Die schönsten Liebesromane der Welt - Best of Julia Extra 2020

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Julia-Extra Ausgaben aus 2020 - romantisch, aufregend und extravagant. Die etwas längere Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

JULIA EXTRA BAND 478

DIE SINNLICHE RACHE DES WÜSTENPRINZEN von TARA PAMMI
Scheich Adir verführt die betörend schöne Amira aus nur einem Grund zu einer heißen Liebesnacht: aus Rache - Amira ist die künftige Braut seines verhassten Halbbruders! Doch Adirs falsches Spiel hat schon bald ungeahnt süße Folgen …

CINDERELLA UND DER STOLZE SCHEICH von MAYA BLAKE
"Du wirst meine Braut sein!" Die schüchterne junge Kammerzofe Niesha kann nicht fassen, was der mächtige Zufar ihr befiehlt. Sie weiß, dass sie bloß seine Verlobte ersetzt. Aber warum prickelt es dann plötzlich so erregend, als der Wüstensohn sie küsst?

HEISS VERFÜHRT UNTER TAUSEND STERNEN von DANI COLLINS
Wie im Rausch genießt Prinzessin Galila die sinnlichen Küsse des Fremden im Palastgarten, vertraut ihm sogar ein pikantes Familiengeheimnis an - schließlich sieht sie ihn nie wieder! Doch schon am nächsten Tag erfährt sie, wer Ihr Verführer war - und er verlangt jäh Unmögliches!

PIKANTES GESTÄNDNIS IM PALAST DER SEHNSUCHT von CAITLIN CREWS
Playboy-Prinz Malak führt ein sorgloses Leben, bis er überraschend das Thronerbe von Khalia antreten muss. Er braucht eine standesgemäße Frau an seiner Seite! Da holt ihn seine unvergessliche Nacht der Lust mit sexy Kellnerin Shona ein …

JULIA EXTRA BAND 480

VERFÜHRT, VERLASSEN - VERHEIRATET? von ANGELA BISSELL
"Hallo, Annah." Ein eiskalter Schauer überläuft sie bei dem sexy italienischen Akzent. Denn Annah weiß, warum der mächtige Luca Cavallari nach England gekommen ist: Er will ihr das Wertvollste in ihrem Leben nehmen! Ihren gemeinsamen Sohn …

GESTRANDET AUF DER INSEL DER LEIDENSCHAFT von NINA MILNE
Gestrandet! April sitzt mit dem gefühlskalten Millionär Marcus Alrikson auf einer einsamen Insel fest. Das geplante Interview fällt deutlich intensiver aus als gedacht … Was schon bald zu einem Skandal führt!

IM BANN DES FREMDEN WÜSTENPRINZEN von SUSAN STEPHENS
Ein Flirt, eine Einladung auf eine Jacht, eine heiße Liebesnacht: Lucy genießt die Stunden mit Tadj, aber in der Morgendämmerung verschwindet sie von Bord. Sie ahnt nicht, wer er ist - bis sie ihn drei Monate später wiedersieht.

RISKANTES SPIEL IN LAS VEGAS von JULIA JAMES
Dieser Mann ist gefährlich für ihr Herz: In Las Vegas begegnet die adlige Francesca dem attraktiven Nic Falcone. Jedes Risiko im Spiel, das man Liebe nennt, ist er ihr wert …

JULIA EXTRA BAND 484

DER VERFÜHRER MIT DER MASKE von MICHELLE CONDER
Zum Glück trägt Ruby eine Maske! Sonst würde Sam sie sofort erkennen. Aber so kann sich Ruby auf dem Maskenball der Anziehung zwischen ihnen hingeben, überzeugt, dass er nicht weiß, wer sie ist. Doch Ruby täuscht sich …

NUR EINE NACHT DER LEIDENSCHAFT IN MANHATTAN? von CLARE CONNELLY
"Matt?" Die hübsche Frankie kann es kaum fassen, als der Mann, mit dem sie eine heiße Liebesnacht verbracht hat, plötzlich vor ihr steht. So lange hat sie ihn überall gesucht - aber nirgends gefunden! Kein Wunder: Ein König bleibt lieber undercover …

TAUSEND LILIEN FÜR DIE LIEBE von DANI COLLINS
Berauscht von dem Duft der Lilien im Gewächshaus, gibt sich Zimmermädchen Poppy dem attraktiven Rico Montero hin. Kurz darauf allerdings verlässt Poppy Madrid und kehrt nach Kanada zurück. Niemals darf der spanische Aristokrat ihr kleines Geheimnis erfahren! Doch er folgt ihr …

GEFANGEN AUF DER INSEL DES VERLANGENS von ANNIE WEST
Um ihre beste Freundin vor einer arrangierten Ehe zu retten, fasst Prinzessin Mina von Jeirut einen mutigen Plan: Sie wird zu Alexei Katsaros fliegen und sich als Carissa ausgeben. Aber schockiert stellt sie fest, dass der stolze Grieche in ihr heißes Verlangen entflammt …


  • Erscheinungstag 21.01.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505475
  • Seitenanzahl 1344
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Caitlin Crews, Dani Collins, Maya Blake, Tara Pammi, Julia James, Angela Bissell, Nina Milne, Susan Stephens, Clare Connelly, Michelle Conder, Annie West

Die schönsten Liebesromane der Welt - Best of Julia Extra 2020

Tara Pammi, Maya Blake, Dani Collins, Caitlin Crews

JULIA EXTRA BAND 478

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 478 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2018 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „Sheikh’s Baby of Revenge“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers

© 2018 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „Sheikh’s Pregnant Cinderella“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers

© 2018 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „Sheikh’s Princess of Convenience“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers

© 2018 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „Sheikh’s Secret Love-Child“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers

Abbildungen: Harlequin Books S. A., Getty Images / byheaven, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733714789

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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TARA PAMMI

Die sinnliche Rache des Wüstenprinzen

Leidenschaftlich gibt Amira sich Adir hin. Nur einmal will sie wahre Lust erleben, bevor sie ihre arrangierte Ehe eingeht! Noch ahnt sie nicht, wer ihr heimlicher Verführer wirklich ist …

MAYA BLAKE

Cinderella und der stolze Scheich

Als seine Braut ihn versetzt, tritt Scheich Zufar mit der unscheinbaren Kammerzofe Niesha vor den Altar. Natürlich bloß, damit es keinen Skandal gibt! Doch dann erlebt er eine sinnliche Überraschung …

DANI COLLINS

Heiß verführt unter tausend Sternen

Scheich Karim wollte Galila nur einen leidenschaftlichen Kuss stehlen – bis sie ihm ihr dunkles Geheimnis verrät. Um seine Ehre zu retten, bleibt ihm keine Wahl: Er muss die Prinzessin zu der Seinen machen!

CAITLIN CREWS

Pikantes Geständnis im Palast der Sehnsucht

Scheich Malaks Stimme ist wie eine Liebkosung, als er Shona begrüßt, doch sein Blick ist eiskalt. Schockiert fragt sie sich: Hat er etwa von den Folgen ihrer einzigen Nacht der Leidenschaft erfahren?

1. KAPITEL

„Ich bin Adir Al-Zabah, Eure Hoheit, Scheich der Stämme Dawab und Peshani.“

Er hatte keinen Respekt vor dem alten König, ein Mann, der eine Frau – ein schwächeres Wesen – unterjocht und gezwungen hatte, sich seinem Willen zu beugen.

Trotzdem deutete er eine leichte Verbeugung an. Auch wenn er im Vergleich zu den königlichen Geschwistern Prinz Zufar und Prinz Malak und Prinzessin Galila unzivilisiert sein mochte, kannte er die Gepflogenheiten und Traditionen.

Wie ein Falke, der über den Weiten seines Wüstenreiches kreist, starrte er König Tariq von Khalia an und wartete darauf, in den traurigen Augen ein Anzeichen dafür zu finden, dass er ihn erkannte.

Es war Kummer, der in dem Blick des Königs lag. Kummer, den auch er selbst empfand, seit er von Königin Namanis Tod gehört hatte. Der alte Mann schien seine Frau tatsächlich geliebt zu haben.

Doch jedes Mitgefühl, das Adir vielleicht verspürt haben mochte, erstarb unter der Feindseligkeit, die in ihm loderte. Ihm war noch nicht einmal das Recht eingeräumt worden, öffentlich zu trauern und ihr die letzte Ehre zu erweisen.

Selbst die Chance, sie einmal im Leben zu sehen, war ihm versagt worden.

Seine letzte Blutsverbindung. Es würde keine Briefe mehr geben, in denen stand, dass er geschätzt wurde. Keine Briefe, die ihn an den Platz erinnerten, auf den er noch nie Anspruch erhoben hatte.

Nun war er völlig allein auf der Welt.

Und schuld daran war allein dieser König.

Während König Tariq ihn mit verwirrtem Blick ansah, trat einer der Prinzen vor und versperrte die Sicht auf die gebeugte Gestalt des alten Königs.

„Ich bin Kronprinz Zufar. Wenn Sie gekommen sind, um Königin Namani die letzte Ehre zu erweisen und König Tariq Treue zu geloben …“, begann er, und seine Feindseligkeit spiegelte Adirs eigenes Empfinden wider, „dann betrachten Sie es als erledigt.“

Adir biss die Zähne zusammen. „Ich bin der regierende Scheich der Stämme Dawab und Peshani. Wir sind unabhängige Stämme, Eure Hoheit.“ Er legte all den Spott, den er empfand, in die Anrede. „Ich gestehe Ihnen oder Ihrem König keinerlei Autorität über unsere Stämme zu.“

In den Augen des Prinzen leuchtete etwas auf, das fast wie Bewunderung wirkte. Doch es war so schnell wieder verschwunden, dass Adir sich fragte, ob es nur Einbildung gewesen war. War er so verzweifelt auf eine familiäre Verbindung aus?

„Die königliche Familie will in diesen Tagen für sich trauern. Wenn Sie nicht gekommen sind, um Ihren Respekt zu erweisen, warum haben Sie dann um eine Audienz bei meinem Vater gebeten?“

Dass er sich mit diesem Mann herumschlagen musste, der alles hatte, was ihm selbst verweigert worden war, fühlte sich an, als würde man Sand in eine offene Wunde reiben. „Ich habe um einen Besuch beim König angesucht. Nicht bei Ihnen.“

Befriedigung leuchtete in Zufars Augen auf, weil er das Recht hatte, Adir diesen Wunsch zu verweigern. Und auch alles andere, um das er vielleicht bitten würde. „Mein Vater ist … er ist überwältigt vor Trauer über den Tod seiner Königin.“

Der Tod seiner Königin, nicht der Tod meiner Mutter, dachte Adir. Die Worte des Kronprinzen klangen aufschlussreich.

In den Augen des Prinzen lag kein Schmerz um seine Mutter. In seiner Stimme war keine Zärtlichkeit, wenn er von ihr sprach. „Er ist nicht ganz bei sich … schon seit einigen Monaten.“

Adirs Blick ging zu Prinz Malak und Prinzessin Galila. Er wollte kein Mitleid empfinden und darüber nachdenken, wie sie sich so kurz nach dem Tod ihrer Mutter fühlten. Und doch merkte er, dass er genau das tat. „Möchten Sie, dass ich vor Ihren jüngeren Geschwistern darlege, welche Leichen im Keller versteckt sind?“, fragte er seidenweich.

Zufar wurde blass unter seiner dunklen, olivfarbenen Haut. Seine Arroganz verlor er jedoch nicht. „Mit Drohungen kommen Sie auch nicht weiter, Scheich Adir.“

„Also gut. Ich bin … ich bin Königin Namanis Sohn.“

Die Worte, die er so oft in seinem Kopf wiederholt hatte, hallten nun in der frostigen Stille wider. Die Prinzessin schnappte leise nach Luft, während Prinz Malak finster dreinschaute.

Zufars Miene war noch feindseliger geworden, während er sein Gegenüber ungläubig ansah.

Adir verlagerte sein Gewicht, um einen Blick auf König Tariq werfen zu können, der mit gebeugten Schultern dasaß und ihn forschend ansah. Als könnte er in ihm ein Anzeichen seiner geliebten Frau entdecken.

„Namanis Sohn? Aber …“

„Leugnen Sie es nicht, Hoheit. Die Wahrheit schimmert in Ihren Augen.“

„Vater?“ Zufar klang vorwurfsvoll.

Doch König Tariq konnte den Blick nicht von Adir wenden. „Sie sind Namanis Sohn? Das Kind, das sie …“

„Das Neugeborene, das sie den Launen der Wüste ausgesetzt hat, ja. Das Kind, das Sie von seiner Mutter getrennt haben.“

„Sie sind unser Bruder?“, warf Prinzessin Galila ein. „Aber warum …“

„Namani … sie hatte eine Affäre …“, stammelte König Tariq.

„Sie hat sich in einen anderen Mann verliebt und ist dafür bestraft worden.“ Adir legte sich keine Zurückhaltung auf.

Das Gesicht des Königs fiel in sich zusammen.

„Und, was wollen Sie, Scheich Adir?“, fragte Prinz Zufar kalt.

„Ich will das, was meine Mutter für mich gewollt hat.“

„Wie können Sie wissen, was Königin Namani …, was sie für Sie wollte, wenn Sie sie nie getroffen haben?“, fragte Prinzessin Galila in federleichtem Ton.

„Sie wurde gezwungen, mich wegzugeben, aber sie hat mich nicht fallen lassen.“

Prinz Malak, der bis jetzt schweigend zugehört hatte, stellte sich neben seinen Vater. „Was soll das heißen, sie hat Sie nicht fallen lassen?“ Er stieß ein sarkastisches Lachen aus.

Mit gerunzelter Stirn sah Adir die Geschwister an. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie machten keine Anstalten, das Andenken an ihre Mutter zu verteidigen. Auf ihren Gesichtern lag nur ein Schatten von Angst, welche Forderungen er stellen könnte.

„Irgendwie hat sie einen Weg gefunden, wie sie mit mir in Verbindung bleiben konnte. Sie hat mir all die Jahre geschrieben und mich ermuntert, meinen Weg zu gehen. Mir gesagt, wie wichtig ich ihr bin, und mir erzählt, wo mein Platz ist auf dieser Welt. Ist das Beweis genug?“, entgegnete Adir, der seine Worte mit sehr viel Bedacht gewählt hatte. „Jedes Jahr zu meinem Geburtstag hat sie mir einen Brief geschrieben. Und sie hat dafür gesorgt, dass diese Briefe mich auch erreichen. Briefe, in denen sie mir gesagt hat, wer ich bin.“

„Sie hat Ihnen geschrieben? Die Königin?“

„Von eigener Hand.“

„Was wollen Sie, Scheich Adir? Warum sind Sie hier?“

Adir sah Prinz Zufar an, und Entschlossenheit erfasste ihn. „Ich will, dass der König anerkennt, dass ich Königin Namanis Sohn bin. Die Welt soll wissen, dass ich von königlichem Geblüt bin. Ich will meinen rechtmäßigen Platz in Khalias Geschlecht.“

„Nein“, erklärte Zufar, kaum dass Adir seinen Satz beendet hatte. „All das würde einen Skandal heraufbeschwören.“

Adir sah zum König, der mit versonnenem Blick dasaß. Gegen seinen Willen verspürte er ein Gefühl von Mitleid für den alten Mann, der offensichtlich sehr um seine Königin trauerte.

„Mein Vater wird im ganzen Land zur Zielscheibe, wenn Ihre Abstammung herauskommt. Sie …“ Zufar stockte. „Ich werde nicht zulassen, dass unsere Familie jetzt durch Ihr selbstsüchtiges Verhalten Anstoß erregt, selbst wenn meine Mutter nicht mehr ist. Als ob sie uns nicht schon genug Leid angetan hätte. Wenn Sie Scheich Ihrer Stämme sind, so wie Sie es behaupten, werden Sie verstehen, dass Khalia für mich an erster Stelle kommt. Hier ist kein Platz für Sie, Scheich Adir.“

„Das würde ich gerne vom König selbst hören.“

„Meine Entscheidung ist auch die des Königs. Ich werde keinen Skandal über unser Haus zulassen, indem ich der Welt erkläre, was meine Mutter getan hat.“

„Und wenn ich mich weigere, Ihren Anweisungen zu folgen?“

„Seien Sie vorsichtig, Scheich Adir. Sie haben gerade den Kronprinzen bedroht.“

„Haben Sie Angst, dass ich die Herrschaft über Khalia will? Dass ich um ein kleines Stück Ihres immensen Reichtums bitte? Wenn ja, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass ich nicht die Absicht habe, Ihnen irgendetwas wegzunehmen. Ich habe keine Verwendung für Ihren Reichtum. Alles, was ich will, ist Anerkennung.“

„Und die werden Sie nicht bekommen – nicht, solange ich lebe. Sie sind nichts als das schmutzige Geheimnis meiner Mutter, ein Schandfleck auf unserer Familie.“

Die Worte waren für Adir wie unsichtbare Schläge, die umso todbringender waren, weil sie die Wahrheit enthielten, gegen die er immer versucht hatte anzukämpfen.

Er war ihr schmutziges Geheimnis, verbannt in die Wüste.

„Passen Sie auf, was Sie sagen, Prinz Zufar. Es könnte schwerwiegende Folgen haben.“

„Haben Sie sich nicht gefragt, warum sie Sie gebeten hat, erst nach ihrem Tod Anspruch auf Ihre Rechte zu erheben? Weshalb sie Ihnen zwar geschrieben, uns aber nie anvertraut hat, dass wir einen Bruder haben?“

„Sie hat Sie und den Ruf der königlichen Familie geschützt. Sie war …“

„Königin Namani“, stieß Prinz Zufar hervor, „war eine egoistische Frau, die nur an sich selbst gedacht hat. Sicher hat sie Ihnen nur geschrieben, weil sie wie ein Kind geschmollt hat. Sie hat gehandelt, ohne an die Konsequenzen zu denken, für Sie, für sich selbst oder für jeden von uns. Es war grausam von ihr, Sie hierher zu locken, obwohl sie wusste, dass es zu nichts führen würde.“

„Und wenn ich trotzdem die Wahrheit öffentlich mache?“ Adir hasste es, wie verbittert er klang. Doch er musste daran denken, was seine Mutter ihm geschrieben hatte. Wie verwöhnt seine Halbgeschwister waren und wie wenig sie den Respekt und die Privilegien verdienten. All das hatte an ihm genagt. „Was, wenn ich es trotzdem sage?“

„Ich werde nicht auf Ihre Drohungen eingehen, Scheich Adir. Falls Sie etwas sagen, wird es Ihre Schande sein und die der Königin. Nicht unsere. Gehen Sie jetzt. Sonst werde ich Sie von den Wachmännern hinauswerfen lassen, als wären Sie nichts als ein Aasgeier, der in der Trauerzeit hier seine Kreise zieht. Wären Sie nicht nur ihr Bastard, hätten Sie mehr Anstand und würden meinen Vater in dieser schweren Zeit nicht bedrohen.“

In den flackernden Schatten der Dunkelheit, in der nur hier und da Gaslampen aufleuchteten, schien hinter dem Fenster, aus dem Amira Ghalib springen wollte, nur Leere zu liegen, ohne Hilfe weit und breit. Ein Abgrund ohne Boden.

So wie ihr Leben in den letzten sechsundzwanzig Jahren. Wie die Aussicht, Prinz Zufar zu heiraten, wie ihre Zukunft als Königin von Khalia.

Ungehalten starrte sie in die Dunkelheit.

Ya Allah, sie wurde wirklich immer übellauniger. Aber das lag daran, dass sie seit fünf Tagen die Gefangene ihres Vaters war und er sie ins Gesicht geschlagen hatte. Weil sie bei ihrer Freundin Galila so getan hatte, als wäre sie wieder einmal ungeschickt gewesen und gegen einen Pfeiler gelaufen. Weil ihr Verlobter ihr wieder einmal mit nichts als Gleichgültigkeit begegnet war. Und weil sie für ihren machtbesessenen Vater nur ein Mittel zum Zweck war.

Hier im Palast von Khalia hatte sie noch weniger Freiheit als in ihrem eigenen Zuhause, wobei es auch ein Käfig war. An diesem Ort hingegen waren alle Augen auf sie gerichtet.

Doch zukünftige Königin oder nicht, sie musste all dem entfliehen. Nur für ein paar Stunden.

Wieder starrte Amira aus dem Fenster. Nach der Taschenlampe hatte sie vergeblich gesucht, weil der Wachhund ihres Vaters sie wahrscheinlich aus ihrer Suite entfernt hatte. Sie erinnerte sich an einen kurzen Sims am Fenster, ein rechteckiger Vorsprung, der sich über dem Fenster darunter befand. Er war groß genug, dass sie mit ihren Füßen darauf landen konnte.

Von dort aus würde sie seitlich auf den nächsten Vorsprung springen. Und von da aus auf die gewundene Treppe, die nicht einmal von Bediensteten oder anderem Personal benutzt wurde. Dann wäre sie befreit von dem Wachmann vor ihrer Suite, von ihrem Vater und allen Verpflichtungen.

Sie könnte zu den Ställen gehen, einen der Stallburschen bestechen und mit der Stute ausreiten, mit der sie sich neulich angefreundet hatte. Oder sie könnte durch die wunderschön angelegten gepflegten Gärten spazieren, um die sich die verstorbene Königin Namani selbst gekümmert hatte.

Für ein paar Stunden könnte sie tun und lassen, was sie wollte.

Mit klopfendem Herzen kletterte sie auf die Fensterbank. Ihre Beine baumelten in der Luft, während sie in die Dunkelheit spähte. Ein Pferd wieherte, Wasser plätscherte in dem berühmten Brunnen im Innenhof, und das Geräusch von Sohlen auf dem gefliesten Durchgang drang an ihre Ohren.

Der Duft von Nachtjasmin stieg ihr in die Nase.

Amira fühlte sich bereits ruhiger. Es war eine wunderschöne Nacht für eine Flucht.

Sie lächelte und sprang.

„Sie hätten sich umbringen können! Im besten Fall. Im schlimmsten hätten Sie sich alle Knochen gebrochen.“

Die Luft, die ihr noch geblieben war, als sie wackelig auf den Knien landete, wich aus Amiras Lungen.

Sie erstarrte, und die tiefe, raue Stimme, die von der dunklen Ecke an der Treppe kam, sandte ihr einen Schauer über den Rücken. Angst und noch ein anderes Gefühl erfassten sie. Sie blinzelte und spähte zu der verschatteten Gestalt.

Katzengleiche, bernsteinfarbene Augen starrten sie im Mondlicht an. Der Fremde hatte breite Schultern, schmale Hüften und muskulöse Schenkel. Ihr Blick ging zu seinem Gesicht. Ausgeprägter Kiefer, gerade Nase, hohe Stirn.

Und seine Augen sahen sie mit unverhohlener Neugier an.

War er ein Wachmann des Königs? Oder ein weiterer Spion, den ihr besessener Vater auf sie angesetzt hatte? Oder schlimmer noch, ein Gast des Palastes?

Alles wäre besser als ein Spion ihres Vaters. Sie würde sogar lieber ihrem Verlobten die Stirn bieten und sich rechtfertigen, als sich ihrem Vater zu stellen.

Und sollte er doch der Spion ihres Vaters sein …

Schmerz durchzuckte ihre Wange, als sie sich an den Schlag erinnerte, und sie fuhr zusammen.

Sie war sicher, dass der Mann, der nun aus dem Schatten trat, noch finsterer dreinblickte. „Sind Sie verletzt?“

„Nein, mir … geht’s gut.“ Sie wischte sich die Handflächen an den Beinen ab und verzog das Gesicht. Steinchen hatten sich in ihre Hände gebohrt, als sie versucht hatte, sich abzufangen.

„Sie lügen nicht besonders gut, ya habibti.“

Der vornehme aristokratische Akzent – ihrem oder dem des Prinzen ähnlich und doch anders – weckte ihr Interesse. Mit seiner gewählten Ausdrucksweise und seiner selbstverständlichen Autorität könnte der Mann Mitglied eines Königshauses und hier zu Besuch sein.

Er trat einen weiteren Schritt vor. Amira, die sich immer noch auf ihren Knien befand, rutschte zurück. Ihren Schmerz hatte sie vergessen. Sie wollte nur weg von diesem … interessanten Fremden.

Doch er kam weiter auf sie zu. „Lassen Sie mich nachsehen, ob Sie verletzt sind. Sie sind so hart aufgekommen, dass Sie sich etwas gebrochen haben könnten.“

Sie wich weiter zurück. „Ich habe mir nichts gebrochen.“

„Lassen Sie mich das beurteilen.“

Ihre sonst übliche Gelassenheit ließ sie im Stich. „Da ich ausgebildete Krankenschwester bin, kann ich wohl selbst beurteilen, ob ich mir etwas gebrochen habe oder nicht.“ Zischend stieß sie die Luft aus. „Bitte … gehen Sie einfach. In ein paar Minuten werde ich auch verschwinden.“

„Sie müssen keine Angst vor mir haben.“

Amira hatte Panik, das ja, aber seltsamerweise keine Angst.

Tief atmete sie durch. Sandelholz und ein sehr männlicher Duft stiegen ihr in die Nase, als er bei ihr war, und sie verspürte ein seltsames Ziehen im Bauch. Gefangen von der Reaktion ihres Körpers, sah sie zu ihm hoch.

Er lächelte. „Sie wollen also hierbleiben?“

Sie nickte und war sich bewusst, wie dumm sie aussehen musste, weil sie ihn sehnsüchtig ansah, ohne etwas dagegen tun zu können.

„Mir macht es überhaupt nichts aus, mich auf dem … schmutzigen Boden zu unterhalten“, erklärte er sachlich. Ehe sie begreifen konnte, was er meinte, sank er auf die Knie.

In diesem Moment warf der Mond seinen silbernen Schein durch den Torbogen und beleuchtete sein Gesicht.

Amira stockte der Atem. Tief liegende bernsteinfarbene Augen blitzten amüsiert. Er war atemberaubend schön, seine Züge wie von einem Meisterbildhauer gemeißelt.

Sie hatten beinahe etwas Königliches, seltsam Vertrautes.

Seine dunkelgoldene Haut verriet, dass er sich oft in der Sonne aufhielt. Am liebsten hätte sie seinen ausgeprägten Kiefer berührt. Schnell vergrub sie ihre Fäuste in den Falten ihres Kleids.

Er hatte es bemerkt und wirkte nun noch amüsierter.

„Heben Sie den Kopf, damit ich Sie besser ansehen kann“, sagte er mit tiefer Stimme.

Eingeschüchtert durch all die Jahre des Gehorsams, kam Amira seiner Bitte pflichtbewusst nach. Erst als er ihr Gesicht eingehend musterte, wurde ihr bewusst, was sie getan hatte.

Röte stieg in ihre Wangen. Doch statt zurückzuweichen und den Blick zu senken, wie ihr Vater ihr immer wieder eingebläut hatte, nutzte sie den Moment, um ihn noch genauer zu betrachten.

Er stieß ein Zischen aus und wirkte mit einem Mal wütend.

Als er seine Hand an ihr Gesicht hob, wich Amira instinktiv zurück, erkannte dann aber, dass seine Miene weicher wurde. Beschämt sah sie zu Boden.

„Darf ich Sie berühren?“, fragte er heiser.

Sie sah zu ihm hoch und glaubte, dass er schluckte. Seltsam.

„Ich verspreche, dass ich Ihnen nicht wehtue.“

Seine Miene gab nichts preis, und doch hatte Amira instinktiv das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Dieser Mann würde seine Hand nicht gegen das schwächere Geschlecht oder Menschen erheben, die von seiner Gnade abhängig waren.

Und doch verströmte er Autorität. Sicher würde sich jeder Mann und jede Frau gern seinem Willen beugen. Sogar mit Vergnügen, was Letztere betraf.

Langsam nickte sie, während ihr bewusst wurde, dass sie von diesem Mann berührt werden wollte, sei es auch noch so flüchtig.

Sie glaubte, er würde sie auf die Füße ziehen. Stattdessen berührten seine Finger so sanft ihre Wange, dass sie heiße Tränen hinter ihren Augenlidern spürte.

„Das sind Fingerabdrücke, die Ihre schöne Wange entstellen“, sagte er sachlich, doch seine Wut war deutlich zu spüren.

Amira schloss die Augen, weil sie es hasste, sich schwach vor ihm zu zeigen. Sie hatte nie auch nur eine Träne vergossen, selbst dann nicht, als ihr Vater sie so heftig auf die Wange geschlagen hatte, dass ihr Kopf zurückschnellte und sie noch wochenlang Nackenschmerzen gehabt hatte.

Sie verdrängte ihren Kummer und merkte, dass ein anderes Gefühl an die Oberfläche drängte. Mit seinem großen Körper schenkte er ihr Wärme in der kühlen Nacht, hüllte sie ein wie eine Decke in ihrer Kindheit – eine Erinnerung an ihre Mutter.

Je mehr sie von seinem Duft – eine Mischung aus Sandelholz, Pferd und Mann – einatmete, desto mehr wollte sie davon.

Als er mit dem Daumen über den Bluterguss auf ihrer Wange fuhr, zuckte sie zusammen. Doch nicht deshalb, weil es wehtat, sondern weil sie die Hitze seiner Finger spürte.

Er fluchte. „Verzeihung, ich hatte versprochen, Ihnen nicht wehzutun.“

„Das haben Sie nicht“, gab sie zurück.

Er hob eine Braue. „Nein?“

„Unsere Haut besitzt tausende von Nervenzentren, die auf äußere Reize reagieren. Ihre Handfläche fühlt sich auf meiner Haut rau an. Und da ich kaum von jemand anderem berührt wurde als von meinem Vater, und das allerdings nicht so sanft, habe ich das Gefühl, verbrannt zu werden, wo Ihre Haut meine berührt …“ Als er fragend seine Braue hob, erklärte sie hastig: „Nicht so wie Feuer, eher angenehmer. Ich glaube, dass ich deshalb zusammengezuckt bin. Selbst wenn es angenehm ist, zuckt man zusammen, wenn man nicht damit rechnet.“

Stille folgte, und sie wurde wieder rot und schlug die Hände vor den Mund. Kein Wunder, dass ihr Vater immer ärgerlich wurde, wenn sie den Mund aufmachte.

Langsam erschien ein Lächeln in den Augen des Fremden. Ein Lächeln, das ihn noch tausendmal umwerfender machte.

„Ich plappere immer drauflos, wenn ich ängstlich, aufgeregt oder aufgebracht, traurig oder wütend bin. Mein Vater glaubt, dass ich es deshalb mache, um seine Anweisungen zu ignorieren und ihn zu beleidigen.“

„Und wenn Sie glücklich sind?“

Sie lächelte. „Sie sind sehr schlau, nicht wahr? Wissen Sie, die Leute glauben, Intelligenz ist …“ Sie räusperte sich und wurde erneut über und über rot. „Wenn ich glücklich bin, mache ich es auch, ja.“

Sein Lächeln wurde zu einem Lachen, das aus ihm herausplatzte. Tief, rau und sehr sinnlich, aber es klang auch ein wenig seltsam. Als würde er nicht oft lachen.

Amira wollte der Grund dafür sein, dass sein ernstes Gesicht sich zu einem Lachen verzog, wieder und wieder. Sie wollte eine Ewigkeit mit diesem aufregenden Fremden verbringen, bei dem sie sich sicher fühlte. Sie wollte …

„Ich muss gehen“, sagte sie schnell.

Er runzelte die Stirn. „Dann kann ich mich also darauf verlassen, dass Sie nicht verletzt sind?“ Wieder warf er einen Blick auf ihre Wange. „Außer auf Ihrer Wange?“

„Ich habe die Entfernung zwischen dem letzten Sims und der Treppe falsch eingeschätzt, aber mir nicht wehgetan.“

Er nickte. „Und was ist so unwiderstehlich, dass Sie solch einen gefährlichen Weg nehmen … Wie heißen Sie eigentlich?“

Zara, Humeira, Alisha, Farhat …

„Sie denken sich falsche Namen aus.“

Amira zuckte zusammen. Er beobachtete sie wie ein Falke. Und noch etwas anderes lag in seinem Blick. Besitzgier, vielleicht.

Sie schluckte. „Ich werde Probleme bekommen, wenn jemand merkt, dass ich aus meinem Zimmer geflohen bin oder dass ich ohne Wachmann im Palast herumlaufe und in der Dunkelheit mit einem Fremden spreche. Große Probleme.“

„Niemand wird davon erfahren“, sagte er. „Ich werde Sie zu Ihrem Zimmer zurückbringen, ohne dass jemand etwas mitbekommt.“

„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen vertrauen kann“, entgegnete sie.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Berührung war so leicht, so zärtlich, dass sie ihr auch noch das letzte bisschen Verstand raubte. „Ich glaube, Sie vertrauen mir. Deshalb sind Sie solange geblieben. Sie müssen nur noch den letzten Schritt machen, ya habibti. Wir sind Fremde, die in diesem langen Leben ein paar gemeinsame Momente erleben.“

Mit einem Finger hob er ihr Kinn. „Ich möchte Ihren Namen wissen.“

Wäre es ein Befehl gewesen, hätte Amira sich geweigert. Doch in seiner Bitte schwang eine Sehnsucht mit, die in ihrer Seele widerhallte.

Der Rest ihres gesunden Menschenverstandes und ihre Schüchternheit schmolzen dahin. So unschuldig sie in Bezug auf Männer auch sein mochte, hatte sie bereits das Gefühl, ihn zu kennen.

Er würde ihr nicht wehtun.

„Amira … mein Name ist Amira.“

Ein Feuer erwachte in seinen Augen. Sie wussten beide, dass sie ihm in diesem Moment mehr gegeben hatte als nur ihren Namen.

Er nickte. „Ich heiße Adir.“

Salam alaikum, Adir.“

Wa alaikum as-salam, Amira.“

Er umschloss ihre Hand mit seiner. Gefühle schimmerten auf und breiteten sich wie ein Fluss von ihrer Hand in ihren ganzen Körper aus. Dann zog er sie sanft zu sich, hob ihre verschränkten Hände und drückte einen sanften Kuss auf ihr Handgelenk.

Auch wenn es nur ein züchtiger Kuss war, klopfte ihr Puls unter seinem Mund. „Dich kennenzulernen hat einen schrecklichen Abend tausendmal besser gemacht.“

Sie wollte seinem feurigen Blick mit ihrer Leidenschaft begegnen. Für eine Nacht wollte sie Amira sein, nicht die Tochter eines machtbesessenen Mannes oder die Verlobte eines meist gleichgültigen Prinzen. Sie wollte in Adirs Arme sinken und sich von ihm davontragen lassen.

„Wenn du lachst, hast du zwei Grübchen. Wusstest du, dass Grübchen dadurch entstehen, weil ein Gesichtsmuskel, den man zygomaticus major nennt, eine besonders feste Verbindung zur Haut der Wangen hat? Manchmal entstehen sie auch bei ausgeprägtem Fett im Gesicht. In deinem Fall trifft das natürlich nicht zu, weil du so hart aussiehst wie diese Felsformationen, die man in …“

Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

Amira vergrub ihr Gesicht in den Händen und stöhnte laut.

„Du willst mir also sagen, dass meine Gesichtsform fehlerhaft ist?“

Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, doch er ließ es nicht zu. „Du weißt doch, dass du fehlerlos bist.“

Das schien ihn zu überraschen. Sah er denn nicht in den Spiegel? Gab es denn keine Frauen, die ihm nachsetzten, um einmal dieses verschlagene Lächeln zu sehen?

Immer noch lächelnd zog er sie auf die Füße. „Du bist wie … ein Wüstensturm, Amira.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Kompliment ist.“

Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. „Möchtest du denn ein Kompliment bekommen, ya habibti?“

„Ja, bitte.“

Wieder lachte er – eine Belohnung für ihre Kühnheit. „Du bist ein Schatz. Und jetzt erweise mir die Ehre, dich untersuchen zu dürfen.“

Während er sich aufrichtete, klopfte er sie sachlich ab. Als wäre er ihre Possen gewöhnt und hätte es schon tausendmal gemacht.

Seine breiten Hände lagen nun auf ihren Schultern und raubten ihr erneut den Atem.

„Also, was war es diesmal?“

Amira runzelte die Stirn, gefangen von seinem Blick. „Was meinst du?“

„Warum hast du mir all die wichtigen Fakten über Grübchen enthüllt? Habe ich dich vielleicht traurig gemacht? Warst du verärgert? Wütend?“

„Du willst mich auf schamlose Weise dazu bringen, etwas zu gestehen, was ich nicht preisgeben sollte. Reicht es nicht schon, dass ich mich lächerlich gemacht habe?“

„Bitte, ya habibti.“

Sie hob eine Braue. „Weshalb habe ich das Gefühl, dass du dieses Wort – meine Liebe – niemals sagst?“

Er zuckte die Schultern. „Doch, ein paarmal in den letzten zehn Jahren.“

Sie seufzte. Er wusste doch, was sie meinte. „Ich fühle mich zu dir hingezogen. Selbst all das, was in Liebesromanen steht, kommt dem nahe, was ich empfinde. All das ist neu, seltsam, sehr beängstigend und …“

Herzzerreißend und schmerzlich.

Plötzlich wurde sie von so großer Verzweiflung erfasst, dass sie von ihm abrückte. Sie sah hoch und kämpfte um Fassung.

Sterne glitzerten am Himmel. Die von Duft erfüllte Nacht schien für sie jetzt wie eine Bestrafung. Sie versprach etwas, was sie nie haben könnte.

Amira spürte seine Wärme, seinen Duft in ihrem Rücken und verspannte sich. Obwohl er sie nicht einmal berührte, schlug ihr Puls wieder viel zu schnell.

„Geh mit mir fort, Amira. Nur für ein paar Stunden. Ich verspreche dir noch einmal, dass ich dir nicht wehtun werde.“

„Es wäre falsch.“

„Warum?“

„Ich bin nicht frei, um dem hier nachgeben zu können … diesem gestohlenen Moment mit dir spät am Abend. Und nicht nur deshalb, weil mein Vater mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen wird, wenn er davon erfährt.“ Sehnsucht erfasste sie, und sie versuchte, sie zu verdrängen. „Ich bin verlobt.“

„Ist es dein Verlobter, der …“ Er zögerte. „Ist er es, der dich verletzt hat?“

„Nein. Er … er ist ein vollkommener Gentleman, der mich kaum ansieht. Wenn man ihn fragt, welche Farbe meine Augen haben, wird er es sicher nicht wissen.“

„Wer war es dann?“

„Mein Vater. Er … seine Wut geht mit ihm durch.“

Es war ihr egal, aus welchem Grund Adir sie in seine Arme zog. Die Berührung seiner muskulösen Brust an ihrem Rücken weckte Verlangen in ihr. Es dauerte gerade einmal vier Sekunden, bis sie sich in seine Umarmung schmiegte. Alles an ihm war so schockierend hart, sein Bauch an ihrem Rücken, seine Schenkel an ihren Beinen, seine muskulösen Arme, die sie festhielten. Den Teil, den sie zu ihrer Schande am liebsten spüren wollte, presste er jedoch nicht gegen sie.

Und trotzdem hatte sie das Gefühl, ganz von ihm erfüllt zu sein.

Sie schloss die Augen, lehnte sich gegen ihn und spürte sein Herz, das an ihrem Rücken hämmerte. Mit dem Daumen strich sie über seinen Handrücken, weil sie ihn fühlen wollte.

Seine Haut war dunkel und rau, seine Finger waren lang. Amira strich über den Smaragdring, der an seinem Ringfinger steckte, und prägte sich die Form ein.

Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie auf solche Weise von einem Mann gehalten. Es war beglückend und tröstlich zugleich – so wie dieser Mann selbst.

„Liegen deshalb diese Schatten in deinen wunderschönen Augen? Weil du diesen Mann liebst, den du heiraten wirst, er deine Liebe aber nicht erwidert?“

„Liebe? Nein. Mein Vater ist König Tariqs engster Freund. Ich bin schon fast mein ganzes Leben mit Prinz Zufar verlobt.“ Verbittert lachte sie auf. „Ich werde die zukünftige Königin von Khalia sein, Adir. Ich bin dazu erzogen worden, Prinz Zufar in jeder Hinsicht ebenbürtig zu sein. Mein Leben hat mir nie selbst gehört. Mein Wille kann nie mein eigener sein. Meine Träume und meine Wünsche … sie gehören mir nicht.“

2. KAPITEL

Entsetzen stürzte mit der Macht eines Sandsturms auf ihn ein, und Adir hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Sie war Zufars Verlobte, die zukünftige Königin von Khalia.

Trotz dieser Erkenntnis war er voller Verlangen nach ihr. „Du zitterst“, flüsterte er und strich mit den Händen über ihre Arme.

Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Erst als sie leise stöhnte, merkte er, dass er ihre Schultern zu fest umklammerte.

Adir lockerte seinen Griff, wollte sie jedoch nicht loslassen, auch wenn er nicht wusste, warum.

Er versuchte, sie zu beruhigen – und sich selbst –, als er ihre Schultern streichelte.

Es war Verlangen nach ihr, das wusste er. Sie war schön, mutig, klug und witzig.

Doch diese starke Besitzgier, die sein Blut befeuerte … die kam woanders her.

Vielleicht, weil sie der kostbarste Besitz seines Halbbruders war? Und jetzt bei ihm war?

„Ich sollte gehen.“ Ihre Worte waren ein Flüstern in der Nacht – eine Bitte, ein Befehl an sich selbst. Trotzdem rührte sie sich nicht. „Weg von dir. Weil mir bewusst wird, wie viel ich nicht haben kann. Das hier …“ Sie hob seine Hände an ihr Gesicht und vergrub es in seinen Handflächen. „Es tut mir nur weh und erinnert mich daran, was ich nie hatte. Und nie haben werde.“

„Pst … ich will dich nur halten, Amira“, sagte er, auch wenn sich alles in seinem Kopf drehte. „Was auch immer du brauchst, es ist hier, jetzt, bei mir.“

Sie drehte sich um, schlang die Arme um seine Hüften und legte ihr Gesicht an seine Brust.

Der Duft ihrer Haare vermischte sich mit seinem Atem. Sie war so unschuldig, so zutraulich. Ein großes Geschenk. Ein Geschenk, das Zufar nicht verdiente. Das er nicht einmal schätzte. Warum sonst sollte sie sich so sehr nach der Gesellschaft eines Fremden sehnen?

Ein Geschenk, das unabsichtlich in Adirs Hände gefallen war.

Er hob ihr Kinn, damit sie ihn ansah. Das Verlangen in ihrem Blick verscheuchte jeden Zweifel, den er vielleicht gehabt haben mochte. Wilde Besitzgier erfasste ihn, und sanft berührte er ihre Lippen mit seinen.

Sie war so schön, jung und weich.

So leicht zu verführen.

Mochte auch etwas in ihm dagegen aufbegehren, unterdrückte er es mit der gleichen Unbarmherzigkeit, die ihn das raue Leben in der Wüste gelehrt hatte.

Zunächst war sie schockiert, dann beruhigte sie sich. Doch sie war bereits zu spüren, diese Hitze zwischen ihnen, ein kleiner Funke, der nur darauf wartete, entzündet zu werden.

Adir streichelte ihren Rücken, um sie zu beruhigen, während er sanft an ihren Lippen knabberte.

Honig und Hitze. Noch nie hatte er so etwas Vollkommenes gekostet. Es drängte ihn, sie gegen die Wand hinter ihnen zu pressen, ihren Körper an seinen. Mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen, in ihre Hitze … um sie zu der Seinen zu machen, hier, in diesem Moment, ihr seinen Stempel aufzudrücken …

Nein!

Eine kleine Stimme in ihm flüsterte. Aus welchen Gründen er dies auch immer wollte, es sollte auch für sie schön sein. Und deshalb musste er seine Libido zügeln.

„Adir?“, flüsterte sie scheu. „Warum hörst du auf?“

„Ich wollte, dass es für dich auch schön ist.“

„Es ist schön. Ich wusste gar nicht, dass ein einfacher Kuss so … machtvoll sein kann.“

Wie konnte eine unschuldige, behütete Schönheit genau die Worte sagen, die sein Blut befeuerten? Er vergrub seine Zähne in ihrer Unterlippe und leckte darüber, als sie stöhnte. „Bei einem richtigen Paar kann ein Kuss so viel mehr sein.“

„Dann ist es für dich also auch schön?“

„Du bist doch die Wissenschaftlerin, oder nicht?“

Sie zuckte die Schultern und musterte ihn mit ihren großen Augen. „Ich habe nur überlegt.“

Er rieb seine Nase an ihrer, eine Geste der Zärtlichkeit, die selbst ihn schockierte. Aber was war falsch daran, ihr das zu geben, was sie wollte? „Was hast du überlegt, Amira?“

„Ob du das Gleiche empfindest. Ich bin noch nie so geküsst worden.“

„Nicht einmal von deinem Verlobten?“

„Nein. Das höchste der Gefühle war, dass er meine Hand gehalten hat. Bei öffentlichen Feierlichkeiten.“ Sie blinzelte, und er wusste, dass er diesen Ausdruck in ihren großen Augen nie vergessen würde. Das deutlich erkennbare Verlangen. „Um auf uns zurückzukommen … du warst offensichtlich schon mit vielen Frauen zusammen.“

Er konnte sich nicht erinnern, ein Gespräch mit einer Frau jemals genauso genossen zu haben wie Sex. Aber wann hatte er je eine richtige Beziehung gewollt oder die Zeit dafür gehabt?

Für ihn waren Frauen nur dazu da, die Bedürfnisse seines Körpers zu befriedigen. Doch das geschah nur, wenn er im Ausland war, weil er die Frauen seiner eigenen Stämme nicht respektlos behandeln konnte, indem er sie zu seinen Geliebten machte.

Nicht, nachdem alle Macht in seinen Händen lag.

„Warum ist das offensichtlich? Und möchtest du es denn?“, neckte er sie.

„Nein“, antwortete sie entschieden. „Ich habe das Thema nur deshalb angeschnitten, weil ich neugierig bin, ob es sich für einen leidenschaftlichen Mann, der sexuell erfahren ist, genauso anfühlt wie für eine Frau, deren Verlobter sie kaum ansieht.“

Diesmal empfand er bei ihrem Eingeständnis eine seltsame Enge in der Brust. Die Chemie war etwas Merkwürdiges, was er nicht verstehen musste. An diesem Abend war sie nichts als ein Werkzeug, das er benutzen würde. So wie er es immer getan hatte, um seinen eigenen Weg zu finden, als er sich von einem Waisenkind zum Scheich gegnerischer Stämme hochgekämpft hatte.

Um der Mann zu sein, der das Unmögliche geschafft hatte.

Er legte ihre Hand über sein Herz, das viel zu schnell schlug. Dann auf seinen Bauch und weiter nach unten.

Sie schnappte nach Luft, als ihre Hand schließlich auf seinen Lenden ruhte. Er legte seine Hand über ihre, damit sie fühlen konnte, wie hart seine Männlichkeit war. Als sie ihn mit ihrer angeborenen Neugier erkundete, merkte er, dass es keine gute Idee gewesen war.

Schnell griff er nach ihrem Handgelenk. „Seit ich dich berührt habe, bin ich erregt. Unser Kuss war wie ein Funke, der entzündet werden will, und ich kann es kaum erwarten, ihn brennen zu sehen.“

Helle Freude erleuchtete ihr Gesicht.

Sanft küsste er sie. Dann zeichnete er mit der Zunge ihre Lippen nach und zog sie noch näher an sich. Er hauchte Küsse auf ihren Hals, ihre Wange, die Nase, die Augenlider und ihre Schläfen, bis er das Gefühl hatte, schon eine Ewigkeit darauf gewartet zu haben, von ihr kosten zu können. Bis jeder Muskel in seinem Körper sich zusammenzog, während sie in ihrer Unschuld mit dem Bauch über seine erregte Männlichkeit rieb.

„Ich könnte das die ganze Nacht machen“, flüsterte er und wollte nicht, dass sie bereits so viel Macht über ihn hatte. Dies war nur ein Mittel zum Zweck, allerdings ein sehr vergnügliches.

Sie stöhnte an seinem Mund, und er verstärkte den Druck. Adir konnte sich nicht erinnern, je so versessen darauf gewesen zu sein, von den Lippen einer Frau zu kosten.

Nein, von den Lippen dieser Frau. Ihrem Körper, ihrer Unschuld und dem Verlangen, das sie so deutlich zeigte.

Als er Einlass in ihren Mund forderte, gab sie nach und klammerte sich an ihn. Sie legte die Hände auf seine Schultern, bog sich ihm entgegen.

Er würde ihr geben, was sie sich so verzweifelt wünschte. Sie würde bereitwillig mitkommen, das wusste er. Denn dieses Feuer zwischen ihnen hatte er noch nie verspürt.

„Komm mit mir, Amira. Für eine Nacht. Ein paar Stunden.“

Ihre geschwollenen Lippen zitterten, und in ihren Augen schimmerte Begierde, aber auch noch etwas anderes. Er müsste sie nicht fragen, ob sie es wollte, und doch sollte sie selbst entscheiden.

Er würde sich nehmen, was er wollte – Rache. Er würde etwas stehlen, was seinem Halbbruder gehörte, so wie Zufar ihm etwas genommen hatte. Und seine Rache wäre umso süßer, wenn seine Verlobte freiwillig mitkommen würde.

Wenn sie ihm den Vorzug gab, und sei es nur für ein paar Stunden …

„Entscheide dich, Amira.“ Er strich mit dem Daumen über ihre zitternden Lippen. Sein Körper verlangte nach ihr. Und doch wählte er seine Worte mit Bedacht, um ihr den letzten Rest an Angst und Zweifel zu nehmen. „Du kannst wieder ins Bett gehen und dich dein ganzes Leben lang fragen, welchen Zauber wir gemeinsam erlebt hätten. Oder …“ Er strich mit den Lippen über ihren Hals und merkte, dass sie zuckte. Mit einem verschlagenen Lächeln saugte er an der zarten Haut. Er wusste, dass sie bereit für ihn war, auch wenn es ihr selbst noch nicht klar war. „Oder du kannst dich für mich entscheiden. Für dies hier. Für ein paar Stunden.“

Als sie seine Fingerknöchel küsste und ihn mit Tränen in den Augen ansah, verdrängte er den Anflug von Bedenken, den er empfand.

Du bist ein Schandfleck.

Er würde Zufar für diese Bemerkung zahlen lassen. Ohne schlechtes Gewissen würde er sich das nehmen, was ihm angeboten wurde.

Ein Gefühl des Triumphs erfasste ihn, als sie sagte: „Ja, ich … ich würde gerne … ein paar Stunden mit dir verbringen.“

Er presste seinen Mund gegen ihre Schläfe und hielt sie fest, bis sie aufhörte zu zittern.

„Ich werde dich unversehrt zurückbringen, ja?“

Als sie nickte, eroberte er ihren Mund in einem leidenschaftlichen Kuss und vergaß in diesem Moment, dass sie unschuldig war. Er biss in ihre volle Unterlippe, und als sie stöhnte, schlang er seine Zunge um ihre. Hitze baute sich in ihm auf, angestachelt von einer dunklen Begierde, sie zu besitzen. Sich das zu nehmen, was von Rechts wegen Zufar gehörte.

Dem legitimen Sohn seiner Mutter, dem Mann, der im Begriff war, König von Khalia zu werden. Der nie an seiner Herkunft oder seinem Platz in dieser Welt gezweifelt hatte, und der selbst jetzt Adir seinen rechtmäßigen Platz verweigerte, obwohl er Khalia schon in seinen Händen hielt …

Es war eine gebührende Rache.

Sein Körper zitterte vor Verlangen, in ihr zu sein, hier … bei dieser dunklen Treppe. Aber Adir war kein Wilder, egal, was sein Halbbruder von ihm denken mochte.

Er riss sich zusammen und löste sich von ihrem verführerischen Mund.

Amira atmete heftig. „Wo gehen wir denn hin?“ Ihre Augen leuchteten vor spitzbübischer Freude, obwohl sie zitterte. „Ich muss zurück sein, bevor …“

„Ich habe so viele Geschichten über ihre Gärten gehört“, sagte er und erinnerte sich an die Briefe seiner Mutter, in denen sie die Gärten beschrieben hatte. „Dass sie viele Stunden dort gearbeitet hat und sie ihre wahre Liebe gewesen sind.“

„Die Gärten der Königin? Du weißt davon?“

Er nickte.

Ein breites Lächeln umspielte Amiras Lippen. „Genau dort wollte ich heute Abend auch hingehen.“

Er nahm ihre Hand und führte Amira die Stufen hinunter. „Dann muss es Schicksal sein, dass ich dich ausgerechnet heute getroffen habe.“

Sie blieb stehen und sah ihn entschlossen an. „Nein, es ist kein Schicksal, Adir. Wir beide sind hier, weil wir einen Entschluss gefasst haben. An diesem Abend gibt es kein Schicksal, keine Mächte, die über uns bestimmen. Nur dich und mich.“

„Dich und mich“, stimmte Adir zu und zog sie weiter, bevor sie den dunklen Schatten in seinen Augen sehen konnte.

Sie war die Seine in dieser Nacht. Nicht Zufars. Nur daran sollte er denken.

Amira hatte das Gefühl, in den letzten beiden Stunden auf Wolken geschwebt zu sein, während sie mit Adir durch die berühmten Gärten von Königin Namani spazierte. Zwei Stunden, in denen sie gelacht, geredet, sich geneckt hatten.

Zwei Stunden, in denen sie mehr sie selbst gewesen war als in ihrem ganzen Leben.

Adir hatte sie in wenigen Sekunden von dem Treppenaufgang durch einen weiteren Flur im Palast geführt, der von bewaffneten Männern bewacht wurde.

Fast schien es, als wäre er darauf trainiert, das Militär von Khalia zu überlisten. Vielleicht hatte er sich den Grundriss des Palastes aber auch eingeprägt, weil er alle Ein- und Ausgänge in den beleuchteten und unbeleuchteten Fluren kannte, die in die Gärten führten. Wege, die selbst Amira nicht kannte, obwohl sie seit Jahren immer wieder zu Besuch kam.

Gehörte er vielleicht zu dem Wachpersonal, das eigens für das Begräbnis der Königin angeheuert worden war? War sie vielleicht nur eine von etlichen Frauen, mit denen er so etwas machte?

Amira verwarf den Gedanken. Es war ihr egal, was er machte oder wie er lebte. Sie konnte es sich nicht leisten, darüber nachzudenken, wenn sie sich diese Nacht stehlen wollte. Wenn sie glauben wollte, dass sie ein paar Stunden mit einem Mann verdiente, der sie wirklich sah. Der sie bewunderte, mochte und sich zu ihr hingezogen fühlte.

Entsetzen hatte in seinem Blick gestanden, als sie ihm gestand, mit wem sie verlobt war. Aber danach hatte er Prinz Zufar nicht mehr erwähnt. Oder die königliche Familie. Nur Königin Namani kam ab und zu in ihrem Gespräch vor. Amira spürte eine gewisse Ehrfurcht in seiner Stimme, wenn er von der verstorbenen Königin sprach, ignorierte es aber. Was sie von der Königin dachte, auch wenn es seinen Ansichten widersprach, spielte jetzt keine Rolle.

Diese Nacht gehörte ihr.

„Ist dir kalt?“, fragte er, als sie zitterte.

Sie nickte und war sofort eingehüllt von seiner warmen Jacke.

Obwohl die Luft erfüllt war von dem starken Duft des Nachtjasmins, roch sie seinen Duft auf ihrer Haut. Sie spazierten durch ein kleines Labyrinth, bis sie zu dem berühmten Springbrunnen in der Mitte kamen, der beleuchtet war.

Unzählige Male hatte sie den Palast besucht, hatte diesen gemütlichen Platz inmitten des Labyrinths jedoch noch nie gesehen. Es war ein verschwiegener Ort, den König Tariq als Geschenk für seine Frau hatte anlegen lassen.

Galila hatte ihr nie erzählt, ob es ihrer Mutter gefallen hatte oder nicht.

Es war eine wunderschöne, magische Nacht, und dieser Ort schien wie für sie geschaffen, mit den hohen Hecken, die keinen Einblick boten, und dem ständigen Plätschern des Wassers, das alle anderen Geräusche verschluckte.

Und all ihre Sinne waren nur auf den Mann gerichtet, der ihre Hand hielt.

„Warum Krankenschwester?“, fragte er.

Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. „Als ich ein kleines Mädchen war, hat meine Mutter mir erzählt, dass sie immer davon geträumt hat, Medizin zu studieren. Sie hat mir einen kleinen Arztkoffer geschenkt, und wir haben oft damit gespielt. Sie war die Patientin, ich die Ärztin.

Ich glaube, ihr hat es genauso viel Spaß gemacht wie mir. Eines Tages fühlte sie sich wirklich krank. Ich saß immer bei ihr und habe gelernt. Und dann plötzlich war sie nicht mehr.

Ich war eine gute Schülerin und hatte immer die besten Noten. Doch als ich meinem Vater gesagt habe, dass ich gerne Medizin studieren würde, war er dagegen. Er meinte, ich sei für etwas Besseres bestimmt. Bald waren Zufar und ich offiziell verlobt. Kurz danach, bei einem königlichen Dinner, habe ich ihm erzählt, dass ich Krankenschwester werden möchte. Ich habe ihm gesagt, dass meine Ausbildung mir bei den verschiedenen Stiftungen für Kinder zugutekommen würde, mit denen ich in Zukunft zusammenarbeiten würde. Dass ich seine Erlaubnis brauche, um mich über die Weigerung meines Vaters hinwegsetzen zu können. Und wenn er mir jetzt sofort seine Zustimmung geben würde, dann würde ich ihn nie mehr im Leben um irgendetwas bitten. Es war das einzige Mal, dass er mich richtig angesehen hat.“

„Was hat er gesagt?“

Seine Stimme klang seltsam eindringlich, und Amiras Lächeln verblasste. „Dass er … sehr viel lieber eine Frau will, die glücklich ist, statt eine, die das Leben aller anderen zerstört. Er … hat meinem Vater gesagt, dass meine Erziehung, meine Zukunft ihm als meinem zukünftigen Ehemann zugutekommt. Dafür hätte ich ihn küssen können.“

„Hast du es getan?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Selbst wenn, wäre es nur aus Dankbarkeit geschehen und hätte nichts von unserem Kuss gehabt.“ Sie konnte sich nicht vorstellen, Zufar jemals so zu küssen wie Adir.

Er drehte sie zu sich, sein Gesicht verschattet. „Für eine Frau, die so betörend unschuldig aussieht, bist du ziemlich gerissen.“

„Aus deinem Mund klingt es so, als sei ich … verrucht.“

Er lachte. „Du hast die Gelegenheit beim Schopf gefasst, um deinen Traum zu verwirklichen. Es ist ein Kompliment, Amira.“

Und weil er so aufrichtig klang, stellte Amira sich auf die Zehenspitzen und presste ihre Lippen auf seine. Sie wollte sein Lachen und seine Komplimente. Aber sie wollte auch seine Hitze, seinen Körper. Und erleben, wie es war, eine Frau zu sein, die sich verzweifelt nach einem Mann verzehrte.

Diesmal öffnete sie sich ihm. Und als er sie jetzt küsste, war sie bereit für ihn.

Sie wollte seine männliche Hitze, seine Finger, die sie berührten.

Amira klammerte sich an ihn, während ihre Zungen miteinander spielten.

Schließlich hob er ihr Kinn. „Ich würde gerne an dem Tag da sein, wenn Amira Ghalib sich entschließt, wirklich verrucht zu sein.“

Mit dem Daumen zeichnete sie seine Lippen nach und spürte seine harte Männlichkeit an ihrem Bauch, die ihre Haut in Flammen setzte.

„Jetzt ist dieser Moment, Adir. Ich möchte verrucht sein. Mit dir.“

Seine dunklen Augen leuchteten vor Begierde. „Hier, mit mir?“

Als er ihr die Jacke von den Schultern nahm und auf den Rasen legte, klopfte Amiras Herz heftig. Und als er sie dann umdrehte und den Reißverschluss hinten an ihrem langen Kleid bis zum Po herunterzog, wurde ihr Atem flach.

Während er das Kleid über ihre Schultern streifte und ihren Rücken küsste, glaubte sie, innerlich zu verbrennen.

Er fiel auf die Knie, drehte sie zu sich um, umfasste ihre Hüften und atmete tief ein, als wollte er den Duft ihrer Erregung in sich aufnehmen. Und als er dann mit der Hand ihr Höschen zur Seite schob, gaben die Knie unter ihr nach, und sie sank in seine wartenden Arme.

Nie würde sie die Geräusche, die Düfte, die Seufzer dieser Nacht vergessen, als er ihr sagte, dass ihr Duft keinem anderen auf der Welt gleichkam.

Nicht das Leuchten der Sterne hoch am Himmel, als er eine ihrer Brustspitzen in den Mund nahm und sie reizte. Auch nicht ihr Stöhnen, als er so sanft mit zwei Fingern in sie eindrang, dass sie glaubte, vor Verlangen explodieren zu müssen.

All die Gefühle, die sie überschwemmten, als er endlich zu ihr kam, den flüchtigen, scharfen Schmerz, das Gefühl, ganz von ihm erfüllt zu sein und dass sie nie wieder ganz sein würde ohne ihn.

Sie wollte in dieser Lust versinken, die ihre Körper gemeinsam erschufen, sich ihm ganz überlassen.

Silbernes Mondlicht liebkoste seine markanten Gesichtszüge, die angespannt wirkten vor Lust. Als er ihr dann voller Verlangen in die Augen sah, stützte Amira sich auf die Ellbogen und küsste ihn.

Er schmeckte nach Schweiß, Pferden und Männlichkeit.

„Du möchtest etwas“, flüsterte er.

„Ich will dich berühren.“

Er nickte.

Begierig fuhr Amira mit den Händen unter sein zugeknöpftes Hemd. Seine Haut, weich und rau, war warm, sein Herz raste unter ihren Fingern. Sie strich über seine Brust, erkundete seinen muskulösen Bauch und wanderte tiefer, dort, wo sie beide vereint waren.

„Gefällt dir das?“, fragte sie und wollte mehr, immer mehr.

Er kreiste mit den Hüften. „Zweifelst du immer noch daran, habibti?“

Und dann fanden seine Finger die empfindsame Perle ihrer Lust. Er reizte sie meisterhaft, und Amira glaubte, vergehen zu müssen, wenn sie nicht …

Dann endlich stieß sie einen kehligen Laut aus, als sie vor Erlösung immer wieder zuckte.

„Du bist das Schönste, was ich je gesehen habe“, sagte er heiser.

Als er sich dann schneller in ihr bewegte und ihr in die Augen sah, während er selbst von seinem Höhepunkt überschwemmt wurde und sich ihr in all seiner Verletzlichkeit offenbarte, wusste Amira, dass sie richtig entschieden hatte.

Dieser Mann gehörte ihr, in diesem Augenblick.

3. KAPITEL

Vier Monate später

Amira drehte sich zur Seite und starrte in den großen, vergoldeten Spiegel. Überall um sie herum gab es goldene Möbel und kostbare Teppiche, doch es war ein Käfig.

Ein goldener Käfig, in dem sie keine Freiheiten hatte. Ein Ort, an dem niemand ihr wahres Selbst kannte.

Sie legte die Hände auf ihren gerundeten Bauch, der sich unter den üppigen Falten ihres mit Juwelen besetzten Hochzeitskleids verbarg.

Ihr Hochzeitskleid … ihr Hochzeitstag … und sie war schwanger mit dem Kind eines anderen Mannes.

Adirs Kind.

Die unzähligen Edelsteine auf dem engen Oberteil glitzerten im Spiegel, und die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster in den Raum fielen, spiegelten die Steine überall wider. Selbst in ihren Augen, wenn sie aufsah.

Wenigstens wirkten ihre Tränen auf diese Weise wie eine Lichttäuschung. Ihre Freundin Galila und das Dienstmädchen, das ihr zugeteilt worden war, hatten ihr ohnehin schon seltsame Blicke zugeworfen, als sie darauf bestanden hatte, das schwere Kleid allein anzuziehen.

Aber vielleicht hätte sie ihnen doch den Beweis dieser einen Nacht, in der sie frei gewesen war, zeigen sollen. Vielleicht wäre es besser, wenn das Kleid ihren gerundeten Bauch nicht kaschierte.

Die Wut ihres Vaters hatte keine Grenzen gekannt, als sie ihm davon erzählte. Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, wie wichtig es ihm war, der Vater der Königin zu sein. Bis zu diesem Abend, als er sie in ihr Zimmer gestoßen und sie dort eingeschlossen hatte, hatte sie immer Entschuldigungen für sein autokratisches Verhalten gefunden, manchmal sogar für seine Gewalt.

Was würde König Zufar seiner Meinung nach wohl tun, wenn er herausfand, dass seine Frau schwanger mit dem Bastard eines anderen Mannes war? Ein Wort, das sie abgrundtief hasste und das ihr Vater immer wieder benutzt hatte, um ihr einzubläuen, dass ihr Kind so genannt würde, wenn sie König Zufar nicht heiratete.

Ya Allah, sie hasste Betrug.

Zufar, dessen Vater kurz nach dem Tod seiner geliebten Königin abgedankt hatte, hatte zwar nie Interesse an ihr gezeigt, aber das hatte er nicht verdient.

Ihr Vater wollte sie zwingen, das Kind wegzugeben. Ein Makel, der ihren Ruf beschmutzte und entfernt werden musste …

Als sie aufstöhnte, zuckten Galila und das Dienstmädchen zusammen.

Trotz der Drohungen ihres Vaters hatte sie am Abend zuvor alles darangesetzt, sich mit König Zufar allein zu treffen. Irgendwie hätte sie ihm schon klargemacht, warum die Hochzeit abgesagt werden musste. Er hatte zugestimmt, sie in seinem Arbeitszimmer zu empfangen. Doch ihr Vater hatte sie zwei Schritte davor abgefangen.

Er hatte sie zurück in ihr Zimmer gezerrt und sie mit solch brutaler Gewalt geschlagen, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Und heute Morgen war es zu spät.

König Zufar war bereits unterwegs zu der Parade und würde auf sie in der Halle warten, wo die Hochzeitsfeierlichkeit stattfinden sollte.

Bei jedem Wachmann, jedem Würdenträger, der zu Gast war, jedem Mann, der ihr über den Weg lief, hatte sie nach diesen breiten Schultern, diesem ernsten Gesicht gesucht. Diesem verschlagenen Lächeln.

Sie hatte es deshalb getan, weil sie einen Weg aus ihrer Zwickmühle suchte, wie sie sich einredete. Weil sie dieser Farce, auf der ihr Vater bestand, unbedingt Einhalt gebieten musste. Nur deshalb.

Doch von Adir war nichts zu sehen.

„Amira … ist alles in Ordnung?“, fragte ihre Jungenfreundin Galila – Prinz Zufars Schwester.

„Wusstest du eigentlich“, gab sie ausweichend zurück, „dass man mit dem Geld, das während der letzten Jahrhunderte für das Brautkleid der zukünftigen Königin verwendet wurde, allen Armen von Khalia Essen und Kleidung hätte beschaffen können? Dass es dreihundert Tage dauert und man zwanzig Frauen dazu braucht, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, umso ein Kleid fertigzustellen?“

Mit besorgtem Blick griff Galila nach den Händen ihrer Freundin. „Mein Bruder mag nicht … der ideale Mann sein. Aber er ist kein Monster, Amira.“ Sie wusste um die Wutausbrüche von Amiras Vater und glaubte wohl, dass ihre Freundin deshalb Angst hatte.

Unfähig, dem Blick ihrer Freundin zu begegnen, entzog sie sich Amira.

Galila seufzte. „Das Mädchen und ich holen jetzt den königlichen Schmuck. Ist es in Ordnung für dich, wenn wir dich kurz alleinlassen?“

„Ja, natürlich“, antwortete Amira automatisch. Doch zehn Minuten später war ihre Panik noch größer geworden.

Ob sie davonlaufen könnte, bevor Galila und das Mädchen mit dem Schmuck zurückkamen? Könnte sie auf dem Weg zu dem riesigen Kronsaal vielleicht vorgeben, dass ihr übel sei, und sich dann irgendwie aus dem Palast stehlen?

Mit den Edelsteinen auf dem Kleid könnte sie sich wahrscheinlich ein paar Monate über Wasser halten. Aber wie weit würde sie mit dem schweren Kleid und in ihrem geschwächten Zustand kommen? Seit fast einer Woche hatte sie kaum etwas von ihrem Frühstück bei sich behalten.

Außerdem würde das teure Kleid sie verraten. Was bedeutete, dass sie es ausziehen musste, wenn sie ungesehen fliehen wollte. Und um das Kleid auszuziehen, brauchte sie …

Fast hysterisch vergrub sie den Kopf zwischen den Knien.

Sie würde das Baby behalten, ganz egal, was geschah. Sie würde nicht zulassen, dass sie getrennt wurden.

Nur dieser Gedanke gab ihr neuen Mut.

Sie trank gerade einen Becher Wasser, als der Riegel an dem großen Fenster klapperte. Amira runzelte die Stirn. Es war nicht windig. Ganz im Gegenteil. Galila und das Mädchen hatten erklärt, dass es ein wunderschöner Tag sei, um zu heiraten.

Ihr stockte der Atem, als ein Schopf dunkler Haare draußen vor dem Fenster auftauchte. Und dann ein Gesicht, das sie seit vier Monaten in ihren Träumen verfolgte.

Der Silberbecher fiel ihr aus der Hand, während ihr Herz laut hämmerte.

Breite Schultern. Schmale Hüften. Muskulöse Schenkel rittlings über ihren Hüften, als er in sie eingedrungen und ihr solch unbeschreibliche Lust geschenkt hatte, dass ihr selbst jetzt wieder heiß wurde.

Geschickt landete Adir im Zimmer.

Salam-alaikum, Amira.“

Sie griff nach der Rücklehne eines Stuhls und blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. Adirs Anwesenheit bedeutete Hilfe. Und dass sie die Hochzeit nicht über sich ergehen lassen musste.

Warum er hier war, spielte keine Rolle. Er hatte ihr nichts versprochen, und sie erwartete nichts. Doch er würde ihr bei der Flucht helfen. Dann könnte sie für sich und das Baby ein Leben aufbauen, das sie allein bestimmen würde. Wenn sie sich erst zurechtgefunden hatte in diesem neuen Leben, könnte sie es ihm vielleicht sagen, ohne ihn zu etwas zu zwingen. Er sollte sein Leben weiterführen.

Vielleicht wäre er einverstanden, ihr Kind zu besuchen, wenn es seine Arbeit erlaubte oder er im Land war. Vielleicht könnten sie …

„Amira?“

Sie zuckte zusammen. „Ich habe Angst, dass du gar nicht wirklich da bist. Ich weiß, es ist irrational, weil ich dich sehe. Mein Körper erinnert sich an deinen Duft nach Pferd, Sandelholz … nach dir. Aber der Geist gaukelt einem manchmal etwas vor. Ich habe meine Mutter Monate nach ihrem Tod auch immer gesehen. Halluzinationen werden verursacht durch …“

„Wie viel Zeit bleibt noch, bis du den König heiratest?“

Sie zuckte zusammen, als sie den Hass in seiner Stimme hörte. Dies war nicht der charmante, gelassene Mann, dem sie ihre Unschuld geschenkt hatte. Irgendetwas war anders.

Er lächelte nicht. Nein, das war es nicht allein. In dieser Nacht damals hatte er auch nicht oft gelächelt. Vielmehr lag jetzt etwas anderes in seinem Blick.

Eine dunkle Eindringlichkeit.

War es Missgunst? Wut? Aber warum?

Auf leisen Sohlen trat er zu ihr. Als er ihr ins Gesicht sah, wurden seine Züge einen Moment weicher, und sie bemerkte einen Anflug von Zärtlichkeit, die sie in dieser unglaublichen Nacht erlebt hatte.

„Mein Vater wird eine Stunde vorher kommen, um mich zu begleiten“, sagte sie ruhig, bevor Schmerz in ihre Stimme zurückkehrte. „Warum siehst du mich so seltsam an?“

„Tue ich das?“

„Ja.“

„Ich habe mich nur gefragt, ob diese eine Nacht unerlaubter Freiheit die Lust nach Rebellion ausgelöscht hat. Bist du glücklich, deinen König heute zu heiraten?“

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. „Wie kannst du es wagen …“ Sie wandte den Blick ab und schluckte die Wut herunter, die in ihr aufgestiegen war.

Wer war dieser Mann, der in Rätseln sprach? Wie viel wusste sie wirklich über diesen Fremden? Wie würde er wohl reagieren, wenn er erfuhr, dass ihre gemeinsame Nacht unwiderrufliche Konsequenzen hatte?

„Bitte … Adir. Tu nicht so, als wüsstest du, was mich zu meinen Entscheidungen treibt. Alles, was ich tue oder nicht tue, hat Konsequenzen.“ Und sie hatte Angst davor, es ihm jetzt zu sagen.

„Wohin hat er dich diesmal geschlagen?“, fragte er so übergangslos, dass Amira verblüfft war, wie schnell er verstanden hatte.

Wieder erfasste sie ein Gefühl von Scham. „Ich wollte König Zufar sagen, dass ich … ihn nicht heiraten kann. Vater … hat mich in mein Zimmer gestoßen, um mich davon abzuhalten. Ich bin gefallen, habe mir den Kopf am Tisch angeschlagen und bin ohnmächtig geworden.“

Sein Gesicht zeigte so wilden Zorn, dass sie zurückwich.

„Mit ihm werde ich mich ein anderes Mal befassen.“

„Es ist nicht deine Sache, mich zu verteidigen.“

„Trotzdem … du hast jetzt die Wahl, Amira.“

Sie wusste nichts über diesen Mann, außer dass er ihr eine Nacht unglaublicher Lust geschenkt hatte. Doch im Moment war er ihre einzige Option. Um zu fliehen, nichts sonst.

„Willst du ihn heiraten?“

„Nein.“

„Dann komm mit mir.“

„Jetzt?“

Er nickte knapp und trat näher, bis sie umgeben war von seinem Duft, an den sie sich so gut erinnerte.

Ein Gefühl von Sicherheit und Freude hüllte sie ein. Sie sah in seine wunderschönen Augen. Er machte keine Zusagen, keine Versprechungen.

Trotzdem vertraute Amira diesem Fremden mit dem intensiven Blick mehr als jedem anderen in ihrem Leben. Er ließ ihr die Wahl. Zum ersten Mal in ihrem Leben behandelte ein Mann sie wie eine Person, nicht wie ein Ding, das man kontrollierte oder formte.

In diesem Moment wollte sie nichts anderes, als dieses Leben, diesen Palast verlassen, in dem der König auf sie wartete. Was die Zukunft für sie bereithielt – und ob dieser Mann dabei eine Rolle spielte –, darüber würde sie später nachdenken.

„Ja, ich werde mit dir gehen, Adir.“

Befriedigung zeigte sich auf seinem Gesicht. Er umklammerte ihren Unterarm und zog sie zum Fenster.

Plötzlich blieb er stehen und warf einen Blick auf ihr prächtiges Hochzeitskleid. „Zieh dieses Ding aus.“

Bei seinem barschen Befehl blieb ihr die Luft weg. „Galila und das Mädchen werden bald zurück …“

„Du wirst nicht gehen, solange du irgendetwas trägst, was König Zufar gehört. Du wirst alles zurücklassen, Amira … das ganze Leben hier. Verstehst du?“

Sie runzelte die Stirn. „Ja, aber …“

Als er nur den Kopf schüttelte, wurde Amira klar, dass er nicht nachgeben würde. Ein dunkles Leuchten stand in seinem Blick, während er die Arme verschränkte und wartete.

Ihr Herz hämmerte. Sie konnte sich nicht vor ihm umziehen, weil er dann ihr Bäuchlein sehen würde. Und sie wollte jetzt noch nicht mit ihm darüber sprechen.

„Ich werde ein anderes Kleid anziehen.“ Schweiß perlte auf ihrer Stirn. „Aber du musst mir den Reißverschluss hinten herunterziehen.“

Er bedeutete ihr mit einem Finger, sich umzudrehen.

Mit angehaltenem Atem präsentierte sie ihm ihren Rücken und hörte, wie er den Reißverschluss herunterzog. Ihre Haut brannte, wo seine Finger sie berührten. Als sein Atem federleicht über ihren Nacken strich, erschauerte sie.

Amira raffte ihr Kleid und schlüpfte hinter den Wandschirm. Mit zitternden Fingern zog sie ihr Hochzeitskleid aus, hängte es auf und zog ein anderes Kleid aus Seide an. Endlich konnte sie wieder besser atmen. Es fühlte sich an, als hätte sie den ersten Schritt getan, um wieder selbst über ihr Leben zu bestimmen. Als wäre sie aus einem unsichtbaren Käfig getreten, der sie all die Jahre beengt hatte.

Sie trat hinter dem Wandschirm hervor.

Etwas leuchtete in Adirs Blick auf, doch als er sprach, klang er sachlich. „Komm, draußen im Innenhof wartet ein Jeep.“

Amira ging zu ihm. Als wäre sie leicht wie eine Feder, hob er sie auf das breite Fensterbrett.

Sie schwang die Beine hinüber und wollte gerade springen, als Galila und das Mädchen mit dem Schmuck das Zimmer betraten.

„Amira? Was ist hier los? Wohin willst du …?“ Und dann: „Adir? Was machst du hier? In Amiras Gemach?“

Amiras Puls setzte aus, während ihr Verstand langsam Galilas Worte verarbeitete.

Galila kennt Adir? Wie das? Wer ist er?

Adir bedeckte mit seiner rauen Handfläche ihren Mund, ehe sie eine Frage stellen konnte. Die Arme um ihre Schultern geschlungen, kletterte er über das Fensterbrett.

Während er Amira mit einem Arm festhielt, drehte er sich mit grimmigem Lächeln zu Galila um.

„Sag deinem Bruder, dass ich seine kostbare Braut nicht nur verführt habe, sondern dass sie auch freiwillig mit mir davonläuft. Und dass ich ihm seine zukünftige Königin nehme, so wie er mir mein Geburtsrecht genommen hat.“

Bevor Amira glauben konnte, dass er dies wirklich gesagt hatte, fielen sie.

Er hatte sie verführt? Um König Zufar zu demütigen?

Plötzlich wirkte ihre gemeinsame Nacht falsch, verdorben. Und obwohl sie inzwischen wieder festen Boden unter den Füßen hatte, hörte ihre Welt nicht auf, über ihr zusammenzustürzen.

Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf und verschluckte ihren Protest. Adir packte sie bei der Hüfte und zog Amira mit sich. Die heiße Morgensonne nahm ihr den Atem. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, ihr Mund trocken.

All die Fragen, die Amira ihm stellen wollte, blieben ihr im Hals stecken, während Punkte vor ihren Augen tanzten. Schließlich sank sie in willkommenes Vergessen.

4. KAPITEL

Adir warf einen Blick auf Amiras reglose Gestalt, während er den Jeep über den holprigen Pfad lenkte, der in die Wüste führte.

Ihre leuchtend goldene Haut sah beunruhigend blass aus, wie hauchdünnes Pergament. Blaue Schatten lagen unter ihren Augen. Ihre langen dichten Wimpern ruhten wie die ausgebreiteten Schwingen eines Falken auf ihren hohen Wangenknochen.

Unschuldig und gebildet, kultiviert und sinnlich, war sie wirklich eines Königs wert. Und er hatte sie Zufar unter der Nase weg gestohlen. Jetzt würde Zufar sich der Welt, seinem kostbaren Khalia und dessen Volk ohne Braut stellen müssen, zutiefst gedemütigt. Allein bei dem Gedanken an den wütenden Blick seines Halbbruders musste Adir lächeln.

Weshalb kam sie nicht wieder zu Bewusstsein?

Mit dem Jeep erklomm er eine hohe Düne, von der aus man die Wüste überblickte und die Grenze seiner eigenen Region.

Khalia, Königin Namanis Versprechen, Zufars Arroganz, die Unruhe, die er in der Nähe seiner Geschwister verspürte … all das lag nun hinter ihm.

Hier war er der Herrscher. Der Gebieter der härtesten Geliebten von allen – der Wüste. Hier hatte er sich aus der Asche der schmutzigen Geheimnisse, die seine Geburt umgaben, eine Identität aufgebaut.

Obwohl er schon seit einunddreißig Jahren hier lebte, nahm ihm die raue Schönheit, die sich vor ihm ausbreitete, immer wieder den Atem. Endlose Dünen in alle vier Himmelsrichtungen. Und dahinter befand sich sein Lager, das im Gegensatz zu dieser unendlichen Einsamkeit wie eine saftig grüne Fata Morgana wirkte.

Bewaffnete Wachmänner, die darauf geschult waren, ihre offensichtliche Neugier nicht zu zeigen, blieben ein Stück zurück, als er um den Jeep herumging und Amira sanft hochhob. In seinem Zelt standen bereits Wasser, Früchte und andere Dinge bereit, die er vielleicht brauchte, um sie wieder zu Bewusstsein zu bringen.

Gerade als er sie mitten zwischen die bunten Kissen auf dem Diwan legte, öffneten sich flatternd ihre Augenlider.

Er hielt sie, während sie langsam wieder zu Bewusstsein kam.

Ihre Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten in dem zarten Gesicht. Sie hatte ihn erkannt und erwiderte seinen Blick voller Freude, die bis in seine Seele vordrang. Doch ihr Strahlen verschwand so schnell wie das Trugbild von Wasser in der erbarmungslosen Wüstensonne.

Vorsicht und Angst erwachten in ihrem Blick. Einen Atemzug später zuckte sie abrupt vor ihm zurück.

Adir erstarrte, sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. Er hatte etwas gespürt, kurz bevor sie zurückgezuckt war. Als sein Arm über ihren Rippenbogen strich und seine Hand auf ihrem Bauch ruhte.

Eine leichte Wölbung, wo sie vorher flach gewesen war. Er wusste es, weil er ihren weichen Bauch geküsst hatte und mit der Zunge darübergefahren war …

War Amira schwanger? Mit seinem Kind?

Seine Fingerknöchel wurden weiß. Wut, Angst und so vieles andere bedrängten ihn. Wäre er eine Stunde später gekommen, dann hätte sein Halbbruder sie geheiratet.

Sein Kind würde Zufar gehören, und der könnte damit machen, was er wollte.

Für ihn wäre es für immer verloren. Er hätte nie davon gewusst.

Ein Knurren entfuhr ihm. „Amira …“

„Nein, hör auf.“

Sie hatte sich halb aufgesetzt. Ihr Blick wirkte panisch, verschwommen. Sie wirkte wie ein Reh, das sich einem Raubtier gegenübersah. Er war das Raubtier, das sie fürchtete.

Adir hob die Hände hoch, um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts Böses wollte. Trotzdem atmete sie nicht regelmäßiger. Vielmehr wurde ihre Unruhe noch größer, als ihr Blick von ihm durch das Zelt schweifte. Ihre Brust hob und senkte sich. Ihre Wangen wurden beunruhigend blass, und Schweißperlen standen auf ihren Lippen.

„Ich bekomme … keine Luft“, wisperte sie.

Adir zog sein Messer heraus, das er immer am Bein trug, und schnitt mit präzisen Bewegungen das Oberteil ihres Kleids vom Hals bis unterhalb des Nabels auf.

Er hatte sich immer als gebildeten Menschen betrachtet, der sich zum Wohl seines Volkes dem Fortschritt verschrieben hatte, dabei die Traditionen aber nicht vergaß. Doch als er ihr Kleid aufschnitt, fühlte er sich wie einer seiner Vorfahren aus der Wüste, von denen man ihm als Junge Geschichten erzählt hatte. Von Kriegern, die Städte einnahmen und sich unbeschreibliche Schätze sicherten.

Einen Schatz hielt er jetzt in seinen Händen.

„Nein, warte …“, bettelte sie mit dieser panischen Stimme.

Statt ihrer Bitte nachzukommen, hielt er das Messer zwischen den Zähnen, griff nach dem zerrissenen Oberteil und zog es herunter.

Dann stand er langsam auf und steckte sein Messer zurück in die Scheide. Erst jetzt gestattete er sich, Amira anzusehen.

Lockige Strähnen hatten sich aus ihrer komplizierten Frisur gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht. Ein lächerliches hauchdünnes Ding aus cremefarbener Spitze bedeckte sie von den Brüsten bis zu den Schenkeln. Adir blieb die Luft im Hals stecken.

Vier Monate hatte er von ihr geträumt.

Unter der dursichtigen Spitze war nichts als ihr Fleisch. Das er berührt, geküsst und liebkost, aber nicht gesehen hatte, außer wenn das Mondlicht ihm einen verstohlenen Blick gewährt hatte.

Jedes Mal, wenn er an Nachtjasmin vorbeiging, wurde er an sie erinnert. An weiche Rundungen, leise Schreie und Haut, weich wie Seide. An unbeschreibliches Vergnügen.

Nun sah er all dies im Tageslicht, und nichts, was er sich ausgemalt hatte, ließ sich vergleichen mit der Schönheit von Amira Ghalib.

Er brauchte nur ein paar Sekunden, um all dies zu erfassen – die dunklen Brustwarzen, die sich stolz gegen die Spitze drängten; volle Brüste, die so perfekt waren, dass er sich danach sehnte, sie wieder in die Hände zu nehmen; die schmale Taille, die rundlichen Hüften, die schwarzen Löckchen zwischen ihren Schenkeln. Und … der deutlich gerundete Bauch.

Ya Allah, sie war schwanger!

Mit einem entsetzten Keuchen zog sie das zerrissene Kleid hoch, um sich zu bedecken.

Ein Knurren entfuhr ihm.

Sie hätte unwiderruflich Zufar gehört, für Adir für immer unerreichbar. Genauso wie sein Kind.

Ein weiterer Bastard, dem seine wahre Abstammung aberkannt wurde.

Noch etwas, das man Adir gestohlen hätte.

„Bist du schwanger, Amira?“ Die Frage ließ ihm keine Ruhe.

„Stimmt es? Bist du gekommen, um mich Zufar wegzunehmen?“

„Ich habe gesagt …“

Sie lehnte sich gegen die leuchtend bunten Wandteppiche. „Beantworte zuerst meine Frage“, forderte sie.

„Ja“, sagte er und zeigte ihr gegenüber viel zu viel Nachsicht, während sein Herz wie eine Trommel schlug.

Erneut wurde sie blass. „Warum?“

Sein schlechtes Gewissen nagte an ihm, doch er verdrängte es.

Er hatte sie gebeten, und sie war mitgekommen. Dass er aus anderen Motiven gehandelt hatte, sollte ihr egal sein. „Du hast gehört, was ich zu Prinzessin Galila gesagt habe.“ Damals hatte er genau gespürt, wie sie in seinen Armen auf der Fensterbank erstarrt war.

Sie runzelte die Stirn. „Warum bist du zu mir gekommen, Adir? Wir haben uns nichts versprochen. Vier Monate sind seit dieser Nacht vergangen. Und jetzt bist du hier, am Morgen meiner Hochzeit, kaum eine Stunde, bevor die Zeremonie beginnen sollte.“

„Ich habe immer wieder an dich gedacht. An diese Nacht und wie unglaublich es sich angefühlt hat. Dass ich wieder in dir sein will. Und dass du … dich in einer Situation befunden hast, die du nicht wolltest.“

„Ach, dann bist du gekommen, um der Held in meiner Geschichte zu sein?“, meinte sie.

Ihr leicht sarkastischer Ton ließ ihn aufhorchen. Verschwunden war die süße, vertrauensvolle Amira. Stattdessen sah er sich einer Frau gegenüber, die seinen Blick misstrauisch erwiderte.

Es spielt keine Rolle, redete er sich ein. Was geschehen war, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wenn sie eine ständige Rolle in seinem Leben spielen würde, dann könnte sie vielleicht auch verstehen, dass der Adir, den sie in dieser Nacht kennengelernt hatte, nur eine Illusion war, geschaffen dazu, um sie zu erfreuen.

„Nein, so etwas Bewundernswertes ist es nicht. Ich wollte dir zu Flucht verhelfen und noch ein wenig mehr von dieser Leidenschaft zwischen uns, wenn du immer noch gewillt bist.“

„Dann hast du dich also entschlossen, mich zu deiner Geliebten zu machen?“ Sie klang zwar spöttisch, doch ihre Wangen röteten sich.

Seine Bedenken verblassten ein wenig.

„Ja … vielleicht.“ Er zuckte die Schultern. „Ich habe noch nicht genau darüber nachgedacht. Bei meiner Stellung ist es nicht einfach, eine Geliebte zu haben. Zumindest nicht für einen längeren Zeitraum. Aber ich wusste, dass ich dich will und du fliehen wolltest. Also ging es nur darum, den optimalen Zeitpunkt herauszufinden. Einer meiner Wachen hat in Bezug auf die Hochzeit ein genaues Auge auf den Palast gehabt, um mir zu melden, was es Neues gibt.“

„Du hast absichtlich solange gewartet?“ Wut flammte in ihren Augen auf. „Als ob … mein Leben ein Schachspiel ist? Und ich eine Schachfigur?“

„Strategie ist mein Blut, die Luft, die ich atme. Meine Libido konnte warten, genau wie du, wenn dadurch ein besseres Ergebnis erzielt werden würde.“

„Welches Ergebnis?“

„Wenn ich dich am Hochzeitsmorgen vor den Augen der ganzen Welt stehle, wäre Zufar ganz und gar gedemütigt. Und meine Rache noch erfüllender.“

„Aber warum? Weshalb hasst du ihn so sehr?“

„Weil er mir immer noch verweigert, was von Rechts wegen mir gehört.“

Wenn er geglaubt hatte, dass die süße Amira, die er gekannt hatte, vor seinen Augen zusammenfallen würde, dann hatte er sich gründlich getäuscht. „Diese Nacht, als du …“, eine verräterische Röte kroch in ihre Wangen, doch sie fuhr tapfer fort, und er konnte nicht anders, als sie für ihre Haltung zu bewundern, „als du mich eingeladen hast, mit dir zusammen zu sein, habe ich dir gestanden, wer ich bin. Hattest du bereits geplant, Sex mit mir zu haben?“

Verzweiflung und Sehnsucht flammten in ihrem Blick auf. Auch wenn man sie gelehrt hatte, als zukünftige Königin von Khalia alles durchzustehen, konnte sie ihre Naivität und Unerfahrenheit nicht so einfach ablegen.

Obwohl sie sich alle Mühe gab, es nicht zu zeigen, hatte sein Verhalten sie zutiefst verletzt.

Doch Weichheit war ein Gefühl, das er nicht kannte. Und er hatte weder die Absicht noch Lust darauf, die Wahrheit für sie in milderem Licht darzustellen. Nichts – weder ihr verletzter Blick noch ihr Körper – würde etwas daran ändern, wie er war, oder was ihn in dieser Nacht dazu getrieben hatte, sie zu verführen.

Er war ein Einzelgänger. Zuerst durch das Schicksal bedingt, dann durch eigene Entscheidung. Die Briefe seiner Mutter hatten ihn schon früh gelehrt, für sich zu bleiben, wenn er das erreichen wollte, wozu er bestimmt war.

Wäre sie nicht gewesen, wäre er ein Ziegenhirte geworden, ein unbedeutender Teppichweber oder ein ganz normaler Stammesangehöriger.

Doch er war ihren Worten gefolgt wie Lehrsätzen, hatte sich von anderen ferngehalten, nicht zugelassen, dass Gefühle sein Leben beherrschten, und war zu dem geworden, was er nun war. War in Höhen aufgestiegen, die selbst sie sich für ihn nicht hatte vorstellen können.

Hätte es die Briefe der Königin nicht gegeben, wäre er damit zufrieden gewesen, ein einfacher Mensch zu sein.

Stattdessen hatten ihre Worte ihn angespornt, aus ihm einen Anführer gemacht. Trotz seines schlechten Starts.

Selbst jetzt, da er Scheich zweier Stämme war, ein Geschäftsmann mit Anteilen an multinationalen Unternehmen, hatte er keine engen Freunde, keine Familie. Keine Frau, die ihn schwach machte. Nur Ratgeber und Menschen, die seinen Befehlen folgten.

Er war von niemandem abhängig, außer von sich selbst. Ließ keine Emotionen zu, außer dem Drang, das Leben seines Volkes zu verbessern und seiner Bestimmung nachzukommen.

So wie ein Herrscher es tun sollte.

Und wenn Amira Antworten auf ein paar Fragen in Bezug auf ihre kurze gemeinsame Vergangenheit wollte, damit sie verstand, welchen Platz sie jetzt im Leben hatte und dass sie unwiderruflich an ihn gebunden war, dann sollte es eben so sein.

„Stand ich auf diesem Treppenaufgang und habe darauf gewartet, dass mir Zufars Verlobte in die Hände fiel?“ Er gestattete sich ein Lächeln. „Nein. Habe ich es genossen, dich ihm wegzunehmen, so wie er mit etwas gestohlen hat? Und genieße ich seine Demütigung, nachdem ich jetzt mit seiner weggelaufenen Braut in meinem Zelt sitze? All das kann ich bejahen.“

Sie sank gegen die Wand, während sie mit einer Hand immer noch ihr zerschnittenes Kleid umklammerte.

Adir verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um sich davon abzuhalten, sie nach ihr auszustrecken.

Er wollte ihre Finger lösen, die sich um den Stoff krallten, und sie wieder nackt sehen. Wollte ihre Arme um seinen verschwitzten Körper spüren, wieder seinen Namen aus ihrem Mund hören.

„Beantwortet das all deine Fragen, Amira?“

Ein leichtes Zittern durchlief ihren schlanken Körper. „Für den Moment ja, danke.“

„Dann könntest du mir vielleicht jetzt meine beantworten …“

Und dann sah er es. Den Tränenschimmer in ihren Augen. Die gebeugten Schultern, die zeigten, dass sie geschlagen war.

Er konnte sich nicht länger zurückhalten und legte eine Hand auf ihre Schulter, um Amira in seine Arme zu ziehen. Er wollte sie nur halten. Sie hatte einen Schock gehabt, doch wenn sie ihn erst überwunden hatte, würde sie erkennen, dass sie selbst sich entschieden hatte, mit ihm zu kommen. Er würde ihr all ihre Sorgen nehmen – die Angst, die sie in den letzten vier Monaten vor ihrem tyrannischen Vater gehabt haben musste, weil sie wusste, dass sie schwanger war und es nicht lange verbergen konnte. Dass sie ihn Zufar vorgezogen hatte – in der Nacht damals und heute –, änderte nichts an seinen Motiven.

Mit einem leisen Aufschrei riss sie sich so heftig von ihm los, dass sie beinahe über den Tisch mit den Erfrischungen gestolpert wäre.

„Zuck doch nicht vor mir zurück.“

Anmutig wie eine Königin straffte sie sich wieder. „Dann berühr mich nicht.“

Selbst als stumme Tränen über ihre Wangen liefen, beschimpfte sie ihn nicht wegen dem, was er ihr angetan hatte, und er verspürte ein schlechtes Gewissen.

„Du musst dich beruhigen. Es ist nicht gut für dich und das Baby. In deiner Panik wärst du beinahe erstickt …“

„Ich würde lieber ersticken als deine Berührung jetzt ertragen zu müssen.“ Sie flüsterte, als spräche sie zu sich selbst. Und das traf ihn mehr als alles andere.

Er trat zu ihr. „Soll ich dich auf die Probe stellen, ya habibti?“

„Ich würde scheitern und du gewinnen. Auch wenn mein Verstand nicht will, gibt es Auslöser in meinem Körper, die mein Gehirn beeinflussen. Millionen Jahre alte Instinkte der Evolution, die in Aktion treten, denn wenn es darauf hinausläuft, erkennt der triebhafte Teil meines Gehirns dich als das aggressivste Männchen, das am besten Schutz bieten kann. Und es sind noch andere Hormone mit im Spiel, die mich noch empfänglicher für dich machen.“

„Dann bist du also einverstanden, dass ich dich jetzt berühre, dir dieses Kleid ausziehe, deine Brüste küsse und deinen Bauch.“

„Ja, das wäre ich. Aber später, wenn mein Hirn sich wieder von dem Orgasmus erholt hat, den du mir schenken würdest, würde ich dich hassen. Mehr noch als jetzt.“

Ich würde dich hassen …

Vier Monate hatte er nur davon geträumt, wie begeistert sie auf ihn reagiert hatte, von ihren sanften Rundungen unter seinem muskulösen Körper. Jetzt wollte er nichts anderes, als sie zurückerobern, die Nacht mit ihr verbringen, die seinem Halbbruder zugestanden hätte, um seinen Sieg zu besiegeln. Er wollte, dass sie ihre Worte zurücknahm.

Doch ein Blick in ihre Augen genügte, um seiner Lust einen Dämpfer zu verpassen. Sicher, er könnte sie haben, wieder und wieder, bis sein Verlangen befriedigt war, aber er wollte dem nicht nachgeben wie ein grüner Junge, der zum ersten Mal eine nackte Frau sah.

Er würde sie erst dann berühren, wenn sie als seine Frau zu ihm kam.

Adir schloss die Augen, atmete tief durch und öffnete sie wieder.

Ein Blick voller Angst begegnete seinem. Er verdrängte seinen Schreck. Es reichte.

Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen. „Du bist mit meinem Kind schwanger.“

Ihre Knöchel waren weiß, weil sie ihr zerrissenes Kleid fest umklammerte. Sie starrte ihn an, unschuldig und entschlossen, eine unwiderstehliche Mischung. „Bist du so sicher, dass es deins ist? Was, wenn ich mir hundert weitere Nächte mit hundert anderen Fremden nach dir gestohlen habe? Wenn es seit dieser Nacht eine ganze Reihe von Männern in meinem Leben gegeben hat? Wenn das, was wir zusammen erlebt haben, so gut war, dass ich nicht warten konnte …“

Er zog sie an sich, und die Bilder, die sie malte, ließen bittere Galle in seiner Kehle aufsteigen. Sie gehörte ihm. Nur ihm. „Setz nicht herab, was zwischen uns war.“

Tränen liefen über ihre Wangen. „Das hast du gemacht. Nicht ich.“

„Dieses Kind ist von mir.“ Furcht erfasste ihn. Verlustangst. „Wäre ich eine Stunde später gekommen und du Zufars Frau geworden, wäre dieses Kind, mein Kind …“

Was auch immer sie in seinem Gesicht sehen mochte, erschreckte sie offensichtlich. Mit entschlossener Miene trat sie zu ihm. „Ich würde nie zulassen, dass dieses Kind weggeben wird. Ich liebe es jetzt schon, Adir. Aber ich will nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, sondern mich auf die Zukunft konzentrieren.“

Er nickte. Trotz ihrer Naivität würde Amira eine gute Mutter sein. „Gut. Sprechen wir über das, was wichtig ist.“

„Dann lass uns diese Farce beenden und erlaube mir zu gehen.“

„Wir werden so bald wie möglich heiraten.“

Sie hatten gleichzeitig gesprochen. Angespannte Stille hing im Raum.

„Nein.“ Er hatte genug Nachsicht mit ihr gezeigt.

Entsetzt sah sie ihn an. Bevor er nach ihr greifen konnte, schreckte sie zurück. Ein Zittern durchlief ihren Körper, und sie schlang die Arme um sich.

Voller Ungeduld wartete Adir. Als sie den Blick wieder hob, schimmerte nackte Angst in ihren Augen. Er hatte das Gefühl, von einer Klippe in einen dunklen Abgrund zu fallen. Was immer zwischen ihnen gewesen sein mochte, es war verloren.

Für immer.

Sie sah ihn an, als wäre er ein Fremder. Ein Monster.

„Amira?“

„Vor einer Minute hast du noch darüber nachgedacht, dass ich vorübergehend deine Geliebte sein könnte. Und jetzt befiehlst du, dass ich deine Frau werde? Ich wollte Zufar nicht heiraten. Und dich ganz sicher nicht.“

„In diesem Fall haben wir beide keine Wahl mehr. Wie du schon sagtest, alles, was wir tun, hat Konsequenzen. Mein Kind wird nicht als Bastard auf die Welt kommen. Und ich will keine Frau, die mich ansieht, als würde sie mich nicht mehr kennen …“

„Und ich will keinen Ehemann, bei dem jedes Wort eine Lüge ist. Der sich nicht von all den arroganten, dominanten Männern unterscheidet, die mich herumgeschubst haben, sondern der seinen wahren Charakter auch noch hinter einer Fassade aus Freundlichkeit und Charme versteckt.“

„Ich bin immer noch der Gleiche, Amira.“

„Der Mann, den ich in jener Nacht in dir gesehen habe, existiert nur in meiner Fantasie. Wenn du mir befiehlst oder drohst, wirst du nichts erreichen. Ich habe …“ Sie wandte den Blick ab und schluckte. „Ich habe seit Jahren Erfahrung mit Männern, die unbedingt ihren Willen durchsetzen wollen. Du könntest mich windelweich schlagen, und ich würde mich trotzdem nicht deinem Willen beugen.“

Ohne sich dessen bewusst zu sein, streckte er die Hand nach ihr aus. „Vergleich mich nie wieder mit deinem Vater. Ich bin ein Mann von Ehre. Was ich tue oder nicht tue, hat Konsequenzen. Die Menschen setzen darauf, dass ich Führung übernehme. Und zum letzten Mal, mein Kind wird nicht als Bastard geboren.“

Etwas an seinem Ton ließ sie erstarren. Angst schnürte ihre Brust zu, als ihr einfiel, was sie ihn damals in der Nacht schon hatte fragen wollen.

Er hatte von Königin Namani gesprochen, als würde er sie persönlich kennen. Von König Zufar, der ihm verweigerte, was ihm gehörte. Von Ehre und seinem Platz im Leben …

Oh Gott, was hatte sie getan? Auf wen hatte sie sich eingelassen?

Schweiß lief über ihren Rücken, während sich wieder ein unsichtbarer Käfig um sie herum aufrichtete. „Wer bist du? Und bitte … diesmal die Wahrheit.“

„Ich habe dich damals nicht angelogen. Du wolltest eine Nacht voller Fantasie, und die habe ich dir geschenkt.“

Sie war so dumm gewesen und hatte geglaubt, dass ein Märchen wahr werden könnte, wenn auch nur für eine Nacht.

„Und jetzt ist es Zeit, den Preis dafür zu bezahlen, stimmt’s? Mein Vater hatte recht – auf dieser Welt bekommt man nichts umsonst. Also, wer bist du?“

„Ich bin Adir Al-Zabah, Scheich der Stämme Dawab und Peshani. Ich besitze drei multinationale Informatik-Unternehmen. Ich habe einen Abschluss in Jura mit Spezialgebiet internationale Politik und Landrecht. Hin und wieder wurde mir gesagt, dass ich ein recht hübsches Gesicht habe. Und du trägst mein Kind in dir. Ich werde dich beschützen, dir jeden Luxus bieten, aber vor allem würde ich mir lieber die Hand abschlagen, als sie gegen dich zu erheben. Also, sollen wir die Abmachung jetzt besiegeln, Amira?“

Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.

Ein kalter Schauer erfasste sie, und stumm starrte sie den arroganten Fremden an, der ihr zukünftiges Leben nach seinen Wünschen festlegte.

Adir Al-Zabah, der bekannte Scheich, natürlich. Sein Ruf war legendär in den Königshäusern Khalia und Zyria, weil er im Alleingang die Beduinenstämme seiner Region vereinigt hatte. Den vorher verfeindeten Stämmen hatte er neues Leben eingehaucht, indem er die Lücke zwischen Tradition und Fortschritt geschlossen hatte.

Er hatte zwei IT-Unternehmen in die Städte gebracht, die an der Grenze zur Wüste lagen, in denen die Stämme ihr Land besaßen. Seine politischen Kritiker hatten darüber gelacht, doch innerhalb von drei Jahren hatte er seinen Stammesangehörigen zu einer neuen Lebensweise verholfen.

Sie hatte geglaubt, sie seien seelenverwandt und suchten beide nach einer Beziehung in ihrem einsamen Leben. Doch er war genauso wenig einsam wie ein Löwe im Dschungel. Und nicht weniger rücksichtslos als ihr Vater oder König Zufar, da er skrupellos ihre Naivität und ihr Vertrauen ausgenutzt hatte.

Er war nur ein weiterer Mann, den ihre Wünsche und Träume nicht im Geringsten interessierten.

„Nein. Ich werde dich nicht heiraten.“

Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man ihm etwas abschlug. „Es ist höchste Zeit, dass du deine albernen Träume aufgibst, Amira. Zwing mich nicht dazu, dir keine Wahl mehr zu lassen.“

„Was für eine Wahl habe ich denn noch, wenn das die einzige Möglichkeit ist?“

Lange sah er sie an. Und dann lächelte er. Es war das Lächeln eines Jägers. Eines Mannes, der immer bekam, was er wollte. Der sie rücksichtslos verführt hatte, um damit ihren Verlobten zu demütigen.

„Ich dachte, du wärst froh, aus deinem goldenen Käfig befreit zu sein. Frei von all den Erwartungen und Belastungen, die man dir aufgebürdet hat. Frei von Zufars Gleichgültigkeit und der Brutalität deines Vaters. Das ist das Ergebnis deiner Entscheidung, die du getroffen hast. Jetzt musst du damit leben.“

„Nein! Du …“

„Genug.“ Adir verlor die Kontrolle.

Etwas nagte an ihm, das er nicht benennen konnte. Und dieses Unbekannte ließ seine Stimme barsch klingen, seine Worte grausam.

„Willst du jetzt so tun, als hätte ich dich zu all dem gezwungen, Amira? Indem du mit mir geschlafen hast, hast du bewiesen, dass du Zufar gegenüber kein bisschen loyal bist. Du warst mehr als bereit …“

„Du willst das beschmutzen, was ich dir geschenkt habe? Mir ist egal, was mein Vater oder die ganze verdammte Welt denkt. Du glaubst, dass ich voller Angst war, dass ich fliehen wollte …“

„Warum etwas verklären, wenn es genau das ist? Du hast mich benutzt und ich dich“, sagte er unverblümt, obwohl er wusste, dass sie es in ihrer Unerfahrenheit nie so sehen würde. Ihr Vater mochte sie zur Königin erzogen haben, aber sie hatte nichts Bösartiges an sich. Doch sie müsste schnell lernen, wenn sie an seiner Seite überleben wollte. „War es nicht auch Rache an deinem Vater wegen seiner Grausamkeit, an Zufar, weil er dir nicht genug …?“

„Nein! Wage nicht, mir zu sagen, warum ich es getan habe.“ Jetzt klang ihre Stimme hart. „Ich … habe mich zu dir hingezogen und mich bei dir zum ersten Mal als Frau gefühlt. Ich habe entschieden, mich von dir küssen zu lassen. Mir diese eine Nacht in deinen Armen zu schenken. Und das kann mir niemand nehmen.“

„Dann ist es jetzt an der Zeit, dass wir beide mit den Konsequenzen leben.“

Sie bedeutete ihm nichts.

Amira war es gewöhnt, dass sie selbst nicht zählte. Für Zufar war sie nur ein Objekt gewesen, doch seine Gleichgültigkeit hatte ihr meist nichts ausgemacht.

Für ihren Vater war sie nur ein Mittel zum Zweck, um Reichtum und Macht zu erlangen. Auch wenn sie es gehasst hatte, hatte sie seine Ambitionen zu ihrem eigenen Vorteil genutzt und ihren Vater davon überzeugt, dass ihre Ausbildung als Krankenschwester ihr später als Königin nur zugutekommen würde.

Doch keinem der beiden Männer hatte sie erlaubt, ihr Herz zu berühren.

Was Adir ihr angetan, was er ihr genommen hatte, auch wenn sie ihm ihre Unschuld nur zu gerne geschenkt hatte und es nicht bereute, war viel schlimmer.

Sie hatte ihm ihr Herz geöffnet.

Er war der erste Mann, der ihr ein Gefühl von Sicherheit, Wertschätzung gegeben hatte.

Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich nicht nur als Schachfigur gesehen. Er hatte ihr eine Kostprobe unglaublichen Glücks geschenkt …

Amira sank zu Boden, als er ohne ein weiteres Wort davonging. Tränen traten in ihre Augen, und diesmal konnte sie sie nicht zurückhalten.

Sie musste an ihr Kind denken, an seine Zukunft.

Und deshalb würde sie Adir heiraten. Aber sie würde ihm nie mehr vertrauen, nie wieder so naiv sein, seiner charmanten Fassade zu glauben.

Er würde ihr Ehemann sein, der Vater ihres Kindes, würde ihren Körper besitzen, aber niemals ihr Herz.

Nie wieder würde sie vergessen, dass dieser Mann kein Herz besaß.

5. KAPITEL

„Wie fühlst du dich heute?“

Amira schoss vom Bett hoch, sodass der Mann vor ihr sie stirnrunzelnd ansah.

Nein, er war nicht nur irgendein Mann.

Sie musste ihn als das sehen, was er wirklich war – ein mächtiger Mann, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie mit solchen Männern zu tun gehabt und doch erreicht, was sie wollte. Diesmal würde sie es auch bekommen.

Nachdem sie eine Entscheidung getroffen und diese akzeptiert hatte, fühlte sie sich besser. Selbst als Königin von Khalia hätte sie nicht das erreicht, was Adir ihr verschafft hatte. Sie war der Kontrolle ihres Vaters entkommen, und das war etwas Gutes.

Eines jedoch hatte sie von ihrem Vater gelernt, dass in jeder Beziehung wechselseitige Macht bestand.

Auch wenn sie immer über weniger Macht verfügt hatte, gab es doch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

Und sie musste unbedingt herausfinden, welchen Hebel sie bei Adir ansetzen könnte.

„Amira?“

Er klang ein wenig ungeduldig.

Drei Tage hatte er sie klugerweise allein gelassen.

Wobei sie nie ganz allein gewesen war, weil immer wieder eine andere Frau nach ihr gesehen hatte. Zuerst hatte man ihr gesagt, dass man sich um ihre Gesundheit kümmern müsste. Dann war die hübsche, lustige Zara gekommen, um ihr Gesellschaft zu leisten. Und zuletzt die alte Humera.

Sie verkniff sich eine verbitterte Antwort. „Ich habe Frieden mit meinem Schicksal geschlossen. Und mit meiner Gesundheit ist alles in Ordnung. Trotzdem mag ich dich immer noch nicht“, erklärte sie.

„Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst.“

Tief atmete sie durch, bevor sie sich umdrehte. „Ja, Eure Hoheit.“

Er trug eine schlichte weiße Robe, und um seinen Kopf hatte er einen roten und einen weißen Schal geschlungen, um sich gegen die Hitze zu schützen. Sein Gesicht leuchtete in dunklem Gold, und mit seiner starken Männlichkeit beherrschte er den Raum.

In diesem Moment konnte sie sich nicht mehr vorstellen, dass sie ihn kühn darum gebeten hatte, sie zu küssen, mit ihr zu schlafen, ihn in dem Augenblick gesehen zu haben, wo er alle Kontrolle verlor. Ein Anflug von Macht erfüllte sie.

Sein Verlangen nach ihr war nicht vorgetäuscht.

Könnte sie dadurch Einfluss auf ihn ausüben? Wollte er sie immer noch – oder war sie nur eine Art Kriegsbeute, ein Mittel zum Zweck, um die Zukunft der Dynastie zu sichern?

Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. „Ich habe den ganzen Morgen lächerliche Streitereien beigelegt, bei denen es um Ziegen und Rinder ging. Stell meine Geduld nicht auf die Probe, Amira.“

„Wenn du einen deiner Lakaien bittest, mir eine Liste von dem aufzustellen, was ich tun soll oder nicht, werde ich sie auswendig lernen. Was erwartest du denn von mir?“

„Außer dem Offensichtlichen?“ Er betrat das Zelt, ein gefährliches Leuchten im Blick.

Dann fuhr er so sanft mit dem Finger über ihre Wangen, dass Amira sofort die Augen schloss, um seine Berührung zu genießen.

Hitze erfasste sie. Auch wenn er Chaos in ihr Leben gebracht hatte, war nicht eine einzige Nacht vergangen, in der sie ihn nicht neben sich in dem großen Bett haben wollte.

Trotzdem trat sie zurück. „Ich habe den fragenden Blick des Dienstmädchens bemerkt. Bring mich in ein anderes Zelt.“

„Du gibst Befehle wie eine Königin. Und sie sehen dich nur deshalb so an, weil ich noch nicht bekannt gemacht habe, dass du ihre zukünftige Sheika sein wirst.“

Sie hob das Kinn. „Glaub mir, das ist das Letzte, was ich sein möchte. Hätte ich damals gewusst, wer du bist, dann hätte ich den ganzen Palast zusammengeschrien, um dich loszuwerden. Ich hätte …“

„Du lügst dich selbst an. Aber nachdem du dich damit besser fühlst, belasse ich es dabei.“

Dieses ärgerliche, arrogante Scheusal! Hatte er recht? Hätte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, selbst wenn sie gewusst hätte, wie mächtig er war?

Als sie vor drei Tagen die Wahrheit über ihn erfahren hatte, hatte sie es nicht glauben können und war schockiert gewesen. Doch jetzt fragte sie sich, wie sehr Adir sie in dieser Nacht wirklich gewollt hatte. Und welchen Anteil sein Bedürfnis daran gehabt hatte, Zufar zu demütigen.

Sie seufzte, weil sie merkte, dass sie diese Nacht selbst jetzt noch verklären wollte.

„Ich bin mit dir weggelaufen, weil ich einen Ausweg brauchte. Aber nachdem der Hochzeitstag jetzt vorbei ist …“

„Er wird dich nicht zurücknehmen, Amira. Ich habe Neuigkeiten erhalten.“

Amira glaubte, dass er die Bemerkung nur eingeworfen hatte, um sie erneut zu beschämen.

Doch hinter seinem durchdringenden Blick lauerte noch etwas anderes.

„Vom … Palast? Von Khalia?“

„Ja.“

Zwei Tage lang hatte sie ihn nur außerhalb ihres prächtigen Zeltes in Diskussionen verstrickt gesehen. Zwei Frauen waren ständig bei ihr gewesen, und etliche Wachposten hatten draußen vor dem Zelt gestanden. Vor einer Stunde waren die zehn Männer dann bis auf einen abgezogen worden.

Jetzt wurde ihr bewusst, dass er sie wegen König Zufar hatte bewachen lassen, sollte er kommen und sie zurückholen wollen. Und er hatte nicht riskieren wollen, dass sie zu König Zufar zurückkehrte.

Bedeutete das, dass er sie wirklich wollte? Oder war sie weiterhin nur eine Trophäe, die er Zufar gestohlen hatte?

„Hast du irgendetwas von meinem … Vater gehört?“, fragte sie, obwohl sie wusste, dass er sie inzwischen hassen würde.

„Nein. Es scheint, dass er für dein Handeln keine Verantwortung übernommen hat.“ Sollte tatsächlich Zärtlichkeit in seinem Ton gelegen haben, ließ sie sich nicht davon berühren. Mitleid war kein guter Ersatz für aufrichtigen Respekt und Zuneigung.

„König Zufar … ist er …?“

„Er hat dich ersetzt, ausgerechnet durch ein Dienstmädchen. Der Mann, der mich als Schandfleck bezeichnet hat, ist jetzt mit einem Mädchen aus dem Palast verheiratet.“

Hatte man Zufar gezwungen, sie zu heiraten, damit er sein Gesicht wahren konnte? Wie hatte er ihre Flucht mit Adir aufgenommen? Hatte Galila sich Sorgen um sie gemacht?

Amiras Knie gaben unter ihr nach, und sie ließ sich auf den Diwan fallen. Natürlich musste ihr Verschwinden kurz vor der Hochzeit Konsequenzen haben.

Adir stand mit gespreizten Beinen da und musterte sie. In seinem Blick erkannte sie, dass er sich ihrer nicht sicher war. Seine Frage bestätigte ihre Vermutung.

„Bedauerst du, dass du mit mir davongelaufen bist? Dass du das Leben einer Königin aufgegeben hast?“

Drei Tage hatte sie über genau diese Frage nachgedacht und war zu einem Ergebnis gekommen: Nein.

Inzwischen war sie ernüchtert, bereute es aber trotzdem nicht. Auch nicht die Nacht mit ihm.

Sie seufzte. „Dass König Zufar mich durch eine andere ersetzt hat, überrascht mich nicht. Ich bin erleichtert, dass meine Dummheit keinen irreparablen Schaden verursacht hat. Auch wenn er mir gegenüber gleichgültig war, hätte ich dir nicht dabei helfen dürfen, ihn zu demütigen. Das hat er nicht verdient.“

„Es ist ein bisschen zu spät, dass du ihm gegenüber jetzt Loyalität zeigst.“ Langsam schälte er mit einem Messer einen Apfel, zerschnitt ihn und reichte ihr ein Stück.

Amira schüttelte stumm den Kopf.

„Du hast dich für mich entschieden. Und gegen ihn.“

„Hast du mir das nicht schon oft genug vorgehalten?“ Sie verdrehte die Augen, doch der abscheuliche Mann lächelte nur.

Amira atmete heftiger, als er sich aus dem Stuhl erhob, ein weiteres Stück Apfel in der Hand.

Er hob es an ihren Mund, während Verlangen in seinen Augen leuchtete.

Das war die Antwort auf ihre Frage, wie sie Einfluss auf ihn nehmen könnte.

Gebannt öffnete Amira den Mund. Er schob ihr das Stück zwischen die Lippen, und sie leckte über seine Finger. Der süßherbe Geschmack der Frucht vermischte sich mit dem seiner Haut, und zwischen ihren Schenkeln pochte es dort, wo er sie damals berührt hatte.

Zitternd vor Verlangen vergrub sie ihre Zähne in seinem Daumen.

Seine Brust hob und senkte sich, als sie an der Spitze saugte. Sein Blick verdunkelte sich, und Adir stieß den gleichen Laut als wie damals, als er in ihr gekommen war.

Mit klopfendem Herzen rückte Amira von ihm ab. Er wirkte nicht triumphierend. Sie ging zum Fenster und sah hinaus auf das Tal.

„Siehst du, was passiert, wenn ich nur in deiner Nähe bin? Du vergisst all deine Bedenken. Du siehst mich an, als wolltest du unbedingt von mir berührt werden, als würdest du dich verzweifelt danach sehnen, dass ich in dir bin.“

Er klang sachlich, als wären sie eben nicht kurz davor gewesen, sich gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen.

Während sie immer noch vor Verlangen zitterte.

„Diese Anziehungskraft zwischen uns … das ist ein zusätzlicher Pluspunkt“, meinte er beinahe gedankenverloren.

„Ein zusätzlicher Pluspunkt?“

„Ich mag Sex, und das oft. Aber ich habe auch vor, meiner Frau treu zu sein. Du bist sehr empfänglich und neugierig in Bezug auf Sex. Ich könnte dir vieles beibringen, und die Chemie zwischen uns könnte lange halten. Lange genug, um mein Interesse wachzuhalten.“

Abrupt drehte sie sich um und konnte nicht glauben, was sie eben gehört hatte. „Was hast du da gesagt?“

„Dass wir eine mehr als befriedigende Ehe führen könnten. Zara und Nusrat wollten nicht aufhören, ein Loblied auf dich zu singen, obwohl sie jeder Frau gegenüber voreingenommen sind, die nicht zum Stamm gehört. Selbst Humera ist beeindruckt von dir, obwohl sie mit keiner Frau aus dem Stamm je einverstanden war.“

„Ist Humera die alte Frau, die Hebamme, die nach mir gesehen hat?“

„Ja.“

„Zara hat mir gesagt, dass sie sich nie aus dem Lager gewagt hat. Warum ist sie hierhergekommen?“

„Ich habe sie gebeten, einen Blick auf dich zu werfen.“

„Warum?“

„Weil du blass und kränklich aussiehst.“ Als er sie diesmal ansah, lag kein Spott oder Verlangen in seinem Blick, sondern ein Anflug von Sorge. „Du hast dunkle Schatten unter den Augen, und ich könnte dich mit einer Hand zerbrechen.“

Als er eine Braue hob, entgegnete sie hastig: „Ich will nicht als Opfer gesehen werden, trotz allem, was mein Vater mir angetan hat.“

Er nickte. „Niemand hält dich für ein Opfer. Aber ich möchte, dass du diese Ehe unvoreingenommen eingehst. Dein Schweigen ist wie eine Waffe, dein Schmerz wie ein Schild, das alle sehen können. Deine Verletzlichkeit …“

Sehnsucht erfasste sie. Er war ein Mann, der sie sah, sie verstand. Und das wollte sie unbedingt festhalten.

„Ich habe gedacht, du wärst nicht anders als Zufar oder mein Vater. Ich habe mich geirrt.“

Ein Anflug von Verletzlichkeit lag in seinem Blick, der sie unweigerlich zu ihm hinzog. „Weshalb bin ich anders?“

„Zufar war es völlig egal, ob ich traurig oder glücklich war. Solange ich meine Pflicht getan und keinen Skandal verursacht habe, konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Und für meinen Vater war nur wichtig, dass ich mich in die Rolle als Verlobte des Prinzen füge. Aber du … du kümmerst dich darum, dass ich glücklich bin. Gib es zu, Adir, du fühlst dich schuldig, weil du mich getäuscht hast. Gib zu, dass du in dieser Nacht damals etwas empfunden hast.“

„Du bist fest entschlossen, mich als Ritter in goldener Rüstung zu sehen. Aber das bin ich nicht.“

„Und du bist fest entschlossen, all das abzutöten, was auch immer du für mich empfunden hast.“

„Es reicht, Amira! Hör auf, dein Herz auf der Zunge zu tragen. Deine Verletzlichkeit ist eine Schwäche. Eine naive, vertrauensselige Sheika ist etwas Gefährliches. Es wird viele geben, die um dein Wohlwollen buhlen und es dann gegen dich verwenden. Für eine Frau, die von einem Scheusal an Vater für ein Leben als Königin erzogen wurde, bist du viel zu unschuldig. Das ist der einzige Nachteil, den ich bei dieser Sache sehe.“

Ihr Mut sank. „Der einzige Nachteil wobei?“

„Dich zu heiraten.“

Ein Schlag von ihm hätte vermutlich nicht so wehgetan. „Dann heirate mich nicht. Du kannst dein Kind trotzdem sehen. Ich bin sicher, dass es bald eine ganze Reihe von Frauen gibt, die deine Braut werden wollen. Im Grunde bin ich überrascht, dass ein mächtiger Mann wie du nicht irgendwo ein oder zwei Freundinnen versteckt hat.“

„Ich hielt es für geschmacklos, meine früheren Beziehungen zu erwähnen.“

„Du bist doch derjenige, der mich immer daran erinnert, meine Träume hinter mir zu lassen und in der Realität zu leben. Ich habe akzeptiert, dass du ein Mann aus Fleisch und Blut bist, der Fehler hat, so wie wir alle. Also, mit wie vielen Geliebten muss ich zurechtkommen, Adir?“

Zum ersten Mal flammte Wut in seinem Blick auf. Erst da wurde Amira bewusst, wie sachlich und emotionslos er sich bis dahin verhalten hatte. „Ich habe dir gesagt, dass ich meiner Frau treu sein will. Und von dir erwarte ich das Gleiche.“ Als sie nicht antwortete, hob er ihr Kinn. „Ich werde nicht hinnehmen, dass du auch nur daran denkst, herumzustreunen.“

Auch wenn seine Stimme barsch klang, lag Verletzlichkeit in seinem Blick. Dies war ihm wichtig. Es war etwas Persönliches.

Amira sah ihn an, suchte nach dem Mann, der mit ihr gelacht hatte. „Hältst du mich wirklich für eine Frau, die ihren Mann betrügt? Die solchen … Unfrieden stiftet und so vielen Menschen Schmerz bringt?“

Er musterte sie. „Du hast eine Nacht mit mir verbracht, als du mit ihm verlobt warst.“

Amira fühlte sich, als hätte er sie geschlagen. Tränen stiegen in ihre Augen, und sie versuchte, sie wegzublinzeln. „Willst du mir das immer wieder vorhalten? Zum letzten Mal, Zufar ist für mich bestimmt worden. Er kannte mich nicht einmal und hatte kein Recht auf meine Gefühle.“

„Ich schon?“

Sie nickte, auch wenn sie es nicht wollte. „Ja. Ich glaube, dir ist gar nicht bewusst, welche Bedeutung du für mich in dieser Nacht gehabt hast.“

Ernst sah er sie an, die Hände auf ihren Schultern. „Ich habe nur gemeint, dass du dich irgendwann in einen Mann verlieben könntest und deine Affäre rechtfertigst. Liebe macht die Menschen schwach, und sie tun einander weh, ohne an die Folgen zu denken.“

„Das klingt, als würdest du aus eigener Erfahrung sprechen.“

Er zuckte die Schultern und wandte den Blick ab. Amira glaubte langsam zu verstehen, warum er so unnahbar war und zynisch. So allein.

„Auch wenn ich kaum Erfahrung damit habe, ist das keine Liebe“, sagte sie.

„Für jemanden, der so jung und unschuldig ist“, entgegnete er und strich mit den Handknöcheln über ihre Wange, „hast du eine sehr entschiedene Meinung.“

„Ich weiß nur, dass es ein paar Grenzen gibt, die ich nicht überschreiten würde. Und Dinge, mit denen ich nicht leben könnte. Da du darauf bestehst, dass wir heiraten, solltest du das wissen.“

„Nein, du würdest mich nicht betrügen. Und wenn ich es täte, würdest du mir vielleicht sogar ein Messer in den Bauch stoßen.“

Wie es aussah, kannte er sie doch gut. Amira lachte und beugte sich vor, um seinen sexy Mund zu küssen.

Als er erstarrte, fing sie sich wieder und wandte den Blick ab.

„Was ist jetzt mit all deinen Geliebten?“, fragte sie, um die peinliche Stille zu durchbrechen.

Er räusperte sich. „Die Stammesmitglieder sind sehr konservativ. Ich könnte unmöglich ein Mädchen aus der Stadt mitbringen, um … meine Bedürfnisse zu befriedigen. Und auch keine Frau aus dem Stamm nehmen, weil das Machtmissbrauch wäre. Deshalb waren meine … Verbindungen immer kurz und kontrolliert. Ein Mann wie ich kann sich in seinem Privatleben sowieso keine Gefühle erlauben.“

Amira runzelte die Stirn. Er klang, als sei es eine Notwendigkeit, als Herrscher allein zu sein. Als wären Beziehungen nichts als eine Schwäche. „Meinst du damit, dass du nie eine Freundin gehabt hast?“

Er nickte. „Mein Ältestenrat ermuntert mich schon seit Jahren zu heiraten und eine Familie zu gründen. Doch bis jetzt habe ich noch nicht die richtige Frau gefunden, die es wert ist, ihr einen Antrag zu machen. Eine Frau, die ich tolerieren kann.“

Jedes Wort aus seinem Mund war ein verführerischer Fallstrick. Jeder Blick, den er ihr schenkte, ein Anschlag auf ihre Sinne. Ihr Herz sollte nicht rasen bei dem Gedanken, seine Frau zu sein. Jede Nacht in seinem Bett zu verbringen.

„Und ich bin es wert, dass du mir einen Antrag machst? Ist das deine Art, mich für dich zu gewinnen?“

Er verwarf ihre Bemerkung mit einem Schulterzucken. „Du bist dazu erzogen worden, Königin zu sein. Du bist schön, gebildet, ein absoluter Gewinn für einen Geschäftsmann. Besonders für einen wie mich.“

„Warum?“

„Ich bin immer zwischen Fortschritt und Tradition gefangen, und du verstehst von beidem etwas. Du bist manipulativ, genau wie ich, wenn auch ein bisschen subtiler in deinem Vorgehen. Du bist eine Überlebenskünstlerin, Amira.“

Er hielt sie für einen Gewinn. Als wäre sie irgendein Zubehör.

„Ich werde ein Gewinn als Sheika sein. Werde dir Spaß im Bett bringen und dir eine gute Frau sein. Und was wirst du mir bieten, Adir?“

Sein sonst zynischer Blick wirkte jetzt verwirrt, und verbittert lachte er auf.

„Es scheint, dass nur du einen Vorteil hast. Aber was bringt mir diese Ehe?“ Sie hob ihr Kinn. „Warum sollte ich einen rücksichtslosen Mann durch einen anderen ersetzen? Ein Gefängnis durch ein anderes? Weshalb sollte ich mich auf so etwas einlassen?“

Ein Leuchten schimmerte in seinen Augen, als würde er sie dafür bewundern, dass sie Rückgrat zeigte und ihre Beziehung nüchtern betrachtete. Ehe sie einen Einwand erheben konnte, nahm er ihre Hand in seine und drückte ihr einen sanften Kuss auf das Handgelenk. „Eines sollte ich nicht vergessen.“

„Was denn?“

„Dass du schnell lernst.“

Hitze durchflutete sie bei seinen Worten.

Spreiz deine Beine, Amira … Heb deine Hüften, wenn ich in dich eindringe …

Er war ein perfekter Lehrer gewesen, und sie eine eifrige Schülerin.

Könnte sie ihm auch etwas beibringen? könnte diese Ehe mehr sein?

Nicht Liebe, nein. Vielleicht waren sie beide zu realistisch dafür, aber möglicherweise könnten sie eine gute Ehe führen.

Ihre Direktheit entlockte Adir ein Lächeln. Sie war eine Löwin, die allmählich zeigte, wozu sie fähig war. Plötzlich schien ihm die Aussicht, Amira als seine Sheika bei sich zu haben und für immer in seinem Bett, weniger eine Pflicht zu sein, sondern eher etwas, auf das er sich freute.

Sie würde eine Herausforderung sein – alles, was sie ihm geben würde, müsste verdient werden. Und wenn sie sich dann ergab, wäre ihre Vereinigung umso süßer.

Sie würde eine richtige Partnerin sein, eine Frau, mit der er sehr viel teilen konnte.

Zum ersten Mal in seinem Leben könnte er eine richtige Beziehung haben.

„Mit mir könntest du eine Ehe führen, in der Respekt herrscht. Und Verlangen. Mit mir wärest du für immer von dem Schatten deines Vaters befreit. Du hättest eine machtvolle Position als Sheika und könntest für die Frauen hier wirklich etwas verändern. Falls du den Mut aufbringst, die Gelegenheit zu ergreifen, Amira.“

„Wirst du mir die Freiheit schenken, meine eigenen Entscheidungen zu treffen?“

„Ja, wenn sie vernünftig sind.“

„Und unser Kind“, begann sie, „falls es ein Mädchen ist … Wird ihr erlaubt sein, zu studieren, was sie will? Sie wird nicht als Tauschmittel benutzt, um in der Welt aufzusteigen?“

Er hob eine Braue, ein Abbild männlicher Arroganz. „Was machst du, wenn ich dir all das verspreche und mein Wort nicht halte?“

„Dass du mir diese Frage stellst, statt mir blind zu vertrauen, reicht als Antwort.“ Sein Lächeln verriet Amira, dass sie recht hatte.

Es lagen Welten zwischen dem, was Adir über sich dachte und sie über ihn. Sicher, er hatte sie getäuscht. Aber inzwischen wusste sie, dass ihm Ehre auch wichtig war. Und sein Kind.

„Ich bitte dich nur darum, dass wir alles, was unser Leben betrifft, gemeinsam entscheiden“, sagte sie. „Und dass du mich in keine andere Rolle zwingst als die einer Ehefrau und Mutter.“

„Die Stämme werden dich ihre Sheika nennen.“

„Mit diesem Ehrentitel kann ich leben. Weil ich bereits einen Beruf habe, Adir.“

Er streckte sein Kinn vor. „Darüber lasse ich nicht mit mir verhandeln. Du wirst meine Sheika sein, meine Frau, die Mutter meiner Kinder.“ Er wollte gehen, blieb dann aber stehen. „Und wenn es ein Junge ist, Amira?“ Etwas schimmerte in seinen Augen, ein Meer an Gefühlen. Jetzt wusste Amira, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte.

„Wenn es ein Junge ist, wirst du mir hoffentlich helfen, ihn zu einem guten Menschen zu erziehen, Adir. Ein Mann, der seiner sicher ist, der seine Wurzeln kennt, der versteht, dass dieses Leben voller Liebe ist“, fügte sie mutig hinzu. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als er sie anstarrte. „Ja?“

Es war keine optische Täuschung, das wusste sie. Es waren Emotionen, die in seinen schönen Augen schimmerten.

Er nickte nur, vielleicht weil seine Kehle vor Rührung genauso zugeschnürt war wie ihre. Zumindest wollte Amira das glauben.

„Und wenn es ein Junge wird, ist er hoffentlich genauso schön wie sein abba.“

Sein Lächeln zauberte Grübchen in seine Wangen, und auch Amira lächelte, als sie zu Bett ging. Zum ersten Mal seit der Nacht, als sie Adir kennengelernt und sich für ihn entschieden hatte.

6. KAPITEL

Zwei Wochen später stand ihre Hochzeit kurz bevor.

„Es wird keine so aufwendige Feier sein, wie du sie bei Zufar hättest erwarten können“, informierte Adir sie.

„Ich wäre mehr als froh, nur mit dir allein vor dem Imam zu stehen und die Sache hinter mich zu bringen.“

Verschmitzt hob er eine Braue. „Aber die Leute wollen meine Hochzeit auch nicht verpassen. Sie warten schon seit Jahren darauf.“

Amira seufzte. Glaubte er, sie würde all den Flitter einer königlichen Hochzeit vermissen? Nichts von all dem hatte sie sich selbst ausgesucht – nicht einmal das Kleid. „Schon als junges Mädchen wusste ich, dass meine Hochzeit nicht so aussehen würde, wie ich es will. Also empfinde bitte keine Genugtuung darüber, dass du mir etwas nimmst, wonach ich mich sehne, Adir.“

Statt wütend zu sein, lachte er und strich mit dem Daumen über ihre Wange. „Du bekommst allmählich eine spitze Zunge, hm?“

Ehe sie antworten konnte, presste er seinen sündigen Mund auf ihren.

Hitze erfasste sie, als er seinen Oberkörper an ihre Brüste presste, seine erregte Männlichkeit gegen ihren Bauch.

Er nahm sie nicht sanft, sondern wild, und sie konnte nur daran denken, sich ihm zu öffnen.

Sein Kuss verriet, wie sehr es ihn nach ihr verlangte. Denn seit sie ihre Vereinbarung getroffen hatten, hatte er sie nicht wieder aufgesucht. Als würde er es nicht ertragen, ihr nahe zu sein.

Amira hatte es schließlich nicht länger aushalten können. „Was habe ich getan? Du bist wieder so unnahbar.“

„Hast du Zufar einen Brief geschickt?“

„Hast du ihn abgefangen?“ Plötzlich ergab sein Verhalten einen Sinn.

Seine Nasenflügel bebten, und ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. „Mein Wachmann hat mich gefragt, ob er ihn für mich abfangen soll.“

„Ich habe mich lediglich bei ihm entschuldigt, Adir. Das hat er verdient, nach dem, was ich gemacht habe.“

Seine Miene verspannte sich. „Ist das alles?“

„Ich habe Galila ebenfalls geschrieben. Sie macht sich sicher Sorgen um mich. Außerdem habe ich gehört, dass sie auch bald Verlobung feiert.“

Wie sie angenommen hatte, war er jetzt noch verschlossener. „Und keine Mitteilung an Prinz Malak?“

„Wirst du mir jetzt ständig misstrauen? Soll ich dich vielleicht auch fragen, wo du die ganze Woche gewesen bist? Warum du auf Abstand zu mir gehst?“ Erst als sie die Frage gestellt hatte, wurde ihr bewusst, dass sein Verhalten vielleicht gar nichts mit ihr zu tun hatte. Sondern mit der königlichen Familie.

„Du wirst deine Kommunikation mit der königlichen Familie unterlassen.“

„Galila ist meine Freundin. Lange Zeit war sie meine einzige Freundin.“ Als es so aussah, dass er nicht nachgeben würde, nahm sie seine Hände in ihre. „Was ist denn schlimm daran, Adir, dass ich nachfrage, wie es ihr geht? Ich versichere dir, über dich steht nichts in diesen Briefen. Nur, dass ich unter den gegebenen Umständen glücklich bin.“

Es schien ihr wie eine Ewigkeit, bis er nickte. Diesmal konnte Amira sich nicht zurückhalten und küsste ihn auf den Mund. Mit einem Knurren erwiderte er den Kuss, bis sie keine Luft mehr bekam.

Seine Berührung, seine Küsse entflammten sie. Es schien, als hätte er seinen Ärger vergessen.

Amira klammerte sich an seine Schultern, weil ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten. Ihre Zungen lieferten sich ein leidenschaftliches Duell.

Er legte eine Hand auf ihre Brust, und die Berührung schien ihre Haut zu versengen. Ihre Brustwarzen richteten sich auf, seine Finger nur ein kleines Stück davon entfernt.

„Ist es das, was du vermisst hast?“ Er bewegte seine Hand nicht, gab ihr nicht das, was sie brauchte. Stattdessen beobachtete er sie mit verhangenem Blick.

„Ja“, gestand sie, und Röte färbte ihre Wangen.

Unwirsch fuhr er mit den Fingern durch seine Haare. Sie wusste, dass er sich davon abhalten wollte, nach ihr zu greifen. Ein Gefühl von Macht erfasste sie, weil es so leicht war, seine Selbstbeherrschung auf die Probe zu stellen.

Er verzog das Gesicht, während er mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr. „Ich will dich genauso, wie du mich willst.“ Damit stieß er sie von sich.

„Ich bin schon lange allein, Amira. Und ich kann und will nicht über jede Stunde Rechenschaft ablegen.“ Dass er überhaupt ihre Frage beantwortet hatte, nahm seinen Worten die Schärfe. „Und was die Distanz betrifft … wenn ich in dieses Zelt kommen würde, wäre ich innerhalb weniger Minuten in dir. Verdammt, ich kann nicht schlafen vor Verlangen nach dir. Aber du wirst meine Frau werden, meine Sheika, und ich kann dich und mich nicht entehren, indem ich mich über die Traditionen des Stammes hinwegsetze.“

Voller Bewunderung sah Amira ihn an. Man musste ein wirklich differenzierter Mensch sein, um etwas zu respektieren, dem er offensichtlich nicht zustimmte.

„Ich will auf keinen Fall, dass die Stammesangehörigen deine Ehre infrage stellen und dich nicht respektieren. Wenn das bedeutet, dass ich mir stundenlang in der Oase Abkühlung verschaffen muss, dann soll es eben so sein.“

Amira wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Weil sie ihn und seine Küsse auch immer stärker vermisste. Sie trat zu ihm, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust, wollte von ihm gehalten werden. Nur einen Augenblick.

Damit sie so tun konnte, auch wenn sie es nicht sollte, dass er der Adir von damals war.

„Je mehr ich von dir durch die anderen erfahre, desto größer wird mein Respekt für dich. Als Scheich, als Herrscher, als Mensch, der Vergangenheit und Zukunft vereint, bist du beispiellos. Aber vermutlich ist es zu viel verlangt, dass ein Mann in allem ein Vorbild ist.“

„Was meinst du damit?“

Sie sah in seine Augen. „Du hättest mich über deine Entscheidung informieren können. Allerdings habe ich gehört, dass du schon sehr früh Verantwortung übernehmen musstest, und offenbar sind deine zwischenmenschlichen Fähigkeiten in Bezug auf Frauen dabei zu kurz gekommen.“

„Du bist die erste Frau, die sich beschwert.“

„Das ist unfair. Aber wenn es stimmt, dann nur, weil ich die erste Frau bin, die es gewagt hat, ehrlich zu dir zu sein.“

Seine Augen leuchteten amüsiert. „Ich glaube, dass mich noch nie jemand in einem Satz so tief beleidigt und mir gleichzeitig ein Kompliment gemacht hat.“

War das ein weiterer Sieg für sie? Dass Adir bei einem Streit mit ihr lachte? Dass sie einen Hauch des Mannes sah, der sie so zärtlich gehalten hatte?

„Du wirst lachen, weinen und was auch immer eine überwältigte Braut bei ihrer Hochzeit macht, Amira. Ich will nicht, dass Humera mich wieder auffordert, ihr zu verraten, warum meine Verlobte heimlich einem Mann schreibt, den ich hasse, und warum sie sich nicht auf die Hochzeit freut.“ Arrogant tat er ihr empörtes Schnauben mit einer lässigen Handbewegung ab. „Ich will auf keinen Fall, dass die Frauen des Stammes bei ihren Ehemännern klagen, dass ich dich zu all dem zwinge und so mein Ruf befleckt wird. Und deiner auch.“

Natürlich. Deswegen war er gekommen, um sie über ihre Rolle zu informieren. Und nicht, weil er sie als Partnerin sah. Genau wie jeder andere Mann, mit dem sie zu tun gehabt hatte, erlaubte er ihr Freiheiten nur in dem Rahmen, den er gesteckt hatte. „Und, hätte das irgendeine Auswirkung, wenn sie sich bei ihren Ehemännern beklagen?“

Er runzelte die Stirn, dann stieß er die Luft aus. „Bei den Stämmen herrscht eine klare Hierarchie, aber die Frauen haben ihre eigene Macht. Dein Vater … er hat dir mit seinen verdrehten Ansichten ein völlig falsches Bild von den Männern vermittelt.“

Er hatte recht. Die Lebensweise der Stammesangehörigen, die von außen betrachtet hart und wenig angenehm schien, wirkte fremd für sie. Doch sie hatte bereits erlebt, wie eng verbunden die Gemeinschaft war.

„Warum hat Humera solche … Macht über dich?“ Die alte Hebamme hatte keine nennenswerte Familie, war ein Quell an Wissen über alte Heilmittel und kommandierte den Scheich allein damit, dass sie eine Braue hob. Amira hatte die aufrichtige Zuneigung in Adirs Blick bemerkt, wenn er mit Humera sprach.

„Sie hat mich großgezogen.“

„Und deine Eltern?“

„Meine Mutter und Humera kamen aus der gleichen Stadt. Sie hat mich Humera anvertraut, damit sie mich großzieht, als sie mich weggeben musste. Ich war erst ein paar Tage alt, und sie hat mich hierher bringen lassen, wo Humera sich niedergelassen hatte.“

Als Säugling in diese raue Landschaft gebracht zu werden und nicht zu wissen, wo man herkommt …

Amira wollte mehr Fragen stellen. Wie auch immer Adirs Vergangenheit ausgesehen haben mochte, hatte sie ihn geformt. Jetzt war es das Erbe ihres Kindes und auch ein Teil ihres Lebens.

„Wer … wer war deine Mutter?“

Doch sie kannte die Antwort bereits, aus Bruchstücken ihrer Gespräche, ohne dass es ihr klar geworden war.

„Königin Namani. Ich bin das Produkt einer Affäre: König Tariq hat in aller Stille veranlasst, dass man mich zu Humera bringt.“

Zufar, Malak und Galila … er war ihr Halbbruder. Deshalb kannte Galila ihn. „Und dein Vater?“

Seine Miene verspannte sich. „Königin Namani hat mir jedes Jahr zum Geburtstag geschrieben. Aber sie hat nie erwähnt, wer er ist.“

Der illegitime Sohn einer Königin, ein Schandfleck, dessen man sich entledigt hatte. Und er war zum Scheich aufgestiegen.

Mit einem Mal verstand sie seine Wut, die Angst in seinem Blick, als er geglaubt hatte, sie würde Zufar heiraten, und als er von ihrem gemeinsamen Kind erfuhr.

Er war unter Fremden aufgewachsen, weggeschickt von seiner Mutter. Hatte keine Ahnung, wer sein Vater war. Hätte sie Zufar geheiratet, hätte ihrem Kind das gleiche erbärmliche Schicksal geblüht.

„Das tut mir aufrichtig leid, Adir. Aber du kannst mich nicht für etwas verantwortlich machen, was ich nicht aus freien Stücken herbeigeführt habe. Du bist erst zurückgekommen, als du wusstest, dass deine Rache an Zufar noch schlimmere Konsequenzen haben würde.“

„Es spielt keine Rolle, dass ich als Bastard geboren bin, Amira.“

Warum war er dann zum Palast gekommen? Was hatte er von Zufar gewollt?

Würde er ihr die Wahrheit sagen, wenn sie ihn fragte?

Gerade als sie sich abwenden wollte, umklammerte er ihr Handgelenk und hielt sie zurück. Sein Gesicht war ihrem so nahe, dass sein Atem über ihre Wange strich. „Ich will nicht, dass du bei unserer Hochzeit die Märtyrerin spielst.“

Sie lachte. „Glaub mir, Adir, ich hasse es, diese Rolle auch nur in Erwägung zu ziehen. Passivität hat mir noch nie gelegen. Wünscht Eure Hoheit noch etwas zu befehlen?“

„Nein, was auch immer du bist, passiv jedenfalls nicht.“ Etwas beinahe Zärtliches lag in seinem Blick. „Such dir eine Sache aus, die du bei dieser Hochzeit haben willst. Was ist es, Amira?“

Die Worte hingen zwischen ihnen, während Amira ihn mit großen Augen ansah. Und plötzlich erfasste sie ein wenig Freude. Mit seiner Frage hatte er einen kleinen Stein für das Fundament ihres gemeinsamen Lebens gelegt.

„Könnte diese eine Sache vielleicht der Bräutigam sein?“, neckte sie ihn. „Ich habe neulich einen jungen Mann gesehen – einen Poeten, nach dem alle Frauen verrückt sind, wie Zara mir gesagt hat.“ Als Adirs Brauen sich finster zusammenzogen, musste sie lachen. „Er hat das schönste Lächeln … der jüngere Bruder deines Freundes Wasim …“

Der Rest ihrer Worte wurde verschluckt von seinen warmen Lippen. Es war ein besitzergreifender Kuss, der sie daran erinnern sollte, dass sie ihm gehörte.

„Mein Hochzeitskleid“, sagte Amira, nachdem er von ihr abgelassen hatte. „Galila und ich waren einmal in einer Designerboutique in Abu Dhabi. Dieses Kleid … es war das schönste, das ich je gesehen habe.“

„Warum hast du es nicht gekauft?“

Sie zuckte die Schultern. „Mein Vater wollte ein so teures Kleid nicht bezahlen, und Zufar dazu zu bringen, dafür hätte ich durch zehn Reifen springen müssen. Wahrscheinlich ist es schon lange verkauft worden, aber ich weiß noch genau, wie es ausgesehen hat. Nusra versteht sich sehr gut aufs Nähen, und Zara sagt, dass die Frauen hier sehr komplizierte Arbeiten anfertigen. Den Stoff müsste man natürlich in einem der königlichen Modehäuser besorgen. Und die Frauen hier müsste man bezahlen, denn ich will auf keinen Fall jemanden ausnutzen …“

Er nickte, Stolz im Blick. „Wird erledigt.“

„Danke.“

Spontan drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. Mit diesem Kleid hatte er ihr mehr zugestanden, als sie sich hätte erhoffen können.

Doch sie musste immer noch daran denken, was er ihr über seine Mutter gesagt und was sie und ihn zusammengeführt hatte.

„Adir … diese Sache mit König Zufar. Um was hast du ihn denn gebeten?“

„Dass ich als Königin Namanis Sohn anerkannt werde, als Mitglied des Geschlechts der Khalia.“

„Und was hat er gesagt?“

„Dass ich ein Schandfleck für das Königshaus bin.“

Amira versuchte, sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen. Trotz all seiner Küsse und seiner Großzügigkeit war ihr bewusst, welch schwachen Stellenwert er ihr in seinem Leben eingeräumt hatte. Doch sie wollte es nicht dabei belassen.

„Jetzt seid ihr quitt, oder nicht? Du hast Zufar etwas genommen und er dir.“

„Habe ich meinen rechtmäßigen Platz bekommen, Amira?“

Betrübt schüttelte sie den Kopf, ohne etwas sagen zu können.

Seine Miene war versteinert. „Ich werde nicht ruhen, bis ich das habe, was mir zusteht.“

Amira sank auf ihr Bett. Für sie hatte sich in den letzten Wochen alles verändert, für ihn hingegen gar nichts.

Und weder ihr gemeinsames Kind noch die Heirat würden Adir umstimmen können.

Sie durfte nie vergessen, dass er weder in der Lage noch willens war, in ihr etwas anderes als eine für seine Zwecke passende Frau zu sehen. Und das würde ihr weit mehr wehtun, als Zufars Gleichgültigkeit es vermocht hätte.

Wenn sie das zuließ, würde sie daran zerbrechen.

Ihr Hochzeitstag erwachte mit einer Explosion von Orange und Rosa über der Schlucht und dem Tal.

Amira hatte in der großen Wanne neben der Feuerstelle gebadet. Ihre langen Haare dufteten nach Rosenöl, und ihre Haut war massiert und abgerieben worden, bis sie wie Gold glänzte.

In dem Teil des Zeltes, der für die Frauen bestimmt war, befanden sich mindestens zwanzig Frauen, alle in schlichten, aber eleganten Seidengewändern. Nicht weniger als zwölf Frauen hatten Amira zurechtgemacht. Zara hatte ihr erklärt, dass es ein Privileg und eine Ehre sei, sich um die Braut ihres Scheichs kümmern zu dürfen.

Ausnahmsweise war sie für Humeras Autorität dankbar, denn die alte Hebamme hatte alle aus dem Zelt gewiesen, selbst Zara, während Amira die Spitzenunterröcke anzog, die sie unter dem Kleid tragen würde. Amira fragte nicht einmal, woher Humera es wusste. Denn die alte Frau wusste alles.

In geschickt geschnittener Kleidung sah man Amira noch nichts an, aber wenn sie nackt war, war ihr Bäuchlein zu erkennen.

Als sie dann zum Brautzelt gebracht wurde, wie Humera es genannt hatte, stockte ihr der Atem.

All diese Frauen und ihre Familien waren Adir gegenüber äußerst loyal, und sie freuten sich, Amira in ihrer kleinen Welt willkommen heißen zu dürfen. Automatisch wurde sie von allen respektiert, weil sie Adirs Wahl vertrauten und glaubten, dass sie es endlich geschafft hatte, das Herz des einsamen Scheichs zu erobern.

Mit Henna hatte man Amiras Hände und Füße in komplizierten Mustern geschmückt. Da sie praktisch mit leeren Händen davongelaufen war, hatte man Zara, die zu Amiras Überraschung jeden Tag mit dem Bus in Adirs IT-Unternehmen fuhr, um dort zu arbeiten, losgeschickt, um in einem luxuriösen Kaufhaus in der nächstgelegenen Stadt Make-up zu kaufen.

Amira hatte das Gefühl, sich inmitten einer herzlichen, wenn auch lauten Familie zu befinden, unter Schwestern, Cousinen und Freundinnen, so wie sie es sich immer gewünscht hatte.

Als eine schwangere Frau des Stammes jammerte, Angst zu haben, kurz vor der Entbindung auf die mobile Klinik warten zu müssen, hatte Amira ihr sofort angeboten, das Baby zur Welt zu bringen, was ihr einen missbilligenden Blick von Humera einbrachte.

Zwischen Tränen und Lachen hatte die Frau sich bedankt und Amira umarmt. Bald machte die Runde, dass sie Geburtshelferin war. Humera hatte die Frauen jedoch zurechtgewiesen und ihnen erklärt, dass Amira ihre zukünftige Sheika war und keine einfache Stammesangehörige. Amira hatte sie einen warnenden Blick zugeworfen, der ihr sagen sollte, dass sie nicht die Freiheit besaß, in dieser Angelegenheit ein Wort mitzureden, da der Scheich das Sagen hatte.

Doch auch das konnte Amiras Begeisterung nicht dämpfen. Sie würde die Hilfe anbieten, die hier offenbar notwendig war.

Zum ersten Mal seit Monaten verspürte sie so etwas wie Hoffnung, wenn sie an ihre Zukunft dachte.

Sie könnte hier ein erfüllendes Leben führen. Adir würde sie respektieren, sie hätte ein Baby und ihre Arbeit. Dieses neue Leben könnte besser sein als alles, was sie sich je hätte erhoffen können.

Liebe und all die Torheiten, die eine Romanze mit sich brachte, das brauchte sie nicht.

Sie zog ihr Hochzeitskleid aus goldener Seide mit schlichter Perlenstickerei und Stickarbeiten an, das die Frauen des Stammes in langen kalten Nächten neben einer Feuerstelle in ihren Zelten angefertigt hatten.

Jetzt war es an der Zeit, zu dem großen Zelt zu gehen und dem Mann zu begegnen, der dort auf sie wartete.

Das verschlagene Leuchten in seinen Augen und das leichte Beben seiner Nasenflügel verrieten Amira, was er von ihrem Kleid hielt. Und von ihr, als sie seinen Blick mit einem plötzlich schüchternen Lächeln erwiderte.

Egal, ob es richtig oder falsch, dumm oder klug gewesen war, hatte ihre eigene Entscheidung sie hierhergebracht, zu diesem Mann.

Jetzt war es an ihr, das Beste aus ihrer Ehe zu machen.

Sie würde ihm beweisen, dass sie das Beste war, was ihm je passiert war. Sie würde ihr Zuhause zu einem Ort der Liebe für dieses Kind und alle anderen machen, die sie vielleicht noch bekommen würde.

7. KAPITEL

Erst spät am Abend schaffte es Adir, sich von der Feier zu entfernen, die nach der Hochzeitszeremonie begonnen hatte. Wenn er sich im Lager aufhielt, trank er selten oder nie, weil er die Tradition der Älteren nach Enthaltsamkeit respektierte. Doch an diesem Abend brauchte er einen starken Drink.

An diesem Abend würde er all seine Pflichten vergessen, die auf seinen Schultern ruhten, dieses ständige Bedürfnis, sich immer wieder zu beweisen, den Stämmen, der Welt. Und mehr als das, sich selbst.

Nicht, dass es ihm an Selbstvertrauen mangelte. Denn das Einkommen aus seinem Unternehmen reichte ihm, um sich als reichen Mann zu sehen.

Vielmehr war es die Leere in seinem Inneren. Eine Leere, die er schon sein ganzes Leben lang verspürte. Und die Briefe seiner Mutter hatten diese Leere noch tiefer in ihm eingegraben, statt ihm Trost zu spenden.

Eine Leere, die seine Ambition angefeuert hatte, sein Bedürfnis nach Macht und etwas, was noch weniger fassbar war.

Wenigstens war die Hochzeitsfeier sehr schön für seine Stammesangehörigen, und sie rühmten ihn immer wieder für seine neue Sheika.

Die Oberhäupter einiger anderer Stämme nahmen ebenfalls an der Hochzeit teil, hatten ihren Segen gegeben.

Die Ergebnisse, die er mit den Dawab und den Peshani erzielt hatte, wurden ebenfalls lobend erwähnt. Und dass er den Scheich des benachbarten Landes Zyria gebeten hatte, dem Rat beizutreten, hatte bereits die Runde gemacht.

Ob er Scheich Karim von Zyria wirklich in den Rat locken und ihn davon überzeugen konnte, einen Vertrag zu unterzeichnen, den Adir bisher für zwei Länder ausgehandelt hatte und in dem es darum ging, nicht in das Land der Stämme einzugreifen, war eine andere Sache. Doch jedes Stammesoberhaupt an seinem Tisch wollte wissen, wie die Sache ausgehen würde. Weil jeder ein eigenes Interesse daran hatte.

Sie glaubten, Adir wolle mehr Macht, mehr Verbindungen. Was seine Geschäfte betraf, stimmte das zum Teil. Doch er wollte auch Frieden für das Land, in dem er aufgewachsen war. Er wollte den ständigen Scharmützeln zwischen den Ländern, die an die Wüste grenzten, ein Ende machen. Den Stämmen sollte es gutgehen.

„Willst du dir ein Vermächtnis schaffen?“, hatte Amira drei Tage vor der Hochzeit gefragt, als er ihr erklärte, warum er den Rat vor fast zehn Jahren eingesetzt hatte. Sie saßen beim Abendessen, weil er sie noch einmal hatte treffen wollen, da er sie gemäß der Tradition drei Tage vor der Hochzeit nicht mehr sehen durfte. Er wollte sich in der Hitze ihres Mundes verlieren, ihren geschmeidigen Körper spüren, bevor er allein in sein Bett ging.

Doch mit Amira gab es keine Entspannung.

Stattdessen setzte sie ihm zu, bis sie Antworten bekam. Und ohne dass er sich dessen bewusst war, gab er ehrliche Antworten.

Warum konnte diese verdammte Frau nicht einfach hinnehmen, wenn er sagte, dass Frieden in dem Gebiet gut für sein Geschäft sein würde? Dass er Investoren aus anderen Ländern anlocken und dem Land mehr Geld einbringen würde – Geld und Reichtum, das die Stämme brauchten?

Aber sie tat es nicht. Seinen finsteren Blick hatte sie ignoriert und ihre eigenen Schlüsse gezogen.

Dass es ihm nicht nur darum ging, ein guter Herrscher zu sein. Sondern dass er sich einen Namen machen und ein Vermächtnis hinterlassen wollte.

Und da er ihren Worten, die der Wahrheit sehr nahe kamen, nichts entgegensetzen konnte, war er einfach gegangen.

Warum er ein Vermächtnis hinterlassen wollte, war heute deutlicher geworden. Eine schwierige Erkenntnis, die er immer noch nicht verdauen konnte.

Plötzlich fühlte sich der Weg, für den er sich entschieden hatte, nicht mehr so sehr wie ein Sieg an, sondern eher wie etwas nie Erreichbares. Hatte seine Mutter je überlegt, dass ihre Worte zu einer unerträglichen Last werden könnten?

Er war zur Gallionsfigur einer Bewegung geworden, die für die Unabhängigkeit der Stämme stand. Und alle suchten nun seinen Rat.

Außer einem Stammesoberhaupt.

Ein Scheich hatte die Frage aufgeworfen, auf die Adir keine Antwort hatte. Und nie eine haben würde.

Und er hatte Adir daran erinnert, dass er zwar weit gekommen war, dass es jedoch etwas gab, was er nie haben würde.

„Du bist nicht ins Bett gekommen.“

Adir wurde von der belegten Stimme aus seinen Grübeleien gerissen. Seine Braut stand bei dem Wandschirm, der sich zwischen dem Aufenthaltsbereich und dem riesigen Bett befand, die goldbraunen Haare zerzaust.

Ihr hellgolden schimmerndes Kleid, das der Farbe ihrer Haut so sehr glich, hatte ihm den Atem geraubt, als sie früher an diesem Abend zu ihm getreten war.

Und jetzt war es nicht anders.

Wie hatte er vergessen können, was ihn erwartete?

Die Seide knisterte, als sie sich bewegte, der Stoff genauso teuer und ansprechend wie ihr Hochzeitskleid, das sie für Zufar getragen hatte.

Doch während das Kleid damals offensichtlich Aufmerksamkeit erregen sollte, war dieses so schlicht geschnitten, dass es perfekt die Schönheit der Frau zur Geltung brachte, die es trug.

Auch wenn sie gegen seine Befehle aufbegehrte, schien es ihr im Blut zu liegen, eine Sheika zu sein. Schon vor der Hochzeit hatte sie einen Weg gefunden, die Frauen in die Feierlichkeiten mit einzubeziehen. Und sie interessierte sich für alles, ob es um das Hüten von Ziegen ging oder mobile Kliniken.

Selbst ihm war nicht bewusst gewesen, welches Juwel er Zufar gestohlen hatte. Hatte sein Halbbruder es gewusst? Offensichtlich nicht, denn sonst hätte er ihr mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

Die dunklen Schatten unter ihren großen Augen stachelten sein schlechtes Gewissen an. Behandelte er sie denn besser? „Ich wusste nicht, dass du noch wach bist. Du warst doch schon müde, als wir zum Essen gegangen sind.“

„Ich habe überlegt, ob du wohl ins Bett kommst und was du dann willst. Und was ich tun würde, wenn du das tust, was du möchtest.“ Röte stahl sich in ihre Wangen und unterstrich einmal mehr, wie schön sie war. „Dann habe ich mir überlegt, was ich tun soll, wenn du nicht das tust, was ich angenommen habe. All diese Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen, und dann bin ich einfach eingeschlafen.“

„Dann hast du dir wohl in letzter Zeit oft Gedanken gemacht“, gab er automatisch zurück, und ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht.

„Darf ich dir Gesellschaft leisten, Adir?“

Er schaffte es nicht, sie anzulächeln. Zu viel ging ihm an diesem Abend im Kopf herum. Seine Mutter, Amiras bohrende Fragen, die er nicht wollte. Bisher hatte er all das immer mit sich allein ausgemacht.

„Ich bin heute Abend keine gute Gesellschaft. Geh zurück ins Bett.“

„Wirst du heute Nacht … zu mir kommen?“, fragte sie und wirkte wieder vorsichtig.

Ein geduldigerer Mann hätte sie jetzt gefragt, ob sie sich das wünschte.

„Muss ich dich darüber informieren, was ich will, Amira? Muss ich dir jeden Abend sagen, ob ich eine eheliche Beziehung haben will oder nicht?“

Sie wurde blass. „Nein … ich dachte nur, wir könnten warten …“

„Nein, wir werden nicht warten, um diese Ehe zu vollziehen. Du bist meine Frau. Und heute ist meine Hochzeitsnacht. Ich denke, ich werde das tun, was mir gefällt. Und falls du schläfst, wenn ich ins Bett komme, werde ich dich wecken, damit du mich einlässt.“

Er klang wie ein Mann aus einem anderen Jahrhundert. Adir hatte sich immer für einen gebildeten und aufgeklärten Menschen gehalten, doch Amira trieb ihn dazu, sich wie ein Neandertaler zu verhalten.

Sie wich nicht zurück, doch die Röte auf ihren Wangen verblasste. Er war sicher, dass sie ihn jetzt in Ruhe lassen würde.

Wenn er seine schlechte Laune erst einmal überwunden hatte, wollte er zu ihr ins Bett gehen, und sie würde ihn willkommen heißen.

Er wusste, dass sie ihn wollte, und das erregte ihn, trotz seiner düsteren Stimmung.

Sie wollte ihn neben sich in diesem Bett, über ihr, in ihr. Dass Amira seine Berührung brauchte, besänftigte ihn ein wenig.

Doch wenn er geglaubt hatte, dass seine ahnungslose Frau sich zurückziehen und ihre Wunden lecken würde, hatte er sich geirrt. Vielmehr trat sie vor. Aus Trotz, weil er so mürrisch gestimmt war?

Immer wieder war er erstaunt, wie viel Stärke sie besaß, obwohl sie so zerbrechlich wirkte.

„Selbst Humera geht mir aus dem Weg, wenn ich in dieser Stimmung bin“, fügte er als Warnung hinzu, ohne den Blick von ihr lassen zu können.

Sie zuckte die Schultern und sank anmutig auf den Diwan auf der anderen Seite. „Dann hat Humera Glück. Da ich deine Frau bin, steht mir ein solcher Fluchtweg nicht zur Verfügung.“

„Ich gebe dir einen.“

„Nein, du schreibst vor, welche Art von Ehe wir führen werden. Und ich habe dir gesagt, dass ich mich in diesem Fall nicht fügen werde.“ Sie sah ihn direkt an. „Wenn du wütend bist und allein für dich Dampf ablassen willst, werde ich einfach schweigend bei dir sitzen. Da wir verheiratet sind, wäre es nett, wenn du deine Gedanken mit mir teilst. Aber wenn du das nicht willst, ist es auch in Ordnung. Ich werde jedoch nicht tolerieren, völlig ausgeschlossen zu werden, wenn du schlecht gelaunt bist, und dass du nur zu mir kommst, wenn dir nach … nach Sex ist. Als ich heute mein Versprechen abgegeben habe, war es mir ernst damit, an deinem Leben teilzuhaben. Und nicht nur im Bett.“

Nachdem sie ihre kleine Ansprache beendet hatte, lehnte sie sich zurück und zog die Füße unter sich. Ihre Brüste hoben und senkten sich.

„Willst du damit sagen, dass mir nicht erlaubt ist, dich zu berühren, Amira?“ Er klang schockiert und gleichzeitig vorwurfsvoll.

Ihre Augen waren geschlossen. „Ich will damit sagen, dass du mehr haben kannst als nur meinen Körper, Adir. Ich bitte dich nicht, mir dein Herz auszuschütten, aber du musst mich auch nicht vor deinen Stimmungsschwankungen beschützen. Glaub mir, ich werde dich in diesem Punkt auch nicht verschonen.“

Er lachte, was ihn selbst überraschte. Auch wenn er schlecht gelaunt war, schaffte sie es, ihn zum Lachen zu bringen. „Stimmungsschwankungen und eine scharfe Zunge, hm? Ich dachte, ich würde eine gutmütige Frau bekommen.“

„Für einen Mann, der zwei verfeindete Stämme vereinigt hat, bist du ziemlich begriffsstutzig, nicht wahr? Wenn du eine gutmütige Frau willst, dann nimm lieber Honig statt Essig.“

Adir schaffte es nicht mehr, sich zu beherrschen. Auch nicht sein Verlangen. „Ich weiß, was ich verwenden muss. Meine Finger, meinen Mund, meine Zunge.“

Sie atmete heftiger, und plötzlich wollte Adir sie nackt sehen. Ihre dunklen Brustwarzen, ihre Hüften, die schwarzen Löckchen zwischen ihren Schenkeln.

Schweiß perlte auf seiner Stirn.

Vorsichtig ging er zu ihr, um sie nicht zu verängstigen. Ihre angespannten Schultern verrieten ihm, dass sie sich seiner Nähe bewusst war. Doch sie lag da wie eine Königin, wie eine Versuchung.

Er trat näher, bis sein Bein ihres berührte und er sich neben ihr zurücklehnte.

Ihr Atem ging noch schneller, und die Hände auf ihrem Bauch zuckten, wie die Flügel eines Schmetterlings. Und plötzlich, von einem Moment auf den anderen, veränderte sich alles.

Sie war so schlank, dass man ihr in ihrer normalen Kleidung kaum etwas ansah. Doch wenn er ihr so nahe war, konnte er erkennen, dass ihr Bauch leicht gerundet war.

Er schluckte und legte sein Gesicht an ihres. Da sie nicht zurückzuckte, obwohl sie sehr angespannt war, stahl er seine Hand unter ihre.

Sein Aufruhr legte sich, und Ruhe überkam ihn. Gemeinsam hatten sie ein Leben erschaffen. Ein winziges Wesen, für das er verantwortlich war. Ein Kind, das von ihm angeleitet, beschützt und … geliebt werden wollte.

Seit er davon erfahren hatte, kreisten all seine Gedanken darum, es zu legitimieren, und um Amira und all das seltsam Neue, was sie ihn empfinden ließ. Vater zu werden, daran hatte er nie gedacht.

Flatternd hob sie die Lider, und Angst stand in ihrem Blick. Sie legte ihre Hände auf seine. „Adir? Was ist denn?“

„Würdest du dieses Baby für irgendetwas aufgeben, Amira?“

Sie zuckte vor ihm zurück und sah ihn aufgebracht an. „Wie kannst du es wagen, mir so eine Frage zu stellen?“

Trotzdem ging ihm die Frage nicht aus dem Kopf. „Was ist, wenn ich dir im Austausch die Freiheit anbiete, nach der es dich so sehr verlangt? Einen neuen Anfang irgendwo auf der Welt, wo kein Mann über dich herrscht? Einen Platz auf einer Universität, wo du studieren kannst, was du willst? Was wäre dann?“

„Nein. Nein. Nein. Für nichts auf dieser Welt.“

Ein scharfer Schmerz zog sein Herz zusammen, wie er es noch nie erlebt hatte.

„Du machst mir Angst, Adir. Was … was habe ich denn getan?“

Er war ein unschuldiges Baby wie dieses hier gewesen, als sie ihn weggegeben hatten. Seine Mutter hatte in all ihren Briefen bekundet, dass sie Adir, den sie aus ihrem Leben geschnitten hatte, liebte. Sie hatte ihn bedrängt, etwas aus sich zu machen. Mit einem fast verrückten Eifer hatte sie sich in ihren Zeilen über all die Ungerechtigkeiten ausgelassen, die man ihr angetan hatte, wie zum Beispiel, dass sie gezwungen worden war, ihn abzugeben. Und über den Groll gegenüber ihren anderen Kindern – Zufar, Malak und Galila.

Trotzdem, sie hatte ihn weggegeben. Sie hatte nie versucht, ihn wiederzusehen, hatte ihm verboten, sie zu sehen, sondern nur sein Schicksal aus der Ferne bestimmt.

Und was seinen Vater betraf …

„Warum ist dir das Baby so wichtig? Es kommt unerwartet und bindet dich, wie du selbst zugegeben hast, an einen Mann, der dich getäuscht hat, stimmt’s?“

„Adir …“

„Wenn das Baby nicht wäre, wärst du doch schon lange davongerannt.“

„Na schön. Es ist mir wichtig, weil es einer Entscheidung entspringt, die ich getroffen habe. Ganz allein. Es entstammt etwas Gutem.“

„Du glaubst also immer noch, dass es gut war, die Nacht mit mir zu verbringen, obwohl du mich hasst?“

„Ich hasse dich nicht. Ich … diese Nacht war … wie ein Märchen. Diese Nacht und dieses Baby sind jetzt miteinander verbunden. Und wie könnte ich dich hassen oder diese Nacht, wenn sie mir dieses winzige Wesen geschenkt hat?“

Doch anders als Amira hatten seine Mutter und sein Vater ihre Affäre und ihre gegenseitige Liebe zwar genossen, aber das Resultat – ihn – hatten sie nicht geliebt.

Er nahm Amiras Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Als er leicht an ihrer Hand zog, gab sie nach. Schließlich saß sie zwischen seinen Beinen, während ihr Rücken an seiner Brust lehnte und ihre Hüften seine Schenkel berührten.

Etwas in ihm kam zur Ruhe. Ihr gemeinsames Kind, das sie in sich trug, und diese Frau – sie gehörten zu ihm. Waren sein. Es war primitiv, so zu denken, aber er konnte nicht anders. In einem Leben, wo er niemanden sein eigen nannte, gehörten sie ihm.

„Adir, bitte … sag mir, wie du auf so einen Gedanken kommst …“

„Pst, habiba.“ Er hielt sie fest und bedauerte, sie erschreckt zu haben. Ihm wurde bewusst, dass es ihm schwerfallen würde, noch weiter wütend auf sie zu sein. Und schlimmer noch, gleichgültig. „Es hat nichts mit dir zu tun. Nicht einmal mit mir. Das Treffen mit den Oberhäuptern hat einfach Fragen aufgeworfen.“

„Was für Fragen? Adir, du kannst nicht erwarten, dass ich deine Sheika bin, und dich gleichzeitig vor mir verschließen.“

„Was möchtest du denn wissen, Amira?“

„Wie bist du Scheich geworden, nachdem man dich fortgeschickt hat?“

Er vergrub das Gesicht in ihren Haaren, und der Duft hüllte ihn ein. „Als ich die Stämme der Dawab und der Pashani zusammenführte, habe ich das unbewusst gemacht. Sie hatten sich jahrelang bekriegt, und die örtlichen Behörden haben ihnen gerade genug Zündstoff geliefert, dass sie sich weiter an die Kehle gehen. Denn solange sie sich bekämpften und versuchten, Abmachungen zu treffen, die dem jeweils anderen schadeten, waren die Ölrechte auf dem ausgedehnten Land, das sie bewohnten, noch zu haben.“

Langsam entspannte sie sich. Sein Atem stockte, als sie seine Arme um sich zog und auf ihren Bauch legte, sodass sie unter ihren Brüsten ruhten. Er wusste nicht, ob sie sich überhaupt klar war, dass sie ihn ständig in Versuchung führte.

„Du hast auf das Offensichtliche hingewiesen“, sagte sie, und er lächelte.

„Ja. Als ich in Zyria auf der Universität war, habe ich einen Investor kennengelernt, der meine Ideen für ein gewagtes Ökounternehmen gut fand. Als Nächstes habe ich dann einen Anteil an einem IT-Konzern gekauft, weil es klar war, dass selbst die Beduinen sich einem modernen Lebensstil nicht mehr ganz verschließen konnten.“

„Stimmt. Ich war sehr überrascht, als ich erfahren habe, dass Zara für dich arbeitet.“

Der Stolz in ihrer Stimme freute ihn sehr, obwohl er vorher nie Bestätigung gebraucht hatte. „Es hat Zara, mich und Humera Monate gekostet, um ihre Eltern davon zu überzeugen, dass es gut für sie ist, wenn sie ihr Gehirn benutzt, um das magere Einkommen der Familie aufzubessern. Und dass sie ihre Tochter nicht an die moderne Welt verkaufen. Nachdem wir den Busservice bereitgestellt und sie die Personalreferentin kennengelernt hatten, auch eine Frau, die für mich arbeitet, waren sie überzeugt.“

„Und dann nahm alles seinen Lauf.“ Sie sah ihn über die Schulter an, als hätte er das Unmögliche geschafft. Als wäre er tatsächlich ein Held. „Du hast so viel für sie getan, Adir. Du bist ein geborener Herrscher. Jeden Tag sehe ich in ihren Blicken, wie stolz sie auf dich sind. Sie vertrauen darauf, dass du immer das Richtige für sie tun wirst. Ein Vertrauen, das du dir verdient hast.“

„Heute haben noch zwei weitere Stammesoberhäupter an unserer Hochzeit teilgenommen.“

Sie runzelte die Stirn. „Und?“

„Sie haben die Lage sondiert. Dass die Dawab und die Peshani ihre jahrzehntelange Feindschaft beigelegt haben, beeindruckt sie sehr. Noch ein weiterer Stamm hat mich beauftragt, mich für ihn einzusetzen. Aber das zweite Stammesoberhaupt hat meine Abstammung infrage gestellt, mein Recht, die Stämme zu führen. Er hat mich gefragt, wer meine Eltern sind. Offensichtlich wollte er mich provozieren und …“

Adir hätte ihm keine Antwort geben können, wurde Amira bewusst.

Selbst von seiner Mutter hätte er nichts sagen können und dass er von königlichem Geblüt war.

Nichts von all dem konnte er vorbringen, sondern müsste all die Beleidigungen hinnehmen.

Was hatte Königin Namani durch ihre Briefe bei Adir ausgelöst? Was hatte sie ihm gegeben? Keinen Stolz, keine Liebe, egal, wie Adir es auch immer bezeichnen würde. Stattdessen eine schwelende Feindseligkeit gegenüber seinen Halbgeschwistern.

All das hatte er allein ertragen, bis jetzt.

„Und das hat dich dazu gebracht, an Königin Namani zu denken?“

„An meinen Vater, mit dem sie eine Affäre hatte. Den sie, wie sie schrieb, von ganzem Herzen geliebt und der sie angebetet hat.“ Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Solange ich denken kann, waren Königin Namanis Briefe die treibende Kraft in meinem Leben.“

Amira konnte kaum glauben, dass sie dieselbe Frau war wie die launische Mutter ihrer besten Freundin. „Wann hat sie dir die Briefe geschickt?“

„Einen jeweils am Geburtstag.“ Sein bewegter Blick strafte seine monotone Stimme Lügen. „Ich habe jedes Jahr darauf gewartet. Es war ein Geschenk für mich.“

„Um was ging es in diesen Briefen?“

„Um einen Teil ihres Herzens, der nur mir gehört, schrieb sie. Sie nannte mich ihr wahres Vermächtnis. Hat mich gedrängt, zu studieren, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. In jedem Brief hat sie mich daran erinnert, dass ich für Großes bestimmt bin. Und dass ich meine Ausbildung um keinen Preis vernachlässigen soll. Dass ich keine Schwäche zeigen darf, wenn es Probleme gibt. Mein Weg sei immer der eines Einzelgängers, wenn ich meine wahre Bestimmung erreichen will. Ich solle niemandem vertrauen, den Launen meines Herzens nicht nachgeben. Und dass ich mir ein vorteilhaftes Ebenbild suchen soll, wenn ich einmal heiraten werde.“

Kein Wunder, dass er so unnahbar war, so allein. Die Wut auf die tote Königin schnürte Amira die Kehle zu.

Sie schluckte dagegen an, weil sie den Moment nicht zerstören wollte. „Hast du ihr gesagt, dass du sogar mehr erreicht hast, als sie dir vorhergesagt hat? Dass du ausgewählt wurdest, um die Stämme zu führen?“

„Nein.“

Amira verspürte Mitleid, weil so viel Schmerz in diesem kleinen Wort lag. Sie zwang sich, ihn nicht anzusehen, aus Angst, den Schmerz in seinem Blick zu bemerken. Sonst wäre sie nicht in der Lage, ihre Empörung zurückzuhalten, die Worte, die gesagt werden mussten. „Warum nicht?“

„Ich habe nur unter der Bedingung Briefe von ihr erhalten, dass ich nie Kontakt zu ihr aufnehme und keiner Seele verrate, welche Bedeutung sie für mich hatte.“

„Aber nach ihrer Beerdigung bist du zu ihnen gegangen.“

„Auf ihre Anweisung. In ihrem letzten Brief hat sie mich gedrängt, Anspruch auf meinen Rang zu erheben.“

Nachdem ihr eigener Ruf keinen Schaden mehr nehmen konnte. Wenn sie nicht mehr auf der Welt war, um sich ihren Verfehlungen stellen zu müssen. Was für ein Feigling Königin Namani doch gewesen war.

„Als der alte Scheich mir sagte, dass er mich zu seinem Nachfolger bestimmen will, waren es ihre Worte, die mir Selbstvertrauen gegeben haben. Ich habe nie wieder darüber nachgedacht, wer mein Vater ist … bis heute.“

„Weil dieser Scheich dich dazu gebracht hat. Du hast dich gefragt, was für ein Mensch dein Vater ist, der nicht einmal das Kind besucht, das er mit der Frau gezeugt hat, die er angeblich geliebt hat. Hast an die Frau gedacht, die dich mit einem Traum geködert, ihn jedoch außer Reichweite gehalten hat. Eine Frau, die deine Wut genährt hat gegen …“

Er schoss so abrupt hoch, dass sie beinahe vom Diwan gefallen wäre, hätte er sie nicht festgehalten. „Sie wurde gezwungen, mich wegzugeben. Königin Namani hat mich geliebt.“

„Und trotzdem hast du mich gefragt, ob ich dieses Baby für irgendetwas weggeben würde. Das würde ich nicht, Adir. Und ich verstehe nicht, wie deine Mutter so etwas tun konnte. Mit Zufar und Galila hatte sie …“

„Es reicht, Amira! Mit deiner naiven Weltsicht und deiner Loyalität, die du immer noch gegenüber Zufar empfindest, kannst du das nicht verstehen. Sie liebte meinen Vater und hat es gehasst, sich von mir trennen zu müssen. Ich will nie wieder ein Wort von dir darüber hören. Hast du verstanden?“

Amira wollte Nein sagen, aber dass sie endlich anfing, ihn zu verstehen. Und welche Macht Königin Namanis Worte immer noch über ihn hatten.

In seinen Augen war sie eine vollkommene Frau, seine Mutter, die ihn angespornt hatte. Sie hatte ihm sinnlose Worte über Bestimmung und Einsamkeit eingepflanzt und ihn blind gemacht für alles andere.

Sie wollte widersprechen und ihm sagen, dass die Königin bei ihm mehr Schaden als Gutes angerichtet hatte. Dass sie über Galilas Kindheit Bescheid wusste und wie gefühllos und nachlässig sie gegenüber Zufar, Malak und Galila gewesen war.

Und dass seine Geschwister gestraft genug wären, weil er zu ihnen gekommen war und von den Briefen erzählt hatte.

Aber nichts von alldem konnte sie sagen.

Weil Adir noch nicht bereit war, sie anzuhören.

Er würde die Wahrheit nicht sehen. Vielleicht hatte Königin Namani den Sohn, den sie hatte weggeben müssen, wirklich geliebt, war schwach und selbstsüchtig gewesen, während er für sie ein Ventil gewesen war, um ihrem Mann und ihren anderen Kindern eins auszuwischen.

Königin Namani hatte ihn nicht nur abgegeben, sondern ihn auch für ihre eigene Agenda benutzt.

Er würde nie bereit sein, sich die Wahrheit anzuhören. Dass er den Ansporn seiner Mutter nicht gebraucht hätte.

Denn Adir Al-Zabah lag es im Blut, Herrscher zu sein, er war ein geborener König.

Doch ihr Mann, der stets an seine Stämme und deren Bedürfnisse dachte, wurde immer noch von einer Vergangenheit verfolgt, die er nicht ändern konnte. Und er sah nicht, dass Königin Namani ihm mehr genommen hatte, als er sich je vorstellen könnte – die Möglichkeit, eine Beziehung zu seinen Geschwistern aufzubauen und die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Die Möglichkeit, je etwas anderes in seinem Leben zuzulassen.

Solange er immer noch im Sumpf seiner komplizierten Vergangenheit steckenblieb, der Geist seiner Mutter ihn immer noch im Griff hatte, würde es keinen Raum für etwas anderes in seinem Leben geben.

Oder in seinem Herzen.

Es würde immer nur eine Zweckehe sein. In ihrem Herzen würde er nie einen Platz haben. Er könnte ihr nicht wehtun, weil sie wusste, was sie nie von ihm bekommen würde.

Und diese seltsame Erkenntnis gab ihr den Mut, Trost zu spenden. Ihm das zu geben, was er an diesem Abend von ihr brauchte.

Sie bot ihm das Einzige an, was er ihr erlauben würde. Sie zitterte, als sie sich zwischen seine Beine kniete und ihr Verlangen ihre Schreie übertönte. Er umklammerte ihre Handgelenke, seine Wut beinahe greifbar.

Mit hartem Blick sah er sie an. Die Luft blieb ihr in der Kehle stecken, als sie ihre Brüste gegen seinen muskulöse Oberkörper presste, ihren weichen Bauch gegen seine erregte Männlichkeit.

„Es tut mir leid.“ Sie lehnte ihre Stirn gegen sein. „Du hast recht. Ich verstehe es nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie … frustriert du sein musst. Wie viel Kraft du brauchst, um der zu sein, der du bist.“

Sie presste die Lippen auf seinen Mund und flüsterte ihre Entschuldigung. Wieder und wieder, während sie ihn küsste.

Amira könnte es nicht ertragen, wenn er ihr sagte, dass es ihm nichts bedeuten würde, außer dass sie damit ihren Gehorsam zeigte.

Aber sie würde mit ihm leben, mit ihrem gemeinsamen Baby. Sie hatte eine eigene Familie. Hatte seinen widerwilligen Respekt gespürt, trug seinen Namen, und er wollte sie in seinem Bett. Das musste ihr genügen.

Sie umfasste seine Wangen. Seine Nasenflügel bebten, und hart presste er die Hüften gegen ihre, obwohl er versuchte, seine Wut, seine Lust zu bezwingen, die sie in seinem Blick erkannte.

Als er aufstöhnte, schob sie ihre Zunge gegen seinen Willen in seinen Mund, spielte mit seiner Zunge, drang tief in seinen Mund ein, damit er die Selbstbeherrschung verlor.

Und als er endlich den Kuss erwiderte und die Führung übernahm, zitterte sie vor Erleichterung und Verlangen.

Sie hieß ihn willkommen, als er hart mit seiner Zunge in ihren Mund eindrang, genoss es, wie er sich an sie presste, wie erregt er war.

Er zog ihr die Nadeln aus den Haaren, und sie stöhnte laut, als er seine Finger darin vergrub.

Besitzergreifend und barsch hatte er völlig die Kontrolle über sich verloren. Er zitterte vor Verlangen, genauso wie Amira.

„Ich bin froh, dass ich dich kennengelernt habe“, flüsterte sie. „Dass du mein Mann bist, der Vater meines Kindes. Und dass ich mich in der Nacht damals für dich entschieden habe. Ich würde es bereitwillig wieder tun.“

8. KAPITEL

Woher wusste eine Unschuld wie sie, mit welchen Worten sie einen erschöpften Mann wie ihn verführen konnte? Wie schaffte sie es, sich zu ergeben und gleichzeitig einen Sieg zu erringen? Ihre Worte, ihre Augen, ihre Küsse hatten Adirs Blut in Wallung gebracht.

Mit einer Begierde, die er nicht zügeln konnte, eroberte er ihren Mund. Sie schmolz dahin. Ihre Lippen schmeckten süß und doch wie ein Feuer, ihre Berührungen unerfahren, aber von einem wilden Verlangen, das seinem in nichts nachstand.

Er zog sie an sich, während er nach ihrem Reißverschluss tastete, wie ein Junge, der zum ersten Mal eine Frau berührt.

Sie warf den Kopf zurück und bot ihm ihren Nacken dar – eine weitere Versuchung, der er nicht widerstehen konnte.

Ihr Puls hämmerte an ihrem Hals, und ihre Haut duftete nach Rosenparfüm.

Während er mit einer Hand den Reißverschluss herunterzog, fuhr er mit den Zähnen über ihren Nacken, saugte an ihrer Haut, um ihren Duft in sich zu spüren.

Sie schmeckte süß und verschwitzt, eine unglaublich erotische Mischung, die sein Verlangen nach mehr entfachte.

„Ich werde heute Abend überall von dir kosten, ya habiba“, versprach er, und seine Stimme klang so tief und heiser, dass er sie selbst kaum wiedererkannte. „Ich will von dem Honig zwischen deinen Schenkeln kosten, und du wirst dich vergessen vor unerträglicher Lust.“

Mit zitternden Knien schmiegte sie sich noch fester an ihn, auf der Suche nach mehr. Er presste seine Männlichkeit gegen ihren Bauch und die Wärme, die dort auf ihn wartete.

Amira schnappte nach Luft, schlang die Arme um seine Schultern und klammerte sich an ihn.

„Bitte, Adir … ich will mehr. Dieses Kleid, es kratzt …“

„Dann werden wir es herunterreißen.“ Er griff nach dem Ausschnitt, doch sie zuckte zurück und legte ihre Arme beschützend über ihr Oberteil. Er hatte vergessen, dass er bereits ihren Reißverschluss heruntergezogen hatte.

„Nein.“ Sie strich mit der Handfläche über ihr Oberteil, ohne sich bewusst zu sein, dass ihre Brustwarzen sich unter dem Seidenstoff abzeichneten.

Stöhnend fuhr Adir sich mit der Hand durch sein Gesicht. „Komm wieder zu mir, Amira.“

Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre langen Locken um ihr Gesicht tanzten. „Ich …“ Sie leckte über ihre Lippen und zuckte zusammen, als sie über den Abdruck fuhr, den seine Zähne hinterlassen hatten. Doch statt ein schlechtes Gewissen zu haben, weil er ihr wehgetan hatte, wurde seine Lust noch mehr angefacht. „Ich werde nicht zulassen, dass du dieses Kleid zerreißt“, sagte sie. „Für mich ist es ein Symbol, das für so vieles steht, so viel Gutes. Ich möchte es die nächsten Jahrzehnte behalten.“

Es klang wie ein Gelübde, ein freiwilliges Versprechen, obwohl er sie zu dieser Beziehung gezwungen hatte.

Ihre Worte besänftigten etwas in ihm, von dem er nichts gewusst hatte, füllten die Leere.

Er verschwieg ihr, dass er nicht die Absicht hatte, etwas zu zerreißen, was ihr offensichtlich so wichtig war. Stattdessen hob er eine Braue, als würde er über ihre Bitte nachdenken. Trotz ihrer Unschuld hatte seine Frau Rückgrat. Wenn sie glaubte, er würde sie herumkommandieren, würde sie sich ihm nicht hingeben.

Und er brauchte ihre Hingabe jetzt mehr als die Luft zum Atmen.

„Dann könntest du es ja ausziehen und aufhängen.“

Die Feuerstelle zischte, während draußen vor den Zelten das leise Klimpern der Musikinstrumente zu hören war. Sie feierten immer noch seine Verbindung mit dieser bezaubernden Frau. Wie dumm von ihm, dass er sich so viele Stunden über die Kommentare eines der Stammesoberhäupter geärgert hatte, wenn er bei ihr hätte sein können.

„Ich soll es ausziehen? Hier?“, fragte sie schließlich leise und warf einen Blick auf die Solarlaternen um sie herum, die das Zelt in einen goldenen Schimmer tauchten.

Nicht ein Zentimeter von ihr würde seinem Blick versperrt sein, wie ihr in diesem Moment klar zu werden schien. Denn wieder sah sie sich fragend um, und ihre Wangen waren gerötet.

„Willst du denn nicht dorthin?“ Sie deutete hinter sich, wo das große Bett in der Dunkelheit wartete.

„Nein, heute nicht. Irgendwann werde ich nachts in dieses Bett kommen, dich in der Dunkelheit finden und in dir sein, während du langsam aus dem Schlaf erwachst und noch von mir träumst. Heute will ich dich hier.“

Sie schluckte nervös und sah zu den dünnen Wänden, auf denen sich ihre Silhouetten abzeichneten.

„Niemand wird es wagen, sich unserem Zelt zu nähern. Die Nacht wird keines der Geräusche weitertragen, die wir machen. Jetzt zieh das Kleid aus und komm wieder zu mir, bevor ich meine Geduld ganz verliere, Amira“, sagte er und klopfte auf den Platz zwischen seinen Beinen.

Ihr Blick ging zu seiner erregten Männlichkeit, die unter dem weichen Stoff seines Gewands deutlich zu erkennen war.

Sein Blut pulsierte. Der Gedanke, nicht bald in ihr zu sein, war kaum zu ertragen.

„Sieh mich an“, befahl er, und sie kam seiner Aufforderung nach. Mehr aus Neugier als aus Gehorsam, daran hatte er keinen Zweifel. Langsam griff er nach dem Saum seines Gewands und zog es über den Kopf.

Und lieferte sich ihrem Blick vollkommen nackt aus.

Sie keuchte, so wie sie es getan hatte, als er in sie eingedrungen war – eine Mischung zwischen Schmerz und Verlangen. Verwunderung.

Er wollte es wieder hören, wollte ihren warmen Atem auf seiner Brust spüren, ihre seidigen Schenkel an seinen. Ihre leisen Schreie hören, wenn er sich in ihr bewegte und sie dann zum Höhepunkt kam.

Es erregte ihn noch mehr, als sie seine Männlichkeit betrachtete.

„Ich … kann mich gar nicht daran erinnern, dass er … so groß ist.“ Sie leckte sich über die Unterlippe. Schluckte nervös. Trotzdem musterte sie ihn weiter voller Begierde. „Du wirst mir wehtun.“

„Nein, nie wieder. Beim letzten Mal warst du noch Jungfrau. Und die berühmten Gärten der Königin sind nicht gerade der geeignete Ort, um das erste Mal für eine Frau großartig …“

„Es war aber großartig. Es war …“ Sie schloss die Augen und schwankte leicht, sodass ihr Oberteil ein Stück weiter herunterrutschte.

Sein Blut erhitzte sich noch mehr. Doch er wartete, beobachtete sie, und das leichte Lächeln, das ihre Lippen umspielte, war für sich schon eine Belohnung.

„Sehr gut.“ Sie öffnete die Augen, und eine tiefe Röte überzog ihren Hals und die Wangen. „Ich habe mich berührt nach … ein paarmal. Zwischen den Beinen“, erklärte sie, als würde er nicht verstehen.

Die Vorstellung brachte ihn noch mehr in Wallung. „Und?“

„Es war nicht das Gleiche. Ich … ich war zwar erregt, aber ich wollte dich in mir spüren und konnte mich nicht zum Orgasmus bringen“, sagte sie mutig und hielt kurz inne. „Ich … ich hätte dir das nicht sagen sollen. Ich will nicht, dass du denkst …“ Bestürzt sah sie ihn an. „Deine Meinung bedeutet mir sehr viel, Adir.“

Ihre Offenheit, ihre Verletzlichkeit entwaffneten ihn. In diesem Punkt würde er ebenfalls aufrichtig zu ihr sein. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es mich anmacht, dass du allein bei dem Gedanken an mich schon erregt bist. Aber ich würde nie hinnehmen, dass du so an einen anderen Mann denkst. Ist das klar?“

„Ja. Versprichst du mir, es auch nicht zu tun?“

„Du bist die Einzige, die ich will, ya habibti. Seit vier Monaten denke ich nur an dich, wenn ich mir Erleichterung verschaffe. Und heute wird ein so lustvoller Abend, wie du ihn noch nie erlebt hast.“

„Noch lustvoller als damals?“

Adir lächelte verschlagen. Ihm gefiel ihre Neugier, und ihre Begeisterung, mehr aus diesem Leben zu machen, würde immer jede Angst besiegen. „Ja, sehr viel lustvoller“, versprach er eindringlich.

Sie nickte, und die Falte zwischen ihren Brauen verschwand. Langsam streifte sie das Kleid herunter, während sie seinen Blick festhielt.

Begeistert merkte er, dass ihre Brüste unter dem dünnen Seiden-BH schon voller waren.

Ihm stockte der Atem, als sie mit den Hüften wackelte, damit ihr Kleid zu Boden fiel. Als sie sich umdrehte, um das Kleid aufzuheben, streckte sie ihm ihren nackten Po hin – sicher unabsichtlich, wie Adir glaubte.

Als hätte sie die Absicht, ihn zu quälen, strich sie das Kleid sorgfältig glatt und hängte es über einen Sessel. Erst danach drehte sie sich zu ihm um.

Er wusste nicht, was sie in seinem Gesicht sah und sie dazu veranlasste, tief durchzuatmen, als wollte sie sich wappnen. Ihr Blick wirkte verletzlich, und sie strich über ihr seidenes Hemdchen. „Gefällt es dir?“, fragte sie. „Erinnerst du dich an den Tag, als du so wütend warst, weil ich mit Zara und ein paar anderen Frauen in diesem teuren Kaufhaus war? Wasim ist rot geworden und schnell davongelaufen, als er gesehen hat, dass Zara und ich vor dem Dessousgeschäft stehengeblieben sind. Ich habe ihm gesagt, dass er uns nicht so dicht auf den Fersen bleiben soll, aber er wollte nichts davon wissen.“

„Hätte ich gewusst, was du vorhast, hätte ich dich selbst hingebracht. Und deine Sicherheit solltest du nie auf die leichte Schulter nehmen. Versprich mir das.“

„Ja, das tue ich“, sagte sie so ernst, dass er wusste, er würde sich keine Sorgen machen müssen, dass sie unnötige Risiken auf sich nahm. Immer wieder vergaß er, wie vernünftig sie für ihr Alter war. „Ich habe dich nicht gefragt, weil es eine Überraschung sein sollte. Zwischen Mann und Frau gibt es gewisse Dinge, die ein Geheimnis bleiben sollten. Selbst Humera hat mir da zugestimmt.“

Er machte ein finsteres Gesicht, weil er wusste, dass sie wieder einmal auslotete, wie weit sie bei ihm gehen konnte. „Was Dessous betrifft, kannst du dein Geheimnis wahren, Amira. Aber nur in diesem Punkt.“

Sie nickte, ehe sie langsam auf ihn zuging, bis sie zwischen seinen Beinen stand, ihre Brüste nah vor seinem Gesicht.

Adir wusste, dass sie dabei war, ihm unter die Haut zu gehen. Etwas in ihm hatte sich verändert und den Wunsch in ihm geweckt, diese Frau in sein Leben einzubeziehen.

Für einen Mann, der Liebe nur als geschriebenes Wort in Briefen kannte, die eine einsame Frau ihm vor Jahren geschickt hatte, der die Wüste mit ihren harten Herausforderungen erobert hatte, war diese Aussicht sehr beängstigend.

Und entzog sich völlig seiner Kontrolle.

Seine Haut fühlte sich rau und gleichzeitig weich an. Beide stöhnten auf, als sich ihre nackten Beine berührten.

Ihre Brustwarzen drückten sich durch den dünnen Seidenstoff gegen seine Brust, seine harte, erhitzte Männlichkeit gegen ihren weichen Bauch.

Von ihren Gefühlen überwältigt, schloss Amira die Augen. Sie vergrub ihre Finger in seinen Haaren und atmete tief seinen männlichen Duft ein. Er fühlte sich an wie ein sicherer Hafen. Wie ein beglückender Ort, an dem sie gerne anlegen würde.

Ohne Vorwarnung griff er nach dem Ausschnitt und riss ihn entzwei. Sie umfasste seinen Kopf, als er eine ihrer Brustwarzen in den Mund nahm und mit seinen Zähnen und der Zunge reizte. Als Amira ihre Finger in seinen Kopf presste, lachte er, bevor er seinen Mund weit öffnete und ihn wieder über ihrer Brust schloss.

Diesmal tat er, wozu sie ihn drängte, und saugte daran, bis sie die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln spürte. Dann widmete er sich der anderen Brust.

Amira keuchte, weil sie sich verzweifelt nach ihm sehnte. „Bitte, Adir, ich will dich in mir.“

„Nein. Noch nicht. Vier Monate sind zu lange. Tut mir leid, Amira.“

Sie hatte keine Ahnung, warum er sich entschuldigte, doch es war ihr auch egal. Er würde ihr nie willentlich wehtun, das wusste sie inzwischen. Und sie würde ihm überallhin folgen unter der Wüstensonne.

„Was auch immer du vorhast, mach bitte schnell, Adir. Ich fühle mich so leer ohne dich.“

Seine Hände wanderten von ihren Schultern zu ihrer Taille und dann tiefer, zum Saum ihres Hemdchens. Ein Knurren entfuhr ihm, als seine Hände ihren nackten Po entdeckten.

„Kein Höschen?“, flüsterte er an ihrer Brustwarze.

„Nein. Die Verkäuferin meinte, dass ich keins brauche …“

Ihre Stimme verlor sich, als er das Hemdchen auszog. Amira war bereits so erregt, dass sie ihn in die Hand nehmen und in sich einführen wollte.

Aber natürlich hatte dieser Mann andere Pläne. Er nahm ihre Hand und legte sie um seine Männlichkeit. „Streichel mich“, sagte er voller Verlangen und schien Mühe zu haben, ruhig zu atmen.

Sie würde alles tun, um sein Bedürfnis zu befriedigen. „Zeig mir, wie“, bat sie. „Ich möchte dir Vergnügen bereiten.“

„Wenn ich dir sage, wie, würde ich sofort kommen“, flüsterte er heiser. „Vier Monate Enthaltsamkeit sind eine lange Zeit für einen Mann. Und es wäre nur … ein kurzes Vergnügen, wenn ich jetzt in dir bin.“

„Du warst mit niemandem zusammen“, sagte sie, von einem Gefühl überwältigt, das sie nicht benennen konnte.

„Nein.“ Nur dieses eine Wort. Keine Erklärung.

Adir, wie sie ihn kannte.

Sie leckte sich über die Lippen. „Wenn du durch meine Hand kommst, wie lange dauert es dann, bist du wieder bereit bist?“

Amira war sicher, dass man sein Lachen im ganzen Lager hören konnte. „Ziemlich selbstsüchtig, hm?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich will nur sichergehen, dass du noch ein bisschen … Stehvermögen für mich übrig hast“, meinte sie und kämpfte gegen ihr Lachen an. „In einer Ehe geht es immer darum, Kompromisse zu machen. Es ist ein Geben und Nehmen.“

Diesmal küsste er sie sanft, beinahe ehrfürchtig. Als wüsste er nicht, wie er vorgehen sollte. Er war kein Mann der großen Worte, aber sie merkte, dass er etwas für sie empfand.

Vielleicht war es nur ein kleiner Funke, aber er war da.

Und dann zeigte er ihr, wie sie ihm Befriedigung verschaffen konnte. Seine Haut glänzte vor Schweiß, und sein Nacken und seine Schultern waren angespannt. Ein Anblick, den Amira nie vergessen würde.

Begeistert und verwundert starrte sie ihn an. Wie konnte seine Erfüllung ihr so große Befriedigung verschaffen? Weshalb hatte er in diesem Moment so verletzlich ausgesehen?

In diesem Augenblick hatte er ihr gehört. Nur ihr.

Sie strich ihm die verschwitzten Haare aus der Stirn und drückte einen zärtlichen Kuss auf seine Schläfe. „Fühlt es sich genauso an, wenn du mir Erleichterung verschaffst?“

Er sah hoch, und der Anflug von Verletzlichkeit, den sie sich also nicht eingebildet hatte, verschwand, als er lächelte und ihr Herz ein wenig zum Schmelzen brachte.

Falls es ein Junge würde, hätte er hoffentlich das gleiche Lächeln wie sein Vater. Dieses Verwegene, was hinter seinem Pflichtbewusstsein und seinem Verantwortungsgefühl lauerte.

„Es fühlt sich an, als könnte ich Bäume ausreißen, wenn du durch meine Finger Erfüllung findest.“ Er hob sie hoch, und Amira schlang ihre Beine um seine Hüften. Dann drang er sanft in sie ein, während sie sich an seinen Schultern festhielt. „Es fühlt sich an, als könnte ich alles bezwingen. Habe ich meine Sheika denn zufriedengestellt?“

Sie nickte nur.

Er runzelte die Stirn. „Habe ich dir wehgetan?“

Als seine Hände zu ihren Hüften wanderten, um sie herunterzulassen, sagte sie: „Nein, Adir, bleib bei mir.“

Zärtlich strich er die Haare aus ihrer Stirn. Als er sie dann sanft küsste, war es mehr als nur die Verschmelzung zweier Körper. Er küsste sie, als wäre sie etwas Kostbares für ihn, als könnte er es nicht ertragen, von ihr getrennt zu sein. Als wollte er mit seinen Küssen als das zum Ausdruck bringen, was er nicht sagen konnte. „Entspann dich, habiba. Hör auf deinen Körper.“

Und dann war er so tief in ihr, dass Amira kaum atmen konnte Sie berührte ihn überall, seine muskulösen Schultern, den verschwitzten Rücken, seine Brust.

„Soll ich dir jetzt beibringen, dich selbst zu berühren, so wie ich es dir bei mir gezeigt habe?“

Mit geröteten Wangen sah sie ihn aus großen Augen an. „Du willst, dass ich mich selbst berühre?“

Ein verschlagenes Lächeln umspielte seinen Mund. „Ja, aber nur, wenn ich dabei bin, um mich auch daran erfreuen zu können.“

Sie erwiderte sein Lächeln, sah ihn dann aber nachdenklich an. „Und du? Wirst du dir auch nur … Vergnügen bereiten, wenn ich dabei bin?“

Adir lachte. „Ich hoffe, ich muss es nicht mehr tun, nachdem du jetzt da bist, mich verwöhnen kannst.“

Er nahm ihre Hand und legte sie zwischen ihre beiden Körper. Hitze durchflutete sie, als er ihre Finger genau dorthin führte, wo sie sich am meisten nach ihm sehnte.

Sie bog den Rücken durch, während er ihre Perle mit seinem Finger reizte und sie anwies, das Gleiche zu tun.

Mehr als froh, seine Schülerin zu sein, verlor Amira auch noch den letzten Rest ihrer Befangenheit. Tief drang er in sie ein und sah mit verhangenem Blick zu, wie Amira sich berührte.

Sie spürte, dass ihre Erregung immer größer wurde, bis sie das Gefühl hatte zu fliegen. Als er dann eine ihrer Brustspitzen in den Mund sog, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie schrie seinen Namen, als sie von ihrer Lust überschwemmt wurde.

Schließlich hob er sie hoch, immer noch tief in ihr, und trug sie zum Bett. Wenig später fand auch er Erlösung.

Danach lagen sie eng umschlungen nebeneinander.

Zum ersten Mal hatte Amira das Gefühl, zu Hause zu sein. Sie war dort angekommen, wo sie hingehörte.

9. KAPITEL

Nach zwei Wochen Ehe fragte sich Adir, warum er so lange gewartet hatte, sich eine Frau zu nehmen. Und Humera, Zara und Wasim, die Amiras größte Verfechter geworden waren, wurden nie müde, ihm zu sagen, dass seine Frau die Institution der Ehe für ihn so annehmbar machte.

Offensichtlich gab es niemanden im Lager, der seine Frau nicht anbetete.

Auch Adir hatte nichts an ihr auszusetzen. In den zwei Wochen war ihr Verlangen nacheinander nur noch größer geworden.

Das Einzige, was ihn in ihrer perfekten Ehe störte, waren ihre ständigen Streitereien über ihre Gesundheit und das eine Thema, das er ihr verboten hatte anzusprechen – Königin Namani und ihre anderen Kinder.

Mehr als einmal hatte er in ihrem Blick gesehen, wie sie mit sich kämpfte, etwas sagen wollte, wenn er einen Brief von seiner Mutter erwähnte oder etwas aus seiner Vergangenheit. Und da alles, was seine Vergangenheit oder seine prägenden Jahre betraf, zu Königin Namani und ihren Briefen zu führen schien, hatte er ihr verboten, ihm Fragen über seine Vergangenheit zu stellen oder sie überhaupt zur Sprache zu bringen.

Bestürzt hatte sie gesagt: „Wir werden nie weiterkommen, wenn wir uns nicht gemeinsam deiner Vergangenheit stellen.“

Er war nicht ihrer Meinung. Sie führten ein perfektes Leben, und über seine verstorbene Mutter oder deren andere Kinder zu sprechen, würde es nicht besser machen.

Was Amiras Gesundheit betraf, wusste er, dass er sich unvernünftig verhielt. Zumindest teilweise.

Immer wenn er darlegte, dass sie sich an heißen Tagen ausruhen und für genügend Schlaf sorgen sollte, oder dass sie in ihrem Essen herumstocherte, bot seine Frau ihm die Stirn. Sie nannte ihn einen Unmenschen, ihren Gefängniswärter. Denn nachdem er erfahren hatte, dass sie von einem Hitzschlag ohnmächtig geworden war, als sie Zara besuchte, hatte er ihr verboten, ihr gemeinsames Zelt überhaupt noch zu verlassen.

Er hatte sogar davon gesprochen, sie in sein Haus in der Stadt zu bringen. Doch die sture Frau weigerte sich.

„Ich habe vor, mindestens drei oder vier Kinder zu bekommen. Und was machst du? Du willst mich wegschicken und für die nächsten zehn Jahre einsperren? Ich soll von dir getrennt leben?“, hatte sie ihm eines Abends vorgehalten, während Tränen in ihren Augen schimmerten.

Er war mehr als fassungslos. „Drei oder vier Kinder?“

„So ist es. Ich habe es gehasst, ein Einzelkind zu sein. Und ich will eine große Familie.“ Dann weinte sie, weil er nicht darauf reagierte. Oder weil er schockiert war. „Willst du denn nicht mehr als dieses eine Kind?“

„Ich … so weit habe ich noch nicht gedacht.“

„Aber du willst doch Vater sein, oder? Wir haben dieses Kind nicht geplant, aber …“

„Natürlich will ich Vater sein. Aber ich würde es vorziehen, unser Leben zu gestalten, statt über deine eigenen Pläne informiert zu werden.“

Wütend funkelte sie ihn an. „Und was ist meine Rolle dabei? Ein bereitwilliges Gefäß zu sein, wenn du mich wieder schwängern willst? Ich bin nicht dein Untertan, Adir. Sondern deine Frau.“

„Und als meine Frau wirst du mir gehorchen. Was die vier Kinder betrifft, werde ich darüber nachdenken.“

Und dann hatte sie natürlich genau das gesagt, was er nicht hören wollte. „Stell dir doch mal vor, wie anders dein Leben ausgesehen hätte, wärst du mit Zufar, Malak und Galila aufgewachsen …“

Ohne etwas zu erwidern, war er gegangen.

An diesem Abend war er auch nicht zu ihrem Zelt zurückgekehrt, sondern hatte sich entschlossen, die Dawab zu besuchen, da er dies ohnehin vorgehabt hatte.

In Wirklichkeit ging er ihr aus dem Weg. Und dem Gespräch, das sie unbedingt führen wollte, obwohl er es ihr erneut verboten hatte.

Immer wieder brachte seine sture Frau dieses Thema auf und pflanzte ständig Zweifel in ihm.

Dass du mit mir zusammen bist, hat doch keinen schlechteren Anführer aus dir gemacht, oder nicht? Deinen Leuten gefällt es, dich glücklich zu sehen. Es war falsch von der Königin, dich glauben zu machen, dass du es allein schaffen musst. Ich wünschte, du würdest mich dir erzählen lassen, was ich von ihnen weiß. Von ihr.

Immer wieder kam sie darauf zu sprechen, ohne dass er wusste, wohin das führen sollte.

Natürlich hatte er selbst oft daran gedacht, wie es gewesen wäre, bei seiner Mutter aufzuwachsen. Glaubte sie, er hätte sich nie überlegt, wie es sich anfühlte, eine Familie zu haben? Seine Wurzeln zu kennen? Glück und Trauer mit seinen Geschwistern zu teilen?

Doch er hatte nie eine Chance bekommen. Man hatte ihm alles verwehrt, was ihm zustand. Und als er darum gebeten, es eingefordert hatte, hatte Zufar ihn einen Schandfleck genannt.

Das Einzige, was Adir aufrechterhalten hatte, als er heranwuchs, waren diese Briefe gewesen.

Er hatte nie etwas in seinem Leben bekommen, was er sich nicht hart erarbeitet hatte. Es gab nichts, was er nicht geplant und aus eigener Kraft erreicht hatte. Doch jedes Mal, wenn Amira ihm zu nahe kam und er etwas in ihrem Blick sah, was er nicht benennen konnte, wollte er schnell davonlaufen.

Sie zum Schweigen bringen.

Ihr wehtun, obwohl er sich versprochen hatte, es nicht zu tun.

Und da ihm keine Lösung einfiel, war er gegangen.

Spät am Abend war er gestern zurückgekehrt, nachdem er zwei Tage weg gewesen war. Sie war sehr schweigsam gewesen, fast ein Schatten ihrer selbst. Als er von ihr verlangt hatte, wieder normal zu sein, hatte sie ihm ein sprödes Lächeln geschenkt, das ihm in der Brust wehtat.

„Ist es das, was du vorhast? Mich bestrafen, indem du so lange weg bleibst, wie du willst, nur weil ich anderer Meinung bin? Und dann kommst du zurück und befiehlst mir, glücklich zu sein und zu lächeln? Und dass ich dich in meinem Körper willkommen heiße?“

Er hatte keine Antwort, außer ihr zu sagen, dass er noch nie eine Beziehung gehabt hatte, in der so viel von ihm erwartet wurde. In der ihm etwas gegeben wurde, das er nicht verdient und um das er nicht gebeten hatte, wie zum Beispiel Vertrauen und Zuneigung, ohne dass er wusste, wie er all dies erwidern sollte.

Mit einundzwanzig war er Scheich geworden. Niemand stellte ihn infrage, wenn er falsch lag. Keiner forderte seine Zeit oder Aufmerksamkeit.

Doch da er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte und es nicht ertragen konnte, sie so gebrochen zu sehen, hatte er sich entschuldigt und sie zurück zum Bett getragen.

Es war die erste Nacht, in der er nicht mit ihr geschlafen hatte. Auch wenn er sich noch so sehr danach sehnte, in ihr zu sein, wollte er nicht, dass sie recht hatte. Dass er ein Mann war, der seine Frau emotional ausschloss, sich aber körperliche Erleichterung bei ihr verschaffte.

Adir wollte mehr aus dieser Beziehung machen, wusste jedoch nicht, wie. Ihm schien, als gäbe es eine Wand zwischen ihm und der Welt, die Stein für Stein durch die Worte seiner Mutter aufgerichtet worden war.

Hatte Amira recht? War seine Mutter selbstsüchtig gewesen? Er hasste sich dafür, weil er an ihr zweifelte.

Er hatte Amira einfach nur in den Armen gehalten, während sie sich an ihn klammerte.

Als nun die Morgendämmerung heraufzog, weckte er sie mit sanften Küssen. Er war erregt und spürte zwischen ihren Beinen, dass sie feucht war, nachdem er ihre Brustwarzen gereizt hatte. Mit einem Murren fragte sie ihn, was er tun würde.

Als er die tiefen Schatten unter ihren Augen bemerkte, zog er seine Hände zurück, entschuldigte sich und bat sie, weiterzuschlafen.

Doch auch Amira sehnte sich jetzt nach Erfüllung. „Ich würde dich nie abweisen, Adir. Das habe ich auch gestern Abend nicht getan.“

„Ich weiß“, flüsterte er und küsste jeden Zentimeter ihres Körpers. Immer wieder entschuldigte er sich für all das, was er ihr nicht geben konnte. Ihr nicht geben wollte.

Langsam drang er in ihre enge Hitze ein und begann, sich in ihr zu bewegen.

Nachdem sie beide Erlösung gefunden hatten, zog er sie an seine Brust und legte eine Hand auf ihren gerundeten Bauch.

„Alles in Ordnung, Amira?“, flüsterte er an ihrem Ohr und strich ihr durch die Haare.

Als sie nicht antwortete, drehte er sie auf den Rücken. Ihre Wangen waren gerötet, und sie sah ihn kaum an.

Sein Herz drohte aus der Brust zu springen. Ob aus Angst oder vor lauter Glück, konnte er nicht sagen. Es war ein Gefühl, das er bisher nicht kannte.

„Amira, was ist denn?“

Sie sah ihn so voller Sehnsucht an, dass er zusammenzuckte und sich aufsetzte. Er wollte diese unverhüllte Zuneigung in ihrem Blick nicht sehen. Weil er sie nicht erwidern konnte und Amira daran zerbrechen würde.

Er hatte sie bereits verletzt, weil er unfähig war, mit ihr zu kommunizieren. Weil er nicht wusste, wie er eine Beziehung führen sollte, in der so viel von ihm gefordert wurde.

Wenn er als Scheich Forderungen stellte, wurden diese fraglos erfüllt. Selbst Humera, die ihn aufgezogen hatte, verhielt sich seit zehn Jahren eher distanziert, weil sie glaubte, dass seine Stellung Respekt verlangte.

Und Amira … Die Hälfte der Zeit wusste er nicht, wie er mit ihr umgehen sollte. Er wollte sie in Sicherheit wissen und sie nur daraus entlassen, wenn er sie brauchte.

Sie zu lieben, würde ihn schwächen, wenn er überhaupt wüsste, wie.

Was er brauchte, was sie beide brauchten, war ein wenig Distanz.

Er war kein Mensch, der jemals zugeben würde, dass er sich nach einer familiären Bindung sehnte.

„Ich bin ein wenig verwirrt“, sagte Amira, die an seiner Haltung deutlich spürte, dass er sich zurückgezogen hatte. Es war nicht die ganze Wahrheit, doch sie wollte nicht mehr sagen, weil er bereits auf Distanz gegangen war.

„Warum?“, fragte er und wandte sich ab, um eine Pyjamahose anzuziehen.

Zum Glück musste Amira keine Lüge vorbringen, weil sich ein Wachmann draußen vor dem Zelt meldete. Sofort zog sie die Wolldecke hoch, um ihre Brüste zu bedecken.

Adir schüttelte den Kopf. „Er würde es nicht wagen, hereinzukommen. Aber es muss etwas Wichtiges sein, da der Wachmann Wasim um Erlaubnis gebeten hat, mich stören zu dürfen. Bleib im Bett und schlaf ein bisschen. Ich komme später wieder.“

„Wann später?“ Die Frage war heraus, bevor sie sie aufhalten konnte.

Amira runzelte die Stirn, als der Wachmann noch einmal rief, diesmal drängender. Sie streckte die Hand nach Adir aus, und er glaubte, dass sie noch einen Kuss von ihm wollte, bevor er das Zelt verließ. Stattdessen sagte sie: „Ich will gehen.“

Er runzelte die Stirn. „Und wohin?“

„Zum Lager. Ich habe von der schwangeren Frau gehört und sie kennengelernt, als mir das Henna aufgetragen wurde. Sie sah gar nicht gut aus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Zwillinge bekommt, aber Humera hat nicht zugelassen, dass ich sie untersuche.“

„Humera hat sich richtig verhalten. Du bist nicht ihre Krankenschwester, sondern ihre Sheika.“

„Ich werde immer zuerst Krankenschwester sein, so wie du immer zuerst Anführer sein wirst. Falls sie plötzlich blutet, ist das weder für sie noch für die Babys gut.“

„Die mobile Klinik ist schon auf dem Weg. Und inzwischen kümmert sich Humera um sie.“

„Sie ist schon sehr alt, und wie es aussieht, kann sie kaum stehen. Der Wachmann sagte, dass die mobile Klinik mindestens fünf Stunden braucht, bis sie hier ist. Ich könnte in einer halben Stunde dort sein, das weiß ich.“

„Woher weißt du das?“

„Weil ich die Frau gefragt habe, von welchem Stamm sie ist. Und dann habe ich mich bei Zara erkundigt, wo ihr Lager ist. Ich will sie besuchen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist, weil ich gemerkt habe, wie verzweifelt sie ist.“

„Du hast die ganze Nacht kaum geschlafen …“

„Und wessen Schuld ist das? Du hast dich entschieden, mir zwei Tage aus dem Weg zu gehen, um dann letzte Nacht alles nachzuholen. Aber mit Sex lösen wir unsere Probleme nicht.“

Seine Miene verspannte sich. „Willst du damit sagen, dass ich dich gegen deinen Willen wachgehalten habe?“

„Nein. Aber ich wollte dich nicht abweisen.“

„Dann hast du also nur mitgemacht, weil es deine Pflicht ist?“

Wieder streckte Amira die Hand nach ihm aus. Auch wenn er wütend aussah, war klar, dass er sie brauchte. Und dass er sich wünschte, dass sie ihn brauchte.

Aber sie wollte mehr für ihn sein als nur die Frau, die sein Kind in sich trug. Sie wollte diejenige sein, die er am meisten brauchte, eine Frau, die er wie keinen anderen Menschen liebte.

Dabei war ihr nicht einmal erlaubt, über ihre Gefühle zu ihm zu sprechen.

Warum konnte er nicht zugeben, dass es nicht nur eine Zweckehe war? Dass sie zusammengehörten – nicht wegen des Babys, sondern weil sie sich füreinander entschieden hatten?

Sie schlang die Arme um sich und legte ihre Wange an seine Brust. Er war ihr sehr wichtig, doch er verstand nicht, dass sie ein eigenständiger Mensch war. „Natürlich nicht. Ich … habe mich falsch ausgedrückt. Ich will auch mit dir schlafen und bin jedes Mal genauso erregt wie du.“ Sie sah ihn an und hoffte, dass er merkte, dass sie die Wahrheit sagte. „Bitte, Adir, lass mich gehen. Ich kann morgen Früh wieder zurück sein.“

„Nein. Das muss jemand anders übernehmen.“ Nicht besonders sanft schob er sie weg, und seine Miene wirkte entschlossen. „Weil ich dich kenne, Amira. Wenn ich dich diesmal weglasse, wird das immer so weitergehen. Jedes Mal, wenn jemand im Lager ein kleines Wehwehchen hat, wirst du loslaufen. Du bist erschöpft, schwanger und …“

„Was ist denn so schlimm daran? Ich will helfen und auch eine Aufgabe haben, so wie du.“

„Deine Aufgabe ist es, meine Frau zu sein und die Mutter unserer Kinder. Du wirst keine Entscheidungen treffen, ohne mich vorher zu fragen.“

„Ich bin ausgebildete Krankenschwester. Mich hier einzusperren, wenn jemand Hilfe braucht … Halte mich bitte nicht auf. Sonst könnte ich dir vielleicht niemals vergeben, wenn du mir das nimmst, was mir am wichtigsten ist.“

Fassungslos starrte er sie an, als könnte er nicht glauben, dass sie es wagte, ihm zu drohen. „Und Krankenschwester zu sein ist das Wichtigste für dich?“

„Ja. Weil es das ist, was ich mir aufgebaut habe und was ich schätze“, krächzte sie. So war es immer gewesen, bis sie einem Fremden im Mondlicht begegnet war und angefangen hatte, sich in dummen, unmöglichen Träumen zu ergehen. „Es war immer das, was mir niemand nehmen konnte. Ich dachte, gerade du würdest verstehen, wie wichtig mir das ist. Was bleibt von dir, Adir, wenn man dir deine Stellung als Scheich nimmt? Tu mir das nicht an.“

Adir lenkte den Jeep durch die Wüste zum Lagerplatz der Peshani, wo sie zum letzten Mal vor vier Tagen gesehen worden waren. Er hätte nie gedacht, dass er einmal so sehr um das Wohlergehen und die Sicherheit einer Frau bedacht sein würde.

Seiner Frau, die vor vier Tagen müde zu einer anderen Schwangeren aufgebrochen war. Zum ersten Mal empfand er einen brennenden Groll gegenüber den Stammesmitgliedern und deren Lebensweise.

Und noch nie war ihm seine Pflicht, die ständig auf seinen Schultern ruhte, so schwer erschienen.

Er hatte kaum geschlafen, und es gab mehr als genügend andere Angelegenheiten, um die er sich kümmern musste. Er hätte außerdem gar nicht selbst fahren müssen, weil Wasim seine Frau und Zara hätte abholen und sicher wieder zurückbringen können.

Trotzdem konnte er nicht anders und war selbst aufgebrochen.

Wobei er sich wünschte, dass er in der Lage gewesen wäre, ihr die Bitte abzuschlagen und sie so lange in seinem Bett festzuhalten, bis sie keine Möglichkeit mehr fand, sich in unnötige Gefahr zu begeben.

Er hätte ihre Forderungen von sich weisen sollen. Selbst Humera war überrascht gewesen über seine widerwillige Zustimmung.

Doch ein Blick in Amiras große schwarze Augen und ihre hilflose Wut hatten genügt, dass er nachgab. Sie hatte sich von ihm entfernt, als wollte sie sich gegen den Schmerz wappnen, den er ihr antun könnte. Allein bei der Erinnerung an ihren Blick zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen, als würde ihn ein schweres Gewicht erdrücken.

Hätte er Nein gesagt, wäre etwas, das er nicht benennen konnte, zwischen ihnen zerbrochen. Etwas, von dessen Existenz er bisher noch nichts gewusst hatte.

Trotz all seiner Verfehlungen wollte Adir nicht ein weiterer Mann sein, der Amira kontrollierte und ihr die Tatkraft raubte.

Deshalb hatte er zugestimmt. Zumindest hatte er ein besseres Gefühl, wenn er sie begleitete.

Doch ausgerechnet der Häuptling des Stammes, der ihn wegen seiner Herkunft verspottet hatte, hatte ihm eine Nachricht geschickt. Er wolle mit ihm sprechen. Am liebsten hätte Adir ihn geohrfeigt, doch er musste dem mürrischen alten Mann Anerkennung zollen.

Er hatte Adir nicht gemocht, aus welchen Gründen auch immer. Doch um seines Stammes willen hatte Adir sich bereiterklärt. Er war ein Herrscher, der verstand, dass persönliche Angelegenheiten im Leben eines Anführers keine Rolle spielten.

Was Adir in nur vier Tagen vergessen zu haben schien.

Warum war seine Frau nicht zurückgekehrt wie versprochen? Weshalb hatte Wasim sie nicht zurückgeholt, wie er ihn angewiesen hatte?

Er konnte nicht noch einmal zulassen, dass sie verschwand, um anderen zu helfen. Weil es ihn schwach machte.

Doch wenn er es ihr verbat, würde er sie dann verlieren?

Er könnte Amira vor allem beschützen. Aber was würde er tun, wenn er ihren Respekt verlor, die Zuneigung, die er in ihrem Blick sah?

Wie lange würde es dauern, bis sie merkte, dass er sie nie so lieben könnte, wie sie es verdiente?

Dass er im Grunde immer ein Mensch bleiben würde, der von allem und jedem isoliert war.

Ein Mann, der nur in der Lage war zu herrschen, nicht zu lieben.

10. KAPITEL

Amira konnte nicht glauben, dass sie Adir hatte überreden können, ihn zu dem Gipfeltreffen im Nachbarstaat, dem Königreich Zyria, begleiten zu dürfen.

Natürlich war sie aufgeregt, weil Zyria ein wunderschönes Land war, doch es war ihre erste offizielle Reise mit Adir, und sie wollte jede Minute genießen.

Obwohl er ein sehr finsteres Gesicht gemacht hatte, als er im Lager der Peshani angekommen war, um sie abzuholen und sie ihn gebeten hatte, ihn auf dieser Reise begleiten zu dürfen.

Sie war sicher, dass er ihr die Erschöpfung der letzten Tage ansah, in denen sie unter schwierigsten Bedingungen bei der Geburt der Zwillinge geholfen hatte.

Sein Blick war voller Wut gewesen, als er sie fand, mit dunklen Ringen unter den Augen und Schweiß auf der Stirn. Sie war gerade an der Reihe gewesen, über Zareena und die Babys zu wachen. Amira hatte schreckliche Angst, er würde nie wieder zulassen, dass sie anderen half.

Wortlos hatte er sie in seinen Jeep beordert, und dieses eine Mal hatte sie sich auf die Zunge gebissen und nichts gesagt, was seine Wut besänftigte. Doch die Distanz in seinem Blick war geblieben.

Nachdem er mürrisch zugestimmt hatte, dass sie mitkommen könne, hatte er sie Humera überlassen, die ihr befahl, sich auszuruhen, während ihre Sachen gepackt wurden.

Auf dem Weg zum Privatflughafen in der nächstgelegenen Stadt hatte er kein Wort gesagt.

Und auch nicht reagiert, als sie voller Begeisterung den Privatjet bestiegen, der sie zur Hauptstadt von Zyria bringen würde.

Während des dreistündigen Flugs hatte er ihr keinen einzigen Blick geschenkt. Wobei Amira die ersten beiden Stunden geschlafen und gehofft hatte, er würde ihr Gesellschaft leisten.

Als sie dann wieder nach vorne gegangen war, hatte er ihr höflich erklärt, müde zu sein und dass er bis zur Ankunft schlafen würde.

Aber wenn er glaubte, dass er sie während der ganzen Woche in Zyria ignorieren könnte, dann kannte er sie wirklich nicht.

Egal, welche Probleme er mit ihr hatte oder was ihn bedrückte, sie würden offen damit umgehen müssen. Denn sie weigerte sich, eine Ehe zu führen, die langsam starb.

In der hinteren Kabine war es dunkel, als Amira ein paar Minuten später eintrat. Nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wagte sie sich weiter vor und fand das Bett. Adir lag dort, nur bekleidet mit einer Jogginghose. Seine Augen waren geschlossen und ein Arm lag über seinem Kopf.

Was sollte sie tun, wenn er schlief? Sie würde verrückt werden, wenn sie nicht bald mit ihm reden und bei ihm sein könnte. Vielleicht sollte sie sich einfach neben ihn legen. Sein Herz unter ihrer Hand fühlen, seinen Duft einatmen und seine Wärme spüren.

Gerade hatte sie ihre unbequeme Jeans aufgeknöpft, als er sagte: „Ich wollte mich eigentlich ein bisschen ausruhen. Allein.“

Erschrocken zuckte sie zurück. Er hatte die Augen nicht geöffnet, nur den Arm darübergelegt – ein klares Zeichen, dass er sie abwehren wollte.

Doch sie wollte sich nicht einschüchtern lassen. Ihre Jeans rutschte zu Boden, und sie trat heraus. „Ich werde dich nicht stören. Ich wollte nur …“ Sie zog den ärmellosen Cardigan aus, behielt ihre bequeme Hemdbluse jedoch an.

„Was wolltest du nur, Amira?“ Seine Stimme hallte in der kleinen Kabine wider. Die Augen hatte er immer noch geschlossen.

„Ich wollte nur in deiner Nähe sein“, sagte sie schnell, bevor sie den Mut verlor. „Ich weiß, dass du wütend auf mich bist und auf dich selbst, und dass du dich erst dann wieder beruhigst, wenn du eine Entscheidung getroffen hast. Und bis dahin wirst du mich wie Luft behandeln. Aber es ist fast sechs Tage her, seit du mich angesehen oder berührt hast.“ Sie schluckte gegen den Kloß im Hals an. „Ich habe dich vermisst, Adir. Es war schon schlimm genug, ohne dich zu sein, als ich bei den Peshani war. Aber dich zu vermissen, wenn du bei mir bist, ist … es tut mir im Herzen weh.“

Schweigen. Ohrenbetäubende Stille.

Würde man seinem Entsetzen eine Gestalt verleihen, wäre es ein riesiges Loch in dem kleinen Raum, das ihr allen Atem raubte.

Wusste er denn immer noch nicht, dass ihm ihr Herz gehörte?

Amira hatte keine Ahnung, wie lange sie dort stand und auf eine Antwort wartete. Sie fühlte sich elend und doch immer noch voller Hoffnung.

„Es gefällt mir nicht, was du mir antust“, begann er schließlich. „Ich habe darauf vertraut, dass du auf dich aufpasst. Wie du es versprochen hast. Doch als ich dich gefunden habe, hätte ein Lufthauch dich umwehen können. Es ist nicht nur das Wohlergehen meines Kindes, das mir Sorgen macht. Es ist … du bringst mich dazu, dass ich dich einsperren und den Schlüssel wegwerfen will. Dass ich dich nie mehr aus dem Blick lasse und dir nie wieder erlaube, dich um eine andere Frau zu kümmern. Zwing mich nicht dazu, Amira.“

„Ich passe auf mich selbst auf, Adir. Bitte, du musst mir glauben. In der ersten Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich schreckliche Angst hatte, sie könnte verbluten. Aber es wird nicht immer so sein.“

„Immer? Weißt du eigentlich, dass ich versucht bin, dir zu sagen, dass es kein weiteres Mal geben wird?“

„Das würdest du mir nicht antun.“

„Ich wünschte, ich könnte es. Aber ich will nicht, dass du mich ansiehst wie deinen Vater. Ängstlich und feindselig. Deshalb gibt es nur einen Weg. Ich werde mich zurückhalten und diese Ehe als eine höfliche Vereinbarung betrachten. Ich werde dich als Partnerin sehen, nicht mehr.“

„Das würde mich umbringen.“

„Dass ich mir solche Sorgen machen muss, während du das tust, was dir am wichtigsten im Leben ist“, sagte er so verärgert, dass ihr die Luft wegblieb, „ist inakzeptabel.“

Glaubte er, ihre Arbeit würde ihr mehr bedeuten als er? Als ihre Ehe oder ihr gemeinsames Kind?

„Ich muss lernen, mich deinem … Einfluss auf mich zu entziehen.“

Amira trat noch einen Schritt vor. Ohne auf seine Erlaubnis zu warten, schlüpfte sie ins Bett und rutschte zu ihm, bis ihre Körper sich berührten und sie sein klopfendes Herz unter ihrer Hand spürte.

Sie liebte ihn sehr, und es tat weh, dass er nie annähernd das Gleiche für sie empfinden würde.

Hatte sie sich schon an dem Abend in ihn verliebt, als sie ihn kennengelernt hatte? Warum sonst hätte sie, die noch nie so etwas Wagemutiges in ihrem Leben getan hatte, sich ihm so leicht hingegeben? Ohne einen Gedanken an die für sie schrecklichen Konsequenzen zu verschwenden?

„Ich liebe dich sehr“, sagte sie. „Mein Herz hat dir schon damals gehört, als du mich gefragt hast, ob du mich berühren darfst. Als du mich so zärtlich in den Armen gehalten hast, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich habe mir gewünscht, immer so gehalten zu werden, immer mit dieser Wertschätzung angesehen zu werden. Verstehst du denn nicht, Adir? Du hast alles verändert, hast mich verändert. Jahrelang habe ich mit der Angst gelebt, keine eigenen Entscheidungen treffen zu können. Die Pflege der Kranken wurde zu meinem Leben und hat mir einen Grund gegeben, mich auf den nächsten Tag zu freuen. Ich war wütend, ja, weil ich unbedingt wollte, dass du verstehst, dass ich ihr helfen muss. Und ich hatte Sorge, dass du mich auch nach deinen Vorstellungen formen willst und mich nicht so akzeptierst, wie ich bin.“ Sie holte tief Luft. „Ja, es ist wichtig für mich, weiter als Krankenschwester zu arbeiten, aber nicht wichtiger als du und dieses Baby. Schon lange habe ich mir gewünscht, einen Platz zu haben, wo ich hingehöre, jemanden von ganzem Herzen zu lieben. Und das würde ich für nichts auf der Welt aufs Spiel setzen.“

Sie erkannte die Angst in seinem Schweigen – Angst um sie und dass sie langsam begann, ihm etwas zu bedeuten.

Ihr Herz klopfte bis zum Hals, während sie auf eine Reaktion von ihm wartete.

Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis er sich auf die Seite drehte.

Sein schönes Gesicht lag im Schatten, als er sie musterte.

Amira schloss die Augen, aus Angst vor dem, was sie in seinem Blick finden könnte. Oder auch nicht.

„Ich möchte dir glauben, Amira. Noch nie habe ich solch ein Geschenk bekommen. Aber ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Wie ich es … je erwidern könnte.“

In diesem Moment brach Amiras Herz ein wenig. Doch sie gab nicht auf. Sie würde ihn nie aufgeben.

Nicht, wenn sie endlich verstand und der Mann, den sie liebte, so mutig, ehrenhaft, so voller Herz war, auch wenn er es leugnete.

Wie könnte sie ihn nach diesem Eingeständnis weniger lieben?

Ihre Hände wanderten zu seinen angespannten Schultern, zu seiner Burst und über die weiche Haut an seinem Hals.

Alles an ihm liebte sie. Und diese Liebe zu ihm verlieh ihr den Mut, ihr Herz wieder und wieder aufs Spiel zu setzen.

„Ich möchte deine Sheika sein und wäre stolz darauf, an deiner Seite zu sein. Ich habe mich für dich entschieden, Adir, für das Leben mit dir“, fuhr sie mit Tränen in den Augen fort. „Auch wenn ich weiß, dass es manchmal schwer und dann wieder atemberaubend schön sein wird. Ich bitte dich nur um eines, mich weiter als Krankenschwester arbeiten zu lassen. Jetzt liegt es an dir, Adir.“

Die Luft war so geladen vor Spannung, dass sie glaubte, ersticken zu müssen.

Und dann streckte er langsam seine Hand nach ihr aus. „Ich habe dich vermisst, als du fort warst. Ich vermisse dich immer, wenn du nicht in meiner Nähe bist. Ich möchte dich glücklich machen, Amira.“

Amira unterdrückte den Schrei, der in ihrer Kehle aufstieg. Adir schien sich die Worte abgerungen zu haben, aber zumindest hatte er ihr und sich selbst dieses Eingeständnis gemacht. „Das tust du. Selbst wenn ich dich manchmal schütteln möchte, machst du mich glücklich.“

Mit angehaltenem Atme wartete sie, doch er streichelte nur weiter ihre Wange. Sanft, fast ehrfürchtig.

Aber er sagte kein Wort.

Wie dumm von ihr zu glauben, dass er ihr gestand, was er für sie empfand. Wann würde sie endlich begreifen, dass ihr Mann nie über seine Gefühle sprechen würde?

„Adir?“

Mit den Fingerkuppen strich er über ihr Kinn, die Nase, ihre Augen. Beinahe teilnahmslos. Fast so, als hätte er sich von ihrem Eingeständnis noch nicht erholt.

Als seine Finger zu ihren Brüsten wanderten, stieß sie die Luft aus, die sie angehalten hatte. Tränen standen in ihren Augen.

Doch dann küsste er sie und all ihre Ängste und Zweifel lösten sich für einen Moment auf. Und während er sie auf den Rücken drehte, versuchte sie, eine Mauer um ihr Herz zu errichten.

Dies war alles, was er ihr geben würde. Er hatte es gesagt, ohne es in Worte zu fassen.

Sein Verlangen, seinen Respekt, seine Loyalität, das war alles, was sie je von ihm haben könnte. Und es war an ihr, damit zu leben.

Es reichte, dass er sich um ihr gemeinsames Kind kümmerte. Dass er versuchte, sie so zu akzeptieren, wie sie war. Dass er ihr jedes Mal, wenn er sie berührte, das Paradies zeigte.

Sie brauchte seine Liebe nicht.

Das jedenfalls redete sie sich immer wieder ein, als sie schließlich erschöpft einschlief.

11. KAPITEL

Amira hätte nie gedacht, dass Adir ein so amüsanter Begleiter sein würde, als sie in seinen freien Stunden die Hauptstadt von Zyria erkundeten.

Sicher, hinter all seiner Ernsthaftigkeit hatte immer ein verschmitzter Humor gelauert. Aber dass er ihn jetzt offen zeigte, ihr so viel Zeit widmete und sie wie eine Königin behandelte, freute sie sehr.

Keiner ihrer Wünsche blieb unerfüllt. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie ihm gesagt hatte, dass sie zu gerne einmal die berühmte Universität Al-Haidar besuchen würde, wo die erste Frau vor fast vierhundert Jahren als Krankenschwester ausgebildet worden war. Er hatte extra für sie eine Besichtigung arrangiert, zusammen mit dem Dekan der Universität, einem strengen, nüchternen Professor, der Amira sehr an Humera erinnerte.

Noch mehr überraschte sie, dass Adir sie begleitete, denn sie hatte angenommen, dass er in geschäftlicher Angelegenheit unterwegs sein würde.

Er hatte nicht einmal die Stirn gerunzelt, als sie ihm gestand, dass sie ihre Ausbildung zur OP-Schwester gerne beenden würde. Nachdem er ihr zugestanden hatte, dass sie dies vielleicht in Angriff nehmen könnte, wenn ihre vier Kinder alle in der Schule waren, hatte sie ihn vor allen anderen umarmt.

Am nächsten Tag gingen sie shoppen, und Amira verlor bald den Überblick, mit wie vielen Kleidern und Schmuck er sie überhäuft hatte.

Und erst die Nächte, die sie in dem großen Bett in ihrer Hotelsuite verbrachten …

Amira hatte geglaubt, dass sie in den drei Wochen, die sie nun verheiratet waren, schon jedes körperliche Vergnügen erlebt hatte. Er war immer wieder überrascht und mehr als erfreut, wie er einmal sagte, dass sie ihm in allem, was den Sex betraf, eine bereitwillige Partnerin sei.

Nur seine Vergangenheit bildete eine Ausnahme. Die blieb eine riesige Kluft zwischen ihnen, die irgendwie alles Gute verschluckte.

Die Tage und Nächte, die er ihr widmete, hätten der Himmel sein können.

Und so war es auch.

Amira war in diesen atemlosen Momenten versucht, ihm wieder ihre Seele offenzulegen. Doch sie brachte es nicht über sich, auch wenn sie merkte, dass er darauf wartete, ihr Liebeseingeständnis noch einmal zu hören.

Ihr schien, als ob er ihr die Welt zu Füßen legte, als Ausgleich für das, was er ihr nicht geben konnte.

Es war nicht das Gleiche.

Doch Amira tat so, als wäre es der Fall, in der Hoffnung, dass es sich dann auch so anfühlen würde.

Würde sie anders empfinden, wäre es nur eine Qual, wenn sie an all die Jahre dachte, die noch vor ihr lagen.

Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Liebe für Adir sie und ihre Ehe zerstörte.

Adirs Sekretär hatte Amira darüber informiert, dass die letzten drei Tage der Konferenz die geschäftigsten sein würden. Mehr als fünf Nationen saßen zusammen, um über ein Abkommen und Ölrechte zu diskutieren, und Adir war eingeladen worden, um seine Stämme zu repräsentieren, da er die beiden verfeindeten Völker erfolgreich zusammengeführt hatte.

„Die meisten Verträge werden während dieser zwanglosen Abende ausgehandelt“, hatte Adir ihr eines Nachts erklärt. Stolz erfüllte seine Stimme, während er mit den Fingern durch ihre Haare fuhr. „Dies ist das erste Mal, dass ich mit meiner Sheika teilnehme. Manche werden sicher neugierig sein, weil einige wissen, dass du … seine Verlobte warst.“

Als Amira die Stirn runzelte, drückte er ihr schnell einen Kuss auf die Schläfe. „Ich habe keinen Zweifel, dass du ein voller Erfolg sein wirst.“

Und Amira wollte auch, dass er stolz auf sie war. Deshalb hatte sie sich für diesen Abend für ein elegantes, seegrünes Abendkleid aus schimmernder Seide entschieden, zusammen mit dem zarten Diamanthalsband, das Adir ihr an diesem Morgen geschenkt hatte.

Gerade als sie ihre Bürste weglegen wollte, öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer.

Adir stand hinter ihr, und sie sah im Spiegel, dass er ihren Nacken betrachtete. Sein Blick voller Wärme.

Er trug einen schlichten, dreiteiligen Anzug, und sein blütenweißes Hemd hob sich von seiner dunklen Haut ab. Er sah atemberaubend aus und war ein Mann, der sich inmitten all dieser Nationen genauso selbstverständlich bewegen konnte wie unter seinem Volk.

Selbst wenn dieser Stammeshäuptling zu Anfang Adirs Abstammung in Zweifel gezogen hatte, vertraute er ihm inzwischen voll und ganz.

Wer auch immer sein Vater gewesen sein mochte, war Adir ein geborener Herrscher.

Warum sah er das nicht selbst?

„Du hättest mich die andere Halskette kaufen lassen sollen.“

Sie hatten mehr als zwanzig Minuten wegen der Kette gestritten, die sie bei einem bekannten Juwelier gesehen hatten. Doch die glitzernde, protzige Kette war ganz und gar nicht Amiras Geschmack.

Sie küsste seine Handfläche, und sein Duft weckte Verlangen in ihr. „Diese hier ist sehr schön. Es gefällt mir, dass du sie ausgesucht hast.“ Sie begegnete seinem Blick im Spiegel. „Es zeigt mir, dass du …“ Aus Angst, er würde sich wieder zurückziehen, verschluckte sie den Rest des Satzes.

„Was?“

„Ach nichts.“

Zärtlich strich er ihre Haare zur Seite und küsste ihren Nacken, während seine Hände auf ihrer Taille lagen. Amira stockte der Atem, als er ihre Wange küsste und dann ihren Hals. „Sag es mir trotzdem.“

Sie vergrub ihre Finger in seinen Haaren. „Dass du gerade dieses Stück ausgesucht hast, zeigt mir, dass du mich kennst, Adir. Es bedeutet mir mehr als der größte Diamant der Welt.“

Er zuckte nicht zusammen, sondern stand reglos da.

Amira wappnete sich.

Er gab ihr einen Kuss auf den Hals, dann nickte er, als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als sie sich in seinen Armen umdrehte. „Du hast dieses Leuchten, wie man es Schwangeren nachsagt.“ Vorsichtig legte er wieder seine Hände auf ihren Bauch. „Langsam wirst du rundlicher.“

Amira verzog das Gesicht und gab ihm einen Klaps mit ihrer Handtasche.

„Das soll keine Beschwerde sein.“ Da sie ihm nicht zu glauben schien, zog er sie an sich. „Amira … du könntest so dick sein wie du willst, ich würde dich immer noch schön finden.“

„Ich würde eher sagen, dass dieses Leuchten von all den Orgasmen kommt, die du mir geschenkt hast.“

Er lachte. „Dann sollte ich dich weiter beschenken. Bist du bereit, Sheika?“

Amira nickte glücklich.

Das Dinner fand in dem berühmten Innenhof des Luxushotels statt. Sanftes Licht beleuchtete die schönen Gärten und Wege, und unter einem Baldachin war ein Büfett aufgebaut worden.

Adir stellte sie einer Reihe von Gästen vor, und bald wurde ihr klar, dass man in ihm einen leidenschaftlichen, klugen Herrscher sah, der verfeindete Stämme zusammengeführt hatte. Fast zweieinhalb Stunden unterhielt er sich mit verschiedenen Gästen, und Amira folgte ihm pflichtbewusst.

„Du bist müde“, flüsterte er ihr schließlich ins Ohr. Als sie widerwillig nickte, fügte er hinzu: „Noch zehn Minuten, dann gehen wir. Ich habe gehört, dass Scheich Karim kommen will. Ich würde ihn gerne kennenlernen.“

„Der Scheich von Zyria?“, fragte Amira.

Er nickte lächelnd. „Zyria ist bisher noch nicht Mitglied im Rat. Ich habe allerdings gehört, dass Karim darauf drängt, einen Sitz zu bekommen.“

Wenig später näherte sich ihnen ein uniformierter Wachmann. „Seine Hoheit Scheich Karim möchte Sie in seinem Privatbüro treffen.“

Adir nickte. „Sagen Sie ihm, dass ich meine Frau auf unser Zimmer bringe und in fünfzehn Minuten da bin.“

Erleichtert ließ Amira sich von ihm durch die Menge zu den hinteren Aufzügen führen, die sie sonst nicht genommen hatten. „Du musst mich nicht nach oben begleiten. Mir wäre lieber, du bringst dieses Meeting hinter dich und kommst dann ins Bett.“

Sie sah, dass er zögerte, doch kurz bevor er etwas sagen konnte, bogen sie in einen breiten Flur ein, an dessen Wänden lebensgroße Gemälde hingen. Am anderen Ende befand sich der Aufzug.

Abrupt blieb Adir stehen. Er war blass geworden, schien völlig abwesend und regte sich nicht, als sie seinen Namen sagte.

Angst kroch in ihr hoch, und sie sah in die gleiche Richtung wie er.

Er starrte auf ein Gemälde, das zwei Männer zeigte – einer war älter, der andere jünger, vom Aussehen her offensichtlich Vater und Sohn. Es waren der verstorbene König Jamil Avari von Zyria und der derzeitige König, Scheich Karim.

Der Mann, den Adir kennenlernen wollte. Auf dem Gemälde war er zwar noch ein Junge, doch die Ähnlichkeit war verblüffend.

Amira schnappte nach Luft, als sie das nächste Bild betrachtete, das kürzlich von Scheich Karim gemacht worden war. Wie hypnotisiert sah sie zwischen Adir und dem Gemälde hin und her. Sie hatten die gleiche Haltung, die gleiche Nase und den durchdringenden Blick.

Niemandem, der die beiden Männer sah, würde die Verbindung zwischen ihnen entgehen.

Der ältere Mann … er musste Königin Namanis Liebhaber gewesen sein. Der verstorbene König Jamil war wohl Adirs Vater, Scheich Karim sein Halbbruder, den er bisher auch nicht gekannt hatte.

Hatte König Jamil überhaupt gewusst, dass Königin Namani einen Sohn von ihm bekommen hatte?

Kein Wunder, dass Adir ein geborener Herrscher war. Obwohl er als Waise den Launen des Wüstenlebens ausgesetzt gewesen war, hatte er das Unmögliche geschafft und war Scheich geworden.

Amira bekämpfte den Zorn, der um seinetwillen in ihr tobte.

Er war umso vieles im Leben betrogen worden. Angst erfasste sie, wie sie sie noch nie empfunden hatte.

Welche Auswirkung würde das auf Adir haben?

Auf sie beide und ihre Ehe?

Panik erfasste sie, und plötzlich bekam sie keine Luft mehr.

„Adir! Adir!“

Amiras Aufschrei riss Adir aus dem Schockzustand, in dem er sich befunden hatte. Er fing sie noch gerade rechtzeitig auf, bevor sie auf den Boden aufschlagen konnte.

Sie war so blass, dass sein Herz bis zum Hals schlug. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er sie auf seine Arme hob.

Er brüllte einem Wachmann in der Nähe zu, dem wartenden Scheich Bescheid zu geben. Ein paar Minuten später legte er Amira auf das Bett in ihrer Suite.

Doch die sture Frau weigerte sich liegen zu bleiben. Sie schoss hoch und trank das Wasser, das er für sie geholt hatte.

Hin- und hergerissen setzte er sich auf die Bettkante. Das letzte Stück des Puzzles. Der Bastard eines Königs und einer Königin – ein Schandfleck, verbannt in die Wüste. König Zufar konnte nicht wissen, wie nahe er der Wahrheit gekommen war.

Er hätte alles haben können – eine Mutter, einen Vater und Geschwister –, doch er hatte niemanden.

Und ausgerechnet jetzt hatte er gesehen, dass er noch einen Bruder hatte. Der ein paar Stockwerke tiefer auf ihn wartete und der ihm endlich etwas über seinen Vater sagen könnte.

„Adir?“

Die Angst in Amiras Stimme holte ihn zurück in die Gegenwart.

„Hast du dir irgendwo wehgetan?“, fragte er. „Ich lasse einen Arzt rufen.“

„Nein. Mir geht es gut. Ich habe nur eben im Flur keine Luft mehr bekommen.“ Tränen liefen über ihre Wangen.

Sie nahm seine Hände in seine. „Es tut mir so leid, Adir.“

Von seinem inneren Aufruhr ließ er sich nichts anmerken. „Dann bin ich also nicht der Einzige, der es gesehen hat?“

„Nein. Es gibt zu viele Ähnlichkeiten. Hast du ihn nie kennengelernt?“

„Nein.“ Abrupt stand er auf, ohne auf ihre ausgestreckte Hand zu achten.

In diesem Moment wusste Amira, dass sie dabei war, ihn zu verlieren.

„Ich muss gehen. Wirst du zurechtkommen?“

„Willst du ihn zur Rede stellen?“

„Ja, vielleicht. Wenigstens muss ich mit ihm sprechen. Das bin ich mir selbst schuldig.“

„Adir, bitte, du wirst damit nur erreichen, dass du noch mehr leidest. Und das kann ich nicht ertragen. Lass die Vergangenheit ruhen. Gib unserer Zukunft eine Chance.“

„Ich kann nicht, Amira“, entgegnete er gepresst. „Ich kann nicht.“

Wut überlagerte ihre Angst, und sie stand vom Bett auf. „Was hat es dir denn bis jetzt gebracht? Außer dass du das, was du hast, geringschätzt. Und dich fragst, was gewesen wäre. Dabei bist du doch schon ein hochgeschätzter Anführer und ein wundervoller Ehemann.“ Sie zögerte. „Königin Namani hätte besser daran getan, dich in dem Glauben zu lassen, dass du wirklich eine Waise bist, statt dich dieser … Hölle auszusetzen.“

„Wie kannst du es wagen! Sie hat mich geliebt. Wie würdest du dich denn fühlen, wenn du gezwungen wärst, unser Kind wegzugeben?“

„Ich würde es um keinen Preis weggeben. Ja, ich habe Mitleid mit ihr, weil sie es sicher auch nicht einfach hatte. Aber deine Auffassung von ihr, dass sie eine großartige Mutter war, kann ich nicht teilen. Das war sie nämlich nicht. Hat sie wirklich an dich gedacht, als sie dir diese Briefe geschrieben hat? Warum hat sie nie das Risiko auf sich genommen, dich zu sehen? Vielleicht hat sie auf diese Weise nur gegen ihre Umstände aufbegehrt? Sie war eine schwache, selbstsüchtige Frau.“

Wut lag in seinem Blick, doch anders als ihr Vater schien er sich noch mehr in sich zurückzuziehen, statt zuzuschlagen. „Ich will kein Wort gegen sie hören.“

„Und ich werde nicht länger den Mund halten. Auch wenn ich Angst habe, dass du mich nie lieben wirst, wenn ich schlecht über sie spreche. Aber sie war keine Mutter, auch deinen Geschwistern nicht. Nur zu Galila war sie nett, bis sie zu einer wunderschönen jungen Frau heranwuchs. Danach hat sie sie als Konkurrentin betrachtet. Vielleicht hat sie dich geliebt, und es hat ihr das Herz gebrochen, von ihrem Liebhaber und dir getrennt zu sein. Aber als sie dir die Briefe geschrieben und dich gegen deine Geschwister aufgebracht hat, da hat sie nicht an dich gedacht. Vielmehr hat sie dich zu einem harten Menschen gemacht, und dafür hasse ich sie. Wenn sie nicht wäre, würdest du uns eine Chance geben. Und dem Glück.“

Amira wusste nicht, ob irgendetwas von dem, was sie gesagt hatte, zu ihm durchgedrungen war.

Schweigend starrte er sie an, als hätte sie das Podest, auf das er seine Mutter gestellt hatte, zerschlagen.

Und Amira verlor jede Hoffnung. „Du musst dich entscheiden, Adir.“

Wut stand in seinem Blick. „Wag es nicht, mir ein Ultimatum zu stellen. Du bist meine Frau.“

„Ja, und ich liebe dich und kann es nicht ertragen, hinter deiner Vergangenheit zurückstehen zu müssen. Solange du dich daran klammerst, gibt es keine Hoffnung. Du musst dich zwischen deiner Zukunft und deiner Vergangenheit entscheiden.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ob ich die Vergangenheit akzeptiere oder nicht, ich werde dich nicht lieben, Amira.“

„Ich verlange auch nicht, dass du mich liebst. Ich bin bereit, mit dem zu leben, was du mir gibst. Sag mir nur eins, Adir: Kannst du dich auf unsere gemeinsame Zukunft freuen, ohne an das Leben zu denken, das dir verwehrt wurde? Ein Leben mit deinem Vater und deiner Mutter?“

Sein Blick wirkte so trostlos wie sie sich fühlte. „Nein.“

„Dann ist es aussichtslos. Denn ich kann nicht mit einem Mann leben, der immer zurückschaut.“

Wütend sah er sie an. „Dir bleibt keine andere Wahl, Amira. Du bist schwanger mit meinem Kind. Du bist meine Frau, und du liebst mich. Du wirst mich nicht verlassen. Ich gebe zu, dass ich jetzt wütend bin. Aber wenn ich mich wieder beruhigt habe, komme ich zurück, und wir leben weiter wie bisher.“

12. KAPITEL

Der Sonnenuntergang war Amiras liebste Tageszeit, wenn der Himmel in Rosa und Orange getaucht war. Wenn sie durch die wunderschönen Gärten spazierte oder abends mit dem Wagen zum Bazar fuhr. Dann konnte sie fast alles vergessen.

Auch Adir.

Beinahe.

Sie konnte vergessen, dass ihr Vater hundertmal am Tag anrief und sie in Stücke reißen wollte, weil sie es gewagt hatte, Adir zu verlassen. Dass sie sich abends in den Schlaf weinte. Und tagsüber an sich selbst zweifelte, weil sie einen Mann verlassen hatte, der sie mit Respekt behandelt und sogar Zuneigung gezeigt hatte.

Aber dann gab es auch Momente wie diesen, wenn sie die Hände auf ihren Bauch legte und tief im Inneren wusste, dass sie das Richtige getan hatte.

Sie konnte nicht mit einem Mann leben, der ihre Liebe nicht verstand. Der ihre Liebe als Schwäche sah, die er dazu benutzen konnte, sie an sich zu binden.

Nein, das würde sie nicht einmal für ihr Kind tun.

Amira hatte gerade das Geschirr von ihrem Abendessen weggeräumt, als sie einen Wagen in der Auffahrt hörte. Sie runzelte die Stirn und sah aus dem Küchenfenster. Der Wachmann, der im Nebengebäude wohnte, und die beiden Mädchen, die sich um den Haushalt kümmerten, hatten sich schon zurückgezogen.

Und dann sah sie ihn, eine große, dunkle Gestalt im Licht über dem Eingang.

Ihr Ehemann.

Zitternd schaffte sie es gerade noch bis ins Wohnzimmer, als er eintrat.

Zorn lag in seinem Blick, und noch etwas anderes, was sie nicht benennen konnte. Wie ein eingesperrtes Raubtier ging er auf und ab. Als er sich dann mit den Händen durch die Haare fuhr, wusste Amira, was dieses andere war.

Angst.

Um sie? Oder das Baby?

„Ich habe Wasim darüber informiert, wo ich hingehe, bevor ich gegangen bin“, sagte sie.

Die Wut verschwand nicht. Vielmehr sah er sie an, als hätte er vergessen, wer sie war. „Du hast ihn informiert?“ Er stieß die Worte aus, als würde er Schmerzen leiden.

Grob umklammerte er ihre Schultern und schien nicht einmal zu merken, dass er ihr wehtat.

Es war ihr auch egal. Denn was sie gefangen hielt, war die Qual in seinen Augen.

Sie hatte ihn noch nie so aufgebracht, so wütend erlebt.

„Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Dass du unseren Wachmann darüber informiert hast, dass du mich verlässt und Gott weiß wohin verschwindest? So verhält sich eine Frau nicht, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit geht. Muss ich in Zukunft immer damit rechnen, nachdem du Zufar auch wegen mir verlassen hast?“

Wütend wischte sie die Tränen fort, die in ihren Augen standen. „Verschwinde. Ich will nicht mit dir reden. Wenn du so über mich denkst, ist jedes Wort überflüssig. Ich will die Scheidung.“ Und dann fügte sie mit leiser gebrochener Stimme hinzu: „Ich will dich nie mehr wiedersehen.“

Als sie glaubte, zusammenzubrechen, zog er sie an sich, presste seinen Mund an ihre Schläfe und flüsterte zärtliche Worte in ihr Ohr. Er hielt sie sehr sanft, als wäre sie für ihn das Kostbarste, was er je in Händen gehalten hatte. Als könnte er nicht atmen, wenn er sie losließ.

„Ich hasse dich für das, was du gesagt hast und was du aus mir machst“, sagte sie. „Dass du mir wehtust und mir die Worte im Mund herumdrehst. Ich hasse dich so sehr, dass ich mir … manchmal wünsche, dich nie kennengelernt zu haben.“

„Nein, Amira. Sag das nicht.“

„Ich habe dir mein Herz zu Füßen gelegt, Adir, und du hast darauf herumgetrampelt. Trotzdem bin ich stark geblieben, für dieses Kind. Aber du … du lässt mir nicht einmal das bisschen.“

„Ich weiß, ya habibti, es ist alles meine Schuld. Bitte, Amira, nicht weinen. Nicht wegen mir. Ich kann es nicht ertragen, dir wehgetan zu haben. Nicht mehr.“

Verzweifelt hielt sie sich an ihm fest, weil sie wusste, dass er sie gleich loslassen würde. „Sie ist tot, Adir. Du musst sie loslassen. Und ich gebe ihr auch keine Schuld mehr, wenn es das ist, was dem Glück entgegensteht.“

„Es tut mir so leid.“ Seine Stimme klang gebrochen. „Ich war so wütend auf dich und habe einfach um mich geschlagen. Was ich gesagt habe, war schrecklich und fällt nur auf mich zurück. Aber ich konnte nicht glauben, dass du …“

„Dass ich was?“

„Einfach so gehst. Gerade als ich anfing, mich auch in dich zu verlieben. Als ich zu verstehen begann, dass es bereits zu spät ist, weil du schon ein Stück meines Herzens besitzt.“

Schockiert starrte sie ihn an. Er hatte sich entschuldigt. Offenbar hatte das, was er zu ihr gesagt hatte, ihm noch mehr wehgetan als ihr. Und jetzt … das.

Seine Worte besänftigten sie nicht, sondern brachten sie noch mehr auf. „Nimmst du das, was ich sage, eigentlich je ernst?“

„Amira …“

Sie stieß sich von ihm ab, um ihm in die Augen zu sehen. „Du glaubst, ich bin einfach so gegangen? Dass ich ein dummes, naives Mädchen bin, weil ich Worte sage wie Ich liebe dich? Ich habe die ganze Nacht darauf gewartet, dass du zurückkommst. Ich habe mir Sorgen gemacht, was du zu Karim gesagt hast und dass er dir vielleicht wehgetan hat. Du hast eine Nachricht geschickt, dass du morgens beschäftigt bist. Du bist mir aus dem Weg gegangen. Ich habe nichts Übereiltes getan, sondern sogar mit dem Frühstück auf dich gewartet. Und als du es mir unmöglich gemacht hast, noch länger zu bleiben, bin ich gegangen.“

„Du bist gegangen.“ Langsam wiederholte er die Worte, und Amira wurde bewusst, dass er nicht nur wütend war.

Und dass diese Angst, die sie in seinem Blick gesehen hatte, Angst davor war, sie verloren zu haben.

Für immer.

Langsam lösten sich ihre Wut und der Schmerz auf, die ihr die Kehle zugeschnürt hatten. Bedeutete sie ihm wirklich so viel? Würde es jetzt immer so hin und her gehen?

Nein.

„Du hast in deiner Arroganz behauptet, dass ich dich nicht verlassen würde, weil ich dich liebe. Liebe ist keine Schwäche, Adir. Meine Liebe zu dir macht mich stark.“

„Nein, es ist keine Schwäche. Und du hattest recht wegen meiner Mutter. Ja, sie hat mich geliebt, aber sie hatte auch Fehler und Schwächen. Ihr Erbe an mich war diese Verbitterung. Wenn du nicht wärst, hätte ich das nie erkannt.“

Amira glaubte, ihr würde das Herz aus der Brust springen. „Was soll das heißen?“

„Ich bin an diesem Abend nicht zu Karim gegangen, sondern war unten in der Bar und habe über das nachgedacht, was du gesagt hast.“

„Du solltest nie glauben, dass ich deinen Schmerz nicht verstehe. Ich wollte nur … ich wollte dich nur ganz für mich haben.“

„Du hast Licht in ein dunkles Leben gebracht, Amira. Und dass ich jetzt weiß, wer mein Vater ist, hat einen Schlusspunkt gesetzt. Ich weiß, dass sie sich geliebt haben. Und auch wenn sie mich weggegeben hat, bin ich in Liebe gezeugt worden. Als ich das begriffen hatte, hatte ich nicht mehr dieses drängende Bedürfnis, Karim sehen zu müssen.“

Als er auf die Knie fiel und sein Gesicht an ihren Bauch legte, stiegen wieder Tränen in ihr auf.

„Alles hat sich verändert, Amira, und das ist dein Verdienst. Mein ganzes Leben lang habe ich mich nach meinem rechtmäßigen Platz gesehnt, nach einem Ort, wo ich hingehöre. Aber du hast recht. Ich habe bereits eine Familie. Dich und unser Kind. Die Stämme. Du und deine Liebe machen mich zu einem Ganzen. Es tut mir so leid, dass ich dir wehgetan habe und du glauben musstest, erst an zweiter Stelle zu kommen. Ich liebe dich mit allem, was ich habe. Du wirst in meinem Herzen immer an erster Stelle stehen, Amira.“

Sie sank auf die Knie und hätte ihn beinahe umgestoßen, als sie in seine Arme fiel.

Amira schluchzte, und er lachte, und dann küsste er sie. Und diesmal sagte er ihr, wie kostbar sie ihm war.

Diesmal gab es keinen Zweifel für sie, dass sie endlich einen Platz für sich gefunden hatte.

Bei dem Mann, den sie liebte.

Bei dem Mann, der sie verstand, sie akzeptierte und sie liebte. So wie sie war.

– ENDE –

1. KAPITEL

Seine Ohren hatten ihm einen Streich gespielt. Anders konnte es nicht sein.

Denn sonst hätten sie seinem Hirn nicht die unzumutbare Nachricht übermittelt, dass …

Nein.

„Sagen Sie das noch einmal“, meinte Scheich Zufar al Khalia leise zu dem leitenden Regierungsbeamten, der vor ihm stand.

Der kleine Mann wich zurück. Er wusste genau, dass es weit schlimmer war, wenn der König mit gedämpfter Stimme sprach, statt zu brüllen. Wobei Zufar al Khalia, der vollendete Meisterstratege und das allseits gefürchtete Oberhaupt der königlichen Familie, sich zu einem solch ungehörigen Verhalten wie Schreien nicht herablassen würde.

Marwan Farhat schaffte es gerade einmal ein paar Sekunden, dem kühlen Blick seines Königs standzuhalten, bevor er die Augen auf den kostbaren persischen Teppich unter seinen Füßen senkte.

„Also, Marwan“, beharrte Zufar.

„Wir wurden informiert, dass Ihre Verlobte verschwunden ist, Eure Hoheit. Sie ist nicht in ihrer Suite, und ihre Dienerin glaubt, dass sie weggebracht wurde.“

„Glaubt? Dann gibt es keinen Beweis?“

„Äh … ich habe noch nicht selbst mit der Dienerin gesprochen, Eure Hoheit, aber …“

„Nach allem, was Sie wissen, könnte meine Verlobte sich auch irgendwo im Palast verstecken, weil sie nervös ist wegen der Hochzeit, richtig?“

Marwan wechselte einen Blick mit den anderen Beamten. „Das ist möglich, Eure Hoheit.“

Laut und deutlich hörte Zufar ein Aber, auch wenn es nicht ausgesprochen worden war. „Wo ist diese Dienerin? Ich wünsche selbst mit ihr zu sprechen.“

Marwan verzog das Gesicht. „Selbstverständlich, Eure Hoheit, aber ich wurde darüber informiert, dass das Mädchen ziemlich hysterisch ist. Ich denke nicht, dass es sinnvoll …“

„Sinnvoll?“ Er war fassungslos. „Sehen Sie, was ich trage, Marwan?“, sagte Zufar mit gefährlich sanfter Stimme, die seine Untergebenen normalerweise sofort ängstlich schweigen ließ. Er ging um den massiven Tisch aus Teakholz herum, der früher seinem geschätzten Großvater gehört hatte.

Wieder hüpfte Marwans Adamsapfel, als er Zufars schwere Uniform in Gold und Burgund betrachtete, samt der breiten Schärpe, den Epauletten und den Knöpfen aus massivem Gold. Wo andere Männer darin steif und pompös ausgesehen hätten, wirkte sein König beneidenswert elegant und erhaben. Der dazugehörige Umhang hing auf einem eigens gefertigten Gestell. Zusammen bildeten sie die zeremonielle Hochzeitskleidung des Königs, die an seinem einundzwanzigjährigen Geburtstag nur für diesen bedeutsamen Augenblick in Auftrag gegeben worden war.

„Ja, Eure Hoheit“, entgegnete er respektvoll.

Zufar warf die weißen Handschuhe, die er eben hatte anziehen wollen, auf den Tisch und trat zu den Männern. Er hatte zwar ihre Aufmerksamkeit, musste aber sichergehen, dass keine Silbe aus seinem Mund falsch gedeutet werden würde.

„Haben Sie die Würdenträger und Staatsoberhäupter gesehen, die gerade auf dem Weg zum Reichssaal sind? Die fünfzigtausend Bürger, die seit sieben Tagen in der Hauptstadt lagern, in Vorfreude auf diese Zeremonie? Die dreihundert Journalisten und die unzähligen Kameraleute, die auf dem südlichen Rasen warten, um die Hochzeit im Fernsehen zu übertragen?“

„Natürlich, Eure Hoheit.“

Tief atmete Zufar durch, um sich zu beruhigen, denn sonst würde ihm trotz seiner sehr robusten Gesundheit sicher eine Ader platzen. Und das wäre äußerst unklug, da heute sein Hochzeitstag war.

„Dann erklären Sie mir noch einmal, warum Sie es nicht für sinnvoll halten, so schnell wie möglich herauszufinden, wo meine Verlobte sich aufhält.“

Marwan legte die Hände wie zum Gebet zusammen, eine Geste, die Zufars immer größer werdenden Unmut nicht beschwichtigen konnte. „Ich bitte um Entschuldigung, Eure Hoheit“, sagte er. „Ich bin nur gekommen, um Sie darüber zu informieren, dass es eine kleine Verzögerung geben könnte. Vielleicht können wir die Zeremonie verschieben …“

„Nein. Es wird keinen Aufschub geben. Sie werden meine Verlobte auf der Stelle finden, und diese Hochzeitszeremonie wird wie geplant abgehalten.“

„Eure Hoheit, die Wachen und sämtliche Bediensteten haben überall nach ihr gesucht. Sie ist nicht hier.“

Zufar sah rot, und plötzlich war ihm sein Kragen zu eng und nahm ihm die Luft. Doch er hob weder die Hand, um einen Knopf aufzumachen, noch ließ er sich in irgendeiner Form sein Unbehagen anmerken.

Er war der König. Seit seiner Geburt war ihm von Gouvernanten und Erziehern Haltung und Anstand eingebläut worden; ein Fehltritt wurde sofort gnadenlos bestraft. Und sollte er einmal seine Wut gezeigt haben, die auch jetzt in ihm kochte, war er eine Woche lang in den Winterpalast im nördlichsten Teil von Khalia verbannt worden, wo ihn nichts anderes erwartet hatte als eisige Berge und endlose Vorträge auf Latein.

Nein, seine Emotionen ungehindert zu zeigen, war die Domäne seines Vaters.

Für Zufar, seinen jüngeren Bruder und die jüngere Schwester hingegen war es ein Leben ohne Gefühl in strengen Internaten im Ausland gewesen. Und während der Ferien, wenn ihnen erlaubt worden war, nach Hause zu kommen, waren sie in langen Stunden dazu erzogen worden, die perfekten Botschafter des Königshauses von Khalia zu werden.

Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen seine Wut ihn so wie heute zu übermannen drohte, nahmen die Menschen sofort davon Notiz und ergriffen so schnell wie möglich die Flucht.

Zufar straffte sich und richtete seinen Blick auf Marwan. „Sie werden mich jetzt zu dieser Dienerin bringen. Ich möchte selbst hören, was sie zu sagen hat.“

Sofort verbeugte der leitende Beamte sich tief. „Selbstverständlich, Eure Hoheit.“

Die Palastwachen, die zu beiden Seiten der Tür standen, sprangen vor, um die Flügeltür für ihn zu öffnen.

Kaum hatte Zufar den Flur betreten, wusste er, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Der aufgeregte Lärm, der während der letzten Vorbereitungen für die Hochzeit zu hören gewesen war, hatte sich gelegt.

Einige Bedienstete des königlichen Palastes trugen besorgte Mienen, als sie hin und her huschten.

Bei der fast greifbaren Anspannung stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Marwan, der neben ihm ging, wich seinem Blick aus und tat alles in seiner Macht Stehende, um Abstand zu ihm zu wahren.

Zufar hätte es amüsant gefunden, hätte er nicht das Gefühl gehabt, dass seine bevorstehende Hochzeit in Gefahr war.

Das Flüstern um ihn herum wurde lauter, als er den Mittelbau des Palastes betrat. Wie bei den meisten königlichen Palästen bewohnten Frauen und Männer unterschiedliche Flügel. Seine Privaträume befanden sich im Westflügel des ausgedehnten Palastes, der oben auf dem Berg Jarra thronte.

Mit schnellen Schritten erreichte er den Ostflügel. Er achtete nicht darauf, dass sich Bedienstete und Mitglieder seiner Familie vor ihm verbeugten, als er mit grimmiger Miene zur Gästesuite eilte, in der seine Verlobte Amira seit ihrer Ankunft vor drei Wochen wohnte.

Sie war die Tochter eines der ältesten Freunde seines Vaters, und Zufar wusste schon von ihr, seit er ein Junge war. Amira war einige Jahre jünger als er und offensichtlich eingeschüchtert von ihm. Viel Interesse hatte er nicht an ihr gezeigt, bis sein Vater ihn darüber informierte, dass sie beide heiraten würden, wie er mit Amiras Vater Feroz Ghalib vereinbart hatte.

Doch selbst da war die Hochzeit noch ein Ereignis gewesen, das in ferner Zukunft lag. Andere würden die Feier arrangieren, und er musste sich nur ein paarmal mit ihr treffen, um den Schein zu wahren. Trotzdem hatte er seine Pflicht ernstgenommen und dafür gesorgt, dass ihre Treffen ungezwungen für sie abliefen und sie nicht zu einer Verbindung gezwungen wurde, die sie nicht wollte. Ihre Zusicherung hatte ihm genügt, um zu wissen, dass sie seine Frau werden würde, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.

Der medizinische Bericht, der bestätigt hatte, dass sie gesund genug war, um seine Kinder zu gebären, hatte den Vertrag besiegelt.

Darüber hinaus hatte er keinen großen Gedanken an sie verschwendet. Trotzdem war ihm nicht entgangen, dass sie während des gemeinsamen Dinners, das zweimal in der Woche stattfand, in letzter Zeit besonders fahrig gewesen war.

Doch da Amira seiner Schwester Galila nahestand, würde die ihn sicher darüber informieren, sollte es ein Problem mit der bevorstehenden Hochzeit geben.

Hatte er vielleicht doch etwas falsch gemacht?

Er runzelte die Stirn.

Sein Königreich zu regieren, war seine einzige und oberste Priorität. Und das war auch notwendig, wenn man bedachte, welches Chaos die plötzliche Abdankung seines Vaters mit sich gebracht hatte.

Wut zog ihm den Magen zusammen, als er noch schneller zu den luxuriösen Räumen eilte, die der Königin und anderen weiblichen Mitgliedern der königlichen Familie vorbehalten waren.

Er hätte an diesem Tag eigentlich nicht an seinen Vater gedacht, der sich seit dem Tod seiner Frau in den Sommerpalast zurückgezogen und seit Monaten nicht mehr mit seinen Kindern gesprochen hatte. Auch nicht an die schlaflosen Nächte und die harte Arbeit, die erforderlich war, um das Königreich vor dem Zusammenbruch zu bewahren, das von seinem Vater bereits kläglich vernachlässigt worden war.

Dieser Tag verlangte seine volle Aufmerksamkeit. Sein Volk sehnte sich nach einer königlichen Hochzeit. Und genau das wollte er den Menschen geben.

Als die Lakaien, die draußen vor der Saphir-Suite standen, ihn entdeckten, öffneten sie sofort die Türen.

Zufar trat ein, blieb dann aber beim Anblick der sichtlich verzweifelten Frauen im Wohnraum stehen. Zwei plapperten hysterisch, und eine ältere Dienerin war damit beschäftigt, sie zu beruhigen.

„Welche von ihnen ist es?“, fragte er knapp. Blicke flogen zu ihm, gefolgt von entsetztem Keuchen, bevor die Frauen sich verbeugten und schnell die Blicke abwandten.

Marwan bedeutete ihnen zu schweigen, ehe er sich mit einer scharfen Frage an den untergeordneten Berater hinter ihm wandte. Der jüngere Mann schüttelte den Kopf und warf Zufar einen verstohlenen Blick zu. Marwan trat zu der älteren Dienerin und stellte ihr eine Frage. Sichtlich nervös deutete sie zu der kleineren Flügeltür.

Zufar ging hin und betrat den großen, verschwenderisch ausgestatteten Raum, der einst seiner Mutter gehört hatte.

Sein Blick blieb nicht an den kostbaren Andenken, der Dekoration oder den Möbeln hängen. Er wusste nicht, welche Sachen in diesem Raum seine Mutter geschätzt hatte und welche Geschenke von seinem Vater oder ihren heimlichen Bewunderern weniger bevorzugt gewesen waren. Weder kannte er ihr Lieblingsbuch, noch konnte er sagen, welche Blumen sie in ihrem Wohnzimmer bevorzugt hatte, weil es ihm nie erlaubt gewesen war, ihre Räume zu betreten.

Wenn sie ihn bei sich geduldet hatte, was selten genug vorgekommen war, dann war es in der Öffentlichkeit, damit alle Welt ihre vorgetäuschte Liebe sehen und lobpreisen konnte. Darüber hinaus hatte sie für ihn oder seine Geschwister nie ein freundliches Wort übrig gehabt.

Doch er war nicht gekommen, um über seine Mutter nachzugrübeln.

Zufar richtete sein Augenmerk auf die Gestalt, die neben dem großen Bett kauerte. Sie war so schmal und trug so unscheinbare Kleidung, dass er sie fast übersehen hätte.

Als er zu ihr trat, merkte er, dass ihre Schultern zitterten. Noch ein paar Schritte, und ihr leises Schluchzen drang an seine Ohren.

Zufar unterdrückte einen Fluch. Er mochte keine schwachen Frauen. Und noch weniger mochte er schwache Frauen, die weinten.

Hinter ihm schnalzte Marwan scharf mit der Zunge.

Die Gestalt sprang hoch, stolperte über ihren langen Rock und landete vor Zufars Füßen.

Ungeduldig wartete er darauf, dass sie sich erhob. Doch sie schien nicht daran interessiert, wieder auf die Beine zu kommen. Stattdessen entwickelte sie ein beinahe fasziniertes Interesse an seinen Schuhen.

Er trat ein paar Schritte vor, in der Hoffnung, sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Als sie nicht reagierte, räusperte er sich.

„Falls das Schuhfetischismus ist, den du zur Schau stellst, würde ich vorschlagen, dass du dich dem ein anderes Mal hingibst. Vielleicht, wenn der Ruf meines Königreichs nicht auf dem Spiel steht?“, meinte Zufar gedehnt.

Scharf atmete sie ein, dann hob sie endlich den Kopf. Völlig verschreckt sah sie in an.

Mit ihrem geröteten, verweinten Gesicht war sie das unansehnlichste Mädchen, das Zufar je gesehen hatte.

„Wie lautet dein Name?“, fragte er schneidend.

Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn noch entsetzter an.

„Hast du nicht gehört, dass der König dir eine Frage gestellt hat, Mädchen?“, fragte Marwan scharf.

Sie schluckte hörbar, sagte jedoch immer noch kein Wort.

Zufar ballte die Hände zu Fäusten. Fast ein Jahr genauester Planung stand wegen eines verheulten, sprachlosen Mädchens auf dem Spiel.

Ihr Blick ging zu seinen Fäusten, und sie zuckte zusammen.

Ihre nackte Angst berührte ihn unangenehm. Er atmete aus und löste langsam die Fäuste. Ihm war klar, dass er kein zusammenhängendes Gespräch mit ihr führen könnte, ehe er ihr nicht die Angst genommen hatte.

Er merkte, dass Marwan zu ihr trat, und hob seine Hand. „Lassen Sie uns allein“, wies er ihn an.

Marwan stieß einen Laut der Überraschung aus. „Sind Sie sicher, Eure Hoheit?“

Zufars Mund wurde schmal. „Gehen Sie. Sofort.“

Unverzüglich leerte sich der Raum. Zufars Blick war immer noch auf das Mädchen gerichtet. Langsam streckte er ihr seine Hände hin. Wieder flog ihr Blick von seinem Gesicht zu seiner Hand, als hätte sie Angst, er würde etwas Unvorhergesehenes tun. Wie beißen. Oder schlagen.

Sie erinnerte ihn an die scheuen Fohlen in seinem Stall, die sehr viel Zeit und Geduld erforderten, damit sie auf seine Befehle reagierten.

Wobei er an diesem Tag weder das eine noch das andere hatte. Denn seine Hochzeit sollte in weniger als zwei Stunden beginnen.

Zufar beugte sich herunter und streckte seine Hand noch weiter aus. „Steh auf“, wies er sie mit fester Stimme an.

Sie legte ihre Hand in seine, rappelte sich auf und ließ sofort seine Hand los, als hätte sie sich verbrüht.

Er achtete nicht auf ihre Reaktion, sondern betrachtete sie und merkte, dass sie von den zerzausten dunklen Haaren, die unter dem beigen Schal hervorlugten, bis zu den Füßen einen tristen Eindruck machte.

Allerdings war sie kein Mädchen mehr, wie er zu Anfang angenommen hatte. Das zeigten ihm ihre deutlich erkennbaren Brüste und die gerundeten Hüften. In ihren flachen, geschmacklosen Schuhen ging sie ihm bis zum Kinn. Sie hatte schlanke Arme und ein zartes, aber entschlossenes Kinn.

Ihr Blick haftete wieder auf seiner Brust, und sie atmete heftig. Er trat zurück und legte die Hände hinter den Rücken, eine Haltung, die seine Pferde immer beruhigte.

„Wie lautet dein Name?“, fragte er, diesmal etwas leiser.

Ihr Blick ging zu Boden, und sie murmelte etwas.

„Sprich lauter“, sagte er.

Sie hob ein wenig das Kinn, doch ihre Augen waren wieder auf seine Schuhspitzen gerichtet.

„Niesha Zalwani“, „Eure Hoheit“, antwortete sie diesmal lauter.

Ihre Stimme klang sanft, verraucht und gefühlvoll, wenn auch ein wenig zu ängstlich. Aber wenigstens hatte er jetzt eine Antwort bekommen und kannte ihren Namen.

„Welche Funktion hast du hier?“

„Ich … bis letzte Woche war ich Zimmermädchen, ehe ich Miss Amiras persönlichen Bediensteten zugeordnet wurde.“

„Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche“, meinte Zufar. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie wieder den Kopf hob. Schließlich begegnete sie seinem Blick, um ihn dann schnell auf seine Nase zu richten. Zufar betete um Kraft und fuhr fort: „Wo ist deine Herrin?“

Sofort begann ihre Unterlippe zu zittern, ihr Blick wirkte gehetzt, und sie atmete wieder heftig. Zufar zwang sich, nicht auf ihre sanft gerundeten Brüste oder ihren schlanken Hals zu starren.

„Sie … sie ist gegangen, Eure Hoheit.“

„Wohin gegangen?“, stieß er hervor.

„Ich weiß nicht, Eure Hoheit.“

„Also gut. Dann versuchen wir es anders. Ist sie allein weggegangen?“

Wieder rang sie die Hände, dann räusperte sie sich. „Nein, Eure Hoheit. Sie … sie ist mit einem Mann fort.“

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. „Mit einem Mann? Welcher Mann?“, fragte er leise.

„Er hat mir seinen Namen nicht gesagt, Eure Hoheit.“

„Aber du bist sicher, dass sie von einem unbekannten Mann verschleppt wurde?“

Als sie sich auf die Lippe biss und nickte, ging sein Blick zu ihrem vollen, roten Mund. „Ja …“ Sie wirkte noch verzweifelter.

„Sag mir, was du weißt“, beharrte er.

„Vielleicht irre ich mich, Eure Hoheit, aber sie schien nicht … unwillig.“

Dass er vielleicht sitzen gelassen worden war, erfüllte ihn mit eiskalter Wut. Doch seltsamerweise war er nicht um seinetwillen zornig, sondern weil sein Volk enttäuscht sein und dieser Vorfall Chaos für sein Königreich mit sich bringen würde.

„Hat sie etwas gesagt? Hat er irgendetwas gesagt, was dich zu dieser Annahme geführt hat?“

„Es … ging alles so schnell, Eure Hoheit. Aber als er Ihre Schwester sah …“ Sie hielt kurz inne. „Ja, er hat etwas gesagt.“

„Und was? Was hat er gesagt?“

„Dass … also … er hat gesagt, dass er …“

„Den genauen Wortlaut, bitte!“

Sie atmete hörbar ein. Dann sagte sie, als hätte sie den Text auswendig gelernt: „Seine Worte waren: Sag deinem Bruder, dass ich seine wertvolle Braut nicht nur verführt habe, sondern dass sie auch freiwillig mit mir davonläuft. Und dass ich ihm seine zukünftige Königin nehme, so wie er mir mein Geburtsrecht genommen hat.“

Zufar kniff die Augen zusammen. Dann ging er zum Fenster und presste seine Faust gegen die Scheibe.

Die Außenanlagen des Palastes strahlten in der Sonne, und er hörte gedämpft den Lärm der wartenden Menge. Aufgeregte Bürger und neugierige Touristen, die extra hergeflogen waren, freuten sich auf die Märchenhochzeit ihres Königs mit seiner auserwählten Königin. Das gesamte Königreich befand sich seit Monaten im Hochzeitsfieber.

Und ausgerechnet jetzt teilte der Bastard von einem Halbbruder Zufar mit, dass er seine Verlobte verführt und gestohlen hatte!

In einem anderen Leben hätte man diesen kleinen Funken, der sich hinter seiner Wut bemerkbar machte, vielleicht als Erleichterung bezeichnet, weil er einer weiteren Verantwortung enthoben worden war. Doch Zufar gab diesem Gefühl keinen Raum, weil er jetzt vor einem riesengroßen Problem stand. Abgesehen davon, wie erniedrigend es sein würde, wenn er verkünden musste, dass er keine Verlobte mehr hatte, wäre dieses Arrangement auch von großem wirtschaftlichem Vorteil für Khalia gewesen.

Er musste Amira finden. Um sicherzugehen, dass die Behauptung seines Halbbruders der Wahrheit entsprach.

Aber wie sollte er das anstellen, wenn er keine Ahnung hatte, wohin sie gegangen war? Das Dossier, das er nach Adirs unvergesslichem Auftritt nach dem Tod seiner Mutter über ihn hatte zusammenstellen lassen, verriet, dass er keinen festen Wohnsitz hatte. Und falls doch, hielt er ihn streng geheim.

Selbst wenn Zufar wüsste, wo er war, hatte er keine Zeit, ihm hinterherzujagen. Verbittert musste er anerkennen, welch guten Zeitpunkt Adir sich für seine Rache ausgesucht hatte. Dass sein Halbbruder es ausgerechnet jetzt getan hatte, würde die größte Demütigung zur Folge haben. Den meisten Aufruhr.

Zufar würde ihm diesen Sieg nicht lassen. Nie im Leben.

Er drehte sich zu der jungen Kammerzofe um. „Wann sind sie verschwunden?“

Wieder schluckte sie, doch diesmal blieb sie nicht lange stumm. „Ich habe ihr Tee gebracht und sie nur zehn Minuten allein gelassen.“ Sie klang gequält. „Ich bin gegangen, um den königlichen Schmuck zu holen, und als ich zurückkam …“

„Dann hast du also gesehen, wie sie zusammen weggegangen sind?“

Zitternd nickte sie. „Ja.“

„Und du bist sicher, dass er ihr nichts angetan hat?“, wollte Zufar wissen.

„Sie … schien nicht in einer Notlage, Eure Hoheit. Sondern bereitwillig.“

Die Enge in seiner Brust ließ ein wenig nach. „Wie sind sie verschwunden?“

Sie deutete zu dem Fenster, vor dem er stand.

Zufar presste die Kiefer aufeinander. „Hat noch jemand anders die beiden gesehen?“

„Nur Ihre Hoheit, die Prinzessin, aber sie waren schon fast aus dem Fenster, als sie hereingekommen ist.“

Zufar runzelte die Stirn. Warum hatte Galila ihn nicht informiert? Hatte sie versucht, sie aufzuhalten und war gescheitert? Wahrscheinlich ging Galila ihm aus dem Weg, weil sie wusste, wie er die Neuigkeit aufnehmen würde.

„Wie lange hat es danach gedauert, bis du Alarm geschlagen hast?“

Ihre Miene zeigte, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, während sie sich wieder auf die zitternde Unterlippe biss.

„Sekunden? Minuten?“, fragte er scharf.

Sie wurde blass. „Es … es tut mir leid. Ich … dachte, es wäre ein Streich.“

„War es aber nicht. Und dass du nicht rechtzeitig Alarm geschlagen hast, könnte ihnen bei ihrer Flucht geholfen haben.“ Zufar war sich dessen sicher.

Sie wich weiter zur Wand zurück, und er wandte sich ab.

Der Skandal, den diese Enthüllung heraufbeschwören würde, ließ ihn erschauern. Aber das würde er unter keinen Umständen zulassen.

Er steckte das Stück Papier in seine Tasche. Mit seinem Halbbruder würde er sich später befassen. Jetzt brauchte er erst einmal eine Übergangslösung für diese Situation, damit er die Hochzeit nicht absagen musste.

Schnell sah er sich um. Das Kleid, das seine zukünftige Braut hätte schmücken sollen, hing über einer Ankleidepuppe, und die hochhackigen Schuhe schauten unter dem Saum hervor.

In Gedanken ging er die Liste der anderen Kandidatinnen durch, die man ihm vorgestellt hatte, als das Thema Hochzeit zum ersten Mal zur Sprache kam. Wie bei allen arrangierten Ehen in Königshäusern gab es immer Ausweichmöglichkeiten, falls etwas schieflaufen sollte.

Drei dieser Kandidatinnen befanden sich unten und begrüßten die Gäste. Sie fielen somit als potenzielle Bräute des Königs aus. Denn es würde nur Klatsch geben, wenn er eine von ihnen zu seiner Braut erklärte, weil alle dann erfahren würden, dass er sitzengelassen worden war.

Die Sache unter Verschluss zu halten, bis er bereit war, Klarheit zu schaffen, wäre das Beste.

Was bedeutete, dass so wenige wie möglich davon wissen durften, bis er eine Zwischenlösung gefunden hatte.

Er brauchte eine Braut, damit es keinen Skandal geben würde. Die Wahl seiner neuen Braut bedurfte natürlich der Erklärung. Aber dieses Problem würde er morgen lösen.

Er wandte sich wieder der Kammerzofe zu, die er schon vergessen hatte. Zufar war erstaunt, dass sie inzwischen nicht geflohen war, während er ihr den Rücken zugedreht hatte.

Vorsichtig sah sie ihn an, als er auf und ab ging.

Schließlich blieb er stehen, da ihm ein vollkommen lächerlicher Gedanke durch den Kopf geschossen war. „Wie lange bist du schon in meinem Palast?“, wollte er wissen.

„Das ganze … äh … fast mein ganzes Leben, Eu… Eure Hoheit“, stammelte sie.

In Gedanken nickte er zufrieden. Sie würde sich mit seinen Gepflogenheiten auskennen und darum wissen, wie wichtig Diskretion war.

„Und wie alt bist du?“, brummte Zufar, der nicht fassen konnte, dass er die Idee tatsächlich in Erwägung zog.

Sie schluckte. „Fünfundzwanzig, Eure Hoheit.“

Eine volle Minute starrte er sie an, dann nickte er knapp. Er brauchte eine Lösung und hatte eine gefunden. Sein Blick fiel auf ihre unberingten Finger. „Hast du einen Ehemann?“

Tiefe Röte überzog ihre Wangen. Sie wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. „Nein, Eure Hoheit, ich bin unverheiratet.“

Um sicherzugehen, hakte er nach. „Bist du an jemanden gebunden?“

Kurz presste sie die Lippen aufeinander. „Nein.“

Grimmige Entschlossenheit erfasste ihn, als er zwischen der Frau und dem Hochzeitskleid hin und her sah. Sie hatte ungefähr die gleiche Kleidergröße wie Amira, war jedoch ein wenig mehr gerundet als seine … frühere Verlobte.

Sicher, Amiras Haltung war selbstsicherer gewesen, da ihre gesamte Erziehung nur dem Zweck gedient hatte, sie auf ihre zukünftige Rolle als Königin vorzubereiten. Die Frau, die vor ihm stand, hatte bei Weitem nicht dieses Geschliffene.

Aber er brauchte kein Juwel, nur einen glänzenden Stein, der als Original durchging, bis er die Situation im Stillen und nach seinem Ermessen gelöst hatte.

„Komm her“, befahl er tonlos, während er zu dem Hochzeitskleid schlenderte. Nachdem er sich jetzt entschieden hatte, was zu tun war, konnte er sich keine weiteren Tränen leisten, die ihn nur aufhalten würden.

Wieder warf sie ihm einen verschreckten Blick zu.

Zufar schluckte seinen Ärger herunter. „Du bist doch nicht taub. Ich weiß, dass du mich gehört hast. Komm her“, befahl er entschieden.

Sie stolperte vor und blieb etwa einen halben Meter vor ihm stehen.

Er betrachtete sie und bemerkte, dass ihre Augen von einem dunklen Violett waren, nicht braun, wie er geglaubt hatte. Und ihre Wimpern waren weit länger, als er angenommen hatte. Ihre Oberlippe war herzförmig geschwungen, und sollte ihr Mund sich je zu einem Lächeln verziehen, würde sie vielleicht etwas von ihrer Tristheit verlieren. Überrascht stellte er fest, wie zart und makellos ihre Haut war, als er ihren Hals betrachtete.

Nein, sie war kein Diamant, aber vielleicht ein Stein von besserer Qualität, als er zunächst angenommen hatte.

Ein Stein mit Ecken und Kanten, wie er einräumen musste, als er merkte, wie nervös sie immer noch war. „Ruhig“, befahl er.

Sie stieß einen leisen, erstickten Laut aus, schien aber etwas ruhiger zu werden. Er unterdrückte den Wunsch, ihr zu sagen, dass sie den Rücken durchdrücken und ihn ansehen sollte, wenn er mit ihr sprach.

Eine solche Unterweisung war unnötig für das, was er im Sinn hatte. Es war nur wichtig, dass sie nicht zusammenbrach, bevor er sein Ziel erreicht hatte.

Nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte, wandte er sich von ihr ab. Als hätten sie seine Gedanken erraten, klopfte es kurz an der Tür, und Marwan und seine anderen Berater eilten herein.

„Eure Hoheit? Gibt es Neuigkeiten, die ich der königlichen Wache übermitteln soll? Einen Ansatzpunkt vielleicht, wo wir mit der Suche nach Ihrer Auserkorenen beginnen sollen?“

„Die Sache können wir vergessen, Marwan“, sagte Zufar kühl, während ihm wieder bewusst wurde, dass Amiras Flucht ihm nicht so sehr zusetzte, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Wenn überhaupt, war es die Kränkung, die sein Bruder ihm zugefügt hatte, die ihm zu schaffen machte.

„Heißt das, dass die Feier nicht stattfindet?“

Zufar warf einen Blick zu der Frau, die fassungslos in der Ecke stand.

Sie sah noch schlimmer aus, als wäre sie soeben von einem Blitz getroffen worden. Doch seiner Entscheidung tat das keinen Abbruch.

Der Hochzeitsstrauß würde ihre fahrigen Finger beschäftigen, die Schleier würden ihr Gesicht verbergen, und die hochhackigen Schuhe ihr hoffentlich mehr Haltung verleihen.

Mehr war nicht wichtig.

„Nein, das heißt es nicht. Die Zeremonie wird abgehalten.“ Er wischte mit der Hand durch die Luft, da schockiertes Murmeln aufkam. Als es wieder ruhig war, fuhr er fort: „Ich habe durchaus vor, in zwei Stunden zu heiraten. Niesha Zalwani wird meine Braut sein, und jeder in diesem Raum wird dafür sorgen, dass meine Wünsche erfüllt werden.“

2. KAPITEL

„Sag deinem Bruder, dass ich seine wertvolle Braut nicht nur verführt habe, sondern dass sie auch freiwillig mit mir davonläuft. Und dass ich ihm seine zukünftige Königin nehme, so wie er mir mein Geburtsrecht genommen hat.“

Mit diesen zutiefst schändlichen Worten hätte Niesha an diesem Tag nicht gerechnet. Es hätte ein Tag voller Freude sein sollen, doch er hatte sich vor einer Stunde in eine Hölle verwandelt.

Als der Scheich im Schlafzimmer seiner Verlobten erschienen war, hatte sie gehofft, dass sich das Problem gelöst hatte.

Doch König Zufar von Khalia hatte Dinge gesagt, die einfach keinen Sinn ergaben.

Der außergewöhnlich fesselnde Mann, der mit strenger Autorität und Macht sein Königreich lenkte und den seine Untertanen allein deshalb bewunderten, weil er so atemberaubend war, hatte eben gesagt …

Nein. Du hast ihn nicht richtig verstanden. Es war unmöglich.

Marwan drückte genau ihre Gedanken aus. „Eure Hoheit?“, sagte er fassungslos.

Der König trat noch einen weiteren Schritt vor. Er war ihr so nahe, dass sie die Wut spürte, die in ihm tobte.

Panisch zuckte Niesha vor dem eleganten Hochzeitskleid zurück. Sie sah sich um und wünschte, Prinzessin Galila wäre immer noch da.

Meistens bemerkte König Zufars Schwester sie kaum, aber ihr freundliches Lächeln war weit besser als der finstere Blick ihres Bruders.

Seltsamerweise war es genau diese Miene, die ihr verriet, dass sie richtig gehört hatte. Er hatte ihren Namen in Verbindung mit der Hochzeit genannt. Seine Hochzeit. Heute.

Wie von selbst berührten ihre Finger das außergewöhnlichste Hochzeitskleid, das sie je gesehen hatte. Vor drei Tagen, als sie abends allein in diesem Zimmer gewesen war, hatte sie sich in einem verrückten Moment der Fantasie hingegeben, selbst dieses Kleid zu tragen, um den Mann ihrer Träume zu heiraten.

Und jetzt verlangte der König, dass sie es …

„Es tut mir leid, Eure Hoheit …“, flüsterte sie, doch seine Stimme brachte sie zum Schweigen.

„Die Zeit drängt“, knurrte er. „Ich würde vorschlagen, dass wir umgehend mit den Vorbereitungen beginnen. Diese Hochzeit wird stattfinden. Und Niesha ist diejenige, die Amiras Platz einnehmen wird“, fügte er mit einer Endgültigkeit hinzu, bei der ihre Kehle sich vor Angst zuschnürte.

Doch sie wusste, dass sie sich zusammennehmen musste, straffte sich und hob den Kopf. Bevor sie etwas sagen konnte, warf Marwan ein: „Eure Hoheit, vielleicht sollten wir das noch einmal besprechen …“

„Sie würden sich des Ungehorsams schuldig machen, wenn Sie meinen Befehl infrage stellen. Das Thema steht nicht zur Debatte. Holen Sie jetzt die Bediensteten, die sich um die Braut kümmern.“

Niesha stieß einen erstickten Laut aus.

„Du wirst nicht in Ohnmacht fallen“, befahl Zufar knapp. „Bringen Sie ihr ein Glas Wasser“, fügte er über die Schulter hinzu.

Sofort wurde ein Kristallglas gebracht, das er ihr überreichte.

Niesha nippte an dem Wasser und schluckte damit auch ein hysterisches Lachen herunter, das in ihr aufgestiegen war. All das passierte nicht. Sie wollte die Zeit um eine Stunde zurückdrehen, als sie noch das unbedeutendste Wesen in diesem Zimmer gewesen war, das sich in nichts von dem schäbigen Waisenkind ohne Vergangenheit unterschied, das sie zwanzig Jahre gewesen war. Ein Kind, das in einem staatlichen Waisenhaus lebte, das den Namen der königlichen Familie trug.

Die gebrauchten Kleider, die sie trug, waren zwei Nummern zu groß. Auch wenn sie von Kopf bis Fuß bedeckt war, hatte sie sich noch nie so nackt gefühlt wie jetzt.

„Trink noch mehr“, ordnete er an.

Obwohl ihre Hände entsetzlich zitterten, schaffte sie es, noch einen Schluck zu trinken, ohne etwas zu verschütten. Sofort nahm er ihr das Glas ab. Immer noch benommen sah Niesha, wie es weggebracht wurde.

Im nächsten Moment traten die Bediensteten ein, die ihr helfen würden.

Zufar bedeutete Halimah, die die oberste Dienerin im Frauenflügel war und Niesha bisher kaum geduldet hatte, näher zu treten. „Ich setzte keine Loyalität voraus, aber ich fordere Diskretion in dieser Angelegenheit.“

„Selbstverständlich, Eure Hoheit“, antwortete Halimah.

Zufar nickte. „Meine neue Braut ist erwählt worden. Du wirst sicherstellen, dass Niesha rechtzeitig fertig ist. Ist das klar?“

Mit großen Augen sah Halimah ihren König an.

„Gibt es ein Problem?“, fragte er.

Sofort senkte sie den Kopf. „Nein, Eure Hoheit.“

„Du wirst sie anziehen und in einer Stunde zur königlichen Parade in die Große Halle bringen.“ Sein unbarmherziger Ton duldete keinen Widerspruch.

Nein, das konnte nicht sein. Sie war die Kammerzofe. Eine Waise ohne Vergangenheit. Ein Niemand. Sie war es nicht einmal wert, Amiras abgelegte Kleidung zu tragen, geschweige denn ihr Hochzeitskleid.

„Bitte“, begann Niesha, doch das Wort kam nur als ein Krächzen heraus. Sie räusperte sich und versuchte es erneut. „Eure Hoheit, ich bitte um Vergebung, aber ich kann nicht.“

Sein finsterer Blick traf sie bis ins Innerste. „Doch, du kannst. Außer du ziehst es vor, die Konsequenzen zu tragen, weil du deinem König ungehorsam bist.“

Niesha ballte ihre Hand zur Faust und legte sie auf ihr hämmerndes Herz, um es zu beruhigen, bevor es ihr aus der Brust springen würde. Vor langer Zeit hatte sie ihm und seiner Familie die Treue geschworen. Es war eine der Bedingungen gewesen, im Palast leben zu dürfen, und sie hatte es bereitwillig getan.

Auf ihre eigene Art hatte sie sich um sein Wohlergehen gekümmert, indem sie sicherstellte, dass das Essen, das sie ihm in seinem Speisezimmer servierte, die richtige Temperatur hatte, dass sein Lieblingswein bereitstand, wenn er nach einem langen Tag außerhalb des Palastes in seine königlichen Gemächer zurückkehrte.

Einmal hatte sie sogar selbst eine Flasche von ihren mageren Ersparnissen gekauft, als sich die Lieferung zum Palast verspätet hatte.

Und als sein Reinigungspersonal erkältet war, hatte sie sich freiwillig für diese Arbeit angeboten. Bis heute erinnerte sie sich an den Duft seiner Laken und des einzigartigen Rasierwassers, das er trug.

Diese kleinen, unbedeutenden aber intensiven Momente ließen sie noch Wochen später erröten, wenn sie sich daran erinnerte.

Ja, wie jeder andere in diesem Raum würde sie alles für Scheich Zufar al Khalia tun.

Aber nicht das.

„Bei allem Respekt, Eure Hoheit, aber Sie wollen mich doch nicht. Ich bin ein Niemand. Es … es gibt andere, die weit passender für diese Rolle sind. Sie machen einen Fehler.“ Sie war froh, dass ihre Stimme ein wenig fester klang als vorher.

Doch was sie weniger freute, war, dass einige entsetzt nach Luft schnappten und er sie noch unfreundlicher ansah.

„Ich habe meine Entscheidung getroffen. Meine Wahl ist auf dich gefallen. Und, hast du noch andere Einwände?“, fragte er gedehnt.

Seine Frage erstaunte sie. Hieß das, er würde zuhören, wenn sie widersprach? Was könnte sie noch vorbringen, außer dem König zu sagen, dass er völlig verrückt geworden war? Allein bei dem Gedanken wurde sie aschfahl.

„Deinem Schweigen nach zu urteilen, nehme ich an, dass du keine mehr hast.“

„Bitte, Sie müssen es sich noch einmal überlegen“, war alles, was sie herausbrachte.

„Diese Diskussion ist beendet“, erklärte er. „Aber du kannst sicher sein, dass du für deine Rolle entsprechend entschädigt wirst.“

Damit wandte er sich ab.

Niesha wusste, dass der Anflug von Erleichterung, den sie empfand, als er sich zurückzog, unangebracht war. Seit sie gesehen hatte, wie Amira mit diesem Barbaren aus dem Fenster geklettert war, war sie zutiefst aufgewühlt.

Sie hatte wertvolle Minuten verloren, weil sie wie erstarrt gewesen war und ihren Augen nicht hatte trauen wollen. Erst als sie aus ihrer Schockstarre erwachte, hatte sie Alarm geschlagen.

Sie hätte mehr tun sollen, um die beiden aufzuhalten. Oder schneller Alarm schlagen, wie Zufar gesagt hatte.

Das hier war ihre Bestrafung, weil sie nicht schnell genug gehandelt hatte. Denn sonst würde all dies nicht passieren.

Süßer Himmel, ihn zu heiraten? Das war reine Verrücktheit.

Zögernd machte sie einen Schritt auf ihn zu, während er gerade knappe Anweisungen erteilte. „Eure Hoheit, bitte, könnten wir noch einmal darüber reden?“, fragte sie vorsichtig.

„Wir haben keine Zeit für eine Diskussion“, erklärte er. „Dies ist ein Notfall, der eine vorübergehende Lösung erfordert. Alles Weitere wird später besprochen.“ Er fuhr fort, Anweisungen zu geben.

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