Die schönsten Liebesromane von Margaret Way

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Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, war Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Die gebürtige Australierin liebte ihre Heimat und vor allem das australische Outback übte dank seiner atemberaubenden Schönheit und fast unendlicher Weite schon immer eine große Faszination auf sie aus.

Anlässlich ihres Todes vereint dieses eBundle ihr schönsten Liebesromane:
- Herrin auf Kimbara
- Australische Romanze
- Plantage der Sehnsucht
- Nach sieben langen Jahren
- Intrige auf Paradise Cove


  • Erscheinungstag 03.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521185
  • Seitenanzahl 800
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Herrin auf Kimbara erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2000 by Margaret Way, PTY, LTD.
Originaltitel: „A Wife at Kimbara“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1368 - 2001 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Umschlagsmotive: HTeam / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733779139

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Brod betrat den Flur der alten Heimstätte, in dem es im Gegensatz zu draußen, wo die Sonne brannte, angenehm schummrig war. Er war verschwitzt und sein Hemd mit Staub- und Grasflecken übersät. Er und seine Männer waren seit dem Morgengrauen auf, weil sie wegen der Trockenheit eine Herde von Egret Creek nach Three Moons, einer Reihe von Wasserlöchern in einigen Meilen Entfernung, hatten treiben müssen.

Da die Tiere besonders störrisch gewesen waren und einige von ihnen ständig versucht hatten, sich von der Herde abzusetzen, war es eine elende Schinderei gewesen.

Jetzt konnte er ein ausgiebiges Bad gebrauchen, doch dafür hatte er keine Zeit, weil es wie immer viel zu tun gab. Heute Nachmittag gegen drei würde der Tierarzt einfliegen, um einen weiteren Teil der Herde zu begutachten. Also blieb ihm gerade noch genug Zeit, um ein Sandwich zu essen und eine Tasse Tee zu trinken und zu der Koppel unter den Gummibäumen zurückzukehren.

Nun fiel sein Blick auf die Post auf der Pinienbank, die als Ablage diente. Das hier ist eben nicht Kimbara, dachte Brod mit einem Anflug von Galgenhumor.

Sein Vater residierte auf Kimbara, der prachtvollen alten Heimstätte seiner Jugend. Stewart Kinross. Herr der Wüste. Er überließ es seinem einzigen Sohn, sich um die Herde zu kümmern und sich zu Tode zu schuften, während er den ganzen Ruhm einheimste. Allerdings wussten nicht viele Leute davon. Und mir macht es auch nichts aus, dachte Brod, während er seinen schwarzen Akubra auf den Haken an der Wand warf. Sein Tag würde noch kommen. Er und Ally besaßen einen beträchtlichen Anteil an den diversen Unternehmen der Familie, von denen Kimbara, das Flaggschiff ihrer Rinderfarmen, das Prunkstück war.

Dafür hatte ihr berühmter Großvater schon gesorgt, denn er hatte seinen Sohn Stewart gekannt. Andrew Kinross weilte nun schon lange nicht mehr unter ihnen, und er, Brod, lebte seit fünf Jahren fast wie ein Ausgestoßener auf Marlu – seit Ally nach Sydney zurückgekehrt war, nachdem ihre leidenschaftliche Romanze mit Rafe Cameron geendet hatte.

Damals hatte Alison gesagt, sie wollte ihr Glück als Schauspielerin versuchen, wie ihre berühmte Tante Fee, die mit achtzehn von zu Hause weggegangen war, um in London Karriere auf der Bühne zu machen. Und sie hatte es tatsächlich geschafft, obwohl sie ein ausschweifendes Liebesleben geführt hatte. Jetzt lebte sie wieder auf Kimbara und schrieb an ihren Memoiren.

Fee war eine echte Persönlichkeit, zu berühmt, um als das schwarze Schaf der Familie zu gelten, doch sie hatte zwei gescheiterte Ehen hinter sich. Aus einer dieser Ehen hatte sie eine Tochter, Lady Francesca de Lyle, eine echte englische Schönheit. Sie war seine und Allys Cousine und, soweit sie sie kannten, ebenso nett wie schön.

Jetzt erzählte Fee ihre Lebensgeschichte einer gewissen Rebecca Hunt, einer jungen, preisgekrönten Journalistin aus Sydney, die bereits die Biografie einer bekannten australischen Diva verfasst hatte, und das mit großem Erfolg.

Allein der Gedanke an Rebecca entzündete eine gefährliche Flamme in ihm. So viel Macht hat also das Äußere einer Frau, dachte Brod verächtlich, denn er traute ihr nicht über den Weg. Sie hatte seidiges schwarzes Haar, ein zartes, ebenmäßiges Gesicht und einen verführerischen Mund. Sie war viel zu perfekt für ihn. Er lachte unwillkürlich, und das Sonnenlicht, das in den Flur fiel, ließ sein attraktives Gesicht viel härter erscheinen. Ja, Miss Hunt war in Wirklichkeit nur eine von vielen sehr ehrgeizigen Frauen.

Es war nicht sein Vater, der sie faszinierte. Sein Vater war zwar attraktiv, denn er sah wesentlich jünger aus als fünfundfünfzig, war selbstsicher, kultiviert und schwerreich. Nein, es war die wilde Schönheit von Kimbara, die Miss Hunt interessierte. Ein Blick in ihre hinreißenden grauen Augen, und er, Brod, hatte sofort gewusst, dass sie ihre vielversprechende Karriere sofort sausen lassen würde, um Herrin von Kimbara zu werden. Sie konnte alles haben, solange sein Vater noch lebte. Danach war er, Brod, an der Reihe.

Traditionsgemäß wurde Kimbara, der alte Sitz der Familie, immer vom Vater an seinen erstgeborenen Sohn vererbt. Und keiner der Söhne hatte je zugunsten eines Bruders darauf verzichtet. Nur Andrew Kinross war nicht der Erstgeborene gewesen, doch im Gegensatz zu ihm hatte sein älterer Bruder James den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt.

Brod schüttelte traurig den Kopf, nahm die Post von der Bank und sah sie durch. Sie war an diesem Tag eingeflogen worden, und Wally hatte sie hergebracht. Wally war Halbaborigine und ehemaliger Farmarbeiter, doch nach einem schweren Beinbruch bei einem Sturz vom Pferd kümmerte er sich nun um die alltäglichen Dinge wie die Post und den Gemüsegarten. Außerdem war er mittlerweile ein passabler Koch.

Nur ein Brief fiel Brod ins Auge, und irgendwie hatte er damit gerechnet. Er riss den Umschlag auf und lächelte grimmig, als er den Inhalt las. Warum hätte sein Vater sich auch direkt mit ihm in Verbindung setzen sollen? Kein „Lieber Brod“, keine Frage, wie es ihm ging. Sein Vater lud zu einem Polowochenende am Monatsende, also in zehn Tagen, ein, mit dem er Miss Hunt beeindrucken wollte. Die Spiele begannen am Samstagmorgen und endeten am Nachmittag, und abends fand im großen Ballsaal ein Galaball statt.

Sein Vater würde natürlich das Team anführen, das aus den besten Spielern bestand. Er, Brod, durfte das andere Team anführen. Sein Vater sah es überhaupt nicht gern, dass sein Sohn so verdammt gut war, auch wenn er ein bisschen wild war. Eigentlich betrachtete er ihn überhaupt nicht als seinen Sohn, sondern sah vielmehr einen Rivalen in ihm, seit er erwachsen war. Es war alles so absurd. Kein Wunder, dass Ally und er, Brod, bleibende Narben zurückbehalten hatten. Aber sie hatten sich beide damit auseinandergesetzt.

Ihre Mutter war weggelaufen, als er neun und Ally vier gewesen war. Wie hatte sie ihnen das antun können? Nicht dass er und Ally es mit der Zeit nicht verstanden hatten. Mit seinen Launen, seiner unerträglichen Arroganz, seiner Gefühlskälte und seiner scharfen Zunge hatte ihr Vater sie wohl dazu getrieben. Vielleicht hätte sie tatsächlich um das Sorgerecht für sie gekämpft, wie sie angekündigt hatte, doch weniger als ein Jahr später war sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er, Brod, erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem sein Vater ihn in sein Arbeitszimmer gerufen hatte, um ihm von dem Unfall zu erzählen.

„Niemand kommt von mir los“, hatte Stewart Kinross kalt lächelnd erklärt.

Verzweifelt schüttelte Brod den Kopf. Wenigstens hatten er und Ally Grandfather Kinross gehabt. Zumindest eine Zeit lang. Er war der beste Mensch gewesen, den sie kannten.

„Du hast das Herz und den Kampfgeist deines Großvaters“, hatte Sir Jock McTavish, einer der engsten Freunde seines Großvaters, einmal zu ihm gesagt. „Ich weiß, dass du in seine Fußstapfen treten wirst.“

Jock McTavish hatte eine gute Menschenkenntnis. Bei den vielen Auseinandersetzungen mit seinem Vater hatte er, Brod, versucht, an Sir Jocks Worte zu denken. Es war nicht einfach gewesen, denn sein Vater hatte immer versucht, ihn zu zermürben.

Brod seufzte und schob den Brief in die Tasche seiner Jeans. Er hatte keine Lust, die weite Reise nach Kimbara zu machen, das im Channel Country, dem Land der Kanäle, im äußersten Südwesten von Queensland lag. Außerdem war er viel zu beschäftigt. Wenn er hinfuhr, musste er fliegen. Und da sein Vater ihm nicht angeboten hatte, ihn mit der Beech Baron abholen zu lassen, würde er wie sonst auch die Camerons anrufen müssen.

Er war mit Rafe und Grant Cameron aufgewachsen. Die Geschichte der Familien Kinross und Cameron war die Geschichte des Outback. Es waren ihre schottischen Vorfahren gewesen, selbst dicke Freunde von Kindesbeinen an, die sich damals hier niedergelassen und sich zu Viehbaronen emporgearbeitet hatten.

Plötzlich war Brod frustriert. Er erinnerte sich noch genau daran, als Ally zu ihm gekommen war und ihm gesagt hatte, sie könnte Rafe nicht heiraten und würde weggehen, um zu sich selbst zu finden.

„Aber du liebst ihn, verdammt!“, hatte er ungläubig eingewandt. „Und er ist ganz verrückt nach dir.“

„Ich liebe ihn über alles“, erwiderte sie und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Aber du weißt nicht, wie das ist, Brod. Alle Mädchen verlieben sich in dich, doch du empfindest nichts für sie. Und Rafe erdrückt mich mit seiner Liebe.“

„Er ist also stark? Er ist ganz anders als unser Vater, falls du dir darüber Sorgen machst. Er ist ein prima Kerl. Was ist in dich gefahren, Ally? Rafe ist mein bester Freund. Unsere Familien stehen sich sehr nahe, und wir dachten, deine Ehe mit Rafe würde sie endgültig miteinander verbinden. Selbst unser Vater denkt, es wäre eine gute Partie.“

„Ich kann ihn nicht heiraten“, beharrte Ally. „Noch nicht. Ich muss erst einmal eine Menge über mich selbst lernen. Es tut mir schrecklich leid, dich enttäuschen zu müssen. Vater wird außer sich sein.“ Bei der Vorstellung wurden ihre schönen grünen Augen dunkler.

Daraufhin nahm er sie in die Arme. „Du könntest mich niemals enttäuschen, Ally. Dafür liebe und respektiere ich dich zu sehr. Vielleicht liegt es daran, dass du noch so jung bist. Nicht mal zwanzig. Du hast das ganze Leben noch vor dir. Geh mit Gott, aber geh zu Rafe zurück.“

„Wenn er mich dann noch haben will.“ Unter Tränen hatte sie gelächelt.

Doch das war nicht passiert. Rafe hatte nie wirklich etwas für eine andere Frau empfunden, aber seitdem sprach er nicht mehr über Alison und ließ sich auch nicht anmerken, wie tief sie ihn verletzt hatte.

Starr blickte Brod durch die offene Tür. Nach fünf Jahren war Ally noch immer nicht nach Hause zurückgekehrt. Sie musste das Schauspieltalent von Fee geerbt haben, denn sie hatte gerade einen Logie als beste Schauspielerin für die Rolle einer jungen Ärztin in einer Kleinstadt in einer Fernsehserie bekommen. Sie war wegen ihrer Schönheit und ihres Charmes sehr beliebt, und er bewunderte sie sehr, vermisste sie jedoch schmerzlich.

Was in Rafe vorging, wusste er nicht. Rafe und Grant standen sich ebenfalls sehr nahe, und daher hatte Grant vermutlich auch unter den damaligen Ereignissen gelitten. Beide Brüder waren hervorragende Spieler und würden sicher auch an dem Poloturnier teilnehmen. Ihm waren sie allerdings nicht gewachsen.

Er liebte die Herausforderung und die Gefahr und würde die beiden wohl ohne Probleme davon überzeugen können, in seinem Team mitzuspielen.

Opal Plains, die Farm der Camerons, grenzte an der nordnordöstlichen Grenze an Kimbara. Grant hatte einen Hubschrauber-Flugdienst, während Rafe die Ranch leitete. In der Presse wurden sie drei als „Aristokraten des Outback“ bezeichnet, doch sie hatten alle schwere Schicksalsschläge erleiden müssen.

Nein, selbst wenn er mit den beiden fliegen könnte, hatte er keine Lust, seinem Vater oder Rebecca zu begegnen. Wenn er ehrlich zu sich war, musste er sich eingestehen, dass er es nicht ertrug, die beiden zusammen zu sehen. So aufmerksam, wie sein Vater ihr gegenüber war, war er seiner Tochter oder gar seiner Frau gegenüber nie gewesen.

Stewart Kinross war so reich und mächtig, dass er sich für unbesiegbar hielt. Und er war sich seiner männlichen Ausstrahlung so sicher, dass er glaubte, auch auf Frauen anziehend zu wirken, die nur halb so alt waren wie er. Und wenn es nicht so verdammt wahrscheinlich gewesen wäre, hätte er, Brod, darüber lachen können.

Ich muss mehr über Miss Rebecca Hunt in Erfahrung bringen, beschloss er. Sie war auffallend zugeknöpft, was ihre Vergangenheit betraf, doch von der Kurzbiografie in ihrem neusten Buch wusste er, dass sie 1973 in Sydney geboren worden war, also siebenundzwanzig war und damit drei Jahre jünger als er.

Mit vierundzwanzig war sie als Nachwuchsjournalistin des Jahres ausgezeichnet worden. Sie hatte für die Australian Broadcasting Corporation, SBS und Channel 9 gearbeitet, außerdem zwei Jahre bei der englischen Presse. Und sie hatte ein Buch mit Interviews mit Prominenten veröffentlicht sowie jene Biografie über die Diva.

Über ihr Privatleben erfuhr man jedoch nichts. Allerdings war die Frau, die sich hinter der kühlen Fassade verbarg, so faszinierend, dass Rebecca zumindest einige flüchtige Affären gehabt haben musste. Wenn sie ungebunden war, dann aus freien Stücken. Wartete sie noch auf den Richtigen? Einen charmanten, klugen, reichen und mächtigen Mann?

Die meisten Menschen schrieben Stewart Kinross all diese Eigenschaften zu, denn seine schlechten Eigenschaften traten für andere nur gelegentlich zu Tage. Allerdings musste er, Brod, zugeben, dass sein Vater überaus charmant sein konnte, wenn er wollte. Und wenn Rebecca ihn heiratete, würde sie mehr bekommen, als sie erwartete, diese intrigante kleine Hexe! Beinahe verspürte er Mitleid mit ihr.

Plötzlich wurde ihm klar, dass er doch sehr gern nach Kimbara fliegen würde.

2. KAPITEL

Rebecca stand auf dem oberen Balkon und blickte auf den herrlichen Garten von Kimbara, als Stewart Kinross sie doch aufspürte.

„Ah, da sind Sie ja, meine Liebe.“ Er lächelte nachsichtig, als er sich zu ihr an die Balustrade gesellte. „Ich habe Neuigkeiten für Sie.“

Sie drehte sich zu ihm um. „Dann lassen Sie mal hören!“, erwiderte sie betont fröhlich, denn die Vorstellung, dass er ein Auge auf sie geworfen haben könnte, war ihr äußerst unangenehm. Stewart Kinross war zwar reich, weltgewandt und charmant, doch er hätte ihr Vater sein können, und sie war ohnehin nicht an einer Beziehung interessiert, auch nicht mit einem Mann in ihrem Alter. Stewart Kinross betrachtete sie jedoch entzückt aus graugrünen Augen.

„Ich habe Ihnen zuliebe eines meiner berühmten Polowochenenden anberaumt.“ Ihm wurde bewusst, dass er sich in ihrer Gegenwart von Tag zu Tag jünger fühlte. „Nach dem Turnier findet am Samstagabend ein Galaball statt, und am Sonntag gibt es einen großen Brunch. Danach kehren die Gäste nach Hause zurück. Die meisten fliegen, einige fahren mit dem Wagen.“

„Das klingt aufregend.“ Rebecca versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie beunruhigt sie war. „Ich war noch nie bei einem Poloturnier.“

„Warum veranstalte ich es wohl ausgerechnet an diesem Wochenende?“ Er verzog den Mund unter dem vollen, akkurat gestutzten Schnurrbart. „Ich habe gehört, wie Sie es Fee gesagt haben.“

Trotz seines Charmes war Stewart Kinross ein Mann, der bekam, was er wollte. Es würde in einer Katastrophe enden, wenn er etwas von ihr wollte, das sie ihm nicht geben konnte. „Sie sind sehr nett zu mir, Stewart“, brachte sie hervor. „Sie und Fiona.“

„Zu Ihnen muss man einfach nett sein, meine Liebe.“ Vergeblich bemühte er sich um einen neutralen Tonfall. „Und Sie machen Fee sehr glücklich mit Ihrer Arbeit.“

„Fees Geschichte ist ja auch faszinierend.“ Sie wandte sich halb ab und lehnte sich an das schmiedeeiserne Geländer.

„Fee hat ein bewegtes Leben geführt“, bestätigte er trocken. „Sie ist die geborene Schauspielerin, genau wie meine Tochter Alison.“

Seine Stimme klang erstaunlich kühl.

„Ja, ich habe sie oft im Fernsehen gesehen“, erwiderte Rebecca bewundernd. „Sie verkörpert die Landärztin so glaubhaft, dass ich sie gern mal kennenlernen würde.“

„Ich glaube nicht, dass Sie Alison hier je begegnen würden.“ Er seufzte bedauernd. „Sie kommt selten hierher, und manchmal denke ich, sie tut es nur wegen Brod, weil sie mich fast vergessen hat.“

Mitfühlend blickte sie ihn an. „Ich bin sicher, dass sie Sie vermisst. Wahrscheinlich hat sie kaum Freizeit.“

„Alison ist im Outback aufgewachsen, hier auf Kimbara, das ein Vermögen wert ist. Sie bräuchte überhaupt nicht zu arbeiten.“

„Sie sprechen ihr doch nicht etwa das Recht auf einen eigenen Beruf ab?“, fragte Rebecca erschrocken.

„Natürlich nicht“, beschwichtigte er sie. „Aber Alison hat einige Menschen unglücklich gemacht, als sie weggegangen ist – vor allem den Mann, der sie geliebt und ihr vertraut hat. Rafe Cameron.“

„Ah, die Camerons. Ich habe auch ihre Familiengeschichte recherchiert. Zwei große Pionierfamilien. Legenden des Outback.“

„Unsere Familien haben sich immer sehr nahe gestanden, und ich habe mir so gewünscht, dass Alison Rafe heiratet. Aber sie hat sich genau wie Fee für eine Schauspielkarriere entschieden. Ich erzähle Ihnen das, weil Sie Rafe nämlich beim Poloturnier begegnen werden. Es findet übernächstes Wochenende statt.

Rafe wird niemals verzeihen oder vergessen, was Alison ihm angetan hat, und ich kann es ihm nicht verdenken. Er ist Brods bester Freund und übt, glaube ich, einen positiven Einfluss auf ihn aus. Brod ist ein Rebell, wie Sie bestimmt gemerkt haben. Das war er schon immer. Es ist schade, denn es hat deswegen immer Spannungen zwischen uns gegeben.“

„Das ist schade“, sagte sie. „Kommt er auch?“

„Ich habe ihn jedenfalls eingeladen.“ Stewart Kinross wandte den Blick ab. „Wir brauchen ihn, weil er die gegnerische Mannschaft anführen muss. Ich möchte unbedingt, dass alles glatt läuft, denn Sie sollen Ihren Aufenthalt hier genießen.“

„Es ist wundervoll, hier zu sein, Stewart.“ Als sie den Ausdruck in seinen Augen sah, sank ihr Mut.

„Was halten Sie von einem Ausritt heute Nachmittag?“ Stewart umfasste ihren Arm und führte sie ins Haus.

„Das wäre sehr schön“, antwortete Rebecca angemessen bedauernd, „aber Fiona und ich müssen an dem Buch weiterarbeiten.“

Er neigte den Kopf. „Sie können mir keinen Korb geben, meine Liebe. Ich werde mit Fee sprechen, und dann holen wir die Pferde. Ich möchte, dass Sie Ihren Aufenthalt hier teils als Arbeit, teils als Urlaub betrachten.“

„Danke, Stewart“, erwiderte sie leise. Einerseits fühlte sie sich in der Falle, andererseits hatte sie den Eindruck, dass sie undankbar war. Schließlich war Stewart Kinross der netteste und aufmerksamste Gastgeber, den man sich denken konnte. Vielleicht war sie aufgrund ihrer früheren Erfahrungen ein wenig paranoid.

Am frühen Abend rief Broderick Kinross an. Da sie in dem Moment gerade durch die Eingangshalle ging, nahm Rebecca ab.

„Kinross Farm.“

Der Anrufer schwieg zunächst. Schließlich sagte eine Männerstimme, die so markant war, dass Rebecca erschrak: „Miss Hunt, nehme ich an.“

„Richtig.“ Sie war stolz darauf, dass sie so ruhig sprach.

„Hier ist Brod Kinross.“

Als hätte sie das nicht gewusst! „Wie geht es Ihnen, Mr. Kinross?“

„Prima, und es tut gut, Ihre Stimme zu hören.“

„Sicher möchten Sie mit Ihrem Vater sprechen“, erklärte sie schnell, da ihr sein scharfer Unterton nicht entgangen war.

„Wahrscheinlich nimmt er gerade seinen allabendlichen Drink vor dem Essen“, erwiderte er langsam. „Nein, stören Sie ihn nicht, Miss Hunt. Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich zum Polowochenende nach Kimbara komme? Grant Cameron nimmt mich mit, falls mein Vater beschließen sollte, mich mit der Beech abholen zu lassen. Dad hängt sehr an mir, wissen Sie.“

Sarkasmus, kein Zweifel. „Ich werde es ihm ausrichten, Mr. Kinross.“

„Ich schätze, Sie werden bald Brod zu mir sagen können.“ Wieder dieser spöttische Unterton.

„Meine Freunde nennen mich Rebecca“, erwiderte Rebecca schließlich.

„Der Name passt zu Ihnen.“

„Warum sind Sie so ironisch?“, fragte sie direkt.

„Sehr gut, Miss Hunt“, meinte Broderick Kinross beifällig. „Die Zwischentöne entgehen Ihnen nicht.“

„Sagen wir, Warnsignale entgehen mir nicht.“

„Sind Sie sicher?“, erkundigte er sich genauso kühl.

„Sie müssen mir nicht sagen, dass Sie mich nicht mögen.“ Nach ihrer ersten Begegnung konnte er das kaum leugnen.

„Warum sollte ich Sie nicht mögen?“, fragte er und legte dann auf.

Rebecca atmete langsam aus, bevor sie ebenfalls einhängte. Ihre erste und bisher einzige Begegnung war kurz, aber beunruhigend gewesen. Sie erinnerte sich noch genau daran. Es war Ende letzten Monats, also vor etwa vier Wochen gewesen, und er war unerwartet auf Kimbara eingetroffen …

Da Fee leichte Kopfschmerzen gehabt hatte, hatten sie eine Pause eingelegt. Rebecca setzte ihren großen Strohhut auf und ging nach draußen, denn sie nutzte jede Gelegenheit, um Kimbara zu erkunden. Es war wunderschön mit den bizarren Bäumen, den Büschen und Felsen und den roten Dünen an der südsüdwestlichen Grenze. Es war wirklich eine andere Welt, denn die Entfernungen waren gewaltig, das Licht gleißend und die Farben wegen der intensiven Sonneneinstrahlung viel intensiver als anderswo. Sie liebte die Erdtöne und die tiefen Blau- und Violetttöne, die einen reizvollen Kontrast dazu bildeten.

Stewart hatte ihr einen Ausflug in die Wüste versprochen, wenn die schlimmste Hitze vorüber war, und darauf freute Rebecca sich sehr, denn dann würde sie die wilden Blumen blühen sehen. Es hatte seit Monaten nicht mehr geregnet, doch Stewart hatte ihr seine Fotos gezeigt, auf denen Kimbara von Blütenteppichen überzogen war. Dabei hatte er ihr erklärt, dass es nicht einmal in der Gegend regnen musste, damit die Wüste blühte. Sobald es im tropischen Norden zu regnen anfing, würden die Flüsse anschwellen und die Tausende von Quadratmeilen im Channel Country bewässern. Es war so ein faszinierendes Land und so ein faszinierendes Leben.

Sie hatte gerade die Ställe erreicht, in denen einige wunderschöne Pferde standen, als sie wütende Stimmen hörte. Männerstimmen, die sich ähnelten.

„Ich bin nicht hier, um Anweisungen von dir entgegenzunehmen“, sagte Stewart Kinross schroff.

„Doch, das wirst du, es sei denn, du willst das ganze Projekt vermasseln“, erwiderte die andere, jüngere Stimme. „Nicht jedem gefällt deine Vorgehensweise, Dad. Jack Knowles zum Beispiel, und wir brauchen Jack, wenn dieses Projekt Erfolg haben soll.“

„Das hast du im Gefühl, stimmt’s?“, fragte Stewart Kinross so höhnisch, dass Rebecca zusammenzuckte.

„Dir könnte es jedenfalls nicht schaden“, erwiderte sein Sohn scharf.

„Halt mir keine Vorträge“, brauste Stewart Kinross auf. „Dein Tag ist noch nicht gekommen, vergiss das ja nicht.“

„Wie sollte ich das vergessen“, konterte sein Sohn. „Ein Streit ist die größte Belohnung, die ich je bekomme. Aber es ist mir egal, verdammt! Ich mache die meiste Arbeit, während du rumsitzt und die Früchte genießt.“

Daraufhin verlor Stewart Kinross die Beherrschung, und Rebecca wandte sich entsetzt ab. Sie hatte gehört, dass die beiden sich nicht besonders nahe standen, aber dass die Kluft so tief war, hätte sie nicht für möglich gehalten. Sie wusste auch, dass Broderick Kinross erst dreißig war und das Kinross-Imperium von Marlu aus leitete. Und seine Worte hatten das bestätigt. Es war alles sehr verwirrend. Selbst als Außenstehende hatte sie die Feindseligkeit zwischen den beiden gespürt. Und sie hatte Stewart Kinross von einer ganz anderen Seite erlebt. Fee hatte ihr erzählt, ihr Neffe und ihre Nichte wären wunderbare Menschen. Nicht dass Fee viel Kontakt zu ihnen gehabt hätte. Doch sie sprach sehr liebevoll von ihnen.

Zum ersten Mal fiel Rebecca auf, wie wenig Fee über ihren einzigen Bruder sprach, obwohl sie sonst so redselig war. Sie, Rebecca, war entsetzt über seinen hasserfüllten Tonfall, zumal sie angenommen hatte, Stewart Kinross wäre sehr stolz auf seinen Sohn.

Verstört ging sie weg, da sie den beiden Männern auf keinen Fall begegnen wollte. Doch offenbar waren sie in ihre Richtung gegangen, denn kurz darauf hörte sie Stewart Kinross ihren Namen rufen.

Als sie sich umdrehte, sah sie die beiden Männer aus den Ställen kommen.

„Stewart!“ Trotz des Strohhuts musste sie ihre Augen mit der Hand beschatten, weil die Sonne so blendete.

Zuerst sah sie nur die Umrisse der beiden. Beide waren sehr groß, fast einen Meter neunzig, der eine sehr kräftig, der andere jungenhaft schlank, und beide trugen den obligatorischen Akubra. Der jüngere hatte einen beeindruckenden Gang, wie ein Schauspieler.

Ihre Augen tränten, und Rebecca fragte sich, warum sie ihre Sonnenbrille nicht mitgenommen hatte.

Schließlich standen Stewart Kinross und Broderick Kinross, der Erbe des Kinross-Imperiums, vor ihr.

Sie wusste nicht, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Auf jeden Fall attraktiv, aber nicht in dem Maße. Er sah einfach umwerfend aus, und seine blauen Augen funkelten so lebhaft, dass sie sich der Wirkung nicht entziehen konnte.

„Rebecca, darf ich Ihnen meinen Sohn Broderick vorstellen?“ Stewart Kinross blickte auf sie herunter, und sein Tonfall verriet, dass er ihr seinen Sohn lieber nicht vorgestellt hätte. „Er ist hier, um mir einen Zwischenbericht zu geben.“ Etwas forscher fuhr er fort: „Brod, das ist die junge Frau, die Fees Biografie schreibt, wie du sicher gehört hast. Rebecca Hunt.“

Verwirrt über die Gefühle, die sie durchfluteten, reichte Rebecca Broderick Kinross die Hand. Ihr wurde plötzlich ganz heiß, was erstaunlich war, denn normalerweise fiel es ihr nicht schwer, sich kühl zu geben.

„Guten Tag, Miss Hunt.“ Obwohl er sehr höflich war, spürte sie sein Entsetzen und seine Feindseligkeit. „Als ich das letzte Mal mit Fee gesprochen habe, hat sie mir erzählt, wie zufrieden sie mit Ihrer Arbeit ist. Offenbar vertraut sie Ihnen.“

„Ich bin sehr dankbar, dass sie überhaupt an mich gedacht hat, denn ich bin nicht gerade bekannt.“

„Nicht so bescheiden, meine Liebe“, sagte Stewart Kinross schmeichelnd und legte ihr besitzergreifend den Arm um die Schultern, was er noch nie getan hatte. „Ich habe Ihre Biografie mit großem Vergnügen gelesen.“ Sanft drehte er sie zu sich. „Sie sollten in der Hitze nicht draußen herumlaufen, denn Sie könnten sich trotz des Hutes Ihre schöne Haut verbrennen.“

Warum umarmst du sie nicht gleich, dachte Brod mit einem Anflug von Galgenhumor.

Dass es ihm noch einmal vergönnt sein würde, Bewunderung in den Augen seines Vaters zu sehen, hätte er nie für möglich gehalten, aber das hier kam dem ziemlich nahe. Fee hatte ihm einmal anvertraut, dass sein Vater von Rebecca ganz begeistert wäre. Aber er war wohl vielmehr vernarrt in sie.

Allerdings musste Brod sich eingestehen, dass er auch schwer beeindruckt war, obwohl er nicht gerade wenige Freundinnen gehabt hatte.

Eigentlich war Rebecca gar nicht sein Typ. Sie hatte eine gute Figur, war aber klein – höchstens einssechzig – und zerbrechlich. Sie hatte große graue Augen, seidiges, fast schwarzes Haar, das ihr beinahe bis zu den Schultern reichte, und zarte, helle Haut. Alle jungen Frauen, die er kannte, waren groß und athletisch, tief gebräunt und trugen keine ebenso schönen wie albernen Strohhüte. Miss Rebecca Hunt war keine wilde Blume. Sie war wie eine exotische Orchidee. Eine Vision kühler Schönheit.

Sein Vater wandte sich ihm zu. „Ich schätze, für heute sind wir fertig, Brod.“

Brod riss sich für einen Moment von Miss Hunts Anblick los. „Bitte, Dad, lass mich eine Pause machen. Ich kann nicht gehen, ohne mit Fee gesprochen zu haben.“

Es klang ironisch, doch Rebecca merkte, dass er nicht die Absicht hatte zu gehen.

„Na, dann komm mit“, erwiderte Stewart Kinross höflich, doch seine Augen funkelten vielsagend. „Mrs. Matthews …“ Damit meinte er die Haushälterin, die schon lange auf Kimbara tätig war. „… wird dir sicher Tee machen.“

„Und, hatten Sie schon genug Zeit, um sich eine Meinung über unsere Welt zu bilden, Miss Hunt?“, fragte Brod. Mit der zierlichen Miss Hunt in der Mitte gingen sie aufs Haus zu, und er war froh, dass sein Vater den Arm von ihren Schultern genommen hatte. Womöglich hätte er sonst nachgeholfen.

„Sie gefällt mir sehr.“ Ihre Stimme war bezaubernd, und es klang ehrlich. „Es ist vielleicht seltsam, aber ich kenne mein eigenes Land nicht so gut wie einige andere Länder.“

„Australien ist eben sehr groß“, bemerkte er trocken und machte eine ausholende Geste. „Und Ihre Studienzeit liegt sicher noch nicht so lange zurück.“ Er blickte vielsagend auf sie herunter.

„Ich bin siebenundzwanzig.“ Sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick.

„Mit dem Hut sehen Sie wie siebzehn aus“, sagte Stewart Kinross.

„Scarlett O’Hara“, bemerkte Broderick Kinross leise, doch es klang nicht besonders beeindruckt. „Und Sie sind vorher noch nie im Outback gewesen?“

„Wie ich bereits sagte, nein. Beruflich war ich meistens an Sydney gebunden. Ich habe zwei wundervolle Jahre in London verbracht, allerdings bin ich Fee dort nie begegnet. Ich bin in den Hauptstädten aller Bundesländer gewesen und oft im Norden von Queensland. Ich habe am Great Barrier Reef Urlaub gemacht, aber das hier ist eine ganz andere Welt im Gegensatz zur grünen Küste. Die weite Landschaft ist fast surreal mit den riesigen Felsen und den Farben, die sich ständig verändern. Stewart will mit mir einen Ausflug in die Wüste machen.“

„Tatsächlich?“ Broderick Kinross presste die Lippen zusammen und warf seinem Vater einen Blick zu. „Wann?“

„Wenn es nicht mehr so heiß ist“, erwiderte dieser fast wütend.

„Magnolien welken in der Hitze.“ Broderick Kinross neigte den Kopf, um ihre Wange zu betrachten.

„Glauben Sie mir, Mr. Kinross …“ Rebecca blickte ihn kurz aus den Augenwinkeln an. „Ich welke nicht.“

„Ich halte den Atem an, bis Sie mir mehr über sich erzählen“, meinte er mit einem amüsierten Unterton. „Sicher hat eine so schöne junge Frau wie Sie irgendwo einen Freund.“

„Nein, habe ich nicht.“ Am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle sie ihn Ruhe lassen.

„Was ist das, Brod, ein Verhör?“, erkundigte sich sein Vater und zog die buschigen schwarzen Brauen zusammen.

„Überhaupt nicht. Wenn ich den Eindruck erweckt habe, entschuldige ich mich“, erklärte Brod. „Ich interessiere mich immer für deine Gäste, Dad. Miss Hunt scheint interessanter zu sein als die meisten.“

„Interessant“ war nicht der richtige Ausdruck. Sie war eine echte Femme fatale.

Sie hatten gerade den Haupteingang erreicht, ein massives schmiedeeisernes Tor in der weißen Mauer, als eine Elster, die offenbar gerade brütete, aus einem der Bäume schoss und so tief flog, dass Rebecca aufschrie. Sie wusste, dass Elstern gefährlich werden konnten, wenn sie ihr Nest bedroht sahen. Angriffslustig kreiste der Vogel über ihnen, doch Broderick Kinross zog sie an sich und versuchte, ihn mit seinem schwarzen Akubra zu verjagen.

„Verschwinde, los!“, rief er.

Daraufhin ging der Vogel etwas auf Abstand.

Beschämt stellte Rebecca fest, dass ihr ganzer Körper auf seine Nähe reagierte. Es war eine Schwäche, die sie, wie sie geglaubt hatte, nie wieder empfinden würde.

„Sie kann Ihnen nichts tun.“ Broderick Kinross ließ sie los und blickte zum strahlend blauen Himmel. „Wenn sie brüten, können sie einem ganz schön auf die Nerven gehen.“

„Ist alles in Ordnung, Rebecca?“, erkundigte sich Stewart Kinross beflissen. „Sie sind ziemlich blass geworden.“

„Es war nichts“, wehrte Rebecca lachend ab. „Das war nicht das erste Mal, dass ich von einer Elster angegriffen wurde.“

„Und Sie haben uns erzählt, dass Sie tapfer sind.“ Broderick Kinross hielt ihren Blick fest.

„Ich habe gesagt, dass ich nicht welke“, verbesserte sie ihn. An ihrem Hals pochte eine Ader.

„Stimmt. War sie nicht großartig, Dad?“

„Sie müssen wissen, dass Broderick gern scherzt, Rebecca“, bemerkte Stewart Kinross, der plötzlich nicht mehr ganz so vornehm wirkte.

„Dann verzeihe ich ihm“, hatte sie zuckersüß erklärt, obwohl ihr das Atmen immer noch schwer gefallen war.

Sie brauchte ihren Seelenfrieden und würde ihn mit allen Mitteln verteidigen. Und Broderick Kinross konnte den Seelenfrieden einer Frau ernsthaft gefährden.

An dem Samstag, an dem das Poloturnier stattfinden sollte, wachte Fee spät auf und war sehr müde, weil sie zu wenig geschlafen hatte. Sie drehte sich auf den Rücken und schob die Augenmaske hoch. Da sie so lange in England gelebt hatte, hatte sie fast vergessen, wie hell die Sonne in ihrem Heimatland schien. Jetzt benutzte sie die Schlafmaske, wenn das Licht zu hell in ihr Schlafzimmer fiel.

In letzter Zeit litt sie an chronischer Schlaflosigkeit, und nichts schien dagegen zu helfen. Sie hatte es mit starken Schlaftabletten versucht, aber sie verabscheute Medikamente und bevorzugte homöopathische Mittel oder Entspannungsmethoden – nicht dass sie sich je gut hatte entspannen können. Sie hatte zu viel Adrenalin im Blut. Sie war viel zu oft viel zu spät ins Bett gegangen. Sie hatte zu viele Liebhaber gehabt. Sie hatte nach den Aufführungen zu viele Partys gefeiert. Sie hatte an zu vielen gesellschaftlichen Ereignissen teilgenommen. Sie hatte gehofft, endlich abschalten zu können, wenn sie nach Hause zurückkehrte, doch das war nicht der Fall.

Natürlich hatte sie sich mit Stewart nie verstanden, weder als Kind noch jetzt. Stewart war schon immer so von sich eingenommen gewesen. Da sie es satt gehabt hatte, die zweite Geige zu spielen, war sie nach England gegangen. Natürlich hatte ihr geliebter Dad, Sir Andy, versucht, sie davon abzuhalten, weil er seine kleine Prinzessin nicht verlieren wollte, aber irgendwann hatte er ihre hysterischen Anfälle nicht mehr ertragen und sie weggeschickt. Er hatte sie finanziell unterstützt, sodass sie während ihres Schauspielstudiums ein standesgemäßes Leben hatte führen können. Und ihre steile Karriere hatte sie ihrer Schönheit, die sie sich selbst mit sechzig bewahrt hatte, viel Glück, dem Selbstvertrauen, das für die Familie Kinross typisch war, einer kräftigen Stimme und viel Talent zu verdanken.

Was ihr momentan zu schaffen machte, war die überaus heikle Situation mit Stewart und Rebecca. Sie, Fee, hatte zwar genug Männer kennengelernt, die sich mit wesentlich jüngeren Frauen schmückten, doch sie war alles andere als glücklich über sein Interesse an dieser jungen Frau, die sie so ins Herz geschlossen hatte. Von dem großen Altersunterschied einmal abgesehen, hätte sie Rebecca gern vor dem routinierten Charme ihres Bruders gewarnt. Wie konnte ein junger Mensch, noch dazu eine fast Fremde, wissen, was sich hinter seinem selbstsicheren Äußeren verbarg? Kein Wunder, dass die kleine Lucille, ihre mittlerweile verstorbene Schwägerin, weggelaufen war. Irgendwann hatte die sanftmütige Lucille sich nicht mehr gegen Stewart behaupten können.

Und dann war da die Art, wie Stewart seine Kinder behandelt hatte, vor allem Broderick, der die wunderschönen Augen seiner Mutter geerbt hatte, obwohl er eindeutig ein Kinross war. Sir Andy hatte ihr oft von seinen Sorgen geschrieben, und sie, Fee, hatte selbst erlebt, wie kalt Stewart seinen Kindern gegenüber war, wenn sie nach Hause gekommen war. Damals hatte ihr Liebling Sir Andy noch gelebt. Sie liebte Kimbara zwar sehr, doch sie war nur hier, weil Stewart sie zu überreden versuchte, ihre Anteile an diversen Familienunternehmen zu verkaufen. Es gab viele Familienangelegenheiten zu besprechen.

Seltsamerweise war Stewart derjenige gewesen, der angeregt hatte, eine Biografie zu schreiben. Er hatte sogar eine mögliche Autorin vorgeschlagen. Eine junge Journalistin namens Rebecca Hunt, Verfasserin einer erfolgreichen, preisgekrönten Biografie über eine Freundin der Familie, die Opernsängerin Judy Thomas – Dame Judy. Er hatte das Buch gelesen und war sehr beeindruckt gewesen. Er hatte sogar ein Interview mit der jungen Hunt im Kulturprogramm am Sonntagnachmittag gesehen.

„Lad sie hierher ein, Fee“, hatte er sie gedrängt und ihr die Hand auf die Schulter gelegt. „Und sei es nur, um herauszufinden, ob ihr beide euch versteht. Schließlich blickst du auf eine steile Karriere zurück, meine Liebe. Du hast etwas zu sagen.“

Und sie war darauf hereingefallen. Sie hatte die Augen vor der Vergangenheit verschlossen, denn sie hatte sich durch sein Interesse geschmeichelt gefühlt und gedacht, mit zunehmendem Alter würde er immer charmanter werden. Ja, Stewart war wirklich clever.

Sie hatte getan, was er wollte. Sie hatte Rebecca für ihn in die Falle gelockt. Stewart hatte sich offensichtlich in Rebecca verliebt. Auf den ersten Blick. Mit dem reinen Gesicht und dem gequälten Ausdruck in den Augen war sie genau sein Typ. O ja, der Ausdruck in ihren Augen war gequält. Rebecca hatte eine Vergangenheit. Hinter dem perfekten Äußeren verbarg sich jemand, der auch eine Geschichte zu erzählen hatte. Eine Geschichte, die viel Bitterkeit in sich barg.

Fee warf die Bettdecke zurück und setzte sich auf. So gern sie ihren Neffen bei sich hatte und sosehr sie sich insgeheim darüber freute, wenn er seinen Vater auf dem Polofeld ausstach, wusste sie, dass es an diesem Wochenende Spannungen und Kummer geben würde.

Warum hatte Stewart ihn überhaupt eingeladen? Mittlerweile musste er doch wissen, dass Brod viel besser Polo spielte als er. Und dann war da die schöne, ungewöhnliche Rebecca. Welcher Mann mittleren Alters, und sei er noch so reich, würde eine junge Frau umwerben und sie dann mit einem Mann wie Brod zusammenbringen? Es ergab überhaupt keinen Sinn, es sei denn, Stewart wollte Rebecca auf die Probe stellen.

Stewart war ganz groß darin, andere durch die Mangel zu drehen. Wenn die scheinbar perfekte Rebecca den Test nicht bestand, würde sie vielleicht in Ungnade fallen und gezwungen sein, Kimbara zu verlassen. Sie, Fee, war sich jetzt sicher, dass ihr Bruder heiraten wollte, und selbst nach all den Jahren war das nicht so abwegig. Er hatte von Zeit zu Zeit Affären gehabt, aber offenbar keine Frau gefunden, die er für sich behalten wollte. Lucille hatte für einige Zeit ihm gehört, allerdings irgendwie den Mut aufgebracht, ihn zu verlassen. Die Nächste würde dazu keine Gelegenheit haben.

Sie, Fee, hoffte, dass es nicht Rebecca sein würde. Möglicherweise war Rebecca einmal so tief verletzt worden, dass sie sich für Sicherheit entschied. Ein älterer Mann, reich, gesellschaftlich angesehen und den Konventionen verhaftet. Es war durchaus möglich, dass sie eine beeindruckende Fassade mit Sicherheit verwechselte.

3. KAPITEL

Stunden später, in der Nachmittagshitze, verfolgte Rebecca mit klopfendem Herzen das wichtigste Polomatch. Die Spiele am Vormittag hatten ihr auch sehr gefallen, aber das hier war noch um Klassen besser.

Alle Spieler waren außergewöhnlich schnell und konzentriert, die Ponys hervorragend ausgebildet.

Als Stewart einmal seinen Sohn anging, der aufs Tor zuhielt, dachte sie, er würde vom Pony fallen. Er schaffte es nicht, das Tor zu verhindern, und es war ihrer Meinung nach eine viel zu gefährliche Aktion, denn er war immerhin Mitte fünfzig, und wenn er noch so fit war. Broderick war der beste Spieler auf dem Feld, dicht gefolgt von den Cameron-Brüdern, und er und sein Vater verhielten sich, als würden sie einen Zweikampf austragen.

„Das war knapp“, sagte Rebecca leise zu Fee, die es sich neben ihr in einem Liegestuhl bequem gemacht hatte. „Ich dachte, Stewart würde aus dem Sattel fallen.“

Er wollte dich beeindrucken, meine Liebe, dachte Fee. „Es ist ein gefährliches Spiel, Schätzchen. Ein guter Freund von mir, Tommy Fairchild, ist beim Polo ums Leben gekommen. Es ist vor einigen Jahren in England passiert, aber ich denke fast jeden Tag an ihn. Brod ist ein Draufgänger. Ich glaube, für ihn ist es wichtig, einige Punkte wettzumachen.“

„Das heißt?“ Rebecca wandte sich zu Fee um, doch diese trug eine teure Sonnenbrille, sodass sie ihre Augen nicht sehen konnte.

„Ist Ihnen nicht aufgefallen, wie schlecht Stewart und Brod miteinander auskommen?“

„Schon möglich.“

„Sie machen mir nichts vor, Schätzchen. Natürlich haben Sie es gemerkt. Sie waren beide schwierig.“

„Aber Sie sagten, Brod müsste einige Punkte wettmachen.“ Allein wenn sie seinen Namen aussprach, verspürte Rebecca ein erregendes Prickeln.

„Brod musste lange Zeit alles einstecken“, gestand Fee. „Ich hänge sehr an ihm, wie Sie wissen. Und an Alison. Nachdem die Mutter der beiden ihn verlassen hatte, wurde Stewart sehr verschlossen. Brod hat die Augen seiner Mutter geerbt. Vielleicht ist es für Stewart zu schmerzlich, ihm in die Augen zu sehen.“

„Glauben Sie das wirklich?“, fragte Rebecca skeptisch.

„Nein.“ Fee schnitt ein Gesicht. „Die Wahrheit ist, dass Stewart nie zum Vater geeignet war.“

„Dann haben Brod und seine Schwester also sehr gelitten?“ Rebecca lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Und ob. Geld ist eben nicht alles. Nicht dass es mir je daran gemangelt hätte. Aber Brod hat es nur stärker gemacht. Im Gegensatz zu seiner Mutter. Lucille war sehr zierlich, wie Sie, und bildhübsch.“ Unwillkürlich sah Fee Lucille an ihrem Hochzeitstag vor sich – jung, strahlend vor Glück und sehr verliebt. Sie, Fee, war nach Australien geflogen, um als Brautjungfer zu fungieren. Sie war schon in der Schule mit Lucille befreundet gewesen, war jedoch nie da gewesen, um sie zu unterstützen, weil sie viel zu sehr mit ihrer Karriere beschäftigt war.

„Sie hat es nicht lange ausgehalten“, bemerkte Rebecca traurig.

„Nein. Es war furchtbar. Sie können sich nicht vorstellen, wie schockiert ich war, als ich davon gehört habe. Sir Andy hat mich angerufen. So nenne ich meinen Vater immer. Er wurde von der Queen für seine Verdienste um die Landwirtschaft geadelt.“

Das war Rebecca nicht neu. „Stewart hat Sie nicht angerufen?“

„Nein, hat er nicht“, erwiderte Fee grimmig und schwieg dann eine Weile.

Taktvoll wechselte Rebecca das Thema. „Ich bin wirklich erleichtert, wenn das Spiel vorbei ist“, gestand sie lachend. Brods Mannschaft hatte gerade wieder ein Tor erzielt. „Ich kann es nicht genießen, wenn ich ständig Angst habe.“

„Sie sind ein zartfühlendes kleines Ding.“ Fee tätschelte ihr die Hand. „Allerdings muss ich zugeben, dass Stewart und Brod sich einen harten Kampf liefern. Gleich ist Halbzeit. Wenn Stewart Sie fragt, wie Sie es finden, sollten Sie ihm sagen, dass es sehr aufregend ist.“

„Das ist es ja auch.“ Rebecca lächelte Fee an und staunte insgeheim wieder einmal über ihr glamouröses Erscheinungsbild. „Ich möchte nur nicht, dass jemand verletzt wird.“

„Sehen Sie Brod an“, rief Fee vergnügt. „Ist er nicht ein Prachtkerl?“

Rebecca musste ihr recht geben. Auf der anderen Seite des Feldes zog Broderick Kinross sein Polohemd aus, um es gegen ein sauberes zu wechseln. Sein dichtes, welliges schwarzes Haar glänzte im Sonnenlicht, und das ebenfalls schwarze Haar auf seiner Brust verjüngte sich zum Bund seiner Reithose.

Er war ein unglaublich attraktiver Mann. Sein Anblick weckte Verlangen in ihr, und das alarmierte sie. Nicht dass Brod seinen prachtvollen Körper zur Schau stellte oder den begehrlichen Blicken der weiblichen Zuschauer Beachtung schenkte, denn er scherzte gerade mit seinem Freund Rafe Cameron.

Einen Moment lang wünschte Rebecca, dieses Bild mit einer Kamera festhalten zu können. Beide Männer ergänzten sich perfekt, denn sie waren beide groß, und im Gegensatz zu Brod mit seinem schwarzen Haar und den strahlend blauen Augen war Rafe goldblond. Grant, sein Bruder, der gerade mit einer hübschen jungen Frau plauderte, hatte dunkelblondes Haar. Als man sie ihr vorgestellt hatte, hatte sie gesehen, dass beide braune Augen mit goldfarbenen Sprenkeln hatten.

„Nicht schlecht, stimmt’s?“, rief Fee.

„Sie sind alle drei sehr attraktiv“, bestätigte Rebecca. „Es überrascht mich, dass sie nicht verheiratet sind.“

Fee schüttelte den Kopf. Bis vor einigen Jahren war sie so dunkelhaarig wie Rebecca gewesen. Nun war sie fast blond. „Sie wissen doch davon, oder?“

„Wovon?“ Starr blickte Rebecca sie an.

„Ich dachte, Stewart hätte es vielleicht erwähnt.“ Er hatte jedenfalls oft genug mit Rebecca geplaudert. „Rafe und Alison waren sehr ineinander verliebt, aber irgendwie hat Alison kalte Füße bekommen. Vielleicht lag es an dem kaputten Elternhaus. Genau wie ich nach London geflohen bin, ist sie nach Sydney geflohen. Allerdings habe ich kein gebrochenes Herz zurückgelassen. Er hat sich nichts anmerken lassen, doch ich glaube, Rafe war am Boden zerstört. Jedenfalls will er nichts mehr von Alison wissen.

Brod hatte schon immer Schlag bei den Frauen, aber er wartet auf die Richtige. Grant ist ein paar Jahre jünger als die beiden. Er hat hart gearbeitet, um seinen Flugdienst aufzubauen. Sie sind alle drei eine gute Partie.“

„Darauf wette ich!“, meinte Rebecca lächelnd. „Stewart hat mir ein bisschen von Alisons gescheiterter Romanze erzählt.“

„Und, sind Sie interessiert?“ Fee setzte sich auf und sah ihr in die Augen.

„Mein Beruf ist mir wichtig, Fee“, erwiderte Rebecca betont lässig.

„Eine Frau kann nicht ohne Liebe leben.“

„Das habe ich aus Ihrer Lebensgeschichte gelernt“, witzelte Rebecca.

„Ganz schön frech.“ Fee gab ihr einen spielerischen Klaps auf den Arm. „Warten Sie nur nicht zu lange, Schätzchen.“ Sie streckte die Hand aus. „Da kommt Stewart. Na, wie läuft’s, Stewie?“, rief sie mit einem spöttischen Unterton.

Stewart Kinross betrachtete seine Schwester eine Weile mit versteinerter Miene und erwiderte schließlich leicht verärgert: „Ganz gut. In der zweiten Halbzeit ist noch alles drin.“ Er ließ den Blick zu Rebecca schweifen, die wie Fee eine Seidenbluse und eine enge Leinenhose trug. Allerdings war ihr Outfit im Gegensatz zu Fees einfarbig. „Es gefällt Ihnen, stimmt’s, Rebecca?“

„Ich mache mir ein wenig Sorgen um Sie, Stewart“, gestand Rebecca. „Es ist ein gefährliches Spiel.“

Er wirkte ein wenig beleidigt. „Ich hoffe, wir holen noch auf, meine Liebe.“

„O Stewart, Sie wissen doch, was ich meine“, protestierte sie sanft.

Stewart Kinross sah ihr tief in die Augen. „Brod ist derjenige, der zu viel riskiert. Vielleicht können Sie es ihm ja sagen.“ Er blickte zum Spielfeld. „Allerdings habe ich ihm alles beigebracht. Manchmal wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Ah ja.“ Er wandte sich ihr wieder zu und lächelte. „Ich muss zurück.“

Rebecca winkte ihm aufmunternd nach, während Fee ein Lachen unterdrückte. „Wollten Sie damit wirklich sagen, dass Stewie seine besten Jahre hinter sich hat, Schätzchen?“

Rebecca griff nach einem kleinen Kissen und warf damit nach ihr, doch Fee fing es lachend auf.

Brods Mannschaft gewann schließlich, und Rebecca beobachtete, wie eine schlanke, attraktive Blondine in einem knappen blauen T-Shirt und hautengen Jeans zu ihm ging, ihn umarmte und ihn küsste.

„Liz Carrol“, bemerkte Fee lächelnd. „Sie mag ihn, wie man sieht.“

„Ist sie seine Freundin?“, platzte Rebecca heraus.

„Was glauben Sie? Brod geht auch mit anderen Frauen aus, aber meistens ist er viel zu beschäftigt. Er hat eine Lebensaufgabe. Wenn er sich eine Frau sucht, dann sollte er die Richtige nehmen.“

Als Rebecca der Siegermannschaft gratulierte und vor dem Kapitän stand, war sie völlig durcheinander. Hatte sie je jemand so angesehen? Sein Blick zog sie wie magisch an.

„Fee hat mir erzählt, dass das Spiel Sie ein wenig nervös gemacht hat.“ Brod lehnte sich ans Geländer und blickte auf Rebecca hinunter. O ja, sie war schön!

Sie nickte. „Ich habe heute zum ersten Mal ein Polospiel gesehen, und teilweise hat es mir Angst gemacht. In der ersten Halbzeit dachte ich einmal, Stewart würde vom Pferd fallen.“

„Sie haben sich Sorgen gemacht?“

„Warum auch nicht?“

Er zuckte mit den Schultern und legte den Arm aufs Geländer. „Er ist schon mal vom Pferd gefallen und hat es überlebt. Das ist uns allen schon mal passiert. Ich würde gern wissen, was Sie von meinem Vater halten.“

„Sicher wollen Sie nicht von mir hören, dass ich ihn hasse“, erwiderte sie kühl. „Ich glaube, er ist sehr vielschichtig. Wie Sie.“

„Und wie Sie, Miss Hunt? Selbst Fee weiß erstaunlich wenig über Sie.“

„Haben Sie sie gefragt?“

„Ja, habe ich.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, warum Sie sich für mich interessieren sollten.“

Doch Brod presste die Lippen aufeinander. „Bestimmt haben Sie viele Geheimnisse. Und ich bin offen genug, um zu sagen, dass Sie meinem Vater den Kopf verdreht haben“, meinte er betont langsam.

„Ich glaube, Sie übertreiben.“

Er lachte. „Und warum erröten Sie dann?“

„Möglicherweise, weil Sie so indiskret sind“, konterte sie.

„Ich versuche nur, ehrlich zu sein. Sie sind erst kurze Zeit auf Kimbara, und trotzdem haben Sie meinen Vater und Fee sehr beeindruckt.“

„Aber Sie offenbar nicht.“ Noch immer schaffte sie es, ruhig zu sprechen, obwohl sie innerlich aufgewühlt war.

Brod lächelte angespannt. „Ich bin nicht so leicht zu beeindrucken wie Dad oder so vertrauensselig wie Fee.“

„Sie sollten sich als Privatdetektiv selbstständig machen.“

„Ich will Sie doch nur dazu bringen, mir ein wenig von sich zu erzählen.“

„Sie werden mein Gesicht jedenfalls auf keinem Steckbrief finden.“

„Und in einer Kunstgalerie? Sie verkörpern einen sehr romantischen Stil. Man sollte eine Blume nach Ihnen benennen.“

„Bis jetzt hat noch kein Künstler angeboten, mich zu malen“, gestand Rebecca. „Wessen verdächtigen Sie mich, Mr. Kinross?“

Ihre Wangen waren immer noch gerötet, und ihre Augen schimmerten silbrig. „Sie sind wütend auf mich, und das zu Recht.“ Er ließ die Hand sinken und straffte sich. „Aber ich denke, Sie könnten versuchen, meinem Vater das Herz zu stehlen.“

Sie war so vor den Kopf gestoßen, dass sie das Haar zurückwarf. „Vielleicht weil Sie einen Knacks haben.“

Einen Moment lang blickte Brod sie starr an, dann warf er den Kopf zurück und lachte. Es klang verführerisch. „Das glaube ich nicht. Sie denken, ich hätte einen Knacks.“

„Sicher ist es nicht einfach“, erklärte sie ungerührt.

Wieder lachte er. „Vielleicht haben Sie sogar recht.“

„Wir haben alle unsere Macken“, sagte sie kühl.

„Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, was Ihre sind.“

„Das werden Sie nicht erfahren, Mr. Kinross.“

„Wenn wir über solche Themen reden, sollten Sie Brod zu mir sagen.“

Es war ihr ein Rätsel, dass sie die Fassung bewahrte. „Vielen Dank. Ich würde mich freuen, wenn Sie Rebecca zu mir sagen. Ich bitte Sie nur darum, Brod, im Zweifelsfall zu meinen Gunsten zu entscheiden. Soweit ich es beurteilen kann, ist Ihr Vater zu allen Frauen nett.“

„Er ist charmant, ja“, bestätigte Brod trügerisch sanft. „Aber nicht besitzergreifend.“

„So sehen Sie es?“

„Die meisten Frauen sind gern Objekt der Begierde.“

Allmählich wurde sie wütend. „Das kann ich nicht beurteilen.“

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Selbst wenn Sie sich wie eine graue Maus kleiden und das Haar abschneiden würden, würden die Männer Sie noch begehren.“

Rebecca hatte das beunruhigende Gefühl, dass Brod die Hand ausgestreckt hatte und sie berührte. „Ich glaube nicht, dass Sie in Betracht ziehen, ob ich sie überhaupt will“, sagte sie scharf.

Seine blauen Augen funkelten spöttisch. „Worauf läuft unsere Unterhaltung hinaus?“

„Wahrscheinlich auf gar nichts.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Sie haben damit angefangen.“

„Nur weil ich so viel, wie ich kann, über Sie in Erfahrung bringen will.“

„Ich hoffe, Sie kommen nicht auf die Idee, Nachforschungen über mich anzustellen. Das müsste ich Ihrem Vater erzählen.“

Brod verspannte sich und kniff die Augen zusammen. „Ich will verdammt sein, eine Drohung!“

Rebecca schüttelte den Kopf. „Das ist keine Drohung. Ich werde nur nicht zulassen, dass Sie mir alles verderben.“

„Und das kann ich, indem ich Nachforschungen über Sie anstelle?“

„Das habe ich damit nicht gemeint“, erwiderte sie leise. „Ich bin nur aus einem Grund hier – um die Biografie Ihrer Tante zu schreiben. Schade, dass Sie denken, ich hätte mehr im Sinn. Es ist fast, als wollten Sie mir den Krieg erklären.“

„Stimmt“, bestätigte er.

„Vielleicht haben Sie nichts zu gewinnen“, sagte sie herausfordernd, um ihn genauso zu verletzen, wie er sie verletzte.

„Das kann man von Ihnen nicht gerade behaupten.“

Sie waren so in ihren Schlagabtausch vertieft, dass sie Stewart Kinross erst kommen sahen, als er fast bei ihnen war. „Na, worüber unterhaltet ihr beiden euch?“ Sein Lächeln wirkte nicht ganz echt.

„Das kann Rebecca dir sagen“, erwiderte Brod langsam.

„Offenbar war es ein ernstes Thema“, meinte sein Vater. „Alle anderen scheinen sich zu amüsieren.“

„Brod hat mir die technischen Einzelheiten des Spiels erklärt.“ Erleichtert stellte Rebecca fest, dass ihre Stimme nicht bebte.

„Das hätte ich doch tun können, meine Liebe“, versicherte Stewart Kinross herzlich. „Und es war wirklich nichts Interessanteres?“

Rebecca wandte sich an Brod. „Nein, wir haben nur noch ein bisschen über meine Arbeit gesprochen.“

„Das Buch wird sicher ein Erfolg“, sagte er. „So, ich mache jetzt mal die Runde. Einige von meinen Freunden habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“

Stewart runzelte die Stirn. „Du kannst sie jederzeit sehen, Brod.“

„Ich habe zu viel um die Ohren, Dad, vor allem seit du mich befördert hast. Bis später, Rebecca.“ Brod hob die Hand und ging, bevor sein Vater noch etwas sagen konnte.

Stewart Kinross wurde rot. „Ich muss mich für meinen Sohn entschuldigen, Rebecca.“

„Wofür?“ Sie wollte sich auf keinen Fall einmischen.

„Für sein Verhalten. Manchmal macht es mir Sorgen. Er betrachtet mich als Rivalen.“

„Ich glaube, das ist nicht ungewöhnlich“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. „Sie sind beide starke Persönlichkeiten. Da gibt es zwangsläufig Konflikte.“

„Aber das ist nicht meine Schuld. Brod kommt nach meinem Vater. Der war von Natur aus aggressiv.“

„Und galt allgemein als großer Mann?“, fragte sie leise, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie viel über Sir Andrew Kinross gelesen und ihn sehr sympathisch gefunden hatte.

„Ja“, bestätigte er widerstrebend. „Er war ganz vernarrt in Fee und hat ihr jeden Wunsch erfüllt. Deswegen ist sie auch so verwöhnt. Aber von mir hat er eine Menge erwartet. Aber egal. Ich wollte Sie fragen, ob Ihnen der Tag gefallen hat.“

„O ja. Er wird mir immer in Erinnerung bleiben.“ Allerdings aus einem ganz anderen Grund. Die meiste Zeit hatte sie Broderick Kinross beobachtet. Noch immer verspürte sie jenes erregende Prickeln.

„Wissen Sie, manchmal habe ich das Gefühl, Sie schon ewig zu kennen.“ Stewart Kinross legte ihr die Hand auf die Schulter und blickte ihr in die Augen. „Geht es Ihnen auch so?“

Was soll ich bloß sagen, dachte Rebecca, die peinlich berührt war. Offenbar versteht er sowieso alles falsch. Sie senkte den Blick. „Vielleicht sind wir seelenverwandt, Stewart. Das hat Fee auch gesagt.“

Das war nicht die Antwort, die er erwartet hatte, doch er wusste genau, dass er niemals aufgeben würde. Vielleicht war Rebecca ein bisschen jung – allerdings nicht zu jung. Wenn er sich mit ihr unterhielt, wirkte sie außergewöhnlich reif. Außerdem würde sie als seine Frau viel Geld haben, denn er war ein reicher Mann. Das hatte er vor allem Brod zu verdanken, was er jedoch nie zugeben würde.

Brod, der ein wenig entfernt stand, beobachtete die beiden. Sie könnten Vater und Tochter sein, dachte er aufgebracht. Allerdings konnte er die Körpersprache seines Vaters selbst aus einer Meile Entfernung deuten. Rebecca wirkte sehr zart in ihrem Outfit, fast jungenhaft. Sein Vater hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt und sah ihr in die Augen. Es war tatsächlich passiert. Sein Vater hatte sich verliebt. Es war ein Schock für ihn. Unvermittelt wandte Brod sich ab, erleichtert darüber, dass sein Freund Rafe gerade mit einer Dose Bier in der Hand auf ihn zukam.

Rebecca stand vor dem Spiegel und hielt sich abwechselnd zwei Kleider an. Eins war pinkfarben, das andere aus dunkelgrünem, mit Perlen besticktem Seidenchiffon. Beide waren teuer gewesen, hatten Spaghettiträger und endeten unter dem Knie – wie die Kleider aus den dreißiger Jahren. Es war ein Schnitt, der ihr gefiel und sehr gut stand. Fee hatte ihr geraten, einige elegante Abendkleider mitzubringen, und nun überlegte Rebecca, welches sie anziehen sollte.

„Stewart gibt gern Partys – wann immer er die Gelegenheit dazu hat“, hatte Fee ihr erzählt.

Daher das Polowochenende. Und alles für sie, Rebecca. Noch vor wenigen Wochen hätte sie sich sehr darüber gefreut. Doch jetzt machte sie sich Sorgen, weil Stewart Kinross sich in sie verliebt hatte. Und das hatte auch mit Broderick Kinross’ Verhalten ihr gegenüber zu tun.

Da Brod seinen Vater besser kannte als jeder andere, hatte er den Grund für dessen Interesse an ihr sofort erraten. Und vermutlich nahm er an, dass sie seinen Vater noch ermutigt hatte.

Sich mit einem viel älteren Mann einzulassen war eine Sache. Sich mit einem sehr reichen älteren Mann einzulassen eine ganz andere. Viele Frauen taten es, und niemand nahm Anstoß daran.

Falls Stewart Kinross wieder heiratete, konnte er durchaus noch Kinder bekommen und somit weitere Erben. Für sie war es eine schreckliche Situation. Sie hatte nur gelitten, als es einen Mann in ihrem Leben gegeben hatte. Sie war so jung gewesen und hatte keine Ahnung gehabt, was krankhafte Eifersucht bedeutete. Doch sie hatte es gelernt.

Regungslos stand Rebecca vor dem Spiegel und hielt das grüne Kleid wie einen Schild vor sich. Es ist mir egal, was Broderick Kinross denkt, sagte sie sich. Sein Verdacht war vielleicht verständlich, aber völlig unbegründet. Bisher hatte sie Stewart Kinross für einen außergewöhnlich charmanten und großzügigen Mann gehalten. Nun wurde ihr klar, dass er es möglicherweise nicht war.

Abrupt wandte sie sich vom Spiegel ab. Sie würde das grüne Kleid anziehen. Sie hatte keine Angst vor Broderick Kinross, auch wenn ihr die Begegnung mit ihm, die ihr an diesem Abend bevorstand, ein wenig Kopfzerbrechen bereitete. Hätte sie es wirklich auf seinen Vater abgesehen, hätte sie keinen schlimmeren Feind haben können. In gewisser Weise verstand sie Brod. Eine neue Frau würde automatisch Anspruch auf einen Teil des Erbes und vielleicht sogar auf einen Mehrheitsanteil haben. Einige der weiblichen Gäste hatten keinen Hehl daraus gemacht, dass sie bereits Mutmaßungen anstellten. Zum Glück hatte sie Fee auf ihrer Seite. Sie war nach Kimbara gekommen, um eine Biografie zu schreiben, und hätte es nie für möglich gehalten, mit einer derart verfahrenen Situation konfrontiert zu werden.

Als Rebecca eine Stunde später nach unten gehen wollte, um sich unter die Gäste zu mischen, klopfte es an der Tür. In der Annahme, es wäre Fee, ging sie hin, um zu öffnen, doch es war Stewart, und er hatte eine schmale samtbezogene Schatulle in der Hand.

Unwillkürlich machte sie einen Schritt auf ihn zu, da sie ihn nicht hineinbitten wollte.

„Sie sehen bezaubernd aus, meine Liebe“, sagte er und betrachtete sie bewundernd.

„Und Sie sehen sehr elegant aus, Stewart.“ Sie schob sich an dem Gemälde vorbei, das im Flur hing. Stewart wirkte in der Tat sehr beeindruckend und viel jünger, nur der Ausdruck in seinen Augen machte sie nervös. Bestürzt fragte sie sich, was in der Schatulle sein mochte. Hoffentlich kein Geschenk!

„Vielleicht könnten wir für einen Moment in Ihr Zimmer gehen, damit wir ungestört sind“, schlug er vor. „Ich habe hier etwas, das Sie heute Abend möglicherweise gern tragen würden. Es ist ein Familienerbstück – natürlich nur eine Leihgabe –, aber mir ist aufgefallen, dass Sie kaum Schmuck mitgebracht haben.“

Sie hatte nicht die Absicht, den Schmuck zu tragen. „Stewart, ich fühle mich wirklich …“, begann sie und stellte fest, dass er eine Braue hochzog.

„Sie können mir die Bitte nicht abschlagen, meine Liebe. Ich möchte mit Ihnen angeben.“

„Warum, Stewart?“ Sie tat ganz unschuldig. „Die Gäste wissen doch genau, dass ich nur hier bin, weil ich an Fees Biografie arbeite.“

„Ist Ihnen denn nicht klar, dass wir Sie ins Herz geschlossen haben, Rebecca? Sicher werden Sie mir dankbar sein, vor allem, wenn Sie das hier sehen.“

Irgendwie hatte er es geschafft, sie zurück in ihr Schlafzimmer zu drängen. Es war ganz in Creme und Gold gehalten, mit antiken französischen Möbeln eingerichtet und exquisiten Gemälden und Porzellanfiguren dekoriert.

Schließlich drehte Rebecca sich zu ihrem Gastgeber um. Er trug ein weißes Smokingjackett, ein weißes Hemd mit einer schwarzen Fliege und eine schwarze Hose. Sein dichtes schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. „Es ist eine ganze Weile unter Verschluss gewesen“, erklärte er und nahm eine exquisite Kette aus der Schatulle, bevor er diese auf eine Kommode legte.

„Sie sieht sehr kostbar aus, Stewart.“ Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Stimme nicht bebte. An einer goldenen Kette hing ein großer ovaler Opal, der von kleinen Brillanten eingefasst war.

„Kostbar für unsere Familie, ja.“ Lächelnd öffnete Stewart den Verschluss. „Dieser Opal hat eine Geschichte. Bei Gelegenheit werde ich sie Ihnen einmal erzählen.“

„Ich kann ein so wertvolles Schmuckstück unmöglich tragen“, versuchte sie ihn erneut abzuwehren, wohl wissend, dass sie ihn damit womöglich kränkte. „Außerdem glaubt man in einigen Gegenden, dass Opale Unglück bringen.“

„Unsinn!“ Er schnaufte verächtlich. „Bei den Griechen und Römern galten Opale als sehr kostbar. Königin Viktoria liebte die Opale, die man ihr aus den australischen Kolonien schickte. Ein großer Opalfund hat unserer Familie und den Camerons ein Vermögen eingebracht. Also will ich davon nichts mehr hören, meine Liebe. Die Kette passt hervorragend zu Ihrem Kleid. Es ist fast, als hätten Sie gewusst, was ich vorhabe. Seien Sie ein braves Mädchen. Heben Sie Ihr Haar hoch.“

Da sie ihrer Meinung nach keine andere Wahl hatte, wenn sie nicht mit ihm streiten wollte, folgte Rebecca seiner Aufforderung.

„Na, was habe ich Ihnen gesagt?“ Ihr Anblick überwältigte ihn. Sie sah einfach perfekt aus.

Rebecca rechnete damit, dass ihre Wangen gerötet waren, als sie sich umdrehte, um sich im Spiegel zu betrachten. Gerade sie musste doch wissen, wie gefährlich es war, Besessenheit herauszufordern.

Aber die Kette war wunderschön.

„Meine Güte, sind Sie schön“, hörte sie Stewart überraschend schroff sagen.

Warum hatte sie nicht gemerkt, wohin das führen konnte? War sie so naiv? Glaubte sie, der große Altersunterschied würde ihr Sicherheit geben?

„Ich glaube, ich nehme sie doch lieber ab“, erklärte Rebecca energisch.

„Nein.“ Er spürte sofort, dass er zu viel von sich preisgab. Er musste vorsichtiger sein. Normalerweise nahm er sich, was er wollte, doch diese Frau war etwas Besonderes.

„Rebecca? Stewart?“ Fee, jeder Zoll der Theaterstar, tauchte überraschend auf der Schwelle auf. „Gibt es ein Problem?“

„Nein, es gibt kein Problem“, entgegnete ihr Bruder unwirsch. „Du trägst Schmuck, der Millionen wert ist. Ich dachte, es würde Rebecca gefallen, wenn ich ihr eine Kette leihe.“

Als Rebecca sich zu ihr umwandte und ihr das Licht ins Gesicht fiel, sah Fee, dass ihre Augen verdächtig glänzten. Instinktiv umfasste sie den Türknauf, entsetzt und verblüfft zugleich. Sie hatte damit gerechnet, dass etwas passieren würde, denn es hatte untrügliche Anzeichen dafür gegeben – und nun war es passiert.

Rebecca trug Cecilias Kette. Als sie, Fee, die Kette das letzte Mal gesehen hatte, hatte Lucille sie getragen. Cecilias Kette war von Generation zu Generation an die jeweilige Herrin von Kimbara weitergereicht worden. Sie, Fee, erinnerte sich daran, dass ihre Mutter sie auch getragen hatte. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hatte.

„Findest du nicht, dass ich recht habe, Fee?“, hakte Stewart nach.

Was soll ich tun, überlegte sie, während sie ihren Bruder ansah. Sollte sie eine Szene machen? Im selben Moment wusste sie, dass sie es nicht tun konnte. Kimbara und sämtliche Gegenstände im Haus gehörten Stewart, solange er lebte. Rebecca schien zu zittern. Offensichtlich war sie genauso schockiert über seine Geste, auch wenn sie die Geschichte des Opals nicht kannte. Oder hatte er sie ihr erzählt?

„Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen“, brachte Fee schließlich hervor.

„Sie muss mal an die Luft.“ Unbehaglich stellte Stewart fest, dass Rebecca errötet war.

„Sie steht Ihnen hervorragend, Rebecca“, erklärte Fee. „Und sie passt sehr gut zu Ihrem Kleid.“ Rebecca würde zutiefst beschämt sein, wenn sie ihr sagte, sie solle die Kette abnehmen, und das konnte sie ihr nicht antun.

„Ich hatte befürchtet, sie wäre zu wertvoll“, erwiderte Rebecca, die unendlich erleichtert über Fees Erscheinen war. Sie wusste einfach, dass es nicht richtig war, die Kette zu tragen.

„Sie sind unter Familienmitgliedern und Freunden, meine Liebe“, versicherte Stewart onkelhaft. „Die Kette kann weder verloren gehen noch gestohlen werden.“

Nein, aber viele Leute werden überrascht sein, dachte Fee unglücklich. Vor allem Brod …

Unten im geräumigen Wohnzimmer, das mit orientalischen und europäischen Möbeln eingerichtet und mit gestreiften Seidentapeten und schweren Vorhängen vor den Verandatüren dekoriert war, hatten die Gäste sich zu einem Drink eingefunden. Anschließend würden alle in den großen Ballsaal gehen, wo ein reichhaltiges Büfett aufgebaut war und getanzt werden konnte. Sowohl die Band als auch der Conférencier, ein bekannter Fernsehshowmaster, waren eingeflogen worden, und die Leute vom Partyservice hatten über den ganzen Tag gearbeitet, damit der Abend ein Erfolg wurde. Stewart Kinross zahlte immer gut, erwartete dafür allerdings auch, dass alles erstklassig war. Sonst konnte er sehr unangenehm werden.

Da sie die meiste Zeit sehr isoliert lebten, besuchten die Bewohner des Outback gern derartige Feste, und als Rebecca mit Stewart und Fee die große Treppe hinunterging, drangen Stimmengewirr, Lachen und Musik zu ihnen herauf. Sie war sich überdeutlich bewusst, dass man sie wie ein Mitglied der Familie behandelte und nicht wie eine Journalistin, die man als Verfasserin von Fiona Kinross’ Biografie engagiert hatte.

In der Eingangshalle kamen ihnen einige Gäste entgegen, unter anderem Broderick Kinross. Er betrachtete sie mit so glühenden Blicken, dass Rebecca das Gefühl hatte, wie Wachs zu schmelzen. Vielleicht nahm er Anstoß daran, dass sie ein Familienerbstück trug.

Die anderen, die sie gerade hatten begrüßen wollen, verstummten, und Fee überbrückte gewandt das peinliche Schweigen.

„So, meine Lieben, jetzt trinken wir alle noch ein Glas Champagner zusammen, und dann gehen wir in den Ballsaal“, verkündete sie. „Schließlich soll die Band nicht untätig herumsitzen, oder?“

Liz Carrol, die Blondine, war ebenfalls dabei. Sie trug ein eng anliegendes rotes Designerkleid und flüsterte Broderick Kinross etwas ins Ohr. Sicher ging es um sie, wie Rebecca annahm.

Zusammen betraten sie das Wohnzimmer. Rebecca trank ihr erstes Glas Champagner an diesem Abend, während viele andere Gäste schon einen kleinen Schwips hatten. Ein junger Mann aus Stewarts Team, Stephen Mellor, wandte sich lächelnd an sie und machte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen. Brod hätte ihm von ihr erzählt und ihm den Eindruck vermittelt, dass er sie nicht mochte, doch Rebecca Hunt wäre ja eine Berühmtheit. Er bat sie gerade, einige Tänze für ihn zu reservieren, als sie Broderick Kinross’ Blick begegnete. Er prostete ihr zu – eine verächtliche Geste, wie sie fand – und wandte sich dann wieder zu seiner Begleiterin, Liz Carrol, um.

„Ich glaube, wir können jetzt in den Ballsaal gehen“, verkündete Stewart nach etwa zehn Minuten und umfasste galant Rebeccas Arm. „Es wird Ihnen gefallen, Rebecca.“

Tausende von Sternen funkelten am Nachthimmel, und die Brise, die von der Wüste her wehte, war erstaunlich kühl.

Brod ließ Liz bei ihren Freunden und gesellte sich zu seiner Tante, die er ein wenig beiseite zog. „Verdammt, Fee, was hat Dad vor?“, fragte er unwirsch.

„So habe ich ihn noch nie erlebt“, gestand sie. „Jedenfalls nicht seit damals, als er deiner Mutter den Hof gemacht hat.“

„Und die Kette! Was zum Teufel hat das zu bedeuten?“

Fee hob anmutig die Hand. „Ich bin genauso wütend wie du, mein Lieber. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.“

„Aber warum? Und warum ausgerechnet heute Abend?“, meinte er und stöhnte. „Du kannst darauf wetten, dass alle darüber reden werden. Und Rafe und Grant haben es sicher auch gemerkt.“

„Ja, darauf wette ich!“, bestätigte sie trocken. „Wir können jetzt nicht darüber reden.“ Ihr langes schwarzes Chiffonkleid flatterte in der Brise, und sie musste es festhalten. „Wir haben Gäste. Und die spitzen die Ohren.“

„Sie beachten uns überhaupt nicht“, erklärte Brod. „Die meisten sind schon vorausgegangen. Dad hat ihr die Geschichte bestimmt erzählt, oder?“

„Ich weiß es nicht.“ Besorgt schüttelte Fee den Kopf. „Ich bin ganz sicher, dass sie nicht damit gerechnet hatte. Es war wohl allein Stewarts Idee.“

„Sie sieht aus wie Schneeweißchen, ist aber nur eine miese kleine Mitgiftjägerin!“, brauste er auf.

Noch nie hatte sie ihn so wütend erlebt. „Du irrst dich, mein Lieber. Rebecca ist ein guter Mensch. Und ich glaube, ich habe eine gute Menschenkenntnis.“

„Wie sollte ich mich irren? Es ist doch offensichtlich. Ich erinnere mich noch genau daran, wie meine Mutter den Opal getragen hat. Allmählich glaube ich, Dad will deine Miss Hunt heiraten.“

Fee seufzte tief. „Ich fürchte, ja, aber es wird nicht leicht sein, Rebecca dazu zu bringen.“

„Was weißt du wirklich über sie?“, fragte Brod. „Einige Frauen lieben Geld. Vielleicht ist sie völlig arglos hierhergekommen, vielleicht aber auch nicht.“ Er war nicht nur wütend, sondern fühlte sich auch doppelt hintergangen.

„So ist es nicht gewesen“, räumte sie ein. „Dein Vater hat alles eingefädelt.“

„Was?“, meinte er verblüfft.

„Stewart hat Rebecca im Fernsehen gesehen, als sie über Judys Buch interviewt wurde. Sie hat ihm gefallen, und er hat mich überredet, mich mit ihr in Verbindung zu setzen.“

„Tatsächlich?“ Er begann, nervös auf und ab zu gehen.

„Zu dem Zeitpunkt habe ich noch gar nicht mit dem Gedanken gespielt, eine Biografie zu schreiben.“ Beschwichtigend legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Ich war zu Besuch hier. Dein Vater wollte mich dazu überreden, einen Großteil meiner Anteile zu verkaufen. Wie du weißt, hat er das Recht, mich auszuzahlen.“

„Tu es nicht, Fee“, warnte Brod.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich es nicht vorhabe.“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Stewart hat mich davon überzeugt, dass ich viel zu sagen habe. Und ich bin darauf hereingefallen, eitel, wie ich bin.“

„Das hat Dad getan?“, fragte er erstaunt.

„Er ist offenbar einsam, Brod.“

„Im Lauf der Jahre hat er oft genug die Gelegenheit gehabt, wieder zu heiraten. Roz Bennet war eine nette Frau.“

„Ja, das war sie. Und sie ist es immer noch. Aber sie ist kein Objekt der Begierde. Es fällt Stewart nicht leicht zu lieben, Brod. Das wissen wir alle – besonders Ally und du.“

„Das hier ist Vernarrtheit, Fee“, erklärte er grimmig, „oder Besessenheit. Diese Frau ist nur etwas älter als Ally. Mit anderen Worten, sie könnte seine Tochter sein.“

„So etwas kommt vor“, bemerkte Fee trocken.

„Ich bin schockiert.“

„Ich finde es auch unschicklich, und ich habe eine Menge erlebt.“

„Miss Hunt hält sich offenbar für eine Femme fatale.“

„Macht es dir sehr zu schaffen, mein Lieber?“ Sie umfasste seinen Arm und zog ihn zum Ballsaal.

„Und ob, das kannst du mir glauben.“

Rebecca schien es, als würden Broderick Kinross und sie den ganzen Abend vielsagende Blicke wechseln, doch bisher war er nicht in ihre Nähe gekommen. Worüber hätte er auch mit ihr reden sollen? Es war offensichtlich, dass er sie nicht mochte. Sein Vater hingegen widmete ihr viel zu viel Aufmerksamkeit und bat sie wiederholt, einen Tanz auszusetzen.

„Ich habe noch nie gern getanzt“, erklärte er.

„Dafür tanzen Sie aber sehr gut“, erwiderte sie lächelnd.

Stewart wirkte erfreut. „Danke, meine Liebe, aber ich würde lieber hier mit Ihnen sitzen und mich unterhalten. Oh, hallo, Michael.“ Er blickte auf, als ein rotblonder, sehr attraktiver junger Mann, der schon einige Male mit ihr hatte tanzen wollen, zu ihnen kam.

„Guten Abend, Sir.“ Michael deutete eine Verbeugung an. „Tolle Party.“ Dann wandte er sich lächelnd an sie. „Wie wär’s jetzt mit einem Tanz, Rebecca?“

„Rebecca ist ein bisschen müde …“, begann Stewart, doch sie erwiderte Michaels Lächeln und stand auf.

„Überhaupt nicht, Stewart. Mir kommt es vor, als hätte ich fast den ganzen Abend gesessen.“

Das hat er verdient, dachte sie, als sie wegging.

Michael, dessen Spitzname Sandy war, führte sie sichtlich begeistert auf die Tanzfläche. „Arroganter alter Teufel, nicht?“, meinte er lachend.

„Er ist nicht alt“, widersprach sie. „Er ist ein sehr attraktiver Mann.“

„Das sind sie alle.“ Er schnaufte. „Fee ist immer noch eine Wucht. Ally ist ein Traum. Und Brod kann keine Frau widerstehen. Ich glaube, Liz hat es auf ihn abgesehen.“

„Die beiden sind unzertrennlich, stimmt’s?“ Rebecca war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

„Schon möglich, aber Brod ist schwer zu durchschauen. Und in letzter Zeit sieht man ihn kaum. Er hat viel Verantwortung. Sie halten ihn auf Trab. Eines Tages wird sein Dad zu weit gehen.“

Flüchtig blickte sie zu ihm auf. „Das heißt?“

„Ich möchte nichts erklären, sondern Spaß haben, Rebecca. Und was machen Sie mit diesem tollen Klunker um den Hals?“ Er betrachtete den Opal.

„Warum fragen Sie?“

„Weil er sehr großes Interesse hervorgerufen hat, Miss Rebecca.“

„War er so teuer? Eigentlich will ich ihn gar nicht tragen“, gestand sie, „aber Stewart hat darauf bestanden. Ich habe kaum Schmuck dabei, und er wollte mir einen Gefallen tun. Allerdings dachte ich, es würde sich um ein Familienerbstück handeln und nicht um die Kronjuwelen.“

Sandy zog eine Braue hoch. „Ma’am, in diesem Teil der Welt ist er das fast. Kennen Sie seine Geschichte?“

Plötzlich fröstelte sie. „Leider nicht.“

Er wirkte überrascht. „Es ist nicht so, als würde ich Ihnen ein großes Geheimnis verraten.“

„Ich liebe Geheimnisse“, erwiderte sie leichthin, obwohl sie bestürzt war.

„Dann können wir Sie nicht enttäuschen“, ließ sich eine vertraute Stimme hinter ihr vernehmen.

„Verdammt, Brod, du willst Rebecca doch nicht entführen?“, fragte Sandy verächtlich und resigniert zugleich.

„Ich muss mit ihr reden, Sandy. Du kannst später noch mit ihr tanzen.“

Sandy blickte Rebecca in die Augen. „Versprochen?“

„Versprochen, Michael.“ Sie spürte, wie sie sich bei der Vorstellung, in Broderick Kinross’ Armen zu liegen, verspannte.

Nachdem er sie Brod übergeben hatte, ging er weg und schnappte sich gleich die nächste Tanzpartnerin.

„Sie haben heute Abend für Aufsehen gesorgt.“ Brod war schockiert darüber, dass es ihm so natürlich erschien, Rebecca ihn den Armen zu halten.

„Scheint so“, sagte sie trocken. Sie sah zu ihm auf und betrachtete sein Gesicht. Seine Augen funkelten gefährlich. Kein Mann sah so umwerfend aus wie er. So elegant. Man merkte ihm seine Herkunft an, selbst wenn er seine Arbeitskluft trug.

„Ihr Kleid ist sehr schön.“ Aufreizend ließ Brod den Blick langsam nach unten zu ihrem Ausschnitt schweifen.

„Danke“, antwortete sie kühl, obwohl ihr das Atmen schwerfiel.

„Man braucht ein schönes Kleid, wenn man kostbaren Schmuck tragen will.“

Rebecca nahm die Herausforderung nicht an. „Sie tanzen aus einem bestimmten Grund mit mir?“

Brod nickte. „Ich glaube, wir verstehen uns.“

„Es ist also wegen der Kette?“

„Stimmt.“ Er kam näher, damit sie nicht mit einem anderen Paar zusammenstießen.

„Also, wollen Sie mir alles darüber erzählen?“

„Heißt das, Dad hat es nicht getan?“ Er lächelte schief.

Rebecca versuchte, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „Er meinte, er würde es irgendwann tun.“

Ihr ätherisches Äußeres täuscht, dachte er. „Es ist kein großes Geheimnis.“

„Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie es mir sagen würden“, erklärte sie wütend.

Brod betrachtete sie prüfend. „Die Kette, die Sie tragen, wurde seit Generationen an jede Braut in der Familie weitergegeben. Niemand sonst trägt sie. Weder Fee noch meine Schwester. Zuletzt habe ich sie um den Hals meiner Mutter gesehen. Sicher wissen Sie bereits, dass das Vermögen der Familien Kinross und Cameron zum großen Teil aus einem großen Opalfund im Jahr 1860 stammt?“

„Ja, das habe ich gelesen.“ Sie stand unter Schock. „Und Fee hat mir davon erzählt.“

„Aber Sie haben nicht von Cecilias Kette gehört?“

Sein Zynismus war unerträglich. „Das ist also Cecilias Kette? Ich wollte sie nicht tragen. Ihr Vater hat darauf bestanden, und ich wollte ihn nicht kränken.“

„Hätten Sie auch jedes Kleid angezogen, das er ausgesucht hätte?“

Die Band hörte auf zu spielen, und alle Gäste klatschten begeistert Beifall. Rebecca wollte fliehen, doch Brod hielt ihren Arm umfasst.

„Das muss ich mir wirklich nicht anhören“, erklärte sie schließlich. Ihr Herz raste förmlich.

Er blickte über ihren Kopf hinweg zu den tanzenden Paaren. „Sie können sich wieder zu Dad setzen, sobald ich mit Ihnen fertig bin.“

„Ich kann auch jetzt gehen.“ Allerdings übte er eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.

„Versuchen Sie es doch“, sagte er leise, und seine Augen funkelten herausfordernd.

„Ich mag keine Tyrannen.“

„Es würde mir nicht im Traum einfallen, Sie zu tyrannisieren.“ Er lockerte seinen Griff. „Und ich mag den Typ Scarlett O’Hara nicht.“

„Sie reden Unsinn.“

„Nicht nach dem, was heute Abend passiert ist. Alle haben es gesehen und werden es weitererzählen.“

„Was?“ Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie ihn hasste.

„Verdammt, Miss Hunt, mein Vater hätte Ihnen genauso gut einen Verlobungsring geben können. Meiner Mutter hat er einen Vierkaräter geschenkt. Er liegt immer noch im Safe.“

Unvermittelt befreite Rebecca sich aus seinem Griff, doch er umfasste stattdessen ihr Handgelenk und zog sie zum Rand der Tanzfläche.

„Ich bin wirklich schockiert.“ Sie wirbelte zu ihm herum.

„Warum? Weil Sie Schuldgefühle haben?“

„Wie charmant Sie sind.“ Am liebsten hätte sie sich in seine Wut hineingesteigert, aber das war nicht ihre Art.

„Ich möchte, dass Sie mich ernst nehmen.“ Aus den Augenwinkeln sah er seinen Vater auf sich zukommen. Sein Vater. Fast war er sein Feind.

„Oh, das tue ich.“ Ihre schönen Augen wurden eine Nuance dunkler. „Offenbar haben Sie Angst davor, dass Ihr Vater wieder heiraten könnte. Es ist sogar möglich, dass Sie dann nicht mehr der Erbe sind“, fügte sie hinzu, weil sie der Versuchung nicht widerstehen konnte.

Starr blickte Brod auf sie hinunter. Dabei wurde ihm so richtig bewusst, dass er sie gern geküsst hätte. „Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber mein Erbe ist gesichert. Daran kann selbst Dad nichts mehr ändern. Aber sprechen Sie weiter, Rebecca, ich möchte wissen, wie Ihre Pläne aussehen.“

„Was hätte es für einen Sinn?“, erwiderte sie spöttisch und zuckte mit den Schultern. „Sie haben sich doch schon eine Meinung über mich gebildet.“

„Na ja, Sie haben etwas erreicht, was Ally und ich nie geschafft haben“, bemerkte er ironisch. „Mein Vater frisst Ihnen aus der Hand.“ Er wandte den Kopf. „Ah, da kommt er ja. Dann entschuldigen Sie mich. Sicher wird er sich um Sie kümmern, Miss Hunt.“

Rebecca glaubte nicht, dass sie den Abend überstehen würde, ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie musste ihrer Angst mit innerer Gelassenheit begegnen. Und sie würde den Opal nicht länger tragen, sondern bei der erstbesten Gelegenheit abnehmen. Sie konnte es Broderick Kinross nicht verdenken, dass er sie derart herausgefordert hatte. Aber warum hatte Fee sie nicht gewarnt? Wenn sie jetzt darüber nachdachte, hatte Fee sich merkwürdig verhalten. Vermutlich hatte sie ihre Bedenken deshalb nicht geäußert, weil Stewart Kinross sehr arrogant und sein Sohn wahrscheinlich der Einzige war, der es wagte, ihm Vorschriften zu machten.

Das Büfett war genauso üppig, wie Stewart es versprochen hatte. Die langen Tische, auf denen bodenlange gestärkte Decken lagen, bogen sich förmlich unter den kulinarischen Köstlichkeiten – Schinken, Truthahn, verschiedene Hähnchengerichte, große Platten mit Räucherlachs, aus dem Norden von Queensland eingeflogene Meeresfrüchte wie Garnelen, Hummer und Baramundi sowie zahlreiche verschiedene Salate, Reis- und Nudelgerichte. Mehrere Barkeeper waren für die Getränke zuständig, zwei junge Ober gingen zwischen den Tischen hin und her, und die mitreißende Musik der Band, zu der viele Paare tanzten, übertönte zeitweilig jedes andere Geräusch.

Rebecca aß allerdings kaum etwas, weil sie zu aufgewühlt war. Stattdessen unterhielt sie sich eine Weile mit Rafe und Grant Cameron, die zu taktvoll waren, um sie auf die Kette anzusprechen. Ständig leuchteten irgendwo Blitze auf, weil die meisten Gäste nun fotografierten.

Auf der anderen Seite des Raumes sah Rebecca Brod Kinross inmitten einer kleinen Gruppe. Liz Carrol hielt seine Hand und lächelte ihn strahlend an. Auch Fee amüsierte sich sichtlich. Sie ging von einer Gruppe zur anderen und unterhielt die Gäste mit ihren Anekdoten.

Schließlich gesellte Fee sich zu ihr, als Michael sie, Rebecca, gerade allein ließ, um ihr ein Glas Mineralwasser zu holen. Auf keinen Fall würde sie zu viel trinken. Sie hatte immer alles unter Kontrolle.

„Na, wie läuft es?“, erkundigte Fee sich lächelnd.

Rebecca wandte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen.

„Fee, warum haben Sie mir nicht gesagt, dass diese Kette nur von den Ehefrauen in der Familie getragen wird?“, fragte sie.

„Du meine Güte!“, sagte Fee leise und sank auf einen der mit Bändern geschmückten Stühle. „Ich dachte, Stewart hätte es Ihnen erzählt.“

„Kommen Sie, Fee. Glauben Sie, ich hätte die Kette getragen, wenn ich es gewusst hätte?“

„Nein.“ Traurig schüttelte Fee den Kopf. „Nicht eine nette junge Frau wie Sie.“

„Warum haben Sie mich nicht gewarnt? Ich komme mir so dumm vor.“

Fee zuckte zusammen. „Sie sind zu Recht wütend auf mich. Aber ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass Stewart hier das Sagen hat. Er hätte es nicht gern gesehen, wenn ich mich eingemischt hätte. Außerdem muss ich zugeben, dass ich überlegt habe, ob Sie es vielleicht doch wissen. Schließlich sind Sie beide sich sehr nahe gekommen.“

„Du meine Güte!“ Rebecca konnte es nicht fassen. „Das Einzige, was ich für Stewart empfinde, ist Respekt. Ich bin halb so alt wie er, Fee!“

„Ich weiß, Schätzchen, aber ich habe schon eine Menge erlebt. Viele Frauen lassen sich von Geld beeindrucken.“

„Ich nicht“, sagte Rebecca ausdruckslos.

„Schon gut.“ Beschwichtigend tätschelte Fee ihr die Hand. „Aber mir ist klar, dass Sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Eine gescheiterte Romanze. Eine empfindsame junge Frau wie Sie könnte sich dann mit anderen Dingen zufrieden geben. Sicherheit. Geborgenheit. Wissen Sie, was ich meine?“

„Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich bin glücklich, so wie ich bin.“ Zumindest wollte sie, Rebecca, das glauben.

„Wenn Stewart es Ihnen nicht erzählt hat, wer dann?“, fragte Fee.

„Ihr Neffe natürlich. Und er hat sich nicht gerade zurückgehalten.“

„Wahrscheinlich dürfen Sie ihm daraus keinen Vorwurf machen.“

„Das tue ich auch nicht“, erwiderte Rebecca trocken, „aber mir ist noch nie jemand begegnet, der so … so voller Hass ist.“

„Er hat Sie durcheinandergebracht.“ Fees stark geschminkte grüne Augen blickten bedauernd.

„Ja, so ungern ich es zugebe. Er denkt, ich wäre hinter seinem Vater her.“

„Ist das denn so abwegig, Schätzchen? Sehen Sie sich doch um. Die Hälfte der Frauen in diesem Raum würde Stewart sofort heiraten. Er ist immer noch ein sehr attraktiver Mann und obendrein schwerreich.“

„Macht ist das größte Aphrodisiakum.“

„Genau, Schätzchen.“

„Aber für mich nicht.“ Rebecca zog ungeduldig an der Kette. „Sobald ich irgendwie kann, gehe ich ins Haus und schließe die Kette weg.“

„Gut. Ich versuche, Sie zu begleiten“, erwiderte Fee. „Allerdings kenne ich die Kombination vom Safe nicht. Vielleicht kennt Brod sie.“

„Lassen Sie ihn aus dem Spiel.“ Rebeccas Augen funkelten, und Fee musste lachen.

„Zwischen Ihnen beiden sind richtig die Funken geflogen. Ich habe Sie noch nie so wütend erlebt.“

„Ich möchte nicht wütend sein“, erklärte Rebecca ernst. „Ich bin sehr gern hier auf Kimbara, und die Arbeit an Ihrem Buch macht mir viel Spaß. Aber ich bin nicht glücklich über … diese Situation.“

„Lassen Sie mich mit Brod reden“, erbot sich Fee und blickte sie besorgt an. „Ich möchte Sie auf keinen Fall verlieren. Wir arbeiten so gut zusammen, und wenn ich Sie in der Nähe habe, fühle ich mich auch meiner Tochter näher.“

„Natürlich vermissen Sie Francesca.“

„Und ob.“ Fee seufzte.

„Lebt sie noch bei ihrem Vater?“

„Nein. Sie hat eine eigene Wohnung in London, die Rupert ihr gekauft hat. Aber sie ist oft in Ormond House und nimmt auch ihre Freunde mit. Durch die Arbeit an der Biografie ist alles wieder hochgekommen. Jetzt bin ich traurig darüber, dass ich nie für meine Kleine da war, wenn sie mich gebraucht hat. Irgendwie habe ich sie im Stich gelassen. Meine Karriere hat viele Opfer von mir erfordert, und sie hat mich meine Ehe gekostet. Kein Wunder, dass Fran ihren Vater vergöttert. Er war sowohl Vater als auch Mutter für sie.“

„Aber jetzt haben Sie sich mit den beiden ausgesöhnt, oder?“ Rebecca tätschelte ihr sanft die Hand.

„O ja, Schätzchen. Rupert hat längst wieder geheiratet und ist glücklich. Francesca ruft mich oft an. Ich wünschte, sie würde mich hier besuchen. Ich möchte Sie so gern mit ihr bekannt machen. Stewart mag Fran sehr. Er mag beherrschte, sanftmütige Frauen. Ich war immer ein sehr leidenschaftlicher Mensch.“

„Und deswegen sind Sie wahrscheinlich eine so hervorragende Schauspielerin“, tröstete Rebecca sie. „Sie brauchen nicht mitzukommen, Fee. Ich gehe allein ins Haus.“

„Na gut, Schätzchen.“ Fee stand auf. „Sie können die Kette in Stewarts Schreibtisch legen. Schließen Sie die Schublade ab, und nehmen Sie den Schlüssel mit. Und sagen Sie Stewart, dass Sie sich damit nicht mehr wohl gefühlt haben, nachdem Sie von ihrer Geschichte erfahren hatten.“

„Nicht mehr wohl gefühlt“ ist gar kein Ausdruck, dachte Rebecca. Als sie aufblickte, sah sie Michael mit dem Mineralwasser zurückkommen.

4. KAPITEL

Als Rebecca die Eingangshalle betrat, blickte sie auf die Uhr an der mit Rosenholz getäfelten Wand. Es war zwanzig Minuten nach Mitternacht. Der Ball war immer noch in vollem Gange. Derartige Feste waren typisch fürs Outback, allerdings waren vermutlich nicht viele so feudal. Stewart hatte alles strategisch geplant und sogar die Blumen selbst ausgesucht. Und das alles nur für sie. Daran wollte sie nicht denken.

Einige Gäste würden bestimmt bis zum Morgen durchfeiern. Sie hätte sich auch amüsiert, wenn Stewart ihr die Kette nicht aufgenötigt und damit alles verdorben hätte. Warum hatte er das getan? Um seinen Gästen zu zeigen, dass er ein Auge auf eine attraktive junge Frau geworfen hatte, die er als potenzielle Ehefrau ansah?

Es war wirklich schade, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte, sie zu fragen! Er ging davon aus, dass er jede Frau haben konnte.

Wie anmaßend!

Im Haus war es ganz still, doch überall brannte Licht. Rebecca betrat Stewarts Arbeitszimmer, das mit einem massiven Schreibtisch und mehreren Schränken, in denen Hunderte von Büchern und zahlreiche Pokale standen, eingerichtet war. An den Wänden hingen Gemälde von Pferden und ein großes Porträt von Stewarts verstorbenem Vater und Brods Großvater, Sir Andrew Kinross, direkt über dem Kamin.

Rebecca blieb einen Moment stehen, um es zu betrachten. Sir Andrew war ein sehr imposanter Mann gewesen, groß, attraktiv und vornehm. Es war das typische Kinross-Gesicht. Doch die grünen Augen wirkten so freundlich. Freundlich und klug. Der Ausdruck in Stewarts Augen hingegen verriet Machtbewusstsein und den Wunsch, alle zu beherrschen.

In Broderick Kinross’ strahlend blauen Augen schwelte ein Feuer. Ihr wurde bewusst, dass er Gefühle in ihr weckte, die leicht außer Kontrolle geraten konnten. Sie wollte sich nicht mit ihm einlassen, denn Broderick Kinross war zynisch, voreingenommen und gefährlich attraktiv, und sie fürchtete Männer wie ihn.

Rebecca ging um den großen Schreibtisch herum und lehnte sich kurz dagegen, während sie die Kette abnahm. Sie hätte sich Stewart widersetzen und sie nicht anlegen sollen. In gewisser Weise fühlte sie sich überwältigt, weil sie von einem Tag auf den anderen mit einer ganz anderen Welt konfrontiert worden war. Noch nie hatte sie so viel Reichtum erlebt, obwohl sie bereits zahlreiche prominente, reiche Persönlichkeiten interviewt hatte. Seufzend öffnete sie die oberste rechte Schublade und legte die Kette vorsichtig hinein, und dabei funkelten der Opal und die Brillanten im Licht.

In diesem Moment wurde ihr bewusst, wie naiv sie war. Im Wohnzimmer hing an der hinteren Wand das Porträt einer dunkelhaarigen Frau in einem tief ausgeschnittenen smaragdgrünen Ballkleid, das sie oft bewundert hatte. Es handelte sich um Cecilia Kinross, die erste Braut auf Kimbara, und war in den ersten Jahren ihrer Ehe mit Ewan Kinross entstanden. Nach dem großen Opalfund in Neusüdwales hatte er das große Anwesen gekauft. Die Kette, die Cecilia auf dem Bild trug, hatte sie, Rebecca, nicht weiter beachtet. Auf den ersten Blick hätte man annehmen können, dass es sich bei dem großen Stein um einen Saphir handelte.

Sie hätte keinen größeren Fehler machen können. Kein Wunder, dass Liz Carrol ihr ständig diese vielsagenden Blicke zugeworfen hatte. Alle anderen Gäste mussten ebenfalls entsprechende Schlüsse gezogen haben.

Rebecca senkte den Kopf und drehte den Schlüssel im Schloss. Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich eine Stimme von der Tür her hörte.

„Na, Miss Hunt, was ist so interessant am Schreibtisch meines Vaters?“

Broderick Kinross betrat das Arbeitszimmer und blickte sie starr an.

„Er erschien mir am besten“, erwiderte sie scharf. „Die Kombination für den Safe kenne ich nicht. Sie?“

Er zog eine Augenbraue hoch und kam weiter herein. „Schon möglich. Wollen Sie mir verraten, woher Sie wissen, wo der Safe ist?“

Rebecca zuckte mit den Schultern. „Ich bin einmal an diesem Zimmer vorbeigegangen, als Ihr Vater ihn gerade geöffnet hatte und mich hereingerufen hat.“

Brod lachte. „Und das soll ich Ihnen glauben?“

„Es ist offensichtlich, dass Sie mir nicht glauben“, sagte sie betont lässig.

Seine Augen funkelten. „Also, was machen Sie am Schreibtisch meines Vaters?“

„Das, was ich schon viel früher hätte tun sollen“, erklärte sie kühl. „Ich habe die berühmte Kette weggeschlossen.“

Er ließ den Blick zu ihrem nackten Hals schweifen. „Und Sie konnten damit nicht bis nach der Party warten?“

Spöttisch sah sie ihn an. „Es gibt wohl niemanden, der arroganter ist als Sie.“

„Wie wär’s mit meinem Vater?“

„Und Sie hören überhaupt nicht zu, wenn man Ihnen etwas erklärt. Ich hatte keine Ahnung, welchen Symbolcharakter die Kette hat. Und nun, da ich es weiß, werde ich sie auf keinen Fall weiter tragen.“ Am besten ergriff sie jetzt die Flucht, denn obwohl er sie nicht mochte, knisterte es förmlich zwischen ihnen.

„Dafür ist es zu spät, Rebecca“, erinnerte er sie sanft. „Und ich kaufe Ihnen die Geschichte nicht ab.“

„Welche Geschichte?“

„Mein Instinkt sagt mir, dass Sie sich zu reichen, älteren Männern hingezogen fühlen. Es könnte mit Ihrer Vergangenheit zu tun haben, über die wir erstaunlich wenig wissen. Vielleicht suchen Sie eine Vaterfigur. Ich habe Freud gelesen.“

Rebecca wandte den Blick ab. „Sie reden Unsinn.“

„Wohl kaum. Es ist doch offensichtlich.“

„Ich gehe jetzt. Ich finde allein zurück.“ Hoffentlich kam sie an ihm vorbei!

Brod versperrte ihr den Weg. „Noch gehen Sie nicht. Geben Sie mir den Schlüssel.“

Da sie ihn offenbar nicht berühren wollte, nahm er ihr den Schlüssel aus der zittrigen Hand. „Danke.“ Er ging zum Schreibtisch, öffnete die Schublade und sah die Kette darin liegen. „Ich habe Ihnen nicht vorgeworfen, dass Sie die Kette stehlen wollten, Rebecca.“

„Es ist mir egal, was Sie denken“, erwiderte sie verächtlich.

„Und warum zittern Sie dann?“ Er lächelte schief. Plötzlich verspürte er das Bedürfnis, ihren weißen Hals zu streicheln und die Hand dann zum Ansatz ihrer Brüste gleiten zu lassen.

„Am liebsten würde ich Ihnen dieses Lächeln aus dem Gesicht wischen.“

„Ist es so schlimm?“, meinte er spöttisch. „Also, worauf warten Sie?“

Sie hätte ihn gerne angeschrien, dass er ihr nicht zu nahe kommen sollte. Stattdessen sagte sie mühsam beherrscht: „Sie sollten sich bei mir entschuldigen.“

„Sie machen Witze, Rebecca. Warum legen wir die Kette nicht in den Safe?“

Rebecca lächelte boshaft. „Sind Sie sicher, dass Ihr Vater Ihnen die Kombination genannt hat?“

Brod wandte sich zu ihr um. „Sagen Sie mir, wo der Safe ist, dann werden Sie es sehen.“

„Da hinten.“ Sie wich einige Schritte zurück und deutete in die entsprechende Richtung. „Hinter dem Bild ‚Die Jagd‘.“

„Stellen Sie sich ans Fenster.“

Gehorsam ging sie zum Fenster. „Soll ich mir die Augen zuhalten?“

„Sehen Sie hinaus“, sagte er sanft.

Rebecca lachte auf. „Jetzt gehen Sie wirklich zu weit.“

„Ich glaube nicht“, widersprach er. „Ich habe den ganzen Tag an Sie gedacht.“

Seine Worte gingen ihr durch und durch. Unwillkürlich wirbelte sie herum, genau in dem Moment, als er die Safetür schloss. „Ich dachte, mein Vater wäre längst aus dem Alter heraus, in dem man sich verliebt.“

Ironisch verzog sie den Mund. „Tatsächlich? Dann haben Sie sich geirrt. Menschen verlieben sich in jedem Alter. Liebe ist etwas Großartiges.“

„Da stimme ich Ihnen zu.“ Brod kam auf sie zu. „Und wen lieben Sie, Rebecca?“

„Das geht Sie nichts an“, sagte sie mit bebender Stimme. Ihr schien es, als würden sie beide gleich eine große Dummheit begehen. Im Licht des schweren Kronleuchters wirkte Brods Gesicht wie gemeißelt, und seine Augen funkelten und verrieten ungezügeltes Verlangen. Er war sehr attraktiv, mächtig, ein Mann, vor dem man sich fürchten musste. Er konnte sie nur verletzen.

„Verrückt, nicht?“ Als er vor ihr stand, umfasste er ihr Kinn.

Sobald Brod die Lippen auf Rebeccas presste, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es war zu viel für ihn. Ihre perlmuttfarbene Haut, ihr schlanker Körper, ihr Anblick, ihr Duft. Voller Misstrauen war er ihr gefolgt, und nun lag sie in seinen Armen.

Ihre Lippen waren so voll und weich. Wie Samt. Bereitwillig öffnete Rebecca sie, als wäre sie genauso überwältigt wie er. Noch nie hatte er das Gefühl gehabt, dass eine Frau so perfekt für ihn war. Er küsste sie nicht nur, wie Brod in diesem Moment bewusst wurde. Entsetzt stellte er fest, dass er im Begriff war, sich in sie zu verlieben. In eine Fremde. In eine Frau, der er nicht traute.

Vielleicht war es das, was sie wollte. Den Vater und den Sohn.

Der Gedanke daran verlieh Brod die Kraft, sich von ihr zu lösen, obwohl er in Flammen stand.

Sie hatte so viel Macht über ihn. Sie war so süß! So geheimnisvoll! Plötzlich sträubte sich alles in ihm. Er hatte immer versucht, das Richtige zu tun, doch ihm war klar, dass sie fallen könnte, wenn er sie nicht festhielt. Warum verhielt sie sich so?

„Rebecca?“ Sein Zorn wuchs, als Brod bewusst wurde, dass er kämpfen musste, um sie gehen zu lassen.

„Was erwarten Sie von mir? Sagen Sie es mir“, bat Rebecca heiser. Sie hätte weinen mögen, weil sie nach all den Jahren doch schwach geworden war.

Starr blickte Brod sie an. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Ich hätte das nicht tun sollen“, sagte er finster. „Ich muss den Verstand verloren haben.“

Vielleicht spielte sie eine Rolle, durchtrieben, wie sie war. Dennoch umfasste er ihre Taille und hob sie auf den Schreibtisch, während sie ihn beinahe hilflos ansah.

„Im Mittelalter mussten Frauen wie Sie damit rechnen, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden“, erklärte er höhnisch.

„Und was hätten Sie davon gehabt?“, konterte sie. Inzwischen hatten ihre Wangen wieder etwas Farbe bekommen.

„Ich wäre Ihnen natürlich zu Hilfe gekommen“, erwiderte er spöttisch. „Und wäre dabei wohl selbst umgekommen.“

Rebecca war völlig durcheinander. Einen Moment lang presste sie sich die Hände vors Gesicht. „Ich muss zurück“, sagte sie zweimal leise.

„Das glaube ich auch“, bestätigte Brod mit einem grausamen Unterton. „Sonst sucht mein Vater Sie. Und wenn er uns zusammen sieht, denkt er womöglich, ich würde versuchen, Sie ihm auszuspannen.“

„Es sei denn, Sie reden Unsinn.“

„Leider ist es das nicht. Sie haben wirklich Macht, Rebecca.“ Er streckte die Hand aus und ließ eine Strähne ihres Haars durch die Finger gleiten. „Sie faszinieren mich sogar. Aber ich kann Ihnen Ihre Unschuldsbekundungen nicht abnehmen. Dass mein Vater Ihnen aus der Hand frisst, ist für mich Beweis genug, denn ich kenne ihn. Hier.“ Unvermittelt hob er sie wieder hinunter. „Wir gehen jetzt besser zurück, aber Sie gehen vor, und ich folge Ihnen. Dad hat ein verdammt teures Feuerwerk für Sie organisiert.“

Plötzlich ertrug sie es nicht mehr, mit ihm in einem Raum zu sein. In gewisser Weise hatte sie schreckliche Angst vor ihm. Vor seinen verführerischen Händen und Lippen, seinen hinreißenden Augen. Noch nie hatte sie sich einem Mann so bereitwillig hingegeben.

„Und ich habe nichts davon gewusst.“ Mit einer Hand strich Rebecca sich das Haar aus dem Gesicht, mit der anderen bedeutete sie Brod, sich nicht von der Stelle zu rühren. „Ich gehöre nicht hierher“, sagte sie. Ihre Arbeit an Fees Buch würde beendet sein und auch ihr Aufenthalt auf Kimbara. Alles.

„Ich verstehe es leider auch nicht.“ Er lächelte ironisch. „Aber eins sage ich Ihnen. Keiner von uns beiden wird Sie gehen lassen.“

Am Sonntagmittag hatten alle Gäste die Rückreise angetreten. Rebecca hatte kaum geschlafen und war spät aufgestanden. Da Brod mit Rafe und Grant Cameron, mit denen er offenbar eng befreundet war, hatte zurückfliegen wollen, würde sie ihm vermutlich nicht mehr begegnen, und das war auch gut so. Als sie nach unten ging, sah sie, dass die Tür zu Stewarts Arbeitszimmer geschlossen war, und hörte Vater und Sohn drinnen lautstark debattieren. Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, wieder in ihr Zimmer zu laufen und sich darin zu verbarrikadieren. Brod war also nicht, wie geplant, nach Marlu zurückgeflogen. Einen Moment lang stand sie regungslos da, bis Jean Matthews, die Haushälterin, in der Eingangshalle erschien.

„Guten Morgen, Rebecca“, grüßte sie. „Wie wär’s mit Frühstück?“

Rebecca lachte. „Nur Tee und Toast, aber lassen Sie mich es holen.“

„Das Angebot nehme ich gern an“, erwiderte Jean Matthews. „Ich habe alle Hände voll zu tun. Kommen Sie mit in die Küche. Ich trinke eine Tasse mit Ihnen.“

„Ist Fee noch nicht auf?“, fragte Rebecca, als sie zusammen in die große alte Küche gingen, die bestens ausgestattet war.

„Natürlich nicht!“ Jean lächelte. „Ich schätze, sie hat einen Kater. Mr. Kinross und Broderick dagegen sind schon wieder zur Tagesordnung übergegangen.“

„Ich dachte, Brod würde heute nach Marlu zurückkehren“, bemerkte Rebecca betont beiläufig.

„Das dachte ich auch.“ Jean tat Brot in den Toaster, während Rebecca Tee machte. „Er bleibt leider nie lange. Aber soweit ich weiß, steht eine Besprechung mit Ted Holland, dem Vorarbeiter, an. Broderick ist an den Entscheidungen beteiligt, auch wenn er und sein Vater nie einer Meinung sind.“

„Es ist keine glückliche Familie“, sagte Rebecca seufzend und goss kochendes Wasser über die Teeblätter in der Kanne.

„Das haben Sie ja schnell gemerkt.“ Jean schnitt ein Gesicht. „Mr. Kinross hat die Liebe seiner Kinder zurückgewiesen. Ich bin schon lange hier, deswegen weiß ich es. Früher war ich Kindermädchen hier. Hat Fee Ihnen das erzählt? Ich habe als Hausangestellte hier angefangen, als ich kaum sechzehn war. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Miss Lucille nicht mehr unter uns weilt. Sie war ein Engel. Ich habe sie sehr gemocht.“

Der Ausdruck in ihren Augen bewies, dass sie es längst aufgegeben hatte, ihren Arbeitgeber zu mögen. „Ich bin wegen der Kinder geblieben. Es hat einem schier das Herz zerrissen. Ich habe unter Mrs. Harrington, meiner Vorgängerin, im Haus gearbeitet. Sie hat mich so nervös gemacht, aber sie war eine wundervolle Haushälterin und eine hervorragende Köchin. Hat mir alles beigebracht. Als sie aufgehört hat, hat Mr. Kinross mich gebeten, ihre Stelle zu übernehmen. Alles ist anders als damals. Broderick ist auf Marlu. Ally lebt in Sydney. Meine Güte, sie hätte Rafe Cameron haben können!“ Jean, die untersetzt war, sank auf einen Küchenstuhl. „Aber ich fürchte, es ist zu spät. Sie können die Scherben nie wieder kitten.“

Ihre Augen glänzten verräterisch, und sie nahm ihre Brille ab, um sie zu putzen. „Hab versucht, es ihr auszureden. Broderick hat es auch versucht. Rafe ist sein bester Freund. Sogar Mr. Kinross war außer sich.“

„Halten Sie es nicht für möglich, dass die beiden wieder zusammenkommen?“, fragte Rebecca.

„O nein, meine Liebe“, erwiderte Jean seufzend. „Die Camerons sind sehr stolze Männer.“

„Aber bisher hat keine Frau Rafe vor den Altar bekommen“, wandte Rebecca ein.

Jeans Miene hellte sich auf. „Stimmt.“

Unterdessen war im Arbeitszimmer der letzte Punkt auf der Tagesordnung geklärt, nämlich die Entscheidung über die Teilnahme an der Versteigerung einer bekannten Schaf- und Rinderzuchtfarm im Innern von Queensland. Brod stand auf und ordnete einen Stapel Papiere. Er hatte die ganze Zeit gemerkt, dass sein Vater etwas auf dem Herzen hatte. Nun sprach er es an.

„Bevor du gehst, Brod …“ Stewart Kinross nahm seine Lesebrille ab und rieb sich die Nase. „Ich würde gern mit dir über das reden, was gestern Abend vorgefallen ist.“

„Der Ball war ein großer Erfolg“, sagte Brod. „Alle haben sich ganz begeistert darüber geäußert.“

„Das habe ich nicht gemeint.“ Sein Vater blickte ihn kalt an. „Rebecca hat mir zu verstehen gegeben, dass sie dich gebeten hat, die Kette in den Safe zu legen.“

„Ja, das hat sie. Du warst beschäftigt, und sie konnte es gar nicht erwarten, das verdammte Ding abzunehmen. Allerdings hat man es ihr nicht angemerkt. Sie hat wirklich die Ruhe weg.“

„Können wir nicht mal für einen Moment ernst bleiben?“, fragte sein Vater scharf.

„Was willst du von mir hören, Dad?“ Brod wandte sich wieder um. „Unter ihrem zarten Äußeren verbirgt sich ein harter Kern.“

„Rebecca soll hart sein? Ich hoffe, du hast sie nicht beleidigt.“

„Warum sollte ich sie beleidigen?“, erkundigte Brod sich mühsam beherrscht.

„Weil du andere gern aufstachelst. Hast du dafür gesorgt, dass sie sich mit der Kette unwohl fühlt?“

„Ob ich dafür gesorgt habe?“ Brod knallte den Stapel Papiere auf den Tisch. „Nein, das hast du getan, Dad. In Anbetracht der Tatsache, dass alle von der Kette und ihrer Geschichte wissen, hätte sich wohl jede Frau damit unwohl gefühlt. Sie ist, wie uns allen bekannt ist, für meine zukünftige Frau bestimmt.“

Stewart Kinross schob seinen großen Drehsessel zurück. „Willst du damit andeuten, dass ich viel zu alt bin, um noch einmal zu heiraten?“

„Verdammt, Dad!“ Brod schlug mit der Faust in die Handfläche. „Ich hätte keine Tränen vergossen, selbst wenn du ein halbes Dutzend deiner Freundinnen geheiratet hättest. Einige von ihnen waren wirklich nett. Aber Rebecca Hunt ist für dich tabu.“

Sein Vater lächelte humorlos. „Du hast offenbar zu zurückgezogen gelebt, Brod. Spielst du auf ihr Alter an?“

„Dad, sie ist zu jung für dich. Sie ist nur etwas älter als Ally. Sie ist jünger als ich.“

„Und?“ Die Miene seines Vaters war wie versteinert. „Ich sehe darin kein großes Hindernis.“

Brod sank wieder auf seinen Stuhl. „Es ist dir also ernst?“

Sein Vater wurde rot. „Sie ist genau die Frau, die ich immer gesucht habe.“

„Selbst wenn sie über vierzig wäre, würdest du mehr über sie wissen müssen“, brauste Brod auf.

„Ich weiß genug“, tobte Stewart Kinross. „Ich kann deine Ängste verstehen, Brod. Rebecca ist jung genug, um Kinder zu bekommen.“

„Ja, natürlich! Hast du überhaupt mal mit ihr darüber gesprochen? Rebecca hat mir erzählt, sie hätte von der Bedeutung der Kette nichts gewusst, und sie hätte sie getragen, weil sie dich nicht kränken wollte und du sehr hartnäckig gewesen wärst.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Vater antwortete. „Du warst nicht dabei, Brod.“

Hat sie mich etwa belogen, überlegte Brod bitter.

„Natürlich habe ich Rebecca die ganze Geschichte erzählt“, fuhr sein Vater heftig fort. „Sonst hätte es bestimmt jemand anderes getan.“

„Du hast ihr tatsächlich erzählt, dass sie nur von den Ehefrauen in der Familie getragen wurde? Dass meine Mutter die letzte Frau war, die sie getragen hat?“

Stewart Kinross zuckte mit den Schultern. „Deine Mutter habe ich nie erwähnt. Ich habe seit Jahren nicht mehr über sie gesprochen. Sie hat mich und euch Kinder verlassen. Sie hat ihr Ehegelübde gebrochen und wurde dafür bestraft.“

Über Brods Gesicht huschte ein teils wütender, teils verächtlicher Ausdruck. „Was für ein kaltblütiger Mistkerl du doch bist. Bestraft! Meine arme Mutter! Sie hätte fast jeden Mann heiraten können. Irgendeinen normalen Mann, dann wäre sie heute noch am Leben.“

Die Augen seines Vaters funkelten kalt. „Dann wärst du nie mein Erbe gewesen.“

„Ich bin aber dein Erbe, Dad. Vergiss das nicht.“ Brod sah seinen Vater so grimmig an, dass dieser den Blick abwandte.

„Ich glaube, das war’s“, verkündete er ein wenig überstürzt. „Du denkst anscheinend, dass ich kein Recht auf ein eigenes Leben habe, Brod. Dass ich meine Erwartungen mit fünfundfünfzig runterschrauben soll.“

Brod stand auf und ging zur Tür. Er war völlig durcheinander. Rebecca hatte ihn tatsächlich belogen. „Soweit ich weiß, hast du deine Erwartungen noch nie runtergeschraubt, Dad. Du hältst dich für den Alleinherrscher. Geld spielt für dich keine Rolle. Wenn ich nicht so verdammt tüchtig wäre, würdest du vorsichtiger damit umgehen.“

Sofort ging Stewart Kinross in die Defensive. „Was glaubst du eigentlich, mit wem du es zu tun hast?“, tobte er. „Ich bin dein Vater.“

„Und ob du das bist“, bestätigte Brod grimmig. „Und ein ziemlich schlechter obendrein.“

„Du solltest jetzt lieber gehen“, warnte ihn sein Vater. „Ich muss mir meine Sünden nicht vorhalten lassen. Tatsache ist, dass du eifersüchtig auf mich bist, Brod. Das warst du schon immer. Und jetzt ist Rebecca aufgetaucht …“ Er verstummte und blickte ihn starr an. „Als ihr gestern Abend miteinander getanzt habt, war euer Gesichtsausdruck sehr verräterisch.“

Brod lachte unvermittelt und rieb sich das markante Kinn. „Du hast uns nicht aus den Augen gelassen, stimmt’s, Dad?“

„Ich habe letztes Mal eine falsche Entscheidung getroffen. Den Fehler werde ich nicht noch einmal machen. Ich muss zugeben, dass ich von Rebecca ein bisschen enttäuscht war. Du scheinst sie durcheinanderzubringen. Hast du ihr gedroht?“

„Offen gesagt, Dad, habe ich ihr zu verstehen gegeben, dass sie sich besser nicht mit dir einlässt.“ Erst später wurde Brod klar, dass es nicht besonders klug gewesen war, das zu sagen. Er hätte seinen Vater in dem Glauben lassen sollen, dass Rebecca und er sich zueinander hingezogen fühlten. Jetzt musste er erst einmal von hier verschwinden, denn er würde Miss Rebecca Hunt vermutlich nicht gegenübertreten können, ohne in die Luft zu gehen. Grant würde ihn erst am Montagnachmittag abholen. Brod beschloss, zu Ted, dem Vorarbeiter von Kimbara, zu gehen und, wie besprochen, einen Rundgang mit ihm zu machen. Ted war ein guter Mann. Er hatte ihn selbst eingestellt.

Da Fee an diesem Tag nicht arbeiten, sondern sich lieber ausruhen wollte, fuhr Rebecca mit ihren Recherchen fort. Als sie bei Fee vorbeischaute und sie bat, ihr alles über Cecilias Kette zu erzählen, hielt diese sich die Hand an die schmerzenden Schläfen und sagte ihr, wo sie nachsehen sollte.

„In der Bibliothek, Schätzchen. In der Mitte des Regals links vom Kamin. Dort müsste alles sein.“

„Soll ich Ihnen wirklich nichts holen, Fee?“, fragte Rebecca. Fee war leicht geschminkt, sah aber ziemlich übernächtigt aus.

„Geben Sie mir meine Jugend zurück, Schätzchen“, rief sie.

Die Bibliothek war sehr groß. Es war eine der größten Privatbibliotheken im Land, mit Tausenden von ledergebundenen Bänden und Aufzeichnungen, die bis in die ersten Jahre der Besiedlung zurückreichten. Rebecca betrachtete es als Privileg, sie benutzen zu dürfen, denn sie liebte Bücher über alles. Sie befolgte Fees Anweisungen und entdeckte schließlich ein schmales, ledergebundenes Werk mit Goldprägung, das in den frühen siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts veröffentlicht worden war und den großen Opalfund beschrieb. Nachdem sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte, begann sie darin zu blättern.

Eine Stunde später war sie immer noch in das Buch vertieft. Der abenteuerlustige Ewan Kinross und sein ebenso wagemutiger Freund Charles Cameron, beide aus angesehenen Familien stammend, hatten Schottland in den fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts verlassen, um ihr Glück in den Goldminen in Australien zu machen. Beim Goldwaschen hatten sie kein Glück, weil sie zu wenig Ahnung davon hatten, doch sie arbeiteten weiter im Bergbau, bis sie schließlich ein großes Opalvorkommen südwestlich der Stadt Rinka in Neusüdwales entdeckten.

Obwohl man ihnen sagte, der Fund sei wertlos, pachteten sie das Land. Der Rest war Geschichte. Die Mine machte beide Männer reich – reich genug, sodass sie sich ihren Traum erfüllen und Land im Südwesten von Queensland kaufen konnten, um Rinder zu züchten.

Einen besonders schönen Stein behielten sie, um daraus einen Anhänger für Ewans Verwandte Cecilia Drummond machen zu lassen, denn sie waren beide in sie verliebt und wollten ihr damit ihre Ehrerbietung zeigen. Beide begannen nun, sie zu umwerben, und wurden dadurch auch zu Rivalen. Zeitweise schien es, als würde Cecilia Charles Cameron vorziehen. In einem Brief war sogar von ihrem „Ritter in schimmernder Rüstung“ die Rede. Schließlich hatte sie jedoch Ewan Kinross geheiratet und ihm vier Kinder geschenkt.

Zwischen den Zeilen las Rebecca, dass die Ehe nicht glücklich gewesen war. Vielleicht hätte Cecilia lieber Charles heiraten sollen. Die Freundschaft zwischen den beiden Männern war daran fast zerbrochen, doch nach der Geburt des ersten Kindes hatte das Verhältnis zwischen ihnen sich wieder gebessert. Charles Cameron war sogar einer der Paten gewesen.

Rebecca schlug das Buch zu und lehnte sich zurück. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Stewart ihr die Geschichte nicht erzählt hatte. Sie hatte nicht das Recht gehabt, die Kette zu tragen. Brod würde es ihr nie verzeihen, selbst wenn er einsah, dass sie von der Bedeutung der Kette nichts gewusst hatte.

Sie wusste, dass Brod mit Ted Holland weggegangen war. Da er kein Mittag gegessen hatte, würde sie ihn erst beim Abendessen wiedersehen. Fee hatte ihr erzählt, sie würde versuchen aufzustehen.

„Ich sehe meinen Neffen kaum“, hatte sie erklärt. „Wegen dieser Carol bin ich gestern Abend auch gar nicht richtig an ihn herangekommen. Ich glaube, sie hatte Angst davor, seinen Arm loszulassen.“

Dennoch war es Liz Carrol nicht gelungen, Brod für sich allein zu haben, denn er hatte mit vielen anderen Frauen getanzt.

Als Rebecca aufstand, um das Buch wieder ins Regal zu stellen, betrat Stewart Kinross die Bibliothek. Er trug Reitsachen und sah sehr imposant aus.

„Ich habe Sie überall gesucht, Rebecca“, sagte er ein wenig vorwurfsvoll.

„Das Haus ist sehr groß, Stewart“, erinnerte sie ihn sanft. „Es ist das größte Wohnhaus, das ich kenne, abgesehen von den englischen Landsitzen.“

„Im Vergleich zu denen muss das hier eine bescheidene Hütte sein.“

„Das hier wäre nirgends eine bescheidene Hütte“, erwiderte sie trocken. „Ich muss etwas mit Ihnen besprechen, Stewart.“

„Ziehen Sie erst mal Ihre Reitsachen an. Ich brauche jetzt einen Galopp, um mich von den Feierlichkeiten zu erholen.“

„Glauben Sie nicht, dass es heute ein Gewitter geben könnte?“, wandte sie ein. „Es ist sehr heiß.“

„Schon möglich“, räumte er ein, „aber das ist kein Grund zur Sorge. Ich habe oft erlebt, dass sich große Wolken am Himmel aufgetürmt haben und nicht ein Tropfen gefallen ist. Bald kommt Wind auf und vertreibt die Wolken. Wenn Sie sich umziehen, gehe ich zu den Ställen und hole zwei Pferde. Und wenn Sie ein braves Mädchen sind, dürfen Sie Jeeba reiten.“

Dann verließ Stewart die Bibliothek, und Rebecca ging nach oben in ihr Zimmer. Obwohl es ganz still im Haus war, schien die Luft elektrisch geladen zu sein. Doch erst als Rebecca in ihren Reitsachen auf der vorderen Veranda stand und ihren Hut aufsetzte, nahm sie sich die Zeit, zum Himmel hochzublicken.

Noch war er blau, aber aus irgendeinem Grund musste sie an Blitze denken. Sie war einmal mit einem Freund beim Segeln von einem Gewitter überrascht worden. Sie waren meilenweit von der Küste entfernt gewesen, und es war eine der schlimmsten Erfahrungen ihres Lebens gewesen, obwohl ihnen nichts passiert war.

Stewart und Rebecca ritten in Richtung Süden an mehreren Wasserlöchern entlang, wo die Eukalyptusbäume mit ihren frischen grünen Blättern Schatten spendeten. Keines der Wasserlöcher war tief, doch man hatte ihr erzählt, dass die Flüsse nach starken Regenfällen meilenweit über die Ufer treten konnten, und Stewart hatte ihr gezeigt, wie hoch das Wasser gekommen war. Ein kleiner Tafelberg in einigen Meilen Entfernung hob sich in der Nachmittagssonne feuerrot gegen den blauen Himmel ab und ließ ihn an dieser Stelle violett erscheinen.

Die Luft war erfüllt vom Gesang und Gekreische der Wüstenvögel, die am frühen Morgen oder gegen Sonnenuntergang am aktivsten waren. Wellensittiche im Käfig hatten ihr immer leidgetan, und nun erfreute Rebecca sich an ihrem Anblick in freier Wildbahn. In Schwärmen flogen sie durch die Lüfte und zeichneten sich gegen den Himmel ab, der in immer intensiveren Farben glühte. Im Unterholz am Ufer nisteten große Ibiskolonien. Kimbara war eines der Hauptbrutgebiete für Wasserzugvögel wie Reiher, Enten und Wasserhühner. Die Pelikane hielten sich in den entfernteren Sumpfgebieten auf, während die bunten Papageien, die rosafarbenen und grauen Kakadus und die weißen Corellas das Mulga-Scrub zu bevorzugen schienen.

Als sie den Weg zu den grasbewachsenen Ebenen hinaufritten, auf denen unzählige winzige violette Blumen blühten, duckte Stewart sich im Sattel und forderte Rebecca zu einem Rennen heraus. Sie gab ihrer Stute Jeeba die Sporen und ritt hinter ihm her. Es war hoffnungslos, denn Stewart war ein viel besserer Reiter als sie und sein Wallach wesentlich kräftiger als Jeeba. Allmählich alarmierte der Anblick des Himmels Rebecca. Sie stoppte in der Nähe einiger Bauhinia-Sträucher und wandte sich besorgt zu Stewart um. „Sollten wir nicht lieber zurückreiten, Stewart?“

Er zügelte sein Pferd neben ihr und legte die Hand auf ihre. „Warum so nervös, meine Liebe?“

Langsam entzog sie ihm ihre Hand und tat so, als würde sie ihren Akubra zurechtrücken. „Normalerweise bin ich nicht nervös, aber das Gewitter scheint nicht mehr weit weg zu sein. Sehen Sie sich den Himmel an.“

„Ich habe schon Schlimmeres gesehen“, erklärte er angespannt und beobachtete, wie sie zusammenzuckte, als ein Kakadu in der Nähe einen schrillen Schrei ausstieß. „Ich kenne mich mit dem Wetter aus. Es wird nicht regnen.“

„Wenn Sie meinen“, sagte sie skeptisch.

„So, jetzt können wir über das reden, was Sie auf dem Herzen haben“, schlug Stewart vor.

Rebecca beschloss, nicht um den heißen Brei herumzureden. „Ich glaube, Sie wissen, worum es geht, Stewart. Ich hatte keine Ahnung, dass die Kette eine so große Bedeutung für Ihre Familie hat. Warum haben Sie es mir nicht gesagt?“

Er wirkte pikiert. „Normalerweise gebe ich für mein Verhalten keine Erklärungen ab.“

„In diesem Fall hätten Sie vielleicht mal eine Ausnahme machen können“, sagte sie ernst. „Soweit ich weiß, wurde die Kette zum letzten Mal von Ihrer Frau getragen.“

Ein angespannter Zug erschien um seinen Mund. „Das ist kein großes Geheimnis, Rebecca. Was macht Ihnen so zu schaffen? Hat Brod irgendetwas zu Ihnen gesagt, weil Sie die Kette getragen haben?“

„Nein.“ Sie hielt seinem Blick stand. Auf keinen Fall wollte sie die Kluft zwischen Vater und Sohn noch vergrößern.

„Bitte sagen Sie es mir“, drängte Stewart, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Rebecca sah einen Blitz am Horizont. „Es ist eine sehr schöne Kette“, erklärte sie, zunehmend ängstlicher, „aber ich war nicht gerade glücklich darüber, zu erfahren, dass sie für Brods zukünftige Frau bestimmt ist.“

Stewart Kinross lachte eisig. „Bis dahin gehört sie mir, meine Liebe. Ich könnte wieder heiraten. Ich habe eine Menge zu bieten.“

„Das glaube ich Ihnen, Stewart. Es war nur nicht richtig, sie mir zu leihen.“

Er zögerte, und sein grimmiger Gesichtsausdruck verschwand. „Sie sehen aus, als würden Sie gleich weinen.“

„Bestimmt nicht. Es liegt an der Farbe meiner Augen. Sie ahnen gar nicht, wie oft ich das schon gehört habe.“

„Sie funkeln wie Diamanten.“ Der Blick, den Stewart ihr zuwarf, verriet so viel Gefühl, dass sie sich außer Stande fühlte, sich damit auseinanderzusetzen. Allerdings musste sie sich damit abfinden, dass seine Gefühle für sie alles ruiniert hatten. Wo würde es enden, wenn sie Kimbara nicht verließ?

„Wir sollten wirklich von hier verschwinden“, drängte sie und sah ihn gequält an. „Das Gewitter scheint näher zu kommen.“

Beinahe lässig blickte er zum Himmel empor. „Es ist noch meilenweit entfernt, meine Liebe. Aber wenn Sie Angst haben …“

„Wir sollten vernünftig sein.“

Noch immer betrachtete er sie. „Sie empfinden nichts für mich, stimmt’s?“, fragte er schließlich mit ausdrucksloser Miene.

„Das ist nicht richtig, Stewart“, rief sie. „Ich muss jetzt weg.“

„Es ist wegen Broderick, nicht?“, brachte er hervor.

„Das ist doch absurd, Stewart“, protestierte sie und legte Jeeba beruhigend die Hand auf den Hals.

„Ach ja?“

Die Art, wie er das sagte, ließ Rebecca schaudern. „Und Sie haben kein Recht, mich das zu fragen.“

„Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass er Sie bekommt.“ Er griff nach ihren Zügeln, doch sie gab Jeeba die Sporen. Daraufhin riss die Stute, die ohnehin nervös war, sich los und galoppierte davon.

Wird das denn niemals aufhören, fragte Rebecca sich verzweifelt. Würde sie bei Männern immer Besessenheit wecken?

Sie ließ Jeeba durchs Tal galoppieren und lenkte sie auf eine große Senke am Fuß eines baumlosen Hügels zu, an der Stewart und sie auf dem Hinweg vorbeigekommen waren. Der Abstand zwischen Blitz und Donner war jetzt kürzer geworden. Das Gewitter kam näher. Warum hatte Stewart bloß auf dem Ausritt bestanden? Hier konnte man nirgends Zuflucht suchen. Hatte er bewusst das Risiko gesucht? Sie hoffte, dass es gleich anfangen würde zu regnen, denn wenn es blitzte, war man in nassen Sachen besser geschützt. Sie wusste nicht einmal, ob Stewart ihr folgte.

Wegen des herannahenden Unwetters kehrte Brod frühzeitig zum Haus zurück und parkte den Jeep in der Auffahrt. Nachdem er durch alle Räume gegangen war und niemanden angetroffen hatte, suchte er Fee auf und klopfte an ihre Tür.

„Fee, ich bin’s“, rief er. „Wo sind die anderen?“

Fee, die gerade ein Nickerchen gemacht hatte, stand auf und ging zur Tür. „Hallo, mein Lieber. Ich habe gerade meinen Schönheitsschlaf nachgeholt.“

„Wo sind Dad und Rebecca?“, fragte er angespannt.

Sie blinzelte. „Sind sie nicht da?“

„Niemand ist da.“

„Ah, jetzt fällt es mir ein. Rebecca war hier und hat mir gesagt, sie würden einen Ausritt machen.“

Autor

Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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