Die Mätresse des Prinzen

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Die Mätresse des Prinzen von Wales - für viele Damen der Gesellschaft ein erstrebenswertes Ziel! Aber nicht für die schöne Witwe Mariah Eller. Denn sie träumt nur von Jack St. Lawrence, dem treu ergebenen Freund des Thronfolgers. Treu jedenfalls so lange, bis Mariah ihm süße, nächtliche Verlockungen in Aussicht stellt …


  • Erscheinungstag 01.08.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765101
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Lake District, England, 1887

Dabei will ich mich einfach nur in Ruhe um meine eigenen Angelegenheiten und um mein Wirtshaus kümmern. Ist denn das zu viel verlangt?“, schimpfte Mariah Eller und zog ihren Umhang enger, um sich gegen den Regen zu schützen, der ihr ins Gesicht peitschte. Sie lief weiter in Richtung ihrer erleuchteten Herberge, des „Eller-Stapleton Inn“. Ihr fielen auf Anhieb mindestens ein Dutzend Dinge ein, die sie um neun Uhr abends an einem regnerischen Oktoberabend lieber tun würde – und von denen die meisten etwas mit einem prasselnden Feuer und warmen Pantoffeln zu tun hatten.

„Schneller, Madam!“ Der Junge mit der Laterne sah sich besorgt nach ihr um und blieb stehen, um auf sie zu warten. „Vater sagt, die schmeißen uns noch die Fenster ein.“

„Diese Rabauken sollen sich bloß nicht an meine teuren Fenster wagen“, erwiderte sie und wünschte, die Drohung würde nicht ganz so leer klingen. Sie bedeutete dem Jungen weiterzugehen. „Das Verglasen hat mich ein Vermögen gekostet. Die Schulden fressen mich noch auf!“ Sie zog ihre eiskalten Hände schnell wieder unter ihren Umhang. „Wenn diese Unruhestifter die Dreistigkeit haben, sich meinen Fenstern auch nur zu nähern …“

Dann was? Dann würde sie ihnen eine Standpauke halten? Sie ohne Essen ins Bett schicken? Womit konnte sie einer Gruppe von Männern drohen, die in ihrer Wirtschaft ein Trinkgelage abhielten, nicht mit sich reden ließen und entschlossen schienen, alles kurz und klein zu schlagen?

Das ausladende Eller-Stapleton Inn, eine Kutschenstation für Reisende in Richtung Norden, war mehrere Meilen von der nächsten Stadt und dem nächsten Konstabler entfernt. Gewöhnlich konnten sie und ihr Personal jegliche Schwierigkeiten selbst in den Griff bekommen. Ihr tüchtiger Wirt, Mr. Carson, sorgte mithilfe seiner durchdringenden Blicke, seiner kräftigen Arme und seiner gefürchteten alten Flinte dafür, dass die Ordnung gewahrt wurde.

Doch aus irgendeinem Grund schien diese Situation seiner ansonsten unerschütterlichen Kontrolle entglitten zu sein.

Dann musste die Lage wirklich brenzlig sein.

Sie holte tief Luft, bevor sie die letzten Meter durch die Pfützen im Hinterhof rannte und durch die offene Küchentür ins Haus eintrat. Einen Augenblick blieb sie am Eingang stehen, um die Situation zu erfassen, während ihr langer, völlig durchnässter Umhang auf den abgenutzten Kachelboden tropfte. Ihre Belegschaft hatte sich um den glühenden Steinofen in einer Ecke der Küche versammelt. Sie wurde mit lautem „Gott sei Dank, dass Sie endlich da sind“ begrüßt. Lediglich Carson schien bei ihrem Anblick keine Erleichterung zu verspüren.

„Seit wann braucht ihr Hilfe, um mit ein paar Betrunkenen fertig zu werden?“, fragte sie, während sie ihre Kapuze hinunterzog und sich über ihr nasses Gesicht wischte.

„Diese Halunken haben Nell belästigt“, sagte Carson und deutete auf die Köchin und eine der Mägde, die tröstend ihre Arme um die junge Nell Jacoby gelegt hatten. Das zierliche junge Mädchen schien leichenblass und ihre Augen waren vom Weinen gerötet. „Haben sie geküsst und angefasst – als wollten sie über sie herfallen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Sein vierschrötiges, normalerweise freundliches Gesicht hatte sich dunkelrot verfärbt, und seine kräftigen Schultern waren angespannt.

„Benehmen sich wie Barbaren, und es wird immer schlimmer. Ich hätte die ganze Bande schon längst rausgeschmissen, wenn ich nicht ein Wappen auf einer der Schnupftabakdosen der Männer gesehen hätte.“ Er verzog sein Gesicht, als habe er Zahnschmerzen. „Und mein Kleiner sagt, auch auf der Jagdkutsche, die ihre Waffen und ihr Gepäck gebracht hat, sei ein Wappen.“

Adlige. Mariah stöhnte. Was sonst?

„Wer sind denn diese Männer? Haben sie ihre Namen nicht genannt?“, fragte sie und hoffte gleichzeitig, dass die Unruhestifter dies verweigert hätten. Die Gäste einer Herberge waren gesetzlich dazu verpflichtet, sich auszuweisen und sich ins Gästeverzeichnis einzutragen, um eine Unterkunft zu bekommen.

„Namen haben sie schon angegeben“, antwortete Carson mit grimmigem Blick und griff nach dem großen ledernen Reservationsbuch, das er auf der Tagesseite aufschlug. „Bloß nicht ihre eigenen.“

„Jack Sprat und Jack B. Nimble“, las sie laut. „Union Jack. Jack A. Dandy. Jack Ketch. Jack O. Lantern.“ Sie schluckte, um den Klumpen, der in ihrer Kehle entstanden war, zu vertreiben. „Schlaue Kerle.“

Und gefährlich noch dazu, stellte sie fest. Keine Namen angeben zu wollen, bedeutete nicht zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Es sah so aus, als wollten diese Männer heute Nacht tatsächlich ihre Fensterscheiben zertrümmern.

Wie sie adlige Männer auf „Jagdausflügen“ hasste! Sie fielen in Landstriche ein, wo sie niemand kannte, und fühlten sich berechtigt, jedem niederen Trieb und jeder verrückten Laune nachzugeben, die ihnen in ihrem ansonsten so „vorbildlichen“ Leben versagt war. Wenn sie völlig außer Kontrolle gerieten – was oft der Fall war –, konnte ein einfacher Gastwirt sie nicht in die Schranken weisen, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Das einzige Mittel, um gegen sie vorzugehen, war die schwierige Kunst der Diplomatie.

Um mächtige Männer mit anstößigen Manieren zu bändigen, bedurfte es besonderer Fähigkeiten: Geschicklichkeit, Humor, Aufrichtigkeit – und das Wissen um die richtige Schmeichelei. Es war ein Balanceakt der schwierigsten Art. Sie sah in Carsons schuldbewusstes und erwartungsvolles Gesicht, und ihr Herz klopfte schneller. Sie hatte keine adligen Nachbarn, die sie um Hilfe bitten könnte, und keinen einflussreichen Ehemann, der ihr beistehen würde. Sie war auf sich selbst gestellt. Und sie würde heute Nacht einen verdammt geschickten Balanceakt vollführen müssen.

Sie zog ihren durchnässten Umhang aus und reichte ihn Carsons Sohn, der ihn neben der Tür aufhängte. Sie blickte an sich hinunter, um ihre Kleidung zu inspizieren. Ihre maßgeschneiderte dunkelblaue Schößchenjacke, die schlichte weiße Bluse und der gut geschnittene graue Wollrock waren sicherlich nicht die ideale Garderobe, um betrunkene Adlige zu betören, aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich umzuziehen.

„Ich brauche einen Spiegel, jemanden, der Geige spielen kann und einen riesigen Kessel voller Punsch, in den ihr bitte unseren stärksten Rum mischt.“ In ihren Augen blitzte die Wut auf, die sie zügeln musste, bevor sie vor die Männer trat.

Carson nickte erleichtert und beauftragte seinen Sohn, den Stallknecht Old Farley samt seiner Geige herbeizuschaffen. Dann befahl er dem Küchenmädchen, einen Spiegel aus dem Dienstbotentrakt in die Küche zu bringen. Lautes Männergelächter drang durch den langen Flur aus dem Schankraum zu ihnen herüber, und vermischte sich mit dem Lärm metallener Becher, die zu Boden fielen, Rufen nach mehr Alkohol und dem gebrüllten Befehl an den Gastwirt, „die süße Kleine wieder hereinzuschicken“.

Mariah sah in die Gesichter ihrer Leute, die sie erwartungsvoll anblickten, und nahm all ihren Mut zusammen. Es ging um ihr Wirtshaus, ihr Zuhause und ihr Leben. Ihre Leute brauchten sie. Sie musste sie mit den einzigen Waffen verteidigen, die sie besaß: Geistesgegenwärtigkeit und ein klarer Verstand.

Der Spiegel wurde gebracht, und sie steckte ihre üppigen honigblonden Haare zu einem losen, weichen Knoten hoch, zog die Jacke aus und öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Sie war keine umwerfende Schönheit, aber ihr launischer und anspruchsvoller Mann hatte oft damit geprahlt, dass Männer sich ein zweites Mal nach ihr umdrehten, wenn sie lächelte. Während sie ihre Zähne inspizierte und sich in die Wangen kniff, betrachtete sie sich im Spiegel. Ihre Augen strahlten mit einer Zuversicht, die sie überraschte.

„Carson, bleiben Sie wach, falls ich Sie brauche, und achten Sie darauf, den Punsch aufzufüllen.“ Sie nahm einen Schluck des Gebräus, das für die Gäste vorbereitet wurde, griff nach einer Flasche ihres besten Rums und betrat die Gaststätte.

Ihre Strategie war sowohl einfach als auch riskant: sie hatte vor, den Anführer auszumachen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und ihn dazu zu bringen, ihr zu helfen, den Rest der Truppe im Zaum zu halten, bis sie alle zu betrunken waren, um weitere Missetaten anzustellen. Sollte ihr Plan scheitern, würde sie Zeter und Mordio schreien, woraufhin Carson mit seiner zuverlässigen alten Flinte angelaufen käme.

Sechs zumeist junge, gut angezogene Männer hatten sich auf Bänken und Stühlen vor dem flackernden Kamin des eichengetäfelten Schankraums ausgebreitet. Außer ihnen befand sich niemand im Raum, was angesichts des schlechten Wetters und der Tatsache, dass jedes Zimmer der Herberge für die Nacht belegt war, seltsam war. Das rüpelhafte Benehmen der Männer schien alle anderen Gäste vertrieben zu haben.

Je näher sie der Gruppe kam, umso deutlicher konnte sie den offensichtlichen Reichtum der Männer sehen und riechen: goldene Taschenuhren und kalbslederne Stiefel, Sandelholzseife und süß duftender Tabak … Dann fiel ihr Blick auf die verschmutzten Tische und Stühle, auf die sie ihre Füße gelegt hatten, die Zigarrenasche auf ihrem frisch geputzten Boden, leere Biergläser achtlos verteilt auf Tischen, Boden und Kaminsims.

„Noch etwas zu trinken, meine Herren?“, fragte sie laut, als sie auf die Gruppe zuging. Die zwei Männer, die ihr zugewandt saßen, richteten sich auf und die anderen drehten sich um, um zu sehen, was ihr Interesse geweckt hatte. Sie blieb einige Schritte vor ihnen stehen und hielt die Rumflasche fest umklammert.

„Seht euch das an. Was haben wir denn hier?“ Der Mann, der ihr am nächsten saß, ein Bursche mit rundem Gesicht und Pomade in den Haaren, sah mit anzüglichem Grinsen zu ihr auf.

„Ich bin die Besitzerin dieses Wirtshauses, meine Herren, und somit Ihre Gastgeberin.“ Einer spontanen Eingebung folgend, machte sie einen tiefen Knicks und verbarg dabei ihr sarkastisches Lächeln. Sie spürte, wie überrascht die Männer waren, und hatte vor, dies zu ihren Gunsten auszunutzen. Sie sah auf und … blickte geradewegs in ein Paar goldbrauner Augen in einem ungewöhnlich markanten Gesicht.

Abrupt hielt sie inne und musterte den Mann genauer. Er hatte welliges dunkles Haar und sonnengebräunte Haut, seine vollen, geschwungenen Lippen zeigten den Anflug eines schiefen Lächelns. Als ihre Blicke sich trafen, erlosch das Lächeln und seine Augen verdunkelten sich. Und verrieten sein Interesse. Sein durchdringender Blick fuhr wie ein brennendes Streichholz über ihre Haut und entzündete etwas, was sie nur noch selten verspürte: eine gespannte Erwartung.

Sie unterdrückte ein Schaudern und zwang sich, den Blick von ihm zu lösen, um ihn auf seinen Nachbarn zu richten: einen großen, korpulenten Mann mit schütterem Haar und einem unverwechselbaren Spitzbart.

Ihr wich das Blut aus den Wangen.

Sie kannte dieses Gesicht.

Ganz England kannte es.

Um alles in der Welt, war es tatsächlich möglich, dass Carson ihren zukünftigen König nicht erkannt hatte?

Jack St. Lawrence, der gerade einen weiteren Schluck Bier nehmen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung und fixierte die Schönheit mit dem honigfarbenen Haar, die nur wenige Zoll vor seinen ausgestreckten Beinen in einem tiefen Knicks versunken war. Sie war von durchschnittlicher Größe, aber davon abgesehen war nichts an ihr durchschnittlich. Ihre Haltung war majestätisch, ihr volles Haar schimmerte in warmem, goldenem Glanz, ihre feinen Gesichtszüge waren harmonisch und attraktiv, und – verdammt – unter ihrer gestärkten Bluse und dem gut sitzenden Rock konnte er Kurven erkennen, die auch den frömmsten Geistlichen um den Verstand bringen könnten.

Der angenehme Biernebel in seinem Kopf verschwand dank einer unerwarteten Hitzewelle. Sie sah zu ihm auf, und er blickte in ein Paar Augen so blau wie ein Sommerhimmel – warm und verlockend –, und die seinen Blick mit einem unleugbaren gewissen Interesse erwiderten.

Bevor er reagieren konnte, drehte sie den Kopf zur Seite, sodass ihr Blick auf Bertie fiel. Jack sah, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich und sie die Augen erschrocken aufriss, als sie den Prinzen von Wales erkannte. Er hatte diese Reaktion schon oft bei Frauen jeden gesellschaftlichen Rangs gesehen: Überraschung und Ehrfurcht, gefolgt von übertriebenem Eifer, die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen.

Er blickte zu den Kumpanen des Prinzen hinüber, die sich anzüglich grinsend über die Lippen fuhren und die Frau vor ihnen mit wollüstiger Vorfreude taxierten. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Die ganze Truppe war schon mehr als angetrunken und wurde von Minute zu Minute unberechenbarer. Eine verführerische Schönheit in ihrer Mitte war in dieser Situation das Letzte, was er gebrauchen konnte. Er hatte schon mitansehen müssen, wie sie sich auf die junge Bedienung stürzten, die ihnen den Biernachschub gebracht hatte.

Gerade hatte er einschreiten wollen, als sie das Mädchen gepackt und angefasst hatten, da war der riesige Gastwirt erschienen und hatte gebrüllt, die Magd solle sich sofort wieder an ihre Arbeit in der Küche machen. Angesichts dieser Unterbrechung waren seine Begleiter so überrascht, dass sie das verängstigte Mädchen vom Tisch hinunterspringen ließen und die Episode mit einem Lachen abtaten, bevor sie sich wieder ihren Getränken zuwandten.

Er hatte erleichtert aufgeatmet und einen Schluck von seinem Bier getrunken, an dem er schon seit fast einer Stunde nippte. Der Gedanke daran, die ganze Truppe wieder einmal zügeln zu müssen, erfüllte ihn mit Unbehagen. Sie konnten Schwerstarbeit sein. Und leider waren sie seine Schwerstarbeit. Wenn er den Prinzen zur Jagd begleitete, war er dafür verantwortlich, darauf zu achten, dass die Männer nicht völlig außer Rand und Band gerieten.

Der Erbe des britischen Throns und Weltreiches, Prinz Albert Edward – „Bertie“ für seine Freunde – beugte sich vor und musterte die Frau von oben bis unten. Dabei verweilte sein Blick länger als nötig auf ihren Brüsten, bevor er ihr ins Gesicht sah. Er lächelte, sichtlich angetan von ihrem Anblick. Hoheitsvoll bot er ihr seine fleischige Hand, die sie ohne Scheu ergriff, dann knickste sie anmutig ein zweites Mal.

„Und Sie, werter Herr“, sagte sie, wobei sich ihr sinnlicher Mund zu einem bezaubernden Lächeln verzog, „welcher ‚Jack‘ mögen Sie wohl sein? Jack Sprat, die Sprotte, kann es ja wohl kaum sein.“

Gütiger Himmel. Hatte sie etwa gerade auf Berties Umfang angespielt? Aus den Reihen seiner Begleiter war ein leises „Hört, hört“ zu vernehmen, das in unterdrücktes Gelächter überging. Der Prinz ließ ihre Hand los und zog sich die Jacke zurecht, um seinen stattlichen Bauch zu kaschieren. Er schien darüber nachzudenken, ob er ihre Bemerkung durchgehen lassen könne oder nicht.

Dieses Weib musste wahnsinnig sein, denn sie fuhr unbeirrt fort.

„Nein, warten Sie, sagen Sie nichts. Sie können auch nicht Jack O. Lantern sein – für einen Halloween-Kürbis sind Sie zu gut aussehend. Auch nicht der Henker Jack Ketch – dafür sind Sie zu lebendig. Oder Jack A. Dandy – obwohl Ihre elegante Kleidung dafür sprechen würde.“ Sie biss sich auf die Lippe und sah ihn mit einem aufreizenden Augenaufschlag bewundernd an. „Ein Mann Ihres beeindruckenden Aussehens und vornehmen Auftretens kann nur … Union Jack sein.“

Seine Begleiter brachen in zustimmendes Gebrüll aus.

Sie schenkte dem Prinzen ein verschmitztes Lächeln, das dieser erwiderte.

„Verdammt noch mal, Sie sind ein ganz schön helles Köpfchen, was?“ Er ergriff ihre Hand, um sie näher an sich heranzuziehen.

„Das ist wohl wahr, mein Herr.“ Sie widersetzte sich ihm gerade so weit, dass sie nicht auf seinen Schoß gezogen wurde. „Und mein ‚helles Köpfchen‘ sagt mir, dass Sie und Ihre Freunde heute Abend in bester Feierlaune sind.“

Die Antwort war ein Chor rauen Gelächters. Sie spielte mit dem Feuer. Im wahrsten Sinne des Wortes. Jack setzte sich nervös auf. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie in enorme Schwierigkeiten geraten.

„Ich habe es mir erlaubt, meinen Wirt zu bitten, Ihnen unseren Spezialpunsch vorzubereiten. In der ganzen Grafschaft werden Sie keinen besseren finden.“ Spielerisch lächelnd ließ sie ihren Blick über die Männer schweifen. „Weit und breit dafür bekannt, selbst Gottesmänner vom rechten Weg abzubringen, das Aussehen alter Jungfern zu verbessern und sieben Arten von Skorbut zu heilen.“

Das laute Lachen des Prinzen zauberte ein unwiderstehliches Lächeln auf ihr Gesicht, das eine winzige Spur von Erleichterung zeigte.

„Und Sie sagten, dies sei Ihre Herberge?“, fragte der Prinz und sah sie forschend an. „Als ich das letzte Mal hier war, begrüßte mich der Eigentümer höchstpersönlich. Ein Mann namens Eller.“

„Gutsherr Eller war mein Ehemann, Sir. Nach seinem Tod vor zwei Jahren übernahm ich das Haus und die Gaststätte.“

„Dann sind Sie also Witwe.“ Der Prinz zog eine Augenbraue hoch und lächelte.

In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und der Wirt erschien mit einem großen Kessel aromatisch duftenden Punschs. Der Prinz ließ es widerstandslos zu, dass die Hausherrin sich von ihm löste, um allen reihum einschenken zu können. Kurz darauf ertönten die fröhlichen Klänge einer Geige im Wirtshaus, und es erschien ein alter Mann, der sich offensichtlich warm spielte.

Musik. Jack sah die tolldreiste Witwe überrascht an. Um die wilden Tiere zu zähmen. Was für ein geschickter Schachzug.

Der alte Mann stimmte nun das erste Lied an, das passender nicht sein könnte: das lebhafte „Drink Little England Dry“. Während die Witwe den Punsch ausschenkte, begann sie zu summen und mitzusingen. Als sie dem Prinzen seinen vollen Becher reichte, bedeutete sie ihm, mit einzustimmen. Er sah sie prüfend an, als müsse er abwägen, ob sie die Mühe wert sei. Dann öffnete er den Mund und sang aus voller Kehle. Seine Begleiter sahen ihn ungläubig und fassungslos an. Sie warfen sich verstohlene Blicke zu und als die Wirtin sie bediente, stellte sich ein jeder unter seinem falschen Namen vor und stimmte mit ein.

Bald sang und trank die ganze Gruppe, mit Ausnahme von Jack, der seinen Stuhl ein wenig nach hinten gerückt hatte und die gewiefte Witwe und seine Jagdkameraden durch halbgeschlossene Lider beobachtete. Wenn sie auch noch so schlau war, so konnte sich die Situation doch jederzeit gegen sie wenden. War sie sich denn keiner Gefahr bewusst, während sie mit jedem der Männer flirtete?

Als sie ihm einen Becher reichte und auch ihn dazu bringen wollte, mitzusingen, sah er ihr in die Augen und schüttelte den Kopf – in der Hoffnung, sie würde seine Warnung verstehen. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und ging weiter zum Nächsten, und er nahm einen tiefen Schluck und wünschte sich, dass er sich nur dieses eine Mal selbst um den Verstand trinken könne.

Seit drei Jahren schon begleitete er den Prinzen zur Jagd, zu seinen Spielabenden und zu Empfängen, und war dafür verantwortlich, dass alles reibungslos und ohne Komplikationen verlief. Er hatte den Ruf, besonders umsichtig und loyal zu sein – genau wie seine Familie. Einer alten englischen Tradition zufolge hatte diese auf ein beachtliches Stück ihres Landes verzichtet, sodass Bertie sein privates Anwesen auf Sandringham ausbauen konnte. Der Prinz hatte die Großzügigkeit der Familie dadurch entlohnt, dass er die getreuen Söhne der St. Lawrences in seinen engsten Kreis aufgenommen hatte, und diese dadurch die Chance erhielten, es in seiner exaltierten Gesellschaft zu Wohlstand zu bringen und eine vorteilhafte Ehe einzugehen.

Jack seufzte. Nicht, dass Berties exaltierte Gesellschaft in der letzten Zeit ehefähige Erbinnen mit eingeschlossen hätte. Der zukünftige König ging mit Vorliebe an Orten „jagen“, an denen er seine bevorzugte Beute antreffen könnte: verheiratete Frauen.

Der alte Geiger – Farley hieß er wohl – ging nun übergangslos in die nächste bekannte Melodie über: „Dance for Your Daddy.“

„Dieses Lied kennen Sie sicherlich auch, meine Herren.“ Die Witwe schwenkte ihren Becher im Rhythmus der Musik. „Es wird von allen Musikern und zu allen festlichen Anlässen in England gespielt.“

Jacks Begleiter stimmten fröhlich mit ein, und schmetterten abwechselnd die einzelnen Strophen, während einer von ihnen im Takt auf die Tischplatte trommelte. Jack stöhnte, als sie sich mit einem galanten Knicks vor den Prinzen stellte und ihm die Hand entgegenstreckte. Bertie trank seinen Becher aus, stand auf und begann mit ihr zu tanzen.

Jack bemühte sich, der seltsamen Erregung, die ihn durchströmte, Herr zu werden, während sie anmutig und mit verführerischem Hüftschwung vor ihm tanzte. Sie schien Gefallen am riskanten Spiel zu finden. Welche Frau von Welt würde es nicht genießen, im Mittelpunkt des Interesses einer Gruppe reicher und mächtiger Männer zu stehen? Und sie war zweifellos eine Dame von Welt. An jedem ihrer Gesten, Äußerungen und Bewegungen war abzusehen, dass sie sich ihrer Wirkung voll und ganz bewusst war.

Wenn es noch eines weiteren Beweises dafür bedurft hätte, so lieferte sie diesen, als Berties Hände beim Tanzen langsam über ihren Körper wanderten. Obwohl sie ihn empört zurechtwies und seine Hände wegschob, tanzte sie doch weiterhin mit ihm.

Sobald ein anderes Mitglied der Jagdtruppe, ein rangniedriger Lord, aufstand, um die Hausherrin zum Tanzen aufzufordern, ergriff Jack dessen Arm und zog ihn wieder hinunter auf seinen Stuhl. Der Lord protestierte, doch als Jack unmissverständlich in Berties Richtung nickte, fiel ihm wieder ein, dass die nähere Bekanntschaft einer Frau das Vorrecht des Prinzen war. Mit einem resignierten Seufzer griff der junge Lord erneut nach seinem Becher.

Und genauso wie ein Lied zum nächsten führte, so folgte ein Kessel Punsch auf den anderen – je mehr sie sangen, desto mehr tranken sie. Es bedurfte keiner großen Intelligenz, um zu erkennen, dass genau das die Absicht der listigen Witwe war. Jack musste sich eingestehen, dass seine Bewunderung für sie wuchs, und war zugleich erleichtert, dass ihr Plan aufging. Falls ihr Vorhaben gescheitert wäre, hätten sowohl sie als auch er selbst bis zum Hals in Schwierigkeiten gesteckt.

Seine Kameraden wurden immer rührseliger, und ihre geröteten Augen leuchteten, als sie anfingen, Erinnerungen an erste Tänze und erste Lieben auszutauschen. Er stöhnte leise. Sich in nüchternem Zustand ihre sentimentalen Ergüsse anhören zu müssen, war fast nicht zu ertragen.

Und der Anblick der verführerischen Witwe, die nun auf einem Hocker neben dem Prinzen saß und ihm erlaubte, ihr Haar zu zerzausen und ihren Hals zu streicheln, ließ ihn unter einer unwillkommenen Hitzewelle erstarren. Besonders als sie mit ihren bemerkenswert blauen Augen in seine Richtung sah und ihn dabei ertappte, sie anzustarren. Sie schenkte ihm ein herausforderndes Lächeln, das ihn bis ins Mark traf.

Mariah gestattete sich endlich, etwas zu entspannen, als sie neben dem Prinzen saß. Die gute Stimmung, die durch reichlich Rum und Musik entstanden war, überraschte sie. Vermutlich hatten diese weltläufigen und überprivilegierten Männer noch nie einen solchen Abend erlebt. Sie hatte den Prinzen aus der Reserve gelockt, und er strich ihr nun durch die Haare, als sei sie sein Schoßhund. Vielleicht würde sie den Abend überstehen, ohne ihm auch im Bett Gesellschaft leisten zu müssen.

Während das Feuer im Kamin allmählich verlosch, stimmten die Männer patriotische und immer melancholischere Lieder an, die sie immer sanfter stimmten – alle außer den dunkelhaarigen, gut aussehenden „Jack“, der sich weder an der allgemeinen Heiterkeit noch am Trinkgelage beteiligte, ihr jedoch durchdringende Blicke zuwarf. Sie war erleichtert, als er in seinem Stuhl hinunterrutschte, den Kopf nach hinten legte und seine unwiderstehlichen Augen schloss.

Die Uhr schlug eins und wieder wurden die Becher gefüllt.

„Hab mich noch nie vollständig angezogen s…so amüsiert“, sagte der Prinz mit belegter Zunge, als es zwei Uhr nachts schlug. Er fuhr sich durchs vom Trinken gerötete Gesicht und bettete seinen Kopf auf die Hand. Ein krächzendes „Hört, hört“ war aus einer Ecke zu vernehmen und irgendjemand versuchte, schwerfällig zu klatschen.

Einer nach dem anderen erlag der Müdigkeit und dem Alkohol. Jack O. Lantern legte seinen Kopf auf den Tisch, Jack A. Dandy streckte sich auf dem Rücken auf einer Bank aus und schnarchte laut, und Jack Ketch zog sich einen zweiten Stuhl heran, um seine Beine hochlegen und dann die Augen schließen zu können. Jack Sprat taumelte zur Treppe und schaffte es, sich Stufe um Stufe zu seinem Zimmer hinauf zu schleppen.

Während der Prinz die Augen schloss und unwiderruflich in einen tiefen, berauschten Schlaf fiel, schien der letzte Jack, der attraktive Mann mit den bronzefarbenen Augen – logischerweise also Jack B. Nimble, der „flinke Jack“ – immer wacher zu werden. Obwohl er noch immer gekrümmt auf seinem Stuhl saß, spürte Mariah, dass er trotz seiner Haltung und der geschlossenen Augen hellwach war.

Als der Kopf des Prinzen auf die Lehne seines Stuhls rutschte, sah sie, wie der flinke Jack sich aufrichtete. Sobald der Prinz anfing zu schnarchen, öffnete Jack die Augen.

Mariah bedeutete dem alten Farley aufzuhören und warf ihm ein dankbares Lächeln zu. Der alte Geiger nickte, erhob sich und zog in Richtung seiner Kammer davon – sodass sie und der flinke Jack nun die einzig wachen Anwesenden im Schankraum waren.

Ihr Herz machte einen Satz, als er aufstand. Er war größer, als sie vermutet hätte, und seine breiten Schultern und langen, muskulösen Beine verliehen ihm einen Anschein von körperlicher Stärke, der sie beinahe dazu bewegte, beiseite zu treten. Sie blieb sitzen, aber bereute ihre Entscheidung, sobald er über ihr stand und ihr warm wurde.

Dann sprach er sie an, und seine tiefe Stimme sandte heiße Wellen durch ihren Körper. Sie musste ihre ganze Kraft aufwenden, um sich darauf konzentrieren zu können, was er sagte.

„… können ihn nicht hier sitzen lassen.“ Er nahm den besinnungslosen Prinzen bei den Armen. „Zeigen Sie mir den Weg zu seinem Zimmer und helfen Sie mir, ihn ins Bett zu verfrachten.“

Sie kämpfte gegen den Impuls an, über ihre prickelnde Haut zu reiben. Was war nur los mit ihr? Sie hatte doch gar nicht so viel von Carsons benebelndem Gebräu getrunken.

Eilig stieg sie auf einen Stuhl, um eine von der Decke baumelnde Laterne zu erreichen, während Jack erfolglos versuchte, den schlaffen Prinzen auf seine Schultern zu hieven. Keuchend bückte sie sich unter einen der Arme des Prinzen und legte ihn sich um die Schulter. Mit verärgertem Murmeln ergriff Jack den anderen Arm und half ihr, den massigen zukünftigen König auf die Füße zu bekommen.

„Los, Bertie, du musst uns schon ein bisschen helfen“, knurrte er.

Doch erst, als sie sprach und laut sagte: „Zeit fürs Bett, Euer Hoheit. Ihr wollt doch zu Bett gehen, oder etwa nicht?“, schien sich ein Funken der Erkenntnis in das alkoholvernebelte Gehirn des Prinzen zu schleichen. Er erwachte gerade so weit, dass er einen Teil seines Gewichts selbst trug und ihnen erlaubte, ihn vorwärts zu schieben.

Mit vereinten Kräften – und gegenseitigen Anweisungen und Warnungen, damit sie nicht allzu sehr gegen das Geländer und die Stufen stolperten – zogen sie den Prinz die Treppe hinauf zum besten Gästezimmer des Wirtshauses. Auf dem Weg durch die Tür gaben seine Knie nach. Mariah ließ die Laterne fallen, um mit beiden Händen helfen zu können, ihn wieder aufzurichten. Halb trugen, halb zogen sie ihn bis zum Bett und ließen ihn auf die Matratze sinken.

Seite an Seite, schwer atmend, standen sie nebeneinander und blickten auf ihren zukünftigen König.

„Sollen wir ihm die Stiefel ausziehen?“, flüsterte sie, während sie sich allzu deutlich Jack Nimbles muskulösem Oberkörper bewusst war, der sich im Rhythmus seiner Atemzüge hob und senkte. Außer dem schwachen Licht der Laterne neben der Tür war der Raum dunkel. Ihr Schein erleuchtete die hölzernen Bodenplanken und tauchte den oberen Teil der Kammer in ein weiches, schattiges Halbdunkel. Als sie aufsah, bemerkte sie, wie er sie anstarrte. Groß, dunkel, stark.

Der Himmel stehe ihr bei, doch sie erwiderte seinen Blick … zumindest so lange, bis sie sehen konnte, dass seine bronzefarbenen Augen sie mit wachsender Erregung ansahen … dass seine Lippen sich leicht geöffnet hatten … dass er mit jedem stoßweisen Atemzug beeindruckender zu werden schien. Ihr blieb die Luft weg.

Dann sah sie, dass er sich ihr näherte. Sie machte einen Schritt nach hinten. Doch er ging weiter auf sie zu, bis er sie plötzlich berührte und sie gegen die Wand neben der Tür drückte. Durch den Aufprall hörte sie Waschkrug und -schüssel auf der Kommode neben ihnen scheppern.

Sie war wie betäubt von der plötzlichen Berührung – und davon, wie gut sie ihr gefiel. Langsam, so langsam, dass sie sich ihm leicht hätte entziehen können, hob er seine Hände und legte sie zu ihren beiden Seiten gegen die Wand. So blieb er abwartend stehen und sah sie an.

Gerade so weit hob sie ihr Gesicht, dass sie seine bemerkenswerten Gesichtszüge ansehen konnte. Diese Augen – wie Seen geschmolzenen Golds. Diese Haut – geschmeidig und fest über den markanten Wangenknochen. Diese Lippen – voll und geschwungen, und nur wenige Zoll von den ihren entfernt. Er erweckte etwas in ihr, etwas verloren Geglaubtes und nicht unbedingt Willkommenes.

Ohne nachzudenken, rückte sie näher an ihn heran, sie war sich dessen kaum bewusst. Der Impuls, sich zu bewegen und ihm entgegen zu kommen, hatte seine Herkunft wohl in Erinnerungen, die in ihrem tiefsten Inneren schlummerten.

Halb stöhnend, halb knurrend beugte er sich zu ihr und drückte sie gegen die Wand. Sein Körper war heiß und hart, doch seltsamerweise empfand sie seine Berührung nicht als schockierend: die Nähe erschien ihr fast natürlich. Sie erinnerte sich. Mit jedem Atemzug näherte er sich ihr wie eine sanfte Welle, die das Ufer streichelt und liebkost. Die Haut unter ihren Kleidern stand in Flammen. Sie wollte, sie brauchte mehr. Sie wollte ihn spüren.

Ihr Verlangen, zu berühren und berührt zu werden, erschütterte sie bis ins Mark. Zitternd legte auch sie ihre Hände zu beiden Seiten gegen die Wand … mit den Handflächen nach unten … eine Handbreit unter seinen. Und plötzlich verstand sie, warum er sich dort mit den Händen abstützte.

Sie öffnete die Augen und sah ihn an, sah auf seine leicht geöffneten Lippen. Oh ja, sie erinnerte sich nun auch an Küsse … die Berührung zweier Münder … das Gefühl seidener, feuchter Hitze. Ihre Lippen fühlten sich heiß, empfindlich und erwartungsvoll an. Sie befeuchtete sie und seufzte leise, als sie den süßen Rumgeschmack in seinem Atem schmeckte. Nun fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen und lockte ihn noch näher an sich heran – so nahe, dass die Wärme seines Körpers auch sie noch mehr erhitzte und sie seinen Atem auf ihrer Wange spürte. Doch er legte den Kopf schief, und sein Mund hauchte über ihre Schläfe, ihr Ohr und ihren Hals. Seine Berührung war so behutsam, dass sie sich nicht sicher war, ob er sie küsste oder ob sie nur seinen Atem gegen ihre Haut verspürte.

Eine Welle der Leidenschaft überkam sie, die ihr Blut in Wallung versetzte und sie erschauern ließ. Ihre Brustknospen wurden so hart und prickelnd, wie sie es schon seit Langem nicht mehr erlebt hatte. Sie hielt die Luft an, presste ihre Brüste gegen seinen Oberkörper und bewegte sich leicht. Er erwiderte den sanften Druck und antwortete mit einem Rhythmus, der ihr verriet, welche Wirkung sie auf ihn hatte.

Hitze strömte in ihre Brüste und ihren Unterleib, sodass sie alles noch intensiver empfand. Als er sein Knie ein wenig hob, ließ sie es instinktiv zu, dass es zwischen ihre Beine glitt, und öffnete langsam, mit genüsslicher Hingabe, ihre Schenkel. Jeder einzelne ihrer Sinne war in Aufruhr, als er sich ihr noch weiter näherte und sich mit seinem ganzen Körper gegen sie lehnte. Sie bekam fast keine Luft mehr, und doch wuchs ihr Verlangen weiterhin.

Mehr, sie wollte mehr.

Sie löste ihre Hände von der Wand, legte sie um sein Gesicht und küsste ihn. Er erstarrte, und mit einem Schlag kehrte ihre Vernunft zurück. Sie hielt inne, und als ihr vollends klar wurde, was sie da gerade tat, kühlte ihre Leidenschaft langsam ab.

Abrupt löste er sich von ihr, und sie taumelte zurück gegen die Wand. Die kühle Luft, die nun zwischen sie strömte, weckte sie endgültig aus der traumähnlichen Begegnung mit diesem Fremden. Sie zitterte, und ihre Knie schienen sie kaum noch tragen zu können.

Gütiger Gott. Wie hatte sie das nur zulassen können?

Sie nahm alles nur noch bruchstückhaft wahr: sah seinen glühenden Blick und seine zusammengeballten Hände; spürte das sehnsüchtige Verlangen ihres Körpers; hörte das laute Schnarchen des Prinzen … und sah die offene Tür gleich neben ihr.

Hastig flüchtete sie in den Korridor und rannte die Treppe hinunter, wobei sie sich am Geländer festhalten musste, um nicht hinzufallen. So schnell sie konnte, durchquerte sie die dunkle Küche und riss ihren Umhang vom Haken neben der Tür, als sie plötzlich Carson sah, der sich von einem Hocker neben der Feuerstelle erhob. Sein Sohn, der auf seinem Schoß eingeschlafen war, protestierte im Halbschlaf und klammerte sich an sein Bein.

„Alles in Ordnung, Mrs. Eller?“ Der Wirt rieb sich die Augen und sah hinüber zu dem schwachen Lichtschein aus dem Schankraum.

„Die ganze Bande schnarcht friedlich.“

„Sieht so aus, als sei Ihr Plan aufgegangen“, meinte der Wirt müde.

„Ja, alles lief nach Plan.“ Ihre Stimme überschlug sich.

„Soll ich Sie hinüber zu Ihrem Haus begleiten?“

„Nein, danke, das ist nicht nötig“, erwiderte sie und war dankbar, dass die Dunkelheit ihre Schamesröte verbarg. „Die Nacht ist sowieso schon kurz genug für Sie.“ Sie zog den Umhang über und setzte die Kapuze auf. „Und schließlich habe ich heute Nacht kein Fass Rum geleert.“

„Stimmt.“ Carson lachte in sich hinein. „Sie haben wirklich eine gute Vorstellung abgeliefert.“

„Danke. Ich habe mein Bestes getan.“ Sie hatte die Hand schon am Türriegel und war drauf und dran, hinaus in die kühle Herbstnacht zu treten. „Am besten vergessen wir einfach, was heute Nacht hier vorgefallen ist.“

2. KAPITEL

Mariah verbrachte den nächsten Tag in angstvollem Unbehagen, selbst nachdem sie Anweisungen gegeben hatte, jeglichen Besuch abzuweisen. Und als Carsons Sohn ihr nachmittags mitteilte, dass der Prinz eine Nachricht erhalten habe, die ihn in schlechte Stimmung versetzt habe, und er daraufhin auf sein Pferd gestiegen und in Richtung Schottland geritten sei, war ihre Erleichterung so groß, dass sie sich hinlegen musste.

Ihr schamloses Benehmen würde wundersamerweise kein Nachspiel haben.

Sie sollte dem Himmel danken, doch stattdessen wurde sie von einer unerklärlichen Rastlosigkeit gepackt. Missmutig ging sie hinüber zum Wirtshaus, wo sie alle Zimmer inspizierte, aufräumte, umräumte, und Möbel heraus- und dann wieder hineinstellen ließ. Nichts war ihr recht. Wenn sie nicht eine Revolte der Dienstboten befürchtet hätte, hätte sie in einem Anfall von verfrühtem Frühjahrsputz angefangen, Wände abzuschrubben und Teppiche zu klopfen.

Schließlich schickte sie nach dem alten Farley, um den beruhigenden Klängen seiner Geige zuzuhören, doch unterbrach ihn schon nach kurzer Zeit. Jede seiner Noten weckte die verwirrende Erinnerung an den Fremden mit den goldbraunen Augen.

Selbst eine Woche später hatte ihre Rastlosigkeit noch nicht nachgelassen. So zog sie eines Morgens mit der Absicht, die schmerzhafte Erinnerung durch harte körperliche Arbeit zu betäuben, ihre ältesten Kleider an und ging hinüber in den Garten. Die Eichen waren völlig kahl, die Blumen verblüht, und auch die Sträucher hatten vor der herbstlichen Kühle kapituliert. Doch selbst als sie hier in ihrem geliebten Garten auf Knien die Erde bearbeitete, fiel es ihr schwer, die Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht zu vertreiben.

„Was bist du doch für ein dummes Weib“, schalt sie verärgert und trieb den Spaten fester in die kalte, dunkle Erde. Die Herbstsonne war zu schwach, um das Stück Erde neben dem Weg zu erwärmen, in das sie Blumenzwiebeln setzen wollte. Ihre Handschuhe starrten vor feuchter Erde, ihre Finger waren halb erfroren und sie spürte kaum noch ihren Rücken. Doch sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, ihre geliebten Osterglocken zu pflanzen.

„Hast dich benommen wie ein Flittchen.“ Sie richtete sich auf und stützte sich auf ihre schmerzenden Knie. „Nein, hab ich nicht.“

Die Schamesröte war ihr ins Gesicht gestiegen und sie setzte eine weitere Reihe Blumenzwiebeln in die umgegrabene Erde.

„Ich muss mir nichts vorwerfen. Er hat mich behelligt.“

Der Gerechtigkeit halber war es jedoch nicht ganz korrekt, von behelligen zu sprechen. Er hatte sie nicht geküsst. Seine Hände hatten sie nicht berührt. Genau genommen gab es noch nicht einmal einen Namen für das, was er getan hatte. Sie wusste nur, dass es eine intime, höchst angenehme und verstohlene Begegnung gewesen war, die nach jedem Maßstab unsittlich und unmoralisch war.

Und wieder brach die Erinnerung, die sie hatte verbannen wollen, über sie herein, und sie durchlebte erneut das lustvolle Aufeinandertreffen in der dunklen Kammer des Prinzen. Glühende Körper, die sich aneinander rieben und nach mehr verlangten … Bei dem Gedanken daran verengte sich ihre Kehle und ihr Atem ging schneller. Doch sie sagte sich, dass sie sich die Erinnerung an die Begegnung nur deshalb nicht aus dem Kopf schlagen könne, da sie so absonderlich und ungewöhnlich war.

Und wünschte „Jack B. Nimble“ dafür zum Teufel, verloren geglaubte Begierden in ihr erweckt zu haben.

Nach dem Tode Masons hatte sie jegliche sinnliche Lust aus ihrem Leben verbannt. Es war ihr nicht leichtgefallen, denn ihr weltgewandter älterer Mann war ein bemerkenswerter Liebhaber gewesen, der ihr alles, was es auf diesem Gebiet zu erleben gab, beigebracht und ihre eigenen Leidenschaften begrüßt hatte. Als er dann völlig unerwartet starb, stand sie in der Blüte ihrer weiblichen Begierden und kämpfte Nacht um Nacht darum, die Lust zu dämmen, die er so geschickt in ihr erweckt hatte. Doch schließlich musste sie erfahren, dass der Landbesitz ihres Mannes – und damit sein Vermögen – von Gesetzes wegen auf entfernte Blutsverwandte übergehen werde. Ohne Einkommen, doch im Besitz eines alten Hauses und einer Kutschenstation in schlechtem Zustand, schuftete sie hart, um zu überleben. In den folgenden Monaten verwandte sie all ihre Energie darauf, das Wirtshaus so herzurichten und zu führen, dass sie und ihre Leute davon leben konnten.

Infolgedessen war das Eller-Stapleton Inn heute ein florierendes Wirtshaus mit mehr Kundschaft als je zuvor. Nach zwei Jahren harter Arbeit schien es, als stünde sie kurz davor, ihr Leben und ihr Einkommen – trotz der Schulden, die sie aufgenommen hatte – wieder in den Griff zu bekommen, und das reichte ihr als Befriedigung.

Bis vor einer Woche.

Zwiebel um Zwiebel steckte sie in die feuchte, würzige Erde, vergrub sie und warnte sie, sich bloß nicht vor dem Frühling herauszuwagen.

Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie Carsons Sohn erst bemerkte, als er hinter ihr stand.

„Mrs. Eller?“ Sie drehte sich so plötzlich um, dass sie auf ihr Hinterteil fiel und die Zwiebeln, die sie noch in der Hand hatte, über den Boden kullerten. Jamie grinste über das ganze, runde, vor Kälte rot angelaufene Gesicht. „Sie haben Besucher.“

Sie drückte eine Hand auf ihre Brust, um ihr galoppierendes Herz zu beruhigen.

„Ach ja? Wer ist es denn?“ Aufgrund der Kälte fing nun ihre Nase an zu laufen. Sie zog sie unüberhörbar hoch.

„Irgendwelche Herren. Vater sagte, ich solle sie herüber bringen.“ Er trat zur Seite und gab den Blick auf zwei Männer frei, die in einiger Entfernung auf dem Weg standen.

Mariah sah finster zu den Besuchern in ihren langen Reitmäntel und schwarzen Zylindern hinüber. Wer auch immer sie sein mochten, sie sahen aus wie Bankiers. Der Gedanke ließ sie vor Angst erstarren.

Autor

Betina Krahn
<p>Betina Krahn wurde in Huntington, West Virginia geboren. Bücher und Kunst waren von Beginn an wichtige Bestandteil e ihres Lebens. Mit vier lernte sie lesen, mit fünf nahm sie an ihrem ersten Kunstwettbewerb teil, mit sechs entwickelte sie die ersten Geschichten und schon bald verfasste sie Drehbücher für populäre TV-Shows....
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