Die geraubte Braut des Highlanders

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Er wird sie entführen! Der neue Laird Calum Campbell will Elspeth MacMillan als Pfand für Friedensverhandlungen zwischen ihren verfeindeten Clans nutzen. Doch sein gewagter Plan hat einen Fehler: Die schöne Schottin mit dem Temperament einer Wildkatze denkt nicht daran, sich ihm zu fügen. Kaum hat er sie in seiner Gewalt, gelingt es ihr, die Mauer einzureißen, die der Highlander so sorgfältig um sein stolzes Herz errichtet hat. Ihr Kuss ist wie loderndes Feuer. Doch wohin sollen ihre sinnlichen Gefühle sie nur führen, wenn sich ihre Familien bis aufs Blut hassen?


  • Erscheinungstag 21.01.2025
  • Bandnummer 419
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531559
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Argyll, Schottland, Oktober 1360

Ein Knistern lag in der Luft, als stünde ein Unwetter bevor. Vielleicht war es auch als eine Warnung zu verstehen.

Elspeth MacMillan befand sich auf dem Weg von Castle Barron nach Castle Lachlan, in Begleitung von vier bewaffneten Wachen. Sie ritten in enger Formation, sofern es der Weg zuließ, der durch das dichte Waldgebiet führte.

Elspeth wünschte, sie bräuchte sich nicht auf diese Männer zu verlassen. Gerne hätte auch sie einen Schwertgurt auf Hüfthöhe getragen, doch sie musste sich mit einem kleinen Dolch begnügen. Eine Frau gehörte nun einmal in den Bergfried, dort hatte sie sich um die Leinenwäsche, die Hausangestellten und Bediensteten zu kümmern, während die Männer für den Schutz der Burg sorgten und ausreichend Nahrungsmittel beschafften.

Über den Baumkronen setzte ein dumpfes Grummeln ein, dennoch verspürte Elspeth diese eigenartige Anspannung. Da stimmte etwas nicht.

Vorsichtig strich sie sich die Kapuze ein Stück weit zurück und warf einen Blick über die Schulter, hinein in den Wald. Alles wirkte ruhig und unauffällig.

„Benötigt Ihr eine Pause, Mylady?“, fragte sie der jüngste Begleiter.

Sie schüttelte den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Weg, der vor ihnen lag. „Ich dachte, ich hätte etwas gehört.“

Die junge Wache blickte sich um, doch der Mann an der Spitze gab einen verächtlichen Laut von sich. „Da ist nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssten, Herrin. Frauen bilden sich oft Dinge ein, wenn sie Angst haben.“

Elspeth verbiss sich eine Bemerkung, da sie sich einmal mehr in Erinnerung rief, welche Verpflichtungen sie auf sich genommen hatte.

Außerdem war alles ruhig, da gab es nichts, was ihre innere Unruhe hätte erklären können. Keine Bewegungen zwischen den Bäumen, nirgends knackte ein Zweig oder Ast. Dennoch vermochte sie sich nicht der unangenehmen Vorahnung zu erwehren, die sich ihrer bemächtigt hatte.

Der junge Mann, der unmittelbar neben ihr ritt, sah sie an. „Wenn Ihr möchtet, Herrin, dann schaue ich mich tiefer im Wald um.“

Als ein lautes Donnern über dem Wald ertönte, zuckte Elspeth unweigerlich zusammen. Der Wächter weiter vorne lachte. „Seht Ihr? Das ist bloß ein Unwetter. Wir werden gegen späten Nachmittag am Ziel sein.“

Doch auch diese Worte trugen nicht dazu bei, dass Elspeth innerlich zur Ruhe kam. Selbst wenn sie nicht diese Vorahnung verspürt hätte, wusste sie, dass mit der Ankunft in Castle Lachlan eine ungewollte Vermählung verbunden war.

Denn Leith MacLachlan erwartete sie dort beim Traualtar. Vermutlich könnte sie sich nach der Reise nicht einmal ausruhen. Aber Leith und sie kannten sich, sie waren zusammen aufgewachsen und hatten sich stets gut verstanden. Ihre Väter waren eng befreundet gewesen, deshalb hatten Leith und Elspeth einander regelmäßig gesehen. Für sie war er wie ein Bruder gewesen. Doch der freundliche Junge, den sie von früher kannte, hatte nun einen Titel und erwartete offenbar, dass die Welt ihm zu Füßen lag. Und obschon er immer ein gut aussehender Junge gewesen war, brachte Elspeth ihm eher schwesterliche Gefühle entgegen und konnte sich daher nur schwer vorstellen, diesem Mann mit der Leidenschaft einer Gemahlin zugetan zu sein.

Alles in allem sah sie der bevorstehenden Vermählung mit keinerlei Begeisterung entgegen.

Regen setzte ein, die ersten Tropfen klatschten auf das Blätterdach über ihnen. Aber immerhin hieß es landläufig, Regen am Hochzeitstag bringe Glück.

Doch sie wusste es besser. Zwischen ihr und Leith würde es keine Liebe geben, jedenfalls nicht die Art von Liebe, die zwischen Elspeths Bruder Fergus und dessen neuer Frau Coira bestand. Wann immer sie das Leuchten in Coiras Augen wahrnahm, sobald Fergus im selben Zimmer war, oder mitbekam, wie Coira ihren Mann zum Lächeln brachte, sehnte Elspeth sich nach dieser trauten Zweisamkeit.

Doch schon bei dem Gedanken, Leith würde sie mit dem Verlangen eines Ehemannes ansehen, krampfte sich ihr der Magen zusammen.

Alle drei MacMillan-Geschwister hatten sich auf Ehen einlassen müssen, um Bündnisse mit den umliegenden Clans zu bekräftigen. Nach dem Tod ihres Onkels war Elspeths ältester Bruder Ross zum neuen Clanoberhaupt ernannt worden und hatte sich daraufhin mit einer der Töchter von Iain MacDonnell vermählt. Allerdings war Elspeth bereits vor der Hochzeit ihres Bruders von Castle Sween aufgebrochen und hatte seine Braut daher nicht kennengelernt. Fergus wiederum hatte das Bündnis mit dem Clan der MacWhinnies bekräftigt, indem er Coira auf Castle Barron zur Frau genommen hatte. Auf eben dieser Burg hatte sich Elspeth bis zum Antritt ihrer Reise aufgehalten.

Mit ihrem Jawort sollte Elspeth das Bündnis mit dem MacLachlan-Clan sichern.

Fergus konnte mit seiner Ehe mehr als zufrieden sein, aber ursprünglich hatten die Geschwister sich auf keine Vermählung einlassen wollen. In der gegenwärtigen Lage war es jedoch unerlässlich, Bündnisse mit den umliegenden Clans zu schmieden, um sich mit vereinten Kräften der Angriffe des Campbell-Clans zu erwehren, dessen Oberhaupt aus Irland zurückgekehrt war und mit einer Reihe von blutigen Überfällen versucht hatte, seine früheren Ländereien auf schottischem Boden zurückzugewinnen.

Elspeth würde lieber sterben, anstatt den Campbell-Clan wieder in Schottland zu sehen. Denn vor vielen Jahren hatte Alexander Campbell ihren Vater getötet.

Ein Zweig knackte im Wald. Sofort blickte Elspeth in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und suchte zwischen den schlanken Baumstämmen nach Anzeichen von heimlichen Verfolgern – nach der Farbe eines Plaids oder dem Aufblitzen eines Kettenhemds.

Elspeth umfasste die Zügel fester. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie diesem anmaßenden Kerl schon längst einen Schlag verpasst.

Plötzlich verspürte sie ein Prickeln auf der Haut. Ehe sie benennen konnte, was ihr Unbehagen bereitete, flog ein Pfeil aus dem Unterholz und bohrte sich in den Hals des Wächters, der sich an die Spitze der kleinen Schar gesetzt hatte.

Elspeth war wie erstarrt. Eine innere Stimme trieb sie an, die Flucht zu ergreifen, doch Elspeth blieb reglos im Sattel sitzen, starr vor Entsetzen. In diesem Augenblick sackte der Wächter rücklings vom Pferd, schlug dumpf in einer Pfütze auf dem Waldweg auf und stierte mit leeren Augen in die Baumkronen.

Er war tot.

Furcht nagte an Elspeth, und erst mit Verzögerung entrang sich ihrer Kehle ein lauter Schrei.

„Bleibt hinter mir, Herrin!“, rief ihr der junge Wächter zu, während die beiden anderen ihre Pferde dichter zu ihr lenkten.

Plötzlich brachen fünf Männer durch das Dickicht. Elspeth erkannte auf den ersten Blick die Abzeichen wieder, die die Angreifer auf der Brust trugen, denn dies waren dieselben Schurken, die jene Abtei überfallen hatten, in der sie einige Zeit Schutz gefunden hatte. Nach dem Überfall war Elspeth unverzüglich nach Castle Barron und zu ihrem Bruder Fergus aufgebrochen. Kein Zweifel, wieder einmal hatten sie es mit den verhassten Campbells zu tun.

Nachdem sie Elspeth nicht aus der Abtei hatten entführen können, hatten sie die nächste Gelegenheit genutzt, um ihrer habhaft zu werden.

Wieder einmal musste Elspeth hinter Männern in Deckung gehen, hilflos und unbewaffnet. Sie wünschte, jemand hätte ihr ein Schwert in die Hand gedrückt und ihr beigebracht, wie man es richtig nutzte.

Die Angreifer stürzten sich auf die verbliebenen Wachen. Derweil wurde ein Wächter links von Elspeth vom Rücken seines Pferds gestoßen.

Das erschrockene Tier trabte bei erster Gelegenheit davon, sodass in Elspeths kleinem Schutzwall eine Lücke klaffte. Einer der Campbells machte sofort einen Satz nach vorn und streckte die Hand nach ihr aus. „Ich habe sie, Calum.“

Als sie diesen Namen vernahm, erschrak sie, doch diesmal wollte Elspeth trotz ihrer Furcht nicht kleinbeigeben. Nicht schon wieder.

Entschlossen trat sie nach dem Mann, der sie vom Pferd ziehen wollte. Elspeth legte all ihre Kraft in diesen Tritt. Der Angreifer taumelte zurück und fiel der Länge nach zu Boden.

Doch Elspeth sah sich in ihrer Befürchtung bestätigt, dass ihre Widersacher sie um jeden Preis haben wollten. Um sie gegen ihre Brüder zu verwenden, denn die Campbells wussten sehr genau, wo der Schwachpunkt von Ross MacMillan war: Sobald seine jüngere Schwester in Gefahr war, würde er sich auf Verhandlungen einlassen.

Und auf dem Weg von Castle Barron nach Castle Lachlan war sie verwundbar.

„Flieht!“, rief ihr der junge Beschützer zu, während er einen der Angreifer abwehrte. „Flieht, Herrin!“

Obwohl es ihr widerstrebte, ihr Heil in der Flucht zu suchen, wusste Elspeth insgeheim, dass es das Beste für ihren Clan wäre, sich einer Gefangennahme zu entziehen. Daher riss sie ihr Pferd herum und floh aus dem Getümmel. Regen klatschte ihr ins Gesicht, sodass ihr das Haar schon bald wie Spinnweben am Kopf klebte, doch all das verdrängte sie, während sie sich über den Nacken des Pferds beugte und dem Tier die Fersen in die Flanken drückte.

Kaum hatte sie sich ein Stück weit von ihren letzten Bewachern entfernt, als sie Hufschlag hinter sich vernahm. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, doch sie traute sich nicht, einen Blick zurückzuwerfen.

Sie brauchte sich ohnehin nicht umzuschauen, wusste sie doch längst, wer ihr im Nacken saß.

Ein Mann, der den Gerüchten zufolge unermesslich grausam sein sollte, ein Mann, der unschuldige Menschen tötete und die Behausungen der Bauern niederbrannte – der Sohn eben jenes Mannes, der einst Elspeths Vater erschlagen hatte.

Während der ominöse Hufschlag hinter ihr lauter wurde, umklammerte Elspeth die Zügel mit einer Hand und zog den Dolch aus der ledernen Scheide. Lieber würde sie sterben anstatt in die Fänge eines Mannes wie Calum Campbell zu geraten.

Calum Campbell verkürzte die Distanz zu der Frau mit den feuerroten Haaren, bei der es sich nur um die Nichte des alten Clanführers der MacMillans handeln konnte. Calum hatte womöglich nur mithilfe dieser Frau eine Chance, eine lange schwelende Fehde zu beenden, ohne dass es zu noch mehr Blutvergießen kam.

Mit einem Kriegsschrei auf den Lippen trieb er sein stattliches Ross zum Äußersten an. Schon bald hatte er die fliehende Frau eingeholt und schwang sich mit einem gewagten Sprung hinter ihr auf den Rücken des Pferds.

Sie wirbelte herum, und Zorn beherrschte ihre Gesichtszüge, als sie mit einer Hand nach ihm schlug. Doch ehe sie einen Treffer landen konnte, kam ihr Pferd auf dem unebenen Weg aus dem Tritt, sodass sie das Gleichgewicht verlor und sich nicht mehr im Sattel halten konnte. Sofort brachte Calum das Tier zum Stehen und sprang ab.

Er durfte sie nicht entkommen lassen. Nicht, wenn sie so bedeutsam für seine Pläne war.

Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet, der Regen prasselte auf den aufgeweichten Weg. Elspeth lag noch am Boden, das Haar hing ihr nass und wirr um den Kopf. Doch plötzlich sprang sie auf und rannte davon. Allerdings war sie nicht schnell, da ihre nassen Röcke und der vom Regen schwere Umhang sie behinderten, mehrmals rutschte sie mit ihren dünnen Sohlen auf dem weichen Untergrund aus. Calum holte sie mühelos ein. Er musste ihrer um jeden Preis habhaft werden, um mit dem Clan der MacMillans verhandeln zu können: Er erhob Anspruch auf seine Ländereien in Schottland, doch dieses Ziel wollte er ohne weiteres Blutvergießen erreichen.

„Kommt mit mir!“, rief er in den prasselnden Regen. „Ich sorge dafür, dass Euch kein Leid geschieht.“

„Nein!“, rief sie und beschleunigte ihre Schritte.

Er hatte es nicht anders erwartet. „Zwingt mich nicht, Gewalt anzuwenden!“, fuhr er fort.

Sie schwieg und rutschte erneut auf dem matschigen Weg aus.

Calum hatte keine andere Wahl, auch wenn ihm diese Vorstellung zuwider war. Er hasste es, Gewalt anwenden zu müssen, bis Elspeth sich seinem Willen fügte. In Augenblicken wie diesen kam er sich wie sein Vater vor, grausam und hartherzig. Sein Vater hatte vor Kurzem den Tod gefunden, und sobald Calum an ihn dachte, zog sich seine Brust unter widerstreitenden Gefühlen zusammen.

Doch jetzt durfte er sich damit nicht abgeben. Die Verantwortung für den Campbell-Clan ruhte allein auf seinen Schultern, und Elspeth MacMillan war der Schlüssel zum Erfolg: Mit ihr als Faustpfand würde sein Clan wieder Fuß auf schottischem Boden fassen, fernab von Irland.

„Ihr werdet jetzt mit mir kommen.“ Die unerbittliche Stimme schien eher zu seinem Vater als zu ihm zu passen. Doch Calum überwand seinen Widerwillen und holte Elspeth ein.

Wie erwartet, war sie nicht imstande, ihr Gleichgewicht zu halten, und fiel in den Dreck. Um sicher zu gehen, warf sich Calum der Länge nach auf sie und hielt sie fest, ohne ihr absichtlich wehzutun.

Sie fauchte regelrecht vor Zorn und versuchte, ihm einen Schlag zu verpassen. Diesmal indes erhaschte er einen Blick auf die aufblitzende Klinge, die Elspeth in der Hand hielt. Geschickt wich er dem Dolch aus, aber sie setzte nach und stach erneut zu.

Calum wusste, dass sein wattierter Waffenrock die Klinge eines Dolchs abhalten würde, zumal diese Frau nicht zu wissen schien, wie man richtig zustieß, dennoch wollte er es nicht darauf ankommen lassen. Er bekam ihren Arm zu fassen, drückte ihn zu Boden und verdrehte Elspeths Handgelenk, bis sie den Dolch fallen ließ.

„Ihr Schurke!“ Elspeth funkelte ihn durch die wirren, regennassen Haarsträhnen böse an, die eine kupferrote Farbe angenommen hatten. „Nie werde ich mich freiwillig einem Campbell ergeben!“

„Ich will Euch nicht wehtun“, betonte Calum.

„Aber ich Euch schon!“ Mit diesen Worten riss sie ihr Knie hoch.

Calum wich rechtzeitig zurück, sodass sie ihn nicht in der Lendengegend erwischen konnte. Dafür traf sie ihn am Bauch, doch der Waffenrock schützte ihn.

Nach wie vor wand sie sich mit aller Kraft unter ihm und verfluchte ihn. Doch in ihrer Verzweiflung mangelte es ihr an Präzision. Eine zierliche Frau wie sie hatte seiner kraftvollen Erscheinung ohnehin nichts entgegenzusetzen. Jahre der Entbehrung in einem fremden Land und unzählige Kämpfe hatten seinen Leib gestählt. Schließlich erlahmte Elspeth in ihrer Gegenwehr, wie er es nicht anders erwartet hatte.

Sie keuchte von der Anstrengung, die Kraft verließ sie, und bald ahnte Calum, dass der Zeitpunkt gekommen war. Während er Elspeth mit einer Hand weiterhin zu Boden drückte, löste er den Strick, den er am Gürtel trug, heilfroh, dass er auf Brams Ratschlag gehört hatte. Bram war Calums rechte Hand, und offenbar hatte dieser Mann mehr Erfahrung mit widerspenstigen Frauen.

Unvermutet begann Elspeth zu schreien und bäumte sich wieder unter ihm auf, von neuer Kraft beseelt. Wie besessen versuchte sie, nach ihm zu treten, sofern ihre nassen Röcke das zuließen. Calum musste ihr zugestehen, dass sie sich nicht leichtfertig ergab.

Der ungleiche Kampf währte nicht so lange wie der erste, zumal Elspeth keine Kraft mehr hatte und sich unter wütenden und verzweifelten Schluchzern am Boden krümmte. Calum verspürte einen Stich im Herzen, als er sah, wie verzweifelt die junge Frau war.

Er hasste, was er tun musste.

Aber es musste nun einmal sein. Er tat das für seine Leute.

Rasch schlang er den Strick um ihre Hände und fesselte Elspeth so, dass sie auch ihre Arme nicht mehr bewegen konnte. Da er wusste, dass sie ihm hier nicht entwischen konnte, fesselte er ihre Beine nicht.

Dann rappelte er sich auf und versuchte, Elspeth auf die Füße zu ziehen. Sie versteifte sich indes und lag wie ein Sack Mehl am Boden.

Der Regen hatte nachgelassen, aber das tat nichts zur Sache, da Calum ohnehin bis auf die Haut durchnässt war. Die Luft schnitt unangenehm kühl durch die Kleidung. Hunger machte sich in seinem Bauch bemerkbar, wie so oft in letzter Zeit, was seinen Unmut nur noch verschlimmerte.

Dennoch ging er behutsam vor, als er Elspeth vom Boden hochhob und zu seinem Pferd trug. Er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie sich auch jetzt wieder zur Wehr setzte, denn das hätte er auch getan. Im Gegenteil, er war beeindruckt, wie stark ihr Überlebenswille war.

Sie wand sich in seinen Armen. „Setzt mich ab.“

Er erwiderte darauf nichts und trat zu seinem Pferd, das unmittelbar neben ihrem stand. Beide Tiere suchten ungerührt am Wegesrand nach saftigem Gras.

„Habt Ihr nicht gehört, was ich sage?“, fauchte sie ihn an.

Calum schwieg beharrlich und hob Elspeth in den Sattel seines Pferds, danach griff er nach den Zügeln ihres Tiers und band beide Zügel locker zusammen. Natürlich war ihm bewusst, dass sie auf diese Weise nur langsam vorankommen würden, aber ihm blieb keine andere Wahl. Ehe Elspeth den Versuch unternehmen konnte, vom Sattel zu gleiten, schwang er sich hinter ihr auf den Rücken seines Hengsts, umfasste Elspeths Taille mit einer Hand und griff mit der freien Hand nach den Zügeln. Bis zur Küste war es nicht weit, dort wartete das Schiff, mit dem sie die Fahrt zurück nach Irland antreten würden.

Dort würde er Elspeth in Gewahrsam behalten, bis das Oberhaupt der MacMillans zustimmte, diesem Krieg zwischen den Clans ein Ende zu setzen und es Calum zu ermöglichen, wieder auf schottischem Boden Fuß zu fassen. Denn solange die Leute aus seinem Clan auf dem kargen Boden ausharren mussten, auf den man sie einst verbannt hatte, waren weitere Todesfälle unvermeidbar.

Im Exil hatte sein Clan mit Widrigkeiten zu kämpfen gehabt, die man niemandem wünschte. Die Böden gaben nicht genug her, und so hatten Hunger und Krankheiten etliche aus dem weitläufigen Familienverband dahingerafft. Wenige Monate nach der Verbannung war Calums Mutter gestorben. Die Armut, in der sich sein Clan wiederfand, erwies sich als tödliche Falle – und so war Calum fest entschlossen, dieser Falle ein für alle Mal zu entkommen.

Elspeths Pferd trottete hinterdrein, und der leichte Trab war angenehmer für die junge Frau, die sich vornüber gebeugt im Sattel hielt. Auch wenn sie zwischendurch versuchte, sich aus den Fesseln zu befreien, hatte Calum keine Mühe mit ihr und hielt sie weiterhin fest.

Schon bald wurde der Wald zur Küste hin lichter, das Schiff kam in Sichtweite. Vor ihren Blicken breitete sich das Meer aus, der leichte Wellengang brachte kleine weiße Schaumkronen mit sich. Calum atmete innerlich auf, denn eine ruhige See bedeutete, dass sie eine sichere Überfahrt nach Irland haben würden.

Am Schiff wartete Bram bereits auf ihn, eine Hand in die Seite gestemmt, ein wissenden Grinsen auf den Lippen. „Wie es scheint, hat dir das Mädchen ein bisschen Schwierigkeiten gemacht.“

Calum bedachte seinen Vertrauten mit einem vernichtenden Blick und sprang vom Pferd. „Hast du die Nachricht bei dir?“

Bram klopfte auf den Lederbeutel, den er am Gürtel trug, denn dort verwahrte er den Brief, den Calum verfasst hatte und den Ross MacMillan erhalten sollte. Während Calum die jüngere Schwester des Clanoberhaupts nach Irland brachte, sollte Bram dafür sorgen, dass die Botschaft sicher überbracht würde.

Behutsam hob Calum Elspeth vom Rücken des Pferds. Sie schwankte leicht, als ihre Füße den Boden berührten, dennoch spähte sie durch die zerzausten Haarsträhnen, die ihr in die Stirn fielen – immer noch auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.

Doch hier an der offenen Küste gab es kein Versteck.

Letzten Endes hatte auch Elspeth die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannt, denn sie wandte sich Calum hastig zu und sah ihn voller Wut an. „Ihr seid ein hundsgemeiner Schurke!“, warf sie ihm an den Kopf. „Eine unschuldige Frau zu entführen. Ihr seid sogar nicht davor zurückgeschreckt, ein Nonnenkloster zu überfallen, um meiner habhaft zu werden.“

Bram zog eine Augenbraue hoch und warf Calum einen belustigten Blick zu, mit dem er ihm offenbar Glück wünschen wollte. Und eine glückliche Hand war, was Calum im Augenblick benötigte.

Elspeth überhäufte ihn immer noch mit Schimpfwörtern, die Calum geflissentlich überhörte, als er die junge Frau über die Rampe bis auf das Schiff trug. Auf dem leicht schwankenden Deck brachte er Elspeth sogleich in die Kabine des Schiffsführers. In dem kleinen Raum am Heck des Schiffs stand nichts außer einer Pritsche samt dünner Decke. Es gab nichts, was Elspeth als Waffe hätte einsetzen können.

„Wohin bringt Ihr mich?“, verlangte sie zu erfahren, als er sie auf eben jener Pritsche absetzte. „Nach Irland?“

Calum seufzte. „Die Überfahrt dauert nicht lange“, versicherte er ihr.

Ihr hasserfüllter Blick wurde ein wenig weicher, als sie sich in der kargen Kabine umschaute und zweifellos erkannte, dass ihre Situation hoffnungslos war. Sie schluckte und schaute dann unter leicht gesenkten Lidern zu ihm auf. Calum verlor sich einen Moment in dem Grün ihrer großen Augen und dem Anblick ihrer feuerroten Haare, die ihr über die Schultern fielen. „Könnt Ihr mich jetzt nicht wenigstens losbinden?“ Sie sprach nicht mehr in dem anmaßenden Ton, den sie zuvor angeschlagen hatte. „Der Strick schneidet mir ins Fleisch, außerdem möchte ich mir das Haar aus der Stirn streichen.“

Obwohl er es besser hätte wissen müssen, löste er den Knoten und nahm Elspeth den Strick ab. Er hatte ihr ja den Dolch abgenommen, und jetzt konnte sie nichts mehr als Waffe gegen ihn einsetzen.

Was könnte sie sonst unternehmen, um vom Schiff zu fliehen?

2. KAPITEL

Ein Prickeln lief durch Elspeths Arme, als ihr der Strick abgenommen wurde. Calum Campbell wartete gar nicht erst ab, was sie womöglich anstellen würde, jetzt, da sie sich wieder frei bewegen konnte. Stattdessen eilte der Feigling aus der Kabine.

Elspeth warf einen finsteren Blick auf die stabile Tür, die Calum hinter sich abschloss. Sie hatte ihren Stolz überwinden müssen, als sie ihn bat, ihr die Fesseln abzunehmen, denn damit gab sie insgeheim zu, dass sie ihm unterlegen war. Sie wünschte, sie hätte eine Waffe zur Hand, die sie Calum Campbell ins Herz rammen könnte, anstatt wie eine wehrlose Frau ausharren zu müssen. Das war erbärmlich.

Falls er überhaupt ein Herz hatte.

Vermutlich besaß er keins.

Welcher Mann befahl seinen Helfershelfern, wehrlose Nonnen zu überfallen, wie Calum es getan hatte, als er versuchte, sie aus der Abtei zu entführen? Er war genau so, wie es sich die Leute erzählten – grausam und gnadenlos.

Offenbar lebte er in einer Art Palast in Irland und ließ das Land von jenen Männern und Frauen bestellen, die er aus Schottland entführt hatte.

Aye, er gehörte zu der schlimmsten Sorte von Männern. Und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn zu töten.

Missmutig durchquerte sie den kleinen Raum und vernahm das Knarren der Holzplanken unter ihren Füßen. In dieser Kabine gab es rein gar nichts, was sie als Waffe hätte verwenden können. Was würde aus ihr werden, wenn ihr die Flucht nicht gelang und sie keine Möglichkeit fand, Calum anzugreifen? Würde Calum sie zwingen, bei ihm zu liegen?

Abscheu stieg in ihr auf. Lieber würde sie durch ihre eigene Hand sterben als zuzulassen, dass dieser Mann sie berührte.

Calum hatte zwar nicht bestätigt, dass es nach Irland gehen würde, aber offenbar war das sein Ziel. Wohin sollte man sie sonst bringen?

Bestimmt wollte man sie nicht töten. Denn sonst hätte man sie nicht auf das Schiff gebracht, sondern gleich an Ort und Stelle erschlagen.

Nein, man würde versuchen, sie als Druckmittel einzusetzen, um ihrem Bruder Ross irgendein Zugeständnis abzuringen. Elspeth war sich schmerzlich bewusst, dass sie der schwächste Punkt der Familie war.

Sie konnte nicht selbst über ihre Zukunft entscheiden und war ihren Entführern ausgeliefert. Aber wie würden sich ihr Bruder Ross oder Leith verhalten, mit dem sie sich vermählen sollte? Einer der beiden würde sich bestimmt auf den Weg machen, um sie zu retten, aber um welchen Preis?

Es musste eine Möglichkeit geben, die Flucht zu ergreifen, selbst auf einem Schiff.

Wenn man sie allerdings tatsächlich nach Irland brachte, würde es schwierig für sie, den Weg zurück nach Schottland zu finden, selbst wenn sie ihren Entführern entkäme.

Schwierig, aber nicht unmöglich.

In der Kabine war es kalt. Ihr Blick fiel auf die dünne Decke auf der Pritsche. Sie überlegte nicht lange, legte sich auf die durchgelegene, mit Stroh gefüllte Matratze und hüllte sich in die Decke. Dann kam ihr eine Idee. Sie könnte sich mit der Decke zur Wehr setzen. Es bestand also noch Hoffnung.

Unter der wärmenden Decke und bei dem sanften Schaukeln des Schiffs fiel Elspeth schließlich in einen tiefen Schlaf. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber sie wachte von einem Rucken auf: Hatte das Schiff gerade erst abgelegt, oder wurden jetzt beim Anlegen die Leinen ausgeworfen? Zumindest wusste Elspeth sofort, wo sie sich befand.

Und was sie vorhatte.

Sie vergeudete keine Zeit, sprang von dem Lager, die dünne Decke in der Hand, und verschmolz mit den Schatten an der Wand – genau dort, wo die Tür sie verbergen würde, sobald jemand die Kabine betrat. Mit klopfendem Herzen harrte sie vor der vertäfelten Wand aus und wartete darauf, dass Calum die Tür aufschließen würde. Denn dann würde sie sich auf ihn stürzen.

Irland empfing Calum und seine Mannen mit rauen und felsigen Gestaden. Die Beschaffenheit dieses kargen Küstenstrichs passte zu Callums gegenwärtiger Verfassung, zumal dieses Land nie die neue Heimat seines Clans hätte sein sollen.

Hamish, ein Baum von einem Mann, der Calum stets treu ergeben war, deutete auf den Strick, den Calum wieder am Gürtel trug. „Und? Wirst du noch mal versuchen, die Wildkatze zu zähmen?“

„Ja, sie macht es einem nicht gerade leicht“, erwiderte Calum.

„Dann dürfte Bram ja froh sein, dass sein Vorschlag hilfreich ist.“

Calum bedachte den Hünen mit einem finsteren Blick. „Kein Wort zu ihm, hörst du?“

Calum musste Ross MacMillan dazu bewegen, dem Clan der Campbells zu gestatten, wieder nach Schottland zurückzukehren. Und Elspeth war das Druckmittel, das Calum brauchte, um Ross zu Verhandlungen zu zwingen. Danach würde er Elspeth freilassen.

„Ich kümmere mich um sie, wenn du willst.“ Hamishs Blick ging zur Tür der Kabine des Schiffsführers.

Calum schüttelte den Kopf. Er fand es zwar nicht verlockend, sich wieder mit dieser widerspenstigen Frau abgeben zu müssen, aber es war allein seine Idee gewesen, Elspeth MacMillan zu entführen, um Friedensverhandlungen zu erzwingen.

„Na dann, viel Glück.“ Hamish klopfte ihm auf die Schulter und machte sich an Deck zu schaffen.

An der Tür zur Kabine zögerte Calum. Seufzend entfernte er das Schloss an der Tür, öffnete sie und trat vorsichtig über die Schwelle, in Erwartung eines erneuten Kräftemessens.

Doch in der eher düsteren Kabine schien niemand zu sein.

Calum trat tiefer in den Raum. „Elspeth?“ Seine Stimme verhallte in dem leeren Raum.

Keine Antwort.

Aber sie musste in der Kabine sein.

Als er sich nach links wendete, stürzte sich eine rothaarige Furie auf ihn und schlug mit der Decke nach ihm. Doch der dünne Stoff glitt über seinen Körper hinweg.

„Kommt schon“, sagte er gereizt und wollte nach der Decke greifen. „Das ist doch kindisch.“

Doch diesmal setzte sie die aufgewickelte Decke als Schlinge ein, die sie ihm blitzschnell um die Beine schlang und dann mit aller Kraft daran zog. Was eben noch lächerlich auf ihn gewirkt hatte, erwies sich mit einem Mal als unvorhergesehene Falle, denn Calum verlor den Halt und stürzte krachend auf die Planken der Kabine, halb verdeckt von einem Gewirr aus Stoff.

Im selben Moment strebte Elspeth zur offenen Tür, deutlich hörte er ihre schnellen Schritte. Doch Calum schüttelte die Decke vollends ab und streckte eine Hand nach der Frau aus. Seine Finger schlossen sich um ihr Fußgelenk, ehe er die Hand zurückzog.

Elspeth kreischte verzweifelt, als sie hart neben ihm auf dem Boden aufschlug. Doch schon rappelte sie sich auf und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen.

„Hört auf damit, Frau!“, stieß Calum zwischen zusammengebissenen Zähne hervor. „Ich will nicht dauernd mit Euch kämpfen!“

„Ich werde nie aufhören, gegen Euch zu kämpfen!“

Calum war es leid, sich mit diesem widerspenstigen Mädchen abgeben zu müssen.

Als Elspeth sich erheben wollte, packte Calum sie bei den Schultern und drückte die junge Frau wieder zu Boden. „Hört auf, ehe Ihr Euch noch wehtut.“

„Ihr meint wohl, ehe Ihr mir wehtut?“ Sie schüttelte seine Hände ab und wollte sich seitwärts davonstehlen, doch er bekam sie bei den Röcken zu fassen, drückte Elspeth zu Boden und legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie, damit sie endlich Ruhe gab.

Plötzlich lag sie reglos unter ihm. Und rührte sich nicht mehr.

Calum tastete nach dem Strick an seinem Gürtel, hielt dann aber voller Argwohn inne, weil er sich fragte, was die junge Frau mit dieser Taktik bezwecken mochte.

Mit einem Mal schnellte sie mit dem Oberkörper vor und rammte ihre Stirn gegen seine. Der jäh aufschießende Schmerz ließ Calum zurücktaumeln, für einen Moment sah er nichts als tanzende weiße Punkte vor den Augen.

Die elende MacMillan-Frau hatte ihren Kopf gegen seinen gerammt!

3. KAPITEL

Der Schmerz, der in Elspeths Schädel pulsierte, war so heftig, dass sie einen Moment wie benommen war. Sie lag am Boden und blinzelte, aber dort, wo die Kabinendecke hätte sein müssen, sah sie nichts als helle Lichtpünktchen.

Hatte sie es falsch angestellt?

Sie hielt sich beide Hände an die Schläfen und wartete mit geschlossenen Augen, dass das Brummen in ihrem Kopf nachließ. Mühsam öffnete sie ein Auge und konnte nicht fassen, was sie sah: Calum saß unmittelbar neben ihr und wagte, lauthals zu lachen.

„Lasst mich nach Eurer Stirn sehen“, sagte er und klang nach wie vor belustigt.

Zorn regte sich in ihr. Sie würde sich nicht zum Gespött eines solchen Schurken machen.

„Nun kommt schon“, versuchte er sie zu überreden. „Ich vermute, Ihr habt in Eurem ganzen Leben noch niemandem einen Kopfstoß verpasst. Könnt Ihr Euch aufrichten?“ Calum streckte die Hand nach ihr aus, um ihr in eine sitzende Position zu verhelfen.

Sie verspannte sich. War das ein Trick? Täuschte er Mitgefühl vor, um sie im nächsten Moment zu packen und ihr gewaltsam die Röcke vom Leib zu reißen?

Verzweifelt atmete sie aus. Sie wollte so viel tapferer und kräftiger sein, aber sie hatte so viel Angst, dass sie kaum klar denken konnte.

Als sie seine Hand nicht ergriff, umfasste Calum Elspeth vorsichtig an den Schultern und half ihr auf die Beine. Die Kabine schien sich um sie zu drehen. Elspeth schwankte und wäre zu Boden gestürzt, doch kräftige Hände gaben ihr Halt und stützten sie.

„Keine Sorge, ich halte Euch“, sprach Calum beruhigend auf sie ein. Sacht strich er ihr das Haar aus der Stirn. Besorgt blickte er sie aus warmen, haselnussbraunen Augen an, mit einem Anflug von Freundlichkeit, die nicht zu einem solchen Mann passen wollte.

Wie gebannt verfolgte sie, wie er seinen Blick über ihr ganzes Gesicht gleiten ließ, langsam und mit offenkundigem Interesse. Dann entwich seinen Lippen ein leiser Fluch.

Erschrocken sog sie die Luft ein. „Was ist?“, fragte sie. „Bin ich für immer entstellt?“

„Ihr seid schön“, bekannte er in einem Ton, der fast bewundernd klang.

„Was sagt Ihr da?“ Blinzelnd schaute sie zu ihm auf. Was hatte ihre äußere Erscheinung mit ihrer verletzten Stirn zu tun?

„Ihr seid wahrscheinlich die hübscheste Frau, die mir je begegnet ist.“ Er musterte sie weiterhin.

Sie hätte ihm eine Backpfeife verpassen sollen, da er sie so lange und dreist musterte. Doch ein leises Flattern machte sich in ihrem Bauch bemerkbar, ein Gefühl, das sie in dieser Weise noch nicht empfunden hatte. Ein ihr fremdes, wenngleich nicht unangenehmes Kribbeln.

„Wirklich hübsch“, murmelte er vor sich hin.

„Was hattet Ihr denn erwartet?“, fragte sie halb beleidigt.

„Jedenfalls nicht das.“ Er schüttelte den Kopf. „Da gibt es diese Gerüchte …“

Elspeth verspannte sich bei der Erwähnung von Gerüchten. Offenbar war ihm ihre Reaktion nicht entgangen, denn er verstummte augenblicklich. Vielleicht war er doch nicht so töricht, wie sie angenommen hatte.

Sie kannte diese Gerüchte, die im Umlauf waren, aber die traurige Wahrheit lautete nun einmal, dass sie als Kind tatsächlich nicht sonderlich ansehnlich gewesen war.

Aber es ging nicht nur um das, was die Leute sich landläufig über sie erzählten. Sehr viel schlimmere Dinge erzählte man sich nämlich über ihn, Calum Campbell. Immerhin hatte er den Befehl zu dem Überfall auf die Abtei gegeben, und es war sein Vater, der einst ihren Vater erschlagen hatte.

„Lasst mich in Ruhe“, sagte sie verbittert.

Er schüttelte den Kopf. „Ihr wisst, dass ich Euch nicht gehen lassen kann.“

Sie rückte von ihm ab, kam indes nicht weit, da sie die vertäfelte Wand im Rücken spürte.

„Ihr seid auf einem Schiff, das an der irischen Küste angelegt hat.“ Er zog den Strick vom Gürtel. „Selbst wenn Euch die Flucht gelänge, würdet Ihr hier nicht weit kommen.“

Sie schluckte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, und als ihr das nicht gelang, wendete sie den Blick von Calum, während er erneut ihre Hände mit dem groben Strick zusammenband. Sobald sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, suchte sie seinen Blick und funkelte ihren Entführer finster an.

„Werdet Ihr mir auch noch die Beine zusammenbinden?“, fragte sie in bitterem Ton. „Denkt daran, ich könnte nach Euch treten.“

„Ihr möchtet also, dass ich dieser Nachlässigkeit entgegenwirke?“ Halb belustigt zog er die Brauen hoch.

Mit einem Mal schien der warme Ausdruck in seinen haselnussbraunen Augen sie zu verspotten. Nein, nie würde sie vergessen, dass er ihr Feind war.

Calum betrachtete Elspeths finstere Miene. Selbst wenn diese Frau wütend war, sah sie schön aus. Sie hatte eine milchweiße Haut, ihre Augen schimmerten so grün wie das Sommergras, ihre vollen, roten Lippen schienen sich nach einem Kuss zu sehnen.

Er hatte den Gerüchten Glauben geschenkt, die er schon seit vielen Jahren kannte: dass die MacMillans ein hässliches Mädchen hatten. Doch Elspeth MacMillan war zu einer schönen, jungen Frau herangewachsen.

Er deutete auf die offene Tür, wie es jeder Höfling getan hätte, um der Dame den Vortritt zu lassen. Elspeth reckte würdevoll das Kinn vor und stolzierte aus der leeren Kabine, gefolgt von Calum.

Kaum waren sie an Deck angekommen, wurden sie, Calum und ein Mann namens Hamish in ein kleines Beiboot gesetzt und an Land gerudert, wo bereits Pferde standen.

Als sie das Ufer erreichten, führte Calum sie zu seinem Hengst. „Ihr reitet mit mir.“

„Mit Euch auf einem Pferd? Darf ich wenigstens aufrecht sitzen?“, fragte sie leicht verunsichert.

„Die Entscheidung liegt bei Euch. Werdet Ihr wieder zu fliehen versuchen?“

Ihre Kieferpartie verspannte sich. „Ich möchte sitzen“, sagte sie schließlich und ließ sich widerwillig von Calum auf den Rücken des Pferds heben.

Calum schwang sich hinter ihr in den Sattel.

Als das Pferd loslief, passte sich Elspeth mühelos den Bewegungen an. So dicht hinter dieser hübschen, rothaarigen Schönheit zu sitzen, bescherte Calum ein sinnliches Erlebnis, das ihn einen Augenblick vergessen ließ, warum er diese Frau überhaupt entführt hatte. Im Stillen verfluchte er sich, als er spürte, wie sich seine Männlichkeit regte – schließlich gab es wichtigere Dinge, die erledigt werden mussten!

Die Siedlung der Campbells auf irischem Boden lag fast einen Tagesritt von der Küste entfernt. Da sich die Sonne bereits dem Horizont näherte, ließ die Dämmerung nicht lange auf sich warten. Sosehr es ihm missfiel, sie mussten ein Nachtlager aufschlagen. Das zunächst leuchtende Abendrot nahm eine dunklere Färbung an, als die Reiterschar eine Lichtung bei einem plätschernden Bachlauf fand – der ideale Platz für ein Lager. Calum brachte das Pferd zum Stehen und gab den Befehl zum Absitzen. 

Elspeth verspannte sich. „Warum halten wir an?“

„Weil wir ein Lager aufschlagen.“ Calum sprang vom Pferd und bot Elspeth an, ihr beim Absteigen behilflich zu sein. Doch sie glitt ohne seine Hilfe vom Rücken des Pferds und schwankte leicht, als ihre Füße den Boden berührten. Sogleich umfasste er ihre Taille, um Elspeth Halt zu geben. Sie fühlte sich zierlich an, der immer noch feuchte Umhang verbarg die Konturen ihres schlanken Körpers. „Es sind noch einige Stunden bis zu unserer Siedlung. Den Rest des Weges werden wir bei Tagesanbruch zurücklegen.“

Zufrieden verfolgte Calum, wie seine Getreuen unterdessen die Zelte aufspannten.

„Und wo soll ich schlafen?“, fragte Elspeth entrüstet. „Etwa dort bei Euren Männern?“

„Ihr werdet bei mir schlafen“, erwiderte Calum trocken.

„Lieber würde ich sterben!“

„Ich werde Euch nicht anfassen. Keine Sorge, ich gehöre nicht zu solchen Männern.“

Elspeth schwieg.

„Ich bin nicht der Mann, für den Ihr mich haltet“, sagte Calum.

„Aha, Ihr habt mich also nicht gegen meinen Willen entführt?“ Sie zog die Brauen hoch. „Ihr habt mich nicht gefesselt und wollt mich nicht zwingen, mit Euch die Nacht in einem Zelt zu verbringen?“

Er blieb ihr die Antwort schuldig. Was sollte er auch sagen, wenn sie recht hatte? Schließlich hatte er sie entführt und würde von seinem Vorhaben nicht abrücken, bis Ross MacMillan sich auf einen Waffenstillstand einließ.

Hamish ließ ihn wissen, dass das Zelt fertig sei. Daraufhin bedeutete Calum der jungen Frau, die Unterkunft für die Nacht zu betreten, doch Elspeth rührte sich nicht vom Fleck.

Calum spürte, wie sehr ihn dieses ständige Kräftemessen auslaugte. „Ich möchte keine Gewalt anwenden“, betonte er in leicht gereiztem Ton.

Sie blieb beharrlich stehen. „Ich lasse mich nicht wie ein Lamm zu meiner eigenen Schändung führen.“

„Ich werde Euch nichts tun“, versuchte er ihr bewusst zu machen. „Und schänden wird Euch hier niemand.“

Sie gab einen wenig damenhaften Laut von sich.

Calum war mit seiner Geduld am Ende. Anstatt sich auf einen längeren Wortwechsel einzulassen, hob er die junge Frau in seine Arme und trug sie zum Zelt. Nachdem er sie am Boden des Zelts abgesetzt hatte, rollte er die Stoffbahn am Eingang herunter.

„Ich werde Euch nicht anfassen, allerdings traue ich Euch nicht über den Weg und muss Vorsorge treffen, damit Ihr nicht flieht.“

Er nahm ihr die Fesseln nicht ab und ertrug ihre Beschimpfungen und ihren Zorn. Er hatte ihr versprochen, sie in Ruhe zu lassen, er konnte ihr aber nicht die Bewegungsfreiheit geben, die sie gern gehabt hätte.

4. KAPITEL

Elspeth zog sich in die entlegenste Ecke des Zelts zurück, falls das überhaupt möglich war, da sie mit ausgestreckten Armen fast beide Zeltaußenwände hätte berühren können – wenn sie nicht gefesselt gewesen wäre! Auf so engem Raum mit einem Mann wie Calum Campbell zu schlafen, bereitete ihr großes Unbehagen. Argwöhnisch beäugte sie ihren Entführer im matten Schein der Laterne.

Zumindest waren sie im Trockenen.

Wieder konnte sie nichts entdecken, das ihr als Waffe hätte dienen können. Es gab kein Vertun, ihre Situation war hoffnungslos.

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