig durcheinander ist?“, fragte er. „Machen Sie es sich nicht dadurch noch komplizierter, dass Sie sich mit mir einlassen.“

Leichtfüßig stand sie auf und ging auf ihn zu, bis sie ihre Hand an seine Wange legen konnte. Ihre Berührung erregte ihn bis in die Zehenspitzen hinein.

„Und wenn ich mich aber mit Ihnen einlassen will?“

„Warum sollten Sie das wollen? Ich bin ziemlich kompliziert, Maggie. Ich schätze es gar nicht, wenn fremde Leute sich in mein Leben einmischen. Und ich bin gern allein. Mein Leben gefällt mir so, wie es ist.“

Sie lachte laut auf. „Wenn Sie mir damit Angst einjagen wollen, haben Sie sich aber geschnitten. Das macht das Spiel nur noch interessanter.“

„Es ist also ein Spiel für Sie? Wenn Sie das ernst meinen, dann haben wir uns vielleicht wirklich was zu sagen. Aber wenn es mehr ist …“ Er unterbrach sich und sah sie eindringlich an. „… dann bin ich der falsche Mann für Sie.“

Keine Sekunde wich sie seinem Blick aus. „Das werden wir mit der Zeit schon feststellen, nicht wahr?“

Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit ihren Lippen über seine. Er spürte einen flüchtigen Hauch von sanfter Hitze, der viel versprach. Viel zu viel.

Bevor Ryan sich beherrschen konnte, zog er sie zu sich heran, um sie noch ein zweites Mal zu küssen. Dieses Mal wurde es ein tiefer und verlangender Kuss. Nur undeutlich nahm er ihre seidenweichen Lippen unter dem schwachen Geschmack von Kaffee und dem Duft ihres schweren Parfums wahr. Was seine Aufmerksamkeit wirklich in Anspruch nahm, war der Blitz, der durch ihn hindurchschoss. Die heiße Flamme, die plötzlich in ihm aufloderte und seine Leidenschaft entfachte. Er verlangte nach mehr – und er brauchte mehr. Ihr sanfter und biegsamer Körper schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihn. Sie war verführerischer und gefährlicher, als er es jemals bei einer Frau erlebt hatte.

Um ein Haar hätte er sie nach oben in sein Apartment gebracht. Nicht auf sein Sofa, sondern auf sein Bett. Aber plötzlich meldete sich seine Vernunft zurück. Er atmete schwer, trat zurück und fuhr sich mit der Hand zitternd durchs Haar.

„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich.

„Mir nicht“, gab sie triumphierend zurück. Ihre Stimme zitterte kein bisschen. „Mein ganzes Leben lang habe ich auf einen solchen Kuss gewartet.“

Die Alarmglocken in Ryans Kopf schrillten. „Es war doch nur ein Kuss“, meinte er und schaute sie verunsichert an.

„Genauso gut könntest du sagen, dass sich die amerikanischen Revolutionskriege nur um ein kleines Missverständnis gedreht haben. Du weißt schon, die Geschichte mit der Teesteuer.“

Obwohl er müde war, amüsierte ihn der Vergleich. „Immerhin gab es die Boston Tea Party“, erinnerte er sie.

„Die Spitze des Eisbergs“, konterte Maggie. „Schon in Ordnung, wenn das für dich nur ein Kuss war. Dann wird es dir ja nichts ausmachen, wenn wir das bei Gelegenheit wiederholen.“

Der spöttische Tonfall war nicht zu überhören, aber er entschied sich, die Herausforderung darin zu überhören. „Nicht heute Nacht. Nimm deinen Mantel, und lass uns von hier verschwinden.“

„Feigling“, murmelte sie, als sie an ihm vorbeiging.

„Stimmt genau“, bestätigte er, aber er dachte gar nicht daran, sich zu entschuldigen. Am Ende hätte er sich zu etwas hinreißen lassen, was er ganz sicher sein Leben lang bereut hätte.

Jack Reilly war am Freitagabend nicht mehr in den Pub gekommen, und deshalb fuhr Ryan gleich am Samstagmorgen zu ihm hinaus. Er war froh, dass er etwas zu tun hatte, was ihn für ein paar Stunden von Maggie ablenkte.

Der Privatdetektiv war auf einem Basketballplatz ein paar Häuser weiter und spielte dort Ball mit ein paar Nachbarskindern. Als er Ryan erblickte, warf er einem der Jungen den Ball zu und war in ein paar Sätzen bei Ryan.

„Was für ein Glück, dass du vorbeigekommen bist. Die Kinder machen mich völlig fertig“, grüßte Jack Reilly und beugte sich hinunter, um nach Luft zu schnappen. „Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so außer Atem war.“

„Vielleicht verbringst du zu viele Abende auf dem Barhocker im Pub?“, zog Ryan ihn freundschaftlich auf.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein paar Gläser Bier daran schuld sind. Wohl eher die Zigaretten.“ Er griff nach dem Handtuch auf der Bank und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. „Was führt dich hierher? Du wolltest doch zu mir, oder?“

Ryan nickte. „Ich brauche deinen Rat. Als Experte“, begann er und erzählte ihm die Geschichte von Letitia Monroe und ihrem Sohn. „Meinst du, du kannst die Fährte des Vaters aufnehmen?“

„Wenn er seine Kreditkarte benutzt oder einen neuen Job gefunden hat, werde ich ihn sicher bis heute Abend aufgespürt haben“, erwiderte Jack und hob abwehrend die Hand, als Ryan das Wort ergreifen wollte. „Aber wenn jemand wirklich verschwinden will, gibt es nicht viel, was man dagegen unternehmen kann.“

„Ich glaube nicht, dass er lange genug darüber nachgedacht hat, um sich wirklich gut zu verstecken“, vermutete Ryan. „Ich glaube eher, dass es eine Kurzschlusshandlung war. Früher oder später wird er wegen des Geldes etwas unternehmen müssen. Sie hatten nicht viel. Und jetzt leben Mrs Monroe und ihr Kind im St. Mary’s Obdachlosenasyl.“

Einer der Jungen machte gerade eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken, und hörte die letzte Bemerkung von Ryan. „Sprechen Sie über den Vater von Lamar?“

Ryan nickte. „Kennst du ihn?“

„Ja. Er hat mit meinem alten Herrn zusammengearbeitet, bis er gekündigt hat und verschwunden ist.“

„Hat dein Dad erwähnt, wohin er verschwunden sein könnte?“, hakte Jack nach.

Der Junge schaute ihn ängstlich an. „Er kriegt doch keinen Ärger, oder?“

„Nicht so, wie du denkst“, beschwichtigte Ryan.

„Dann sollten Sie mal unten bei den Landungsbrücken am Hafen nachschauen. Manchmal kann man dort als Tagelöhner arbeiten. Mein Dad hat gesagt, dass Lamars Dad ihm das erzählt hat. Er meinte, dass der alte Monroe ein bisschen Zeit brauchte, um nachzudenken.“

Jack schlug dem Jungen freundschaftlich auf die Schulter. „Danke, Rick. Ich schulde dir einen Gefallen.“

„Meinst du, es lohnt sich, unten bei den Landungsbrücken nach Lamars Vater zu suchen?“, fragte Ryan, nachdem der Junge wieder verschwunden war.

„Das kann ich erst sagen, wenn ich selbst dort unten gewesen bin. Ich mache mich gleich auf den Weg und komm nachher bei dir im Pub vorbei“, versprach Jack. „Ich lasse dich dann wissen, was dabei herausgekommen ist. Wann wird das Kind operiert?“

„Der Termin steht noch nicht fest, aber in einer oder zwei Wochen wird es wohl so weit sein. Es ist eine riskante Operation. Der Junge muss die Gewissheit haben, dass sein Vater für ihn da ist.“

„Dann werden wir auch einen Weg finden“, meinte Jack zuversichtlich.

„Brauchst du einen Vorschuss?“, wollte Ryan wissen.

„Kommt gar nicht infrage. Ich bin allein im Einsatz. Stell mir schon mal ein Bier kalt für den Fall, dass ich nachher im Pub auftauche.“

„Danke, Jack.“

Kurz nach drei kam Maggie in den Pub und schleppte einen Laptop, einen tragbaren Drucker sowie einen Stapel Papier mit sich. Rory kam aus der Küche, warf ihr einen Blick zu und nahm ihr etwas von der Last ab.

„Wollen Sie sich einen Bruch heben?“, fragte er. „Was haben Sie mit dem ganzen Zeug vor?“

„Ich möchte Ryan etwas erklären. Wo steckt er denn?“

„Im Obdachlosenheim. Wird aber gleich zurück sein.“ In der Mitte des Pubs blieb er stehen. „Wo soll ich das hinstellen?“

„In sein Büro“, erwiderte sie, ohne zu zögern.

Rory schüttelte den Kopf. „Niemand hat das Recht, Ryans Büro ohne ausdrückliche Erlaubnis zu betreten.“

„Aber warum nicht?“, hakte sie nach.

„Das ist eben so“, meinte Rory schlicht. „Und ich weiß, dass er nicht wirklich glücklich sein wird, wenn er all diesen modischen Computerkram hier sieht. Vielleicht ist es besser, wenn Sie ihn nicht gleich in die Enge treiben und in seiner Abwesenheit sein Büro betreten.“

Maggie dachte über seinen Vorschlag nach. „Sie könnten recht haben. Stellen Sie die Sachen ans Ende des Tresens. Irgendwo muss hier doch eine Steckdose sein.“

Wieder schüttelte Rory den Kopf. „An Ihrer Stelle würde ich mir irgendeine ganz dunkle Ecke aussuchen.“

Maggie lachte. „Der Tresen reicht.“

„Wie Sie meinen“, gab er schulterzuckend zurück. „Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich in die Küche zurückgehe. Ich möchte aus der Schusslinie sein, wenn er nach Hause kommt. Darf ich Ihnen noch was zu trinken anbieten, bevor ich mich aus dem Staub mache?“

„Nein, danke. Davon abgesehen, letzte Nacht habe ich hier in der Bar ausgeholfen. Wenn ich Durst habe, kann ich mir selbst was einschenken.“

Während sie auf Ryan wartete, schloss sie den Computer und den Drucker an. Dann öffnete sie die Software für Finanzbuchhaltung und richtete sie so ein, wie sie es für die Arbeit im Pub für notwendig hielt. Als sie fertig war, bemerkte sie, dass Ryan neben ihr stand und sie verärgert anschaute.

„Was soll das?“, fragte er.

„Das ist eine kostenlose Vorführung“, meinte sie fröhlich. „Schau’s dir an.“

„Keine Zeit. Ich muss gleich den Laden aufschließen.“

„Ich zeige dir, wie du dir die Arbeit erleichtern kannst“, erklärte sie beharrlich.

„Kann das Ding Getränke servieren?“

Unwillig verzog sie das Gesicht. „Nein, aber …“

„Dann bin ich nicht interessiert“, antwortete er kategorisch. Er griff nach einer Schürze, band sie sich um die Hüften und verschwand am anderen Ende der Bar.

Den Rest des Abends hatten sie keine Zeit mehr für ihren Streit. Maggie hatte sich ebenfalls an die Arbeit gemacht. Aber während sie von Tisch zu Tisch eilte, spürte sie, dass Ryan sie mit seinen Blicken verfolgte. Kurz vor Mitternacht griff er endlich nach ihrem Arm und zog sie auf einen Barhocker am Ende des Tresens.

„Setz dich. Maureen und Juan können allein weitermachen. Hast du eigentlich schon was gegessen?“, fragte er.

„Keine Zeit“, seufzte sie und kickte die Schuhe von den schmerzenden Füßen. „Außerdem kriege ich um diese Zeit keinen Bissen mehr hinunter.“

„Du kannst und du wirst“, ordnete er an, eilte in die Küche und kam mit einem saftigen Schinken, einem Käsesandwich und Rorys dicker Kartoffelsuppe zurück. Er deutete auf das Sandwich. „Das musst du wenigstens essen. Dann fahre ich dich nach Hause.“

„Ich habe einen eigenen Wagen.“

„Dann werde ich dir hinterherfahren, bis du zu Hause angekommen bist. Es ist zu spät für dich, um allein durch Boston zu fahren. Ja, ich weiß, du bist eine erwachsene Frau. Aber du bist nicht dumm. Du wirst mein Angebot dankbar annehmen. Sonst werde ich mir nämlich die ganze Nacht über Sorgen machen.“

Sie begegnete seinem Blick. „Wirklich? Du würdest dir Sorgen machen, wenn ich allein nach Hause fahre?“

Er seufzte auf. „Ja. Wirklich.“

„Dann darfst du mir nachfahren, wenn du bereit bist, anschließend noch mit ins Haus zu kommen und einen Kaffee mit mir zu trinken. Abgemacht?“ Sie hielt ihm die ausgestreckte Hand entgegen.

Erleichtert schlug er ein. „Abgemacht.“

Es war eine simple Vereinbarung, aber trotzdem hatte Maggie das Gefühl, dass sie einen Riesensprung nach vorn gemacht hatten.

5. KAPITEL

Ryan war nervös und ängstlich, als er sich dem Haus der O’Briens näherte. Er hatte erwartet, dass das Licht ausgeschaltet sein und die Familie im Bett liegen würde, aber es sah so aus, als ob dort eine Party gefeiert wurde.

„Ich will nicht stören“, sagte er zu Maggie, als er in der Auffahrt zu ihr trat. „Es sieht so aus, als hätten deine Eltern Gäste eingeladen.“

„Unsinn“, erwiderte sie und hakte sich bei ihm unter. „Wahrscheinlich ist nur jemand aus der Familie vorbeigekommen, und sie spielen Karten oder so. Du bist willkommen. Außerdem haben wir eine Abmachung. Du kannst dich jetzt nicht davonstehlen.“

„Ich bleibe nur auf einen Kaffee“, sagte er. „Dann gehe ich wieder. Das war abgemacht.“

„So war es abgemacht“, bestätigte sie und führte ihn zur Küchentür.

Drinnen herrschte das reinste Chaos. Sechs Leute saßen um den Küchentisch, hatten Pokerkarten um sich herum verteilt und machten Krach für zwanzig.

„Du hast geschummelt“, warf Katie ihrem Vater vor. Sie achteten kaum darauf, dass Maggie mit Ryan hereingekommen war.

„Ganz bestimmt hat er das“, stimmte einer von Maggies Brüdern zu.

Garrett O’Brien stand auf. Er zitterte vor Empörung. „Der Tag, an dem meine eigenen Kinder mir vorwerfen, dass ich schummele, ist wirklich ein schwarzer Tag.“

„Setz dich hin“, befahl Nell. „Du hast geschummelt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“

Garrett bemerkte, dass ihm die Felle davonschwammen. Hilfe suchend wandte er sich an Ryan. „Können Sie sich vorstellen, dass Ihnen die eigene Ehefrau solche Vorwürfe macht?“

Ryan grinste, und seine Nervosität ließ langsam nach. Er konnte sich gut vorstellen, dass Nell O’Brien niemals ein Blatt vor den Mund nahm. Und er war sich sicher, dass sie ernst genommen werden wollte. „Also, ich glaube schon, dass sie gern Klartext redet“, deutete er vorsichtig an.

„Und sie ist immer ehrlich“, ergänzte Katie. „Hol dir einen Stuhl, Ryan. Die Meute hier hat gerade eine Pechsträhne hinter sich. Wir brauchen einen großzügigen Mitspieler mit gut gefülltem Portemonnaie.“

Ryan spürte, dass Maggie ihn anschaute.

„Hast du Lust?“, fragte sie. „Kannst du noch eine Weile bleiben?“

Ryan wog seinen Widerwillen gegen die Aussicht auf ein gutes Pokerblatt ab. „Ich bleibe.“

„Dann bring die Stühle aus dem Esszimmer“, ordnete Garrett an. „Wir rücken zusammen. Maggie, gib dem Mann ein Bier.“

„Kaffee wäre mir lieber“, entgegnete Ryan. „Ich muss noch nach Boston zurückfahren, wenn wir zu Ende gespielt haben.“

„Unsinn“, hielt Nell dagegen. „Wir haben ein wundervolles Gästezimmer, das heute Nacht leer steht.“

„Das besprechen wir später“, gab Ryan zurück. Er weigerte sich, der Einladung zuzustimmen, zumal die verführerische Maggie vermutlich nur ein paar Schritte entfernt am anderen Ende des Flurs schlief.

Maggie stellte den Kaffee vor ihn hin, setzte sich neben ihn und lehnte sich nah an ihn heran. „Ab jetzt ist Schluss mit den Freundlichkeiten. Mehr kannst du von mir nicht erwarten“, flüsterte sie. „Beim Poker herrscht Krieg. Und ich mache keine Gefangenen.“

„Hör auf sie“, riet Matt. „Unsere Maggie hat schon mit Daddys Freunden gezockt, als sie noch ziemlich klein war. Dad hat es ihr erlaubt, weil sie ihren Gewinn mit ihm geteilt hat.“

Ryan lachte. Maggie stieg beträchtlich in seiner Achtung. „Dann wollen wir mal testen, ob du deinen Biss inzwischen verloren hast.“

„Glaub mir, es gibt Dinge, die wir Frauen niemals verlernen“, gab sie zurück, während sie das Pokerblatt mit geschickten Fingern mischte.

Ryan erntete einen ärgerlichen Blick von Maggie und johlendes Gelächter von ihrer Familie, als er das erste Spiel gewann. Als er dran war, die Karten zu geben und sie anschließend abheben ließ, konnte er sich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen. „Herzlichen Glückwunsch“, murmelte er.

„Danke“, erwiderte sie höflich, aber der scharfe Unterton war nicht zu überhören.

„Ich glaube, du hast mich falsch verstanden“, erklärte Ryan, während er das Blatt austeilte. „Ich dachte eher an meinen eigenen Vorteil.“

„Oh, er ist selbstgefällig“, bemerkte Garrett erfreut.

„Er hat auch allen Grund dazu“, meinte Katie, als sie ihre Karten aufnahm.

Nell, John und Matt deckten ebenfalls auf, Johns Frau tat es ihnen gleich. Garrett legte sein Blatt auf den Stapel zurück und unterdrückte einen Fluch.

Ryan wagte einen Blick in Maggies Augen. „Sieht so aus, als ob nur noch wir beide übrig sind.“

Ihr Blick wich seinem nicht aus. „Ich gehe mit und erhöhe auf einen Dollar.“

„Ohhh, unsere Maggie hat wieder das berühmte Funkeln in den Augen“, bemerkte Matt. „Sieh dich vor, Ryan.“

Ryan war sich der Gefahr bewusst, die Maggie in jeder Hinsicht für ihn bedeutete. Das Kartenspiel war nur die Spitze des Eisbergs. „Du erhöhst, und ich gehe mit“, verkündete er und schaute sie erwartungsvoll an. „Außerdem will ich sehen.“

„Bist du dir absolut sicher?“, fragte sie. „Noch hast du Zeit, dich nach unten zu korrigieren.“

Er nickte. „Mein Angebot liegt auf dem Tisch.“

„Okay.“ Sie blätterte ihre Karten auf den Tisch und hatte ein Full House mit Buben.

„Sehr schön“, lobte Ryan.

Sie lächelte und griff nach dem Einsatz. „Dachte ich mir.“

Er legte seine Hand auf ihre. „Aber nicht schön genug.“ Auch er hatte ein Full House, aber statt der Buben deckte er die Könige auf.

Maggie verzog ärgerlich das Gesicht, als er das Geld einstrich.

Ryan lehnte sich zu ihr hinüber. „Nicht ärgern“, flüsterte er ihr zu. „Ich habe dir doch gesagt, dass das Glück auf meiner Seite sein wird.“

Matt zuckte zusammen. „Du hast es geschafft, Ryan. Du hast gewonnen. Schlimmer. Du hast dich darüber gefreut. Sie wird dich zum Duell fordern.“

Maggie lächelte süß. „In der Tat, das werde ich.“

Ryan war überzeugt, dass die Geschwister nur gescherzt hatten, aber zu seiner großen Überraschung gewann Maggie die nächsten vier Spiele.

Amüsiert schaute er sie an. „Fühlst du dich jetzt besser?“

„Viel besser.“ Ihre Augen leuchteten zufrieden auf.

„Irgendwie habe ich den Eindruck, dass unsere Pokerrunde plötzlich zu einer Privatangelegenheit verkommen ist“, bemerkte Katie. „Ich glaube, ich gehe besser ins Bett, solange ich noch zwei Cents mein eigen nennen kann.“

„Und ich muss nach Hause, bevor meine Frau mir die Verfügungsberechtigung über das Konto entzieht“, stimmte Matt ein.

John wechselte einen Blick mit seiner Frau. „Ich glaube, wir sollten auch besser verschwinden.“

Innerhalb von zehn Minuten war die Küche leer. Plötzlich war es sehr still. Maggie und Ryan starrten einander schweigend an.

„Das hat Spaß gemacht“, sagte er.

„Obwohl du verloren hast?“

„Weil ich nur gegen dich verloren habe. Du nimmst das Pokern sehr ernst“, meinte Ryan. „Aber das nächste Mal weiß ich ja, worauf ich zu achten habe. Das Glück wird dich verlassen.“

„Was soll das heißen?“

„Wenn du bluffst, hast du ein kleines nervöses Zucken an deinen Augenwinkeln. Genau hier“, sagte er und tippte mit seinem Finger leicht auf ihre Wange. „Und dieser Mundwinkel will sich zu einem Lächeln verziehen, aber du kämpfst dagegen an.“ Wie zur Betonung strich er mit dem Finger über ihre Unterlippe.

Maggie schluckte schwer. „Ryan, was machst du da?“

„Ich erkläre dir nur, wie du dich verrätst. Ich bin überrascht, dass die anderen es noch nicht bemerkt haben. Aber ich bezweifle auch, dass die anderen von deinem Gesicht so fasziniert sind wie ich.“

Ihr Pulsschlag beschleunigte sich schlagartig. „Ryan …“ Ihre Stimme verlor sich.

Er beugte sich vor und bedeckte ihren Mund mit seinem. Das hatte er schon tun wollen, seit sie mit der Pokerrunde begonnen hatten. Der Gedanke hatte ihn so sehr gefangen genommen, dass er beim dritten Spiel die Konzentration verloren hatte. Deswegen hatte sie eine Runde nach der anderen gewonnen. Er war mit den Gedanken überall gewesen, nur nicht bei den Karten.

„Du schmeckst wundervoll“, wisperte er nah bei ihren Lippen. „Und du duftest nach Blumen.“

„Rosenduft“, flüsterte sie atemlos. „Mein Lieblingsparfum.“

Eine Welle wohliger Gefühle durchflutete ihn und löste eine merkwürdige Betroffenheit aus. Er setzte sich wieder hin. Zitternd atmete er durch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich muss hier raus.“

„Mom hat dich über Nacht eingeladen.“

„Das hätte sie nicht, wenn sie gewusst hätte, was ich im Sinn habe“, entgegnete er.

Maggies Augen sprühten vor Neugier. „Was genau hast du denn im Sinn?“

„Dich“, gestand er und setzte darauf, dass es richtig war, vollkommen offen zu sein. „Dich auszuziehen, sodass ich dich berühren kann. Dich für den Rest der Nacht zu lieben.“

„Oh“, wisperte sie atemlos.

Er stand auf. „Deshalb muss ich jetzt von hier verschwinden.“

„Nein. Bitte bleib“, bat sie ihn.

„Keine gute Idee“, erwiderte er und griff nach seinem Mantel. Er beugte sich vor und küsste sie ein letztes Mal. „Gute Nacht, Maggie.“

„Gute Nacht“, stimmte sie widerwillig zu, stand auf und brachte ihn zur Tür. „Rufst du mich an, wenn du zu Hause angekommen bist?“

„Um das ganze Haus aufwecken? Besser nicht.“

„Ich mache mir Sorgen, wenn du es nicht tust.“ Sie klang ganz ernst. „Es ist schon spät. Wer weiß, was um diese Zeit auf der Straße alles passiert. Ich stelle das Telefon direkt neben mein Bett und beim ersten Klingeln nehme ich ab. Niemand wird gestört werden.“

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten äußerte jemand Sorge um seine Sicherheit. Ryan wartete darauf, dass er innerlich rebellierte, aber stattdessen freute er sich über ihre Bitte. „Na gut, ich rufe dich an“, versprach er schließlich.

Sie strich mit der Hand über seine Wange. „Du bist es nicht gewohnt, dass sich jemand um dich Sorgen macht, stimmt’s?“

„Nein.“

„Das wird sich ändern. Ich bin eine O’Brien, und wir sorgen uns immer um alles“, bemerkte sie leichthin.

„Keine persönlichen Gründe?“, fragte er und versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen.

„Oh, doch. Dein Fall ist sehr persönlich. Ich möchte nur verhindern, dass du vor lauter Angst die Flucht ergreifst.“

„Ich werde nicht flüchten.“

„Doch, das machst du“, widersprach sie. „Aber das ist schon in Ordnung. Ich verstehe dich. Mit der Zeit wirst du dich an mich und die anderen schon gewöhnen.“

Mit der Zeit? Auf der Rückfahrt nach Boston musste Ryan dauernd an ihre Worte denken. Würde er sich jemals daran gewöhnen, dass er jemanden um sich hatte, der sich Sorgen um ihn machte? Oder hatte seine Vergangenheit jede Chance auf ein neues Glück zerstört?

Am Sonntag besuchte Maggie den Gottesdienst in Pater Francis’ Kirche, weil sie hoffte, Ryan dort zu begegnen. Sie konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Als sie Pater Francis nach der Messe traf, verriet er ihr, dass sie Ryan im Obdachlosenasyl treffen würde. „Er verbringt den Sonntagmorgen gern mit den Kindern. Wahrscheinlich finden Sie ihn heute bei Lamar Monroe.“

Autor

Sherryl Woods
Über 110 Romane wurden seit 1982 von Sherryl Woods veröffentlicht. Ihre ersten Liebesromane kamen unter den Pseudonymen Alexandra Kirk und Suzanne Sherrill auf den Markt, erst seit 1985 schreibt sie unter ihrem richtigen Namen Sherryl Woods. Neben Liebesromanen gibt es auch zwei Krimiserien über die fiktiven Personen Molly DeWitt sowie...
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