Die Geliebte des Gladiators

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Rom, 65 v. Chr.: Wie kein Mann zuvor weckt Valens der Thraker die Leidenschaft der schönen Patriziertochter Julia Antonia. In den starken Armen des berühmten Gladiators verspürt sie nie gekannte Gefühle der Lust. Und auch wenn er ein Sklave ist und die strengen Gesetze Roms eine gemeinsame Zukunft verbieten: Julia kämpft für das, was die Stimme ihres Herzens ihr rät. Und macht dabei eine aufsehenerregende Entdeckung: Valens ist nicht der, für den die Römer ihn halten...


  • Erscheinungstag 28.12.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787233
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. Kapitel

Rom, 65 v. Chr.

Wer war dieser Mann? Und – wichtiger noch – woher kannte sie ihn?

Verstohlen musterte Julia Antonia den Hühnen, der lässig im Säulengang des Thermalbades stand und sich in aller Ruhe umsah. Unter der auffällig kurzen Tunika schauten zwei kräftige Beine hervor, und auch die breiten Schultern fielen ins Auge. Wirklich in den Bann gezogen wurde sie aber von diesem ausdrucksstarken Gesicht, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Seine Stimme hatte sie allerdings noch nie gehört.

Als ihre Blicke sich trafen, hatte sie das Gefühl, er könnte ihr bis auf den Grund der Seele schauen. Er zog eine Augenbraue hoch und nickte ihr zu. Kannten sie sich also doch? Unwillkürlich wickelte sie sich etwas fester in ihre grüne Stola, um sicherzugehen, dass sie ganz und gar das Bild einer würdevollen Römerin abgab.

Derweil war aus einer anderen Ecke das unverwechselbare Gelächter ihrer Stiefmutter Sabina Claudia zu hören – vermutlich zerstörte sie gerade wieder einmal genüsslich den guten Ruf einer angesehenen Bürgerin. Sabinas Freundinnen lehnten sich eifrig nach vorne, um auch keine einzige schmutzige Einzelheit zu verpassen, und versperrten Julia damit die Sicht. Als sie wieder freien Blick hatte, war der geheimnisvolle Mann verschwunden – als wäre er nie da gewesen.

Wieso nur kam er ihr so vertraut vor? Sie konnte schwören, dass sie einander nie begegnet waren – an diese tiefe, wohlklingende Stimme würde sie sich bestimmt erinnern. Die Lösung des Rätsels schien zum Greifen nah, wollte ihr aber einfach nicht einfallen.

„Wo bleibt nur diese Sänfte? Ich hatte ihnen doch deutlich gesagt, dass ich zur fünften Stunde abgeholt zu werden wünsche – und jetzt haben wir schon fast die sechste.“ Das Gezeter der Stiefmutter riss Julia kurz aus ihren Gedanken. „Diese unzuverlässigen Sklaven gehören ausgepeitscht.“

Sabinas Freundinnen seufzten zustimmend.

„Soll ich nachsehen, was draußen los ist? Es klingt ganz so, als wäre dort drüben kein Durchkommen.“ Julia deutete auf eine der Seitenstraßen. Eigentlich hätte sie Sabina auch in Erinnerung rufen können, dass ihr Gemahl die Sänfte genommen hatte. Vermutlich wäre das Genörgel dann nur noch schlimmer geworden, also ließ sie es lieber sein.

Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie nach draußen. Bestimmt würde sich Sabina sofort wieder ihren Freundinnen zuwenden und über das Schicksal ihrer Stieftochter klagen. „Das arme Ding. Ohne Dienerin muss sie immer alles selbst machen. Aber welche Frau ist schon so dumm, sich von einem Senator scheiden zu lassen?“ Etwas in dieser Richtung. Und wieder einmal würde über den Skandal getratscht werden, den Julia verursacht hatte.

Aufgebracht beschleunigte sie ihre Schritte, ohne dabei jedoch die Haltung zu verlieren. Sie bereute es in keinster Weise, aus der Ehe mit Lucius Gracchus geflüchtet zu sein: Der Senator besaß nicht nur harte Fäuste, sondern benutzte sie auch gerne bei seiner Frau. Eigentlich erstaunlich, dass sie überhaupt dreieinhalb Jahre bei ihm geblieben war. Sie konnte nur immer wieder Juno auf Knien danken, dass sie schließlich den Mut zur Trennung gefunden hatte.

Inzwischen war sie draußen angekommen. „Warum dieser Aufruhr?“, fragte sie einen Mann, der einen Korb Fische auf dem Kopf balancierte. Der jedoch würdigte sie keiner Antwort.

Unschlüssig, ob sie dem Lärm folgen oder sicherheitshalber lieber im Eingang des Bades stehen bleiben sollte, blickte sie die Straße hinunter. Immerhin war seit Tagen nichts Aufregendes mehr geschehen, abgesehen vom Erscheinen des gut aussehenden Fremden, der sich in der Zwischenzeit offenbar in Luft aufgelöst hatte.

„Gladiatoren“, wurde ihre Frage nun doch beantwortet – von einer auffallend wohlklingenden Stimme.

Julia wirbelte auf der Stelle herum – und stand unmittelbar vor ihm. So konnte ihr unmöglich entgehen, wie seine gewaltigen Muskeln den Stoff der Tunika spannten. Wenn sie sich doch nur erinnern könnte! Sie hob den Kopf. „Gladiatoren?“, fragte sie ratlos.

„Das Volk erwartet die Ankunft der Kämpfer. Der neue Ädil Julius Cäsar stellt das gewaltigste Spektakel auf die Beine, das Rom je gesehen hat. So viele Gladiatoren wie nie zuvor werden in der Arena kämpfen – zu Ehren von Cäsars verstorbenem Vater.“

„Ach ja?“ Sie hatte vollkommen vergessen, dass der Trubel heute beginnen sollte. Wen kümmerte das auch schon? Für die Spiele hatte sie nichts übrig – wenigstens in diesem einen Punkt wusste sie sich mit der Stiefmutter einig. „Das war mir entfallen. Nicht jeder Bürger dieser Stadt interessiert sich für die Spiele. Bist du deshalb in Rom?“

„So könnte man das sagen.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich möchte allerdings lieber über dich sprechen. Und warum du mir gefolgt bist.“

„Das bin ich nicht“, protestierte Julia scharf. „Ich bin nach draußen gelaufen, um zu sehen, warum auf einmal solch eine Unruhe herrschte.“

„Ah. Es war natürlich nur Zufall“, stimmte er ihr zu. Sein Lächeln vertiefte sich. „Du bemühst dich, meine Aufmerksamkeit zu erregen, gibst mir mit den Augen Zeichen, dass wir uns hier treffen wollen – und behauptest jetzt, ich würde mir das nur einbilden. Ziemlich dreist. Aber irgendwie auch faszinierend.“

Julia zuckte innerlich zusammen. War ihr Verhalten wirklich so leicht misszuverstehen? Sie hatte doch nur angestrengt überlegt, wo sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte! Warum fragte sie ihn jetzt nicht einfach? Sobald dies geklärt war, könnte sie den Rest mit einem Lachen abtun.

„Kennen wir uns irgendwoher?“, sprudelte es aus ihr heraus, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Dabei betrachtete sie die roten Planen des nahen Marktes, um nicht noch einmal in diese dunklen Augen blicken zu müssen. „Ich meine, dich schon einmal gesehen zu haben – mir fällt aber nicht mehr ein, wann und wo.“

„Ich bin Valens.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Wahr und wahrhaftig. Und du heißt?“

„Julia Antonia. Sollte dein Name mir etwas sagen?“ Nach wie vor rang sie um ihre Fassung. „Vielleicht solltest du mir ein bisschen mehr über dich verraten. Immerhin ist Rom die größte Stadt der Welt – da benutzen die Wenigsten nur einen Namen.“

„Man nennt mich Valens den Thraker“, antwortete er überrascht.

Über ein Dutzend Kämpfe auf Leben und Tod hatte er schon überstanden – und trotzdem fühlte er sich auf einmal unbeholfen wie ein kleiner Junge. Das Gespräch nahm ganz und gar nicht den erwarteten Verlauf. Sie war ihm von Anfang an aufgefallen. Und er hatte vermutet, dass sie ihn erkannte – schließlich war er ein berühmter Mann. Als sie ihm dann auch noch zu folgen schien, war er eigentlich auf eine weitaus erfreulichere Begegnung gefasst.

„Was aber tust du hier, wenn du ein Gladiator bist?“ Julia verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum sammelt sich keine Schar begeisterter Anhänger um dich? Bist du ein unerfahrener Neuling?“

Verdutzt strich Valens sich über das Kinn. Dass an seinen Leistungen in der Arena gezweifelt wurde, war eine völlig neue Erfahrung für ihn. „Ich war hier, um zu klären, wann wir die Bäder für unsere Pflege nutzen können.“

„Aha.“

Stirnrunzelnd sah Valens die junge Römerin an. Wusste sie wirklich nicht, mit wem sie es zu tun hatte? Eigentlich war er es gewohnt, dass die Frauen in Ehrfurcht erstarrten, wenn sie vor ihm standen. In der Regel wurde dann um ein Andenken für den Gatten oder Sohn gebeten, nur zu häufig erhielt er allerdings auch ganz eindeutige Angebote.

„Man sagt, ich sei einer der besten Gladiatoren unserer Zeit“, erklärte Valens. Normalerweise hasste er es, mit seinen Erfolgen zu prahlen – er ließ lieber das Schwert für sich sprechen. „Vermutlich hast du die Anschläge für die Spiele gesehen – sie hängen überall in der Stadt. Und an jeder Straßenecke werden kleine Figuren von mir und den anderen Gladiatoren verkauft.“

Zweifellos würde sie nun wie die anderen in Ohnmacht fallen. Er wartete auf das Unabwendbare, doch sie musterte ihn nur nachdenklich.

„Ah, daher also. Ich hatte mich schon gewundert“, stellte sie schließlich erleichtert fest. „Ich muss wohl die Figürchen gesehen haben. Das erklärt alles, denn wir sind uns offensichtlich noch nie begegnet. Ich dachte … Ach, das ist nun ja egal. Trotzdem merkwürdig – denn ich schaue mir diese Sachen eigentlich nie an. Anscheinend bekommt man doch mehr mit, als man denkt.“

Valens betrachtete sie ungläubig. Wer war diese Julia Antonia? Warum freute sie sich so offenkundig darüber, ihm nie zuvor begegnet zu sein? Er sollte jetzt besser das Weite suchen. Irgendetwas an dieser Frau ließ ihn indes wie angewurzelt stehen bleiben. War es ihre Stimme? Die Art, wie sie den Kopf hielt? Oder die natürliche Schönheit ihrer feinen Züge? Die weiblichen Rundungen, die auch ihr Gewand nicht vollkommen verbergen konnte? Was auch immer, er hätte sich nur zu gerne an eben diesen Stoffen zu schaffen gemacht. Sie daraus befreit, wie einen Schmetterling aus dem Kokon. Kein Zweifel – der Anblick würde umwerfend sein.

Plötzlich erkannte er jedoch, dass da noch mehr war: Irgendwie beunruhigte ihn diese Frau. Wahrscheinlich, weil sie ihn wie einen ganz normalen Menschen behandelte. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert, erst recht nicht bei einer Römerin ihres Standes.

Seit er vor viereinhalb Jahren den ersten Titel als Gladiator gewonnen hatte, wurde er entweder als Gott verehrt oder wie der niederste Sklave behandelt. Er war weder das eine noch das andere, sondern erfüllte lediglich seine Aufgabe als Kämpfer.

Es musste eine üble Laune des Schicksals sein, ihn ausgerechnet auf dem Gipfel seines Ruhmes darauf aufmerksam zu machen, dass es auch außerhalb der Arena ein Leben gab.

„Ich dachte, du hättest das Abzeichen auf meinem Umhang erkannt“, unternahm er einen erneuten Versuch. Er deutete auf eine goldene Schnalle an seinem Gürtel.

Sie warf einen Blick darauf. „Ein Löwe mit einem Speer … Tut mir leid, das sagt mir gar nichts.“

„Es ist das Symbol für die Schule von Strabo – eine der bedeutendsten ihrer Art.“

Immer noch sah sie ihn belustigt an. Wenigstens umspielte inzwischen auch ein kleines Lächeln ihre aufregend vollen Lippen. Valens entspannte sich zunehmend. Das Missverständnis ließe sich hoffentlich ohne Schwierigkeiten auflösen. Julia würde ihn nicht für einen wüsten Aufschneider halten, sondern erkennen, dass er ein ehrenhafter Gladiator war, der einfach nur einen Fehler gemacht hatte. Er wunderte sich darüber, dass es ihn überhaupt kümmerte – doch das tat es.

„Jetzt verstehe ich. Irgendwie ergibt das tatsächlich einen Sinn.“ Julias Lächeln war nun deutlich freundlicher. Nach wie vor aber überschlugen sich die Gedanken in ihrem Kopf. Das konnte ja nur ihr passieren – ein Gladiator glaubte, sie hatte ihn ermutigen wollen. Diese Kämpfer galten in Rom beinah als Götter, seit Tagen sprach die ganze Stadt über sie. An jeder Straßenecke konnte man die kleinen Figuren von ihnen kaufen.

Ohne sich großartig anstrengen zu müssen, fielen ihr spontan mindestens ein Dutzend Frauen ein, die ihre beste Stola opfern würden, um jetzt an ihrer Stelle zu sein. Sie hingegen wollte diesem Gladiator nur eine Lektion erteilen: Er sollte nicht glauben, dass jeder Blick von einer Frau sofort einer Einladung in ihr Bett gleichkam. Allerdings ärgerte es sie, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Denn dann wäre es nie zu dieser peinlichen Situation gekommen. Bei Juno – was musste er nur von ihr gedacht haben?

„Was ergibt irgendwie Sinn?“, fragte er und kreuzte die Arme vor der Brust, wie um seine beeindruckenden Muskeln noch mehr zu betonen.

„Warum du glaubst, alle Frauen würden dich mit ihren Augen zu geheimen Treffen einladen. Mir ist klar, dass viele für euch Kämpfer schwärmen – ich zähle aber nicht dazu. Trotz meiner einundzwanzig Jahre bin ich bisher gut ohne derartiges Verhalten ausgekommen. Auch die Spiele als solche sind mir in jeder Hinsicht gleichgültig.“

Zweifelnd hob er eine Augenbraue.

„Nicht jeder ist dafür zu begeistern, musst du wissen“, versetzte sie ihm einen weiteren Tiefschlag. „Ich wollte mich lediglich nach der Sänfte meiner Stiefmutter umschauen.“

„Dich interessieren die Spiele nicht?“ Mit aufgerissenen Augen sah Valens sie an und schüttelte den Kopf. „Das glaube ich dir einfach nicht.“

„Ist das etwa ein Verbrechen?“ Allmählich gefiel ihr diese Unterhaltung, es fühlte sich gut an, so offenherzig ihre Meinung zu sagen. Auf seinem Gesicht hatte sich ungläubiges Erstaunen breitgemacht. Fast schien er ihr ein wenig geschrumpft – von einem Halbgott zu einem ganz normalen menschlichen Wesen. „Oder verstoße ich damit gegen irgendein Gesetz?“

„Das nicht“, antwortete er, während er sich verlegen durch das dichte dunkle Haar fuhr. „Bei allen Göttern, natürlich nicht. Es überrascht mich nur, da ansonsten alle Römer wegen der Spiele verrückt spielen und über nichts anderes mehr reden.“

„Ach, tatsächlich? Ich persönlich hatte bislang durchaus den Eindruck, dass man auch über den Senat oder die jüngsten Erfolge unserer Legionen spricht. Der Alltag besteht nicht nur aus Schaukämpfen zur Belustigung des Volkes. Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und bislang noch nie den Drang verspürt, in den Circus zu gehen.“

Das hatte ihm wohl den Rest gegeben, jedenfalls schien ihm keine Erwiderung mehr einzufallen. Julia musste sich beherrschen, um nicht vor Freude in die Hände zu klatschen. Sie war aus dem langen Schatten ihrer unglücklichen Ehe getreten und hatte einen gefeierten Gladiator zurechtgestutzt. Er konnte ihr nichts mehr entgegensetzen, sie hingegen triumphierte. Die neue Julia Antonia war geboren!

„So hatte ich es auch nicht gemeint. Es war einfach nur dahergesagt.“ Er strahlte sie mit einem gewinnenden Lächeln an. Als er sie dann auch noch sanft am Ellbogen berührte, schlug ihr Herz ein wenig schneller. „Kannst du mir verzeihen?“

„Ja, ich verzeihe dir.“ Damit sollte sie es bewenden lassen und erhobenen Hauptes ihrer Wege gehen. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich muss mich um die Sänfte nach Hause kümmern.“

Sie machte einen Schritt zurück, wobei ihre Sandale auf den buckligen Pflastersteinen wegrutschte, und fiel lang hin. Ihre Habseligkeiten verstreuten sich überall auf dem Boden. Mit kräftigen Händen packte er Julia schnell und zog sie wieder auf die Füße.

„Bist du verletzt?“ Er sah ernsthaft besorgt aus, und für einen Augenblick legte sie den Kopf an seine breite Brust. „Du bist mit einem Fuß zwischen zwei Steinen gelandet.“

„Mir geht es gut.“ Geschickt befreite Julia sich aus seinen Armen und bückte sich, um die Sachen zusammenzusammeln. Sie warf alles in ihre Schultertasche, doch zwei Dinge fehlten: eine Haarnadel und ein Flakon edelsten Parfüms. Als sie die Nadel erspähte, sank ihr der Mut, weil das Schmuckstück mitten auf Valens’ Sandale gelandet war. Verlegen las sie sie auf. Das sah ihr wieder ähnlich – ein perfekter Abgang wurde durch ihre Ungeschicklichkeit ruiniert. Sie hatte dem Mann eine Lektion erteilen wollen und lag ihm jetzt im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen! „Allerdings ist mir anscheinend mein Duftwasser verloren gegangen.“

Vorsichtshalber drehte sie sich zum Eingangsportal des Badehauses um – doch Sabina und ihr Tross waren bereits fort. Julia konnte sich ausmalen, dass die Stiefmutter mit einer handfesten Standpauke auf sie warten würde. Allerdings war ihr das jetzt gleichgültig, vorerst plagten sie ganz andere Probleme.

Als sie den umgeknickten Fuß belastete, konnte sie sich ein Stöhnen nicht verkneifen. Valens war indes schnell an ihrer Seite und stützte sie, damit sie nicht ein weiteres Mal hinfiel.

„Du hast ja doch Schaden genommen!“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, kniete er sich hin und wärmte ihr mit den Händen das Gelenk. Julia konnte spüren, wie ihr die Hitze langsam die Beine hochstieg. Sie sollte ihn unbedingt davon abhalten – nur irgendwie wollten ihr die entsprechenden Worte nicht über die Lippen kommen. Er schob den Saum ihres Gewandes beiseite, um noch besser an den bereits angeschwollenen Knöchel heranzukommen. Dabei ging er überaus vorsichtig vor.

„Ist auch das Knie in Mitleidenschaft gezogen? Oder nur der Fuß?“

„Nein, nur mein Fuß“, antwortete sie atemlos. Sie meinte immer noch seine Brust an ihrer Wange zu spüren.

„Das ist gut.“ Mit durchdringendem Blick sah er sie an, bis sie diesem nicht mehr standhalten konnte. Mit gespieltem Interesse musterte sie stattdessen den Stand eines Wollhändlers auf dem Markt gegenüber. „Dennoch will ich mich lieber vergewissern, dass du dich nicht schwer verletzt hast.“

Julia spürte einen Stich im Herzen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sich zuletzt jemand so selbstlos um sie gekümmert hatte. Seine Stimme klang tatsächlich besorgt – und die sanften Hände dieses Fremden waren zärtlicher zu ihr als die von Lucius während ihrer gesamten Ehe. Sie musste schlucken.

„Ich habe mir nur den Knöchel verdreht, nichts weiter.“ Trotz ihrer inneren Unruhe bemühte sie sich um einen möglichst gleichgültigen Tonfall. Dabei blieb ihr Blick auf den dunklen Locken haften, die ihm bis auf die Tunika fielen, während er immer noch die Verletzung untersuchte. Als sie ihre Fassung wiedererlangt hatte, versuchte sie sich ihm zu entziehen. „Ich komme schon zurecht. Außerdem möchte ich mir nicht den Unmut deiner weiblichen Anhänger zuziehen. Die warten bestimmt schon auf dich …“

Valens hingegen ließ sich nicht stören. Anstatt sie gehen zu lassen, tastete er vorsichtig den ganzen Fuß bis hinauf zur Wade ab. Behutsam drehte er ihn dabei in die eine oder andere Richtung, ohne ihr wehzutun. Wieder spürte Julia, wie ihr heiß wurde – was sie bis ins Mark erschreckte, aber irgendwie auch sehr aufregend war.

Allmählich konnte sie verstehen, was die Dichter meinten, wenn sie von der geheimnisvollen Anziehungskraft schrieben, die einen ganz plötzlich überwältigte. Derartige Gefühle hatte noch nie zuvor ein Mann in ihr ausgelöst. Dabei wusste sie überhaupt nichts über ihn – abgesehen davon, dass er als Gladiator die Massen begeisterte. Verwirrt sah sie ihn an. Warum nur fühlte sie sich wegen einer Knöchelverletzung plötzlich leicht wie eine Feder?

„Ich denke, ich habe meine Schuldigkeit für heute bereits getan“, scherzte er als Antwort auf ihre kleine Spöttelei. „Außerdem hätte ich mir keinesfalls die Gelegenheit entgehen lassen wollen, einen so vollendeten Fuß abtasten zu dürfen.“

Dabei schenkte er ihr ein so warmes Lächeln, dass ihr die Knie nachzugeben drohten. Am liebsten hätte sie die Hände mit seinem vollen Haar verflochten. Sie musste um ihre Beherrschung ringen – ansonsten drohte sie zu Wachs in den Händen dieses Mannes zu werden. Dann aber wäre sie keinen Deut besser als all die Frauen, die sich nach den Kämpfen den siegreichen Gladiatoren anboten.

Julia entzog sich der Berührung.

„Du bist ein schamloser Schmeichler – noch nie zuvor hat jemand meine Füße gepriesen.“

„Dann wurde es aber höchste Zeit.“ Er lachte, schaute aber sofort wieder ernster drein. „Wie fühlt sich der Knöchel an? Besser?“

„Ach, es ist wirklich ganz harmlos – nach wenigen Schritten werde ich nichts mehr spüren.“

Sie zwang sich, die Schmerzen einfach zu verdrängen. Dabei tat die leichteste Belastung so weh, dass sie hätte weinen können. Doch es musste ganz einfach sein …

„Meiner Meinung nach sieht es deutlich schlimmer aus – du kannst mit dem rechten Fuß ja kaum auftreten.“ Er stand auf und hob ihr Kinn an. „Deine Lippen sind vor Schmerz ganz weiß angelaufen.“

Julia hatte auf einmal das Gefühl, als würde ihr das Herz stehen bleiben. Für einen Augenblick konnte sie nicht anders, als nur seine breite Brust anzuschauen, während er den Blick bewundernd über sie schweifen ließ. Ihre Lippen zitterten – würde er sie jetzt tatsächlich küssen? In aller Öffentlichkeit? Dieser Gedanke brachte sie nun doch zur Vernunft. Endlich war sie wieder Herrin ihrer Sinne.

Sie senkte den Kopf und unternahm den letzten Versuch eines würdevollen Abgangs.

„Es ist gar nicht mehr so schlimm“, log sie und zwang sich dabei zu einem unbeschwerten Lächeln. Schließlich war sie eine stolze Römerin und keine Hure. Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Das Forum liegt nur ein paar Straßen weiter. Von dort ist es nicht weit nach Subura und zu unserem Heim. Wenn ich langsam gehe, werde ich es schon schaffen.“

Sie gab sich Mühe, den eigenen Worten zu glauben – und nicht die Schritte zu zählen, die ihr bevorstanden.

„Um dann vor jemand anderem zusammenzubrechen? Subura ist mindestens eine Meile von hier entfernt – was glaubst du denn, wie weit du kommst, wenn du so humpelst? Du wärst ein leichtes Opfer für jeden Straßendieb“, entgegnete er finster.

Julia schlug das Herz inzwischen bis zum Hals. Am liebsten hätte sie ihn umarmt – endlich einmal kümmerte sich jemand um ihr Wohlergehen. Sie war nicht allein.

„Julia! Julia, im Namen aller Götter – was machst du hier?“, rief die heraneilende Sabina und griff schließlich nach dem Arm der Stieftochter. Dabei geriet Julia dermaßen ins Taumeln, dass nur Valens’ haltender Griff einen erneuten Sturz verhinderte. „Dein Vater war doch noch so reizend, die Sänfte zu schicken“, redete Sabina unbeirrt weiter.

„Ich … das ist …“ Julia musste schlucken. Zu dumm, dass Sabina ausgerechnet auftauchte, als es gerade aufregend zu werden versprach.

„Sie ist gleich nach deinem Verschwinden eingetroffen, ich musste überall nach dir suchen.“ Nach wie vor schien ihre Stiefmutter wütend zu sein, wie ihre immer schriller werdende Stimme verriet. „Schlimm genug, dass dein Vater unsere einzige Sänfte nimmt – ausgerechnet an einem Tag, an dem ich mich mit Livia treffen wollte. Und dann bist auch du noch auf einmal verschwunden. Wenn du schon nicht an deinen eigenen Ruf denkst, dann wenigstens an den deiner Familie.“

„Ich habe mir den Knöchel verletzt – und dieser Mann war so nett, mir zu helfen.“ Julia konnte nur hoffen, dass Valens’ Berührungen Sabinas Aufmerksamkeit entgangen war. „Dafür warst du ja offenbar zu beschäftigt.“

Sabina schien Valens erst jetzt überhaupt zu bemerken. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie seine kurze Tunika und den edlen Umhang.

„Und wer bist du?“, fragte sie schließlich argwöhnisch.

„Valens der Gladiator. Zu deinen Diensten.“ Er verbeugte sich.

„Julia, wie konntest du nur? Ein Gladiator“, flüsterte Sabina aufgebracht. „Du hattest doch versprochen, für keine weiteren Skandale mehr zu sorgen. Gib Mettalius gefälligst keinen Anlass, seinen Heiratsantrag zurückzuziehen.“

„Seit wann ist es ein Skandal, wenn man hinfällt?“, erwiderte Julia und hielt dem scharfen Blick der Stiefmutter stand. Sie musste auf der Hut sein, wenn sie eine Strafpredigt vermeiden wollte. Während Sabina sie zweifelnd musterte, sah Julia sie mit großen Augen treuherzig an. „Es ist wahr – Valens hat mir nur geholfen. Als Einziger.“

„Bitte verschone mich damit.“ Müde winkte Sabina ab, bevor sie sich wieder Valens zuwandte. „Sie ist nun in guten Händen, meine Sklavin und ich werden sie nach Hause bringen. Für deine Hilfe sei dir gedankt.“

Valens hob eine Augenbraue und sah Sabina mit aller Ruhe an.

„Erwartest du eine Belohnung?“, fragte sie schließlich durch zusammengepresste Lippen. „Galla …“

„Behalt dein Geld“, antwortete Valens steif. „Ich wollte nur helfen.“

Julia wünschte, dass sich die Erde öffnen und sie verschlingen möge. Wie konnte ihre Stiefmutter nur so unfreundlich sein? „Vielen Dank. Du hast mir wirklich sehr geholfen.“

Er nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. Julia hätte schwören können, dass ihr Herzklopfen bis ins Forum zu hören war.

„Julia, wir müssen jetzt endlich gehen. Dir scheint nicht klar zu sein, was ich heute noch alles zu erledigen habe.“

Verlegen zog Julia die Hand zurück, die von seiner Berührung beinah zu brennen schien.

„Es war mir eine Freude.“ Er lächelte tiefgründig. „Wenn ich das vermisste Fläschchen finde, werde ich es dir zurückbringen.“

Julia warf ihm noch einen dankbaren Blick zu, bevor sie von Stiefmutter und Sklavin gestützt zur Sänfte humpelte. Urplötzlich begann es zu regnen, sodass die Händler die Waren zusammenraffen und ihre Stände schließen mussten.

Den Wetterumschwung und Sabinas Beschwerden nahm Julia allerdings kaum wahr, denn sie konnte nur an Valens denken – dieses warme Lächeln und seine Hände auf ihrer Haut. Insgeheim hoffte sie, er würde den verloren gegangenen Parfümflakon finden. Und damit einen Vorwand haben, sie wiederzusehen.

2. Kapitel

Valens sah den beiden Frauen hinterher, bis sie in dem Gedränge nicht mehr auszumachen waren. Julia war wirklich eine bemerkenswerte Frau. Noch immer hing ihr Duft in der Luft – eine blumige Note von Lavendel mit Anklängen an Rosen, die ganz hervorragend zu ihr passte.

Derlei Ablenkungen konnte er zurzeit überhaupt nicht gebrauchen. Er musste sich auf die Spiele vorbereiten – ständige Gedanken an süße Versuchungen störten da nur. Vor ihm lag der wichtigste Kampf seines Lebens. Wenn ihm die Götter gnädig waren, auch der letzte. Danach wollte er sich in Ehren zurückziehen. Nur zu oft hatte er indes erlebt, was mit denen passierte, die in der Arena nicht vollkommen bei der Sache waren.

Er wickelte sich noch enger in den Umhang und stemmte sich gegen den peitschenden Regen. Gerade wollte er gehen, als er zwischen zwei Pflastersteinen einen kleinen Flakon entdeckte. Als er diesen aufhob, konnte er die schwach eingeritzten Initialen J.A. erkennen – ob das wohl für Julia Antonia stand? Nachdenklich sah er in die Richtung, in die sie verschwunden war.

„Entschuldigung, ist das ein Gladiatoren-Abzeichen?“, lispelte ein kleiner Junge aufgeregt. „Ich habe letztes Jahr in Capua einige Kämpfe mit meinem Vater gesehen – ein tolles Spektakel. Wer bist du denn? Ich sammle nämlich die Figuren. Einen Samniten habe ich schon, und meine Mutter hat mir Valens den Thraker geschenkt, bei dem ich sogar die Arme bewegen kann.“

Unentschlossen schaute Valens auf den Jungen hinunter, der ihn bewundernd anstrahlte. Schließlich schob er das Fläschchen unter den Gürtel. Jetzt musste er wieder ein Gott sein.

Nachdenklich spielte Julia mit ihrem Schreibgriffel herum. Wie sollte sie nur Claudia von der Begegnung mit Valens berichten? Zweifellos würde ihre beste Freundin sie mit endlosen Fragen bestürmen – da schien es ratsam, sich schon vorher passende Antworten zu überlegen. Aber was konnte sie schon sagen? Schließlich stand sie ja selber vor einem Rätsel. Dass Claudia eine glühende Bewunderin der Gladiatoren war, machte die ganze Angelegenheit zudem noch ein wenig schwieriger.

„Ich weiß, Bato.“ Der in die Jahre gekommene Windhund winselte traurig. „Was schreibe ich denn nun?“

Bato antwortete mit einem scharfen Bellen und versteckte danach die Schnauze unter seinen Pfoten. Bei diesem Anblick musste Julia einfach lachen.

„Das werde ich auch machen, wenn Claudia zu neugierig wird.“ Sie nahm wieder den Griffel zur Hand, hatte aber noch keine drei Worte geschrieben, als plötzlich ein mächtiger Lärm losbrach. „Was ist da draußen nur los, Bato? Haben sich denn alle Götter gegen mich verschworen?“

Sie humpelte zur Tür – nur um diese von ihrer aufgebrachten Stiefmutter geradezu aus der Hand gerissen zu bekommen.

„Das ist allein deine Schuld“, schimpfte Sabina. „Hörst du diesen Aufruhr? Warte nur, bis dein Vater nach Hause kommt!“

„Worum geht es denn?“ Julia verschränkte die Arme und blickte die Stiefmutter herausfordernd an. Sie konnte sich nicht vorstellen, was sie nun wieder angestellt haben sollte. Tatsächlich fühlte sie sich vollkommen unschuldig. Dies schien Sabina jedoch anders zu sehen. „Seit wir aus den Thermen zurück sind, habe ich den Raum nicht verlassen. Was immer da draußen los ist – ich habe nichts damit zu tun.“

Sabina schnappte einige Male nach Luft, doch dann brach es ungehemmt aus ihr heraus.

„Der Gladiator, mit dem du heute Morgen gesprochen hast – er steht vor dem Tor.“ Anklagend deutete sie auf Julia. „Ich werde nicht zulassen, dass deine zweifelhaften Freunde unsere Ruhe stören. Wenn du auf den Marktplätzen mit ihnen sprechen musst – bitte. Auf diesem Anwesen werde ich hingegen keinen Infamis dulden. Denn nichts anderes sind Gladiatoren. Entehrte, die niedersten Menschen. Wesentlich schlimmer noch als Schauspieler. Und, bei Juno, selbst die habe ich nie in unser Haus gelassen. Nicht einmal zu unserer Zerstreuung.“

„Der Gladiator?“ Unsicher fasste Julia sich an den Hals. Er war hier – Valens! Sie musste daran denken, wie er ihren Knöchel beinahe gestreichelt hatte, und spürte wieder diese Wärme in sich aufsteigen. Entsprechend schwer fiel ihr das gespielt gleichgültige Schulterzucken. „Vermutlich hat er nur mein verloren gegangenes Parfüm gefunden und will es zurückgeben. Deswegen musst du nicht gleich das ganze Haus in Aufruhr versetzen.“

„Er scheint zu glauben, du hättest ihn zu uns gebeten.“ Sabina sah sie triumphierend an. „Dein Vater wird außer sich sein vor Wut. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was Mettalius denkt, wenn er davon hört. Du scheinst keine Vorstellung davon zu haben, was sein Antrag bedeutet – viele Frauen wären begeistert, wenn sie ihre Familie mit der seinen verbinden könnten. Er ist der kommende Mann im Senat.“

„Wo ist Vater?“ Inzwischen war Julia doch ein wenig mulmig zumute. Hatte sie irgendetwas gesagt, das Valens als Einladung hätte deuten können? Hastig ging sie ihr Gespräch noch einmal Wort für Wort durch, auf etwas Missverständliches stieß sie dabei allerdings nicht.

„Du hast Glück, denn er ist gerade im Gymnasium. Ich schätze, dir bleibt etwa eine halbe Stunde, um deinen liebeskranken Gladiator loszuwerden. Dann nämlich dürften dein Vater und Mettalius zum Abendmahl eintreffen.“

„Mettalius wird mit uns essen? Warum hat mir das niemand gesagt?“ Fieberhaft überlegte sie, mit welcher Ausrede sie dem Speisesaal fernbleiben konnte. Dieser Tag wurde mit jedem Wort aus Sabinas Mund nur noch schlimmer. Am besten schob sie einfach den verletzten Fuß vor und begab sich zur Ruhe.

„Er hat uns zur fünften Stunde eine Nachricht zukommen lassen. Ich erwarte, dass du großartig aussiehst – und versuch gar nicht erst, dich mit irgendeiner fadenscheinigen Entschuldigung vor dem Essen zu drücken. Dein Vater weiß schon, was gut für dich und die Familie ist. Denk nur an Mettalius’ Macht und Einfluss.“

Und wie stand es mit seinem lichten Haupt? Oder der hohen Fistelstimme? Julia konnte sich gerade noch zügeln, diese Eigenschaften laut aufzuzählen.

„Damit wir uns recht verstehen: Wenn du mir einen Strich durch die Rechnung machst, wird dein Köter verschwinden.“

Bato fletschte die Zähne und knurrte leise.

„Das würdest du nicht wagen!“ Julia griff nach dem Halsband des Hundes und starrte die Stiefmutter feindselig an. „Ruhig, Bato, ist ja gut. Sie meint es doch nicht ernst.“

„Das werden wir ja sehen“, tönte Sabina verächtlich. „Und jetzt sorg gefälligst dafür, dass der Gladiator verschwindet. Danach unterhalten wir uns weiter – vielleicht sollte ich dich daran erinnern, was das letzte Mal passierte, als du meine Pläne durchkreuzt hast.“

Julia biss sich auf die Zunge. Oh ja, das konnte sie nicht so leicht vergessen. Sabina hatte die Orakel befragt und anschließend für Julias Vermählung mit Lucius gesorgt.

Sie versteckte den Brief an Claudia unter einigen Papyrusrollen. Sabina musste ja nicht erfahren, was ihrer Stieftochter durch den Kopf ging. Dann schnalzte Julia kurz mit der Zunge. „Komm, Bato, alter Junge. Wir müssen uns einen Gladiator vorknöpfen.“

Geduldig stand Valens am Tor. Seine Kopfschmerzen nahmen stetig zu. Nachdem er unzählige Fragen von Bewunderern beantwortet hatte, war er ins Lager zurückgekehrt. Dort aber musste er feststellen, dass der Sklavenaufstand des Spartacus selbst nach Jahren noch Auswirkungen zeitigte – es gab ein neues Gesetz, dass nie mehr als drei Gladiatoren in einem Haus untergebracht sein durften.

Jetzt wollte er einfach nur seine Sachen in seine neue Unterkunft hier bringen und das nächste öffentliche Bad aufsuchen. Nach diesem ereignisreichen Tag brauchte er unbedingt etwas Ruhe und Erholung. Dass seine Gastgeber über eigene Bäder verfügten, war eher unwahrscheinlich, denn diesen Luxus konnten sich nur die reichsten Patrizier leisten.

Als er Strabo und Cäsar verließ, schien die Frage seiner Unterbringung eigentlich geklärt – tatsächlich aber wurde er von der Gastfamilie offenbar nicht erwartet.

Zu allem Überfluss stand er auch noch im Regen, was seine Laune weiter verschlechterte. „Aber mein Kommen wurde angekündigt“, versuchte er zum wiederholten Mal dem Sklaven am Tor klarzumachen. Am liebsten hätte er den alten Mann kräftig durchgeschüttelt, doch er konnte sich gerade noch beherrschen.

„Mir ist nichts von so einem …“, setzte der gerade wieder an.

„Danke, Clodius. Ich werde das jetzt regeln“, hörte Valens auf einmal eine vertraute Stimme sagen.

Die Frau vom Marktplatz. Julia Antonia! War das ein Zeichen der Götter?

Ein Sonnenstrahl durchbrach die Wolkendecke und tauchte sie in strahlendes Licht. Jetzt trug sie ihr Haar unbedeckt und sah sogar noch umwerfender als wenige Stunden zuvor aus.

„Endlich jemand Vernünftiges.“ Valens zeigte offen seine Freude über das schnelle Wiedersehen, Julia erwiderte sein Lächeln indes nicht. Stattdessen musterte sie ihn eher misstrauisch – er brauchte also etwas, um das Eis zu brechen. Er griff in seine Tasche. „Hier, ich habe dein Parfüm gefunden. Es war ein Stück die Straße hinuntergerollt.“

Er reichte ihr das Fläschchen und wurde dafür immerhin mit einem warmen Lächeln belohnt. Sie streckte die Hand nach dem Flakon aus. Als sie Valens dabei leicht berührte, durchzuckte es ihn wie ein Blitz.

Trotzdem ließ er sich nichts anmerken, sondern sah ihr in die Augen und lächelte strahlend.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sie noch stundenlang anschauen können, doch ein schmaler Windhund bereitete dem Zauber des Augenblicks ein Ende. Erst lugte das Tier vorsichtig hinter Julia hervor, traute sich dann aber zu ihm. Es stupste ihn mit kalter Schnauze an, und Valens kraulte ihn willig an den Ohren. Vergnügt jaulte der Hund auf und rieb sich an seinem Bein.

„Bato, komm hierher“, schimpfte Julia und zog kräftig am Halsband des Hundes. Verlegen wandte sie sich wieder dem unerwarteten Besucher zu. „Es tut mir sehr leid – normalerweise ist er Menschen, vor allem Männern, gegenüber sehr scheu. Es ist mir ein Rätsel, warum er sich auf einmal so aufführt. Bato, sitz!“

Der Hund aber gehorchte nicht und leckte eifrig am Fuß seines neuen Freundes.

Valens glaubte für einen Augenblick das Tier wiederzuerkennen – so sehr glich es dem, das er vor mehr als fünf Jahren zurücklassen musste, als er zu Kämpfen nach Nordafrika aufbrach. Allerdings konnte es dermaßen viele Zufälle auf einmal kaum geben …

„Das macht doch nichts. Es ist ja niemandem etwas passiert.“ Während Valens das sagte, ließ er Julia nicht aus den Augen. „Ich mag Hunde sehr gerne – als kleiner Junge hatte ich selber einen. Ist Bato bei dir, seit er ein Welpe war?“

Endlich gewann Julia die Selbstsicherheit zurück. „Ursprünglich gehörte er meinem ehemaligen Gemahl. Angesichts seiner Launen entschied sich Bato aber beizeiten, mein Hund zu sein und mich gegen das Herrchen zu verteidigen. Als ich die Ehe beendete, blieb er also bei mir. Seither weicht er kaum von meiner Seite. Nur in die Bäder folgt er mir nicht.“

„Ein schlaues Kerlchen“, erwiderte Valens mit einem Augenzwinkern und nahm befriedigt zur Kenntnis, dass sie ein wenig errötete. Sogar ein kleines Lächeln meinte er auszumachen.

Er betrachtete sie mit dem Blick eines Mannes, dessen Leben zuweilen von einer untrüglichen Menschenkenntnis abhing. Obwohl die gröbste Anspannung offenbar von ihr gewichen war, beobachtete sie ihn nach wie vor mit einem gewissen Misstrauen.

Ein paar nette Worte würden die Wogen vermutlich endgültig glätten. Dann konnte er ihr auch den eigentlichen Grund seines Kommens eröffnen.

Er tätschelte Bato erneut den Kopf. „Ein sehr kluger Hund, stets so nah bei seiner Herrin zu bleiben.“

Julia geriet ins Grübeln und versuchte an Valens’ Gesicht abzulesen, was ihn hierhergeführt hatte – das Parfüm allein dürfte es kaum gewesen sein. Außerdem konnten sie nicht den ganzen Tag hier herumstehen und harmloses Geplauder über Bato austauschen.

Der blaue Umhang bedeckte kaum die Tunika, unter der sich sein beeindruckender Brustkorb hob und senkte. Sein dunkles Haar fiel in Locken auf breite Schultern. Und als ihr Blick ein wenig weiter nach oben wanderte, erreichte sie ein Paar dunkle Augen, in denen sie sich leicht verlieren könnte. Vorsichtshalber untersuchte sie stattdessen aufmerksam den Flakon.

Dieser Mann machte den Eindruck, als wäre er weder mit Flüchen belegt noch von Dämonen besessen. Doch auch Lucius hatte sich vor ihrer Ehe geradezu vorbildlich verhalten – um sie danach umso mehr zu peinigen.

Ungeduldig spielte sie mit dem Korken, der das Fläschchen verschloss, und wartete darauf, dass er endlich auf den Anlass seines Besuches zu sprechen kam. Doch er sagte kein Wort. Wieder ließ sie den Blick über seine beeindruckenden Schultern schweifen und malte sich aus, welch unbändige Kraft in diesen Armen stecken musste.

Vielleicht hätte sie doch lieber im Haus bleiben und Clodius alles überlassen sollen. Schließlich gehörte dies zu seinen Aufgaben. Doch von dem Diener war nichts mehr zu sehen. Sie musste die Angelegenheit also alleine in die Hand nehmen und fühlte sich deswegen plötzlich ein wenig unsicher.

Ohne nachzudenken, machte sie einen Schritt zurück ins schützende Haus. Ein Fehler – denn sofort durchzuckte sie ein Schmerz, der sie aufstöhnen ließ.

„Ich vergaß zu fragen: Was macht dein Fuß?“, erkundigte sich Valens besorgt und stützte sie vorsichtig.

Diese Berührung bescherte ihr einen wohligen Schauer und ließ alle Schmerzen vergessen. Dennoch wahrte sie Haltung und erinnerte sich selbst daran, dass ihm diese Frage eigentlich nicht zustand. Er hatte das Parfüm zurückgebracht – und jetzt musste er wieder gehen. „Schon viel besser, danke. Ich habe ihm heute Nachmittag viel Ruhe gegönnt.“

„Konntest du ihn untersuchen lassen? Womöglich bräuchte er eine Behandlung. Mir wäre es …“

„Das ist nicht nötig“, unterbrach ihn Julia.

Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass Sabina nahte und vor Wut fast zu platzen schien. Julia presste entschlossen die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Wenn sie Hilfe brauchte, um den ungebetenen Gast loszuwerden, würde sie danach rufen.

„Aber das macht doch keine Mühe“, beharrte Valens, der ihre ablehnende Geste offenbar auf sich bezogen hatte. „Die richtige Versorgung einer Verletzung kann Gold wert sein. Zu oft schon habe ich Männer sterben sehen, weil sie einem Wahrsager oder Orakel glaubten, anstatt sich einem Arzt anzuvertrauen. Glücklicherweise gibt es in unserer Gladiatorenschule einige Mediziner. Ich werde dafür sorgen, dass mein Helfer einen Blick auf deinen Fuß wirft – er kennt sich mit Knochenbrüchen und ähnlichen Beschwerden besonders gut aus.“

Unschlüssig rieb Julia sich die Schulter. Es erwies sich als gar nicht so einfach, Valens wieder fortzuschicken. Nur wollte sie das im Grunde ihres Herzens überhaupt? Wann schon kam sie einmal in den Genuss, so aufrichtig umsorgt zu werden? Doch war es den Zorn ihres Vaters wert, auf den sie sich dann wohl gefasst machen müsste?

Sie massierte sich die Schläfen, denn auf einmal wurde sie auch noch von Kopfschmerzen geplagt. Das war ein Zeichen der Götter – sie musste Valens loswerden. Und zwar schnell. Obwohl sie sich insgeheim wünschte, dass er blieb.

„Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte dir keine Umstände bereiten.“

„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Apollonius wird uns nachher ohnehin besuchen, um für die strenge Einhaltung meiner Diät zu sorgen. Alles nur wegen dieses neuen Gesetzes – glücklicherweise hat Cäsar es kommen sehen und entsprechende Vorkehrungen getroffen.“

Julia hatte das Gefühl, als würde jemand ihre Kehle umklammern. Seine Diät? Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Inzwischen waren die Kopfschmerzen so stark geworden, dass sie am Torrahmen Halt suchen musste.

„Ich muss mich anscheinend verhört haben! Warum sollten wir uns für deine Ernährung verantwortlich fühlen?“

„Weil ich bis zu den Spielen hier wohnen werde.“ Während er dies sagte, sah er sie mit einem beinahe mitleidigen Blick an – als hätte sie den Verstand verloren.

Das war nun endgültig zu viel für Julia. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte! Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie gehofft, dass Sabinas harsches Urteil falsch war. Jetzt aber wurden selbst ihre eigenen schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen. Seiner Meinung nach war offenbar allein ihr Gespräch vorhin eine Einladung gewesen. Sie musste diesen Irrtum um jeden Preis schnellstens korrigieren – noch bevor ihr Vater etwas davon erfuhr.

„Habe ich dich gerade richtig verstanden? Oder ist dies wieder einer deiner mäßig amüsanten Scherze? Das kann ich eigentlich nur hoffen, obwohl ich über diesen noch weniger als über den letzten lachen muss. Ich habe dich in keiner Weise hierhergebeten. Wenn du allerdings eine Belohnung für das Überbringen des Parfüms …“ Aufgebracht griff Julia nach ihrem Geldbeutel.

Plötzlich hielt sie inne. Wenn sie so weitermachte, würde sie noch wie Sabina werden. Schließlich war er nicht irgendein Sklave oder Straßenkind, das einen Obolus erbettelte, sondern einer der erfolgreichsten Gladiatoren des Imperiums!

„Das wird nicht nötig sein“, antwortete Valens ruhig. „Es war mir ein Vergnügen.“ Mit einer ausladenden Handbewegung fügte er hinzu: „Dies ist doch die Villa des Rechtsgelehrten Julius Antonius – oder etwa nicht?“

„In der Tat.“ Julia verschränkte die Arme. Er würde sie schon gewaltsam beiseiteschieben müssen, um sich Zutritt zum Anwesen zu verschaffen.

„Und er ist ein Klient des Julius Cäsar, Ädil Roms und Herr über öffentliche Vergnügungen wie die Spiele – also einer seiner Günstlinge?“ Valens sprach so langsam und betont, als hätte er es mit einem begriffsstutzigen Kleinkind zu tun.

„Cäsar ist ein Vetter zweiten Grades. Allerdings verstehe ich nicht, inwiefern das hier von irgendeiner Bedeutung sein soll“, antwortete Julia bedächtig. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken nur so durcheinander.

Offenbar hatte sie es hier doch mit mehr als nur einem kleinen Missverständnis zu tun. Sie griff nach der Halskette mit blauen Steinen, die ihr auf einmal ungewohnt schwer vorkam. Vielleicht konnte sie ja Sabina vorschieben. Es war absolut undenkbar, sich Cäsars erklärtem Wunsch zu widersetzen – selbst ihre Stiefmutter würde sich unter diesen Umständen nicht trauen, den Gladiator abzuweisen. Julius Cäsar war der Patron von Julias Vater, ohne ihn gäbe es kaum einen Mandanten für Julius Antonius. Insofern war es eine Selbstverständlichkeit, sich den Wünschen des Ädils zu beugen.

„Der Senat hat heute ein Gesetz erlassen, laut dem es die Sicherheit Roms gefährdet, wenn größere Gruppen von Gladiatoren in einem Haus untergebracht sind. Seit dem Aufstand des Spartacus vor sieben Jahren leben die Senatoren wohl immer noch in Angst, dergleichen könnte sich wiederholen. Cäsar allerdings sieht darin einen Angriff auf sich selbst – ein Komplott der politischen Rivalen, die mit einer Störung des Spektakels seinen Aufstieg zu verhindern suchen. Deshalb hat er deinen Vater gebeten, für den Verlauf der Spiele einen Gladiator bei sich aufzunehmen.“ Er reichte ihr eine Schreibtafel. „Dieser Gladiator bin ich.“

Cäsars Schrift erkannte Julia auf den ersten Blick. Die Botschaft war unmissverständlich. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Sabina, die sich allem Anschein nach auf eine ausgiebige Standpauke vorbereitete.

Diesmal nicht, meine Liebe. Wenn sie sich Julius Cäsar in den Weg stellen wollte, musste ihre Stiefmutter dies schon ganz allein tun.

„Ist mein Vater bereits unterrichtet?“, wandte Julia sich wieder an Valens.

„Das nehme ich zumindest an“, antwortete er. „Cäsar ist der tatkräftigste Mann, in dessen Diensten ich je stand. Binnen zwei Stunden nach Erlass des Gesetzes hatte er Unterkünfte für über hundert Männer gefunden. Willst du etwa an seinem Wort zweifeln?“

Julia verkniff sich eine Antwort. Was sollte sie nur machen? Im Hof stand nach wie vor ihre Stiefmutter, die sie immer wütender anblickte. Doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern – mit deren Launen sollte sich ihr Vater nach seiner Rückkehr beschäftigen. Obwohl er dazu neigte, Auseinandersetzungen mit seiner Gemahlin aus dem Weg zu gehen.

„Ich kann verstehen, dass …“

„Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?“, fragte Valens, in dessen Blick mehr als nur Besorgnis zu lesen war. „Wenn es dich beruhigt, kannst du ja einen Boten zu Cäsar schicken – ich bin sicher, dass sich dann alles aufklärt.“

„Es ist nicht nötig, Cäsar damit zu behelligen“, antwortete sie lauter als nötig. „Denn diese Nachricht stammt zweifellos von ihm. Wenn er wünscht, dass wir einen Gladiator beherbergen, werde ich bestimmt nicht an der Weisheit seiner Entscheidung zweifeln.“

Zufrieden bemerkte sie, wie Sabina bei der Erwähnung des Ädils zusammenzuckte. Trotz ihrer zuweilen anmaßenden Art war der Stiefmutter klar, dass sie ihren Wohlstand vor allem Cäsars Großzügigkeit zu verdanken hatten. Die luxuriösen Baderäume mit den feinen Mosaiken, auf die Sabina so stolz war, hätten sie sich ohne seine fortwährende Unterstützung niemals leisten können. Es war daher unmöglich, seine Bitte abzulehnen und dem Gladiator die Tür zu weisen.

„Es ist uns ein Vergnügen, Cäsars Wunsch zu erfüllen und dir Unterkunft zu gewähren“, erklärte Julia, an Valens gewandt.

„Ich wusste doch, dass du vernünftig bist“, erwiderte er sanft.

Dabei lächelte er sie in einer Weise an, die ihr Herz schneller schlagen ließ und jeden vernünftigen Gedanken aus ihrem Kopf vertrieb. Die Hand, mit der sie immer noch Batos Halsband hielt, begann zu zittern. Und so sehr sie sich auch einzureden versuchte, dass dieser Hüne zweifellos alle Frauen so anstrahlte – ihr Herz weigerte sich, dies zu glauben.

„Danke. Vielen Dank.“ Obwohl sie sich sehr um Fassung bemühte, konnte Julia ein Zittern in ihrer Stimme nicht vermeiden. „Ich nehme das als Kompliment.“

„Genau so war es auch gemeint.“

„Erst mein Fußgelenk, nun mein Scharfsinn – fallen dir immer die geeigneten Schmeicheleien ein?“

„Dieser Vorwurf trifft mich unberechtigt, denn ich spreche nur das Offensichtliche aus.“

Julia tat so, als würde sie sich wieder in Cäsars Anordnung vertiefen. Ihr fehlte einfach die nötige Erfahrung im Umgang mit solch süßen Worten. Also zog sie es vor, sich der anstehenden Aufgabe zuzuwenden – dem neuen Gast ein Quartier zuzuweisen.

Es gab zwar keine ausdrücklichen Anweisungen, bloß wäre Cäsar sicherlich verärgert, wenn man Valens respektlos zu den Sklaven steckte. Julia aber wollte nicht nur das Wohlwollen des Ädils ernten, sondern auch den Gladiator für den bislang äußerst kühlen Empfang entschädigen.

Angestrengt dachte sie nach – war das nicht eine blendende Gelegenheit, Sabina eine Lehre zu erteilen? Wie ein Wurm sollte sie sich winden!

„Clodius, führe unseren Gast bitte in das beste Gemach“, wies sie den Sklaven unüberhörbar an. Zufrieden beobachtete sie, wie der Gemahlin ihres Vaters die Farbe aus dem Gesicht wich. „Worum Cäsar uns ersucht, wollen wir ihm gewähren. Gemäß seinem Wunsch werden wir diesen Mann ehrenvoll behandeln.“

„Julia!“ Entrüstet zischte Sabina sie an, als sie sich näherte. „Habe ich dich eben recht verstanden – du hast Clodius befohlen, den Gladiator in unserem feinsten Schlafraum unterzubringen? Bist du denn noch bei Verstand? In den Stallungen wäre Pöbel wie er weit besser aufgehoben.“

„Ich handle lediglich auf Cäsars Wunsch, Stiefmutter!“ Julia wedelte mit der Schreibtafel. Das geschah Sabina nur recht – hatte sie nicht erst heute gedroht, ihr Bato wegzunehmen? „Alles andere würde der Ädil bestimmt als Missachtung seiner Person auffassen. Ich würde Vater nur sehr ungern berichten, dass wir den Patron der Familie beleidigt haben. Doch wenn dies dein Wunsch ist …“

„Du hast recht. Natürlich hast du recht.“ Sabina hob die Hände, als wollte sie alle Götter Roms beschwören. „Doch was soll ich nur Mettalius Scipio sagen? Ich hatte gehofft, er würde über Nacht …“

Mettalius Scipio! Valens erstarrte. Dieser Name ließ Erinnerungen in ihm wach werden, die er für immer vergessen wollte. Vor seinem geistigen Auge tauchten schreckliche Bilder auf – von einem Tribun, der Befehle in die dunkle Nacht rief. Und von ihm anvertrauten Männern, wie sie von Piraten niedergemetzelt wurden. Jenen Schurken, die danach ihn gefangen nahmen und anspuckten wie einen räudigen Hund.

„Mettalius Scipio, Sohn des Mettalius Agrippa?“, fragte Valens mit mühsam beherrschter Stimme.

„Ja, genau der. Warum?“, antwortete Sabina mit einer wegwerfenden Geste. „Kennst du den Senator? Julia steht im Begriff, sich mit ihm zu verloben.“

„Wir sind uns … hin und wieder über den Weg gelaufen.“ Ihm war klar, dass seine Worte so verstanden werden mussten, als hätten sie sich erst kürzlich getroffen. Dabei lag die letzte Begegnung fünf Jahre zurück. Außerdem war dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen – und sollte es auch für immer bleiben.

„Dann sieht die ganze Sache ohnehin anders aus. Wenn du ein Freund des Senators bist …“ Sie reichte ihm die Hand und klimperte mit ihren falschen Wimpern. „Ich bin Sabina Claudia, Gemahlin des Julius Antonius. Wie du dir wahrscheinlich schon gedacht hast, ist Julia meine Stieftochter. Und ich möchte mich bei dir für ihr Verhalten entschuldigen. Leider ist sie manchmal etwas argwöhnisch und neigt dazu, Menschen nur nach ihrem Stand zu beurteilen.“

„Dir würde so etwas sicher niemals passieren.“ Valens hatte das Zeug zu einem guten Schauspieler, denn er verzog dabei keine Miene.

Autor

Michelle Styles
<p>Obwohl Michelle Styles in der Nähe von San Francisco geboren und aufgewachsen ist, lebt sie derzeit mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Hunden, zwei Katzen, Enten, Hühnern und Bienenvölkern unweit des römischen Hadrianswalls im Norden Englands. Als begeisterte Leserin war sie schon immer an Geschichte interessiert, darum kann sie sich...
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Michelle Styles
<p>Obwohl Michelle Styles in der Nähe von San Francisco geboren und aufgewachsen ist, lebt sie derzeit mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Hunden, zwei Katzen, Enten, Hühnern und Bienenvölkern unweit des römischen Hadrianswalls im Norden Englands. Als begeisterte Leserin war sie schon immer an Geschichte interessiert, darum kann sie sich...
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