Die Kings (8-teilige Serie)

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SAG EINFACH: JA, ICH WILL
"Heirate Gina!" Zuerst glaubt Adam, sich verhört zu haben: Nur wenn er die Nachbarstochter zum Altar führt, will ihr Vater ihm das ersehnte Stück Land verkaufen. Natürlich lehnt Adam diesen Brauthandel ab - und fordert Gina damit nichtsahnend heraus! Denn solange sie denken kann, schwärmt sie heimlich für den dickköpfigen Rancher mit dem unverschämten Sex-Appeal. Tausendmal hat sie von seiner Liebe, seiner Leidenschaft geträumt! Jetzt arrangiert sie entschlossen ein Rendezvous und macht Adam dabei ein zweites Angebot.

VERFÜHRE NIEMALS DEINEN MANN
Nur zögernd nimmt Julie den verrückten Antrag ihres Jugendfreundes an: ein Jahr Ehe, rein platonisch, für 100 000 Dollar. Denn damit er nicht eine der unattraktiven Töchter seines Geschäftspartners heiraten muss, braucht Travis King eine Ehefrau. Doch schon gleich nach der Hochzeit gibt es Probleme: Erst taucht Julies Exmann auf und behauptet, gar nicht "ex" zu sein. Und zu allem Überfluss gerät ein harmloser Kuss zwischen den platonischen Eheleuten auf einmal unerwartet leidenschaftlich ...

SEXY BLICKE - BRANDGEFÄHRLICH!
Seine starken Hände wecken Sehnsüchte in ihr, und seine Blicke setzen ihren Körper in Brand: Gleich bei der ersten Begegnung mit dem gut aussehenden, aber arroganten Jackson King lässt Casey sich zu nie gekannter Leidenschaft hinreißen. Dabei wollte sie doch lediglich herausfinden, ob der reiche Unternehmer der Mann ist, dem sie ihre geliebte Tochter Mia verdankt! Nun gerät ihr ganzes sorgsam geplantes Leben in Unordnung - denn Jackson fordert unerwartet, daran teilzuhaben …

SOMMER DER SEHNSUCHT
Meeresrauschen, funkelnde Sterne und sein Kuss … Sanft streicht der Wind über Bellas erhitzten Körper. Diese Nacht ist magisch, denkt sie und schmiegt sich an Jesse. Doch am nächsten Tag tut der umschwärmten Surfer, als wäre nichts geschehen - als hätten sie keine leidenschaftlichen Stunden miteinander verbracht! Bella ist tief verletzt. Und sie spürt den Schmerz immer noch, als Jesse King drei Jahre später wieder in Morgan Beach aufkreuzt: braun gebrannt und unverschämt sexy.

IN DER HITZE JENER NACHT
"Was tust du hier, Maggie?" Justice King stockt der Atem, als er plötzlich seiner Noch-Ehefrau gegenübersteht. Unwillkürlich strömen die Erinnerungen auf ihn ein - daran, wie sie verführerisch auf seinem Bett gelegen, wie sie mit ihm gestritten und sich anschließend mit ihm versöhnt hat … Maggie behauptet zwar, nur gekommen zu sein, damit er endlich die Scheidungspapiere unterschreibt. Aber als Justice sacht ihre Lippen streift, schmiegt Maggie sich an ihn …

STÜRMISCHE LIEBE IN IRLAND
Glutvolle Blicke, feurige Küsse, prickelnde Berührungen … Eigentlich war nur ausgemacht, dass Jefferson King die Arbeiten an seinem neuesten Film auf ihrer Farm durchführen darf. Aber nach einem Abend im Pub gibt Maura der Versuchung nach und verbringt die Nacht mit ihm. Eine einzige Nacht - so wunderbar wie folgenreich. Denn Monate später stellt Maura fest, dass sie schwanger ist!

MIT DEN SCHARFEN WAFFEN EINER FRAU

Natürlich wusste Daisy Saxon nicht, dass sie erst ein Überlebenstraining absolvieren muss, bevor sie bei King Adventure als Köchin anfangen kann. Trotzdem hält sie an ihrem Plan fest. Erst recht, als sie Jericho King gegenübersteht. Denn er sieht verboten gut aus. Aber deshalb hat sie ihn nicht ausgesucht, sondern weil er ein enger Freund ihres verstorbenen Bruders war. Jericho soll ihr helfen, die Familie zu bekommen, die sie sich wünscht!

LÜGEN HABEN SEXY BEINE
Sprachlos mustert Tanner die blonde Frau, die vor seiner Tür steht: Jung, sexy, süß - und seine neue Haushälterin? Auf gar keinen Fall! Schließlich ist der Millionär in die Kleinstadt gezogen, um sich auf seine Arbeit als Produzent konzentrieren zu können. Eine Frau wie Ivy würde ihn nur ablenken! Doch sie stürmt einfach ins Haus - und erobert bald auch sein Herz! Ihre heißen Küsse berauschen Tanner. Da erfährt er, dass Ivy ihn belogen hat ...


  • Erscheinungstag 10.06.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733772680
  • Seitenanzahl 1232
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Maureen Child

Die Kings (8-teilige Serie)

Maureen Child

Sag einfach: Ja, ich will

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2008 by Maureen Child
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1544 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Peter Müller

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-566-4

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

„Adam, du bist ja besessen.“ Travis King sah seinen älteren Bruder skeptisch an. „Irgendwas stimmt mit dir nicht.“

„Ich muss Travis recht geben“, sagte Jackson kopfschüttelnd. „Warum ist dir das überhaupt so wichtig?“

Adam King musterte seine Brüder und hielt einen Moment inne, bevor er antwortete. Und er tat es in einem Ton, in dem er sonst nur mit seinen Angestellten sprach – und der keinen Widerspruch duldete. „Als wir drei von Dad die Familienunternehmen übernommen haben, waren wir uns einig, dass jeder seinen eigenen Bereich führt, unabhängig.“

Mehr sagte Adam noch nicht. Denn er wusste, seine Brüder waren noch lange nicht fertig. Einmal im Monat trafen sich die drei King-Brüder, entweder hier auf der Familienranch, auf Travis’ Weingut oder an Bord eines Jets, der Jackson gehörte. Er vermietete die Maschinen für gewöhnlich an die Megareichen dieser Welt.

Die Kings waren an so vielen Firmen beteiligt, dass diese Treffen regelmäßig stattfinden mussten. So hielten sich die Brüder auf dem Laufenden darüber, was in den anderen Geschäftszweigen passierte. Und sie tauschten sich natürlich darüber aus, was sich im Privatleben der anderen ereignete. Was allerdings auch Einmischungen nach sich zieht, dachte Adam, die zwar gut gemeint, oft aber auch lästig sind.

Er nahm das Kristallglas, schwenkte es und betrachtete die bernsteinfarbene Flüssigkeit. Er wusste, dass einer seiner Brüder gleich einen Kommentar abgeben würde. Und im Stillen wettete Adam, dass Travis den Anfang machen würde.

„Stimmt schon, Adam, jeder führt einen eigenen Bereich“, sagte Travis und trank einen kräftigen Schluck Rotwein, der aus dem King-Weingut stammte. Travis mochte seinen selbst produzierten Wein lieber als den Brandy, den Adam bevorzugte. „Das heißt aber nicht …“ Er sah Jackson an, der zustimmend nickte. „… dass wir keine Fragen hätten.“

„Fragt, soviel ihr wollt“, erwiderte Adam gelassen. Er stand auf, ging zum steinernen Kamin und blickte in das knisternde Feuer. „Nur Antworten dürft ihr nicht unbedingt erwarten.“

Jackson mischte sich nun wieder in das Gespräch. Das Whiskyglas in der Hand, warf er versöhnlich ein: „Wir sagen ja nicht, dass du mit der Ranch nicht machen kannst, was du willst, Adam. Wir verstehen nur nicht, warum du auf Teufel komm raus jeden Quadratzentimeter Land zurückhaben willst, den wir einst besessen haben.“

Adam drehte sich um und musterte seine Brüder. Er spürte das starke Band, das sie seit jeher verbunden hatte. Sie waren im Abstand von jeweils einem Jahr geboren worden. Und die Freundschaft, die sie in jungen Jahren zusammengeschweißt hatte, war auch heute so stark wie eh und je. Aber das hieß nicht, dass er sich vor seinen Brüdern für jeden seiner Schritte rechtfertigen würde. Schließlich war er der älteste. Und Adam King war niemandem Rechenschaft schuldig.

„Die Ranch gehört mir“, sagte er nur. „Wenn ich sie zu ihrer einstigen Größe zurückführen will – was stört euch daran?“

„Nichts“, erklärte Travis fest, bevor Jackson antworten konnte. Travis lehnte sich auf dem Ledersessel zurück, streckte die Beine aus, balancierte das Weinglas auf seinem flachen Bauch und sah Adam aus zusammengekniffenen Augen an. „Ich will nur wissen, warum dir das so wichtig ist.

Verdammt, Adam, unser Urgroßvater hat vor fast sechzig Jahren gerade mal zwanzig Morgen an die Torinos verkauft. Uns gehört immer noch fast das halbe Land. Warum sind da diese paar Morgen so wichtig?“

Weil er sie eben haben wollte. Adam hatte noch nie klein beigegeben. Wenn er sich zu etwas entschlossen hatte, dann blieb er dabei, mochte kommen, was wolle. Er sah aus dem großen Frontfenster, blickte auf den gepflegten Rasen und den Garten, der sich fast eine Viertelmeile bis zur Straße hin erstreckte.

Die Ranch war ihm immer wichtig gewesen. Jetzt – in den vergangenen fünf Jahren hatte sich das entwickelt – bedeutete sie ihm alles. Und er würde sie wieder ganz besitzen, das hatte er sich geschworen.

Die Nacht war pechschwarz, nur ein paar Lichter am Zufahrtsweg durchbrachen das Schwarz. Dies war sein Zuhause. Ihrer aller Zuhause. Und Adam würde dafür sorgen, dass alles, was dazugehörte, wieder in den Besitz der Kings kam.

„Es ist nun mal das letzte Stück, das noch fehlt“, sagte er. Er dachte an die vergangenen fünf Jahre zurück. Jahre, in denen er jedes Stück Land zurückgekauft hatte, das einst, vor über hundertfünfzig Jahren, zum ursprünglichen King-Besitz gezählt hatte.

Ihre Vorfahren waren schon vor dem Goldrausch in Kalifornien sesshaft geworden. Sie waren Bergleute gewesen, Rancher, Farmer, Schiffsbauer. Mit den Jahren hatte die Familie andere Geschäftszweige erschlossen, sie waren nie hinter ihrer Zeit zurückgeblieben. Generationen hatten daran gearbeitet, den Reichtum der Familie zu vergrößern. Immer aufbauend auf dem, was die vorherigen Generationen geschaffen hatten. Mit einer Ausnahme.

Urgroßvater Simon King war in gewissem Sinne aus der Art geschlagen – er war ein Spieler gewesen. Um Schulden zu begleichen, hatte er immer wieder Teile seines Erbes verkauft. Seine Nachkommen hingegen hatten sich auf die Familientradition zurückbesonnen.

Adam wusste nicht, ob er seinen Brüdern das begreiflich machen konnte – ob er es überhaupt ernsthaft versuchen sollte. Eines stand fest: In den vergangenen Jahren hatte er Grundstücke wie Puzzleteile gekauft, um die Ranch wieder zu dem zu machen, was sie einmal gewesen war. Und er würde nicht aufhören, bis er seine Aufgabe beendet hatte.

„Na gut“, sagte Jackson. „Wenn es dir so wichtig ist, dann mach eben weiter.“ „Ich brauche deine Erlaubnis nicht“, entgegnete Adam. „Aber trotzdem danke.“

Jackson lächelte. Der jüngste der King-Brüder ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. „Dann viel Glück bei den Torinos“, meinte er und trank einen Schluck Whisky. „Was der alte Torino in den Klauen hat, gibt er so schnell nicht her.“ Amüsiert musterte er Adam. „Da ist er wie du, großer Bruder. Sal wird dir das Land nicht einfach so verkaufen.“

Adam erwiderte das Lächeln seines Bruders und hob das Brandyglas, wie um den anderen zuzuprosten. „Wie sagte Dad doch immer so schön?“

Jeder hat seinen Preis“, verkündete Travis und hielt sein Glas vor sich. Dann vollendete er das Zitat: „Du musst den Preis nur herausfinden.“

Jackson schüttelte zwar den Kopf, weigerte sich aber nicht und trank einen Schluck. „Salvatore Torino könnte die Ausnahme von der Regel sein. Ich glaube nicht, dass er käuflich ist.“

„Du irrst dich“, widersprach Adam. Bald würde er den Sieg feiern, auf den er all die Jahre hingearbeitet hatte. Von einem einzigen starrköpfigen Nachbarn ließ Adam sich mit Sicherheit nichts verderben. „Auch Sal wird verkaufen. Fragt sich nur noch, was er als Gegenleistung erwartet.“

Gina Torino lehnte sich an den verwitterten Holzzaun und blickte auf die Pferdeweide. Die Sonne schien angenehm warm vom Himmel, das Gras war saftig und grün. Das junge Fohlen bemühte sich unsicher staksend, mit seiner Mutter Schritt zu halten.

„Siehst du, Shadow?“, sagte Gina und klopfte der Stute auf den Hals. „Ich habe dir ja gesagt, dass mit ihm alles gut gehen wird.“

In der vergangenen Nacht war sie sich allerdings nicht so sicher gewesen. Nachdem sie die Stute selbst großgezogen hatte, war Gina auch bei der Geburt des Fohlens dabei gewesen – und hatte mächtig Angst gehabt. Aber es war nichts schiefgelaufen, und jetzt fühlte Gina sich entspannt und glücklich.

Lächelnd beobachtete sie die Tinker-Stute. Für Gina waren die Tinker die schönsten Pferde der Welt. Mit den breiten Schultern, dem stolzen Hals und den langen Haaren am Fesselgelenk, dem sogenannten Kötenbehang, sahen sie sehr prachtvoll aus. Wer sich nur ein bisschen mit Pferderassen auskannte, verwechselte sie oft und hielt sie für klein gewachsene Clydesdale-Pferde. Aber in Wahrheit waren die Tinker etwas ganz anderes.

Tinker, klein, aber kräftig, waren zunächst vom fahrenden Volk gezüchtet worden; sie waren kräftig genug, um Karren und Wagen zu ziehen, und dabei doch so sanftmütig, dass sie zumeist als Familienmitglieder betrachtet wurden. Diese Pferde verstanden sich gut mit Kindern und waren den Menschen, die sie liebten, stets treu.

Und Gina bedeuteten sie mehr als Tiere, die man bloß züchtete und dann verkaufte. Für Gina gehörten sie zur Familie.

„Du verhätschelst sie wie Babys.“ Ginas Mutter trat hinter sie.

Jetzt kam wieder die alte Geschichte – die Vorwürfe, dass Gina zu viel Zeit mit den Pferden verbrachte, statt sich nach einem passenden Ehemann umzusehen. „Na und? Das schadet doch keinem.“

„Du brauchst ein eigenes Baby.“

Gina verdrehte die Augen und war froh, dass ihre Mutter es nicht sah. Teresa Torino scherte sich nicht darum, ob ihre Kinder längst erwachsen waren. Eine freche Antwort quittierte sie immer noch mit einer Zurechtweisung. Eigentlich wäre ich gut beraten gewesen, auch auszuziehen, dachte Gina. Zwei ihrer drei älteren Brüder lebten längst nicht mehr hier.

„Ich weiß ganz genau, dass du die Augen verdrehst!“

Wider Willen lächelte Gina und sah über die Schulter. Teresa Torino war klein, wohlgerundet und eigensinnig. Ihr schwarzes Haar wurde langsam grau, allerdings dachte sie nicht daran, es zu färben. Stattdessen betonte Teresa bei jeder Gelegenheit, dass sie sich die grauen Haare erarbeitet hatte. Und ihren braunen Augen entging nicht viel.

„Würde ich je über eine Bemerkung von dir die Augen verdrehen, Mom?“

„Wenn du glaubst, ich merke es nicht – dann schon.“

Gina wechselte lieber das Thema, das war sicherer. „Ich habe mitgekriegt, dass du heute Morgen mit Nick telefoniert hast. Ist bei ihm alles in Ordnung?“

„Ja“, sagte Teresa und stellte sich zu ihrer Tochter an den Zaun. „Nickies Frau ist übrigens wieder schwanger.“

Daher wehte also der Wind! Deshalb das Baby-Thema! „Das ist ja toll, Mom.“

„O ja. Dann hat Nick drei Kinder, Tony zwei und Peter vier.“

Meine Brüder setzen wirklich alles daran, die Welt mit kleinen Torinos zu bevölkern, dachte Gina lächelnd. Sie war gerne Tante. Sie wünschte nur, dass sie alle etwas dichter beieinanderleben würden, damit sie nicht immer alles abbekam. Aber leider lebte von den drei Torino-Söhnen nur noch Tony auf der Ranch. Nick arbeitete als Footballtrainer an einer Highschool in Colorado. Und Peter lebte in Südkalifornien, wo er Computersoftware für Sicherheitsfirmen installierte.

„Du hast Glück als Oma“, sagte Gina und warf ihrer Mutter einen Seitenblick zu. „So viele Enkelkinder, die du verziehen kannst.“

„Könnte noch besser sein“, konterte Teresa.

„Ach, Mom …“, sagte Teresa seufzend. „Du hast achteinhalb Enkelkinder. Warum willst du unbedingt noch eins von mir?“

Ihre Mutter hatte immer davon geträumt, wie Gina heiratete, und es sich in allen Einzelheiten ausgemalt. Dass ihre Tochter nicht mitspielte, ärgerte Teresa sehr.

„Es ist nicht gut, dass du alleine bist, Gina“, erklärte sie und schlug gegen eine Holzlatte, sodass der ganze Zaun vibrierte.

„Ich bin doch nicht alleine“, widersprach Gina. „Ich habe dich und Papà, meine Brüder, ihre Frauen, ihre Kinder … In dieser Familie kann man doch gar nicht alleine sein!“

Teresa war jedoch nicht mehr zu bremsen. Und je mehr sie sich ereiferte, desto stärker brach ihr italienischer Akzent hervor. „Eine Frau braucht einfach einen Mann, Gina. Einen Mann, den sie liebt und der sie liebt …“

Dem hatte Gina nicht viel entgegenzusetzen. Es war ja nicht so, dass sie fest entschlossen war, nie zu heiraten. Niemals Kinder zu haben. Es war einfach so gekommen. Deswegen wollte sie allerdings auf keinen Fall für den Rest ihres Lebens Trübsal blasen.

„Ich bin zwar nicht verheiratet, Mom“, unterbrach Gina den Redeschwall ihrer Mutter, „aber das heißt ja nicht, dass es keine Männer in meinem Leben gibt.“

Mamma mia!“ Teresas Unmutsäußerung war so laut, dass sogar das Pferd auf der Weide erschrocken zusammenzuckte. „Hör auf! Davon will ich nichts hören!“

Das war Gina nur recht. Sie hatte keine Lust, ihr Liebesleben – oder ihr nicht vorhandenes Liebesleben – ausgerechnet mit ihrer Mutter zu besprechen. Auch wenn sie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern hatte. Teresa stammte aus einer großen sizilianischen Familie und war vor über vierzig Jahren nach Amerika gekommen, um Sal Torino zu heiraten.

Und obwohl Sal schon in Amerika geboren und aufgewachsen war, hielt er wie seine Frau an den traditionellen Werten fest. Das bedeutete in diesem Fall: Eine Tochter, die mit dreißig noch nicht verheiratet ist, endet garantiert als alte Jungfer.

Das Dumme war, dass Ginas dreißigster Geburtstag nun schon zwei Monate zurücklag.

„Mom …“ Gina holte tief Luft. Jetzt nur nicht die Geduld verlieren. Sie hatte ja gehofft, dass alles besser würde, wenn sie ein eigenes kleines Haus auf dem Gelände der Ranch besaß. Dass sie dann mehr Privatleben hätte und ihre Eltern ihre Eigenständigkeit dann endlich akzeptierten. Falsch gedacht, natürlich. Einmal Torino-Kind, immer Torino-Kind.

Ja, wahrscheinlich hätte sie ganz fortziehen sollen. Aber dann wäre sie ja trotzdem den ganzen Tag hier gewesen. Die Pferde waren nun mal ihr Leben. Gina musste einfach damit zurechtkommen, ihre Mutter zu enttäuschen.

„Ich weiß, ich weiß“, sagte Teresa. „Das habe ich schon tausendmal gehört. Du bist eine erwachsene, selbstständige Frau und kommst im Leben auch ohne Mann klar.“ Verärgert seufzte sie. „Ich hätte nie zulassen dürfen, dass du dir als Teenager diese Talkshows im Fernsehen ansiehst. Die machen einen nur …“

„… vernünftig?“, fragte Gina lächelnd. Sie liebte ihre Mutter wirklich. Wenn nur nicht immer diese ständigen Diskussionen übers Heiraten und Kinderkriegen wären!

„Hör mir auf mit vernünftig. Ist es vernünftig, alleine zu leben? Ohne Liebe?“ Teresa wartete gar nicht erst auf eine Antwort. „Nein. Ist es nicht.“

Gina hätte nun stundenlang dagegen argumentieren können. Insgeheim gab sie ihrer Mutter jedoch ein bisschen recht. Ein ganz kleines bisschen. Eine innere Stimme flüsterte Gina zu, dass sie ja auch nicht jünger wurde. Dass sie nicht mehr ihren Wunschträumen aus Jugendtagen nachhängen sollte.

„Es geht mir wirklich gut, Mom“, erwiderte Gina und versuchte, Teresa und sich davon zu überzeugen.

Ihre Mutter strich ihr über den Arm. „Weiß ich doch, mein Kind.“

Das stimmte zwar nicht so ganz, aber immerhin war damit die Diskussion fürs Erste beendet. Gina wechselte das Thema. „Wo ist Papà?“, fragte sie. „Er wollte sich doch heute Morgen das Fohlen ansehen.“

„Der hat ein Meeting. Sehr wichtig.“

„Ja? Mit wem denn?“

„Meinst du, das hätte er mir gesagt?“, ereiferte sich Teresa. Gina lächelte. Nichts hasste ihre Mutter mehr, als nicht Bescheid zu wissen.

„Na ja, solange Papà in dem Meeting ist, kannst du dir das neue Fohlen ansehen.“

„Du und deine Pferde“, murmelte Teresa.

Gina lachte und nahm ihre Mutter bei der Hand. „Komm.“

Sie gingen zum Tor, als sie plötzlich ein Geräusch hörten. Ein schwarzer luxuriöser Geländewagen fuhr den Zufahrtsweg entlang. Sobald Gina das Auto erkannte, verspürte sie Unruhe. Ihr Puls raste, ihr Mund wurde trocken.

Sie brauchte nicht erst das Nummernschild mit der Aufschrift „KING 1“ zu lesen. Gina wusste auch so, dass Adam King in dem Wagen saß. Wieso war sie sich eigentlich so sicher? War es eine Art inneres Frühwarnsystem, das Alarm schlug, wenn Adam sich in der Nähe aufhielt?

„Adam King ist also der Mann vom Meeting“, sagte ihre Mutter nachdenklich. „Worum es wohl geht?“

Das fragte sich Gina auch. Sie wusste, sie sollte sich um ihre Dinge kümmern, die Pferde … Doch Gina konnte sich nicht vom Fleck rühren. Sie stand nur da und beobachtete, wie Adam parkte und aus dem Wagen ausstieg. Dann ließ er den Blick über das Ranchgelände schweifen, und irgendetwas in ihr machte einen Luftsprung. Wie dumm, dachte sie sich. Wie dumm, etwas für einen Mann zu empfinden, der kaum weiß, dass es dich überhaupt gibt.

Adam sah sich so aufmerksam um, als ob er sich jede Einzelheit einprägen müsste. Dann entdeckte er Gina. Sie verspannte sich augenblicklich. Er war ja weit weg, aber sein Blick war so intensiv. Es fühlte sich an, als hätte Adam sie berührt.

Er nickte Gina und ihrer Mutter kurz zu. Gina zwang sich, ihm zum Gruß zuzuwinken. Mitten in der Bewegung hielt sie jedoch inne. Adam hatte sich schon dem Ranchhaus zugewandt.

„Ein eiskalter Mann ist das“, sagte Teresa leise und bekreuzigte sich. „Er hat so etwas … Finsteres an sich.“

Auch Gina spürte diese Finsternis, wie ihre Mutter es nannte. Daher widersprach Gina nicht. Aber sie kannte Adam und seine Brüder schon ihr ganzes Leben. Und sie hatte immer einen Wunsch gehabt: Sie wollte diejenige sein, die diese Finsternis aus seinem Leben vertrieb.

Dumm eigentlich, dachte sie. Warum wollen wir Frauen einen Typen immer retten?

Gina stand immer noch da und sah Adam nach, der schon längst das Ranchhaus betreten hatte. Sie spürte, wie ihre Mutter sie betrachtete. „Was ist denn?“

„Ich sehe da etwas in deinen Augen, Gina“, flüsterte Teresa besorgt.

Brüsk wandte Gina sich ab und ging zu den Pferden. Um zu verbergen, wie zittrig sie sich fühlte, machte sie lange, energische Schritte. „Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst, Mom“, rief sie ihrer Mutter zu.

Teresa folgte ihrer Tochter und umfasste ihren Arm. Dann sah sie Gina in die Augen und erwiderte: „Mich kannst du nicht täuschen. Du empfindest etwas für Adam King. Aber … diesem Gefühl darfst du auf keinen Fall nachgeben.“

Gina lachte überrascht auf. „Wie bitte? Und das aus dem Munde einer Frau, die mir noch vor fünf Minuten erzählt hat, ich muss unbedingt heiraten und Kinder kriegen?“

„Nicht Adam King“, erklärte Teresa hart. „Diesen Mann will ich nicht für dich. Auf gar keinen Fall.“

Wie schade.

Denn Adam King war der einzige Mann, den Gina wollte.

2. KAPITEL

„Adam“, sagte Sal Torino lächelnd und bat seinen Besucher herein. „Pünktlich auf die Minute, wie immer.“

„Danke, dass du Zeit für mich hast, Sal.“ Adam trat ein und sah sich um. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen, aber es hatte sich kaum etwas verändert.

Der Eingangsbereich war geräumig. Durch ein Oberlicht schien die Sonne herein, sodass der Pinienholzboden golden glänzte. Im Flur hingen zahlreiche gerahmte Familienfotos an den Wänden. Sie zeigten lächelnde Kinder und stolze Eltern. Auch das Wohnzimmer sah noch genauso aus wie früher. Die Wände waren in einem warmen Gelbton gehalten, die Möbel groß und gemütlich, auf dem Kaminsims stand eine Vase mit frischen Blumen. Sal setzte sich auf das Sofa und nahm die Kaffeekanne von dem großen, schon leicht zerkratzten Pinientisch.

Während Sal Kaffee einschenkte, den sein Gast gar nicht wollte, ließ Adam den Blick durch den Raum wandern, bis zum Fenster. Man hatte einen wunderbaren Ausblick auf den gepflegten Rasen und die ihn umgebenden uralten Eichen. Doch das nahm Adam kaum wahr. Er war voll auf seinen Plan konzentriert und dachte nur daran, wie er Sal dazu bringen würde, ihm Land zu verkaufen.

„Also. Was führt Adam King so früh am Morgen zu mir?“

Adam musterte seinen Nachbarn. Sal war nicht besonders groß, sein dichtes schwarzes Haar begann an einigen Stellen langsam grau zu werden. Sein Gesicht wirkte wettergegerbt, seine braunen Augen schimmerten hellwach.

Adam trat näher, nahm die angebotene Kaffeetasse und trank aus reiner Höflichkeit einen Schluck. Dann setzte er sich. „Ich möchte mit dir über die zwanzig Morgen Weideland in deinem Nordgebiet mit dir reden, Sal.“

Der ältere Mann lächelte und lehnte sich gegen die Sofakissen. „Ah ja.“

Natürlich war es geschäftlich unklug, dem anderen sofort zu zeigen, wie sehr man etwas wollte. Aber Sal Torino war ja nicht dumm. Außerdem hatte die Familie King in den letzten Jahrzehnten schon öfter Kaufangebote für das Land ausgesprochen, das ursprünglich mal ihnen gehört hatte. Und Sal hatte jedes Mal strikt abgelehnt. Er wusste sowieso, wie wichtig es Adam war. Da half kein Drumherumreden.

„Ich will das Land unbedingt, Sal. Und ich biete dir einen traumhaften Preis dafür. Du machst einen Riesenprofit.“

Sal schüttelte den Kopf, trank einen Schluck Kaffee und seufzte. „Adam …“

„Lass mich ausreden.“ Er beugte sich vor, stellte die Kaffeetasse auf den Tisch und lehnte sich wieder zurück. „Du nutzt das Land ja nicht mal, nicht als Weidefläche, für gar nichts. Es liegt einfach nur da.“

Sal lächelte, bevor er wieder den Kopf schüttelte.

Er war wirklich starrköpfig, und irgendwie imponierte das Adam sogar. Er zwang sich, seine Ungeduld zu unterdrücken, und bemühte sich, freundlich zu klingen. „Denk doch noch mal drüber nach, Sal. Mein Angebot wäre sehr, sehr großzügig.“

„Warum ist dir das Land so wichtig?“

Es war wie ein Spiel, und Adam wünschte, es wäre nicht so mühselig. Sal wusste doch ganz genau, dass Adam die King-Ranch zu ihrer ursprünglichen Größe zurückführen wollte. Aber offenbar sollte Adam die ganze Litanei noch einmal herunterbeten.

„Es ist das letzte noch fehlende Stück des ursprünglichen King-Besitzes“, sagte Adam angespannt. „Was dir übrigens durchaus bekannt ist.“

Sal lächelte milde.

Irgendwie, fand Adam, sieht er wie ein freundlicher, gütiger Troll aus. Leider wie kein verkaufsbereiter. „Reden wir Klartext. Du brauchst das Land nicht. Ich will es. So einfach ist das. Also, was sagst du?“

„Adam“, setzte Sal zu einer Antwort an, hielt dann jedoch inne und trank noch einen Schluck Kaffee. „Weißt du, ich verkaufe Grundstücke nur sehr ungern. Was ich hab’, das hab’ ich. Das weißt du doch. Du denkst doch nicht anders.“

„Ja, und das Land gehört mir, Sal. Oder sagen wir, es sollte mir gehören. Es war früher mal King-Gebiet, und das sollte es wieder sein.“

„Ist es aber nicht.“

Innerlich kochte Adam regelrecht vor Wut.

„Ich brauche dein Geld nicht, Adam.“ Er stellte seine Kaffeetasse ebenfalls auf den Tisch. Nachdem Sal aufgestanden war, ging er im Zimmer auf und ab. „Das weißt du ganz genau. Und trotzdem kommst du hierher und versuchst, mich mit deinem Profitgeschwätz zu überreden.“

„Es ist doch keine Sünde, Gewinne zu erzielen“, konterte Adam.

„Es geht aber im Leben auch nicht immer nur um Geld. Manchmal auch um andere Dinge.“ Sal lehnte sich an den Kamin und sah zu Adam herüber.

Adam war nicht gewohnt, bei einer Verhandlung die schwächere Position einzunehmen. Und weil er in dem weichen Sessel saß, musste er obendrein zu Sal hochblicken; dadurch fühlte Adam sich erst recht unterlegen. Darum stand er auf. Während er die Hände in die Hosentaschen schob, beobachtete er Sal und fragte sich, was sein Nachbar wohl vorhatte.

„Schön, es geht im Leben nicht immer nur um Geld“, wiederholte Adam. „Was willst du mir damit sagen? Raus damit, dann sehen wir, ob wir uns einigen können.“

„Adam, Adam“, murmelte Sal. „Sei doch nicht immer so ungeduldig. Du solltest das Leben viel mehr genießen. Es ist nicht gut, ein Leben nur auf Geschäften aufzubauen.“

„Für mich läuft’s ganz gut so.“ Adam hatte kein Interesse an den Lebensweisheiten eines alten Mannes. Er wollte nichts darüber hören, wie man angeblich „das Leben genießen“ sollte. Er wollte nur das Land.

„Du warst früher mal anders“, sagte Sal in die entstandene Stille hinein. Sein Lächeln verschwand, der Ausdruck seiner dunklen Augen wirkte beinah mitleidig.

Adam fühlte sich unwohl. Das war ja das Blöde, wenn man in einer Kleinstadt lebte: Alle wussten alles über dich. Die Leute glaubten jedenfalls, sie würden Adam kennen. Sie glaubten zu wissen, was er empfand, was er dachte. Aber sie täuschten sich.

Er wollte keine guten Ratschläge und erst recht kein Mitleid. Sein Leben war genau so, wie er es sich wünschte. Von den verdammten zwanzig Morgen Land mal abgesehen.

„Hör zu, Sal“, sagte Adam ruhig. „Ich bin nicht hier, um mit dir über mein Leben zu plaudern. Ich will ein Geschäft machen. Wenn du also …“

Sal stieß einen missbilligenden Laut aus. „Du bist ungeheuer zielstrebig, Adam. Einerseits bewundere ich das – es kann einem das Leben aber auch unnötig schwer machen.“

„Mein Leben ist meine Sache, okay?“ Allmählich riss Adam der Geduldsfaden. „Was ist jetzt, Sal? Werden wir uns irgendwie einig oder nicht?“

Sal verschränkte die Arme und musterte Adam, als ob er etwas Bestimmtes suchte. Nach einer langen Pause sagte Sal: „Wir könnten uns einig werden. Allerdings möchte ich … etwas anderes von dir.“

„Wovon zum Teufel redest du?“

„Es ist ganz einfach“, fuhr Sal fort. „Du möchtest das Land. Und ich möchte etwas von dir. Aber kein Geld.“

„Was denn dann?“

Der ältere Mann ging zurück zum Sofa und setzte sich. Dann sah er Adam aufmerksam an. „Du kennst meine Gina.“

„Ja?“, antwortete Adam abwartend.

„Ich möchte, dass sie glücklich ist.“

„Davon gehe ich mal aus“, erwiderte Adam mürrisch. Was zum Teufel hatte Gina mit der ganzen Sache zu tun?

„Ich wünsche mir, dass sie heiratet und eine Familie gründet.“

Jetzt brachte Adam keinen Ton hervor. Es war so still im Raum, dass er die Uhr ticken hörte und sogar, wie eine dicke Fliege von außen gegen die Fensterscheibe prallte. Adam holte tief Luft, schüttelte den Kopf und sah Sal fassungslos an. Was der alte Mann da andeutete – das konnte er doch nicht ernst meinen!

Adam hatte es schon oft mit zähen Verhandlungspartnern zu tun gehabt – und immer gewonnen. Das würde heute nicht anders sein. „Schön, du möchtest, dass Gina heiratet. Aber was hat das mit mir zu tun oder mit unseren Verhandlungen?“

„Verstehst du nicht?“, fragte Sal lächelnd. „Du bist allein, Adam. Und Gina auch …“

So hatte Adam sich die Verhandlungen nicht vorgestellt.

Gina? Heiraten? Ihn?

Das ging schon mal gar nicht. Als er Sal jedoch in die Augen sah, erkannte er, dass der Ältere es völlig ernst meinte, egal, wie durchgeknallt es klang. Adam biss die Zähne zusammen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Es half überhaupt nicht.

Gelassen lehnte Sal sich zurück und schien völlig im Einklang mit sich und der Welt zu sein. „Das ist das Geschäft, das ich dir vorschlage, Adam. Heirate meine Gina. Mach sie glücklich. Schenk ihr ein oder zwei Kinder. Dann bekommst du das Land.“

Kinder?

Adam meinte, keine Luft mehr zu bekommen. Er konnte kaum klar denken und wusste nur eins: So aufgebracht war er noch nie in seinem Leben gewesen. Was war hier eigentlich los? Eigentlich gab er in Verhandlungen den Ton an. Man überrumpelte ihn nicht, er war stets Herr der Lage. Und nun das!

Der ältere Mann schien es zu genießen, Adam so durcheinandergebracht zu haben. Und das regte ihn wiederum noch mehr auf.

„Das vergiss mal ganz schnell“, stieß Adam schließlich hervor. Mit großen Schritten ging er zum Fenster herüber, blickte kurz nach draußen und wandte sich dann wieder Sal zu, der immer noch ganz ruhig auf der Couch saß. „Was zum Teufel ist mit dir los, Sal? Bist du verrückt geworden? Töchter werden heutzutage nicht mehr gegen eine Mitgift verhökert. Das gab’s vielleicht mal im Mittelalter.“

Sal erhob sich langsam. „Ich habe wohl weniger davon“, sagte er dann. „Ganz im Gegensatz zu dir. Du glaubst doch wohl nicht, ich würde meine Gina dem Erstbesten geben? Und du denkst doch wohl nicht, sie wäre mir egal? Ich habe mir das Ganze sehr genau überlegt.“

„Du bist verrückt.“

Sal lachte, aber es klang nicht fröhlich. „Du möchtest das Land unbedingt? Dann sag Ja, und es gehört dir.“

„Das … das ist unglaublich.“ Die ganze Situation war verrückt, einfach völlig irre. Dabei hatte er Sal Torino immer gemocht. Wer hätte geahnt, dass der alte Mann den Verstand verloren hatte?

„Was ist denn daran so unverständlich?“, fragte Sal und ging zu Adam ans Fenster. „Ist es verrückt, wenn ein Vater sich um das Wohl seiner Tochter kümmert? Und gleichzeitig um das Wohl des Sohnes eines Freundes? Du bist ein guter Kerl, Adam. Aber du bist schon zu lange allein gewesen. Hast zu viel verloren.“

„Sal!“ In seiner Stimme schwang ein warnender Unterton mit.

Beschwichtigend hob Sal die Hand. „Schon gut. Lass uns nicht über die Vergangenheit reden, sondern über die Zukunft.“ Er sah aus dem Fenster und ließ den Blick nachdenklich über das Land schweifen, das sich weit vor ihnen erstreckte. Dann sagte Sal: „Meine Gina braucht in ihrem Leben mehr als nur ihre geliebten Pferde. Und du brauchst mehr als deine Ranch. Ist es denn da so verrückt zu denken, dass ihr gemeinsam etwas aufbauen könntet?“

Adam drehte sich zu ihm um. „Du willst deine Tochter an einen Mann verheiraten, der sie nicht liebt?“

Sal zuckte mit den Schultern. „Liebe kann wachsen.“

„Nicht bei mir.“

„Sag niemals nie, Adam. Ein Menschenleben ist lang, und man sollte es nicht allein verbringen.“

„Von welchem Kalenderblatt hast du das denn?“, fragte Adam spöttisch. Das weiß ich wirklich besser, dachte er. Ein Menschenleben ist nicht immer lang, und nach meiner Erfahrung sollte man es besser allein verbringen. Adam brauchte sich nur um seine Belange zu kümmern. Er lebte so, wie er es wollte, und war niemandem Rechenschaft schuldig. Daran wollte er auch nichts ändern.

Natürlich, er wollte das verdammte Land unbedingt. Es war – das gestand er sich ein – zu einer Art Besessenheit für ihn geworden, den einstigen Besitz der Kings wieder zurückzugewinnen. Doch dieses Ziel schien jetzt wieder in weite Ferne gerückt zu sein, und das ärgerte Adam maßlos.

„Schönen Dank, Sal. Aber … kein Interesse.“ So schon gar nicht. Er wollte das Land, dafür würde er allerdings unter keinen Umständen noch einmal heiraten. Das hatte er hinter sich. Selbst vor dem katastrophalen Ende war die Ehe nicht gut gelaufen, weder für ihn noch für seine Frau. Er war eben kein Mann für die Ehe.

„Denk noch mal drüber nach“, bat Sal ihn ruhig und zeigte aus dem Fenster.

Adam blickte in dieselbe Richtung und sah Gina, die mit ihrer Mutter über die Weide schlenderte. Während er dastand, ging Teresa fort. Jetzt stand ihre Tochter allein dort, umringt von ihren kleinen, kräftigen Pferden.

Ginas langes dunkles Haar glänzte im Sonnenlicht. Plötzlich lachte sie über irgendetwas und lehnte den Kopf zurück. Ein rundum schöner Anblick. Adam presste die Lippen aufeinander.

„Meine Gina ist eine wunderbare junge Frau. Du könntest es wirklich schlechter treffen.“

Adam riss seinen Blick von der Frau auf der Wiese los und schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich, Sal, das vergiss mal ganz schnell. Jetzt komm wieder zurück in die Realität, und nenne mir einen Kaufpreis, mit dem wir beide leben können.“ Er hielt es hier drinnen kaum noch aus. Wenn man Sal so ansieht, kommt man nicht auf den Gedanken, dass er der ungekrönte König des Irrsinns ist, dachte Adam. Aber er ist es. Wer verschachert heutzutage noch seine Tochter?

Er wusste selbst nicht warum, aber ein letztes Mal wollte Adam noch an Sals Vernunft appellieren. „Was glaubst du wohl, was Gina sagen würde, wenn sie dich hören könnte?“

Wieder zuckte Sal mit den Schultern und lächelte. „Sie braucht ja nichts davon zu erfahren.“

„Du spielst ein gefährliches Spiel, Sal.“

„Ich weiß, was gut für meine Kinder ist. Und ich weiß auch, was gut für dich ist. Das ist das Geschäft deines Lebens, Adam. Also schlage es nicht vorschnell aus.“

„Tut mir leid, Sal“, erwiderte Adam fest. „Ich heirate weder Gina noch sonst jemanden. Falls du jedoch wieder zu klarem Verstand kommst und vernünftig verhandeln willst, ruf mich an.“ Er musste hier raus. Dieser verrückte alte Mann! Ihm aus heiterem Himmel diesen irren Vorschlag zu machen!

Völlig durcheinander eilte er durch den Flur. Als er die Haustür aufriss, stieß Adam um ein Haar mit Teresa zusammen.

„Adam!“

„Teresa.“ Er nickte ihr kurz zu, warf noch einen ungläubigen Blick zurück und schloss dann die Tür von außen.

An der frischen Luft konnte er wenigstens wieder durchatmen. Ein leichter Wind wehte, und es roch nach Heu und Pferden. Ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, sah Adam sich um und blickte zur Weide, wo Gina Torino mit ihren Pferden beschäftigt war.

Selbst auf diese Entfernung fühlte er sich so stark zu ihr hingezogen, wie er es seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte. Zum letzten Mal hatte er Gina auf der Beerdigung seiner Frau und seines Sohnes gesehen. Damals hatte er Gina in seinem Schmerz natürlich kaum beachtet. Und seitdem hatte er fast die ganze Zeit auf der Ranch gearbeitet.

Statt schnurstracks zum Auto zu gehen, schlug Adam zu seiner eigenen Überraschung plötzlich den Weg zur Pferdewiese ein.

Gina sah, wie Adam näher kam, und befahl sich, ruhig zu bleiben. Was ihr natürlich nicht gelang. Ganz im Gegenteil, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

„O Shadow“, flüsterte sie ihrem Pferd zu. „Ich bin sooo dumm.“

„Guten Morgen, Gina.“

Sie versuchte, sich zusammenzureißen. Aber ein Blick in seine faszinierenden dunklen Augen genügte, und schon war es um sie geschehen. Warum war das allein für sie bereits wie Ostern und Weihnachten zusammen? Warum musste es ausgerechnet Adam King sein, nach dem sie sich so verzehrte?

„Hallo, Adam“, sagte sie und beglückwünschte sich im Stillen dazu, dass ihre Stimme so ruhig klang. „Bist ja schon früh auf den Beinen heute Morgen.“

„Ja“, antwortete er einsilbig. „Ich hatte ein Treffen mit deinem Vater.“

„Worum ging’s denn?“

„Um nichts“, erwiderte er so schnell, dass es nur gelogen sein konnte. Es musste um sehr viel gegangen sein. Und wie Gina ihren Vater kannte, konnte das alles Mögliche und Unmögliche sein.

Aber es war eindeutig, dass Adam darüber nicht sprechen wollte. Deshalb hakte Gina nicht nach. Aus ihrem Vater würde sie es schon herausbekommen. Jetzt musste sie sich erst mal zusammenreißen, um in ihrer Aufregung kein dummes Zeug zu reden.

Nachdem Adam dichter herangetreten war, lehnte er sich gegen den Holzzaun und blinzelte in die Morgensonne. Und gerade in diesem Moment, wie um Gina zu ärgern, drehte der Wind, sodass sie Adams Duft wahrnahm.

Kein Hauch von einem aufdringlichen Aftershave. Nur Seife und Mann. Gina wagte kaum einzuatmen.

„Sieht aus, als hätte es Nachwuchs gegeben“, sagte er mit einem Blick auf das Fohlen.

Gina lächelte stolz. „Ja, das Kleine ist mitten in der Nacht gekommen. Ich war bis vier Uhr heute Morgen damit beschäftigt – darum sehe ich heute auch aus wie Frankensteins Gesellenstück.“

O nein! Am liebsten hätte Gina sich auf die Zunge gebissen. Richtig gut gelungen! Stoß den Mann deiner Träume nur mit der Nase darauf, wie schlimm du aussiehst. Zum ersten Mal seit der Beerdigung wechselst du ein paar Worte mit ihm und siehst absolut verboten aus. Na klasse!

„Du siehst doch gut aus“, sagte Adam kurz angebunden.

„O ja, ganz bestimmt.“ Gina lachte, strich Shadow noch einmal übers Fell und machte sich daran, durch das Gatter zu klettern.

Im gleichen Moment wurde ihr klar, dass sie lieber die paar Meter zur Pforte hätte gehen sollen. Denn prompt blieb Gina mit ihrem Stiefel hängen und verlor den Halt. Jetzt fällst du vor deinem Traummann auch noch in den Dreck, schoss es ihr in Sekundenbruchteilen durch den Kopf – doch da spürte sie bereits Adams rettende Hand.

„D…danke“, brachte sie stammelnd hervor – mehr nicht. Seine Nähe war zu überwältigend. Ihr Magen rotierte, ihr Blut pulsierte. Gina konnte diesen atemberaubend gut aussehenden Mann nur wortlos anschauen. Und dass er immer noch ihre Hand hielt, machte es nicht leichter.

Während Gina noch verzweifelt überlegte, wie sie ihre plötzliche Tölpelhaftigkeit erklären sollte, fragte Adam plötzlich: „Willst du mit mir essen gehen?“

3. KAPITEL

Adam stutzte. Hatte er das gerade wirklich gefragt? Andererseits – warum eigentlich nicht?

An Ginas Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie ebenso überrascht war wie er. Sie hatte irgendetwas in ihm ausgelöst, ein Begehren, das ihn völlig unerwartet überwältigte.

Gina Torino war eine großartige Frau. Beim letzten Mal war ihm das gar nicht bewusst geworden. Aber jetzt brauchte er sie nur anzusehen, und längst verloren geglaubte Empfindungen erwachten in ihm. Und er war Mann genug, um diese Gefühle zu genießen.

Sie sah ihn aus ihren hellbraunen Augen an, und ihm ging wie in einer Endlosschleife derselbe Gedanke durch den Sinn: das Angebot ihres Vaters. Und als sein Verlangen heiß und immer heftiger wurde, sagte Adam sich, dass der Vorschlag vielleicht doch gar nicht so schlecht war. Es gab sicher schlimmere Schicksale, als mit Gina Torino verheiratet zu sein.

Für einen Moment gewann sein Verstand wieder die Oberhand. Hatte er das tatsächlich gedacht? Zog er die Heirat ernsthaft in Erwägung? Andererseits – es musste ja nicht für immer und ewig sein. Und sie mussten ja auch nicht zwangsläufig Kinder in die Welt setzen. Er musste Gina nur heiraten und würde das heiß begehrte Land bekommen. Nach Ablauf einer Anstandsfrist könnte er sich wieder scheiden lassen, eine gute Abfindung zahlen – und alle wären glücklich und zufrieden.

Halt! War er jetzt schon genauso verrückt wie der alte Sal? Wahrscheinlich. Aber trotzdem – es war doch Adams Stärke, eine Situation nüchtern zu beurteilen und dann die Entscheidung zu treffen, die ihm die meisten Vorteile brachte. So auch diesmal!

Er wollte Sal ja nicht betrügen. Der alte Mann hatte den grotesken Plan schließlich selbst ausgeheckt. Und Gina?

Blitzschnell musterte er sie, ihre glänzenden Augen, die vollen Lippen, ihre üppigen Brüste, die sich unter der verwaschenen Bluse abzeichneten … die schöne Hüfte, ihre langen Beine.

Jeder Mann würde sich nach ihr umdrehen. Ja, definitiv, der Plan des alten Sal war es durchaus wert, noch einmal darüber nachzudenken!

„Überrascht dich mein Vorschlag?“, fragte er, um das Schweigen zu beenden.

„Allerdings.“ Sie strich sich über die Hose, aber offensichtlich mehr aus Nervosität, als um sich die Hände abzuwischen. „Wir haben in den letzten fünf Jahren nicht mal ein Wort miteinander gewechselt, Adam.“

Das konnte er nicht leugnen. Er war nie besonders gesellig gewesen, ganz im Gegensatz zu seinen Brüdern. Und in den letzten Jahren hatte er sich von seinen Nachbarn geradezu abgekapselt. „Ich … ich hatte viel zu tun.“

Sie lachte, und ihr helles, klares Lachen klang wie Musik in seinen Ohren, beglückte und bezauberte ihn. Und es verstörte ihn gleichzeitig. Mit körperlichem Begehren konnte er umgehen, das könnte er für seine Zwecke nutzen. Aber so richtig etwas für Gina empfinden – das hatte er eigentlich nicht vor.

Auf jeden Fall hatte sie sein Verlangen geweckt. Und nach all den Jahren, in denen er absolut nichts gespürt hatte, tat das verdammt gut. Adam musste nur dabeibleiben, er durfte sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das Land. Also: Gina heiraten, ein bisschen Spaß haben. Wenn das vorbei war, würden sie sich scheiden lassen. Und das Land würde ihm gehören.

„Ach, du hattest viel zu tun.“ Amüsiert lächelte sie. „Fünf Jahre lang.“

Er zuckte die Schultern. „Und was ist mit dir?“

„Was soll mit mir sein?“

„Ich meine, was hast du so getrieben in letzter Zeit?“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Du meinst, in den letzten fünf Jahren? Es dauert eine Weile, das zu erzählen.“

„Du hättest ja beim Essen Gelegenheit dazu.“

„Vorher muss ich dir noch eine Frage stellen.“

„Bitte, nur raus damit.“ Frauen hatten immer tausend Fragen.

„Warum?“

„Warum was?“

„Warum lädst du mich zum Essen ein?“ Sie steckte die Hände in die Gesäßtaschen, und der Stoff der Bluse spannte über ihren wundervollen Brüsten. „Warum willst du das auf einmal?“

Adam runzelte die Stirn. Jetzt musste er sich anstrengen. „Ich, äh, das ist doch keine große Sache. Ich habe dich gesehen, wir haben geplaudert, ich habe dich gefragt. Wenn du nicht möchtest, dann eben nicht.“

Sie sah ihn eine Weile schweigend an. Adam wusste, dass sie nicht ablehnen würde. Sie war interessiert. Und mehr noch, sie spürte auch dieses erotische Knistern zwischen ihnen. Er las es in ihren Augen.

„Ich habe ja nicht gesagt, dass ich nicht möchte“, meinte sie dann. Er hatte also recht gehabt. „Ich habe mich nur gewundert.“

Lächelnd betrachtete er sie. „Essen müssen wir ja schließlich beide. Warum dann nicht zusammen?“

„Okay … Wohin gehen wir denn?“

Er musste das erstbeste Restaurant vorschlagen, das ihm in den Sinn kam. Schließlich hatte Adam nichts im Voraus geplant. Er war zu den Torinos gekommen, um ein Geschäft zu machen. Nun, offenbar würde er das Geschäft jetzt tatsächlich noch abwickeln – wenn auch ganz anders als erwartet.

Vor Freude hätte Gina Liftsprünge machen können. Sie konnte gar nicht fassen, dass Adam King endlich von ihr Notiz nahm. Doch der erste Enthusiasmus wich schon bald einer gewissen Skepsis. Warum jetzt? Gina kannte Adam schon von klein auf. Und bis vor fünf Minuten hatte er sie nie beachtet, höchstens mal Hallo gesagt.

Seit seine Frau und sein Sohn vor fünf Jahren gestorben waren, hatte Adam fast wie ein Einsiedler gelebt. Er kapselte sich von allem ab, außer von seinen Brüdern. Und natürlich kümmerte er sich um seine Ranch.

Jetzt hatte er sich plötzlich in einen Charmeur verwandelt? Gina war misstrauisch, aber die Freude überwog am Ende doch.

„Gehen wir doch ins ‚Serenity‘.“

Oha! Das exklusive Restaurant an der Küste, in dem man nur sehr schwer einen Tisch bekommen konnte. Adam legte sich ja mächtig ins Zeug!

„Hört sich nicht schlecht an“, sagte Gina gelassen und dachte: Wow, großartig, ich kann es kaum erwarten! Warum hast du dafür so lange gebraucht?

„Sagen wir morgen Abend um sieben?“

„Gut. Um sieben.“ Kaum hatte sie zugestimmt, sah sie das triumphierende Glitzern seiner Augen. Argwöhnisch hakte sie nach: „Trotzdem würde mich interessieren, wie ich so plötzlich zu dieser Ehre komme.“

Einen Moment wirkte Adam sehr ernst, aber dann lächelte er sie wieder freundlich an. „Gina, wenn du keine Lust hast, kannst du auch Nein sagen.“

„Nein, nein, ist schon in Ordnung.“ Sie nahm die Hände aus den Taschen.

„Na, das freut mich.“ Er nahm ihre Hand, sah ihr in die Augen und sagte: „Ich hole dich also morgen um sieben ab.

Dann kannst du mir ausführlich erzählen, was du die letzten fünf Jahre so getrieben hast.“

Als er ihre Hand wieder losließ, spürte Gina immer noch die wohlige Wärme, die seine Berührung ausgelöst hatte. Oh, er konnte ihr wirklich gefährlich werden!

Adam benahm sich charmant, freundlich … verführerisch.

Irgendetwas stimmte da nicht. Er verschwieg ihr etwas. Und dennoch hätte sie für nichts auf der Welt auf die Einladung verzichtet.

„Gut, ich bin um sieben fertig.“

„Dann … bis morgen.“ Er lächelte sie noch einmal an, bevor er sich umwandte und entschlossen zu seinem Geländewagen ging, den er vor dem Haus geparkt hatte.

Gina stand einfach nur da, blickte ihm nach und genoss den Anblick. Einen schönen Hintern hat er, überlegte sie. In den dunklen Jeans kommt er großartig zur Geltung. Sein dunkelbraunes Haar glänzte in der Sonne.

Ihr Herz schlug schneller. Ein komisches Gefühl. Und kein gutes Zeichen. „O Gina“, murmelte sie vor sich hin, „du steckst ganz schön in Schwierigkeiten.“

Dass sie Adam so nah gewesen war, dass er endlich auf sie aufmerksam wurde – das hatte all ihre alten Träume und Fantasien zu neuem Leben erweckt. Sie fühlte sich mit einem Mal ganz zittrig. Genau wie damals, als sie in einer Stunde drei Espressos getrunken hatte. Allerdings übte Adam King eine weitaus verheerendere Wirkung auf sie aus als Koffein.

Adam bog auf die Hauptstraße ab. Sanft strich Gina mit den Fingern über die Stelle, wo Adam sie berührt hatte. Dann blickte sie zum Haus hinüber. Adam wollte ihr offenbar nicht sagen, was wirklich los war. Aber sie hatte das Gefühl, dass ihr Vater ihr Antworten auf ihre Fragen geben konnte.

„Ich glaub’s einfach nicht“, murmelte Gina immer wieder und ging wütend im Zimmer auf und ab. Seit ihr Vater ihr gebeichtet hatte, worum es beim Treffen mit Adam King wirklich gegangen war, konnte sie sich nicht mehr beruhigen. Stillsitzen – unmöglich.

Immer wieder warf sie ihrem Vater wütende Blicke zu. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht geschrien. Schließlich hatte sie sich jedoch so weit im Griff, dass sie ihn mit halbwegs ruhiger Stimme fragte: „Du wolltest mich verkaufen?“

„Gina, ich glaube, du übertreibst ein bisschen.“ Äußerlich ruhig saß Sal auf dem Sofa, nur sein Blick spiegelte ein leichtes Schuldbewusstsein.

„Ich übertreibe?“ Theatralisch hob sie die Arme. „Was bin ich denn, eine Prinzessin in einem Schloss? Und du, Papà? Bist du ein alter Feudalherr? So etwas kenne ich höchstens aus irgendwelchen Romanen, die im Mittelalter spielen.“ Wütend zeigte sie mit dem Zeigefinger auf ihn. „Nur, mein lieber Vater, dass wir im einundzwanzigsten Jahrhundert leben!“

„Ihr Frauen seht immer alles so gefühlsbetont“, murmelte Sal. „Deshalb herrschen auch immer die Männer.“

„So siehst du das also?“ Teresa Torino schlug ihrem Mann sanft auf den Oberarm. „Wenn überhaupt, herrschen Männer, weil die Frauen es ihnen erlauben.“

Normalerweise hätte Gina angesichts dieser Szene gelächelt. Doch im Augenblick war ihr wirklich nicht dazu zumute. Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. Was Adam wohl gedacht hatte, als ihr Vater ihn mit seinem „Plan“ konfrontiert hatte? Sie wollte es sich lieber gar nicht vorstellen. Wie peinlich!

„Du hast doch selbst gesagt, Gina müsste heiraten und Kinder kriegen“, entgegnete Sal an seine Frau gewandt.

„Aber doch nicht so! Und schon gar nicht mit dem!“

„Wieso, was ist denn nicht in Ordnung mit Adam?“, fragte Sal.

Mit Adam ist alles in Ordnung, dachte Gina. Das hätte sie jetzt natürlich um keinen Preis laut ausgesprochen.

„Er … er hat so etwas an sich“, sagte Teresa ausweichend.

Gina stöhnte genervt auf.

„Du kannst das doch gar nicht beurteilen“, entgegnete Sal. „Du kennst ihn doch gar nicht richtig.“

„Ach ja, aber du! Du kennst ihn gut genug, um deine Tochter an ihn zu verschachern!“

So ging es hin und her. Gina hörte nur mit halbem Ohr zu. In ihrer Familie gehörte es zum normalen Umgang, sich anzuschreien, genau wie die ständigen Umarmungen und das Lachen. Italiener, sagte ihre Mutter oft, leben intensiv und kosten die Momente voll aus. Ginas Vater konterte dann stets, seine Frau lebe Momente vor allem laut aus. Aber im Grunde lief es auf dasselbe hinaus.

Gina und ihre Brüder waren mit Lachen aufgewachsen, mit Schimpfen und Schreien, mit Umarmungen und Liebkosungen und mit noch mehr Schimpfen und Schreien. Und vor allem mit der Gewissheit, dass sie von ihren Eltern bedingungslos geliebt wurden.

Heute aber … heute hätte Gina ihren Vater, den sie so liebte, am liebsten gewürgt. Sie sah sich im Wohnzimmer um, schaute auf die gerahmten Fotos, die auf Schränken und Tischen herumstanden und an jeder freien Stelle an den Wänden hingen. Es waren Dutzende Aufnahmen, die ihre Brüder und deren Familien zeigten. Und auch jede Menge alte, teils schon ausgeblichene Schwarz-Weiß-Fotos von Großeltern und Urgroßeltern waren darunter. Dazu Bilder von Kindern in Italien – irgendwelche Cousins, die Gina noch nie gesehen hatte. Natürlich prangten auch Fotos von Gina selbst an den Wänden. Gina, mit ihrem ersten eigenen Pferd. Gina in Baseballkleidung. Gina, fein herausgeputzt für den Abschlussball der Highschool.

Auf all diesen Bildern war Gina allein. Kein Ehemann. Keine Kinder.

Nur die nette Tante Gina. Die alte Jungfer!

Im Torino-Clan galt die Familie als das Höchste. Und eigentlich teilte Gina diese Einstellung.

Sie hatte sich immer eine eigene Familie gewünscht. Gina war immer davon ausgegangen, dass auch sie Kinder bekommen würde, wenn es denn so weit war. Doch der Zeitpunkt war nie gekommen. Die Familien ihrer Brüder wuchsen und wuchsen, während Gina allein blieb. Irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, dass ihre Lebensträume wohl nicht mehr in Erfüllung gehen würden.

Die ganze Zeit über war sie unruhig auf und ab gegangen. Jetzt zwang Gina sich zur Ruhe und versuchte, nicht weiter zu grübeln. Nachdenklich sah sie zum Fenster, durch das die Sonne schien, und beobachtete die winzigen Staubpartikelchen, die im Licht tanzten. Von der Küche aus drang der vertraute Duft von Teresas Spaghettisoße ins Zimmer und umhüllte Gina.

Sal warf seiner Frau einen mürrischen Blick zu, sah dann seine Tochter an und murmelte: „Übrigens ist die ganze Diskussion sowieso sinnlos. Du regst dich völlig umsonst auf, Gina. Adam hat nämlich abgelehnt.“

„Was? Das hat er getan?“, fragte Gina.

„Natürlich hat er“, kommentierte Teresa und versetzte ihrem Mann wieder spielerisch einen Schlag auf den Oberarm.

„Hey“, protestierte Sal.

„Mit Adam King schließt man sowieso keinen Pakt“, sagte Teresa und hob warnend den Zeigefinger. „Er hat so etwas Finsteres an sich … und in sich auch.“

Sal verdrehte die Augen, während Gina aufstöhnte. Jeder Mann, der keine Spaghetti mochte, machte sich in Teresa Torinos Welt von vornherein höchst verdächtig.

„Adam ist doch in Ordnung“, erklärte Sal. „Er ist ein guter Geschäftsmann, solide von vorn bis hinten. Und reich ist er auch. Keiner, bei dem man befürchten müsste, dass er Gina nur des Geldes wegen nimmt.“

„Oh, vielen Dank, Papà! Das war ja ganz außerordentlich charmant!“

„Und“, fuhr Sal fort, bevor er noch einmal unterbrochen werden konnte, „er braucht eine Frau.“

„Er hatte doch schon eine Frau“, sagte Teresa.

„Ja, aber die ist tot.“

„Und jetzt soll ich die Lückenbüßerin spielen?“, fragte Gina aufgebracht.

„Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei“, zitierte Sal daraufhin aus der Bibel.

„Himmel, jetzt ist aber mal Schluss!“ Gina ließ sich auf den nächstbesten Sessel fallen. „Du machst mich noch wahnsinnig.“

„Jetzt sei nicht so frech zu deinem Vater“, ermahnte Teresa ihre Tochter.

„Wie bitte?“ Teresa sah ihre Mutter verblüfft an. Das war mal wieder typisch. Gerade eben noch war Teresa stocksauer auf ihren Mann gewesen. Aber kaum wurde er von jemand anderem angegriffen, verteidigte sie ihn.

„Mom, ich weiß, dass Papà es nur gut gemeint hat. Aber die ganze Sache ist doch …“ Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht mal, wie ich es nennen soll. Du weißt schon … erniedrigend. Peinlich. Blamabel.“

„Jetzt krieg dich mal wieder ein“, sagte Teresa.

Gina sah ihre Mutter wortlos an. Wie sollte man mit solchen Eltern vernünftig diskutieren? Warum lebte sie überhaupt noch hier auf der Ranch?

Am liebsten hätte sie laut losgeschrien. Wie demütigend war das denn? War sie so eine erbärmliche, bemitleidenswerte Kreatur, dass ihr Vater sich gezwungen sah, ihr einen Ehemann zu kaufen?

Sie bekam bestimmt bald Kopfschmerzen, in der Brust verspürte sie einen Stich. Ihre Mutter murmelte irgendetwas, aber Gina nahm es kaum wahr. Im Moment konnte sie nicht an ihre Eltern denken.

Was Adam wohl gedacht hatte? Ojeoje, sie wollte es lieber gar nicht wissen. Bloß nicht drüber nachdenken. Sie könnte ihm nie wieder in die Augen sehen. Und die Einladung morgen zum Abendessen … Das ging unter diesen Umständen gar nicht.

In diesem Moment begriff Gina erst richtig, was ihr Vater gesagt hatte.

Adam hatte das Angebot abgelehnt. Er wollte sie nicht heiraten, nicht mal für das Land, das er um jeden Preis besitzen wollte. Aber warum war er dann zu ihr gekommen und hatte sie zum Essen eingeladen? Aus reinem Mitleid?

Die arme kleine Gina bekommt sowieso keinen Mann ab, spendieren wir ihr wenigstens mal ’ne warme Suppe …?

Nein. Adam war kein Wohltäter-Typ. Auf das ewige „Finsternis“-Geschwätz ihrer Mutter gab Gina zwar überhaupt nichts. Aber er war tatsächlich kein Mensch, der sich besonders für das Wohl anderer einsetzte.

Was hatte das Ganze also zu bedeuten?

In ihrem Kopf hämmerte es immer mehr, jetzt schon in Richtung Migräne.

„Und jetzt?“, fragte Sal plötzlich. „Wie lange wollt ihr mir jetzt böse sein?“

Gina warf ihrem Vater einen zornigen Blick zu.

„Wird wohl noch eine Weile dauern“, beantwortete er sich die Frage selbst.

„Soll ich Adam anrufen?“, fragte Teresa. „Und ihm alles erklären?“

„Um Himmels willen, nein!“ Gina sprang auf. „Ich bin doch kein kleines Kind mehr.“

„Ich will ja nur helfen.“ Der Tonfall ihrer Mutter klang besänftigend. „Ich kann ihm erklären, dass dein Papà verrückt ist.“

„Ich bin nicht verrückt“, protestierte Sal sofort.

„Darüber ließe sich streiten“, kommentierte Gina sarkastisch, woraufhin ihr Vater prompt leicht errötete.

„Ich hab’s doch nur gut gemeint.“ Er verzog den Mund.

Gina seufzte. Auch wenn er sie manchmal zur Weißglut trieb – lange konnte sie ihm nie böse sein. Dafür liebte sie ihn viel zu sehr. „Das weiß ich doch, Papà. Aber halte dich bitte in Zukunft aus meinem Liebesleben raus.“

„Ja, klar doch.“

Als ihre Eltern erneut zu streiten begannen, ging Gina aus dem Wohnzimmer. Eine weitere Diskussion wollte sie sich nicht anhören.

Nachdem sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte, schlenderte Gina über den Hof zu ihrem Häuschen und trat ein.

Es war still. Leer. Niemand wartete auf sie, nicht mal ein Haustier. Weil sie so viel Zeit mit ihren Pferden verbrachte, wäre es ihr auch komisch vorgekommen, noch ein weiteres Tier um sich zu haben.

Im Wohnzimmer sah sie sich um. Sie kannte hier ja alles, aber plötzlich war ihr, als sähe sie alles mit anderen Augen.

Wie im Hauptgebäude hingen auch hier viele gerahmte Fotos. Bilder ihrer Nichten und Neffen. Lachende Kinder mit Zahnlücken. Schnappschüsse von Ausflügen in Vergnügungsparks, Kinder auf Pferden, Kinder beim Essen an Ginas Küchentisch. Und Kinderzeichnungen an der Wand, liebevoll von den kleinen Künstlern signiert mit „für Tante Gina“.

Auch Spielzeug gab es bei ihr. Manches lag auf ihrem Kaffeetisch verstreut herum. Der Rest war in einer Truhe unter ihrem großen Fenster verstaut. Puppen und Feuerwehrautos. Malbücher und ein Gameboy.

Das war ihr Leben, ihr Schicksal. Und so würde es wohl immer sein. Immer die Lieblingstante. Die Kinder, die sie liebte, würden nie die eigenen sein. Und sie würde als alte Jungfer enden, vereinsamt, vielleicht mit drei, vier Katzen um sich.

Als sie sich das so ausmalte, die Jahre, die verrannen, ohne Änderung, ohne Bewegung, traten Gina Tränen in die Augen. Ihr Haus war kein Zuhause, es war der Ort, an dem sie übernachtete. Ein Ort, den Kinder aufsuchten, um dann wieder zu gehen. Ein Ort, heimgesucht nur von den Kindern, die sie gerne gehabt hätte und nie haben würde.

Wenn sie nicht etwas dagegen unternahm, etwas schier Undenkbares.

Etwas, mit dem niemand rechnete. Am allerwenigsten Adam King.

4. KAPITEL

Eines war schon mal klar: Ein Date mit Adam King – und zumal dieses – verlangte nach einem neu gekauften Kleid.

Gina drehte sich vor dem Spiegel und befand, dass sie verdammt gut aussah. Das schwarze Kleid endete knapp über den Knien. Der Ausschnitt war nicht sündig-tief, aber doch so, dass man zumindest ahnte, was unter dem Seidenstoff verborgen war. Ginas Haar hing in vollen Locken auf die Schultern. Und in den neuen hochhackigen Sandaletten wirkte sie ein ganzes Stück größer.

„Siehst du“, sagte sie lächelnd zu ihrem Spiegelbild, „so geht das schon mal. Das wird toll laufen. Ich bin so was von bereit.“

Ihre Miene spiegelte noch leise Zweifel. Doch bevor Gina weiter darüber nachdenken konnte, klopfte es an der Tür.

Schnell griff Gina nach ihrer Handtasche und eilte zum Eingang. Aber als sie die Tür öffnete, stand nicht Adam, sondern ihr Bruder Tony vor ihr.

„Hallo“, sagte er. „Ich habe gerade mit Mom gesprochen und dachte, ich schaue lieber mal vorbei.“

„Keine Zeit“, erklärte Gina kurz angebunden und schaute an ihm vorbei zur Auffahrt.

„Warum denn nicht?“

„Ich habe ein Date.“ Sie machte eine Handbewegung, um ihren Bruder zum Gehen zu bewegen. „Danke für den Besuch und tschüß.“

Unbeeindruckt ging er an ihr vorbei ins Haus. Gina sah missbilligend auf die Staubspuren, die seine Stiefel auf dem Boden hinterließen. „Was willst du hier?“

„Mom hat mir erzählt, was Pop getan hat.“

„Na super.“ Wahrscheinlich hatte ihre Mom auch gleich noch Peter und Nicky angerufen, um alle über Ginas erbärmliches Liebesleben auf dem Laufenden zu halten. Am besten setzte sie es gleich in die Zeitung.

„Ich wollte dir nur sagen … Pop lag natürlich völlig daneben. Du brauchst ihn nicht, um einen Mann zu finden.“

„Oh, danke für das Vertrauen“, sagte Gina und schob Tony spielerisch in Richtung Tür. Er sollte verschwinden, bevor Adam ankam.

„Denn … wenn du einen Typen willst, kann ich einen für dich finden.“

„Was?! Nein!“

Tony zuckte mit den Schultern. „Ich meine ja nur … Kennst du übrigens Mike von der Bankfiliale? Netter Typ. Hat einen guten Job und …“

„Hat die Sache mit Papà denn nicht gereicht?“

„Pop hat den Fehler gemacht, auf Adam zu setzen“, erklärte Tony. „Das ist nichts. Sicher, er ist ganz in Ordnung, aber er ist, äh, emotional verkümmert.“

„Emotional verkümmert, ja?“ Gina schüttelte den Kopf. „Hast du wieder in Vickies Frauenzeitschriften gelesen?“

Tony grinste. „Man muss eben auf dem Laufenden bleiben. Frauchen soll ja nicht denken, dass ich nur ein dummer Rancharbeiter mit nichts in der Birne bin.“

„Ja, fein. Warum gehst du jetzt nicht nach Hause und erzählst ihr das? Oder wahlweise deinem Friseur?“

„Warum hast du es denn so eilig? Willst du mich loswerden?“ Erst in diesem Moment schien ihm das Kleid aufzufallen. Anerkennend pfiff Tony durch die Zähne. „Mann, Gina. Siehst ja klasse aus heute. Wie war das? Sagtest du vorhin, du hast tatsächlich eine Verabredung?“

„Warum überrascht dich das so?“, fragte sie gekränkt.

„Na, weil du sonst nie ausgehst.“

„Das stimmt doch überhaupt nicht.“ Na ja, eigentlich doch, fast jedenfalls. Sie war zwar kein scheues Mauerblümchen, aber auch nicht gerade der strahlende Mittelpunkt jeder Party. Vielleicht wäre es leichter gewesen, hätte sie Schwestern gehabt statt dreier wohlmeinender, aber auch anstrengender Brüder, die sich ständig einmischten.

„Mit wem gehst du denn aus?“

„Das geht dich gar nichts an. Au weia, schon so spät.“

„Du kannst mir doch ruhig sagen, wer …“

„Hallo, Tony.“

Beide drehten sich um. Die tiefe Stimme gehörte Adam. Er trug einen elegant geschnittenen schwarzen Anzug, der ihm ebenso gut stand wie die Jeans und Cowboystiefel, die er bei der Arbeit anhatte. Als er sie und Tony musterte, glaubte Gina in seinem Blick stille Belustigung zu lesen.

Wie lange zum Teufel hatte er schon dort gestanden? Was hatte er mitbekommen?

„Hallo, Adam“, sagte Tony und streckte die Rechte aus.

Adam schüttelte ihm kurz die Hand, bevor er sich Gina zuwandte. Sein Blick allein genügte schon, um ihr Herz laut pochen zu lassen.

„Du siehst umwerfend aus.“ Adam lächelte sie an.

„Danke. Äh, Tony wollte gerade gehen.“

„Wollte ich doch gar nicht.“

„Aber wir machen uns jetzt auf den Weg“, erwiderte Adam und reichte Gina die Hand.

Tonys verdutztes Gesicht zu sehen war unbezahlbar. Gina ging an ihm vorbei, warf ihm über die Schulter jedoch noch einen Blick zu. „Schließ ab, wenn du gehst, ja?“

Allein das Restaurant zu betreten war ein wahres Erlebnis. Hoch oben auf einem Felsvorsprung thronte das Gebäude, und die dem Ozean zugewandte Seite bestand fast durchgängig aus Glas. So hatten die Gäste einen atemberaubenden Ausblick auf das Meer und konnten beobachten, wie die Wellen im Mondlicht gegen die Felsen rauschten. Eine Band spielte leise Jazzmusik. Gina meinte, dass die Beleuchtung bewusst dezent gehalten wurde. Auf jedem Tisch stand eine Kerze.

Es war ein wirklich vollkommener Abend. Adam unterhielt sie auf sehr charmante Weise. Und er erwähnte mit keinem Wort das Geschäft, das Ginas Vater ihm vorgeschlagen hatte. Gina genoss jede Minute, auch wenn sie noch immer leichtes Unbehagen verspürte.

Als sie mit dem Essen fertig waren und zum Abschluss einen Kaffee tranken, hatte sie das Gefühl, eine Entscheidung treffen zu müssen. Entweder Gina weihte Adam in ihren geheimen Plan ein – oder sie vergaß das Ganze. Nachdenklich sah sie aus dem Panoramafenster und betrachtete die Wellen, die gegen die Felsen prallten und weiße Gischt versprühten.

„Woran denkst du gerade?“

„Wie bitte?“ Sie wandte sich wieder Adam zu, der sie amüsiert lächelnd beobachtete. „Oh, ich war mit meinen Gedanken ganz weit weg.“

„Und wo genau?“

Jetzt oder nie, sagte sie sich und schob die Kaffeetasse nervös auf dem Tisch hin und her. Du solltest es jetzt sagen oder für immer schweigen, überlegte Gina. Für immer schweigen – komisch, dass ihr gerade diese Formulierung in den Sinn kam.

„Adam“, sagte sie dann kurz entschlossen. „Ich weiß, was mein Vater dir vorgeschlagen hat.“

„Wie bitte?“

Jetzt war sie diejenige, die lächelte. „Du brauchst gar nicht so zu tun. Papà hat mir alles gebeichtet.“

Er runzelte die Stirn und trank einen Schluck Kaffee. „Hat er dir auch erzählt, dass ich abgelehnt habe?“

„Ja.“ Gina rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Und übrigens … danke dafür.“

„Schon in Ordnung.“ Er lehnte sich zurück und sah sie abwartend an.

„Aber ich habe mich gefragt“, fuhr sie fort, „warum du mich zum Essen eingeladen hast. Ich meine, wenn du dir keine Braut kaufen willst – warum dann die Einladung?“

„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.“

„Ich weiß nicht recht“, sagte Gina leise und strich mit dem Zeigefinger über den Tassenrand. „Ich hatte ja ein bisschen Zeit, über all das nachzudenken und …“

„Gina.“

„Also … Als Papà dir das … Geschäft vorschlug, war deine erste Reaktion: Nein, auf gar keinen Fall.“

„Genauso war es“, bestätigte Adam.

„Und dann …“ Sie lächelte, weil er jetzt noch ernster wirkte. „Dann hast du darüber nachgedacht. Du kamst aus dem Haus, hast mich gesehen und dir gesagt, dass es vielleicht doch gar keine so schlechte Idee wäre.“

Jetzt saß er kerzengerade auf seinem Stuhl. Wohl damit nicht jeder mithörte, beugte Adam sich zu ihr und sah ihr direkt in die Augen. „Ich habe dich definitiv nicht hierher eingeladen, um dir einen Heiratsantrag zu machen.“

Gina musste lachen. „Nein, natürlich nicht. Auf jeden Fall nicht sofort. Es sollte nur ein Date sein.“ Sie hielt inne, lächelte wieder und blickte sich im Restaurant um. „Und es war übrigens ein absolut fantastisches Date. Na ja, und dieser Verabredung wären weitere gefolgt. Nach ein paar Monaten hättest du mir dann den Heiratsantrag gemacht.“

Während er sie schweigend musterte, erkannte sie, dass sie recht hatte. Aus welchen Gründen auch immer, offenbar zog Adam den Vorschlag ihres Vaters nun doch in Betracht. Was ja gut war. Irgendwie. Natürlich gefiel ihr der Gedanke nicht, dass er sie nur heiraten wollte, weil er damit ein bestimmtes Ziel verfolgte. Im Gegenteil, es tat Gina weh. Schließlich war sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr in Adam King verliebt. Aber immerhin gab das ihrem Plan mehr Sinn.

„Okay, das reicht jetzt.“ Er gab der Kellnerin ein Zeichen.

„Tut mir leid, dass du es so siehst. Damit ist der Abend wohl beendet. Ich bringe dich nach Hause.“

„Moment, ich bin noch nicht fertig“, sagte sie und lehnte sich zurück. „Ich kenne dich doch, Adam. Du bist jetzt peinlich berührt.“

„Nein, Gina, ich bin enttäuscht, da du meine Einladung falsch aufgefasst hast.“

„Oh, das habe ich überhaupt nicht“, widersprach sie. „Ich verstehe das alles sehr gut.“

„Was verstehst du?“

„Ich weiß, wie viel dir daran liegt, den alten King-Besitz wieder komplettzubekommen. Und ich weiß, dass du dafür fast alles tun würdest.“

„Ach, glaub doch, was du willst“, erwiderte er barsch. In diesem Moment brachte die Kellnerin ihnen die Rechnung. Nachdem Adam den Beleg erhalten hatte, fuhr er fort: „Sogar das hat Grenzen, Gina. Grenzen, die ich nicht überschreiten würde.“

„Wenn das so ist … Schade eigentlich.“

„Wie bitte?“

„Adam, ich weiß, dass du das Land willst. Du willst nicht heiraten. Und du wirst ungern von anderen für deren Zwecke eingesetzt. Genau wie ich.“

Er nickte. „Das stimmt.“

„Wie gesagt, ich habe über die ganze Sache nachgedacht. Und ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden, die uns beiden hilft.“

Abwartend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Na, da bin ich aber gespannt.“

Mit Erleichterung stellte Gina fest, dass das Unwohlsein fort war, das sie den Abend über geplagt hatte. Weil sie jetzt endlich alles angesprochen hatte? Weil sie wusste, dass sie das Richtige tat? Oder lag es nur am Wein, den sie zum Essen getrunken hatte?

Ist jetzt auch egal, dachte sie. Sie war schon zu weit gegangen. Einen Rückzieher konnte sie nicht mehr machen.

„Ganz einfach“, sagte sie. „Ich bin bereit, den Vorschlag meines Vaters mit dir zu besprechen.“

Adam fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Hatte Gina das gerade wirklich gesagt? Allein dass sie Sals Angebot kannte, war schon schlimm genug. Und was ihn noch stärker beunruhigte: Sie lag mit ihrer Vermutung richtig, er zog tatsächlich in Erwägung, den Vorschlag anzunehmen. Kannte Gina ihn so gut? Und warum in aller Welt sollte eine Frau wie sie über ein derart beleidigendes Angebot überhaupt nachdenken?

Im Kerzenlicht schimmerten Ginas hellbraune Augen fast golden. Ihre Haut war zart und weich. Er hatte den ganzen Abend kaum den Blick von ihr wenden können. Ihre dichten dunklen Locken luden geradezu dazu ein, die glänzenden Wellen zu berühren. Und das schwarze Kleid betonte Ginas perfekte Kurven.

Warum war ihm all die Jahre über nicht aufgefallen, wie verführerisch sie war? Hatte er sie nur nie beachtet, weil er sie schon als kleines Mädchen gekannt hatte? Nun ja, jetzt war Gina erwachsen, verdammt erwachsen. Und erstaunlicherweise schien sie Gefallen am Vorschlag ihres Vaters zu finden.

Das machte Adam am meisten zu schaffen.

„Warum solltest du das tun?“

„Ich habe meine Gründe“, antwortete sie und schenkte ihm ein unergründliches Lächeln.

Adam wurde einfach nicht schlau aus ihr. Sie sah wirklich sehr gut aus – aber das war es nicht allein. Sie hatte etwas Undefinierbares an sich. Etwas Geheimnisvolles, das ihn in ihren Bann zog. Warum sonst hätte er an Sals Vorschlag überhaupt noch einen Gedanken verschwendet?

„Und was sind das für Gründe?“, fragte er interessiert nach.

„Meine Gründe.“ Mehr verriet sie nicht.

Der Abend verlief völlig anders, als Adam erwartet hatte. Was war bloß mit den Torinos los, dass sie ihn so aus der Fassung bringen konnten? Erst ihr Vater, jetzt sie. Dabei war Adam doch derjenige, der stets den Ton angab. Bei Geschäftsverhandlungen wusste er immer, was der andere plante, und bereitete sich rechtzeitig auf den nächsten Schachzug vor. Er bekam normalerweise immer, was er wollte.

Dass es jetzt andersherum zu laufen schien, passte ihm überhaupt nicht. Ihm war verdammt unwohl, weil Gina ihn anscheinend so gut kannte und einzuschätzen wusste. Sie sah ihn ruhig, fast selbstzufrieden an. Sie schien absolut Herrin der Lage zu sein.

Er musste wieder die Oberhand gewinnen und Gina klarmachen, dass er sich nicht manipulieren ließ. Er würde sich keine Schuldgefühle einreden lassen. Ja, und das Date war hiermit beendet.

„Gina …“ Er legte seine Kreditkarte in das Mäppchen mit der Rechnung und schob das Ganze an die Tischkante. Sofort kam die Kellnerin und nahm das Mäppchen mit. „Ich weiß nicht, was du vorhast, aber man spielt mit mir keine Spielchen“, sagte er mit drohendem Unterton. „Dein Vater nicht und du genauso wenig.“

Sie lachte, und das ärgerte ihn und imponierte ihm zugleich. „Ich wüsste nicht, was daran so witzig ist.“

„Natürlich nicht“, entgegnete sie und tätschelte seine Hand, als würde sie ein aufgebrachtes Kind beruhigen. „Du brauchst dich vor mir auch nicht aufzuspielen. Wir kennen uns schon zu lange, als dass du mich damit beeindrucken könntest.“

„Na schön. Sag, was du mir zu sagen hast. Und dann bringe ich dich nach Hause.“

Sie schüttelte den Kopf und lächelte wieder. „Formvollendet und charmant bis zur letzten Minute.“ Bevor er etwas entgegnen konnte, redete sie weiter: „Gut, kurz und knapp: Ich heirate dich, damit du dein Land bekommst. Allerdings habe ich eine Bedingung.“

„Jetzt bin ich aber gespannt.“

„Ich will ein Kind von dir.“

Der Satz traf ihn wie ein Fausthieb. Adam bekam kaum noch Luft. Gina hingegen saß ganz ruhig da und verzog keine Miene.

„Das … das kann nicht dein Ernst sein.“

„O doch, das ist es“, versicherte sie ihm. „Ich weiß, was du durchmachen musstest, als du deinen Sohn verloren hast, aber …“

In diesem Moment kam die Kellnerin zurück und brachte die Rechnung zum Unterschreiben. Adam warf einen kurzen Blick drauf, setzte ein üppiges Trinkgeld hinzu und unterzeichnete. Langsam steckte er die Kreditkarte ein. Erst dann sah er Gina wieder an.

„Mein Sohn ist kein Gesprächsthema. Niemals.“ Es war sein Verlust, und nur seiner. Er hatte es irgendwie durchgestanden. Es war Vergangenheit, und das sollte gefälligst auch so bleiben. Die Erinnerungen, der Schmerz, das alles hatte nichts mit seinem heutigen Leben zu tun.

„Kein Wort darüber. In Ordnung.“ Ernst musterte sie ihn.

„Und ich habe kein Interesse daran, noch einmal Vater zu werden.“

„Du sollst mein Kind ja auch gar nicht mit aufziehen“, sagte sie, und ihre Stimme wurde plötzlich frostig. „Ich brauche nur dein Sperma.“

„Was … warum tust du das?“

„Weil ich Mutter werden will.“ Sie lehnte sich zurück, spielte mit dem Kaffeelöffel und blickte auf die Tischdecke. „Die Kinder meiner Brüder sind entzückend, und ich liebe sie von ganzem Herzen. Aber ich will nicht mein Leben lang nur die nette Tante sein, ich will ein eigenes Kind. Auf eine Ehe lege ich ebenso wenig Wert wie du, da mach dir mal gar keine Sorgen. Ein Baby hingegen, das muss sein.“ Sie sah ihn verschwörerisch an. „Wir haben doch beide was davon. Du kriegst dein Land, ich mein Baby.“

Wortlos schüttelte er den Kopf.

„Sag nicht gleich Nein. Ich heirate dich und werde deine Frau sein – in jeder Hinsicht, wenn du verstehst, was ich meine. Sobald ich schwanger bin, bekommst du das Land, und wir lassen uns wieder scheiden. Und ich unterschreibe, was du willst, um dich von jeder Verantwortung für das Kind und mich freizusprechen. Das ist doch eine gute Regelung. Sowohl für dich als auch für mich.“

Adam dachte angestrengt nach. In ein paar Monaten konnte der King-Besitz wieder komplett sein. Ein verlockender Gedanke.

Seine Achtung für Gina wuchs. Sie hatte sich alles gut überlegt. Und dass sie auch etwas von dem Arrangement hatte, machte es zu einem Geschäft, von dem beide profitierten. So brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben.

Trotzdem – er hatte niemals auch nur mit dem Gedanken gespielt, noch einmal Vater zu werden. Ganz kurz überkam ihn der alte Schmerz. Dann war er wieder verschwunden. Adam hatte jahrelange Routine darin, seine Gefühle zu unterdrücken.

Es wäre ja keine richtige Ehe, sagte er sich. Gina wollte genauso wenig einen Ehemann wie er eine Ehefrau. Es ging nur um das Land und das Baby. Jeder bekam, was er wollte. Er musste dafür nur ein paar Monate lang mit einer überaus attraktiven Frau verheiratet sein.

Da gab es doch wohl Schlimmeres!

„Na, Adam?“, fragte sie leise. Ihre Stimme war wegen der Jazzmusik kaum zu hören. „Was sagst du dazu?“

Er stand auf und zog höflich ihren Stuhl zurück. Als auch sie stand, schüttelte Adam ihr feierlich die Hand und sagte: „Gina, wir sind im Geschäft.“

5. KAPITEL

Danach ging alles sehr schnell.

Schon nach ein paar Tagen hatte Adam die nötigen Unterlagen für die Hochzeit zusammen. Weil er das Geschäft schnellstmöglich unter Dach und Fach bringen wollte, blieb zum Leidwesen von Ginas Mutter keine Zeit, um eine aufwendig gestaltete, glamouröse Hochzeit vorzubereiten.

Stattdessen flogen er, Gina und ihre Eltern in einem der King-Familienjets nach Las Vegas.

Nicht gerade die Traumhochzeit, die sich kleine Mädchen so vorstellen, dachte Gina und sah sich in der Kapelle um. Die Wände waren hellblau gestrichen, jemand hatte einige weiße Wölkchen zusätzlich daraufgemalt. Der Raum war mit Kunstblumen geschmückt. Aus den Lautsprechern erklang leise klassische Musik.

Krampfhaft hielt Gina den Blumenstrauß fest, den sie vor wenigen Minuten erhalten hatte. Es war keine absolute Billig-Trauung, wie man sie in Las Vegas an jeder Straßenecke bekam. Allerdings lag es weit unter dem Standard, der Adams Reichtum angemessen gewesen wäre.

Gina war froh, dass sie vorher noch in San Jose shoppen gewesen war. In dem neuen gelben Kleid fühlte sie sich wunderschön.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst, Gina?“

Sie sah ihren Vater an und schluckte. „Ja, Papà. Ganz sicher.“

Natürlich war sie sich sicher. Sie hatte Adam King ja schon immer geliebt. Diesen Tag hatte sie seit Jahren herbeigesehnt. In ihren Träumen hatte Adam ihre Liebe allerdings erwidert – wovon Gina jetzt nicht ausgehen konnte. Dennoch wirkte Adam zumindest zufrieden. Während er neben seinen Brüdern stand, meinte Gina, etwas wie Begehren in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

Aber was ist in der Wirklichkeit schon so perfekt und schön wie in Wunschträumen, dachte sie sich. Immerhin heirate ich Adam jetzt, das ist doch schon was.

Sie machte sich keine Illusionen – das Ganze war als Geschäft geplant, nicht als Liebesheirat. Aber noch war ja nicht aller Tage Abend. Vielleicht würde es Gina noch gelingen, Adams Schutzpanzer aufzubrechen. Hoffnung keimte in ihr auf. Sie brauchte nur Zeit. Wenn sie beide erst verheiratet waren, würde Adam über kurz oder lang vielleicht erkennen, was sie schon lange wusste: dass sie ein tolles Gespann, ja eigentlich ein ideales Ehepaar waren.

„Mein Spatz, du siehst irgendwie nicht so ganz glücklich aus“, sagte ihr Vater besorgt.

„Doch, Papà, alles ist bestens“, sagte sie und setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Siehst du?“ Das schien ihn zu überzeugen. „Wir ziehen das jetzt in bester Laune durch, okay?“

„Ja“, antwortete er. „Deine Mutter wirkt angespannt.“

Gina blickte zu Teresa hinüber. Sie sah aus, als hätte sie Adam am liebsten einen langen Vortrag gehalten, wie er ihre Tochter gefälligst zu behandeln hatte. Dass Teresa der Hochzeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegensah, war kein Geheimnis. Denn Teresa ging davon aus, dass dieser Kerl ihre Tochter nicht wirklich liebte.

Der Hochzeitsmarsch ertönte. Gina verdrängte die letzten Zweifel und ging an der Seite ihres Vaters den Mittelgang entlang. Mit jedem Schritt verließ sie ein bisschen mehr ihr bisheriges Leben und trat dem Leben entgegen, das sie sich immer gewünscht hatte.

Adams Miene zeigte keinerlei Gefühlsregung. Gina hatte wenigstens ein Lächeln erwartet, aber es gab keine Spur davon.

Vor dem Pfarrer angekommen, legte Sal Ginas Hand in Adams Hand und ging zurück an die Seite seiner Frau. Nun lächelte Adam sie kurz an, aber es war ein stumpfes Lächeln, ohne jedes echte Anzeichen von Freude.

Der Pfarrer begann mit seiner Ansprache. Währenddessen schlug Ginas Herz so laut, dass sie längst nicht alles mitbekam – die wichtigen Worte aber schon. Die Worte, die ihr Leben verändern würden. Vorerst jedenfalls.

„Ja, ich will“, sagte Adam feierlich. Das waren sie, die entscheidenden Worte. Ihr Herz schien zu rufen: Wenn du nur wirklich wolltest!

Dann war Gina an der Reihe. Adams große, kräftige Hand umschloss die ihre. Nur noch Sekunden. Sie hatte die letzte Gelegenheit, einen Rückzieher zu machen – oder in eine höchst ungewisse Zukunft aufzubrechen.

Nachdem der Pfarrer die Frage gestellt hatte, wurde es in der Kapelle mit einem Mal totenstill. Gina spürte Adams Blick auf sich. Er wartete auf ihre Antwort.

„Ja, ich will“, verkündete sie schließlich, und ihr kam es vor, als ob alle in der Kapelle aufatmeten.

Adam steckte ihr den Ring an den Finger. Und während der kleine, wohlbeleibte Pfarrer die Schlussworte sprach, blickte sie auf ihre Hand herunter. Der Goldring funkelte. Er war dick und breit und aus hochwertigstem Gold, aber ohne jede Verzierung, die ihm Individualität verliehen hätte.

Irgendwie wirkte er kalt und unpersönlich. Genau wie ihre Hochzeit.

Adam nahm Gina in die Arme und gab ihr einen schnellen, kurzen Kuss. Der Pakt war geschlossen. Sie konnte nur hoffen, dass sich nicht alles gegen sie wenden würde.

Zum ersten Mal seit langer Zeit beschlich Adam das Gefühl, dass er keinen Einfluss auf die Dinge hatte, dass er die Kontrolle verlor. Und er hasste dieses Gefühl.

Nun war er hier also gelandet. In der Luxus-Hochzeitssuite des neuesten und teuersten Hotels im an Prunkhotels gewiss nicht armen Las Vegas. Genauer gesagt stand er auf dem Balkon der Suite. Und wartete auf seine Braut.

„Braut.“ Kopfschüttelnd nahm Adam die Champagnerflasche aus dem Eiskübel und goss sich ein Glas ein. Er brauchte jetzt einen Drink. Hätte auch gern was Härteres sein dürfen.

Er trank einen Schluck und ließ seinen Blick schweifen. Ganz in der Ferne sah man die Berge, die ersten Sterne standen schon am noch nicht ganz dunklen Himmel. Die untergehende Sonne verlieh dem Horizont einen orangefarbenen Glanz. In den Straßen unter ihm blinkten und glitzerten zahllose Lichter, wie Juwelen in einer Schatztruhe.

Von hier aus betrachtet, aus dem dreißigsten Stock, war Las Vegas betörend schön. Doch wenn man genauer hinsah, entdeckte man schnell dunkle Ecken und Abgründe. Wie in einer Ehe, dachte Adam und trank einen großen Schluck Champagner. Die Leute glaubten, er und Gina wären von Liebe getragen, in Leidenschaft vereint. So sah es aus der Ferne aus. Doch aus der Nähe? Nur er und Gina kannten die kalte, bittere Wahrheit.

Und was genau bedeutete das?

„Dass du ein berechnender Mistkerl bist“, sagte er leise zu sich selbst. „Dass du eine Frau benutzt, um zu bekommen, was du willst. Und sogar bereit bist, ein Kind zu zeugen und es dann ohne jede Gefühlsregung wegzugeben.“

Es verstörte Adam, dass er plötzlich Gewissensbisse bekam. Er kratzte sich am Kinn, sah in die Nacht hinaus und rief sich ins Gedächtnis, dass die Sache mit dem Kind schließlich Ginas Idee war. Sie war kein Opfer, sondern Mittäterin.

Sein Handy klingelte und riss ihn aus seinen Gedanken. Auf dem Display sah er den Namen seines Bruders. „Was gibt’s denn, Travis?“

„Was es gibt?“, entgegnete sein Bruder. „Du bist gut. Esperanza hat mir gerade erzählt, dass du in Las Vegas bist und heiratest.“

Adam seufzte. Seine Haushälterin redete einfach zu viel. „Ja, das stimmt.“

„Und zwar Gina.“

„Das ist auch richtig.“

„Dann ist deine Einladung an mich wohl in der Post verlorengegangen?“, fragte Travis mit hämischem Unterton.

„Reg dich nicht auf. Es war eine sehr kleine Feier.“

„Ach ja? Immerhin waren ihre Eltern da, wie ich höre.“

„Sind schon wieder weg. Heute Nachmittag im Jet nach Hause geflogen.“

„So, so. Gab’s einen bestimmten Grund, warum deine nächsten Verwandten nicht dabei sein sollten?“

„Es … es ist nicht, wie du denkst.“

„Wie ist es denn? Die Fakten sind doch klar: Du hast ein Mädchen geheiratet, das wir von klein auf kennen. Und du hast es deinen Brüdern verschwiegen.“

„Sie ist kein Mädchen mehr“, widersprach Adam angespannt. „Sie ist eine erwachsene Frau. Und seit wann bin ich dir und Jackson Rechenschaft schuldig?“

„Bist du nicht“, antwortete Travis. „Aber die ganze Geschichte kommt mir spanisch vor, Adam. Diese überstürzte Hochzeit hat doch hoffentlich nichts mit dem Land zu tun, auf das du so scharf bist?“

Adam schwieg, während er versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

Dann murmelte Travis: „Du bist ein ganz schöner Dreckskerl, weißt du das?“

„Sie ist erwachsen. Sie weiß genau, was sie tut.“ Genau das hatte er sich wieder und wieder eingeredet.

„Das bezweifle ich.“

Adam strich sich nervös mit der Hand durchs Haar und blickte sich um. Er wollte sichergehen, dass Gina noch nicht aus dem Badezimmer gekommen war. „Ach, und du bist auch nicht gerade ein Vorbild, was den respektvollen Umgang mit Frauen angeht.“

„Darum geht es hier nicht“, erwiderte sein Bruder ärgerlich.

„Doch, genau darum geht es. Mache ich dir Vorschriften? Sage ich dir, du sollst endlich aufhören, mit billigen Blondinen durch die Clubs zu ziehen und den Paparazzi Futter zu geben, die dir ständig auflauern? Nein. Also halt dich gefälligst auch aus meinem Leben raus.“

„Wenn du das mit Gina vergeigst, macht ihr Vater dir das Leben zur Hölle“, sagte Travis warnend.

„Ach ja. Ansonsten ist mein Leben ja perfekt. Die reine Lust und Freude.“

„Verdammt, Adam.“ Travis seufzte. „Wann bist du nur so kalt und zynisch geworden?“

„Wann war ich je anders?“, fragte Adam und drückte eine Taste. Dann schaltete er das Handy ab. Er hatte keine Lust, auch noch einen Anruf von Jackson zu bekommen. Adam brauchte keine guten Ratschläge von seinen Brüdern. Er hatte von Anfang an gewusst, was sie von der Sache halten würden. Und es war ihm völlig egal. Er und Gina waren erwachsen, sie waren sich handelseinig, und ihre Heirat ging niemanden etwas an.

„Na?“, hörte er von hinten Gina sagen. „Unangenehmes Telefonat gehabt?“

Er drehte sich zu ihr um und setzte seine ruhige, undurchdringliche Miene auf. Das tat er immer; außer manchmal in Gegenwart seiner Brüder. Aber sosehr Adam sich auch bemühte – ihr Anblick erregte ihn aufs Höchste.

Im weichen Licht erschien Gina ihm wie ein Wesen aus einer anderen, besseren Welt. Ihr dunkelrotes seidenes Nachthemd betonte ihre überaus verlockenden Kurven. Die wilden Locken umrahmten ihr schönes Gesicht. Sie lächelte ihn an – wissend und unsicher zugleich.

„Du siehst umwerfend aus“, stieß er hervor.

Sein Kompliment freute sie sichtlich. „Ich komme mir irgendwie ein bisschen albern in diesem Aufzug vor.“ Ob sie schon bereute, sich auf all dies eingelassen zu haben?

Er schenkte ihr Champagner ein. Als sie ihm das Glas aus der Hand nahm, berührten sich ihre Fingerspitzen. Adam wurde ganz heiß. Doch er zwang sich, es zu ignorieren. „Warum kommst du dir albern vor?“

Seufzend zupfte sie an ihrem Negligé und zuckte mit den Schultern. „Ich habe das extra für heute Nacht gekauft, und eigentlich hätte ich das nicht tun sollen. Es wäre das Richtige für eine ‚normale‘ Hochzeitsnacht. Aber das ist das ja wohl nicht.“

„Nein“, sagte er. Er konnte seinen Blick einfach nicht von ihr wenden. Von ihren vollen Brüsten, von ihren Brustspitzen, die sich durch den dunkelroten Stoff abzeichneten. „Nein, keine normale Hochzeitsnacht. Aber der Anfang unseres Geschäfts.“

„Das stimmt“, erwiderte sie und nippte an ihrem Champagner. Dann befeuchtete sie sich die Lippen, was Adam noch mehr erregte.

„Ich muss sagen“, bemerkte er und trank auch einen Schluck, „beim Einkaufen hast du ein glückliches Händchen.“

„Oh, danke.“ Sie trat auf den Balkon, blickte sich um und seufzte. „Wunderschön, nicht wahr?“

„O ja.“ Aber er schaute nicht auf die vielen Neonlichter oder die Berge am Horizont. Er betrachtete Gina. Wieder hob er das Glas – in der stillen Hoffnung, das eiskalte Getränk wurde ihn auch innerlich abkühlen und sein Verlangen mildern. Vergeblich.

Sie sah ihn an. „Danke, dass du Mom und Dad hast mitfliegen lassen.“

Er zuckte nur mit den Schultern. Das hatte ihm nichts ausgemacht – obwohl er auch nicht traurig war, weil die beiden schon wieder zurückgeflogen waren. Besonders Teresa. Sie hatte ihn den ganzen Tag lang ärgerlich angesehen. „Ich wusste doch, dass du sie gern dabeihaben wolltest.“

„Und du? Wolltest du deine Brüder nicht hierhaben?“

Lässig lehnte Adam sich gegen das Geländer. „Ich dachte mir, je weniger Leute, desto besser.“

„Verstehe. Wissen sie es überhaupt schon?“

„Das mit uns beiden?“

Sie nickte.

„Inzwischen wissen sie es. Esperanza hat es ihnen erzählt.“

Sie lächelte. „Wie haben sie es aufgenommen?“

Er beschloss, einfach zu lügen. Es spielte sowieso keine Rolle, was seine Brüder von der ganzen Sache hielten. „Oh, sie haben sich gefreut. Ich habe gerade mit Travis telefoniert.“

Ein kühler Windhauch wehte von der Wüste herüber. Gina zitterte.

„Ist dir kalt?“

„Ein bisschen.“

Er stellte sein Glas ab und ging auf sie zu. Schon sehr bald würde er ihr Bündnis besiegeln. Dann gab es kein Zurück mehr. Und falls er morgen früh aufwachte und es ihm leidtat – nun, dann musste er damit leben.

Aber er hatte ja Übung darin, mit unbequemen Wahrheiten zu leben.

„Komm.“ Sanft zog er sie an sich und umarmte sie. Er spürte ihren Rücken an seiner Brust. Ein heftiges Verlangen stieg in ihm auf, aber Adam biss die Zähne zusammen. Er wollte nicht die Kontrolle verlieren und würde sich auf keinen Fall von seinen Trieben beherrschen lassen.

Das Geschäft war eine Sache, Kontrollverlust eine andere. Das würde er nicht zulassen.

„Adam“, sagte Gina fast unhörbar leise, „ich weiß, dass das Ganze meine Idee war. Aber jetzt weiß ich nicht recht, wie es weitergehen soll.“

„Wir machen alles wie geplant. Wir zeugen ein Kind.“

Sie zitterte immer noch und schmiegte sich dicht an ihn. „Ja, genau. Darum ging es ja schließlich.“ In seiner Umarmung drehte Gina sich um und sah ihn an. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren, oder?“

Langsam stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. Die sanfte, fast zögerliche Berührung ihrer Lippen löste ein ganzes Feuerwerk der Gefühle in Adam aus, gegen das die zahllosen Neonlichter der Stadt verblassten.

Fünf Jahre lang hatte er allein gelebt. Alle körperlichen Bedürfnisse hatte er unterdrückt, beiseitegeschoben. Jetzt gab es keinen Grund mehr dafür. Genüsslich schlang er die Arme fester um Gina, hielt sie und legte alles Begehren in seinen Kuss, das er sich so lange versagt hatte.

Sie stöhnte leise, als er mit der Zunge in ihren Mund eindrang und sie schmeckte. Unwillkürlich presste er sich enger an sie und genoss die wohltuende Nähe.

Er küsste sie erst tastend, dann fordernd und schließlich voll entfesselter Leidenschaft. Langsam verlor er die Selbstbeherrschung, die er immer von sich forderte, und gab sich der lange entbehrten Lust hin. Begierig umfasste er ihren Po, strich über ihren Rücken und zerzauste ihr dichtes lockiges Haar.

Hungrig nahm er ihren Duft, ihren Geschmack in sich auf. Und hatte nur noch ein Ziel: sie unter sich zu spüren.

Mit einem Mal löste er seinen Mund von ihrem, wie ein Ertrinkender, der nach Atem ringt. Gina war unsicher, sie schwankte leicht. Doch Adam hielt sie fest und stützte sie. Sie blickte auf die Wüstennacht hinaus, während Adam ihren Hals erkundete, mit den Lippen forschend, leckend, knabbernd über ihre Haut glitt.

Sie fühlte sich wie ein üppiges Festmahl, das vor einem Verhungernden ausgebreitet war. Sie fühlte sich begehrt.

Wenn sie sich doch auch nur geliebt fühlen könnte!

Hastig verdränge Gina diesen Gedanken. Fürs Erste genügte es, dass sie ihn liebte. Immerhin begehrte er sie. Und sie wollte mehr. Sie wollte alles. Ab morgen würden sie, wie geplant und verabredet, eine vorgetäuschte Ehe führen. Aber heute war ihre Hochzeitsnacht. Und sie sollte unvergesslich werden, darauf wollte Gina sich jetzt konzentrieren.

Als Adam sie einfach hochhob, stöhnte sie vor Vorfreude auf. Tief sah Gina ihm in die Augen und lächelte ihn selig an. Aber in seinem Blick lag keine Wärme.

Nur Verlangen. Lust.

Das verletzte sie, doch sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. „Wir … wir können das ruhig machen, oder?“, fragte sie heiser.

„O ja, wir werden das jetzt machen, Gina. Jetzt sofort.“

Ihr wurde ganz heiß. Trotzdem fragte sie nach, während er sie vom Balkon in die Suite trug. „Ich meinte nicht den Sex, Adam. Ich meinte unsere Abmachung.“

„Hast du plötzlich Zweifel?“

Plötzlich, das war gut. Sie hatte die ganze Zeit gezweifelt, immer wieder. Dennoch sagte Gina: „Nein. Ich wollte nur sichergehen, dass du keine Zweifel hast.“

„Da mach dir mal gar keine Sorgen. Wenn ich eine Abmachung getroffen habe, halte ich mich auch daran.“

„Davon bin ich überzeugt“, erwiderte sie und strich mit der Hand seinen Hals entlang und bis zu seiner Brust. Gina fühlte seinen Herzschlag. Auch wenn er äußerlich unbeteiligt wirkte, Adam war offenbar nicht so ruhig, wie er vorgab. „Und wenn ich eine Abmachung getroffen habe, halte ich mich ebenfalls daran“, ergänzte sie lächelnd.

„Gut zu wissen. Dann lass uns zum Geschäftlichen kommen.“

„Für mich wär’s etwas leichter, wenn du es nicht ‚das Geschäftliche‘ nennen würdest“, kommentierte sie seine Bemerkung spöttisch, während sie sich das Nachthemd aufknöpfte.

Er schüttelte den Kopf. „Es ist ein Geschäft, Gina, und das solltest du nicht vergessen. Bitte rede dir nicht ein, dass es eine echte Ehe ist. Es würde dir am Ende nur wehtun.“

Damit hat er mich für die Hochzeitsnacht ja richtig in Stimmung gebracht, dachte Gina ironisch. Er wollte eben ganz sichergehen, dass sie nicht zu viel in die geschäftliche Abmachung hineininterpretierte. Damit keine Gefühle verletzt wurden, wenn es vorbei war.

Damit würde Gina umgehen können. Sollte er denken, was er wollte. Sie hatte anderes im Sinn, behielt es jedoch für sich. Sie verschloss es in ihrem Herzen. Immerhin hatte sie – im Moment jedenfalls – den Mann, den sie begehrte.

Zweifel oder Zukunftsängste durften ihr nicht die Nacht verderben, auf die sie fast ihr ganzes Leben gewartet hatte.

6. KAPITEL

Seine Hände auf ihrer nackten Haut. Es fühlte sich irgendwie sündig an, verboten … und doch so gut. Endlich, endlich, würde Adam ihr gehören. Sie würde ihn in sich spüren und ganz, ganz festhalten.

Gina fühlte sich in einen inneren Aufruhr versetzt, und das kam nicht allein vom Champagner. In einer Sekunde gingen ihr Warnungen durch den Sinn, in der nächsten wollte sie einfach nur weitermachen. Aber Gina wusste, was sie tat. Langsam knöpfte sie Adams Hemd auf und strich über seine breite Brust. Bei der ersten sanften Berührung zuckte er leicht zusammen – für sie ein Zeichen dafür, dass er sie genauso wollte wie sie ihn.

Das große, luxuriös eingerichtete Schlafzimmer war dunkel. Nur das Mondlicht schien durch die offene Balkontür herein. Die weißen Gardinen bewegten sich sanft, und ein Hauch von Wüstenluft wehte herein.

Das Bett war groß und sah überaus bequem aus. Die Tagesdecke war bereits zurückgeschlagen, am Kopfende lagen mehrere Kissen. Adam trug Gina bis zum Bett, ließ sie herunter und zog die Tagesdecke achtlos zu Boden.

Gina stand leicht unsicher da. Im Halbdunkeln wirkten Adams schokoladenbraune Augen fast schwarz. Sein Mund wirkte wie ein einziger schmaler Strich. Anscheinend nahm Adam sich extrem zusammen, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren.

Aber genau die sollte er verlieren.

Gina wollte ihn wild, leidenschaftlich, unbeherrscht.

Hastig knöpfte sie sein Hemd zu Ende auf. Während er reglos dastand, streifte sie ihm den störenden Stoff über die Schultern, über die Arme und ließ ihn schließlich zu Boden fallen. Sanft streichelte sie seine Brust. Gina spürte die kleinen dunklen Haare auf seiner sonnengebräunten Haut und merkte, wie er leicht zusammenzuckte, als sie mit dem Fingernagel seine Brustwarze berührte.

Mit kräftigen, großen Händen packte er sie an der Hüfte und zog Gina an sich, sodass sie seine Erregung spürte. Als er ihr in die Augen sah, wirkte sein Blick auf Gina wie die Flamme, die ein tosendes Feuer entzündete.

Er presste seinen Mund auf ihren und küsste sie so hungrig, wie sie es nicht erwartet hatte. Seine Zunge fand ihre und verführte sie zu einem wilden, erotischen Tanz, der nur ein Vorgeschmack für das war, was noch kommen sollte.

Leise stöhnte sie auf, als Adam ihre Brüste berührte. Er streichelte sie, und als der Spitzenbesatz ihres Nachthemds ihre festen Brustspitzen streifte, glaubte sie, vor Lust zu vergehen. Jede Berührung wirkte wie ein elektrisierendes Feuer auf sie. Adam entfachte in ihr eine unbändige Lust, sodass sie seinen nächsten Liebkosungen erwartungsvoll entgegenfieberte.

Nachdem er die Lippen von ihren gelöst hatte, verwöhnte er sie mit aufregenden Küssen, die er auf ihrem Hals verteilte. Sie hob das Kinn, um ihm mehr Spielraum zu geben. Seine Berührungen zu spüren war einzigartig, seine Hände an ihren Brüsten zu fühlen eine süße Qual.

Dann strich er mit den Händen zu den dünnen Trägern ihres Nachthemds und schob sie über ihre Schultern. Tiefer und tiefer rutschte der dünne Stoff, bis das hauchdünne Hemdchen zu ihren Füßen lag.

Der Wüstenwind wehte herein und umschmeichelte kühl ihre Haut, aber unter Adams Blick wurde Gina so heiß, dass sie es nicht einmal bemerkte. Begehrlich musterte er sie von oben bis unten, bevor er ihr direkt in die Augen sah. Schließlich trat Adam näher und ließ sich mit ihr auf die Matratze fallen. Gina spürte die erfrischend kühle Decke unter sich und schob sich ein Kissen unter den Kopf.

Wie gebannt beobachtete sie, wie Adam sich seiner Kleider entledigte. Ihr Mund wurde ganz trocken, als er schließlich nackt vor ihr stand.

Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. Sie kannte ihn schließlich ihr ganzes Leben, Adam würde ihr niemals wehtun. Und selbst wenn er sie nicht liebte, würde er vorsichtig sein.

Als er sich zu ihr aufs Bett legte, schien plötzlich ihr Verstand auszusetzen. Sie konzentrierte sich nur auf die wunderbaren Empfindungen, die ihren Körper durchströmten. Seine Hände, seinen Mund, sein Gewicht auf sich zu spüren war überwältigend.

Er umschloss eine ihrer Brustspitzen mit den Lippen, und Gina meinte, vor Lust zu vergehen. Mit Lippen, der Zunge und seinen Zähnen verwöhnte er sie, sodass sie sich ihm sehnsüchtig entgegenstreckte. Suchend strich sie seinen breiten, muskulösen Rücken entlang, ihre Fingernägel glitten über seine Haut.

„Du riechst so gut“, flüsterte er und zog eine warme Spur aus Küssen über ihre Brust, bevor er sich der anderen Knospe widmete.

Kurz dachte sie daran, dass sie die neue Body-Lotion unbedingt wieder kaufen musste. Im nächsten Moment blickte Gina schwer atmend zur Decke. Ihr ganzer Körper stand regelrecht in Flammen. Als sie spürte, wie Adam sich an ihrem Bauch rieb, stöhnte sie auf und drängte sich instinktiv an ihn. „Adam …“

„Ich weiß“, sagte er leise. Dann hob er den Kopf und sah ihr in die Augen.

Sie erwiderte seinen glutvollen Blick, umfasste sein Gesicht und zog ihn näher zu sich heran. Sie wollte ihn unbedingt küssen, die Verbindung von Lust und Leidenschaft zwischen ihnen spüren. Verzweifelt sehnte sie sich danach, dass er über ihr war und sein Herz im selben wilden und stürmischen Rhythmus schlug wie ihres.

Als ihre Lippen aufeinandertrafen, kam es ihr vor, als ob Funken sprühten. Gina gab sich ihren Gefühlen hin, legte alles in diesen Kuss … Ob Adam es spürte? Endlich konnte sie tun und erleben, wovon sie jahrelang geträumt hatte. Hingebungsvoll schmiegte sie sich an ihn. Und sobald er sich zwischen ihre Beine legte, küsste sie ihn noch heftiger.

Sie wollte seinen Mund auf den Lippen spüren, wenn er in sie eindrang. Erregt presste sie sich an ihn, hob die Hüfte und küsste ihn hungrig. Er vertiefte den Kuss zu einem wilden erotischen Tanz, als er schließlich in sie glitt.

Plötzlich hielt er inne und sah ihr fragend in die Augen. Wie um ihn zu bitten, nicht aufzuhören, stöhnte sie und drehte den Kopf auf dem Kissen von einer Seite auf die andere. Lustvoll erschauerte sie, während er tiefer und tiefer in sie eindrang, völlig von ihr Besitz ergriff.

Glücklich seufzend öffnete sie die Augen, sah ihn an und erwiderte sein Lächeln. Wieder stöhnte sie auf, als er sich verzehrend langsam bewegte.

Er schob die Hände unter ihren Po und zog sie fest an sich. „Wir fangen gerade erst an.“

„O Mann!“

Mit dem Daumen streichelte er ihre empfindsamste Stelle, und Gina keuchte auf. Krampfhaft suchte sie etwas zum Festhalten und griff sich das seidene Bettlaken. Es half nichts; um sie herum schien sich alles zu drehen, sie sah nur noch verschwommen, während er weitermachte. Kurz zog er sich zurück, allerdings nur, um gleich darauf wieder in sie einzudringen.

Mit sinnlichen Berührungen liebkoste er ihre empfindsamste Stelle. Gina wand sich in seinen Armen, presste sich an ihn und stöhnte verlangend auf. Zu viel, dachte sie. Es ist alles zu viel. Sie konnte ihren Empfindungen, dieser glutvollen Lust kaum standhalten.

Doch er bewies ihr, dass sie es konnte. Leidenschaftlich umarmte er sie und zog sie auf seinen Schoß, sodass sie sich rittlings auf ihn setzte. Sie sah ihm in die Augen, während er sie sanft führte, sodass sie sich auf ihm bewegte und ihnen beiden süße Qualen bescherte.

Unmerklich wehte ein Windhauch in das Schlafzimmer, und die trockene, nach Sand duftende Wüstenluft vermischte sich mit dem Duft ihrer erhitzten Körper. Haut an Haut liebten sie sich. In der Stille ertönten ihr schweres Atmen und tiefe Seufzer wie eine Symphonie, die die ewige Leidenschaft erschaffen hatte.

Während sie sich in diesen Augenblick fallen ließ, erlebte Gina einen Zauber, dessen Existenz sie nicht einmal erahnt hatte. Ihr Körper zitterte, als sie dem Höhepunkt unaufhaltsam entgegentrieb. Ihr Herz pochte heftig. Endlich, endlich war Adam bei ihr. Unwillkürlich stellte sie sich vor, was sein könnte. Adam, wie er sie liebevoll ansah. Sie beide als Familie. Für immer vereint.

Energisch vertrieb sie diesen Tagtraum, es zählte nur das Hier und Jetzt, und das war wunderbar. Sie schaute ihm in die Augen, verlor sich in den dunklen Tiefen und erkannte die lodernde Leidenschaft in seinem Blick, die sie, ja sie in ihm ausgelöst hatte.

Ihre Anspannung wuchs, ihr Körper bebte, und als sie sich noch einmal auf ihn sinken ließ, erschauerte sie wonnevoll.

„Adam!“ Sie hielt sich an seinen Schultern fest, um den Halt nicht gänzlich zu verlieren.

„Lass dich gehen“, flüsterte er ihr zu. „Lass es einfach geschehen.“

Sie konnte sowieso nicht anders, hätte es auch um nichts in der Welt anders gewollt. Aufstöhnend ergab sie sich den berauschenden Gefühlen, die er in ihr wachgerufen hatte. Und während die ersten Wellen der Lust verebbten, brachen weitere heiße Wogen über sie herein. Im Sturm einzigartiger Glücksgefühle schloss sie die Augen.

Sie dachte, sie hätte bereits alles erlebt – und erkannte im nächsten Moment, dass sie sich irrte. Sanft streichelte Adam ihren Bauch und ließ die Hand tiefer gleiten. Wieder liebkoste er ihre empfindsamste Stelle.

„Adam …“, flüsterte sie seufzend. Instinktiv schob sie ihm ihre Hüften entgegen.

„Noch mal“, sagte er und trug sie höher und höher zu einem alles Bisherige übertreffenden Höhepunkt. Und als sie ihre Lust laut herausrief, hörte sie sein befreites Aufstöhnen und wusste, dass nun auch er den Gipfel erklommen hatte.

Adams Herz schlug immer noch ganz laut, aber er fühlte sich entspannt wie schon seit Jahren nicht mehr. Er wandte den Kopf und sah die wunderbare Frau an, die neben ihm lag. Sie hielt die Augen geschlossen, stützte den Kopf mit einem Arm und streckte den anderen nach ihm aus.

Ihre Haut fühlte sich weicher und zarter an als die Seide, auf der ihr Körper gebettet war. Adam war versucht, ihre wundervollen Locken zu berühren. Er hatte immer noch ihr sinnliches Stöhnen und ihre lustvollen Seufzer im Ohr – sein Verlangen erwachte von Neuem.

„Du siehst mich an.“

„Woher weißt du das?“, fragte er. „Du hast doch die Augen zu.“

„Ich kann es fühlen“, sagte Gina und sah ihn an. Ein Lächeln umspielte ihre verführerischen Lippen, und sein Begehren wuchs. Vielleicht ist dieses Geschäft doch keine so gute Idee gewesen, dachte er. In der vergangenen Stunde hatte er mehr Gefühle durchlebt als in den letzten fünf Jahren. Und genau das wollte er ja nicht.

„Du guckst schon wieder so ernst“, fügte Gina hinzu und drehte sich auf die Seite. Sie war splitterfasernackt, ihre zarte, sonnengebräunte Haut schimmerte wunderschön im Mondlicht. „Finstere Gedanken sind heute verboten.“

„Ich weiß nicht, ob ich mich an dieses Verbot halten kann.“

Sie seufzte und strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Adam, du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.“

„Wer sagt dir denn, dass ich mir Sorgen mache?“

Laut lachte sie auf. „Adam, ich bitte dich. Ich weiß doch genau, worüber du nachdenkst.“

„Ach ja?“ Er stützte sich auf einen Ellbogen und musterte ihr Gesicht. „Worüber denke ich denn nach, bitte schön?“

Sacht strich sie mit den Fingern über das Bettlaken, und Adam wünschte, sie würde ihn anstelle des Stoffs berühren.

„Ganz einfach. Du fragst dich, ob es nicht ein Fehler war.“

Eigentlich wollte er ihr widersprechen. Schon allein, weil es ihm nicht passte, dass sie ihn so gut durchschaute. Aber sie war schneller.

„Du machst dir Sorgen, dass ich romantische Gefühle entwickle. Und du willst mir keine Hoffnungen darauf machen, dass du dich in mich verlieben könntest.“

Missmutig runzelte er die Stirn. Denn, verdammt, genau das war es. Trotzdem würde Adam es nicht zugeben. „Falsch, Gina. So etwas Dummes würdest du doch nicht tun.“ Das hoffte er wenigstens. „Schließlich war das Ganze doch deine Idee.“

„Stimmt.“ Sie drehte sich auf den Bauch und rutschte dicht an Adam heran. Sie war ihm so nah, dass er nicht widerstand. Er musste einfach über ihren Rücken streichen, die sanfte Rundung ihres Pos berühren. Insgeheim fragte Adam sich dabei, wie sie zu ihrer nahtlosen Sonnenbräune kam.

Eine überaus reizvolle Vorstellung stieg in ihm auf: Gina, nackt, ausgestreckt auf einem Badetuch in der Sonne. Er schüttelte den Kopf und fragte: „Warum?“

„Warum was?“ Sie sah ihn an. Ihre hellbraunen Augen schienen in der Dunkelheit zu funkeln.

„Warum du mir dieses Geschäft vorgeschlagen hast. Ich meine, okay, du willst unbedingt ein Baby. Das verstehe ich.

Aber was ich gerne wissen möchte: Warum ich?“

Seufzend schlug sie ein Bein über das andere. Und beim Anblick des appetitlich gebräunten Körpers auf dem schneeweißen Seidenlaken musste Adam stark an sich halten, um sich nicht sofort wieder auf sie zu stürzen.

„Das ist doch ganz klar. Du wolltest das Land. Damit hatte ich schon mal einen Trumpf in der Hand.“

„Ja …“, erwiderte er zögernd. So weit, so gut. Allerdings spürte Adam genau, dass das noch nicht alles war.

„Und ich kenne dich schon ewig, Adam. Ich mag dich. Und ich glaube, du magst mich auch …“

Er nickte wortlos. Natürlich mochte er Gina. Er hatte dem nur nie viel Beachtung geschenkt. Weil Gina jünger als er war, hatten sie als Kinder nie zusammen gespielt. Und als sie beide erwachsen geworden waren, hatte Adam andere Sorgen gehabt.

„So konnten wir auf einen Schlag unsere Probleme lösen.“ Sie glitt mit der Hand über seine Brust. Adam wurde ganz heiß. „Und außerdem … außerdem glaube ich, dass wir beide zusammen ein wunderschönes Baby zustande bringen.“

Mit einem Mal verspürte er eine Eiseskälte. Er hatte sich einst geschworen, nie wieder ein Kind zu haben. Nie wieder hatte er sich so verwundbar machen wollen. Andererseits ist das hier etwas anderes, versuchte er, sich zu beruhigen. Adam war eine geschäftliche Vereinbarung eingegangen, und an die würde er sich halten. Das Kind von Gina und ihm wäre ja nicht Bestandteil seines Lebens. Er würde es kaum kennen. Es nicht lieben. Es nicht verlieren. Ach, weg mit diesen Gedanken!

„Es tut mir leid“, flüsterte sie.

Adam sah sie verstört an. „Was tut dir leid?“

„Dass ich das mit dem Baby gesagt habe. Das hat dich bestimmt an deinen Sohn erinnert.“

Adam spannte die Muskeln an. Erinnerungen stürmten auf ihn ein, aber er wehrte sich mit aller Kraft dagegen. Darin hatte Adam Übung. Er schaltete die Gedanken einfach ab, so wie man ein Fernsehgerät mit der Fernbedienung abschaltet.

Er war einfach nicht in der Lage, über seinen Sohn zu reden, den er vor fünf Jahren verloren hatte. Und das wollte Adam jetzt ein für alle Mal klarstellen. „Ich spreche nie über ihn. Verstehst du, nie.“

Mitfühlend sah sie ihn an, und das gefiel Adam überhaupt nicht. Er wollte kein Mitleid.

„Ich verstehe.“

„Du verstehst überhaupt nichts“, widersprach er ihr barsch. In versöhnlichem Tonfall fügte er jedoch sofort hinzu: „Ich meine, das kannst du nicht verstehen.“

Sekunden verstrichen, bevor Gina antwortete. „Ja, du hast recht. Ich kann das nicht verstehen. Ich hoffe, dass ich nie so einen Schmerz erleiden muss wie du, als …“

Er ergriff ihre Hand und drückte sie. So fest, dass Gina nicht weitersprach. Wie zum Teufel waren sie überhaupt auf das Thema gekommen? Hatten sie nicht vereinbart, zu heiraten und Sex zu haben – und das war alles? „Welcher Teil von ‚Ich spreche nie über ihn‘ ist denn so schwer zu verstehen?“

Sie zog ihre Hand zurück, richtete sich auf und sah Adam suchend in die Augen. Wahrscheinlich wartete sie auf ein Anzeichen von Wärme. Adam hätte ihr beinah gesagt, das wäre vergebliche Liebesmüh.

Gina beugte sich zu ihm und gab ihm einen flüchtigen Kuss. „Alles klar, Adam. Das Thema ist tabu.“

„Gut.“

„Ich will sowieso nicht reden.“ Lächelnd streichelte sie seine Wange und schmiegte sich an ihn.

„Das ist noch besser.“ Diese sanfte Berührung hatte ausgereicht, um ihn wieder zu erregen. Er hatte einfach zu lange keine Nacht mit einer Frau verbracht, das war es. Fünf Jahre lang hatte er wie ein Einsiedler gelebt und sich höchst selten auf ein kurzes Abenteuer eingelassen.

Das erklärt, warum ich so stark auf sie reagiere, sagte er sich. Eine rein körperliche Reaktion, das war alles. Mit Gina hatte das im Grunde nichts zu tun. Es ging nur um Sex.

Das redete er sich auch ein, als sie ihren nackten Körper an ihn presste.

Während Adam ihren verführerischen Duft einatmete und als er mit ihrem lockigen Haar spielte. Auch noch, als er sie küsste und die erregende Süße schmeckte, die er bisher bei keiner anderen Frau gekostet hatte.

Andere Gedanken ließ Adam einfach nicht zu.

Sie wollte ihn in ihre Arme schließen, aber er drehte sie so, dass sie auf dem Bauch lag und er ihren Rücken mit tausend kleinen Küssen bedecken konnte. Diese Haut, so zart und honigbraun! Diese wunderbaren perfekten Kurven! Er hörte ihr Seufzen, spürte, wie sie erzitterte, als er mit der Hand tiefer glitt, um ihren Po zu streicheln. Halt suchend griff Gina nach dem Kissen.

„Adam …“

„Wir haben die ganze Nacht“, flüsterte er leise. Und er wollte jeden Augenblick dieser Nacht genießen. Er wollte Gina auf sich spüren, unter sich. Er sehnte sich danach, jeden Zentimeter ihres wundervollen Körpers zu erkunden, zu ertasten und sie zu schmecken. Und dann wieder von vorn anzufangen.

Ihm wurde immer heißer vor Verlangen. Er musste sie haben. Nicht mehr denken. Weder an morgen noch an übermorgen. Nur das Hier und Jetzt zählte.

Mit einer sanften Bewegung drehte er sie auf den Rücken. Sie lächelte ihn lasziv an und hob die Arme. Genießerisch seufzte Adam und nahm die unausgesprochene Einladung an.

Als er in sie eindrang, hob sie die Hüfte, um ihn voll und ganz aufzunehmen. Jetzt konnte Adam wirklich an nichts anderes mehr denken.

Sie fanden zu einem gemeinsamen Rhythmus, der ihnen beiden den Atem raubte, und liebten sich wie verschmolzen zu einer untrennbaren Einheit. Als Gina den Höhepunkt erreichte, hielt Adam sie fest und las einen Ausdruck vollkommenen Glücks in ihren Augen. Dann gab auch er seinem Begehren nach.

7. KAPITEL

Gina hatte in vier Tagen gefühlte fünf Pfund zugenommen. Das war Esperanza Sanchez zu verdanken, Adams langjähriger Haushälterin. Die ältere Dame freute sich sehr darüber, dass ihr Arbeitgeber wieder geheiratet hatte. Fröhlich vor sich hin summend, bereitete sie die ganze Woche über die köstlichsten Speisen zu. Immer wenn Gina ihr in der Küche helfen, im Wohnzimmer aufräumen oder gar Staub wischen wollte, scheuchte Esperanza sie fort und sagte, sie solle gefälligst die Zeit mit ihrem frischgebackenen Ehemann verbringen.

Das war leichter gesagt als getan.

Esperanza gab sich sichtlich Mühe, damit Gina sich wie zu Hause fühlte. Adam hingegen zeigte sich äußerst reserviert.

Gina stand in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer und blickte in den hohen Spiegel. Dabei achtete sie weniger auf ihr Spiegelbild, sondern vielmehr auf das breite Bett. Nur wenn Gina darin lag, hatte sie das Gefühl, dass Adam ihre Gegenwart überhaupt zur Kenntnis nahm.

„Er freut sich, mich im Bett zu haben, das ist alles“, murmelte sie missmutig vor sich hin. Trotzdem wollte Gina etwas Positives in dieser ernüchternden Erkenntnis finden: Wenigstens erlebten sie etwas zusammen – Leidenschaft. Wenigstens teilten sie etwas. Gut, das war ein schwacher Trost.

„Erbärmlich.“ Sie schüttelte den Kopf und sah noch einmal in den Spiegel. Verführerisch sehe ich nicht gerade aus, gestand sie sich ein. In ihrem rosa T-Shirt, den verwaschenen Jeans und den abgenutzten Stiefeln wirkte Gina eher wie eine Rancharbeiterin – überhaupt nicht wie eine frischvermählte Frau. Das lange dunkle Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, ihre Augen wirkten unnatürlich groß.

Sie hatte sich so viel von diesem Deal mit Adam versprochen. Insgeheim hatte sie gehofft, Adam in ihrem Sinne beeinflussen zu können – aber Fehlanzeige. Er zog sich völlig in sich selbst zurück und hielt die Beziehung so oberflächlich und unverbindlich wie möglich, obwohl sie verheiratet waren und in einem Haus lebten.

Seufzend öffnete Gina die Glastüren, die vom Schlafzimmer auf den Balkon führten, und trat hinaus. Es war noch früh am Morgen, der Himmel erstrahlte in einem wunderschönen Blau. In der Ferne entdeckte sie jedoch dunkle Sturmwolken, die sich auf sie zuzubewegen schienen. Genau wie in meiner Ehe, dachte Gina.

Schon fast eine Woche waren sie jetzt zurück. Und es war, als hätten ihre kurzen „Flitterwochen“ in Las Vegas nie stattgefunden. Kaum waren sie auf der Ranch angekommen, hatte Adam sich regelrecht abgeschottet. Gina verstand es einfach nicht: In Las Vegas hatte sie sich mit ihm verbunden gefühlt, so als ob sie ein „richtiges“ Ehepaar waren. Als ob in Adam ein Schalter umgelegt worden wäre. Doch jetzt war alles wie vorher. Adam war wieder der Einsiedler und Eigenbrötler, genau wie in den vergangenen fünf Jahren. Tagsüber sah Gina ihn kaum, und wenn, benahm er sich zwar höflich, aber distanziert. Nur in den Nächten zeigte er sich von einer anderen Seite.

Dann verhielt er sich so wie in ihren Träumen von ihm. Sie liebten sich in völligem Einklang, es war ein ausgewogenes Geben und Nehmen. Und Gina empfand es jedes Mal als schöner und erfüllender im Vergleich zu den vorherigen Nächten. Sie konnte es nicht anders ausdrücken: Der Sex mit ihm war einfach unglaublich gut. So etwas hatte sie vorher noch nie erlebt.

Andererseits, wenn nur der Sex stimmte – hatte diese Beziehung dann überhaupt ein Fundament? Hatten sie dann eine reelle Chance?

„Ja, ja, Gina“, sagte sie zu sich selbst. „Mach dich nur fertig. Zieh dich noch mehr runter.“

Sie blinzelte gegen die Sonne. Da entdeckte Gina ihn. Mit langen, entschlossenen Schritten ging Adam zur Scheune. Als er in dem Gebäude verschwunden war, seufzte Gina auf. Was er wohl machte? Was er wohl dachte? Er sprach ja kaum mit ihr. Er erzählte ihr nicht einmal, was er den Tag über vorhatte. Und an seinen Gedanken ließ er sie erst recht nicht teilhaben. Sie kam sich vor, als wäre sie nur ein Gast hier auf der Ranch. Ein Gast, der schon bald wieder abreisen würde.

Wieder musste sie seufzen, als ihr Blick auf den goldenen Ehering fiel. Natürlich war sie nicht nur ein Gast, sie war seine Frau. Zurzeit wenigstens.

Und sie würde es auf jeden Fall so lange bleiben, bis sie schwanger wurde.

Das war auch der Grund, aus dem Gina immer noch verhütete – selbstverständlich ohne dass Adam davon wusste. Ein kleines Schuldgefühl durchzuckte sie. Ja, gestand sie sich ein, ganz fair war das ihm gegenüber natürlich nicht. Aber Gina war bereit, alles zu riskieren. Ein Problem musste sie allerdings noch lösen: Adam könnte eines Tages herausfinden, was sie getan hatte. Wenn das geschah, dann würde sie ihm alles gestehen und auf sein Verständnis hoffen.

Jede, wirklich so gut wie jede Nacht schlief er mit ihr. Bestimmt, damit er die Ehe schnell wieder beenden und Gina dann fortschicken konnte.

Er ahnte ja nicht, dass sie die Abmachung, die sie selbst vorgeschlagen hatte, heimlich torpedierte!

„Gina, die ganze Sache ist wohl doch schwieriger, als du dachtest.“ Vielleicht nicht nur schwieriger, gestand sie sich ein, sondern sogar unmöglich. Aber sie war fest entschlossen, nicht so leicht aufzugeben.

Schon vor der Hochzeit hatte sie den Entschluss gefasst, weiter zu verhüten. Ja, sicher, sie wollte schon ein Baby. Adams Baby. Aber sie hatte ja auch noch ein anderes Ziel: Sie wollte, dass Adam sich in sie verliebte. Dann würden sie nicht nur verheiratet bleiben, bis sie schwanger war, sondern ihr ganzes Leben teilen.

Dafür brauchte Gina Zeit. Sie mussten sich aneinander gewöhnen. Und Adam sollte erkennen, dass sie zusammen etwas ganz Besonderes hatten, dass sie ein tolles Team waren.

Sie brauchte Zeit, um seine Liebe zu gewinnen.

War das riskant? O ja.

Aber wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass es klappte, dann war es das Risiko wert.

Gina grübelte und grübelte, wie so oft in letzter Zeit. Da sah sie plötzlich einen roten Sportwagen auf die Einfahrt einbiegen. Wenige Sekunden später passierte ein anderes Gefährt denselben Weg – ein großer Pferdetransporter. Ginas Herz klopfte schneller.

„Sie kommen!“ Freudestrahlend lief sie vom Balkon zurück ins Schlafzimmer, durchquerte das Wohnzimmer und eilte dann die Treppe herunter. Sie war schon unten, als der Sportwagen und der Pferdetransporter auf dem Hof parkten.

Ein hochgewachsener, blendend gut aussehender Mann stieg aus dem Sportwagen, sah Gina und lächelte. „Na, da freut sich aber jemand. Allerdings wohl nicht, weil ich komme?“

Gina erwiderte das Lächeln. Travis war immer so locker und entspannt. Er war humorvoll und jederzeit zu einem lustigen Spruch aufgelegt. Ihr Leben wäre sicherlich einfacher, hätte sie sich in ihn statt in Adam verliebt. Aber leider – wenn sie ihn ansah, bekam sie weder weiche Knie noch verspürte sie dieses Prickeln, das sie jedes Mal in Adams Gegenwart überwältigte. Trotzdem, jede Frau würde ihr beipflichten, Travis war schon ein toller Mann.

„Hallo, Travis. Schön, dass du dich auch mal hier sehen lässt.“ Sie deutete auf den Transporter. „Meine Pferde sind gekommen.“

„O Mann, die Pferde sind dem Mädel wichtiger als ich.“ Travis lehnte sich lässig an sein Auto und seufzte gespielt. „Langsam scheine ich meine legendäre Anziehungskraft zu verlieren.“ Er grinste. „Dabei bin ich heute extra vorbeigekommen, um meine neue Schwägerin zu begrüßen und sie in der Familie willkommen zu heißen.“

Gina wusste, dass Travis und Jackson sich über die übereilte Hochzeit wunderten. Trotzdem zeigte Adams Bruder sich von seiner besten Seite und wollte ihr zeigen, dass sie von nun an zur Familie gehörte. Das rechnete Gina ihm hoch an. Sie ging zu ihm herüber, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke. Das finde ich richtig klasse von dir.“

Travis drückte sie und hielt sie ein bisschen länger als nötig. Er sah ihr tief in die Augen und fragte: „Wie läuft es so mit Adam, Gina? Hat der Typ dich schon in den Wahnsinn getrieben?“

„Noch nicht. Könnte aber noch kommen.“ Sie lächelte. Es war schön, dass Travis sie durchschaute und so verständnisvoll reagierte.

„Gib ihm Zeit“, riet er ihr augenzwinkernd. Dann wurde er ernst. „Gina, bitte sei vorsichtig, ja? Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst und …“

„He, Travis, was machst du da mit meiner Frau?“, rief plötzlich jemand laut. Adam war aus der Scheune gekommen und marschierte auf die beiden zu.

„Das Mädel ist so süß, man muss sie einfach knuddeln“, erwiderte Travis amüsiert, ohne Gina loszulassen. Er ließ sich Zeit, bevor er die Arme senkte und zurücktrat. Dabei zwinkerte er Gina zu.

Adam wirkte merkwürdig angespannt, er kniff die Augen zusammen. Es sah beinahe so aus, als wäre er eifersüchtig. Aber in dieser Hinsicht machte Gina sich keine Hoffnungen. Wahrscheinlich passte es ihm nur nicht, dass Travis hier unangemeldet aufkreuzte.

Ernst blickte Adam von ihr zu ihrem Bruder. „Was machst du denn hier?“

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, großer Bruder“, erwiderte Travis belustigt.

Gina sah ihren Ehemann an und versuchte, sich zusammenzunehmen. Es ging nicht. Auch wenn sie sich innerlich dagegen sträubte – sobald sie Adam sah, stand ihr Körper regelrecht in Flammen. Travis oder Jackson beispielsweise konnte sie ansehen und erblickte attraktive Männer, gut gebaut, überaus charmant und anziehend – aber das war es dann auch. Bei Adams Anblick dagegen schlug ihr Herz höher, und in ihrem Bauch schienen jedes Mal tausend kleine Schmetterlinge zu tanzen.

Er mochte oft mürrisch wirken, sich vor denjenigen verschließen, die ihm nahekamen. Trotzdem liebte Gina ihn. Sie spürte, nein, sie wusste es: Irgendwo in diesem oft so mürrischen Mann steckte noch der sechzehnjährige Junge von damals. Der hilfsbereite Junge, der sie nach Hause gebracht hatte, nachdem sie vom Pferd gefallen war. Und Adam hatte sie damals auf dem Schulball gerettet, als ihr Tanzpartner zudringlich geworden war.

Versonnen betrachtete sie ihn und sah nicht nur diese Vergangenheit, sondern auch ihre mögliche gemeinsame Zukunft. Die Liebe, die Gina seit Jahren für ihn in sich trug, war immer noch da und sogar stärker denn je. Gina amtete tief durch, hoffte, er würde sie ansehen, und sagte dann gezwungen fröhlich: „Meine Pferde sind angekommen.“

„Das sehe ich“, entgegnete er kühl. Adam blickte auf den Transporter. „Warum?“

Mit einer so gefühllosen Reaktion hatte Gina nicht gerechnet. „Was meinst du damit?“

„Das war doch wohl eine einfache Frage, Gina.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Breitbeinig stand er da, wie bereit zu einem Kampf. „Warum hast du sie herbringen lassen? Warum hast du sie nicht einfach bei deinen Eltern gelassen?“

Fassungslos sah Gina ihn an. Er war wütend, weil sie ihre Lieblingspferde zur Ranch bringen ließ? „Warum? Weil ich jetzt hier wohne.“

„Zeitweilig“, erwiderte Adam.

Volltreffer, dachte sie. Seine Antwort versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.

„Um Himmels willen, Adam“, mischte Travis sich empört in das Gespräch und stellte sich demonstrativ neben Gina. Er bezog ganz klar Stellung für sie.

„Das geht dich nichts an, Travis.“

Gina wusste sehr zu schätzen, dass Adams Bruder sie beschützen wollte. Aber sie wollte diese Auseinandersetzung selbst führen. „Er hat recht, Travis. Das ist eine Sache zwischen Adam und mir.“

Sie ging zu ihrem hochgewachsenen Mann und sah ihm in die Augen. Adam wirkte ungeheuer verärgert. „Hör zu, wir sind verheiratet. Ich wohne hier. Und ich arbeite schließlich jeden Tag mit den Pferden. Da ist es ziemlich unpraktisch, wenn ich jeden Morgen zur Ranch meiner Eltern fahren muss.“

Er dachte angestrengt nach. Gina erkannte es daran, wie er die Augen zusammenkniff und die Lippen aufeinanderpresste. Kurz blickte er zu Travis, dann sah er sie wieder an. Ganz eindeutig wollte er etwas sagen, jedoch ohne dass Travis Zeuge wurde.

Schließlich umfasste Adam ihren Oberarm und zog sie von seinem Bruder fort. Im Schatten der großen Scheunentore blieben sie endlich stehen. „Du brauchst nicht so zu tun als ob, Gina. Wir wissen doch beide, dass unsere Ehe nicht echt ist.“

Und wieder: Treffer, versenkt. Gina gab sich alle Mühe, um sich nichts anmerken zu lassen. Sie wollte auf keinen Fall klein beigeben. Denn er sollte sich gleich klarmachen, dass sie sich weder ignorieren noch abspeisen, noch herumschubsen ließ.

„Falsch!“, widersprach sie schlicht. „Diese Ehe ist sogar sehr echt.“ Demonstrativ hielt Gina ihm ihre Hand vors Gesicht, an der sie den Ehering trug. „Egal, wie du es dir zurechtlegst, Adam. Wir sind verheiratet. Für wie lange, das ist eine andere Frage.“

Erst jetzt ließ er ihren Arm los. Sie glaubte trotzdem, seine Berührung immer noch zu spüren. „Ich weiß, dass die Ehe vor dem Gesetz gültig ist. Aber das ist ja wohl keine hundsnormale Ehe, oder?“

„Welche Ehe ist schon normal, Adam?“

Entnervt seufzte er. „Du verstehst mich absichtlich falsch.“

„Oh, ich verstehe dich sehr gut“, sagte sie und tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Du möchtest am liebsten so tun, als ob ich gar nicht da wäre. Außer in unserem Schlafzimmer – da darf ich anwesend sein. Aber so läuft das nicht, Adam. Ich bin hier. Und das bleibe ich auch. Wenigstens auf absehbare Zeit.“

„Das weiß ich.“ Er blickte kurz zu Travis hinüber und sagte dann mit gedämpfter Stimme: „Ich meine ja nur, dass du deine Pferde nicht extra aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißen solltest. Außerdem haben wir hier gar keinen Platz für sie. Und davon abgesehen, du hättest die Sache mit mir besprechen müssen, statt einfach eigenmächtig zu handeln.“

Jetzt reichte es. Liebe hin oder her, Gina war nicht bereit, sich so herablassend behandeln zu lassen. „Jetzt hör aber auf, Adam. Die Ranch ist so riesig, da wird doch wohl Platz für ein paar Pferde sein! Zum Beispiel ist die ganze Vorderweide noch unbenutzt, und die Scheune steht auch halb leer. Und das sind nur die Bereiche, die dem Ranchhaus am nächsten liegen.“

„Darum geht es nicht. Ich …“

„Doch, darum geht es.“ Sie beharrte auf ihrer Ansicht und redete schnell weiter, um Adam gar keine Möglichkeit zum Widerspruch zu geben. „Außerdem wusstest du von vornherein, dass ich mit den Pferden arbeite.“

„Ja, aber ich dachte nicht …“

„Was?“ Sie gestikulierte wütend. „Du dachtest nicht, dass ich hier mit ihnen arbeiten würde? Wo ich lebe?“ Gina atmete tief ein und senkte die Stimme. „Was hast du denn gedacht, Adam? Dass ich den ganzen Tag im Schlafzimmer hocke und warte, bis du mich abends mit deiner Anwesenheit beglückst? Ich habe zwar gesagt, dass ich mir ein Baby wünsche, aber darüber hinaus führe ich mein normales Leben. Das ich nicht bereit bin aufzugeben.“

„Du hättest mir sagen können …“

„Hätte ich vielleicht tun sollen, gut. Dumm von mir, nicht davon auszugehen, dass ich für jede noch so kleine Entscheidung deine Erlaubnis brauche!“

„So habe ich das ja nicht gemeint.“

„So, wie hast du es denn gemeint?“ Allmählich gefiel es Gina immer besser, mit ihm zu streiten. Adam war plötzlich geradezu kleinlaut. Er wirkte verunsichert. Das war auf jeden Fall besser als Gleichgültigkeit. Immerhin nahm er Gina wahr, er sprach mit ihr. Und vielleicht lag darin sogar die Lösung für ihre Probleme – ihn in seiner verdammten Selbstsicherheit zu erschüttern.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Na schön. Ich will darüber jetzt nicht streiten.“

„Zu spät.“

„Wenn du die blöden Pferde hier unbedingt haben willst, okay.“

„Oh“, sagte sie und legte gespielt demütig die Hand aufs Herz. „Ich danke dir tausendmal.“

Er atmete tief durch. „Du bringst mich ganz durcheinander, Gina.“

„Gut“, erwiderte sie und lächelte ihn strahlend an. „Verwirrung ist ja so was wie eine Gefühlsregung. Freut mich, dass ich imstande bin, so etwas in dir auszulösen.“

Zufrieden drehte sie sich um und wollte gehen. Doch Adam hielt sie zurück, sodass sie herumwirbelte. Und dann küsste er sie. Es war ein stürmischer, hungriger Kuss, bei dem ihr die Knie weich wurden. Im nächsten Augenblick ließ Adam sie jedoch abrupt los und trat einen Schritt zurück.

Er wirkte genauso überrascht wie sie. „Sei lieber vorsichtig, Gina. Nicht alle Gefühlsregungen sind positiv.“

Langsam tastete sie mit den Fingerspitzen über ihren Mund. „Lieber negative Gefühle als gar keine.“

„Da täuschst du dich.“ Er lief zum Pferdetransporter und zeigte auf die Türen. „Na los, hol schon deine Pferde hier raus.“

Dann ging Adam, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen.

Adam marschierte in den hinteren Teil der Scheune, wo er für seine Mitarbeiter in einem leer stehenden Stall eine Art Büro eingerichtet hatte. Er setzte sich an den Schreibtisch, den sein Vorarbeiter sonst benutzte. Zum Glück hat Sam heute woanders genug zu tun, dachte Adam.

Plötzlich bemerkte er Travis, der an der Tür stand.

„Macht dir wohl Spaß, das Ekel zu spielen?“

„Verschwinde.“ Adam lehnte sich zurück, faltete die Hände über dem Bauch und legte lässig ein Bein auf den Schreibtisch.

Er meinte fast, Ginas Lippen immer noch zu spüren. Das war nicht gut. Er hatte sie überhaupt nicht küssen wollen. Aber sie hatte ihn so sehr gereizt, und, verdammt, da hatte er sie berühren müssen. Er hatte sich von seinen Gefühlen dazu hinreißen lassen. Gefühle.

Seit sie aus Las Vegas zurückgekommen waren, ging er Gina aus dem Weg, so gut es ging. Wenn er sich auf die Arbeit stürzte, gelang es ihm fast, so zu tun, als ob Gina überhaupt nicht da wäre. Als ob sich in seinem Leben nichts verändert hätte. Und zu erledigen gab es immer genug, tagsüber wenigstens.

Doch schon am späten Nachmittag ging es los, jeden Tag. Dann schweiften seine Gedanken ab – zu ihr. Er sehnte sich nach ihr. Und nachts liebte er sie wie ein Verhungernder.

Damit hatte er nicht gerechnet. Dass Gina ihn so durcheinanderbrachte, war nicht geplant gewesen.

Das Ganze sollte doch nur ein Geschäft wie jedes andere sein.

Aber nein, da war sie und nistete sich frech in seinen Gedanken ein. Machte sich in seinem Leben breit, einfach so. Das ärgerte ihn maßlos.

„Gina hat was Besseres verdient. Du kannst sie nicht so behandeln.“

Verdammt, Travis stand ja immer noch da. Adam warf seinem Bruder einen vernichtenden Blick zu – worauf Travis überhaupt nicht reagierte. „Was zwischen Gina und mir ist, geht niemanden was an“, erklärte Adam fest. „Niemanden außer uns.“

Travis schlenderte in das Büro, stieß Adams Bein vom Schreibtisch und setzte sich. Die Augenbraue hochgezogen, sah er seinen Bruder an und grinste. „Du entwickelst Gefühle für sie.“

„Blödsinn“, entgegnete Adam aufbrausend.

„Du würdest jede Menge Gefühle für sie haben, wenn du es nur zulassen würdest.“

„Und warum sollte ich?“ Er hatte die Hände nicht vom Bauch genommen. Aber jetzt drückte er so fest zu, dass die Knöchel weiß hervortraten.

„Gegenfrage“, sagte Travis. „Gefällt es dir wirklich, wie ein Mönch zu leben? Macht es dir Spaß, hier eingeigelt auf deiner Ranch zu versauern? Mit Jackson und mir als einzigem Kontakt zu Außenwelt?“

Adam atmete tief ein und aus, um die aufsteigende Wut zu bezähmen. „Weder bin ich eingeigelt, noch versauere ich. Ich arbeite. Die Ranch in Schuss zu halten kostet viel Zeit, und …“

„Ach, erzähl mir nichts. Ich bin doch auch hier aufgewachsen, Bruderherz. Ich weiß genau, wie viel Zeit man braucht, und so viel ist es nicht. Ich habe Dad doch die ganzen Jahre bei der Arbeit beobachten können.“

„Dad hatte nicht so große Pläne mit der Ranch wie ich.“

„Da hast du recht“, stimmte Travis zu. „Dad wollte nämlich auch noch ein bisschen leben.“

„Ich lebe auch.“

„Die Frage ist nur wie“, entgegnete Travis. „Allerdings – wenn ich an den Kuss von vorhin denke … Könnte sein, dass du durchaus ein schönes Leben haben kannst. Falls du es nicht verbockst.“

Adam sah ihn böse an. „Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund für deinen Besuch? Oder wolltest du mir nur auf die Nerven gehen?“

„Ich nerve dich ganz gerne mal. Macht Spaß. Aber ich hatte tatsächlich einen Grund.“ Travis stand auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Ich nehme einen der Familienjets und fliege nach Napa County, wo ich ein paar Wochen bleiben werde.“

„Dann guten Flug.“ Adam stand jetzt auch auf. „Was hat das mit mir zu tun?“

„Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt. Dort gibt’s ein Weingut, sehr interessant. Wollte mal sehen, was ich darüber herausfinden kann.“

„Aha, verstehe. Wenn du dich um deine Winzergeschäfte kümmerst, ist das in Ordnung. Kümmere ich mich allerdings um die Ranch, igele ich mich ein, hm?“

„Ich vernachlässige darüber jedenfalls keine Frau“, erwiderte Travis amüsiert. „Trauben und Wein sind für mich nicht alles, Adam. Und jetzt, wo du wieder verheiratet bist, solltest du dir überlegen, ob es in deinem Leben vielleicht doch mehr gibt als die Ranch.“

„Du weißt doch ganz genau, warum ich geheiratet habe.

Mach nicht mehr daraus, als es ist.“

„Es könnte sich doch etwas daraus entwickeln. Für euch beide.“

„Danke, kein Bedarf.“

„Nur weil du und Monica …“ Travis hielt mitten im Satz inne. Es war verblüffend, wie schnell Adam erröten konnte. „Schon gut, schon gut, ich weiß. Kein Wort darüber. Aber vielleicht solltest du mal …“

„Ich brauche keinen Seelenklempner, wenn du das meinst.“

„Da wäre ich mir gar nicht so sicher“, murmelte Travis. Laut sagte er: „Mach ruhig so weiter, Adam. Mach dir die Zukunft kaputt, indem du an der Vergangenheit festhältst.“ Er zeigte mit dem Finger nach draußen. „Weißt du, da draußen steht eine wunderschöne junge Frau. Sie hat nicht verdient, von dir benutzt zu werden. Sie hat etwas Besseres verdient.“

Während Adam eisern schwieg, fügte Travis hinzu: „Verdammt, Adam, du hast auch etwas Besseres verdient.“

Von alldem wollte er nichts hören. „Musst du nicht zufällig dringend eine hübsche junge Winzerin verführen?“

„Das mache ich jetzt, keine Sorge.“ Travis ging zur Tür und wandte sich noch einmal um. „Tust du mir einen Gefallen, solange ich weg bin?“

„Kommt drauf an.“

„Versuch, dich nicht immer wie der letzte Neandertaler zu benehmen. Gib Gina und dir eine Chance.“

Nachdem Travis sich verabschiedet hatte, kam Adam nicht zur Ruhe. Unruhig ging er in dem schlichten Büro auf und ab. Von draußen hörte er das Trappeln von Hufen, nervöses Wiehern – und Gina. Sie lachte ausgelassen.

Ruckartig blieb Adam stehen. Ihr Lachen klang wie Musik in seinen Ohren, wie eine wunderschöne, magische Melodie.

In diesem Moment schwor er sich: Egal, was er für Gina empfand – sobald sie schwanger war, war das Geschäft abgeschlossen und gehörte der Vergangenheit an. Sie würden sich scheiden lassen, Gina würde ausziehen. Fertig.

Auch wenn Travis anderer Meinung war, diese Ehe hatte keine Zukunft. Adam war eben kein Mann zum Heiraten. Das hatte er schließlich schon einmal unter Beweis gestellt.

8. KAPITEL

Gina ließ Adam weiterschlafen. Sie schlüpfte aus dem großen Bett und zog sich ihren Morgenmantel über. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Schlafzimmertür. Gina hatte jetzt schon so lange wachgelegen und versucht einzuschlafen – ohne Erfolg. Da konnte sie auch ebenso gut aufstehen, sich einen Tee kochen und ein paar von Esperanzas Keksen essen.

Im Türrahmen blieb sie noch einmal stehen und betrachtete ihren Ehemann. Selbst im Schlaf wirkte Adam stark und zugleich sehr beherrscht. Als ob die Gefühle in ihm verschlossen waren. Vielleicht lagen sie so tief vergraben, dass sie nicht einmal an die Oberfläche dringen konnten, wenn er schlief. Wenn Gina das Herz dieses Mannes erobern wollte, hatte sie noch ein hartes Stück Arbeit vor sich.

Sie seufzte leise, schloss die Tür hinter sich und ging den Flur entlang zur Treppe. Im Haus war es ganz still. Gina wünschte sich so sehr, auch selbst Ruhe zu finden. Aber ihre Gedanken wirbelten nur so durcheinander. Sie musste immerfort an Adam denken, an ihre Auseinandersetzung – und daran, dass er sie heimlich beobachtet hatte, als sie die Pferde an ihr neues Zuhause gewöhnt hatte.

Wie hatte sie nur hoffen können, so einfach zu diesem verschlossenen Mann vorzudringen? Fünf Jahre lang hatte er sich von allem abgekapselt. Wenn er nun gar nicht wollte, das jemand ihm näherkam? Hatte sie die Kraft, länger durchzuhalten als er? Und wann würde er misstrauisch werden, wenn sie nicht schwanger wurde? Plötzlich verspürte Gina Kopfschmerzen. Bestimmt vom vielen Grübeln, dachte sie und betrat die erste Treppenstufe.

Alle Lichter waren aus, aber durch das Dachfenster schien der Mond herein und hüllte die Treppe in ein silbrig-fahles Licht. Lautlos ging Gina herunter. Unter den nackten Füßen spürte sie den weichen Teppich. Während sie Stufe für Stufe hinunterging, betrachtete sie die gerahmten Fotos an den Wänden.

Es waren jede Menge Bilder der King-Brüder, von ihrer Kindheit bis heute. Eine ältere Aufnahme von Jackson, er lächelte strahlend, obwohl ihm offenbar jemand gerade ein blaues Auge verpasst hatte. Dann entdeckte Gina ein Foto von Travis, wie er glücklich den Pokal hochhielt, den sein Footballteam gewonnen hatte.

Schließlich blieb sie vor einem Bild stehen. Es mochte jetzt wohl zwanzig Jahre alt sein. Nicht nur die King-Jungen waren darauf bei einem Picknick zu sehen, sondern auch Gina und ihre Brüder. Adam war der Größte, er stand direkt hinter Gina. Sie konnte sich nicht genau erinnern. Vielleicht hatte sie damals, als Zehnjährige, schon seine Nähe gesucht. Ob er etwas davon bemerkt hatte? Sie lächelte.

Während sie die anderen Aufnahmen ansah, fiel ihr plötzlich etwas auf. Es gab kein einziges Foto von Monica, Adams verstorbener Frau. Und auch keins von seinem Sohn Jeremy.

Gina runzelte die Stirn. Im ganzen Haus hingen jede Menge Fotos, aber wenn sie so darüber nachdachte – kein einziges zeigte die beiden Menschen, die Adam vor fünf Jahren verloren hatte. Sehr merkwürdig. Als ob er jede Erinnerung an sie aus seinem Gedächtnis tilgen wollte. Aber warum?

Gina verdrängte diese Fragen, um sich auf die anderen Fotos zu konzentrieren. Wobei sie nur die Aufnahmen von Adam betrachtete.

Einige konnte sie zeitlich zuordnen, vor anderen blieb sie stehen und grübelte. Adam als Kind in zerrissenen Jeans, eine Baseballmütze auf dem Kopf. Adam als Kapitän des Highschool-Baseballteams. Adam bei seiner Abschlussfeier. Adam mit einem Preis, den er beim Rodeo gewonnen hatte. Adam lächelnd. O Mann, das sollte er öfter tun, dachte Gina.

Mit den Fingerspitzen berührte sie das Foto. Wenn ich den echten Adam doch auch nur so einfach erreichen könnte, ging ihr dabei durch den Sinn. Jetzt war er ihr so nah und doch gleichzeitig so fern, vielleicht ferner als je zuvor.

Es rieselte ihr kalt den Rücken herunter. Unwillkürlich zog Gina den weichen Stoff des Morgenmantels fester um sich. Aber das half nicht, denn das Gefühl der Kälte hatte nichts mit der Raumtemperatur zu tun. Nachdem Gina die letzte Stufe hinuntergestiegen war, stand sie nachdenklich im Flur.

Am einen Ende des Korridors befand sich die Küche, in der Esperanza ihre Kekse aufbewahrte. Am anderen Ende war die Haustür. Und dahinter die Nacht. Kurz entschlossen ging Gina nach rechts, öffnete die Tür und trat nach draußen.

Die Luft war kalt und feucht. Kein Windzug. Der Himmel war klar und voller leuchtender Sterne. Der Halbmond schien so hell, dass Gina sogar die Schatten der Bäume auf dem Hof sah.

Langsam ging sie zu ihren Pferden. Morgen sollten sie Ställe in der Scheune bekommen. Für die erste Nacht hatte Gina sie im Freien untergebracht, damit sie sich besser an die neue Umgebung gewöhnten.

Sie legte ihre Arme aufs Gatter und flüsterte: „Ich hoffe, ihr fühlt euch hier schneller zu Hause als ich.“

Eine der Stuten wieherte leise und kam auf sie zugetrottet. Gina streckte die Hand aus, tätschelte den Kopf des Pferdes und freute sich, als das Tier näher herankam.

„Hey, Rosie, hast du mich vermisst?“

Das Pferd trat von einem Huf auf den anderen. Gina blickte von Rosie zu den anderen Pferden und dann zurück auf die Stute, die ihr erster Tinker gewesen war.

„Du fühlst dich noch fremd hier, hm?“, fragte sie und strich über die seidige Mähne. „Ich weiß genau, wie das ist. Aber früher oder später leben wir uns hier ein. Adam ist wirklich kein schlechter Kerl. Er führt sich nur immer auf wie ein alter Griesgram.“

„Ich bin ein alter Griesgram.“

Adam stand direkt hinter ihr. Gina zuckte zusammen, und die Stute trabte erschrocken zu den übrigen Pferden zurück.

Ärgerlich drehte Gina sich um. „Um Himmels willen, Adam! Dich so anzuschleichen und mich zu erschrecken! Hättest du dich nicht bemerkbar machen können? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!“ Sie legte sich eine Hand auf die Brust. Ihr Herz klopfte wie verrückt. „Verdammt noch mal!“

„Was zum Teufel machst du mitten in der Nacht hier draußen?“

Sie versuchte, sich zu beruhigen, atmete tief durch und sah ihn an. Sein nackter Oberkörper glänzte matt im Mondlicht. Sein Haar war zerzaust, und um sein Kinn herum entdeckte sie einen leichten Bartansatz. Barfuß stand Adam da, die abgewetzten Jeans hatte er offenbar in aller Eile übergestreift. Die oberen Knöpfe standen noch offen.

Er sah einfach verboten gut aus.

Gina ließ sich ihre sündigen Gedanken nicht anmerken und fragte: „Ist das vielleicht auch eine neue Regel? Muss ich dich jetzt um Erlaubnis bitten, wenn ich mal kurz rausgehen möchte?“

„Das habe ich nicht gemeint.“

„Was denn dann?“

Er stellte sich dicht vor sie. Sie nahm seinen Duft wahr, nach Seife und Mann und sonst nach nichts, und erschauerte vor Erregung. In der Hoffnung, das aufsteigende Verlangen zu verdrängen, atmete Gina tief ein. Doch jetzt fühlte sie sich vollkommen eingehüllt von seinem verführerischen Aroma.

„Ich bin aufgewacht und habe gemerkt, dass du nicht da warst“, sagte er achselzuckend.

Hoffnung keimte in ihr auf. „Du hast dir Sorgen um mich gemacht?“

Er sah sie an, wandte dann den Blick ab und schaute zu den Pferden. „So würde ich das nicht nennen“, murmelte er. „Ich … ich habe mich nur gewundert.“

Immerhin ein Anfang, dachte Gina.

„Du hast so fest geschlafen, und ich konnte einfach kein Auge zutun.“ Seufzend legte sie die Arme auf das Gatter und blickte ebenfalls auf die Wiese. „Erst wollte ich mir ein paar von Esperanzas Keksen holen. Dann dachte ich plötzlich, ich schaue mal nach den Pferden.“

Adam schüttelte den Kopf, während er sich neben ihr anlehnte. Amüsiert fragte er: „Was ist denn an diesen Pferden bloß so Besonderes?“

„Alles“, antwortete sie lächelnd.

„Klär mich doch auf … Ich meine, über die Pferde … nicht sexuell.“

„Oha, ein Witz!“ Sanft berührte sie seinen Unterarm, und als Adam ihn nicht wegzog, verbuchte sie es als kleinen Erfolg. „Adam hat einen Anflug von Humor gezeigt. Das muss ich mir rot im Kalender anstreichen.“

„Sehr witzig“, erwiderte er. „Aber im Ernst, warum bist du so verrückt nach diesen Pferden?“

„Sie sind sanftmütig und klug. Und sie verstehen sich unwahrscheinlich gut mit Kindern.“ Während sie sprach, lief eines der Fohlen über den Sand, obwohl es Nacht war. Lächelnd beobachtete Gina seine staksigen Bewegungen. Dann fuhr sie fort: „Die Tinker wurden seit Jahrhunderten so gezüchtet, dass sie fast wie Hunde in Familien passen. Sie sind stark und treu. Das bewundere ich.“

„Ich auch“, flüsterte er. Gina merkte, dass er gar nicht mehr auf die Pferde schaute, sondern sie ansah.

Das machte sie nervös, gleichzeitig fühlte es sich gut an. Abgesehen von einigen Geräuschen der Pferde, war es ganz still. Kein Wind wehte, die Sterne funkelten am Himmel … Plötzlich kam es Gina so vor, als ob die ganze Welt den Atem anhielt.

Adam schwieg, und das machte sie noch unruhiger. Um die Stille zu beenden, erzählte Gina weiter: „Meine ersten Tinker habe ich vor ungefähr sechs Jahren auf einer Pferdeausstellung gesehen.“ Sie blickte wieder zu ihnen. „Ich war sofort von ihnen begeistert. Sie haben so eine gewisse Eleganz. Und in ihrem Blick liegt so etwas … als ob einen ganz alte Seelen anschauen.“

„Wenn du sie so sehr liebst, wie bringst du es dann übers Herz, sie zu verkaufen?“

Sie lachte. „Oh, das fällt mir nicht leicht. Absolut nicht. Aber ich gebe sie nur in gute Hände ab. Ich prüfe alle Kaufinteressenten so genau, dass jeder Geheimdienst den Hut vor mir ziehen würde.“

„Ich ziehe auf jeden Fall den Hut vor dir.“

„Wirklich?“ Sie blickte ihn an und sah in seinen dunklen Augen etwas aufleuchten, das sie nicht genau definieren konnte.

„Wirklich.“ Er legte die Arme auf das Gatter, genau wie sie. „Ich habe in meinem Leben schon genug Händler kennengelernt, denen das Wohlergehen ihrer Pferde völlig egal war. Denen ging es nur um den Profit.“

Gina wurde ernst. „O ja, von denen kenne ich auch so einige.“

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte er leise. Und dann fügte er völlig unerwartet hinzu: „Tut mir leid wegen der Sache vorhin.“

„Es tut dir leid?“ Ungläubig schüttelte Gina den Kopf, als ob sie sich verhört hätte. Dann erwiderte sie lächelnd: „Wow. Ein Witz und eine Entschuldigung. Wer sind Sie, Fremder? Wo ist mein Ehemann geblieben?“

„Du hast eine ganz schön große Klappe.“

„Das kann ich nicht bestreiten. Meine Mom hat schon immer gesagt, das würde mich eines Tages noch in Schwierigkeiten bringen.“

„Hörst du immer auf deine Mutter?“

„Wenn ich das täte, wären wir nicht verheiratet.“ Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, bereute Gina es.

Adams Miene verfinsterte sich. „Und sie hatte sogar recht. Was mich betrifft … und ihre Warnung vor unserer Ehe.“

„Nein, das stimmt nicht. Ich liebe meine Mom, aber manchmal macht sie sich einfach mehr Gedanken als nötig.“ Wieder keimte Hoffnung in Gina auf. Vielleicht, nur vielleicht gab Adam jetzt mehr von sich preis. Zum ersten Mal seit der überstürzten Hochzeit fühlte sie sich ihm jetzt so nah. Wie sie sich danach sehnte, dass es so war! Gina legte eine Hand auf seinen Arm und versuchte zu ignorieren, dass Adam bei der sanften Berührung leicht zurückzuckte. „Ich kenne dich doch, Adam …“

„Nein, du kennst mich nicht.“ Er blickte auf ihre Finger, als sähe er ein giftiges Insekt. Blitzschnell zog sie die Hand wieder fort. Dann sagte er: „Du hast mich gekannt, Gina … früher. Aber ich bin nicht mehr der unreife Junge von damals. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Die Dinge haben sich verändert, und ich bin ein anderer geworden.“

„Du bist immer noch Adam“, entgegnete sie leise.

„Verdammt noch mal.“ Er umfasste ihre Schultern und drehte Gina so, dass sie ihn ansehen musste. Seine Miene wirkte hart und kühl, sein Blick streng. „Du legst das hier falsch aus, Gina.“

Sie wollte sich nicht einschüchtern lassen. Nein, sie hatte keine Angst vor ihm – auch wenn er es ganz offensichtlich darauf anlegte. „Was meinst du damit?“

„Das weißt du ganz genau.“ Er lockerte seinen Griff, und der Ausdruck seiner Augen wurde sanfter. „Du machst dir was vor, Gina. Meinst du, ich merke das nicht? Glaubst du, ich fühle es nicht?“

„Adam …“

„Wir haben nur eines gemeinsam – und das ist der Pakt, den wir geschlossen haben. Ich will etwas von dir, du willst etwas von mir. Sobald wir beide bekommen haben, was wir wollten, ist es vorbei. Richte dich hier deshalb lieber nicht häuslich ein. Erwarte nichts von mir. Und, verdammt, schau mich nicht so mit deinen feuchten Bambi-Augen an!“

„Aber ich …“

„Du musst damit aufhören, Gina. Es ist besser für dich, glaub mir. Es gibt kein uns, keine Gemeinsamkeiten. Und das wird es auch nie geben.“

Sie verspürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. Seine Worte taten ihr körperlich weh. Die Tränen standen ihr schon in den Augen, doch sie hielt sie tapfer zurück. Er meinte das alles genau so, wie er es sagte, das war ihr klar. Trotzdem, empfand er nicht doch mehr für sie, als er zugeben wollte oder konnte? Womöglich machte sie sich wirklich nur etwas vor. Sie müsste die Enttäuschung ihres Lebens verkraften, sobald ihre gemeinsame Zeit vorüber war. Hatte es noch Sinn, mehr in Adam zu sehen, als er preisgeben wollte?

„Wir haben immerhin das Hier und Jetzt, Adam.“ Hoffnungsvoll legte sie die Hände auf seine Brust. Seine festen, ausgeprägten Muskeln fühlten sich warm unter ihren Händen an, Gina spürte seinen kräftigen Herzschlag. Dass er schwieg, deutete sie als gutes Zeichen. „Und hier und jetzt gibt es das uns.“

„Gina …“ Er schüttelte den Kopf und atmete tief durch. „Du machst es schwieriger, als es sein müsste.“

„Vielleicht. Und du machst es … viel weniger angenehm, als es sein könnte.“ Sie trat noch näher an ihn heran. Zärtlich streichelte sie seine Brust, glitt mit den Fingerspitzen über seine Haut und seine Brustwarzen. Er atmete schwer, wollte aber offenbar nicht nachgeben. Gina wollte allerdings, dass er genau das tat. Und sie war bereit, einiges dafür zu tun.

Plötzlich packte er sie fest bei den Handgelenken. Sein Blick erinnerte sie an einen Mann, der sich in unbekannten Gefilden verirrt hatte. „Gina, du spielst mit dem Feuer.“

„Och, ich bin da nicht so empfindlich“, erwiderte sie leichthin. „Eine kleine Brandblase macht mir nichts aus.“

„Aber diese Art von Feuer verbrennt alles.“

„Wäre das so schlimm?“, fragte sie herausfordernd und lächelte ihn trotz seiner ernsten Miene an. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte – der Adam, den sie gekannt und in den sie sich verliebt hatte, lebte noch in ihm. Ganz tief in ihm, im Verborgenen. Und Gina wollte den alten Adam befreien. Sie würde ihn daran erinnern, dass es Liebe, Leben und Lachen gab. Dass es sich lohnte, dafür zu kämpfen. „Wir sind verheiratet, Adam. Viele Leute würden alles darum geben, dieses Feuer erleben zu dürfen.“

„Feuer verlöschen.“

„Manchmal“, sagte sie und nickte. „Aber solange sie lodern, sind sie faszinierend.“

„Du hörst nie auf das, was andere dir sagen, wie?“

„Nein“, gab sie zu.

„Gott sei Dank.“ Er ließ ihre Handgelenke los und löste wortlos den Knoten ihres Morgenmantels. Dann streifte Adam ihr den weichen Stoff über die Schultern. Nackt stand sie vor ihm.

Sie zitterte leicht, als die kühle Nachtluft über ihre Haut strich. Doch als Gina Adams feurigen Blick erwiderte, wurde ihr wieder warm. Ihre Brustspitzen zogen sich zusammen, einerseits von der Kälte, andererseits weil er sie gleich genau dort küssen würde. Leidenschaftlich liebkoste er ihren Körper, sie spürte seine rauen Hände auf sich und erschauerte. Allein diese erotische Geste von ihm ließ ihr Verlangen auflodern.

Er streichelte ihre Brüste, ließ die Hände tiefer gleiten, dann wieder hoch. „Deine Haut sieht im Mondlicht so wunderbar aus“, flüsterte er und nahm eine ihrer Brustspitzen in den Mund.

Sehnsüchtig stöhnte sie auf, drängte sich an ihn und umfasste seinen Hinterkopf. Sanft biss er in ihre Brustspitze, sodass Gina vor Lust zu vergehen glaubte. Dann saugte er zärtlich und begierig zugleich an ihr.

Ihre Gefühle für diesen Mann überwältigten sie. Für diesen Mann, der sie so sehr auf Distanz halten wollte – um ihr nicht wehtun zu müssen. Sie hielt ihn fest, beobachtete, wie er mit dem Mund ihre nackte Haut erkundete und wonnevolle Schauer durch ihren Körper sandte. Und egal, was Adam vorhin gesagt hatte, sie spürte, dass sie ihm alles andere als gleichgültig war. Mit jeder sachten Berührung zeigte er ihr, was er für sie empfand. Sie spürte seinen warmen Atem und seine Hände, wie er ihr über Rücken und Hüfte strich, bis er ihren Po fest umfasste.

Wenn er sie so streichelte, fühlte sie alles, was sie sich je erträumt hatte.

Keuchend hielt sie sich an seinen Schultern fest. Sie spürte seine Kraft und seine Wärme. Dann löste er die Lippen mit einem Mal von ihrer Brust. Und Gina hätte fast geweint, so schmerzte sie dieser Verlust.

„Ich muss dich haben“, flüsterte er, und jetzt erzitterte sie vor Glück.

„Du hast mich doch.“

Als er sie anlächelte, schien ihr Herz einen Schlag auszusetzen. Sein Lächeln, so selten wie er es zeigte, war so atemberaubend. Damit gewann er sie mehr für sich, als er mit jedem anderen Mittel vermocht hätte.

„Ich will mehr“, sagte er heiser, bevor er mit Lippen und Zunge über ihre Haut glitt.

Gina stand gegen den Zaun gelehnt da und hoffte inständig, nicht umzufallen. „Ja, Adam.“ Nur zwei geflüsterte Worte. Sie schwangen durch die Nacht, schwebten im Mondlicht.

Er kniete sich vor sie, drückte sanft ihre Beine auseinander und senkte langsam den Mund.

Lustvoll stöhnte sie auf und umklammerte seine Schultern. Jetzt stand sie wieder fest auf beiden Füßen, trotzdem schien sich plötzlich alles um sie zu drehen. Mit der Zunge erkundete Adam ihre empfindsamste Stelle. Gina rang nach Atem und konnte sich jedoch nicht zur Ruhe zwingen.

Wie sündig und verrucht, schoss es ihr durch den Sinn. Hier und jetzt. Im Freien. Hier stand sie, völlig nackt, mitten auf der Ranch, und ließ sich von Adam so sinnlich verwöhnen. Und er wollte sie, mehr als alles andere. Dass sie sich hier draußen unter dem Sternenzelt liebten, fand Gina wahnsinnig erotisch.

Immer und immer wieder schmeckte er sie, und die sanften Stöße seiner Zunge sandten elektrisierende Wellen durch ihren Körper. Dann hob er eines ihrer Beine an und legte es über seine Schulter. Gina musste sich am Zaun festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie wollte es, sie genoss seine Liebkosungen so sehr, dass sie kaum noch Luft bekam.

Die einzigen Geräusche in der sternklaren Nacht waren ihre lustvolles Stöhnen, sein gleichmäßiger Atem und das Scharren von Pferdehufen. Gina blickte in den Sternenhimmel, doch das tausendfache Funkeln nahm sie kaum wahr. Zu stark konzentrierte sie sich auf das, was sie erlebte und fühlte. Es war fast mehr, als sie ertragen konnte.

Nun streichelte er sie mit der Hand, die bisher auf ihrem Bauch geruht hatte. Mit einem, gleich darauf mit zwei Fingern drang er in sie ein. Sanft und doch energisch verwöhnte er sie, sodass sie heftig erzitterte. Ihr war, als würde sich jeder ihrer Muskeln anspannen, als wäre sie kurz vorm Zerspringen. Bald würde sie, ach so bald, das höchste der Gefühle erleben.

Mit den Fingern erforschte er sie, während er ihr mit Lippen und Zunge unbeschreibliche Lust bereitete. So sollte er weitermachen. Für immer und bis zum letzten aller Tage. Sie wollte, dass der Höhepunkt, der schon so nah war, noch fortblieb, zum Greifen nah und doch noch nicht da, bis in alle Ewigkeit. Dieser Augenblick, so wie er jetzt war, der sollte niemals, niemals enden.

Sie blickte vom Sternenhimmel zu dem Mann, der vor ihr kniete. Es erregte sie aufs Höchste, ihn so zu sehen, während seine Liebkosungen und Küsse sie höher und höher hinauftrugen. Sie sah ihn, spürte ihn und erschauerte, so heiß loderte ihr Begehren auf. Und sie musste hinsehen, sie konnte den Blick nicht abwenden.

Bald erzitterte sie, als sie der süßen Qual nichts mehr entgegensetzen konnte, jeder Gedanke wich aus ihrem Bewusstsein. Und während die erste Welle der berauschenden Glücksgefühle sie durchrauschte, rief sie trunken seinen Namen in die Nacht hinaus.

Seufzend genoss sie die weichen Wellen der Lust, bis sie abebbten. Und als es vorüber war, sank sie erschöpft in seine Arme.

„Du schmeckst süß“, flüsterte er und küsste sie auf die Lippen, das Kinn und auf den Hals.

„Adam, das war …“ Sie ließ den Kopf auf seine Brust fallen und rang immer noch nach Atem. Sie fühlte sich wunderbar, und als er sie ganz dicht an sich zog, spürte sie, wie erregt er war. Schlagartig glomm ihr Begehren wieder.

Adam merkte, dass sie genauso gern mit ihm schlafen wollte wie er mit ihr. Aber deswegen war er ja nicht hergekommen. Er war ihr nur ins Freie gefolgt, um zu sehen, ob irgendetwas nicht stimmte. Um sich zu vergewissern, dass es Gina gut ging.

O ja, er hatte genau mitbekommen, wie sie mitten in der Nacht aus dem Bett aufgestanden war. Im ersten Moment hatte er sie einfach gehen lassen wollen. Dann, nur ein paar Sekunden später, war er ihr doch gefolgt. Wie sie im Mondlicht dagestanden hatte, allein der Anblick hatte Adam erregt.

Jetzt sah er ihr in die Augen und wusste, das war brandgefährlich. Ihm war klar, dass Gina diesem nächtliche Beisammensein und dem romantischen Augenblick eine bestimmte Bedeutung beimessen würde. Sie würde daraus schließen, dass sie doch eine gemeinsame Zukunft haben könnten. Allerdings hatte Adam sie gewarnt.

Sie beide hatten sich auf diesen Handel eingelassen, in vollem Bewusstsein der Konsequenzen. Was er tat, war, nüchtern betrachtet, Pflichterfüllung. Er musste mit ihr schlafen, so war es abgesprochen. Das war alles.

Mehr konnte es nicht sein. Er wollte nicht, dass es mehr war.

Hastig schüttelte Adam den Kopf, verscheuchte die Gedanken und Sorgen und konzentrierte sich nur auf den Moment. Auf diesen kostbaren Augenblick mit ihr. Das Feuer der Leidenschaft, das jetzt zwischen ihnen loderte, wollte er nicht ersticken. Dafür war es zu schön und zu verlockend.

Wie Gina gesagt hatte: Sie hatten das Hier und Jetzt.

Ohne den Blick von ihr zu wenden, knöpfte er sich die Jeans auf. Lächelnd senkte Gina die Hand und umschloss ihn. Lustvoll stöhnte er auf. Ihre zärtlichen Berührungen – es war wie eine süße Folter und pure Wonne zugleich.

Sie bewegte die Hand auf und ab, sodass er sich stark beherrschen musste, um sich seinen Empfindungen nicht sofort zu ergeben. Aber es war vergeblich.

Und es war ihm egal.

9. KAPITEL

Gina schlang die Beine um seine Hüften. Adam lehnte sich gegen den Zaunpfahl. Das raue, verwitterte Holz kratzte an seinem nackten Rücken, aber das scherte Adam in diesem Moment nicht. Alles, was er fühlte, was er fühlen wollte, war die Frau in seinen Armen.

Kraftvoll hob er sie hoch und zog sie an sich. Sie glitt über ihn, und während er in sie eindrang, überwältigten ihn nie gekannte Empfindungen.

Mit Gina war jedes Mal wie das erste Mal.

Er wollte es sich nicht eingestehen, aber sie war so anders … Sie bedeutete ihm so viel mehr, als er gedacht hatte. Er verspürte eine tiefe Freude, wenn sie lachte. Ihre Wutausbrüche forderten ihn heraus. Und ihre Leidenschaft entfachte sein Begehren.

Adam umfasste ihren Po. Jede Bewegung wirkte wie ein Zauber. Zog er sich aus ihr zurück, empfand er es fast wie eine Folter. Drang er wieder in sie ein, war es wie ein Triumph. Er füllte sie aus, und sie passten perfekt zusammen.

Leise keuchend lehnte sie den Kopf zurück. Oh, Adam hätte sie die ganze Nacht lang so ansehen können! Stundenlang könnte er ihren Seufzern lauschen, die wie Musik in seinen Ohren klangen. Ihr wundervoller Duft, ihre zarte Haut, ewig hätte er Gina so halten können. Wie gebannt verfolgte er jede ihrer Bewegungen. Im sanften Mondlicht schimmerte ihr Gesicht silbrig, als würde sie innerlich vor Wonne erstrahlen. Ihre Augen glänzten glücklich.

Mit einer Hand strich er über ihren Rücken, bis zu ihrem Nacken. Zärtlich zog Adam sie dann an sich, sodass er sie küssen konnte. Von freudiger Erwartung erfasst, erschauerte er. Immer und immer wieder bewegte Gina nun die Hüfte und verfiel in einen entfesselten Rhythmus.

Er war so erregt wie noch nie – und es war immer noch nicht genug. Er brauchte … sie.

Wild küsste sie ihn, und er nahm alles, was sie ihm darbot. Während sie leidenschaftlich die Lippen auf seinen Mund presste, erreichte sie zitternd den Höhepunkt. Er wollte alles von ihr, er wollte sie ganz. Und tief in seinem Innersten wusste er, dass er nie genug von ihr bekommen konnte.

Doch schon waren diese Gedanken wie ausgelöscht. Das höchste der Gefühle übermannte ihn. Während er den Gipfel erklomm, durchrauschten ihn die köstlichsten Empfindungen – und eine Frage formte sich in ihm: Ob dies die Nacht war, in der sie das Baby zeugten? Das Kind, das alles zwischen ihnen beenden würde.

Sie war immer noch nicht schwanger.

Nachdem sie vor zwei Monaten mit Adam im Hof geschlafen hatte, war Gina beunruhigt gewesen. Doch offenbar fügte sich alles nach ihren Wünschen, denn sie hatte pünktlich ihre Regel bekommen.

Also blieben sie noch verheiratet. Damit erhielt Gina mehr Zeit, um einen Weg zu finden, den Mann ihres Herzens davon zu überzeugen, dass er sie auch liebte.

„Du denkst über Adam nach“, bemerkte ihre Mutter. „Ich sehe es dir an der Nasenspitze an.“

Ertappt blickte Gina auf. Sie saß auf ihrem Stammplatz in der Küche der Torinos. Seit sie denken konnte, war es „ihr“ Stuhl gewesen. Und immer wenn sie nach Hause kam, nahm Gina automatisch genau dort Platz.

Die Sonne schien durch die großen Fenster. Auf der Scheibe waren weder Flecken noch Schlieren oder Streifen, dafür sorgte ihre Mutter penibel. Die altmodische Uhr an der Wand schlug zwölfmal. Im Hof bellte Papàs Golden Retriever, der zweifellos wieder ein Eichhörnchen aufgescheucht hatte. Auf dem Herd köchelte eine Suppe vor sich hin und erfüllte die Luft mit dem Aroma von Rindfleisch und Oregano.

Hier in dieser gemütlichen Küche ändert sich nie etwas, dachte Gina. Na gut, alle paar Jahre gab es mal einen neuen Anstrich, aber stets in demselben hellen Gelbton. Dann und wann wurden andere Gardinen aufgehängt, ab und zu kaufte Teresa eine neue Bratpfanne. Aber das war alles. Abgesehen von diesen Kleinigkeiten blieb diese Küche, wie sie war. Das Herzstück des Torino-Haushalts.

Die Familie frühstückte hier und aß hier zu Abend. Hier hatten Gina und ihre Brüder gestritten, gelacht und auch manchmal geweint, wenn irgendetwas Schlimmes passiert war. Ihre Eltern, die Grundpfeiler der Familie, hatten ihnen zugehört, sie besänftigt, ihnen Ratschläge gegeben und dann und wann Strafen ausgesprochen, wenn es unbedingt nötig gewesen war. Und auch wenn sie längst erwachsen waren, kamen die Torino-Kinder immer noch zu jeder sich bietenden Gelegenheit nach Hause. Um wieder die innige Zuwendung und Geborgenheit zu spüren, die sie mit diesem Ort verbanden.

Allerdings war es ratsam, von zu Hause fortzubleiben, wenn man ein Geheimnis bewahrte – das die Eltern nicht entdecken sollten. Vor allem Teresa entging meistens sehr wenig.

Ginas Mutter stand vor der Anrichte und bereitete die kleine Zwischenmahlzeit zu, die sie Gina aufgenötigt hatte. Teresa warf ihr einen aufforderungsvollen Blick zu.

„So, man sieht mir an, dass ich an Adam denke?“, erwiderte Gina gezwungen fröhlich. „Dann sehe ich bestimmt richtig glücklich aus, wie?“

„Tust du nicht.“ Ihre Mutter hob das Tablett hoch, auf dem sie ein Sandwich und selbst gemachten Nudelsalat angerichtet hatte. Nachdem sie es zum Tisch getragen hatte, stellte sie es ab und schenkte zwei Gläser Eistee ein. Erst danach setzte Teresa sich ihrer Tochter gegenüber. „Ich mache mir Sorgen um dich, Gina. Jetzt bist du seit gut zwei Monaten mit Adam verheiratet. Und eines ist sicher, du siehst absolut nicht glücklich aus, eher traurig. Meinst du, ich sehe das nicht?“

„Mama …“

„Eins ist klar“, sagte ihre Mutter, nahm ihr Glas und trank einen Schluck Tee. „Du sehnst dich nach einem Baby. Das verstehe ich voll und ganz. Wie könnte ich auch nicht? Ich wollte ja auch Kinder haben. Aber du sollst sie mit dem Mann bekommen, den du liebst. Der dann auch dein Kind liebt und ihm ein guter Vater ist.“

„Ich liebe Adam doch.“ Gina biss von dem Roastbeef-Sandwich ab. Eines wusste sie sicher, dafür kannte sie ihre Mutter zu gut: Teresa würde ihre Tochter nicht eher gehen lassen, bis alles fein säuberlich aufgegessen war. Pflichtbewusst kaute Gina, schluckte und sagte dann: „Adam hat seinen ersten Sohn geliebt. Er würde auch unseren gemeinsamen Sohn lieben, dagegen könnte er sich gar nicht wehren.“

Teresa bekreuzigte sich und gestand: „Ja, er hat den Jungen geliebt, ganz bestimmt. Ach, es war so eine furchtbare Tragödie. Und du weißt genau, dass er sich nach dem Verlust seiner Familie verändert hat.“

Gina rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her, während sie mit der Gabel im Nudelsalat herumstocherte. „Das … das ist doch nach so einem Schicksalsschlag ganz normal, oder?“

„Sicher. Allerdings will er sich nicht ändern, er weigert sich, nach vorne zu sehen. Diese Finsternis in ihm ist schwer wie Blei. Und er will auch gar nicht, dass sie sich aufhellt.“

„Bei aller Liebe, Mom. Das kannst du doch gar nicht wissen.“

Ihre Mutter machte eine wegwerfende Handbewegung. „Alle wissen es, jeder kann es sehen. Nur du willst es nicht wahrhaben.“

Gina seufzte, legte die Gabel hin und sagte: „Ach, Mom. Das haben wir doch schon tausendmal besprochen.“

Teresa Torino stellte ihr Glas ab und beugte sich vor, um ihrer Tochter sanft über den Kopf zu streichen. „Und wir werden es noch tausendmal besprechen. Bis du endlich einsiehst, dass du einen Fehler machst. Was dir nur Kummer bringt und nichts anderes.“

„Mama …“

Die ältere Frau lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine sorgenvolle Miene auf. „Also. Mal angenommen, du wirst schwanger. Und dann? Gehst du dann einfach? Du würdest den Vater deines Kindes einfach so verlassen? Meinst du, das kannst du wirklich? Ohne dass es dir furchtbar wehtut?“

Schon bei dem Gedanken verspürte Gina einen entsetzlichen Schmerz. Aber es wäre sicher kein kluger Schachzug gewesen, das jetzt zuzugeben. Außerdem hoffte sie ja immer noch, dass sie sich nicht von Adam scheiden lassen musste. Dass er sich wünschte, dass sie blieb. „Adam und ich haben eine Vereinbarung getroffen.“

Sì.“ Wenn ihre Mutter ins Italienische wechselte, war das kein gutes Zeichen. „Das sagt mir dein Papà auch immer. Eine schöne Vereinbarung ist das. Sag mir: Geht man so in den heiligen Stand der Ehe?“

„Moment mal“, wandte Gina ein und schob sich eine Gabel voll Nudelsalat in den Mund, der wirklich ausgezeichnet schmeckte. „Korrigiere mich bitte, wenn ich etwas Falsches sage. Aber ist nicht Papà nach Italien gegangen, um dich kennenzulernen, weil seine Eltern deine kannten und alle dachten, ihr beiden wärt doch sooo ein schönes Paar?“

Teresa kniff die Augen zusammen. „Oh, meine Tochter ist so schlau. Fast schon zu schlau.“

„Danke“, entgegnete Gina lächelnd. „Auf jeden Fall bin ich klug genug, um die Familiengeschichte zu kennen.“

„Dann dürften dir auch die anderen Hintergründe bekannt sein.“ Teresa beugte sich wieder vor und legte die Unterarme auf den Tisch. „Mein Papà hatte mir gesagt, ich solle Sal Torino heiraten und nach Amerika ziehen. Da habe ich Krawall gemacht und ihm gesagt, dass ich auf keinen Fall einen Mann heirate, den ich nicht liebe. Tja, und dann kam dein Papà …“ Sie seufzte versonnen. „Ein Blick genügte, und ich habe mich sofort in ihn verliebt.“

Ermahnend hob Teresa den Zeigefinger. „Ein Blick. Und ich wusste es. Ich wusste, dass es gut und richtig war. Dass diese Ehe für die Ewigkeit und eine gute Ehe sein würde. Kannst du das von dir auch sagen?“

Gina aß noch einen Happen Nudelsalat, bevor sie ihrer Mutter in die Augen sah und fest erklärte: „Ich liebe Adam schon seit vielen Jahren, Mama. Ein Blick. Und ich wusste es.“

„Das ist nicht das Gleiche.“

„Nein“, entgegnete Gina matt. „Papà wollte heiraten, Adam nicht. Aber jetzt sind wir verheiratet. Und ich weiß, dass er mich mag.“

„Mögen heißt nicht lieben“, sagte ihre Mutter mit warnendem Unterton.

„Das kann noch werden. Mama, Adam braucht mich. Ich liebe ihn, und ich kriege das Ganze schon noch hin. Für uns beide. Könntest du nicht zur Abwechslung mal auf meiner Seite sein?“

Verblüfft sah Teresa ihre Tochter an. Dann stand sie auf und ging um den Küchentisch herum zu Gina. Sie umfasste ihr Gesicht, zog ihre Tochter näher und nahm sie in die Arme. „Aber, mein Kind, ich bin auf deiner Seite, natürlich bin ich das. Ich bin doch deine Mutter. Du sollst alles bekommen, was du willst, immer. Ich will dich doch nur vor Kummer und Sorgen bewahren.“

Gina genoss diese Umarmung, in die Teresa all ihre Liebe und Wärme legte. Auf ihre Mutter hatte Gina sich immer verlassen können.

Plötzlich dachte sie an Adam, sah ihn vor sich stehen und erinnerte sich an seine Berührungen. Endlich fasste Gina wieder mehr Mut, obwohl ihre Chancen objektiv betrachtet nicht besonders gut standen. Zwei Monate lang lebten Adam und sie jetzt schon zusammen. In seinem Haus hatte Gina sich inzwischen eingerichtet – sie hoffte nur, dass es ihr gelang, auch einen Weg zu seinem Herzen zu finden.

Sie musste es einfach weiter versuchen. Daran glauben und weitermachen, so sollte ihre Devise lauten. Wenn sie zu früh aufgab, würde Gina sich vielleicht ihr Leben lang Vorwürfe machen.

„Ich weiß, dass du nur mein Bestes willst, Mama“, flüsterte sie, und mit jedem Wort klang ihre Stimme entschlossener. „Aber manchmal muss man eben erst durch ein Tal gehen, bevor man sein Ziel erreicht.“

„Deine Frau hat wirklich Ahnung von Pferden“, sagte Sam Ottowell, während er einen Stapel Bestellscheine durchblätterte.

„O ja“, erwiderte Adam lächelnd. „Das hat sie wirklich.“ Er lehnte sich über den Schreibtisch seines Vorarbeiters und griff nach einem Notizbuch. Während er sich einige Stichpunkte notierte, sagte Adam: „Ruf Flanagan an, und bestell noch mehr Hafer. Jetzt, wo Ginas Pferde hier sind, brauchen wir die doppelte Menge.“

„Wird erledigt“, murmelte Sam, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und faltete die Hände über dem massigen Bauch. „Mann, das Mädel hat’s drauf. Die Pferde folgen ihr aufs Wort, fast wie dressierte Hündchen. Für Pferde hat sie ein ganz besonderes Talent.“

Nicht nur für Pferde, dachte Adam. Sie war auch sehr talentiert darin, sein wohlorganisiertes Leben durcheinanderzubringen. Für sich hatte er kaum noch Zeit, seit er diesen Hochzeitspakt mit Gina geschlossen hatte. Und wenn er doch mal einige Minuten für sich hatte – dann musste er schon fast zwanghaft an sie denken.

„Hörst du die Kinder da draußen?“, fragte Sam. Lautes Lachen drang von dem Reitplatz zu ihnen herüber.

„Die sind ja nicht zu überhören“, murmelte Adam. Leider. Nur zu gerne hätte er auf diese Geräuschkulisse verzichtet.

Plötzlich wurde Sam bewusst, dass Kinder immer noch kein gutes Gesprächsthema für seinen Boss waren. Deshalb griff er spontan nach einem Karteikasten und fragte: „Wolltest du eigentlich noch Simpson anrufen wegen der hundert Morgen Land, die er verpachten will?“

„Ja.“ Dankbar nahm Adam den Themenwechsel auf. Er sah auf seine Uhr. „Ich rufe ihn morgen an. Wir können dann …“

Weiter kam er nicht. Ein lauter Schrei ertönte.

Sofort stürmte Adam aus der Scheune, Sam folgte ihm. Zum Glück war nichts Schlimmes passiert, das Kind schrie bereits nicht mehr, sondern lachte wieder. Adam sah zum Reitplatz und verspürte prompt einen Stich im Herzen.

Ein kleiner Junge, er mochte vier oder fünf Jahre alt sein, saß auf dem Rücken eines Tinkers. Seine Eltern standen am Zaun und beobachteten die Reitversuche ihres Sprösslings. Ein etwa zehnjähriges Mädchen, offensichtlich die Tochter, hüpfte ungeduldig auf und ab und wartete darauf, dass sie an die Reihe kam.

Gina ging neben dem Pferd her und hielt den kleinen Möchtegern-Cowboy fest. Der Junge juchzte vor Vergnügen. Adam tat das Herz weh. Unsagbar weh.

Er konnte sich nicht bewegen. Er konnte den Blick nicht von Gina und dem kleinen Jungen nehmen, während sie ihre Runden drehten. Adam nahm alles ganz genau wahr, fast wie in Zeitlupe. Wie das blonde Haar des Kindes im Sonnenlicht glänzte, wie Gina geduldig lächelte. Immer wieder lachte der Junge fröhlich auf und strich der Stute über den Hals. Seine kleinen Fingerchen waren in der dichten Mähne des Tieres kaum auszumachen.

„Ich … äh … Ich geh’ dann mal wieder in die Scheune und an den Schreibtisch“, sagte Sam und machte sich davon.

Adam konnte nicht anders, er musste das Kind betrachten. Aber er dachte dabei an einen anderen Jungen. Und an einen anderen Tag, an dem die Sonne genauso geschienen hatte wie heute. Es schien Jahrhunderte her zu sein und war Adam doch so präsent.

„Ich will bei dir bleiben, Daddy.“ Jeremys große braune Augen füllten sich mit Tränen. Seine Unterlippe zitterte.

„Weiß ich doch“, sagte Adam und sah seufzend auf seine Armbanduhr. Er war sowieso schon spät dran, die Geschäftspartner warteten. Adam musste Angebote unterbreiten, Verträge unterzeichnen und Träume zerstören. Im Stillen lächelte er. Seit er die Kings-Ranch übernommen hatte, hatte er schon so einiges erreicht.

Er hatte neue finanzkräftige Käufer für das Getreide und das Vieh gefunden. Neue Pächter für nicht benötigte Weideflächen. Und als Nächstes wollte Adam die Stallungen ausbauen.

Natürlich bedeutete all das, dass er weniger Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn verbringen konnte. Natürlich tat Adam das weh, aber das war nun mal der Preis, den er zu zahlen hatte. Schließlich tat er es ja vor allem auch für ihre Zukunft.

„Bitte, bitte“, jammerte Jeremy, und eine einzelne kleine Träne kullerte ihm über die Wange. „Ich will bei dir bleiben, und ich bin auch ganz artig.“

Adam kniete sich vor seinen kleinen Sohn und sah ihm in die Augen. „Ich weiß, dass du artig wärst, Jeremy“, sagte er eindringlich. „Aber Daddy muss arbeiten. Ich kann jetzt nicht mit dir spielen. Spiel doch mit Mommy, das ist bestimmt sowieso viel lustiger.“

Fragend blickte Adam zu der Frau, die hinter seinem Sohn stand. Monica wirkte kein bisschen glücklicher als Jeremy, bei ihr äußerte es sich nur anders. Sie hatte keine Tränen in den Augen – in ihnen spiegelte sich Wut wider. Adam kannte diesen Blick nur zu gut. Er hatte ihn in letzter Zeit öfter gesehen, als ihm lieb war.

Jeremy senkte den Kopf und ließ die Schultern sinken. Die Enttäuschung war dem kleinen Jungen deutlich anzusehen. Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Dann trottete er traurig zu dem silber lackierten Wagen, der in der Ausfahrt stand. Adam stand auf und wandte sich seiner Frau zu.

„Das ist mal wieder typisch für dich, Adam“, murmelte sie. Sie blickte kurz über die Schulter, um sicherzugehen, dass ihr Sohn außer Hörweite war.

„Müssen wir das unbedingt jetzt durchkauen?“ Wieder sah er auf seine Armbanduhr.

Monica seufzte theatralisch auf. „Durchkauen“, schimpfte sie. „Allein dieses Wort!“

„Es … es besprechen, meinte ich“, erwiderte Adam kleinlaut. „Muss das unbedingt jetzt sein? Ich habe absolut keine Zeit.“

„Das ist ja das Problem, Adam. Du hast nie Zeit.“

„Aber gerade habe ich wirklich keine.“

„Schau doch in deinen Terminkalender. Vielleicht hast du Dienstag in zwei Wochen mal einen Termin für mich frei. Eine Minute wenigstens. Oder vielleicht sogar zwei, wenn ich Glück habe.“

Er wollte ihr tröstend über die Wange streichen, aber Monica wich zurück. Adam seufzte. „Du weißt genauso gut wie ich, wie viel Verantwortung ich trage.“

„O ja, das weiß ich. Und ob!“

Er war die ganze Situation leid. Immer wieder die gleichen Vorwürfe. Bla, bla, du kümmerst dich zu viel um die Ranch, den ganzen Tag. Monica entfernte sich immer mehr von ihm – und er sich von ihr. War das denn wirklich so schwer zu verstehen? Diese Ranch war das Vermächtnis seiner Familie, seiner Vorfahren. Deshalb musste er sich darum kümmern, und das erforderte viel Zeit. Und, ja, Liebe.

Jeremy war inzwischen eingestiegen und zog gerade die Wagentür zu. Aus dem Augenwinkel sah Adam, wie sein Sohn sorgfältig den Sicherheitsgurt anlegte.

Adam räusperte sich. „Können wir das nicht bitte vertagen? Ich habe eine wichtige Besprechung.“

„Ach ja, klar doch.“ Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre blonden Haare hochflogen. „Ich möchte auf keinen Fall, dass du eine deiner ach so wichtigen Besprechungen versäumst. Und dann noch wegen etwas so Nebensächlichem wie deiner Familie.“

„Zum Teufel noch mal, Monica.“

„Du kannst selbst zum Teufel gehen.“ Damit drehte sie sich um und ging mit großen Schritten wütend zum Auto. Bevor sie die Fahrertür öffnete, sah Monica sich noch einmal um. „Nicht dass es dir überhaupt auffallen wird – aber ich bin der Meinung, du solltest es trotzdem wissen. Wir kommen nicht wieder. Jeremy und ich fahren zu meiner Mutter in San Francisco. Wenn wir eine passende Wohnung gefunden haben, schreibe ich dir die Adresse, an die du unsere Sachen schicken kannst.“

„Jetzt warte doch mal“, rief Adam und lief ihr nach.

Monica stieg blitzschnell ein und ließ den Motor aufheulen. Sekunden später war eine Staubwolke aufgewirbelt und der Wagen nicht mehr zu sehen. So sonnig und heiß der Tag auch war, Adam fröstelte plötzlich. Er war bis ins Mark erschüttert.

Als sich die Staubwolke senkte, stand Adam immer noch regungslos da. Ganz in der Ferne, kaum sandkorngroß, machte er noch das Auto aus, in dem seine Frau und sein Sohn sitzen mussten. Da ertönte plötzlich das Wecksignal aus seiner Armbanduhr. Adam musste jetzt wirklich dringend zur Besprechung. Und Monica? Sie sollte sich erst mal beruhigen. Dann würden sie sich aussprechen und eine Lösung finden. Er ging zu seinem Geländewagen.

Das Wichtigste zuerst. Er würde noch gerade eben pünktlich zum Geschäftstermin kommen.

Zwanzig Minuten später waren Jeremy und Monica tot.

Adam schreckte auf.

Jahrelang hatte er sich nicht gestattet, diesen furchtbaren, schicksalhaften Tag Revue passieren zu lassen. Nun hatten ihn die Erinnerungen überwältigt. Wegen dieses Kindes, das immer noch vor Freude juchzend auf dem Pferd saß.

Er fühlte sich, als ob eine riesige Schraubzwinge seinen Brustkorb einklemmte und sich bei jedem Atemzug noch enger zusammenzog. Mit einem Mal nahm Adam Gina und das Kind nur noch wie durch einen langen dunklen Tunnel wahr. Als ob er meilenweit von ihnen entfernt wäre. Da standen sie, sie waren fröhlich und lachten im Sonnenlicht. Er war hier, im Schatten.

Dann sah Gina ihn. Sie winkte ihm freudestrahlend zu. Die Wärme in ihrem Blick, ihr offenes, freundliches Lächeln, Adam hatte das nicht gewollt. Er wollte es immer noch nicht.

Er musste sich eingestehen, dass er sich in den vergangenen Monaten sehr an ihre Anwesenheit gewöhnt hatte. Zu sehr. An ihren Duft. Daran, wie es sich anfühlte, wenn sie in seinen Armen lag. Nachts wandte Adam sich ihr zu, tagsüber lauschte er auf jedes Geräusch von ihr. Verdammt, es war doch nur eine zeitlich begrenzte Vereinbarung. Und trotzdem bekam es allmählich den Anschein von etwas Dauerhaftem. Gina merkte, dass Adam nicht zurückwinkte. Sofort wandte sie sich wieder dem Jungen zu.

„Die kann gut mit Kindern, wie?“

Überrascht drehte Adam sich um. Tony kam auf ihn zugeschlendert. Adam hatte gar nicht gewusst, dass Ginas Bruder auf der Ranch war.

Tony zog seinen Hut tiefer, weil die Sonne ihn blendete. Dann stellte er sich neben Adam und blickte zu seiner Schwester hinüber. „Mama schickt mich. Ich sollte euch was von ihrem selbst gebackenen Brot bringen, da hab’ ich gedacht, ich schaue meiner Schwester noch ein bisschen bei der Arbeit zu.“ Er warf Adam einen kurzen Blick zu. „Und da scheine ich nicht der Einzige zu sein.“

Adam musterte ihn feindselig. „Worauf willst du denn eigentlich hinaus?“

Er grinste. „Och, auf gar nichts. Ich habe nur deinen Blick gesehen und mir so gedacht: Na, vielleicht entwickelt sich aus diesem geschäftlichen Abkommen ja doch noch was anderes.“

„Da liegst du falsch!“ Falscher konnte er gar nicht liegen. Gerade jetzt, nachdem Adam sie mit dem Kind gesehen hatte, wurde es ihm noch klarer: Gina musste bald wieder aus seinem Leben verschwinden. Je eher, desto besser. Er wollte sein altes Einsiedlerdasein zurück.

„Ich glaube eigentlich nicht, dass ich mich so sehr irre.“ Tony trat aus dem prallen Sonnenschein und ging in den Schatten des Schuppens. Nachdenklich verschränkte Tony die Arme. „Ich muss zugeben: Zuerst war ich ganz auf Mamas Seite, was eure Ehe betrifft. Es schien mir anfangs eine ganz, ganz schlechte Idee zu sein.“ Er blickte kurz zu seiner Schwester hinüber und fuhr dann fort: „Aber Gina fühlt sich wohl hier. Und ich glaube, du fühlst dich wieder wohler in deiner Haut, seit sie hier ist. Sie ist glücklich, und du auch.“

Adam fixierte Tony mit Blicken, nur um der Versuchung zu entgehen, Gina weiter zu beobachten. „Schon wieder völlig daneben, Tony. Ich dachte, du kennst mich. Der Begriff ‚glücklich‘ ist bekanntlich aus meinem Wörterbuch gestrichen.“

„Das war früher aber mal anders.“

„Früher war alles anders. Früher war’s draußen auch länger hell.“ Mit diesen Worten wandte Adam dem ungebetenen Besucher – und Gina – den Rücken zu und ging zurück in die Scheune.

Tony folgte ihm. „Du musst unbedingt den miesen Dreckskerl spielen, was, Adam?“

„Man sollte immer das machen, worin man am besten ist“, entgegnete Adam streng, ohne stehen zu bleiben oder sich umzudrehen. Er hatte keine Lust, sich mit Ginas Angehörigen zu befreunden. Genauso wenig wollte er weiterhin dieses unbezähmbare Verlangen verspüren, wenn er Gina nur ansah. Er wollte, dass sein Leben wie früher war. Bevor Gina sich hineingeschlichen hatte.

Festen Schrittes ging er bis zum Ende der Scheune, wo sich der improvisierte Büroraum befand. Adam trat ein und machte eine Kopfbewegung, die sein Vorarbeiter sofort richtig deutete. Sam sprang von seinem Stuhl auf, nickte Tony kurz zu und murmelte, dass er ganz dringend was zu erledigen habe und außerdem mal nach den Pferden schauen wolle. Dann war er verschwunden.

Achtlos blätterte Adam in irgendwelchen Papieren. Er spürte, dass Tony ihn durchdringend ansah. Jetzt würde er ihn nicht so ohne Weiteres loswerden. In dieser Hinsicht ähnelte er seiner Schwester, sie waren beide unglaublich hartnäckig.

„Also, Adam, Klartext. Haste Angst, zuzugeben, dass dir was an meiner Schwester liegt?“

Als er aufsah, warf er Tony einen vernichtenden Blick zu. Doch Ginas Bruder zeigte sich völlig unbeeindruckt. „Meine Brüder dürften nicht so mit mir reden. Wie kommst du darauf, dass du das darfst?“

Tony zuckte gleichmütig mit den Schultern, nahm seinen breitkrempigen Hut ab und strich sich durchs Haar. „Weil ich mir Sorgen um meine Schwester mache. Ich denke, das wirst du verstehen.“

Verdammt, er hatte recht. Das konnte Adam nur zu gut verstehen: Familienzusammenhalt. Seine Angehörigen verteidigte und beschützte man, das war nun einmal so. Diese Grundwerte waren den Kings genauso wichtig wie den Torinos. Das musste er Tony zugestehen. Aber das hieß noch lange nicht, dass Adam sein Privatleben mit Tony besprechen würde. Oder etwa seine Ehe.

„Klar, das verstehe ich“, sagte Adam. „Ich bestehe trotzdem darauf, dass du dich da raushältst. Was zwischen Gina und mir ist oder nicht ist, das ist ganz allein unsere Sache. Wir brauchen keine Hilfe. Weder von dir noch von sonst jemandem.“

„Ja, das könnte dir so passen“, entgegnete ihr Bruder und setzte sich den Hut wieder auf. Dann stützte Tony sich mit seinen Händen auf dem überfüllten Schreibtisch ab. „Aber so läuft das nicht. Gina ist meine kleine Schwester. Und ich beschütze meine Familie.“

„Das tue ich auch“, erwiderte Adam.

„Ach, wirklich?“ Tony zog eine Augenbraue hoch. „Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung.“

Das war zu viel! Adam sprang auf. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er Tony drohend an. „Wenn du noch was zu sagen hast, dann raus damit. Und dann verschwinde. Schnell.“

Tony hielt sich die Hand vor den Mund, als könnte er das Gesagte so ungeschehen machen. „Das war voll daneben“, murmelte er. „Tut mir leid.“

Adam nickte, sagte jedoch kein Wort.

„Ich meine ja nur, du bist ein Idiot, wenn du Gina und dir keine Chance gibst, Adam. Und für einen Idioten halte ich dich wirklich nicht.“

„Tony, was machst du hier?“

Gleichzeitig drehten sich beide Männer zu Gina um, die an der Tür stand. Wütend blickte Gina vom einen zum anderen. Trotz des unpassenden Augenblicks empfand Adam bei ihrem Anblick etwas, das viel mehr als Begierde war.

Jetzt wusste er, dass er wirklich in Schwierigkeiten steckte.

„Ich dachte, du wärst bei den Pferden.“

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und fixierte ihren großen Bruder mit wütenden Blicken. „Nicht dass es dich etwas anginge – aber Sam führt Danny herum und spricht mit seinen Eltern. Ich will wissen, was du hier zu suchen hast.“

„Ich … ich unterhalte mich mit meinem Schwager“, antwortete Tony leichthin, trat aber sicherheitshalber einen Schritt zurück.

„Und du?“ Sie sah Adam an.

„Lass gut sein, Gina“, sagte er leise.

„Warum?“

„Weil wir schon fertig sind.“ Adam sah Tony eindringlich an. „Stimmt doch, oder?“

„Ja“, murmelte Tony und schob sich an seiner Schwester vorbei – zweifellos in der Hoffnung, ihrem Zorn zu entgehen. „Ich will dann mal wieder. War nett mit dir, Adam. Tschüß dann.“

Adam nickte Tony noch einmal kurz zu. Nachdem er gegangen war, sah Adam seine Frau an. Aus Gründen, die er nicht verstand, hallten Tonys Worte in ihm wider. War nett mit dir und tschüß dann.

Er verlor sich in Ginas Anblick und dachte: Wenn es nur immer so einfach wäre.

10. KAPITEL

Als Tony gegangen war, kam es Gina so vor, als wäre sie allein in dem engen, kleinen Behelfsbüro. Adam mochte zwar körperlich anwesend sein, aber er schottete sich geistig so ab. Fast schien es, als hätte er völlig vergessen, dass sie da war.

„Adam“, sagte sie und trat auf ihn zu. „Was war hier los? Worüber habt ihr gesprochen? Und warum siehst du so wütend aus?“

„Wütend?“ Er warf ihr einen kühlen Blick zu. „Ich bin doch nicht wütend, Gina. Ich habe nur viel zu tun.“ Wie um es zu beweisen, nahm er einige Papiere, legte sie ordentlich übereinander, schob sie in eine Mappe und setzte sich.

„Verstehe. Du hast so viel zu tun, dass du nicht mit mir reden kannst, mit Tony aber schon. Oder wie?“

Er drehte sich auf dem Bürostuhl um, ließ die Arme auf die gepolsterte Lehne sinken und faltete die Hände. Dann neigte er den Kopf zur Seite und sagte: „Dein Bruder war einfach plötzlich da. Natürlich musste ich mich mit ihm unterhalten. Genauso wie ich die Arbeit kurz beiseitelegen musste, als ich draußen plötzlich den Jungen schreien hörte.“

Gina zuckte mit den Schultern und lächelte. Damit rief sie bei Adam keine Reaktion hervor. „Danny war nur aufgeregt, es war ja kein Hilfeschrei. Seine Eltern wollen die Stute für ihn und seine Schwester kaufen. Und er hatte noch nie vorher auf einem Pferd gesessen.“

„Ist mir doch egal, warum das Kind geschrien hat“, sagte Adam leise und griff nach einem Kugelschreiber, der auf dem Schreibtisch lag. Gedankenverloren spielte er mit dem Schreiber. „Danach habe ich ja gar nicht gefragt. Ich meinte nur, dass mich so etwas ablenkt. Ich bin nicht daran gewöhnt, dass hier auf der Ranch ständig fremde Leute ein und aus gehen. Und ich schätze es überhaupt nicht.“

Ärgerlich stützte Gina die Hände in die Hüfte. Er tat ja gerade so, als würden hier jeden Tag Riesenpartys gefeiert. Ein, zwei Leute in der Woche – das war doch nichts Besonderes, sondern völlig normal. Und wenn Adam mal aus seinem Büro herauskäme und ein paar Worte mit den Leuten wechselte, würde ihm das vielleicht sogar ganz guttun. Aber nein, er musste sich ja abkapseln. Immer nur arbeiten. Besprechungen am Telefon, zu entlegenen Teilen der Ranch reiten oder zu irgendwelchen Kunden fahren.

Wenn er sich so intensiv um seine Geschäfte kümmerte, war das für ihn in Ordnung – aber ihr gestand er dasselbe nicht zu. Dabei bedeutete Gina ihre Arbeit genauso viel wie Adam die Ranch. Das musste er doch verstehen!

Aber es hatte keinen Zweck, das jetzt mit ihm auszudiskutieren. Sein Blick sprach Bände. Adam suchte Streit, und Gina hatte dazu keine Lust. Sie wollte, dass er sich endlich öffnete. Sie wollte den Adam erreichen, den sie als junges Mädchen gekannt hatte. Der sich für sie eingesetzt hatte. Und von dem sie wusste, dass er irgendwo tief in ihm steckte.

Bewusst schlug sie einen ruhigen und sachlichen Ton an, obwohl in ihr das Torino-Temperament hervorbrach, von dem ihre Mutter so oft sprach.

„Es sind doch wirklich nur wenig Leute hier gewesen, Adam. Die müssen hierherkommen, um sich die Pferde anzusehen. Und ich muss einschätzen, ob sie überhaupt mit den Tieren umgehen können. Das könnte ich nicht anders regeln, selbst wenn ich wollte. Aber davon abgesehen will ich es auch gar nicht.“

„Ich will diese Leute hier nicht haben.“

„Tja, das tut mir leid.“ Klein beigeben wollte sie nicht. Sie liebte ihn, trotzdem hatte alles seine Grenzen.

Er verzog den Mund. „So läuft das nicht, Gina.“

„Das?“, wiederholte sie und gestikulierte wild mit den Händen. „Was meinst du mit ‚das‘? Die Pferde? Die Leute?“

„Unsere Ehe.“

Diese beiden Wörter waren zu viel. Sie verspürte plötzlich Magenschmerzen, ihr Herz raste. Fieberhaft dachte sie nach. Was hatte diese Krise jetzt ausgelöst? Blitzschnell ließ Gina den Tag Revue passieren, und das Einzige, was ihr dazu einfiel, war Dannys Schrei.

Dann, schlagartig, war es ihr klar. Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht?

„Es liegt an Danny, oder?“ Sie flüsterte mehr, als dass sie es sprach. „An seinem Schrei.“

Seine Miene wirkte wie erstarrt. Jetzt wusste Gina, dass sie recht hatte. Sie hätte es von Anfang an wissen müssen. Adam hatte seinen Sohn verloren. Natürlich rüttelte der Schrei eines Kindes ihn auf und brachte Erinnerungen an ein anderes Kind zurück – an das Kind, das Adam für immer verloren hatte.

„Der Junge hat damit nichts zu tun.“

„Ich glaube, das stimmt nicht.“

„War mir klar, dass du das sagen würdest“, murmelte er. „Aber ist ja auch egal.“

„Adam, das ist überhaupt nicht egal.“ Sie ging auf ihn zu. Ihre Wut war großem Mitgefühl gewichen. „Du hast Danny gehört und musstest sofort an Jeremy denken.“

Bevor sie weiterreden konnte, stand Adam auf und sah sie wütend an. „Das hat nichts, aber auch gar nichts mit meinem Sohn zu tun, hörst du? Fang jetzt bloß nicht mit der Vergangenheit an.“

„Die Vergangenheit beeinflusst alles, was wir jetzt haben.“

„In deiner kleinen Welt vielleicht. Nicht in meiner. Vergangenheit ist Vergangenheit. Beeinflusst mich überhaupt nicht.“ An seinem Blick sah sie, dass er wirklich so dachte – oder wenigstens daran glauben wollte. Trotzdem, Gina kannte die Wahrheit. Dieser Kinderschrei hatte in seinem tiefsten Inneren etwas berührt. Etwas, das er vor allen verbarg, auch vor sich.

„Wie gesagt, das hat mit dem Jungen nichts zu tun. Es geht um unsere Abmachung.“ Sein Blick war kühl, seine Stimme klang völlig gefühllos. „Eine Abmachung, an die ich mich – das wirst du zugeben –, so gut ich nur konnte, gehalten habe.“

„Ja“, erwiderte sie angespannt. Allein beim Gedanken an die gemeinsam verbrachten Nächte wurde ihr schon wieder heiß. Hätte sie nicht gewissenhaft verhütet, wäre sie bestimmt schon schwanger. „Ja, du hast dich daran gehalten.“ Schnell fügte sie hinzu: „Genau wie ich.“

„Stimmt.“

Täuschte sie sich, oder blitzte tatsächlich gerade so etwas wie Wärme in seinem Blick auf? Erinnerte Adam sich auch in diesem Moment an ihre leidenschaftlichen Nächte? Oder bildete Gina sich das nur ein, weil sie es sich wünschte?

„Wir sind jetzt über zwei Monate verheiratet“, fuhr er fort. „Da du immer noch nicht schwanger bist, müssen wir allmählich darüber reden, ob unsere Abmachung überhaupt noch gilt.“

„Wie bitte?“ Damit hatte sie nicht gerechnet. Adam wollte doch unbedingt das Land – und nun war er tatsächlich bereit, darauf zu verzichten? Falls er es wirklich so wollte, würde sie es wohl kaum verhindern können. Sie hatte es ja immer noch nicht geschafft, dass er sich ihr öffnete. Sollte sie jetzt ihre Siebensachen packen und verschwinden? Alles vergessen, was gewesen war? Mit ihm?

Um Himmels willen!

Adam ging an ihr vorbei, trat aus dem behelfsmäßigen Büro und schlenderte durch die Scheune. Der Geruch von Pferden, frischem Heu und altem Holz wirkte beruhigend auf Gina. Nachdem sie Adam gefolgt war, blieb er stehen und blickte durch die geöffneten Stalltore nach draußen, in die Ferne.

„Du willst unsere Abmachung beenden?“, fragte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme so zaghaft und kleinlaut klang. „Wenn das so ist … Ich bin damit nicht einverstanden.“

Natürlich hätte sie zustimmen müssen. Welche Frau würde freiwillig bei einem Mann bleiben, der sie nicht wollte? Wo war ihr Stolz geblieben, das Ehrgefühl, die Würde der Torinos? Diese Fragen gingen Gina durch den Sinn. Und im gleichen Moment auch die Antwort.

Es war Liebe. Die unverbrüchliche Liebe, die sie für Adam empfand, hatte den Stolz besiegt. Ich habe ja keine Wahl, sagte Gina sich. Man kann sich ja nicht aussuchen, wen man liebt. Und sie liebte Adam doch schon fast ihr ganzes Leben lang. Manchmal kam es ihr so vor, als hätte sie ihn schon immer geliebt. Und die vergangenen Monate hatten ihre Gefühle nur verstärkt.

Dabei sah sie ihn durchaus nicht andauernd durch die rosarote Brille. Gina wusste, dass er nicht vollkommen war. Absolut nicht! Adam konnte kühl und berechnend sein. Andererseits verhielt er sich niemals bösartig oder verletzte jemanden mutwillig. Manchmal las sie einen Schmerz in seinen Augen. Und noch seltener lächelte er. Doch wenn er es tat, schmolz Gina förmlich dahin, selbst wenn sie es gar nicht wollte.

Nein, Adam war nicht vollkommen. Aber für sie, ja für sie war er genau der Richtige.

Und darum ging es doch in der Liebe.

Lange blickte er sie schweigend an. Sie versuchte, in seinem Blick zu lesen, was er dachte. Vergeblich. Adam konnte seine Gefühle zu gut verbergen. Er war ein gewiefter Geschäftsmann, der seinen Verhandlungspartnern keine Hinweise gab, auch nicht unbewusst. Wie ein Pokerspieler.

Endlich sagte er etwas: „Nein, ich will unsere Abmachung nicht beenden.“

Innerlich atmete Gina auf, doch ihre Anspannung war noch nicht völlig verschwunden. „Gut. Also … Worauf willst du hinaus?“

„Wir sollten unsere Vereinbarung ändern“, erwiderte er ruhig. „Das wäre für uns beide besser. Da du noch nicht schwanger bist …“

„Wir probieren es doch erst seit zwei Monaten“, warf sie ein.

„Stimmt. Und was ist, wenn es ein Jahr dauert? Oder zwei?“

Dazu sagte sie nichts. Gina war ja nur recht, wenn es lange dauerte. Je mehr Zeit sie mit Adam verbrachte, desto besser. Sie würde ihm beweisen, was für ein tolles Team sie waren – und dass sie zusammengehörten.

„Um es kurz zu machen“, fuhr Adam fort und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Ich finde, wir sollten unsere Bemühungen zeitlich begrenzen.“

„Unsere ‚Bemühungen‘.“

Er ging nicht auf ihren sarkastischen Unterton ein. „Wenn du nach einem halben Jahr nicht schwanger bist, beenden wir das Ganze. Wir trennen uns und …“

Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Dann bekommst du dein Land, und was kriege ich?“

„Ich war ja noch nicht fertig.“ Stirnrunzelnd fuhr er fort: „Wenn du nach einem halben Jahr noch nicht schwanger bist, trennen wir uns – und unsere Abmachung ist hinfällig. Dann haben wir beide verloren.“

„Das heißt, du würdest auf das Land verzichten, das dir so wichtig ist?“ Diesen Preis würde er zahlen, um sie loszuwerden? War es denn so unerträglich für ihn, mit ihr verheiratet zu sein? O Mann. Empfand er denn gar nichts für sie?

Doch, sie wusste es. Sie fühlte es jede Nacht, wenn er sie berührte. Gina erkannte es an dem begehrlichen Glitzern seiner Augen, wenn er zu ihr ins Bett kam. Warum kämpfte er so sehr dagegen an? Offenbar wollte er sie unbedingt auf

Distanz halten. Wollte er um jeden Preis verhindern, dass sie zusammen glücklich wurden?

Wie konnte sie diesen Mann denn immer noch lieben, der sie unbedingt verlassen wollte?

„Ach, das Land, das kriege ich schon noch. Irgendwann kommt dein Vater schon noch zur Vernunft.“ Er steckte die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, Gina, es ist besser so. Was bringt es, das Ganze ewig in die Länge zu ziehen? Damit wir uns noch länger quälen?“

„Oh, vielen Dank!“

Endlich lächelte er, wenn auch nur ganz kurz. Eigentlich war es nicht mal ein richtiges Lächeln, eher ein kurzes Zucken der Mundwinkel. Traurig, dachte Gina, dass ich mich selbst darüber schon freue.

„Ich mag dich wirklich, Gina. Ich habe dich schon immer gemocht. Und ehrlich gesagt, ich möchte die Sache zwischen uns beenden, solange wir uns gut verstehen. Wenn du nach einem halben Jahr noch nicht schwanger bist … Dann sind wir doch beide unzufrieden mit unserem Geschäft.“

„Ach, du magst mich?“

„Natürlich mag ich dich.“

Fast hätte sie laut aufgelacht. Sie liebte ihn. Und er? Er mochte sie.

„Eine Sechs-Monats-Frist“, fügte Adam hinzu. „Das ist doch nur sinnvoll, damit haben wir eine Zielsetzung und sorgen gleichzeitig für eine Schadensbegrenzung. Wir haben einen festen Termin und fertig. Das gibt uns Planungssicherheit.“

„Genau.“ Wie er redete! Zielsetzung, Schadensbegrenzung, Planungssicherheit! Gina wurde allmählich richtig wütend. „Ganz genau, Adam, wir brauchen unbedingt Planungssicherheit. Wo wären wir denn ohne Planungssicherheit? Sonst würden wir uns ja vielleicht, Gott behüte, mal für fünf Minuten gut fühlen bei dem, was wir tun.“

„Gina …“

„Nein, nein, du bist jetzt mal ruhig.“ Aufgebracht ging sie auf und ab.

Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Oder sich. Er war störrisch wie ein alter Maulesel, und was war sie? Eine Masochistin?

Direkt vor ihm blieb sie stehen. „Merkst du denn gar nicht, wie verrückt das ist? Nein, natürlich nicht. Ich bin noch nicht schwanger, also setzt du mir eine Frist, damit der Druck nicht so groß ist. Warum schickst du keine Aktennotiz? Was Kurzes, Aufbauendes wie: ‚Erwarte Zwischenstandsbericht sowie baldmöglichst Ergebnisse. Mit freundlichen Grüßen, King.‘“

Verärgert sah er sie an. Aber das störte sie nicht weiter, das war sie gewohnt.

„Sarkasmus bringt uns nicht weiter.“

„Soll er auch nicht“, entgegnete sie. „Das ist reiner Selbstzweck. Adam, kapierst du’s nicht? Eine Frist hilft uns nicht, ganz im Gegenteil, die setzt uns nur unter Druck. Wir müssen enger zusammen sein, das hilft uns. Nicht der ständige Blick auf die Uhr.“

Er runzelte die Stirn. „Wenn ich mich recht erinnere, waren wir verdammt eng zusammen, enger geht es schon gar nicht. Und zwar fast jede Nacht.“

„Typisch Mann.“ In einer verzweifelten Geste hob sie die Arme. „Sex, das nennt ihr Kerle eng zusammen sein.“

„Ja und?“

„Ja und, ja und! Meine Güte! Was geht bei euch Männern denn vor?“

„Moment …“

„Nein.“ Sie atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen, aber ohne Erfolg. „Adam, ist das denn so schwer zu begreifen? Wir sind zusammen, allerdings nicht richtig. Nachts schläfst du mit mir, und am nächsten Morgen bin ich wie Luft für dich. Den ganzen Tag lang. Kein Wunder, dass ich da nicht schwanger werde.“

Seine Miene wirkte völlig regungslos. Typisch.

„Falls du es vergessen hast … Wir führen keine normale Ehe.“

Gespielt erstaunt seufzte sie. „Ach, wirklich? Tun wir nicht? Ach sooo. Das erklärt natürlich alles.“

Er kniff die Augen zusammen. „Gina, wenn du nicht bereit bist, vernünftig und sachlich darüber zu sprechen, dann …“

„Dann was?“, fragte sie. „Dann engagierst du jemanden, der das für mich übernimmt? Oder, warte mal. Engagiere doch lieber jemanden, der für dich redet. Auf jeden Fall brauchst du dich dann nicht mit meiner Gegenwart zu belasten. Bis es Nacht wird, natürlich, und der gnädige Herr seine Pflicht erfüllen muss – zum Wohle der King-Ranch.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Willst du damit sagen, mit dir zu schlafen wäre für mich eine reine Pflichterfüllung?“

„Stimmt es denn nicht?“ Sobald sie die Frage gestellt hatte, bereute Gina es schon. Sie war nicht sicher, ob sie die Antwort hören wollte. Doch jetzt war es zu spät. Natürlich hatte sie den Eindruck, dass er gerne mit ihr schlief. Aber was, wenn sie sich täuschte?

„Wir haben eine Abmachung“, fügte sie hinzu und hoffte mit jeder Faser ihres Körpers, dass er ihr widersprechen würde. „Und du hakst jede Nacht auf deiner Liste ab: ‚Beischlaf ausgeführt‘.“

„Jetzt redest du totalen Blödsinn“, entgegnete er ungehalten.

„Ach ja? Dann sag mir, dass du mich begehrst, Adam. Sag mir, dass es mehr als Pflichterfüllung für dich ist.“ Sie trat dicht vor ihn und spürte seine Wärme. „Beweis mir das Gegenteil, Adam. Wenn ich mehr als nur ein Vertragsbestandteil für dich bin, dann zeig es mir.“

Sekunden verstrichen. Gina sah ihm in die Augen, begegnete seinem glutvollen Blick und fragte sich, ob sie vielleicht den Bogen überspannt hatte.

Plötzlich zog Adam sie an sich und presste seinen Mund so heftig auf ihren, dass sie seufzend die Augen schloss und seinen Kuss hingebungsvoll erwiderte.

Adam konnte kaum atmen.

Die Wut, die ihn zu ersticken drohte, verlor sich mit einem Mal in dem Feuer seiner Leidenschaft. Er umarmte Gina und gab sich seinem Verlangen hin. Sie öffnete den Mund, und Adam küsste sie stürmisch. Er fühlte, er schmeckte sie und hielt sie mit beiden Armen so fest, als ob sein Leben davon abhinge.

Aus dieser Frau sollte man schlau werden! Sie war ein einziger wandelnder Widerspruch. Eigentlich unheimlich lieb und nett – trotzdem stand sie stets für sich ein und verteidigte ihre Ansichten. Auch ihm gegenüber. Gina war sexy und warmherzig, manchmal jedoch fast jähzornig. Sie brachte sein Leben durcheinander. Und sie brachte fremde Leute auf seine Ranch, das ging schon mal gar nicht. Sie löste widerstrebende Gefühle in ihm aus. Sogar Begehren.

Sachte griff er in ihr lockiges Haar und beugte sich vor, um den Kuss zu vertiefen. Mit ihr zusammen zu sein, das berauschte ihn geradezu. Mit allen Sinnen genoss er es, sie zu spüren.

Sie war gefährlich für ihn.

Sobald ihm dieser Gedanke kam, brach der Zauber des Moments. Schlagartig löste Adam die Umarmung, sodass Gina beinah schwankte. Erschrocken sah sie ihn an.

Er atmete schwer und kämpfte innerlich gegen den unbändigen Drang, sie wieder an sich zu ziehen und mit Gina zu schlafen. Es dauerte, bis Adam sich beherrscht hatte. Als er meinte, wieder sprechen zu können, sagte er nur: „Für mich ist es keine Pflichtübung, Gina. Aber das mit uns ist nichts auf Dauer. Das kann es nicht sein.“

Obwohl sie sehr verletzt aussah, blieb er hart. Er konnte keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Sie hatten eine Abmachung, das war alles. Schlimm genug, dass dadurch seine friedvolle Einsamkeit zerstört worden war.

„Warum, Adam?“, fragte sie leise. „Warum zwingst du dich dazu, nichts zu fühlen? Du warst doch schon mal verheiratet. Du hast doch Monica geliebt.“

Während ihm eben noch vor Lust heiß gewesen war, wurde ihm jetzt kalt. „Du weißt nichts über meine Ehe.“

„Ich weiß, dass sie tot ist. Und ich weiß, dass der Schmerz über ihren Verlust … und den deines Sohnes … nie wirklich vergehen wird.“

„Gar nichts weißt du.“

„Dann rede doch mit mir!“, stieß sie verzweifelt hervor. „Wie soll ich denn wissen, was du denkst oder fühlst, wenn du nicht mit mir sprichst?“

Er schüttelte den Kopf, suchte nach Worten, doch er fand keine. Warum konnten sie nicht einfach bei der geschäftlichen Vereinbarung bleiben, mit der alles begonnen hatte? Seine Vergangenheit ging niemanden etwas an außer ihm. Wenn er Entscheidungen traf, dann waren sie sachlich begründet. Und er ließ sich weder von Schuldgefühlen, Schmerzen oder anderen Gefühlen leiten.

Adam führte sein Leben so, wie er seinen Teil des King-Imperiums führte: überlegt, klar und sachlich. Nach vernünftigen Erwägungen. Kein Wunder, dass Gina davon nichts verstand.

„Überall, im Flur, in den Zimmern, überall hängen Bilder von deiner Familie“, sagte sie. „Von dir und deinen Brüdern, deinen Eltern, deinen Cousins. Aber …“

Er wusste, was sie jetzt sagen würde.

„Nirgends gibt es auch nur ein einziges Foto von Monica oder von Jeremy. Warum nicht, Adam?“

Auf diese Frage war er vorbereitet, trotzdem tat es weh. Doch er riss sich zusammen. „Wäre dir lieber, wenn ich überall Bilder von ihnen aufhänge? Meinst du, ich schaue mir gern Fotos von meinem Sohn an und denke dann daran, wie er gestorben ist? Meinst du, das macht mir das Leben leichter, Gina? Ich glaube kaum.“

„Nein, natürlich nicht.“ Mit beiden Händen umfasste sie seinen Arm. „Aber wie kannst du dich so völlig abschotten? Wie kannst du dich dagegen sperren, überhaupt an deinen Sohn zu denken?“

Oh, er dachte sehr wohl an Jeremy. Gerade jetzt stiegen die Erinnerungen in Adam auf. Jeremy hatte blondes Haar wie seine Mutter und braune Augen wie sein Vater, immer ein Lächeln auf den Lippen. So hatte Adam ihn in Gedanken vor sich. Und das war privat. Das teilte er mit keinem Menschen. Mit niemandem.

Sachte befreite er sich aus Ginas Griff. „Wenn ich keine Erinnerungsfotos aufhänge, bedeutet das ja nicht, dass ich ihn vergessen will … oder vergessen könnte. Aber mein Leben ist nicht auf Erinnerungen aufgebaut, Gina. Meine Vergangenheit hat keinen Einfluss auf meine Gegenwart. Oder meine Zukunft.“ Er sah sie an und zwang sich, die Enttäuschung zu ignorieren, die ihre Augen widerspiegelten. Als sie die Abmachung getroffen hatten, war er ehrlich gewesen. Gina hatte gewusst, dass er keine Liebe wollte. Wenn sie jetzt plötzlich doch auf mehr hoffte – was konnte er dafür?

Als sie betreten schwieg, fuhr er fort: „Du kannst es wahrscheinlich nicht mehr hören, trotzdem muss ich es noch einmal betonen: Wir haben eine geschäftliche Vereinbarung. Mehr nicht. Erwarte nichts von mir, was ich dir nicht geben kann. Dann läuft alles glatt. Und wir bekommen beide das, was wir wollten.“

11. KAPITEL

Tagelang dachte Gina noch über den Vorfall in der Scheune nach. Wild und leidenschaftlich hatte Adam sie geküsst, aber sein Blick hatte kühl gewirkt.

Hatte sie sich denn all die Wochen über etwas vorgemacht? Hing sie wirklich nur einem kindischen Traum nach, der nichts mit der Realität zu tun hatte? Und war es an der Zeit, sich geschlagen zu geben?

Gina zog an Shadows Zügel und ließ die sanftmütige Stute den ausgetretenen Pfad zum Familienfriedhof der Kings entlangtraben. Als Gina die ersten Grabsteine sah, zogen dunkle Wolken auf. Den ganzen Tag lang hatten sie auf den Sturm gewartet.

Schlagartig wurde es kälter, ein unangenehmer Wind kam auf. Shadow tänzelte nervös, als ob die Stute das herannahende Unwetter spürte und nichts lieber wollte, als in den schützenden Stall zurückzukehren.

Aber Gina hatte etwas Bestimmtes vor, und vorher wollte sie nicht nach Hause zurück. Sie musste herausfinden, wie Adam die Gedanken an seine verstorbene Frau und den Sohn so streng verbannte. Er hatte diesen Teil seines Lebens gewissermaßen weggesperrt. Was für ein Mensch musste man sein, um so etwas fertigzubringen?

In wenigen Tagen würden sich die Blätter der alten Bäume auf dem Friedhof verfärben. Dann würden sie im Wind tanzen und nach und nach auf den Boden fallen, um dort schließlich wie ein wunderschöner Flickenteppich liegen zu bleiben. Die Tage wurden schon merklich kürzer.

Shadow schnaubte, bewegte den Kopf hin und her und wäre am liebsten vom Pfad abgewichen. Gina war jedoch fest entschlossen, sich der Vergangenheit zu stellen, der Adam sich so rigoros verweigerte.

Der verschnörkelte Eisenzaun um den Friedhof war teils rostig und verwittert, dennoch strahlte er Eleganz und Stärke aus. Dieser Zaun war mit Liebe errichtet worden, um Jahrhunderte zu überdauern. Irgendwie wie die King-Dynastie selbst.

Pflanzen rankten durch die Metallgitter, die Blüten wogten im Wind. Die ältesten der zahlreichen Grabsteine stammten aus dem neunzehnten Jahrhundert. Einige der älteren standen schief. Die eingemeißelten Inschriften waren kaum noch zu entziffern, nachdem sie jahrzehntelang Wind und Regen ausgesetzt waren.

Gina stieg von ihrem Pferd ab und band den Zügel an den eisernen Zaun. Vorsichtig, fast wie ein Dieb, zog sie das reich verzierte Eisentor auf. Die Scharniere quietschten; das Geräusch ging Gina durch Mark und Bein. Gleichzeitig blies ihr ein scharfer Wind ins Gesicht, als ob jemand – oder etwas – sie warnte: Kehr um! Halte dich fern von den Toten, geh zu den Lebenden zurück!

Und nun fielen auch noch die ersten Regentropfen. Kalt rannen sie ihr den Nacken und den Rücken hinab. Die Blätter an den Bäumen raschelten. Fast klang es wie Flüstern, jedenfalls kam es Gina so vor.

Vorsichtig ging sie durch das feuchte Gras, das zusehends nasser wurde. Die älteren Gräber beachtete sie nicht weiter, sondern näherte sich zielstrebig den neuesten, die aus weißem Granit bestanden. Sie entdeckte das Grab von Adams Eltern. Vor zehn Jahren waren sie ums Leben gekommen, als ihr kleines Privatflugzeug in der Nähe von San Francisco abgestürzt war. Das Grab war mit frischen Blumen geschmückt, Rosen aus dem Garten der Ranch.

Aber wegen dieses Grabes war Gina nicht gekommen.

Zwei andere zogen sie wie magisch an. Still ging sie weiter.

Da waren sie. Monica Cullen King und Jeremy Adam King.

Auch hier lagen Blumen. Rosen für Monica, Tausendschönchen für Jeremy. Der Regen hinterließ feuchte Schlieren auf dem makellosen Granit. Es war still, so beunruhigend still hier, fand Gina. Hier ruhten die zwei Menschen, die Adam nicht vergessen konnte und an die er sich um keinen Preis erinnern wollte. Der Grund dafür, dass er nur ein halbes Leben führte. Die Vergangenheit, die ihm mehr bedeutete als eine Zukunft mit Gina.

„Wie bringe ich ihn dazu, mich zu lieben?“, fragte sie und blickte von einem Grabstein zum anderen. „Wie mache ich ihm klar, dass man eine Zukunft haben kann, ohne die Vergangenheit zu verraten?“

Natürlich bekam sie keine Antwort. Hätte Gina eine bekommen, wäre sie wahrscheinlich schreiend davongelaufen. Dennoch hatte sie das Gefühl, als würden ihre Fragen gehört und verstanden.

Sie beugte sich hinunter, wischte mit der flachen Hand über das sorgfältig gepflegte Gras, sammelte gedankenverloren einige kleine Zweige auf und warf sie beiseite. „Ich weiß, dass er dich geliebt hat. Das will dir auch niemand nehmen. Aber ich glaube, er könnte auch mich lieben.“ Dann blickte sie auf den Grabstein, in den Jeremys Name, Geburts- und Sterbedatum gemeißelt waren. Er hatte ein so kurzes Leben gehabt. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie erinnerte sich noch gut an den quicklebendigen, fröhlichen kleinen Jungen. Und an das tiefe Mitgefühl, das sie für Adam empfunden hatte, als Jeremy gestorben war.

„Ich will ja nicht, dass Adam euch beide vergisst. Ich will doch nur …“ Sie hielt inne und blickte zum Himmel, wo sich immer mehr dunkle Wolken zusammenballten.

„Ich habe mir etwas vorgemacht, nicht wahr?“, flüsterte sie. Der Wind warf ihr die Worte zurück ins Gesicht. „Er wird das Risiko, jemanden zu lieben, nicht noch einmal eingehen. Er hat schon einmal teuer dafür bezahlt.“

Um sie herum war es beinah nachtschwarz geworden, der Regen prasselte heftig auf sie und durchnässte ihre Kleidung. Der Wind wurde stärker, und Gina fröstelte, was nicht nur mit dem Wetter zu tun hatte. Es lag auch an der ernüchternden Erkenntnis: Was Gina sich erträumt hatte, würde niemals wahr werden. Es war so weit, sie musste aufgeben. Es hatte keinen Zweck mehr, bei Adam zu bleiben – in der aussichtslosen Hoffnung, dass er sie eines Tages lieben könnte.

Es war Zeit, sich geschlagen zu geben. Empfängnisverhütung ade.

Langsam stand sie auf, sah noch einmal auf die Gräber hinunter und flüsterte: „Passt gut auf ihn auf, wenn ich nicht mehr bei ihm bin.“

Adam sattelte gerade sein Pferd, als Gina auf der Ranch ankam, klatschnass und ein Bild des Elends. Gerade hatte er sich auf den Weg machen wollen, um sie zu suchen – obwohl er wusste, dass das ein aussichtsloses Unterfangen war. Die Ranch war riesig. Adam hätte tagelang unterwegs sein können, ohne Gina zu finden. Trotzdem hätte er es versucht. Denn die Ungewissheit war unerträglich gewesen.

Während er ihr jetzt entgegenblickte, war er zwischen Erleichterung und Wut hin und her gerissen. Obwohl es in Strömen regnete, lief Adam sofort über den Ranchhof.

Er hob Gina vom Pferd, hielt sie an den Schultern und rief: „Wo zum Teufel warst du? Du warst ja stundenlang weg!“

„Ich habe einen kleinen Ausritt gemacht“, antwortete sie und entwand sich seinem Griff. Sie wankte etwas und sah sich unsicher um, als wüsste sie nicht, wo sie war. „Plötzlich kam das Unwetter und …“

Was sie sonst noch sagte, hörte Adam wegen des Regens und des Donnergrollens nicht. Gina blickte an sicher hinunter und schien überrascht zu sein, wie durchnässt sie war.

Vergebens versuchte Adam, die fast legendäre Ruhe und Selbstbeherrschung zurückzugewinnen, die sonst sein Leben ausmachte. Verdammt, er wäre fast verrückt geworden vor Sorge! Während der vergangenen Stunden hatte er ständig nach ihr Ausschau gehalten. Besorgt hatte er das Unwetter herannahen sehen und gehofft, es möge vorüberziehen. Jetzt fühlte er sich völlig erschöpft.

Unwirsch strich er Gina eine Haarsträhne aus der Stirn. „Gina, man reitet hier nicht einfach los und sagt keinem, wohin man will. Dafür ist die Ranch zu groß. Selbst einem erfahrenen Reiter kann etwas Schlimmes zustoßen.“

„Mir geht’s gut“, murmelte sie und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Und hör auf, mich so anzuschreien.“

„Das war erst der Anfang.“ Er konnte sich immer noch nicht beruhigen. Wusste sie denn nicht, was alles hätte passieren können?

Eine Klapperschlange hätte ihr Pferd zum Scheuen bringen können. Ja, es gab sogar Wildkatzen in der Umgebung. Nicht auszudenken, wenn eines der hungrigen Tiere Gina angefallen hätte! Oder ihr Pferd wäre in ein Loch getreten und hätte sich ein Bein gebrochen. Dann wäre Gina gestürzt und in der Einöde verloren gewesen! Das Herz schlug Adam bis zum Hals. Die ganze Zeit hatte er sich beherrscht und Ruhe bewahrt, während er auf Gina gewartet hatte. Aber jetzt konnte er sich einfach nicht mehr zurückhalten.

„Was zum Teufel war so wichtig, dass du trotz der Sturmwarnung ausreiten musstest?“

Sie sah ihn an, und die Regentropfen liefen ihr wie Tränen über die Wangen. „Lass es gut sein. Du würdest es sowieso nicht verstehen.“

Diese Antwort traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Aber bitte, das war in Ordnung. Sie wollte nicht darüber reden? Das akzeptierte Adam, schließlich ging es ihm oft ähnlich. Doch auf keinen Fall würde er weiterhin im Regen stehen bleiben. „Komm jetzt mit.“ Er nahm ihre Hand und wollte Gina notfalls zum Haus ziehen.

„Adam, ich muss mich um Shadow kümmern.“

„Ach, jetzt machst du dir über das Pferd Sorgen?“ Er schüttelte den Kopf. „Einer meiner Leute wird sich um die Stute kümmern.“

„Lässt du mich gefälligst los, Adam?“, rief sie, nachdem sie ein paar Schritte getan hatten. „Ich kann alleine gehen, und ich kann mich gut allein um mich kümmern. Genauso wie um mein Pferd.“

„Ach ja?“ Er musterte sie eingehend. „Tatsächlich, das gelingt dir prima, Gina.“ Dann warf er einen Blick über die Schulter. „Siehst du, Sam kümmert sich schon um Shadow. Er wird sie trocken rubbeln und ihr Futter geben. Zufrieden?“

Gina sah, wie Sam die Stute in den warmen, trockenen Stall führte. Plötzlich schienen alle Kräfte Gina zu verlassen. Sie schwankte, und Adam hielt sie fest. Was war nur mit dieser Frau los? Sie hatte sein Leben in das reinste Chaos verwandelt. Sie hatte ihn sogar dazu gebracht, sie anzuschreien – dabei tat er so etwas nie.

„Komm jetzt“, murmelte er sanfter und führte sie zum Haupthaus. Nachdem Adam die Tür geöffnet hatte, wischte er sich schnell den gröbsten Schlamm von den Stiefeln. Dann trat er ein. „Esperanza!“

Die Haushälterin eilte in den Flur. Als sie Gina sah, stürzte sie sofort auf sie zu. „Dios mio, was ist denn passiert? Miss Gina, ist alles in Ordnung?“

„Es geht mir gut“, antwortete Gina und versuchte, sich aus Adams festem Griff zu befreien. Dann blickte sie auf den Schmutz, den sie auf dem eben noch strahlend sauberen Fußboden hinterlassen hatte. „Tut mir leid wegen der Fußabdrücke.“

„Das macht nichts, Miss Gina, gar nicht schlimm.“ Esperanza warf Adam einen tadelnden Blick zu. „Was haben Sie mit ihr gemacht?“

Ich?“

„Nein, nein“, sagte Gina hastig. „Adam hat gar keine Schuld. Ich bin in das Unwetter geraten.“

Trotz dieser Erklärung sah Esperanza Adam strafend an.

Sie hätten gefälligst aufpassen müssen, dass so etwas nicht passiert. Auch wenn seine Haushälterin die Worte nicht laut aussprach, wusste er, dass sie genau das dachte. Aber es war Adam in diesem Moment gleichgültig. Wer war er denn, dass er sich vor seinem Hauspersonal rechtfertigen sollte, während Gina bibbernd dastand und sich womöglich eine Lungenentzündung zuzog?

„Ich bringe Miss Gina nach oben“, erklärte Adam an Esperanza gewandt. „Könnten Sie uns in, sagen wir, einer Stunde eine warme Mahlzeit hochbringen? Vielleicht Ihre Tortilla-Suppe, wenn noch welche da ist.“

Sì, si“, erwiderte Esperanza und deutete ein Lächeln an. „In einer Stunde.“

Adam hob Gina hoch und trug sie die Treppe hoch. Mit jedem Schritt nahm er zwei Stufen auf einmal.

„Ich kann selber gehen“, beschwerte Gina sich.

„Ich will keinen Widerspruch mehr hören.“ Als er oben angekommen war, blickte er noch einmal hinunter und sah, wie Esperanza bereits die Flecken vom Teppich entfernte. Im Stillen nahm Adam sich vor, ihr Gehalt in nächster Zeit zu erhöhen.

Trotz seiner Ermahnung protestierte Gina: „Verflixt, Adam, ich bin doch nicht krank.“

„Nein, das bist du nicht“, entgegnete er, „du bist nur verrückt.“ Er trug sie durch den Flur zum Schlafzimmer, trat durch die offen stehende Tür ein und ging gleich ins angrenzende Badezimmer. Es war weiß und grün gefliest, hatte ein Doppelwaschbecken, eine Dusche und eine wunderschöne, gemütliche Badewanne. Durch das regenverschmierte Fenster sah Adam zum Himmel. Draußen war es anscheinend völlig grau.

„Zieh dich aus.“ Vorsichtig ließ er Gina herunter.

„Das werde ich nicht tun.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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