Die süße Rache des spanischen Verführers

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Endlich hat er sie aufgespürt! Der spanische Milliardär Antonio Herrera ist entschlossen, der reichen Amelia diSalvo das Erbe abzujagen, das eigentlich seiner Familie gehört. Doch als er nach England fliegt, wo Amelia unter falschem Namen ein bescheidenes Leben als Grundschullehrerin führt, verschlägt es ihm die Sprache: Ihr Sex-Appeal fesselt seine Sinne, er begehrt sie wie keine andere je zuvor! Aber kann eine einzige heiße Nacht mit seiner wunderschönen Feindin wirklich seinen brennenden Rachedurst löschen?


  • Erscheinungstag 02.07.2019
  • Bandnummer 2394
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712280
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Unter ihm funkelten die Lichter Madrids vor dem nächtlichen Himmel wie ein Meer aus tausend Juwelen. Die Stadt steckte voller Geschichte und Geschichten, aber in diesem Moment dachte Antonio Herrera nur an seine eigene Geschichte.

Eine Geschichte, die von einer Familienfehde bestimmt war, einem Hass, der sich in seinem Herzen und seiner Seele festgesetzt hatte. Viele würden sicher behaupten, dass er ein behütetes Leben geführt hatte, aber Antonio kannte die Wahrheit. Der Hass auf die Familie diSalvo floss durch sein spanisches Blut, vergiftete seinen Geist, und er würde sich durch nichts auf der Welt davon abhalten lassen, diesen Krieg weiterzuführen. Nein, ihn zu beenden.

Die Machenschaften der diSalvos hatten seinen Vater zerstört. Ein seit Jahrzehnten bestehendes Firmenimperium war systematisch auseinandergenommen worden, und erst Antonios Eingreifen hatte dem Einhalt gebieten können. Mit achtzehn hatte er das Unternehmen übernommen und seinem Vater geholfen, den Untergang zu stoppen. Er hatte ihre Verluste eingeschätzt, ihre Vermögenswerte gestärkt, und nun, mit dreißig, stand er als Single einem Milliardenunternehmen vor und war auf der ganzen Welt als ein Titan der Industrie bekannt.

Sein Blick glitt zu der Dokumentenmappe auf seinem glänzenden Eichenschreibtisch, die er heute Nachmittag erhalten hatte.

Was für ein seltsames Timing. Kaum einen Monat nach dem Tod seines Vaters – einem Mann, für den Antonio alles tun würde – war sie gefunden worden.

Nach einem Jahr der Suche und des Wartens darauf, dass sein exklusiver Privatermittler einen Hinweis auf die untergetauchte Frau fand, hatte er endlich ein paar Antworten bekommen.

Antworten über Amelia diSalvo. Oder Amelia Clifton, wie sie sich inzwischen nannte. Doch der Name änderte nichts – sie war trotzdem noch eine diSalvo.

Diese Frau war das fehlende Puzzleteil, weil sie im Besitz der Firmenanteile war, die er benötigte, um das Juwel des diSalvo-Imperiums in seine Hände zu bekommen. Die Schifffahrtsgesellschaft Prim’Aqua hatte einst den diSalvos und den Herreras gemeinsam gehört, bis die beiden Patriarchen sich in dieselbe Frau verliebt hatten, wodurch aus engen Freunden eingeschworene Feinde geworden waren.

Amelia Clifton besaß die Anteile, die Antonio wollte, und er würde vor nichts haltmachen, um sie zu überzeugen, sie ihm zu verkaufen.

Er betrachtete ihr Foto, suchte nach Ähnlichkeiten mit ihrem Halbbruder Carlo, fand jedoch keine. Carlo war, wie Antonio, ein mediterraner Typ mit dunklen Haaren, honigfarbener Haut und pechschwarzen Augen, während Amelia blond und hellhäutig war.

Wie ihre Mutter, dachte er und erinnerte sich an das weltberühmte Supermodel, das einmal die Geliebte von Giacomo diSalvo gewesen war. Nur war Penny Hamilton groß gewesen. Amelia war winzig – beinahe wie eine Elfe sah sie auf dem Foto aus, auf dem sie eine Straße hinunterging. Es musste ein warmer Tag gewesen sein, denn sie trug nur ein schlichtes Baumwollkleid mit Spaghettiträgern. Es reichte ihr bis knapp über die Knie. Durch den von hinten einfallenden Sonnenschein konnte Antonio ihre verlockende Silhouette durch den dünnen Stoff des Kleides erkennen.

Ein sehr männliches Gefühl traf ihn wie ein Blitz. Verlangen? Nach einer diSalvo? Wie konnte das sein, wo sie doch Teil der Familie war, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, seine Familie zu zerstören?

Sein Blick verweilte ein wenig länger als nötig auf dem Foto, um ihren blassen cremefarbenen Teint zu mustern, das breite Lächeln auf dem winzigen, ebenmäßigen Gesicht, die langen blonden Haare … Ob diese natürlich in Botticelli-Locken über ihre Schultern fielen oder am Morgen extra so gestylt worden waren, würde er erst beurteilen können, nachdem er Amelia persönlich getroffen hatte.

Was bald passieren würde.

Als Tochter eines weltberühmten britischen Supermodels und eines italienischen Tycoons war die Milliardenerbin in Wohlstand und Blutfehde hineingeboren worden. Sie lebte in einem kleinen englischen Dorf in der Nähe von Salisbury – und sie war sein Schlüssel, um diesen uralten Familienkrieg zu gewinnen.

Wieder glitt sein Blick zu dem Foto. Amelia war schön, aber sie war auch eine diSalvo, und dafür würde er sie immer hassen. Einen Abend lang würde er jedoch an ihren Anstand appellieren und sie beschwören, ihm das zurückzugeben, was schon immer seins hätte sein sollen. Wenn sie es nicht tat, würde er einen anderen Weg finden, um sich die Anteile zu sichern.

Auf welche Weise auch immer, er würde Erfolg haben. Denn er war Antonio Herrera, und Scheitern war keine Option.

1. KAPITEL

Es war ein perfekter Tag gewesen. Warm und wolkenlos, sodass die späte Nachmittagssonne durch die Fenster ihres Zuhauses flutete und alles in ein goldenes Licht tauchte. Doch als die Dämmerung hereinbrach, zogen Wolken auf, und die Luft roch anders – nach einem nahenden Sommerregen.

Der erste Tag der Schulferien war genauso verlaufen, wie Amelia es sich erhofft hatte. Sie hatte lange geschlafen, ein Buch komplett durchgelesen und war zu Fuß in den Ort gegangen, um sich im Pub einen Cidre zu gönnen. Nun stand sie in der Küche und bereitete einen Fischauflauf zu, während im Hintergrund The Crown im Fernsehen lief. Amelia kannte die Serie schon, liebte es aber, sich vom Fernseher Gesellschaft leisten zu lassen. Und wer wäre dazu besser geeignet als die Königin?

Ja, mein erster Ferientag war perfekt, dachte sie, während sie die Mehlschwitze anrührte. Dabei ignorierte sie den kleinen Stich der Einsamkeit in ihrem Herzen. Anderthalb Monate ohne Arbeit waren ziemlich lang, vor allem für jemanden, dessen Lebenssinn die Arbeit war.

Lehrerin zu sein bedeutete für Amelia eine Berufung, und die Vorstellung, ganze sieben Wochen ohne Klassenzimmer auszukommen, war nicht so erfreulich, wie viele meinen würden.

Einige ihrer Kollegen hatten sie zu einer Reise nach Ägypten eingeladen, aber sie hatte abgelehnt. In ihrer Kindheit war sie so viel gereist, dass es für den Rest ihres Lebens reichte. Ständig war sie von ihrer Mutter dorthin mitgeschleppt worden, wohin ihr neuester Auftrag oder Geliebter sie gerade geführt hatte. Amelia zog es vor zu bleiben, wo sie war: in diesem charmanten kleinen Dorf mitten in England.

Als sie den Blick durch ihr Häuschen gleiten ließ, legte sich ein leicht reumütiges Lächeln auf ihre Lippen. Man konnte guten Gewissens sagen, dass Bumblebee Cottage das genaue Gegenteil von dem Leben war, das sie als Kind geführt hatte. Ihre ersten zwölf Lebensjahre hatte Amelia hauptsächlich in Fünf-Sterne-Hotels verbracht, mitunter sogar mehrere Monate am Stück. Der Schulbesuch war in den Augen ihrer Mutter ein Luxus gewesen, den sie nicht für nötig gehalten hatte. Es war allein Amelias Wissbegierde und ihrem nicht endenden Strom an Fragen zu verdanken, für den Penny die Geduld gefehlt hatte, dass sie schließlich einen Privatlehrer bekommen hatte.

Doch dann war Penny gestorben, und die zwölfjährige Amelia war in ein komplett anderes Leben geworfen worden. Genauso exklusiv und luxuriös, aber wesentlich öffentlicher. Nach Pennys Tod durch eine Überdosis Drogen waren die Reporter Amelia auf Schritt und Tritt gefolgt. Und ihr Vater – ein Mann, von dessen Existenz sie bis dahin nichts gewusst hatte – hatte nicht verstanden, wie das Leben für die junge Amelia gewesen war.

Vom Regen in die Traufe, so konnte man es wohl bezeichnen. Wenn Amelia schon durch ihr Leben als Tochter von Penny Hamilton zu einem Paparazzi-Magneten geworden war, so hatte die Anerkennung als eine diSalvo das Problem noch verstärkt.

Sie war als eine diSalvo aufgezogen worden. Geliebt, angebetet und geschätzt. Doch das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören, hatte sie nie abschütteln können.

Nie hatte sie irgendwo hingehört, bis sie in dieses kleine Dorf gezogen war und die Stelle als Lehrerin an der Hedgecliff Academy angenommen hatte. Ihr Blick glitt zum Kühlschrank, der mit selbst gemalten Bildern ihrer Schüler beklebt war. Bunte, fröhliche Zeichnungen, die Amelia immer wieder ein Lächeln entlockten.

Sie schob den Auflauf in den Ofen und schaute sich einen Augenblick in der Küche um. Es war albern, sich jetzt schon so einsam zu fühlen. Die Sommerferien hatten gerade erst begonnen. Gestern noch war sie von siebenundzwanzig neugierigen Achtjährigen umringt gewesen. Außerdem hatte sie die Einladung in den Urlaub abgelehnt, weil sie lieber zu Hause bleiben wollte.

Was für einen Sinn hatte es also, sich mit diesem klaffenden Loch aus mangelnder Gesellschaft aufzuhalten? Sie hatte dieses Leben gewählt, hatte ihrem Vater, ihrem Halbbruder und der Welt, in der sie lebten, freiwillig den Rücken gekehrt.

Ich will es nicht anders haben. Oder?

Das Häuschen war so malerisch, als wäre es einem Kinderbuch entsprungen. Geweißelte Steinmauern, Rosen im Vorgarten, eine Glyzinie, die sich an einem Bogen emporrankte, der zu den Stufen an der Haustür führte, und ein Reetdach mit kleinen Fenstern im ersten Stock. Im Inneren des Häuschens brannte Licht, das eine wohlige Wärme ausstrahlte, die etwas sehr Seltsames in Antonio auslöste.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das Haus und überdachte für einen kurzen, untypischen Moment noch einmal die Notwendigkeit dieser Aktion.

Über Strohfirmen und Mittelsmänner hatte er bereits viele Aktien von Carlo diSalvos Unternehmen gekauft. Es waren zwar nicht genug, um die Kontrolle über die Geschäfte auszuüben, aber ausreichend, um den Mann zu nerven, den er aus tiefstem Herzen hasste.

Er würde auf alles andere verzichten, wenn er nur diese eine Firma unter seine Kontrolle bekäme. Und sollte Amelia diSalvo sich als schwierig entpuppen und er sie mit einem Appell an ihren Anstand nicht überzeugen können, müsste er ihr zeigen, was er getan hatte und wie nah er dran war, ihren Bruder zu ruinieren.

Antonio verschränkte in dem Moment die Arme vor der Brust, als der erste Regentropfen fiel. Ein Sommergewitter zog heran und brachte den Geruch nach sonnenwarmem Gras und die Ahnung von drohenden Blitzen mit sich. In dem Häuschen bewegte sich etwas. Er schaute genauer hin.

Amelia.

Unbewusst hielt Antonio den Atem an, als sie, die blonden Haare zu einem unordentlichen Dutt hochgebunden, in sein Sichtfeld kam. Ihr Gesicht war blass. Aus der Ferne war es schwer zu sagen, aber er vermutete, dass sie nicht geschminkt war. Einen Moment schaute sie aus dem Fenster, dann drehte sie sich weg.

Sie war eine diSalvo.

Damit war sie zur Jagd freigegeben.

Es war nicht einmal einen Monat her, dass er seinen Vater beerdigt hatte. Und in dieser Sekunde, hier vor dem kleinen Cottage mitten in England, bedauerte Antonio, dass Javier nicht lange genug gelebt hatte, um diesen letzten Akt der Rache mitzuerleben.

Mit langen, selbstbewussten Schritten ging er den gewundenen Pfad hinauf. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen, und für einen Moment schaute der Mond hinter einer Gewitterwolke hervor und hüllte alles in ein gespenstisches silbriges Licht. Einige hätten das als Omen bezeichnet, aber nicht Antonio.

Bumblebee Cottage verkündete ein Messingschild neben der Tür. Antonio ignorierte das Bild, das diese Worte hervorriefen. Ein Bild von Frieden und Ruhe und im Garten herumfliegenden Hummeln. Er durfte nicht vergessen, dass Amelia die Tochter des rücksichtslosesten Mistkerls auf der Erde war – und das fehlende Teil zu seinem Puzzle. Der Sieg war greifbar nah.

Als hätten die Gedanken über Einsamkeit ihr Gesellschaft herbeigezaubert, klingelte es an der Haustür. Amelia war allerdings nicht so gefühlsduselig, dass sie darüber ihren gesunden Menschenverstand vergaß. Es war beinahe neun Uhr abends. Wer kam um diese Zeit noch zu Besuch?

Sie hatte Bumblebee Cottage wegen seiner einsamen Lage gekauft. Keine neugierigen Nachbarn, keine vorbeifahrenden Autos. Es lag am Ende einer Sackgasse und war der perfekte, abgeschiedene Schlupfwinkel, den sie gebraucht hatte, als sie vor ihrem vorherigen Leben weggelaufen war.

Sosehr Amelia die Einsamkeit hier liebte, nun lief ihr doch eine Gänsehaut über den Rücken. Sie schnappte sich das Fleischerbeil aus der Küche und ging zur Tür.

„Wer ist da?“, fragte sie.

Eine tiefe Männerstimme mit leichtem Akzent erwiderte: „Können Sie mir aufmachen?“

„Das kann ich, aber ich werde es nicht“, murmelte sie vor sich hin. „Wer sind Sie?“, rief sie etwas lauter. „Was wollen Sie?“

„Etwas, das sich leichter von Angesicht zu Angesicht besprechen lässt.“ Über den prasselnden Regen war der Mann kaum zu verstehen.

„Was genau?“

„Wie gesagt …“ Antonio stieß einen leisen Fluch auf Spanisch aus. Amelia hatte bereits mit acht Jahren in sieben Fremdsprachen fluchen können. Das hatte sie vom Personal einer Jacht gelernt, auf der sie sich unter den ganzen Erwachsenen gelangweilt hatte. „Es ist wichtig, Amelia“, sagte Antonio schließlich.

Dass er ihren Namen kannte, erregte ihre Aufmerksamkeit. Misstrauisch drehte sie den Schlüssel herum, ließ aber die Kette vor, sodass sie die Tür nur einen Spalt öffnen konnte.

Auf der Veranda war es dunkel, doch aus dem Haus fiel ausreichend Licht, um sein Gesicht zu erkennen. Es war stark und interessant.

„Woher kennen Sie meinen Namen?“

Nach einem kurzen Schweigen sagte er: „Ich bin ein Geschäftsfreund Ihres Bruders. Ich muss mit Ihnen sprechen.“

„Worum geht es? Ist mit Carlo alles in Ordnung?“

In den Augen des Mannes flackerte etwas auf, und für einen Moment war Amelia besorgt, doch dann lächelte der Fremde. „Soweit ich weiß, geht es Carlo gut. Ich habe ein Angebot, das nur für Sie bestimmt ist.“

Amelia runzelte die Stirn. „Was für ein Angebot?“

Sein Blick war geheimnisvoll. „Eines, das zu vertraulich ist, um es zwischen Tür und Angel zu besprechen.“

„Es ist schon spät. Hätte das nicht bis morgen warten können?“

„Ich bin eben erst angekommen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist es gerade schlecht?“

Sie wollte ihm sagen, dass er verschwinden sollte, denn etwas an ihm ließ ihren Puls rasen. Angst?

„Es dauert nicht lange“, sagte er beschwichtigend.

Sie schaute ihm in die Augen. Wann war sie so misstrauisch geworden? Sicher, im Leben mit ihrem Vater und Bruder hatte sie gelernt, dass es da draußen viele Leute gab, die einem schaden wollten – nicht unbedingt körperlich, aber dennoch ernsthaft. Diese sogenannten Freunde hatten sich als Wölfe in Designerkleidung entpuppt. Aber aus dieser Welt und vor diesen Menschen war sie geflüchtet. Sie war um die halbe Welt in dieses süße kleine Dorf und die Heimeligkeit von Bumblebee Cottage gezogen. Hier war sie weder Amelia Hamilton noch Amelia diSalvo, sondern Amelia Clifton. So lautete der echte Nachname ihrer Mutter. Ein normaler Name, der keine Aufmerksamkeit erregte und ihr ganz allein gehörte.

Eindringlinge aus ihrem anderen Leben waren hier nicht willkommen. Trotzdem gab sie nach

„Na gut“, sagte sie und drückte die Tür zu, um die Kette zu lösen und die Tür danach weit zu öffnen.

Als sie den Mann in Gänze vor sich stehen sah, zuckte sie kurz zurück. Dunkle Haare betonten ein scharf geschnittenes Gesicht mit einem kantigen Kinn, das aussah wie aus Stein gemeißelt. Die kleine Kerbe darin zog ihren Blick wie magisch an.

Seine Lippen waren voll und sein Kinn von Bartstoppeln bedeckt. Er hatte eine aristokratische Nase und Augen, die ihr den Atem raubten. Mandelförmig und dunkelgrau und von dichten, dunklen Wimpern umgeben, auf die Amelia einen winzigen Moment eifersüchtig war. Diese Augen schienen Geschichten zu erzählen, und in ihnen blitzten Emotionen und Gedanken auf, die sie nicht entziffern konnte.

„Nun?“, fragte er rau, doch ein Lächeln nahm dem Wort die Schärfe. „Darf ich eintreten?“

„Ja.“ Das Wort war nur ein Hauch. Sie räusperte sich. „Natürlich.“

Er zog sein Jackett aus. Sein Hemd hatte ebenfalls ein paar Regentropfen abbekommen und klebte nun an einigen Stellen des perfekt geformten Oberkörpers.

Amelia sammelte sich und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid. Ich bekomme nicht oft Besuch.“

„Das merkt man.“ Sein Lächeln wurde breiter und enthüllte ebenmäßige weiße Zähne. „Und Sie ziehen es vor, sich mit einem Fleischerbeil zu verteidigen?“

Sie nickte in gespieltem Ernst. „Es ist nur fair, wenn ich Sie warne. Ich habe einen schwarzen Gürtel in Küchenutensilien.“

„Wirklich?“

„Oh, Sie sollten mich mal mit einem Kartoffelschäler sehen.“

Sein Lachen war ein tiefes Grollen, das aus seinem Bauch kam. Amelia hätte gerne den Blick abgewandt, aber seine Augen hielten ihn gefangen.

„Ein anderes Mal“, meinte er und versicherte dann: „Sie können Ihre Waffe jetzt ablegen. Ich will Ihnen nichts Böses.“

„Dessen bin ich mir sicher, doch ich möchte darauf hinweisen, dass nur sehr wenige Mörder ihre Absichten vorher kundtun, oder?“

„Da haben Sie vermutlich recht.“

„Es ist also gut möglich, dass Sie gerade darüber nachdenken, wie Sie mich am einfachsten töten können.“

„Nur habe ich bereits erklärt, warum ich hier bin“, erwiderte er mit einem Lächeln, das Schmetterlinge in Amelias Bauch auffliegen ließ.

Amelia bekam wirklich selten Besuch. An ihrem Geburtstag waren ein paar Kollegen aus der Schule hier gewesen, und einmal hatte sie einen Schüler nach dem Unterricht zu sich gebeten, aber normalerweise blieb sie für sich.

Was für einen Sinn hatte es auch, sich in die Einsamkeit des Landlebens zurückzuziehen, wenn man diese Einsamkeit dann nicht auslebte?

Sie versuchte, ihr Haus so zu sehen, wie es ein Fremder tun würde: die idyllische Einrichtung, die gemütlichen, schlichten Möbel, die Abwesenheit von Fotos und die Unmengen an Büchern und frischen Blumen.

„Ah, ja, Ihr Vorschlag“, murmelte sie. „Bitte …“ Sie zeigte zum Wohnzimmer.

Er ging vor, und Amelia ertappte sich dabei, wie sie auf seinen Hintern starrte, über den sich der Stoff seiner Hose spannte. Dieser Anblick ließ all ihre Nerven vibrieren.

Amelia hatte praktisch keinerlei Erfahrung mit Männern, abgesehen von einigen Verabredungen zum Mittagessen mit Rick Steed, dem Rektor ihrer Schule. Und die hatten mit einem keuschen Kuss auf die Wange geendet, was nicht sonderlich aufregend gewesen war.

Als Teenager hatte sie gegen das Leben aufbegehrt, in das sie hineingestoßen worden war. Sie hatte die Erwartung gehasst, dass sie, nur weil ihre Mutter sowohl für ihre Schönheit als auch für ihre sexuelle Freizügigkeit bekannt gewesen war, genauso sein musste.

In letzter Zeit hatte sie angefangen zu vermuten, dass sie frigide war. Ihr schien jeglicher normaler sexueller Impuls, jegliche Lust zu fehlen – was ihr nur recht war. Wofür brauchte sie einen Mann, wenn sie all die Männer aus ihren Büchern hatte?

Ja, wozu, fragte sie sich, als der Fremde sich zu ihr umdrehte.

„Schönes Haus.“

„Danke.“

Stumm musterte er sie, und ihre Erziehung und der Drang, die Stille zu füllen, veranlassten sie dazu, ihn zu fragen, ob sie ihm etwas anbieten könne.

„Gerne.“ Er nickte.

„Tee? Kaffee?“

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Um diese Uhrzeit?“

Hitze stieg ihr in die Wangen. Warum war sie nur immer so naiv? „Wein?“

„Ein Glas Wein wäre schön.“

„Setzen Sie sich. Ich bin gleich wieder da.“

2. KAPITEL

Ihr Wohnzimmer war noch gemütlicher, als das Äußere des Häuschens hatte vermuten lassen. Es war hübsch und unglaublich feminin, mit weichen Kissen und Decken und Blumen­bildern an den Wänden. Doch in Gedanken war Antonio nur halb bei seiner Umgebung. Er dachte über das Angebot nach, das er Amelia unterbreiten wollte – und darüber, was er tun würde, wenn sie es ablehnte.

Schon jetzt ahnte er, dass Amelia diSalvo anders war, als er erwartet hatte.

Doch war das wichtig? Änderte das etwas an dem, was er von ihr brauchte?

Seine Recherchen hatten ergeben, dass sie sich nicht aktiv in das Unternehmen einbrachte, obwohl sie Mitglied des Vorstands war. Ganz eindeutig hatte sie keinerlei Interesse am Alltagsgeschäft von diSalvo Industries.

Aber würde es leicht werden, sie davon zu überzeugen, ihm ihre Anteile zu verkaufen? Würde sie seinen Namen erkennen und sich an die bittere Rivalität zwischen ihren Familien erinnern? Müsste er dann direkt zu seinem Plan B übergehen?

Vor einer Stunde hatte ihm die Vorstellung, dieser Frau seine Machenschaften darzulegen, noch nichts ausgemacht. Aber jetzt, in ihrem Wohnzimmer, hatte Antonio es damit auf einmal nicht mehr so eilig.

Was absurd war, wenn man bedachte, dass er über ein Jahr lang nach ihr gesucht hatte. Und in ein Flugzeug gesprungen war, sobald er ihren Aufenthaltsort erfahren hatte. Mit ein wenig Geduld hätte er die Nacht in London verbringen und Amelia am nächsten Morgen bei Tageslicht aufsuchen können anstatt an diesem regnerischen Sommerabend.

Aber nun war er hier, und er würde sich nicht davon ablenken lassen, dass sie nicht die harte, zynische Erbin war, die er erwartet hatte. Und auch nicht davon, dass sie süß und lustig wirkte und in einem Haus lebte, das einem Märchenbuch entstammen könnte.

Sein ganzes Erwachsenenleben hatte er damit zugebracht, seine Rache zu planen, und nun war das Ziel in greifbarer Nähe. Einzig diese zierliche Frau stand zwischen ihm und seinem Erfolg.

Ja, sie war anders, als er erwartet hatte, aber sie war eine diSalvo. Das durfte er niemals vergessen.

Amelia fühlte sich ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht, darum holte sie in der Küche erst einmal tief Luft. Dann schenkte sie zwei Gläser Wein ein, mit denen sie ins Wohnzimmer zurückkehrte – und erstarrte.

Er stand einfach nur da und betrachtete eines der Bilder einer Hortensie, die sie mit Wasserfarben gemalt hatte. Der Anblick berührte etwas in ihr.

Inmitten ihres Wohnzimmers wirkte er so unglaublich maskulin, und doch passte er irgendwie perfekt dorthin. Sie starrte ihn an – sein hartes Gesicht im Profil, den starken Körper, die breiten Schultern und schmalen Hüften. Ihr Puls begann zu rasen und ihr Herz zu zittern.

Mein Gott, was passiert mit mir? Ihr Mund war ganz trocken, und als sie den Blick widerstrebend wieder auf sein Gericht richtete, sah sie, dass er sich umgedreht hatte und in seinen Augen ein teuflisches Vergnügen tanzte, das ihr die Hitze in die Wangen trieb.

„Bitte.“ Sie hielt ihm das Weinglas hin.

„Gracias.“

„Sie sind Spanier?“, hörte sie sich wie aus weiter Ferne sagen und zuckte innerlich zusammen. Warum bemühte sie sich, Small Talk mit ihm zu betreiben?

„Sí.“ In dem Wort klang etwas Geheimnisvolles mit, und obwohl es draußen in Strömen regnete, musste Amelia an Tage voller Sonnenschein und Wärme denken.

Schluss jetzt, konzentrier dich! Warum ist der Mann hier?

„Wie heißen Sie?“

„Antonio Herrera“, sagte er.

Amelia runzelte die Stirn und schloss für einen Moment die Augen.

Sie spürte seinen Blick, und wieder breitete sich eine Gänsehaut auf ihren Armen aus.

„Den Namen kenne ich.“ Sie wusste nur nicht, woher.

„Wirklich?“, murmelte er, dann hob er ihr sein Weinglas entgegen, und sie stieß automatisch mit ihm an. Dabei berührten sich ihre Fingerspitzen. Amelia fühlte sich, als hätte man sie aus einem Flugzeug geschubst. Ihr Magen verknotete sich, und nichts ergab mehr einen Sinn. Die Welt war viel zu grell, ihre Sinne zu empfindlich. Seine Augen waren gnadenlos, hielten sie gefangen und wechselten die Farbe von Grau zu Schwarz. Amelia konnte nicht sprechen, sich nicht bewegen.

„Warum kenne ich Ihren Namen?“, fragte sie, als es ihr einfach nicht einfallen wollte. Und dann kam es ihr wie ein Blitz. „O! Natürlich!“

Spannten sich seine Schultern an, oder bildete sie sich das nur ein?

„Ja?“

„Sie sind dieser Typ!“ Sie schnippte mit den Fingern. „Ich habe vor einer Weile etwas über Sie gelesen. Sie haben diese Fluggesellschaft gekauft und die Belegschaft davor bewahrt, gefeuert zu werden.“

„Ich habe sie davor bewahrt, arbeitslos zu werden“, korrigierte er. „Und das war nicht der Grund für diese Transaktion.“

„Nicht?“

„Nein. Die Firma war für einen Apfel und ein Ei zu haben.“ Er zuckte mit den Schultern.

„Ich verstehe“, entgegnete sie nachdenklich und fragte sich, warum er seine Entscheidung herunterspielte. Waren ihm die zwanzigtausend Angestellten wirklich egal, die ihren Job verloren hätten, wenn die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet hätte? Oder wollte er nur, dass sie das glaubte?

Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Außerdem investieren Sie in Schulen in Osteuropa. Und in Krankenhäuser.“

„Sie scheinen eine ganze Menge über mich zu wissen.“

„Es war ein langer Artikel“, erklärte sie. „Und ich lese meine Zeitung gern von vorn bis hinten.“ Himmel, ich gerate ins Plappern, dachte Amelia ärgerlich. Als sie zu ihrem Vater gezogen war, war sie von Männern wie Antonio Herrera umgeben gewesen. Nun ja, nicht genau wie er – er war schon ziemlich einzigartig. Aber von Männern, die einfach ein bisschen zu viel von allem waren: zu attraktiv, zu scharf im Kopf, zu reich.

Diese Qualitäten hatten sie bisher nie sonderlich beeindruckt. Da sie gesehen hatte, wie ihre Mutter dem Zauber solcher Männer wieder und wieder verfallen war, hatte sie beschlossen, ihrem Charme gegenüber immun zu sein.

Andererseits ist es ein wenig wie der Aquarium-Effekt.

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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