Die richtige Braut für den Millionär

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Skandal auf der Society-Hochzeit: Teresa beste Freundin Lucie lässt den steinreichen Rhys Paxton vorm Altar stehen und läuft davon. Teresa ist zwar erleichtert, dass die Vernunft-Heirat geplatzt ist, tut sich aber doch mit Rhys zusammen, um die Braut zu finden - und um zu verhindern, dass er sie umstimmt. Doch auf ihrer Verfolgungsjagd quer durch Amerika erkennt Teresa, dass hinter Rhys’ nüchterner Fassade ein ausgesprochen anziehender Mann steckt. Und auch Rhys offenbaren die Tage mit ihr ein neues, bunteres Leben. Hat in seinem Herzen etwa mehr Platz als Vernunft?


  • Erscheinungstag 16.09.2012
  • Bandnummer 1855
  • ISBN / Artikelnummer 9783954461523
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Es war eine dunkle und stürmische Nacht …

Die Nacht war wirklich dunkel und stürmisch. Wenn Teresa Andrelini jemals als Schriftstellerin publiziert werden wollte, durfte sie sich solcher Klischees allerdings nicht bedienen. Nicht nur ihre Professoren, auch ihre Kommilitonen erwarteten von ihr einen weniger kitschigen Stil.

Die Eideszeremonie war Quinns Idee gewesen. Und bei ihrem Sinn für Melodramatik hatte ihre Freundin womöglich sogar einen Deal mit den Himmelsmächten geschlossen und den Gewittersturm angefordert, der gerade ums Haus heulte.

Da standen sie nun also in einem Kreis, Teresa und ihre drei Mitbewohnerinnen, mit gespenstischen Mienen hinter flackernden Kerzen, und versuchten, nicht bei jedem Donnerschlag zusammenzuzucken.

Eine beeindruckende, beinahe grimmige Entschlossenheit herrschte. Zumindest bei Quinn und Alana. Lucie hielt den Kopf gesenkt, als ob es ihr widerstrebte, den Schwur zu leisten.

Die Millionenerbin Lucinda Beckwith glaubte an Happy Ends. Wäre sie die aufstrebende Schriftstellerin gewesen, hätte sie eine anrührende Lovestory zu Papier gebracht und Unmengen damit verdient.

Dagegen wusste Teresa, dass sich im wahren Leben gerade die Männer, die besonders märchenhaft wirkten, oft als die größten Schufte herausstellten. Joannas Ehemann war der beste Beweis dafür.

Der Gedanke an ihre abwesende Freundin versetzte Teresa einen Stich. Joanna hätte den melodramatischen Kitsch dieser Zeremonie geliebt. Aber sie war auf dem Weg nach St. Louis – in ein Frauenhaus, um ihrem vermeintlichen Märchenprinzen zu entkommen. Auch sie hatte an ein Happy End geglaubt. Und was hatte es ihr eingebracht? Nichts als Prügel von ihrem heiß geliebten Jimmy.

„Erde an Teresa!“

Quinns Tonfall verriet Ungeduld. Alle waren angespannt, seit sie Joanna an diesem Morgen in den Bus nach St. Louis gesetzt hatten.

Teresa merkte, dass sie sich wieder einmal in Gedanken verloren hatte – eine Angewohnheit, die ihre Mitbewohnerinnen nervte.

„Ich habe dich gefragt, ob du schwörst“, wiederholte Quinn.

„Ja. Ich werde nicht heiraten, bevor ich mein Ziel erreicht habe und eine erfolgreiche Schriftstellerin geworden bin“, erklärte Teresa laut und deutlich.

Insgeheim hatte sie es sich schon vor Jahren geschworen. Da sie aus einem Haushalt mit einem italienischen Vater und fünf älteren Brüdern stammte, war es ihr schon von Kindesbeinen an ein Bedürfnis gewesen, Unabhängigkeit zu beweisen. Sie war nicht bereit, wie ihre kubanische Mama als unbezahlte Dienerin der Männer in ihrem Leben zu enden. Wenn und falls sie sich auf einen Mann einließ, wollte sie selbst über ihre Zukunft bestimmen.

Zufrieden mit der Antwort, wandte Quinn sich an Alana. „Schwörst du, Alana Simms, dass du nicht heiratest, bevor du dein Ziel erreicht und Karriere gemacht hast?“

Alana richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. „Ich schwöre“, verkündete sie entschieden. „Kein Mann wird mich davon abhalten, meine eigene Modelagentur zu eröffnen.“

Alana mit ihrem glänzenden schwarzen Haar, den schönen klassischen Gesichtszügen und dem betörenden graziösen Körper brauchte nur einen Raum zu betreten, um die Aufmerksamkeit jedes anwesenden Mannes zu fesseln. Doch keiner würde sie davon abbringen, das Modelgeschäft von der Pike auf zu erlernen und ihre Ausbildung zu vollenden. Ihre Züge mochten zart wirken wie die einer Dresdner Puppe, aber unter der schönen Schale steckte ein stählerner Kern.

„Okay. Jetzt zu dir, Lucie“, entschied Quinn.

Lucie war blond und zierlich. Sie wirkte weit jünger als ihre zweiundzwanzig Jahre und ließ sich gern von anderen die Entscheidungen abnehmen.

Teresa sah in ihr die kleine Schwester, die sie sich immer gewünscht hatte und die es zu beschützen galt. Deshalb saß sie nun in einer Zwickmühle. Sie hatte nämlich geschworen, niemandem zu verraten, dass Lucie dem reichen Nachbarn ihrer Eltern Rhys Allen Paxton III so gut wie versprochen war.

Einerseits galt es zu verhindern, dass Lucie unter Druck gesetzt wurde; andererseits sollte gerade sie an den Schwur gebunden werden, weil die geplante Heirat einen katastrophalen Fehler bedeutete.

Mit gesenktem Kopf murmelte sie: „Ich schwöre.“

„Was schwörst du?“, bohrte Quinn in strengem Ton nach. Getrieben von ausgeprägtem Ehrgeiz, brachte sie wenig Geduld oder Verständnis für die Zögerlichkeit anderer auf.

„Ich … äh … werde nicht heiraten.“

„Bis?“ Quinn tippte mit dem Fuß auf den Boden. „Was willst du erreichen?“

Eine gute Frage. Lucie verfügte über die Mittel und Beziehungen, um sich jeden Beruf aussuchen zu können, doch obwohl sie kurz vor dem Examen stand, hatte sie immer noch keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte.

„Na ja, ich wollte eigentlich immer Schauspielerin werden“, verkündete sie stockend. „In der Theatergruppe war ich die Beste. Wie wäre es, wenn ich nicht heirate, bevor ich meine erste Filmrolle kriege?“

Teresa unterdrückte ein Stöhnen. Stichwort: Griff nach den Sternen. Als ob Mitsy Beckwith ihr einziges Kind jemals nach Hollywood lassen würde! Es war schon ein Wunder, dass Lucie überhaupt das College in Tulane besuchen durfte, das weit entfernt von ihrem Zuhause in Connecticut lag.

Quinn zuckte mit keiner Wimper. Entweder akzeptierte sie die Antwort, oder aber sie war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um richtig zuzuhören. Schnell sagte sie: „Damit bin ich dran. Ich werde nicht heiraten, ehe ich zum Kompagnon einer Anwaltskanzlei gemacht werde.“

Ein lauter Donnerschlag hallte durch den Raum – wie eine Antwort auf die Ankündigung. Teresa, Lucie und Alana erschauderten.

Quinn blieb ungerührt und verkündete mit der dröhnenden Stimme einer Hohepriesterin bei einer Opferzeremonie: „Als Zeichen der Zustimmung möge jede die rechte Hand in die Kreismitte strecken, so wie ich.“

Alana gehorchte mit feierlicher Miene. Lucie schluckte schwer und tat es ihr gleich.

Teresa hielt das alles für einen lächerlichen Hokuspokus und kam der Aufforderung nur zögerlich nach.

Als habe der Blitz, dessen greller Schein gespenstisch durch den Raum zuckte, ihre vereinigten Hände getroffen, spürte Teresa plötzlich so etwas wie Strom zwischen ihnen fließen. Etwas, das ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit hervorrief und die Verbindlichkeit ihres Versprechens untermauerte.

Auch wenn die Zeremonie nur melodramatischer Kitsch sein mochte, war es ein bedeutender Augenblick. Was zählte, war die Entschlossenheit der Gruppe, die Verbundenheit, die ungebrochene Einigkeit. Selbst mit allem Geld der Familie Beckwith kann man solche Momente nicht kaufen.

1. KAPITEL

Sechs Jahre später

Hoffentlich denkt niemand, dass ich den Brautstrauß fangen wollte! Nervös blickte Teresa um sich. Das dumme Ding war einfach in ihrem Schoß gelandet. Am liebsten hätte sie das Bouquet aus weißen und pfirsichfarbenen Blüten auf den Boden geworfen, doch ihre gute Kinderstube verbot ihr, eine Kirche zu verunreinigen.

Nicht, dass irgendjemand auf sie achtete. Alle Gesichter waren verblüfft der Tür zugewandt, die Lucie gerade hinter sich zugeschlagen hatte. Der Knall hallte immer noch in der sonst totenstillen Kirche nach.

Sie hat es geschafft, dachte Teresa verwundert, die kleine Lucie hat endlich Nein gesagt. Eine starke Nummer, bei dem Affenzirkus, den ihre Mutter veranstaltet hat.

Die hübsche Kapelle, die einem Bilderbuch entsprungen schien, platzte aus allen Nähten. Wohlhabende Verwandte, einflussreiche Gäste und eine ganze Horde Medienvertreter waren gekommen. Mitsy Beckwith hatte es unverkennbar darauf angelegt, die Hochzeit ihres einzigen Kindes zu einer denkwürdigen Begebenheit zu machen. Das Ereignis, über das jeder von Rang und Namen noch jahrelang reden sollte.

Nun, ihr Wunsch schien in Erfüllung zu gehen. Über diesen Eklat wird bestimmt bis in alle Ewigkeit getratscht werden.

Unwillkürlich sah Teresa zum Altar hinüber, wo der Bräutigam noch immer in strammer Haltung stand. Rhys Allen Paxton III, Inhaber der Paxton Corporation, war es gewohnt, dass alles nach Plan lief. Er war groß, dunkelhaarig, ausgesprochen attraktiv und makellos gepflegt. Sein Erscheinungsbild war ebenso penibel ordentlich wie jeder andere Aspekt seines Lebens.

Obwohl er in diesem Moment längst nicht so selbstbeherrscht wirkte wie gewöhnlich. Vielleicht lag es an all dem Schwarz – Haar, Smoking, italienisches Schuhwerk –, dass er so blass um die Nase aussah.

Als habe er ihre Aufmerksamkeit gespürt, richtete er die leuchtend blauen Augen auf Teresa.

Innerlich wand sie sich unter seinem eindringlich musternden Blick. „Was ist?“, formte sie mit den Lippen und fragte sich, ob er Hilfe bei ihr suchte.

Abrupt wandte er sich ab und stürmte zum Ausgang.

Hastig lief sie ihm nach, denn sie wollte ihm auf gar keinen Fall Gelegenheit geben, Lucie in eine ungewollte Heirat zu drängen.

Draußen vor der Kirche blinzelte Teresa im gleißenden Sonnenlicht und sah sich suchend um. Von Lucies Flucht kündeten nur noch die Rücklichter einer schnittigen schwarzen Limousine, die an der nächsten Straßenecke nach links abbog.

„Sie ist weg!“, lamentierte Mitsy Beckwith, die zusammen mit ihrem Mann Hal aus der Kirche geeilt kam. „Sie fährt bestimmt nach Hause.“

Nein! Bitte nicht, betete Teresa inständig. Wenn Lucie sich in den Hoheitsbereich ihrer Mutter begab, kam sie gewiss nicht ungeschoren davon.

Offensichtlich war ihr das vehemente Nein laut herausgerutscht, denn Mitsy erklärte: „All ihre Sachen sind dort. Sie würde niemals ohne ihre Kreditkarten irgendwohin gehen.“

Das stimmte allerdings. Lucie war zu sehr an den Reichtum der Beckwiths gewöhnt, um ohne ihr Geld überleben zu können. Auch Hal und Rhys wurden sich offenbar dieser Tatsache bewusst und holten zeitgleich ihre Autoschlüssel hervor.

Teresa beobachtete, wie die Beckwiths in ihren Lincoln stiegen und davonbrausten. Ein Anflug von Panik stieg in ihr auf. Sie war mit dem Taxi vom Hotel gekommen und konnte deshalb auf keinen Wagen zurückgreifen. „Ich komme mit dir, Rhys“, verkündete sie und lief ihm zu seinem schwarzen Mercedes nach. „Lucie braucht jemanden, dem sie sich anvertrauen kann.“

„Dieser Jemand sollte ich sein.“ Er stieg ein und startete den Motor.

Sie zerrte am Griff der Beifahrertür, die leider verriegelt war. „Lass mich rein!“ Sie fixierte ihn mit ihrem „bösen Blick“. Wenn man als Mädchen im Andrelini-Haushalt aufwuchs, musste man sich gewisse Methoden aneignen, um Männer wissen zu lassen, wann man es ernst meinte.

Wortlos legte er den Rückwärtsgang ein.

„Sie ruft mich garantiert an“, argumentierte sie eindringlich. „Wenn du mich hier stehen lässt, wirst du nie erfahren, was sie zu sagen hat.“

Er äußerte sich nicht dazu, aber ein Klicken verriet, dass er das Schloss entriegelte. Sie stieg hastig ein. Er fuhr an, noch bevor sie die Tür schließen konnte.

Es war klug, sich zu beeilen. Denn schon strömten Hochzeitsgäste und Medienleute aus der Kirche.

Rhys ignorierte Teresa total, während er wie ein Rennfahrer zum Beckwith-Anwesen raste.

So ruppig, wie er mit Kupplung und Gangschaltung umging, blieb sie lieber unbeachtet. Ein einziges Mal wandte er den Kopf in ihre Richtung – um finster auf die pfirsichfarbenen Rosen in ihren Händen zu starren. Sie wusste, dass eigentlich sie selbst, nicht der Brautstrauß, der Grund für seine Irritation war. Er hatte seine Abneigung gegen sie noch nie verbergen können.

„Was hast du zu Lucie gesagt?“, wollte er unvermittelt wissen.

„Ich?“

„Du musst ihr irgendwas eingeredet haben. Es sieht ihr nicht ähnlich, so impulsiv zu handeln.“

„Ach, wirklich? Hast du Cancún vergessen?“

Anscheinend nicht, seiner finsteren Miene nach zu urteilen.

Der Trip nach Cancún war einer verrückten Laune entsprungen. In dem Bedürfnis, dem Alltagstrott in Tulane zu entfliehen, waren sie in das sonnendurchflutete Mexiko aufgebrochen. Dass Lucie in einem Moment still an ihrer Margarita genippt und im nächsten auf dem Tisch getanzt hatte, dafür war vielleicht die Urlaubsstimmung oder der Einfluss ihres damaligen Freundes Bobby verantwortlich gewesen. Jedenfalls waren sie unverhofft in einem mexikanischen Gefängnis gelandet und hatten darauf gewartet, dass Rhys sie herausholte.

„Das war nicht meine Schuld“, teilte Teresa ihm nun trotzig mit. „Ich habe uns nicht in den Knast gebracht.“

„Und wessen Idee war es, überhaupt dorthin zu fahren?“

„Warum musst du immer …“

„Bei dem exzessiven Gesaufe und Gefeiere“, unterbrach er, „hast du keinen Ärger vorausgesehen?“ Er schüttelte indigniert den Kopf und raste mit quietschenden Reifen in eine enge Kurve.

„Lucie ist auch nicht gerade ein Unschuldslamm. Sie ist durchaus in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Sofern man es ihr gestattet.“

„Was soll das denn heißen?“

„Du erwartest wohl nicht, dass ich glaube, dass diese Hochzeit ihre Idee war?“

„Alles, was ich von dir erwarte, ist etwas mehr Höflichkeit. Eine wahre Freundin würde sich zurückhalten und uns in Ruhe diese offensichtlich private Angelegenheit klären lassen.“

„Ganz im Gegenteil. Eine wahre Freundin setzt sich für Lucies Interessen ein. Ich habe nicht die Absicht, mich rauszuhalten, solange ich nicht mit Sicherheit weiß, dass sie diese Hochzeit will.“

„Ich gebe dir Brief und Siegel darauf, dass wir heiraten werden. Du kannst nichts dagegen tun.“

„Offensichtlich hat Lucie selbst etwas dagegen getan“, konterte Teresa.

Kurz darauf erreichten sie die Villa Beckwith. Mitsy kam ihnen schon entgegengelaufen und rief: „Sie ist nicht hier! Was sollen wir jetzt bloß tun?“

Rhys schwieg. Offensichtlich wusste er keine Antwort. Er ließ sich Zeit damit, den Motor auszuschalten und die Fahrertür zu öffnen.

Als er ausstieg, sah Teresa einen Muskel über seiner rechten Augenbraue zucken. Er könnte mir fast leidtun …

Die Anwandlung verflog rasch, sobald sie ihm folgte und feststellte, dass er sich wieder so reizbar und arrogant benahm wie gewöhnlich.

„Wir werden warten“, entschied er. „Vermutlich fährt Lucie nur durch die Gegend und denkt nach. Sobald sie zur Vernunft kommt, liefert sie uns sicherlich eine Erklärung. Lasst uns dann bitte ganz sachlich bleiben, okay?“ Er blickte von Hal zu Mitsy und übersah Teresa geflissentlich. „Wir wollen sie nicht noch mehr aufregen.“

„Sie?“, rief Mitsy aufgebracht. „Was ist denn mit mir? Was soll ich tun? Das Orchester, die Speisen, die schmelzenden Eisskulpturen …“ Gehetzt blickte sie die Straße hinunter. „Die Gäste …! Was ist, wenn sie herkommen? Mein Gott, die Medien!“

„Immer mit der Ruhe“, beschwichtigte Rhys. „Es nützt nichts, in Panik zu geraten. Außerdem bezweifle ich, dass die Gäste zu einem Hochzeitsempfang kommen, nachdem gar keine Hochzeit stattgefunden hat.“

Mitsy schien ihn gar nicht zu hören. „Es ist ein Albtraum!“, fuhr sie in hysterisch-schrillem Ton fort. „Die Leute werden sich hinter meinem Rücken lustig machen. Das lasse ich nicht zu.“ Mit einem wilden Ausdruck in den Augen klammerte sie sich an seinen Arm. „Du musst etwas dagegen tun.“

„Was denn? Deine Tochter hat mich gerade am Altar stehen lassen. Was zum Teufel glaubst du, was ich dagegen tun kann?“

Das machte Mitsy für einen Augenblick sprachlos.

Er presste die Lippen zusammen und schwieg. Damit gestand er praktisch ein, nicht alles unter Kontrolle zu haben – ein Novum, soweit Teresa wusste.

„Ich könnte die Polizei rufen“, bot Hal an.

Rhys schüttelte den Kopf. „Vorläufig wollen wir weder die Behörden noch die Presse einschalten.“

Typisch! Die arme Lucie irrt hilflos irgendwo herum, und er sorgt sich nur um negative Publicity. Entrüstet drückte Teresa ihm den Brautstrauß in die Hand und kramte ihr Handy aus der Handtasche. „In der Limousine gibt es bestimmt ein Telefon. Hat jemand die Nummer?“

Hal nickte und holte eine Visitenkarte aus der Jackentasche.

Teresa rief den Chauffeurservice an. Niemand meldete sich.

Ungehalten drückte Rhys ihr den Brautstrauß wieder in die Hand und schnappte sich das Handy.

„He, gib das wieder her!“

Er hielt es sich mit ausgestrecktem Arm über den Kopf.

Um es zu erreichen, musste sie wie ein übereifriges Hündchen hochspringen. Unvermittelt wurde ihr bewusst, wie groß er war, wie körperlich überwältigend. Sie gab es auf und höhnte: „Glaubst du, du kannst es besser? Dass Lucie abnimmt, weil sie spürt, dass du dran bist?“

Er blickte sie an, als wäre sie eine Mücke, die ihn umsirrte – nicht wirklich ernst zu nehmen, aber unglaublich lästig. „Ich rufe nicht die Limousine an“, erklärte er schroff, „sondern die Zentrale. Ich brauche nur den Standort.“

Sie unterdrückte ein Seufzen, wandte sich ab und sah ein Auto um die Ecke biegen. Hoffnung stieg in ihr auf, denn es war der Leihwagen, den Quinn und Alana gemietet hatten. Mit ihrer Hilfe war es vielleicht noch zu schaffen, Lucie zu erreichen, bevor es jemand anders tat.

Halt durch, Lucie! betete Teresa inständig. Ich bin schon unterwegs zu dir.

Bleib cool, ermahnte Rhys sich auf dem Weg ins Haus. Denk einfach nicht daran, dass die halbe Welt gerade zugesehen hat, wie du sitzen gelassen wurdest.

Er hätte sich gegenüber Mitsy durchsetzen und auf einer begrenzten Personenzahl beharren sollen. Er wünschte sich eine beschauliche Hochzeit, kein Spektakel mit über fünfhundert geladenen Gästen. Schlimmer noch war, dass ihr Bestreben, es auf die Titelblätter der Regenbogenpresse zu schaffen, unzählige Paparazzi angelockt hatte. Dass ihm einige Zeitschriften gehörten, garantierte ihm leider nicht, dass er ungeschoren davonkommen würde. Diese Story musste einfach für Schlagzeilen in allen Morgenausgaben sorgen.

„Sagen Sie doch was“, knurrte er ins Handy, erhielt aber keine Antwort. Frustriert starrte er es an und stellte fest, dass der Akku leer war. Typisch Teresa!

Natürlich war es sinnlos, sich aufzuregen, aber er hasste es, untätig zu sein und nicht Bescheid zu wissen. Er musste Lucie erreichen und zur Vernunft bringen. Schließlich waren sie übereingekommen, dass eine Heirat unvermeidbar war. Ihre Eltern erwarteten es; alle sahen es als vollendete Tatsache an. Die Zeremonie hätte lediglich eine Formalität sein sollen, der Schlusspunkt eines sorgfältig erwogenen Arrangements. Nur hatte Lucie plötzlich alles über den Haufen geworfen. Was konnte ihren Gesinnungswandel ausgelöst haben?

Dumme Frage. Er wusste, was passiert war. Ihre Freunde hatten sie umgestimmt. Genauer gesagt: Teresa Andrelini.

Ihm war nicht entgangen, wie sie im hintersten Winkel der Kirche mit Lucie getuschelt hatte. Wie hätte er sie in ihrem Outfit auch übersehen können? Das sexy lindgrüne Kostüm, die Stilettos aus Lackleder, das üppige rote Haar …

Seit sich die beiden auf dem College kennengelernt hatten, verleitete sie Lucie zu Schandtaten, war aber nie zur Stelle, wenn es um Schadensbegrenzung ging. Das war stets seine Aufgabe.

Betroffen stellte er sich seine Verlobte vor, wie sie ganz allein und verängstigt in einem schmuddeligen Bahnhof hockte und allmählich ihren Widerspruchsgeist ablegte. Er musste zu ihr. Sie rechnete mit ihm. Ihre Familie erwartete es. Schließlich hatte er sie noch nie im Stich gelassen. Ach, Lucie, dachte er verzweifelt, wo zum Teufel steckst du?

„Rhys? Bist du okay? Ich bin gekommen, so schnell ich konnte.“

Er drehte sich zu seinem jüngeren Bruder Jack um, der ihm mit seinen blonden Haaren und den heiteren Zügen so gar nicht ähnelte. „Es geht mir gut“, knurrte er und lächelte dann, um den schroffen Tonfall etwas zu entschärfen.

Jack, eigentlich eine wahre Frohnatur, blieb ausnahmsweise ernst.

„Ich nehme an, Lucie hat dir nicht zufällig gesagt, wohin sie will?“

Mir? Nein, ich habe keine Ahnung. Aber falls du dich erinnerst, ich habe dich gewarnt, dass es ein Fehler ist, sie zur Hochzeit zu drängen.“

„Ich habe sie nicht gedrängt. Und ich mache keine Fehler. Das kann ich mir nicht leisten.“

„He, komm mal wieder runter.“ Beschwichtigend hob Jack die Hände und grinste. „Merkst du gar nicht, dass du genauso klingst wie unser alter Herr?“

Ein unfairer Vergleich, dachte Rhys gereizt. Zumal er immer den Vermittler gespielt hatte, wenn sein Bruder und ihr inzwischen verstorbener Vater wegen ihrer inkompatiblen Lebenseinstellungen aneinandergeraten waren.

„Und wie willst du sie zurückholen?“, wollte Jack wissen. „Hoffentlich nicht mit der Polizei.“

„Nein. Diese Sache muss ich allein klären.“

„Okay. Ich halte solange die Stellung im Betrieb.“

Eigentlich graute Rhys bei der Vorstellung, seinem unzuverlässigen Bruder die Geschäftsleitung zu überlassen. Zumal er gerade in wichtigen Übernahmeverhandlungen mit einer Firma stand, die sein Vater jahrelang vergeblich zu kaufen versucht hatte. Ein gewaltiger Coup, für den er von seinem Vater allerdings keine Lorbeeren geerntet hätte – schließlich wäre es in den Augen von Rhys Paxton II unentschuldbar gewesen, ein gestecktes Ziel nicht zu erreichen.

Um sich sein mangelndes Vertrauen in seinen Bruder nicht anmerken zu lassen, lächelte Rhys und reichte ihm die Hand. „Danke, das weiß ich zu schätzen.“

Erfreut schlug Jack ein. Als eine schrille weibliche Stimme aus dem Foyer ertönte, blickte er zerstreut über die Schulter. „Ich gehe jetzt lieber. Jemand muss die Beckwiths beruhigen – und die Gäste, falls welche gekommen sind.“

Rhys wusste, dass es nicht um die Beckwiths ging. Die Neigung seines Bruders, sich vom anderen Geschlecht ablenken zu lassen, war legendär und ein guter Grund, ihm die Leitung der Paxton Corporation nicht zu lange zu überlassen.

Kopfschüttelnd ging Rhys weiter zu Lucies Zimmer, denn dort stand sein Gepäck für die Hochzeitsreise. Er wollte sich den Smoking ausziehen und ihre private Festnetzleitung benutzen.

Er ließ die Tür offen, weil er sich in dem mädchenhaft eingerichteten Raum sonst ein wenig klaustrophobisch fühlte. Dank Mitsys Dekorationskünsten war das Zimmer total überladen mit Seidenkissen, Rüschengardinen und Spitzendeckchen.

Kein Wunder, dass Lucie ein verzerrtes Bild von der Realität hatte. Sogar das Telefon war absurd: eine Nachbildung von Cinderellas gläsernem Schuh!

Rhys warf Teresas abgeschaltetes Handy auf das Bett und griff nach dem Halbschuh. Als Erstes rief er Rosa an, seine Haushälterin auf den Bahamas. Dort hatten die Flitterwochen beginnen sollen. Sie liebte es, die Verlobte des Hausherrn zu verwöhnen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie aufgeregt sie Vorbereitungen traf. Zumindest diese Mühe konnte er ihr ersparen, wenn schon nicht die Enttäuschung über das Fernbleiben der Braut.

„Aber Miss Lucie ist auf dem Weg hierher“, teilte Rosa ihm mit. „Sie hat gerade vom Flughafen angerufen.“

Dass Lucie in Sicherheit war, erleichterte ihn ungemein. Es wunderte ihn nicht, dass sie zu der Frau fuhr, die sich fürsorglicher um sie kümmerte als ihre eigene Mutter. Warum sollte sie sich von Bus oder Bahn durchrütteln lassen, wenn sie sich in seinem Haus auf den Bahamas verwöhnen lassen konnte?

Mit etwas Glück würde Rhys es schaffen, sie am Flughafen abzufangen. Andernfalls konnte er immer noch auf der Insel eine besinnliche Zeremonie in einer malerischen Kapelle arrangieren. Ihm war es egal, wo sie heirateten, solange es innerhalb seiner Urlaubswoche passierte.

Er war froh, ein festes Ziel vor Augen zu haben. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden wollte er seine entlaufene Braut finden und sie als seine Ehefrau zurückholen.

Auf der Jagd nach ihrem Handy lief Teresa hektisch durchs ganze Haus. Da sie Rhys nirgendwo finden konnte, beschloss sie, das private Festnetz in Lucies Zimmer zu benutzen. In der Tür blieb sie abrupt stehen, denn der Raum war bereits besetzt.

Mit dem Rücken zu ihr, viel zu groß und überwältigend maskulin in der femininen Umgebung, telefonierte Rhys in schroffem Ton. Der Glasschuh sah in seiner großen Hand extrem zerbrechlich und albern aus.

„… muss ihr folgen.“ Ungehalten lockerte er seine Krawatte. „Ich habe auf Flug 213 um halb fünf nach Miami umgebucht.“ Er lauschte einen Moment. „Ich weiß, dass sie einen Direktflug auf die Bahamas genommen hat. Aber die Maschine ist völlig ausgebucht. Schicken Sie mein Gepäck zum Boot. Bayside, Liegeplatz 337.“

Er öffnete die Hemdsärmel. „Vergessen Sie meinen Aktenkoffer nicht.“ Er warf einen finsteren Blick zum Bett. „Und meinen BlackBerry. Ich brauche unbedingt ein verlässliches Telefon.“

Da ist ja mein Handy! Teresa konnte sich kaum zurückhalten, in den Raum zu stürmen und es sich zu schnappen.

„Ja, ich habe Lucie versprochen, dass ich diese Woche nicht arbeite. Aber es ist ja keine Hochzeitsreise mehr.“

Sie hörte kaum noch auf seine Worte. Sein Striptease fesselte sie zu sehr. Gerade streifte er sich das Hemd ab. Sein Oberkörper war erstaunlich muskulös und gebräunt. Wer hätte je gedacht, dass dieser zugeknöpfte Manager einen so umwerfenden Körper hat?

Sie fragte sich, wie ein Workaholic dazu kam. Selbst, wenn er in seinem Terminkalender eine Lücke für Sonnen- und Fitnessstudio fand, brauchte es dafür Badehose und Sportkleidung. Soweit sie wusste, trug er immer nur Geschäftsanzüge.

Als er zum Reißverschluss seiner Hose griff, wich sie abrupt von der Tür zurück. Sie war gewiss nicht prüde, aber den Beinahe-Ehemann ihrer besten Freundin beim Entkleiden zu begaffen, war nicht erlaubt. Sich davon erregen zu lassen, war erst recht ein No-Go.

„Kümmern Sie sich sofort darum“, verlangte Rhys. „Ich muss diesen Flug erwischen.“ Er knallte das Telefon mit so viel Kraft auf den Nachttisch, dass der Schuh zerbrochen wäre, hätte er aus Glas statt Acryl bestanden.

Autor

Barbara Benedict
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