Die Flaschenpost

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Was für ein atemberaubendes Lächeln! Die süße Meg ist einfach hin und weg, wenn Sam mit seinen strahlend blauen Augen bis in ihr Herz blickt. Zusammengebracht wurden die beiden auf der australischen Magnetic Island durch eine Flaschenpost, die Meg gefunden hat. Den Liebesbrief darin schrieb einst sein Großvater. Sam ist jetzt total verrückt nach Meg. Doch will er sie nur zu einer Affäre verführen?


  • Erscheinungstag 04.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758110
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Beinahe hätte Meg die halb vom Sand bedeckte Flasche übersehen.

Während ihrer abendlichen Spaziergänge am Strand von Magnetic Island hatte sie schon oft von der Flut an Land gespülte Flaschen, Muscheln und Korallen gefunden; auch Treibholz von Schiffen, die auf das Große Barrier-Riff gelaufen waren.

Als sie an der Flasche vorbeiging, fielen die Strahlen der untergehenden Sonne auf das Glas und ließen es glitzern. Sie blieb stehen, sah genauer hin und entdeckte, dass der Hals der Flasche versiegelt war. Plötzlich überkam Meg eine unerklärliche Neugier. Unwillkürlich bückte sie sich und hob ihren Fund auf. Das Gefäß schien leer zu sein, doch dann sah sie im schwächer werdenden Licht, dass sich darin ein zusammengerolltes Stück Papier befand. Ihr stockte der Atem.

Eine Flaschenpost.

Meg verspürte eine fast kindliche Aufregung. Unzählige Fragen gingen ihr durch den Kopf, und plötzlich wurde sie von einer merkwürdigen Vorahnung erfüllt. Ihr Herz klopfte wie wild. Aus irgendeinem Grund war sie überzeugt, dass zwischen ihr und der Flaschenpost eine ganz besondere, äußerst wichtige Verbindung bestand. Meg lief ein Schauer über den Rücken. Sie versuchte, den albernen Gedanken zu verdrängen, doch es gelang ihr nicht.

Um sie her wurde es langsam Nacht, und noch immer herrschte die für die Tropen typische Hitze. Die Sonne war untergegangen und ließ die Hügel der Insel rosa erglühen. Das Wasser in der Bucht wirkte fast schwarz, und die Wellen des Pazifiks schlugen sanft ans Ufer.

Alles wirkte wie immer, und doch hatte Meg das Gefühl, als hätte sich in ihrem Leben etwas Entscheidendes verändert. Sie presste die Flasche an sich und eilte über den Strand und den kleinen Pfad zurück zum Parkplatz. Dann wickelte sie ihren Fund sorgfältig in ein Handtuch ein und verstaute ihn unter dem Beifahrersitz desMini-Mokes, des kleinen Geländewagens. Sie wollte die Flasche erst in ihrem Bungalow öffnen, um den Brief dort in aller Ruhe zu lesen. Dann würde sie endlich erfahren, was es mit der geheimnisvollen Nachricht auf sich hatte.

1. KAPITEL

Das Letzte, was Sam Kirby in seinem Leben brauchte, war noch eine hübsche Frau.

Seine langjährige Assistentin Ellen, die ständig damit beschäftigt war, seine zahlreichen privaten Termine mit den ebenso zahlreichen beruflichen Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen, hatte ihm dies bereits mehrfach mitgeteilt. Als Sam nach einer wichtigen Geschäftsverhandlung in sein Büro in Downtown-Seattle zurückkam, rechnete er also nicht damit, zuoberst auf dem Stapel der wichtigsten zu bearbeitenden Unterlagen ausgerechnet das Bild einer hübschen blonden Frau im Bikini zu finden.

„Ellen, was hat das zu bedeuten?“ Er wandte sich so plötzlich um, dass er beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre. Nervös warf sie einen Blick auf das Foto.

„Das kam heute per Eilbrief aus Australien, zusammen mit einem Zeitungsartikel und einem Schreiben.“ Sie reichte ihm einige Blätter. „Jemand von einer Ferienanlage hat es geschickt.“

Sam runzelte die Stirn. „Das ist sicher wieder so ein Werbegag. Werfen Sie es am besten sofort in den Papierkorb. So wie es aussieht, habe ich in den nächsten zwanzig Jahren sowieso keine Zeit, um Urlaub zu machen.“

„Nein, Sam, es ist keine Werbung. Sie sollten es sich lieber einmal ansehen.“ Ellen reichte ihm den Zeitungsartikel.

Seufzend nahm er ihn und betrachtete das Bild. An einem malerischen tropischen Strand stand eine ausgesprochen hübsche Blondine. Ihr Name war Meg Bennet, und sie hielt eine alte Flasche in der Hand. Sam betrachtete die junge Frau eingehend. Sie trug ein Bikinioberteil und hatte einen Sarong in verschiedenen Blautönen um ihre schlanke Taille gewickelt. Ihre Haut schimmerte in einem sanften Honigton, und blonde Locken fielen ihr ins Gesicht. Aber Meg Bennet war nicht einfach nur hübsch. Ihr Lächeln faszinierte Sam. Sie schien ihn aus dem Bild heraus direkt anzusehen.

Er ärgerte sich, dass er nicht sagen konnte, welche Farbe ihre Augen hatten. Für einen kurzen Moment wünschte er sich, Meg Bennet persönlich kennenzulernen und …

„Sam, Ihr Privatleben ist bis in den nächsten Monat hinein mit unzähligen Terminen verplant“, bemerkte Ellen trocken, als hätte sie seine Gedanken erraten. „Und außerdem lebt diese junge Frau jenseits des Pazifiks.“

„Schade!“ Sam lächelte und zuckte die Schultern. Dann sah er sich die Überschrift des Zeitungsartikels an. „Flaschenpost mit Liebesbrief auf tropischer Badeinsel gefunden“, las er. Nachdem er schweigend den restlichen Text überflogen hatte, blickte er verwirrt auf. „Ich verstehe noch immer nicht, warum man uns das hier geschickt hat. 1942 hat ein amerikanischer Pilot seiner Frau einen Liebesbrief geschrieben und ihn per Flaschenpost abgeschickt. Und jetzt, fast sechzig Jahre später, wurde der Brief am Großen Barrier-Riff gefunden. Was hat das mit mir zu tun?“

„Vielleicht haben Sie es überlesen, weil Sie sich zu sehr vom Bild haben ablenken lassen“, sagte Ellen nachsichtig. „Im Artikel wird auch erwähnt, dass nach dem Verfasser des Briefes und dessen Nachkommen gesucht wird.“

Aus einem unerklärlichen Grund wurde Sam plötzlich nervös. „Und weiter?“

Ellen lächelte. „Der Manager des Ferienlagers schreibt, dass man ihn gefunden hat.“ Sie machte eine Pause und strich sich den Blazer glatt. „Der Name des amerikanischen Piloten ist Thomas Jefferson Kirby …“

„Mein Großvater“, flüsterte Sam ungläubig.

„Ja.“

„Du meine Güte!“ Er schloss für einen Moment die Augen. Dann sah er Ellen an und schüttelte den Kopf. „Tom Kirby ist im Krieg gefallen. Mein Vater hat ihn nie kennengelernt.“

Nachdenklich betrachtete Sam die Flasche in der Hand der blonden Frau. Dann nahm er den Brief des Managers und las ihn. Plötzlich zog sich ihm der Magen zusammen. „Was hat dieser Kerl vor? Er behauptet, dass die Flaschenpost auch eine Art Testament enthält, aber Genaueres will er erst sagen, wenn ein Familienmitglied persönlich bei ihm erscheint.“

„Eine so weite Reise ist für Ihren Vater im Moment gesundheitlich viel zu anstrengend.“

„Allerdings. Aber dieser Mr. Soundso kann doch nicht erwarten, dass ich hier alles stehen und liegen lasse, um auf eine kleine Insel am Ende der Welt zu fliegen – für so etwas habe ich einfach keine Zeit.“

Ellen warf ihrem jungen Chef über den Rand ihrer Lesebrille einen vielsagenden Blick zu. „Vergessen Sie nicht, wie viel hier auf dem Spiel steht. Immerhin befindet sich Kirby & Son schon seit vier Jahrzehnten im Besitz Ihrer Familie.“

„Ich weiß.“ Sam musste daran denken, wie sehr diese Angelegenheit seinen kranken Vater aufregen würde. „Ich traue diesem Australier nicht. Warum schickt er mir den Brief nicht einfach zu?“ Nervös fuhr er sich durchs Haar und fügte dann hinzu: „Ich muss noch einmal in Ruhe darüber nachdenken.“

Ellen nickte und zog sich nach nebenan in ihr Büro zurück.

Sam stand auf und ging langsam zu den mannshohen Fenstern an einer Seite seines Arbeitszimmers. Tief in Gedanken, ließ er den Blick über den Hafen und den Bell Street-Kai gleiten. Die Neuigkeiten über seinen Großvater trafen ihn völlig unvorbereitet und zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Vor drei Jahren hatte sein Vater einen Herzinfarkt gehabt. Seitdem trug Sam die alleinige Verantwortung für das riesige und sehr erfolgreiche Unternehmen. Er arbeitete praktisch ununterbrochen, und es hatte nicht so ausgesehen, als würde sich daran in nächster Zeit etwas ändern. Doch jetzt hatte ihm ein Vorfahre, den Sam noch nicht einmal kannte, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er atmete tief ein, versuchte, wieder einen klaren Gedanken zu fassen, und blickte aus dem Fenster.

Obwohl es bereits fast Sommer war, wirkten Hafen, Bürogebäude, die gesamte Stadt an diesem Nachmittag grau und trostlos. Sogar die kleinen Inseln vor der Küste wirkten schwarz wie Kohlestücke, die im schieferfarbenen Wasser schwammen.

Plötzlich erschien Sam die Vorstellung sehr verlockend, seinem Alltagsstress zu entkommen und an einen warmen, sonnigen Ort zu reisen. Er könnte den Brief abholen, ein paar Tage mit Tauchen verbringen, den Duft der Jasminblüten genießen – und herausfinden, welche Farbe Meg Bennets Augen hatten.

Sam ging zurück zum Schreibtisch und überlegte angestrengt. Die Nachricht von der Existenz eines Testaments und den darauf begründeten Zweifeln an seinem Status als rechtmäßiger Besitzer von Kirby & Son würde Sams Konkurrenten gerade recht kommen. Für sie wäre es eine willkommene Waffe in einem Machtkampf, in dem es um viele Millionen Dollar ging.

Ein diskretes Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. Ellen lächelte mitfühlend und sagte: „Gerade hat ein Reporter der Seattle Times angerufen, der mit Ihnen sprechen wollte. Offensichtlich weiß die Presse bereits von der Flaschenpost.“

Sam fluchte unterdrückt.

„Ich fürchte, das Thema wird in den Zeitungen richtiggehend ausgeschlachtet werden“, fuhr Ellen fort. „Besonders nachdem man Sie letzte Woche zum begehrtesten Junggesellen Seattles gekürt hat.“

Sam strich sich durchs dichte dunkle Haar. „Mir bleibt wohl keine andere Wahl, als nach Australien zu fliegen und die Angelegenheit so schnell wie möglich zu klären.“

„Ich werde Ihnen gleich einen Flug buchen.“

„Danke. Und halten Sie bitte meine Anwälte auf dem Laufenden – nur für den Fall, dass dieser Australier irgendeine krumme Tour mit dem Testament plant.“ Sam betrachtete erneut das Foto von der jungen Frau mit der Flasche.

Ellen seufzte. „Die arme Meg Bennet. Sie sieht so sympathisch aus. Wenn ich mir vorstelle, dass Sie bald zu ihr auf diese kleine Insel fliegen, bekomme ich richtig Mitleid mit ihr.“

Sam war gekränkt. „Ich gebe zu, dass ich Frauen sehr mag, aber ich bin doch nicht gefährlich für sie!“

„Natürlich nicht“, erwiderte Ellen ironisch und ging hinaus.

Wieder sah er Meg Bennet an. In ihren Augen spiegelten sich Intelligenz und Ehrlichkeit, und er war überzeugt, dass sie sich nicht so leicht von einem Mann um den kleinen Finger wickeln lassen würde. Dann verdrängte er den Gedanken. Er würde nach Australien fliegen, um das Testament seines Großvaters in Empfang zu nehmen – und nicht, um die hübsche Frau kennenzulernen, die es gefunden hatte.

Meg war sehr zufrieden. Das Riff sah an diesem sonnigen Morgen wieder einmal wunderschön aus. Sie schnorchelte zurück zu der Seite der Florence Bay, wo das Wasser seicht war. Es war windstill. Die Wasseroberfläche war spiegelglatt, und keine Wolke war am Himmel zu sehen. Die Sicht unter Wasser wurde durch nichts getrübt, sodass die Touristengruppe, die Meg leitete, die faszinierende Unterwasserwelt betrachten konnte.

Unzählige kupfer- und goldfarbene Schmetterlingsfische mit länglichen Mäulern suchten in den leuchtend roten Korallenpolypen und den blauen Staghorn-Korallen mit den rosa Spitzen nach Futter. Ein Fleckrochen, der sich, perfekt getarnt, auf dem Grund vergraben hatte, tauchte plötzlich auf. Feiner weißer Sand stob in alle Richtungen, als er davonschoss.

Jeden Morgen zeigte Meg einigen Gästen des Ferienlagers die faszinierende Unterwasserwelt des Riffs. Sie freute sich jedes Mal aufs Neue, wenn sie ihre Begeisterung über diese Naturschönheiten mit anderen Menschen teilen und gemeinsam mit ihnen die geheimnisvollen Tiere und Pflanzen des tropischen Meeres entdecken konnte.

Als sie den seichten Teil der Bucht erreichten, stellte Meg sich hin und zog die Schwimmflossen aus. Dann nahm sie Tauchermaske und Schnorchel ab. Ein amerikanischer Tourist aus der Gruppe tauchte neben ihr auf und nahm ebenfalls die Maske ab. „Das war einfach großartig! Ich habe noch nie so viele verschiedene Mönchsfischarten auf einmal gesehen!“

„Sie kennen diese Fische? Dann müssen Sie sich aber gut auf die Reise vorbereitet haben.“ Sie wateten zum Strand.

„Ich hatte leider schon lange keine Zeit mehr, mich mit der Tierwelt der Tropen zu beschäftigen. Aber sie hat mich schon als kleiner Junge fasziniert.“ Er lächelte.

Du meine Güte! Meg schluckte. Dieser Mann konnte so atemberaubend lächeln wie ein Filmstar. Seine Augen waren strahlend blau. Megs Herz begann zu klopfen, wenn er sie nur ansah. Es gelang ihr nicht, so unbefangen mit ihm umzugehen, wie sie es normalerweise mit Feriengästen tat.

Sie ließ die Taucherausrüstung in den Sand fallen, nahm ihr Handtuch und begann, sich die Haare zu trocknen. Was war nur mit ihr los? Dieser Amerikaner war schließlich nicht der erste gut aussehende Tourist, mit dem sie tauchen gegangen war. Meg nahm sich vor, sich zusammenzureißen und sich nicht von diesem charmanten Lächeln betören zu lassen. Sie hatte schon mehrmals erlebt, wie eine ihrer Kolleginnen sich in einen Gast verliebt und dann sehr gelitten hatte. Das ist es nicht wert, ermahnte sie sich insgeheim.

Meg winkte dem Rest der Gruppe zu, allesamt deutsche Touristen, die gerade ebenfalls den Strand erreichten. Sicher fühlte sie sich nur wegen seiner jungenhaften Begeisterung für das Leben im Riff zu dem blauäugigen Mann hingezogen. Und doch war sie seltsam befangen, als sie den Reißverschluss des Lycra-Anzugs öffnen wollte, den sie zum Schutz vor stechenden Pflanzen und Seeigeln trug.

Ihr Begleiter zog seinen Anzug ohne Zögern aus, und Meg blickte ihn verstohlen an. Er war groß und muskulös, aber schlank und hatte breite Schultern. Unter dem Anzug trug er nur eine knappe Badehose. Es blieb ihr nichts übrig, als ebenfalls den Anzug auszuziehen. Sie ärgerte sich über ihre eigene Verlegenheit, denn schließlich war es nichts Außergewöhnliches.

Als sie sich beide ein T-Shirt übergezogen hatten, fühlte Meg sich ein wenig wohler. „Wir sollten jetzt zurück zum Resort fahren“, sagte sie unsicher, „dann können Sie im Ferienlager noch vor dem Mittagessen duschen.“

Die deutschen Touristen, die sich ein eigenes Fahrzeug gemietet hatten, unterhielten sich angeregt. Der Amerikaner half Meg, die Schnorchel und die restliche Ausrüstung einzusammeln und auf der Ladefläche des Mini-Moke zu verstauen. Wieder lächelte er strahlend. „Vielen Dank für dieses tolle Erlebnis.“

„Nichts zu danken“, erwiderte sie nervös.

Sie stiegen ein und fuhren den gewundenen Pfad entlang. Megs Beifahrer lehnte sich entspannt zurück und fragte: „Also, Miss Freizeitexpertin: Was steht für heute Nachmittag auf Ihrem Programm?“

Sie musste lächeln. „Amerikaner scheinen selbst im Urlaub nicht eine Sekunde still sitzen zu können. Ununterbrochen müssen sie etwas unternehmen!“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Ist das so ungewöhnlich?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber wir haben momentan nicht viele Gäste, und die meisten scheinen sehr selbstständig zu sein. Deshalb habe ich für den Rest des Tages nichts geplant.“

„Sie könnten mich vielleicht ein wenig auf der Insel herumführen.“

Meg schnitt ein Gesicht. Ihr Begleiter schien keine Zeit zu verlieren, sich an sie heranzumachen. Obwohl sie erst seit drei Monaten auf der Insel arbeitete, hatte sie bereits festgestellt, dass viele der männlichen Gäste der Ansicht waren, die weiblichen Angestellten würden zum Zimmerservice gehören.

„Im Handschuhfach ist ein Faltblatt, auf dem sämtliche Wanderpfade verzeichnet sind. Sie sind ja schon ein großer Junge und kommen sicher allein zurecht. Außerdem habe ich am Nachmittag sowieso keine Zeit“, fügte sie nicht ganz wahrheitsgemäß hinzu, „weil wir demnächst einen VIP-Besucher erwarten – einen Millionär.“ Wieder schnitt Meg ein Gesicht.

„Das klingt, als hätten Sie keine gute Meinung von Millionären.“

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. Vor fünf Jahren hatte sie mit ansehen müssen, wie ihr Vater wegen eines geldgierigen Großindustriellen seine Arbeit und seine Gesundheit verloren hatte. Seither stand sie wohlhabenden Menschen feindselig und misstrauisch gegenüber.

„Diese Menschen sind so damit beschäftigt, immer noch mehr Geld zu machen, dass sie für die wirklich wichtigen Dinge im Leben keine Zeit haben.“

„Da haben Sie sicher recht.“ Seine Stimme klang angespannt. Meg sah ihn überrascht an, doch er sagte nichts weiter.

Als sie den Gipfel eines Hügels erreichten, bot sich ihnen ein wunderschöner Anblick: tiefblaue Buchten reihten sich aneinander, so weit das Auge blickte. In der Mittagssonne glitzerten sie wie Saphire.

Der Amerikaner bewunderte die Aussicht und sagte betont gelassen: „Ich habe gehört, dass in einer dieser Buchten eine Flaschenpost angeschwemmt wurde.“

„Ja, das stimmt. Ich habe sie gefunden.“

Sam sah ihren verträumten Gesichtsausdruck und bekam ein schlechtes Gewissen. Er hätte ihr am liebsten auf der Stelle die Wahrheit erzählt: dass er selbst der Millionär war, von dem sie gesprochen hatte. Doch er schwieg, denn sie schien ihm gegenüber ohnehin etwas misstrauisch zu sein. Und dies war eine einmalige Gelegenheit, um mehr über die Flaschenpost zu erfahren, bevor er mit dem Manager sprechen würde.

Sie fuhren weiter und kamen zur Ferienanlage, dem Magnetic Rendezvous-Resort. Auf dem Parkplatz stellte Meg den Motor aus und lehnte sich zurück. Sam hatte das Gefühl, dass sie ihm von der Flaschenpost erzählen wollte. Dann drehte sie sich um und sah ihn mit ihren faszinierenden grauen Augen an.

Ja, sie waren eindeutig grau, umgeben von einem Kranz langer dunkler Wimpern. Und sie glänzten. „Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich die Flasche aufgehoben habe“, begann Meg leise. „Es klingt albern, aber ich glaube wirklich, dass ich dafür bestimmt war, sie zu finden.“

Sie lächelte wehmütig, und Sam war die Kehle plötzlich wie zugeschnürt. Meg war in Wirklichkeit noch viel hübscher als auf dem Zeitungsfoto. Denn auf dem Bild hatte man ihre anmutigen Bewegungen nicht gesehen und die erotische Art, wie ihre Hüften beim Gehen hin und her schwangen. Er hatte auch nicht gewusst, wie sanft und warm Megs Stimme war und wie ihr Lächeln ganz plötzlich einem Stirnrunzeln wich, wenn sie tief in Gedanken war.

Sie blickte ihn ernst an und sagte: „Diese Flaschenpost ist sechzig Jahre im Meer umhergeschwommen – das ist mehr als das Doppelte meines Alters.“

„Wie alt sind Sie denn?“

„Das geht Sie gar nichts an.“ Sie blickte nach vorn.

Sam musste lächeln. Er schätzte sie auf vier- oder fünfundzwanzig. Er selbst war zweiunddreißig, also war sie ein wenig zu jung für ihn. Natürlich war diese Überlegung überflüssig, denn er hatte ohnehin keinerlei Absichten, was Meg betraf … oder so ähnlich. Andererseits …

Er betrachtete Megs zartes Profil. Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe, und Sam verspürte große Lust, ihre weichen Lippen zwischen seine zu nehmen.

Megs Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich fürchte, ich bin hoffnungslos romantisch, was diese Flaschenpost angeht.“ Sie sah ihn an und lächelte.

Sam erwiderte ihr Lächeln. „Was ist denn verkehrt an Romantik?“

Ihre Blicke trafen sich, und sie sahen einander an. Plötzlich schien die Luft um sie her wie aufgeladen zu sein. Er musste sich sehr zusammenreißen, um Meg nicht auf den vollen, sinnlichen Mund zu küssen.

Er wusste nicht, wer von ihnen zuerst den Blick abgewandt hatte, doch irgendwann sahen sie beide geradeaus durch die Windschutzscheibe auf eine Wiese mit Kokospalmen. Sam rief sich in Erinnerung, dass er auf die kleine Tropeninsel gekommen war, weil das Familienunternehmen der Kirbys auf dem Spiel stand. Und aus diesem Grund täuschte er auch absichtlich diese hübsche junge Frau. Auf keinen Fall sollte er auch noch versuchen, sie zu verführen.

Er räusperte sich und fragte: „Die Flaschenpost war also ein Liebesbrief?“

Sie nickte. „Ja. Der Verfasser muss die Frau, an die er schrieb, über alles geliebt haben.“

„War der Brief an seine Ehefrau gerichtet?“

„Ja, aber ihr Name ist nicht mehr zu erkennen, vermutlich wegen der Sonneneinwirkung.“

Sam unterdrückte ein Fluchen. Wenn der Name von Tom Kirbys Frau nicht in dem Brief genannt wurde, konnte es unter Umständen große Schwierigkeiten mit dem Testament geben.

„Ich sollte Ihnen lieber nicht mehr darüber erzählen“, sagte Meg plötzlich. „Morgen kommt nämlich der Enkel von Thomas Kirby. Er ist der amerikanische VIP-Gast, den ich vorhin erwähnte.“

Wieder bekam Sam ein schlechtes Gewissen. „Tatsächlich?“, fragte er und betrachtete einen Rainbow-Lorikeet. Der farbenprächtige Papagei war auf einem Baum in der Nähe gelandet. „Und dieser Millionär kommt den ganzen Weg aus den USA hierher, nur um eine sechzig Jahre alte Flaschenpost abzuholen? Warum hat man ihm den Brief nicht einfach per Kurier geschickt?“

Meg seufzte. „Davon wollte mein Chef gar nichts hören. Er will so viel Publicity bekommen wie möglich.“

Sam runzelte die Stirn. „Publicity?“

„Er möchte, dass in allen Medien über Magnetic Rendezvous berichtet wird, damit mehr Gäste hierher kommen. Zurzeit ist der Umsatz nämlich alles andere als gut, denn der Wettbewerb in der Tourismusbranche ist sehr hart.“

Daher wehte also der Wind! „Das ist wirklich unverfroren.“

„Allerdings – typisch Fred! Er will, dass ich mit diesem Millionär und der Flaschenpost im Fernsehen und auf den Titelblättern sämtlicher Zeitungen zu sehen bin. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich darauf besonders freue“, fügte sie hinzu und seufzte erneut.

„Dieser … dieser Millionär …“ Sam verstummte, denn es war ihm unangenehm, dass er Meg gegenüber nicht ehrlich war.

Sie stieg aus und lächelte ihn an. „Ehrlich gesagt, ich möchte jetzt noch gar nicht an ihn denken. Und Sie sollten sich beeilen, sonst verpassen Sie noch das Mittagessen.“

Sam stieg ebenfalls aus und ging zur Ladefläche des Mini-Mokes, wo Meg gerade Schnorchel und Schwimmflossen einsammelte. „Ich glaube, ich muss Ihnen etwas erklären.“

„Und was?“

Er betrachtete sie. Megs Schönheit wirkte so natürlich und unberührt wie die Insel. Sag es ihr, drängte ihn eine innere Stimme. Er atmete tief ein. „Es geht darum, warum ich hier auf der Insel bin.“

Sie hielt inne und wandte sich um. Stirnrunzelnd blickte sie ihn an. „Jetzt bin ich aber wirklich gespannt.“ Sanft berührte sie sein Handgelenk. „Du meine Güte! Ich habe die ganze Zeit auf Sie eingeredet und kann mich noch nicht einmal an Ihren Namen erinnern!“

„Ich heiße Sam.“

„Gut, Sam.“ Sie sah ihn mit ihren faszinierenden Augen direkt an. „Heraus mit der Sprache.“

Wieder trafen sich ihre Blicke, und erneut hatte er das unerklärliche Gefühl, dass es irgendeine Verbindung zwischen ihnen gab. Er spürte die Wärme von Megs Hand, die noch immer auf seiner lag. Keiner von ihnen rührte sich.

Sam wünschte, er hätte seine Gefühle besser unter Kontrolle. Normalerweise war er immer selbstsicher und Herr der Lage, wenn er eine Frau kennenlernte. Viele Leute betrachteten ihn sogar als Experten in diesen Dingen. Doch jetzt wusste er nicht, wie ihm geschah.

Plötzlich übermannte ihn wie aus heiterem Himmel der Wunsch, Meg zu küssen. Unwillkürlich beugte er den Kopf ein wenig zu ihr herunter. Zu seiner Überraschung wich sie nicht zurück. Als er noch etwas näher kam, hob sie kaum merklich das Gesicht, und ihre Lippen berührten sich.

Es war kein Kuss, wie ihn sich Liebespaare gaben, aber er war auch mehr als nur rein freundschaftlich. Außer ihren Lippen und Megs Hand, die noch immer auf seiner lag, gab es keine Berührung zwischen ihnen. Sam hob den Kopf und lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln. Er spürte noch immer die Wärme ihrer Lippen auf seinen, und sein Herz schlug heftig.

Plötzlich wich Meg einen Schritt zurück und sah ihn verwirrt und empört an. „Ich … normalerweise küsse ich keine Gäste – das ist einer meiner Grundsätze.“

Sie klang atemlos und so sexy, dass Sam vorsichtshalber einen Schritt zurücktrat. „Ich werde es niemandem erzählen.“

Schnell nahm Meg einen Arm voll Schwimmflossen und presste sie wie zum Schutz an sich. „Sie wollten mir doch etwas Wichtiges darüber erzählen, warum Sie hierher gekommen sind“, erinnerte sie ihn kühl.

„Wie schon gesagt, interessiere ich mich sehr für Meeresbiologie. Doch leider hatte ich noch nicht viele Gelegenheiten, um mich intensiv damit zu befassen. Deshalb würde ich sehr gern mehr über die Tier- und Pflanzenwelt hier am Riff erfahren, über Unterwasserfotografie, Seewasseraquarien und so weiter. Sie könnten meine Privatlehrerin werden.“

„Das halte ich für keine gute Idee.“ Sie warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Gehen Sie jetzt duschen und dann zum Mittagessen“, wies sie ihn an wie ein kleines Kind.

Sie schien so wütend zu sein, dass Sam sein Vorhaben, ihr die Wahrheit zu sagen, beinah aufgegeben hätte. Doch aus irgendeinem Grund war es ihm wichtig, dass sie nicht schlecht von ihm dachte, und so beschloss er, es trotzdem zu tun.

Eine Schwimmflosse fiel ihr aus dem Arm. Sam bückte sich und hob sie auf. „Meg, was ich Ihnen sagen wollte … dieser VIP-Gast, den Sie erwarten …“

Misstrauisch blickte sie ihn an. Ihre grauen Augen wurden dunkel. „Wollen Sie etwa sagen, dass Sie das sind?“

„Ich fürchte, ja.“

Sie wurde rot, doch er wusste nicht, ob sie verlegen oder empört war.

„Es tut mir wirklich leid. Ich wollte es Ihnen schon viel früher sagen.“

„Ich habe Sie nicht davon abgehalten“, erwiderte sie kühl.

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten. Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen. Doch erst als...
Mehr erfahren