Die sinnliche Rache des Scheichs

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Sein Anblick raubt Prinzessin Jenan den Atem. Scheich Numair strahlt eine gefährliche Sinnlichkeit aus. Er bietet ihr an, sie vor einer arrangierten Ehe zu retten. Sein Preis ist hoch: Er will einen Erben! Ihr Kopf sagt Nein, aber ihr Körper und ihr Herz verzehren sich nach ihm …


  • Erscheinungstag 16.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737511
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Jenan Aal Ghamdi beobachtete den Mann, mit dem sie verlobt werden sollte, dabei, wie er zwischen den Gruppen von Gratulanten hin und her schwirrte und sich beglückwünschen ließ. Mit Mühe unterdrückte sie den Brechreiz, der in ihr aufstieg. Schon wieder.

Jedes Mal, wenn Jenan ihn ansah oder nur an ihn dachte, hatte es dieselbe Wirkung auf sie. Sie hatte es nur ihrer eisernen Selbstkontrolle zu verdanken, dass ihr nicht jedes Mal schlecht wurde, wenn sie ihn erblickte.

Jenan hatte sich in die hinterste Ecke des riesigen Ballsaals verkrochen, nachdem sie sich eine quälende Stunde lang durch die Horden von Gästen gekämpft hatte, die sie mit neugierigen … und mitleidigen … Kommentaren und Blicken bedachten. Irgendwie war es ihr schließlich gelungen, unbemerkt zu entkommen.

Wahrscheinlich nur, weil sie sich geweigert hatte, das schreckliche Kleid und die glitzernden Klunker anzulegen, die ihr „Verlobter“ ihr geschickt hatte, um seinen Reichtum zur Schau zu tragen und mit seiner neuesten „Erwerbung“ zu protzen. In dem opulenten Ballkleid, behängt mit Tonnen von Juwelen hätte sie geglänzt wie eine Diskokugel und sich nicht so einfach entfernen können. Aber so, in ihrem schlichten schwarzen Kleid, konnte sie sich unauffällig in einer dunklen Ecke des Ballsaals verbergen. Wenigstens diesen winzigen Sieg hatte Jenan davongetragen, wenn sie auch sonst schon keine Hoffnung hatte, der Farce dieser Verlobung entrinnen zu können.

Erst als Jenan sich den Blicken entzogen hatte, gelang es ihr, wieder normal zu atmen. Und erneut stieg das seltsame Gefühl in ihr auf, dass sie gar nicht sie selbst war. Als ob all dies in Wirklichkeit einer anderen Person zustieß. Als ob sie sich in einem bizarren Traum befand, aus dem sie gleich aufwachen würde.

Doch die Illusion hielt nur einen kurzen Moment an, bis die grausame Wirklichkeit sie wieder einholte.

Sie wurde wirklich mit Hassan Aal Ghaanem verlobt!

Mit dem Mann, der zufälligerweise König von Saraya war. Dem Mann, der das benachbarte Wüstenkönigreich Zafrana, ihr Heimatland, besetzt hielt.

Obwohl man eigentlich nicht wirklich von einer Verlobung sprechen konnte. Vielmehr war Jenan an ihn verschachert worden. Verkauft. Sie hatte das Gefühl, als wäre die heutige Nacht das Ende des Lebens, das sie bisher gekannt hatte. Nein, das Ende ihres Lebens. Denn alles, was von nun an folgen würde, konnte nicht mehr als Leben bezeichnet werden.

Jenan konnte das Schicksal zwar nicht mehr abwenden, aber wenigstens hatte sie durchgesetzt, dass der Empfang nicht in Saraya oder in Zafrana stattfand. Auch wenn es nur ein weiterer bedeutungsloser Sieg war, dass Aal Ghaanem eingewilligt hatte, die Feier hier in New York, in ihrem „Revier“, abzuhalten.

New York war seit zwölf Jahren der Ort, den Jenan ihr Zuhause nannte. Sobald sie ihre lebenslängliche Strafe als Hassans Ehefrau antrat, war es damit vorbei. Doch sie würde sich so lange wie möglich weigern, in die Gegend zurückzukehren, aus der sie ursprünglich kam. Als sie geflohen war, hatte sie den Vorsatz gefasst, nie wieder zurückzukehren. Abgesehen von wenigen kurzen Besuchen, hatte sie sich daran gehalten.

Doch jetzt bereute sie es, darauf bestanden zu haben, die Feier hier in New York abzuhalten. Hassan hatte dafür gesorgt, dass der Empfang so pompös und geschmacklos wie möglich ausfiel. Sie hasste es, im Mittelpunkt dieser abscheulichen Veranstaltung zu stehen.

Wenn die Feier in einem ihrer Heimatländer stattgefunden hätte, hätte wenigstens die Presse nicht darüber berichtet, weil die Oberschicht dort mit strengen Regeln dafür sorgte, dass ihre Privatsphäre geschützt wurde. Doch in New York erregte ein solcher Empfang mit so bedeutenden Gästen natürlich Aufmerksamkeit, und Jenan konnte sicher sein, dass die Medien weltweit darüber berichten würden. Unwillentlich hatte sie sich damit selbst keinen Gefallen getan. Nächstes Mal würde sie klüger sein.

Allerdings ging es Hassan nicht darum, ihr eine Lehre zu erteilen, ihm nicht zu widersprechen. Er interessierte sich nur für sich. Und als Herrscher eines Landes, das durch neu entdeckte Ölvorkommen in jüngster Zeit zu Reichtum gelangt war, schöpfte Hassan Aal Ghaanem aus dem Vollen.

Also waren sie heute hier im Terrace Room des Plaza Hotels, wo schon manche legendäre Berühmtheit gefeiert hatte. Schließlich hielt Hassan sich für mindestens genauso bedeutsam wie diese Leute.

Zu jeder anderen Zeit hätte Jenan den grandiosen, fast eintausendundfünfhundert Quadratmeter großen Ballsaal, der noch genauso prunkvoll war, wie er um die Jahrhundertwende gestaltet worden war, auch gebührend bewundert. Sie war früher schon hier gewesen und hatte sich beim Anblick der Deckengemälde, der geschwungenen Bögen, die an eine Kathedrale erinnerten, und der imposanten Säulen, welche die Galerie, die den gesamten Raum umlief, stützten, in die Renaissance zurückversetzt gefühlt. Die schweren Kristallleuchter, die getäfelten Wände und der dicke Teppich erinnerten in dem ansonsten klassisch gestalteten Saal ans goldene Zeitalter. Doch heute schien die Szenerie ihrem schlimmsten Albtraum entstammt zu sein.

Jenan wandte die Augen von den rund fünfhundert Gästen, die den Ballsaal füllten, und betrachtete ihre Hände. Sie trug keinen Schmuck, hatte sich geweigert, die unbezahlbaren Stücke aus der königlichen Schatzkammer als shabkah anzunehmen. Wörtlich übersetzt, bedeutete das „Bindung“. Verdammt sollte sie sein, wenn sie die Fesseln, die Hassan ihr anlegen wollte, für alle sichtbar zur Schau trug …

„Bist du dir sicher, dass du das willst, Jen?“

Die leisen Worte ihrer kleinen Halbschwester Zeena, die kaum hörbar waren, weil die Musik so laut spielte, versetzten Jenan einen Stich ins Herz. Wenn irgendjemand genauso verzweifelt war wie sie, dann war das Zeena.

Jenan wandte sich um zu ihrer Schwester und versuchte zu lächeln, als ob ihr das alles nichts ausmachte. „Ja, ganz sicher, Zee. Ich weiß, dass es keinen anderen Weg gibt, als diesen alten Bock zu heiraten, um Vater und Zafrana zu helfen.“

Die Schwierigkeiten hatten vor langer Zeit begonnen, und Jenan selbst hatte indirekt ihren Teil dazu beigetragen.

Alles fing damit an, dass ihr Vater Khalil Aal Ghamdi als nächster männlicher Verwandter von König Zayd von Zafrana nach dessen Tod auf den Thron berufen wurde. Ihr Vater war ein Träumer und Künstler und als König gänzlich ungeeignet. Schlechte und teilweise böswillige Ratgeber taten ihr Übriges.

Als Jenan nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Cornell Universität nach Zafrana zurückkehrte, musste sie selbst feststellen, wie die unklugen politischen Entscheidungen ihres Vaters dazu geführt hatten, dass sich die Lage im Königreich stetig verschlechterte. Sie hatte versucht, ihm zu helfen, doch seine Gegner waren zahlreich und durchtrieben. Jeder ihrer Versuche, das Reich zu retten, scheiterte, und am Ende sah sie sich vor zwei Alternativen gestellt: Entweder ihr Leben dem Kampf gegen die politischen Gegner ihres Vaters zu opfern, oder ihrer Heimat, in der sie sich sowieso nicht mehr zu Hause fühlte, für immer den Rücken zu kehren. Also hatte Jenan aufgegeben und war gegangen.

Das hatte dazu geführt, dass das Land Zafrana sich heillos verschuldete … bei seinem Nachbarland Saraya. Und jetzt wollte Hassan das benachbarte Königreich durch die Heirat mit ihr unter sein Joch bringen. Jenans Vater hatte ihr gesagt, dass es der einzige Weg sei, Zafrana zu retten. Da Jenan wusste, wie hoch die Schulden waren, glaubte sie ihm.

„Aber du kannst ihn nicht heiraten. Er ist … er ist so alt!“

Jen schnaubte angewidert. „Ich weiß. Kaum zu übersehen, wenn dein Zukünftiger so alt ist wie dein eigener Vater. Und noch dazu abscheulich und langweilig. Wenn ich nur daran denke, dass ich mich geweigert habe, Najeeb zu heiraten, als er mir vorgeschlagen wurde!“

Zeenas honigbraune Augen sahen sie voller Hoffnung an. „Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Ich weiß, dass du Najeeb wie einen Bruder liebst, aber wenn du schon jemand heiraten musst … er ist ein toller Typ. Und sieht außerdem noch gut aus. Möglicherweise verliebst du dich irgendwann sogar in ihn.“

Jen sah ihre siebzehnjährige, atemberaubend schöne Schwester an und erinnerte sich wieder daran, aus welchem Grund sie dies alles auf sich nahm. Sie seufzte. „Denkst du etwa, das hätte ich nicht versucht? Najeeb wollte mich aber genauso wenig heiraten wie ich ihn. Er hat sich geweigert, mich zu heiraten, nur um die politischen Ambitionen seines Vaters zu unterstützen. Dann ist er irgendwohin verschwunden, um wieder bei irgendeinem wohltätigen Projekt mitzuarbeiten. Deshalb hat Hassan kurzerhand entschieden, dass er mich selbst heiratet.“

„Hat dieser Mann nicht einen Funken Anstand? Er ist zwei Jahre älter als Vater.“

„Im Gegenteil. Er glaubt sogar, dass es eine noble Geste ist, mich zu heiraten, nachdem sein ältester Sohn und zukünftiger Nachfolger auf den Thron meine Hand ausgeschlagen hat. Er fühlt sich absolut im Recht, das kann ich dir versichern.“

Zeena sah wieder so aus, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Seitdem man ihr die Neuigkeiten eröffnet hatte, weinte sie ständig. Aber langsam schien sie zu begreifen, dass sich das Unausweichliche nicht länger abwenden ließ.

„Aber wer weiß, wenn du ihn wirklich heiratest …“, Zeena hielt inne und schauderte, „… vielleicht ist es ja nicht für lange.“

„Wenn du darauf hoffst, dass er bald tot umfällt …“ Jen schüttelte den Kopf. Wie jung und naiv ihre Schwester doch war. „Zee, Süße, ich weiß, dass dir jeder über vierzig uralt erscheint. Himmel, ich bin erst dreißig und fühle mich jedes Mal alt, wenn du mich schockiert anguckst, weil ich etwas tue, was deiner Meinung nach jungen Leuten vorbehalten ist. Hassan ist fünfundsechzig und bei bester Gesundheit. Er hat bestimmt noch dreißig Jahre vor sich.“

Jetzt konnte Zeena die Tränen nicht länger zurückhalten. „Dann sag mir wenigstens, dass es nur zum Schein ist.“

Wieder seufzte Jen. Diesmal hatte sie keine Ahnung, was sie ihrer Schwester antworten sollte. Ihr Vater hatte ihr zwar reumütig versichert, dass die Ehe nie vollzogen werden würde, aber Jenan wusste genau, dass in der Region, aus der sie stammte, die Blutlinie wichtiger als Geld war, wenn es um politische Macht ging. Diese Ehe musste einen Erben produzieren, der gleichzeitig auch legitimer Erbe ihres Vaters war, damit Hassan noch während König Khalils Lebenszeit über Zafrana herrschen konnte. Nein, Hassan hatte alles gründlich durchdacht, und die Hochzeit mit Jenan war nur der erste Teil seines Plans.

Zeena musste an ihrem resignierten Gesichtsausdruck die Wahrheit abgelesen haben, denn nun liefen ihr die Tränen in Sturzbächen über die Wangen. „Aber wenn es nur um die Schulden geht, die Vater und Zafrana bei ihm haben … vielleicht finden wir jemanden, der sie begleicht? Irgendeinen anderen König aus der Region?“

Jen schüttelte den Kopf. Sie wusste zwar, dass die Könige der benachbarten Reiche liebend gern geholfen hätten, weil Hassan ihnen ein Dorn im Auge war. Aber Hassan wollte sich die Schulden nicht auszahlen lassen, und keiner von ihnen wollte einen Krieg in der Region heraufbeschwören.

„Du musst ihn also wirklich heiraten?“, fragte Zeena verzweifelt. „Es gibt keinen anderen Ausweg?“

„Nein.“

Zeena warf sich schluchzend in Jens Arme.

Auch Jens Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte nicht mehr geweint, seit ihre Mutter gestorben war, als sie sieben gewesen war. Aber sie ertrug es nicht, ihre geliebte kleine Schwester so unglücklich zu sehen.

Abgesehen davon, dass ihre Halbschwestern Zeena und Fayza Jen über alles liebten, war sie auch stets ihr Vorbild gewesen. Jen hatte geschafft, was sie sich immer erträumt hatten. Und jetzt weinte Zeena nicht nur Jens wegen. Sie weinte auch, weil Jens erzwungene Ehe ihre eigenen Hoffnungen auf eine unabhängige Zukunft zerstörte.

Was Zeena nicht wusste, war, dass Jenan aus genau diesem Grund eingewilligt hatte, Hassan zu heiraten. Um ihren Schwestern eine Zukunft zu ermöglichen.

Jenan hatte Zeena zwar gesagt, dass es keine andere Möglichkeit gab, aber natürlich hätte sie sich einfach weigern und ihren Vater und sein Königreich ihrem Schicksal überlassen können. Zwei Gründe hielten sie jedoch davon ab.

Zum einen konnte sie es nicht zulassen, dass ihr Vater, den sie trotz seiner Schwächen liebte, gedemütigt und verletzt wurde. Jenan war bewusst, dass Khalil nie hätte König werden dürfen, aber um den Frieden in der Region zu sichern, hatte er damals zugestimmt und seine eigenen Wünsche dem Wohl Zafranas geopfert.

Ausschlaggebend für ihre Entscheidung, der Heirat zuzustimmen, waren jedoch ihre kleinen Schwestern gewesen. Sie waren nicht verantwortlich für die missliche Lage, in die ihr Vater sich und Zafrana gebracht hatte. Jenan konnte sie unmöglich einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie wusste genau, dass Hassan eine von ihnen zur Frau genommen hätte, wenn sie sich geweigert hätte. Und ihr Vater wäre gezwungen gewesen zu gehorchen.

Doch ihre Schwestern waren so jung und unerfahren. Im Gegensatz zu Jen besaßen sie keine zwei Staatsangehörigkeiten und kein eigenes Vermögen. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die Ehe mit Hassan aus ihnen gemacht hätte.

Es lag also an ihr, die beiden zu beschützen. Durch die Heirat mit dem alten machthungrigen Mann konnte Jen ihre Schwestern retten. Und ihre gesamte Familie und das Königreich gleich mit.

Jen hielt ihre schluchzende Schwester fest in den Armen und küsste ihr sanft auf den Scheitel. „Mach dir keine Sorgen um mich, Zee. Du kennst mich doch. Du weißt, dass ich eine Kämpferin und Gewinnerin bin. Ich finde einen Weg, um …“

Plötzlich verstummte Jenan. Jeder klare Gedanke war wie weggewischt. Auch die Umgebung schien auf einmal zu verschwimmen, und sie sah nur noch ihn. Diesen Mann. Er war der bestaussehende Mann, den sie jemals gesehen hatte …

„Um was?“

Zees Frage riss Jen aus dem tranceartigen Zustand. Sie blinzelte. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Warum sie und Zeena eng umschlungen nebeneinanderstanden und ihre Schwester sie so verzweifelt ansah.

Dann nahm sie den Lärm und die Lichter wieder wahr und erinnerte sich. Doch all ihre Sinne waren weiterhin auf den Mann ausgerichtet, der am Eingang des Ballsaals stand und die Szene mit finsterer Miene betrachtete, wie ein General, der aufs Schlachtfeld blickte. Seine unglaubliche Präsenz wirkte wie ein Magnet auf sie. Als ob seine bloße Anwesenheit alles andere auslöschen würde.

Als er sich schließlich in Bewegung setzte, traten die anderen Anwesenden zur Seite, um ihm Platz zu machen. Jen schien es, als ob ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet war, der jedem seiner Schritte folgte und ihn in helles Licht tauchte.

„Wer ist das?“

Sie blinzelte erneut, als sie sich dazu zwang, ihre Schwester anzusehen. Zeena, die Jens Blicken mit den Augen gefolgt war, starrte den mysteriösen Mann mit offenem Mund an. Auf sie hatte er offenbar die gleiche Wirkung. Natürlich. Alle schienen wie hypnotisiert von ihm zu sein.

Wie seltsam, dass Jen nicht wusste, wer er war, denn sie hatte das Gefühl, ihn … wiederzuerkennen.

Sie schüttelte die unerklärlichen Gedanken und Gefühle ab und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

Zeena löste sich aus der Umarmung und sah sie prüfend an. Die Verzweiflung auf ihrem Gesicht war Neugier gewichen. „Soll ich es rausfinden?“

Jen zog eine Augenbraue hoch. „Und wie willst du das anstellen?“

„Ich gehe zu ihm hin und stelle mich als die Schwester der Braut vor. Dann frage ich ihn einfach.“

Bei dem Wort „Braut“ zuckte Jen zusammen, doch dann winkte sie ab. „Danke, Süße, aber ich bezweifle, dass du dich auch nur rühren, geschweige denn ein Wort rausbringen kannst, wenn du ihm gegenüberstehst.“

Zeena blickte wieder zu dem Mann, der immer näher in ihre Richtung kam. Sie seufzte. „Ja, wahrscheinlich verwandle ich mich sofort in eine Salzsäule, wenn er mich nur ansieht.“

Also konnte sogar die unerfahrene Zeena spüren, wie außergewöhnlich dieser Mann war. Jen selbst hatte im Verlauf ihres Studiums, ihrer Arbeit und den vielen Reisen, die sie geschäftlich und privat unternommen hatte, einige der mächtigsten Männer der Welt getroffen. Doch dieser hier war zweifellos etwas Besonderes. Einzigartig. Nie zuvor hatte ein Mann eine solche Wirkung auf sie ausgeübt. Und das sogar auf die Entfernung, ohne dass er sie überhaupt bemerkt zu haben schien.

Auf einmal gab es nichts Wichtigeres mehr für Jen, als zu erfahren, wer er war. Wenn sie schon ihr Leben für die Interessen anderer opferte, hatte sie dann nicht wenigstens das Recht, noch einmal zu tun, was sie wollte? Das bedeutete ja nicht gleich, eine Affäre mit ihm anzufangen. Sie wollte ja nur herausfinden, wer er war.

Na klar, Jen, tadelte sie sich im Stillen. Als ob diese Naturgewalt jemals einen Blick auf dich werfen würde.

Aber trotzdem. Sie würde es tun. Musste es tun. Das war sie sich schuldig. Und aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass allein das Wissen um seine Identität unvorhersehbare und weitreichende Konsequenzen haben würde.

Jen richtete sich auf, als ob sie sich für einen Kampf bereit machen würde. „Ich werde das tun. Ich finde heraus, wer er ist.“

Bevor sie losgehen konnte, hielt Zeena sie am Arm zurück. „Aber pass auf. Dieser Typ strahlt etwas Wildes aus.“

Jen sah wieder zu ihm hin und nickte. „Das nennt man Macht. In der reinsten Form.“

„Wahrscheinlich. Doch er wirkt irgendwie auch …“, auf einmal wirkte Zeena, als ob sie sich unbehaglich fühlte, „… gefährlich.“

Jen verzog die Lippen zu einem Grinsen, als sie laut wiederholte, was sie vorher gedacht hatte. „Liebes, ich will nur herausfinden, wer er ist. Ich will keine Affäre mit ihm.“

Zeena kicherte verlegen, als Jen ihr noch einmal über die Wange strich, bevor sie davonging.

Als Jen in die Menge eintauchte, um den Mann zu suchen, der ihr mit größter Wahrscheinlichkeit sagen konnte, wer der geheimnisvolle Fremde war, stockte ihr plötzlich der Atem. Zeena hatte so recht gehabt.

Jen hatte keinen Zweifel daran, dass dieser Halbgott verdammt gefährlich war. Tödlich. Doch das steigerte ihr Verlangen, alles über ihn herauszufinden, nur noch.

Jen steuerte auf Jameel Aal Hashem, ihren fünf Jahre jüngeren Cousin mütterlicherseits, zu, der eine unerschöpfliche Quelle für gesellschaftlichen Klatsch und Tratsch war. Sie wettete darauf, dass der Auftritt des geheimnisvollen Mannes ihrem neugierigen Cousin nicht entgangen war.

Und natürlich hatte Jen recht gehabt. Noch bevor sie Jameel fragen konnte, deutete er aufgeregt auf den Fremden. Nachdem er Jen atemlos zugeflüstert hatte, dass er nicht glauben konnte, dass er gekommen war, sagte Jameel ihr, wer er war. Numair Al Aswad.

Wie passend der Name war. Der Mann war tatsächlich so majestätisch, geschmeidig und mächtig wie sein Namensvetter. Er war sogar unter der englischen Version seines Namens bekannt: Der schwarze Panther von Black Castle Enterprises.

Nachdem Jen seinen Namen jetzt kannte, wusste sie weit mehr über ihn, als Jameel je wissen konnte. In den Kreisen der Wirtschafts- und Finanzwelt, in denen sie sich bewegte, waren sein Name und der seines Unternehmens jedem ein Begriff. Sein Unternehmen betätigte sich in sämtlichen Bereichen, die in der Wirtschafts- und Finanzwelt von Bedeutung waren.

Als Seniorpartner gehörte Numair zu den führenden Köpfen dieser Welt und war mitverantwortlich für den unvergleichlichen Erfolg von Black Castle Enterprises. Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt. Und, wie Jen gerade herausgefunden hatte, auch noch der heißeste Mann, der je seine Füße auf den Boden dieser Erde gesetzt hatte. So musste ein lebendig gewordener Halbgott aus der griechischen Mythologie aussehen.

Über sein Privatleben war allerdings kaum etwas bekannt. Jen wusste nur, dass er ursprünglich aus Damhoor, einem Königreich in ihrer Heimatregion, kam. Bereits als Kind war er in die Vereinigten Staaten ausgewandert, und seine Eltern waren schon lange tot. Soweit Jen wusste, war er nie verheiratet gewesen.

Jameel und Jen starrten ihn bewundernd an, als Numair auf einmal den Kopf zu ihnen wandte und sie direkt anschaute.

Jen anschaute.

Sie fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Vor lauter Panik konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie hielt den Atem an.

Hatte er etwa gefühlt, dass sie ihn angestarrt hatte?

Bevor sie wieder Luft holen konnte, schoben sich andere Gäste vor sie, sodass er ihren Blicken entzogen war.

Jen zitterte. Sie war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht. Schnell murmelte sie eine Entschuldigung und ließ Jameel stehen. Rasch eilte sie davon. Sie wollte nicht riskieren, noch einmal in Numairs Blickfeld zu geraten.

Sie war überzeugt davon, dass Hassan sich nicht die Mühe gemacht hatte, nach ihr zu suchen, und schlich so unbemerkt wie möglich wieder in die dunkle Ecke des Ballsaals, in der sie zuvor Zuflucht gesucht hatte. Sie wollte Numair aus sicherer Entfernung weiter beobachten. Wenigstens hätte sie dann die Erinnerung an seine großartige Erscheinung, wenn sie später an diesen verdammten Abend zurückdachte.

Als Jen ihr Versteck erreicht hatte, durchfuhr ein Schauer ihren Körper. So stark, dass sie stolperte und ihre Handtasche fallen ließ. Jen fluchte, als sie hinunterfiel und sich ihr gesamter Inhalt über dem Boden ergoss. Sie bückte sich, um die Sachen wieder einzusammeln … und auf einmal war es, als ob jemand die Lichter im Ballsaal ausgeschaltet hätte. Im nächsten Moment wusste sie, warum. Eine imposante Statur ragte über ihr auf und ließ den Rest der Welt hinter sich verschwinden. Jen musste nicht aufblicken, um zu wissen, wer es war. Sie hatte das Gefühl, dass ihr gesamter Körper unter Strom stand.

Numair.

Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, als er vor ihr in die Knie ging. Bevor sie den Kopf heben und ihn anblicken konnte, nahm er ihr die Handtasche aus den zitternden Händen und ließ weitere tausend Volt durch ihren Körper schießen, als er sie dabei berührte. Seine Hände waren kühl und kräftig. Mit ruhigen, eleganten Bewegungen sammelte er dann den herausgefallenen Inhalt wieder ein und legte alles zurück in die Tasche.

Als er sie ihr zurückgab, nahm sie ihren ganzen Willen zusammen und hob den Kopf … um nicht den letzten Rest ihrer mühsam aufrechterhaltenen Kontrolle zu verlieren. Nur seine Hand, mit der er sie festhielt, rettete sie davor, umzufallen und auf dem Boden zu landen.

Jen meinte, das Herz müsse ihr stehen bleiben. Seinem tierischen Namensvetter von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, hätte sie nicht mehr in Alarmbereitschaft versetzen können. Auch hinter Numairs Eleganz und seiner wilden Schönheit lag eine todbringende Kraft.

Dann korrigierte sie sich. Sie hatte falschgelegen. Numair war kein Halbgott. Er war ein richtiger Gott, der ein ganzes Pantheon von Göttern regierte. Ein Gott der Wüste, geschaffen aus ihrer Hitze und Grausamkeit, aus ihren Mysterien und ihrer unvergleichlichen Schönheit. Er hatte vielleicht nicht lange in ihrer Heimat gelebt, aber das Erbe der Region war unzweifelhaft in jede Linie seines Körpers gemeißelt.

Und gemeißelt war das richtige Wort. Er war das Ebenbild von Perfektion. Sein schwarzer Seidenanzug und das makellose Hemd bedeckten seinen muskulösen Körper. Seine Schultern waren breit und kräftig, die Taille und Hüften schlank. Selbst durch den Stoff des Anzugs konnte Jen erkennen, wie durchtrainiert und stark er war. Er war die perfekte Verkörperung von Männlichkeit und Kraft.

Dann fiel ihr Blick auf sein Gesicht. Ihr stockte der Atem. Die rabenschwarzen Haare wären ihm fast bis auf die Schultern gefallen, hätte er sie nicht zurückgebunden. Seine Augen strahlten irisierend grün und schienen sie mit einem einzigen Wimpernschlag hypnotisieren zu können. Die sinnlich geschwungenen Lippen und die ebenmäßige goldbraune Haut, die sich über die hohen Wangenknochen spannte, weckten in Jen den Wunsch, ihn sofort zu berühren.

Plötzlich zog er sie mit sich nach oben, und als er sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet hatte, fühlte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben winzig. In ihren acht Zentimeter hohen High Heels war sie fast einen Meter dreiundachtzig groß, aber er schien sie immer noch um zwei Köpfe zu überragen.

Als er plötzlich eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht hing, zwischen die Finger nahm und damit spielte, fing ihr Herz wie wild zu klopfen an.

„Du hasst es, hier sein zu müssen.“

Bam … Ohne Umschweife. Obwohl sie es eigentlich hätte wissen müssen. Dieser Mann gehorchte seinen eigenen Regeln. Seine Stimme war mindestens so sexy wie er selbst. Der dunkle, samtige Klang bescherte ihr eine Gänsehaut.

Wie unter Zwang antwortete sie. „Ja.“

Autor

Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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