Die süße Rache des Tycoons

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Lady Marnie Kenington stockt der Atem, als sie dem stolzen Griechen Nikos Kyriazis entgegentritt. Damals zerbrach ihre Jugendliebe, weil Nikos in den Augen ihrer Eltern nicht gut genug für sie war. Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet: Nikos ist ein milliardenschwerer Tycoon - und Marnies Vater steht vor dem Ruin. Es würde Nikos ein Lächeln kosten, mit hundert Millionen Pfund einzuspringen. Aber nur, wenn Marnie auf seine ruchlose Bedingung eingeht: Sie soll in sein Bett zurückkehren - als seine Ehefrau …


  • Erscheinungstag 27.03.2018
  • Bandnummer 2328
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710033
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Nikos’ Wagen legte die Kilometer spielend zurück, fast war es, als würde der Ferrari seine Ungeduld spüren. In Gedanken bei dem Anruf, den er am Morgen empfangen hatte, nahm er die Ausfahrt von der Autobahn.

„Er ist am Ende, Nik. Nicht nur mit seinem Geschäft, sondern auch auf privater Ebene. Es ist nichts mehr da, was er noch verpfänden könnte, um einen neuen Kredit zu bekommen. Das gesamte Familienvermögen geht den Bach runter. Er ist dabei, alles zu verlieren.“

Eigentlich sollte Nikos vor Freude außer sich sein.

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, dachte er. Das hätte ihn aufheitern sollen, tat es aber nicht.

Er hatte nie gewollt, dass Arthur Kenington zugrunde ging. Aber seine Notlage auszunutzen, um die Geschehnisse aus der Vergangenheit zu rächen … diese Vorstellung hatte ihm großartig gefallen.

Sechs Jahre war es her, dass Arthur Kenington ihn gedemütigt hatte. Lange Zeit glaubte Nikos sogar, der andere Mann hätte sein Leben ruiniert. Oh, Arthur Kenington war nicht der erste elitäre Snob gewesen, mit dem er es zu tun hatte. Als ärmstes Kind auf einer angesehenen Schule – „der Junge mit dem Stipendium“ – war das Gefühl, ein Außenseiter zu sein, sein ständiger Begleiter.

Aber Arthur hatte dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Schließlich hatte der Mann ihn dafür bezahlt, aus Marnies Leben zu verschwinden, und zwar mit der Erklärung, Nikos würde niemals gut genug für seine kostbare Tochter sein. Und schlimmer noch, Marnie hatte auf ihren Vater gehört. Sie ließ ihn, Nikos, fallen wie eine heiße Kartoffel.

Marnie.

Die wunderschöne, schillernde Prinzessin der feinen Gesellschaft, die vor langer Zeit sein Herz in ihren eleganten Händen gehalten hatte – um dann erbarmungslos darauf einzuschlagen und es schließlich auf Anweisung ihres Vaters wegzuwerfen, als wäre es ein belangloser, wertloser Gegenstand.

Damals tat es höllisch weh, doch seit langer Zeit betrachtete Nikos dies als den Antrieb, der seinen kometenhaften Aufstieg an die Spitze der Finanzwelt befeuert hatte.

Als er jetzt den Wagen mühelos durch Londons Süden lenkte, spielte ein düsteres Lächeln um seine Lippen.

Das Blatt hatte sich gewendet. Nun war er an der Macht, und das würde er Marnie so lange spüren lassen, bis sie begriff, wie dumm sie damals gewesen war.

Er besaß die Macht, ihrem Vater zu helfen und seinen eigenen Wert zu beweisen. Am Ende würde er ihr Herz in den Händen halten und dann würde er sehen, ob ihm danach zumute war, sie sanft zu behandeln … oder es ihr auf gleiche Weise zurückzuzahlen.

1. KAPITEL

Sie hätte nicht herkommen sollen.

Auf dem Weg in die Stadt hatte Marnie sich immer wieder gesagt, sie sollte umkehren. Es war noch nicht zu spät.

Aber natürlich war es das.

In dem Moment, als Marnie von ihm gehört hatte, waren die Würfel gefallen. Innerhalb von Sekunden hatte sich ihr Leben verändert, war ein Sturm der Gefühle über sie hereingebrochen.

Nikos.

Nikos war wieder da.

Und er wollte sie sehen.

Der Fahrstuhl fuhr in seinem gläsernen Schacht nach oben, aber genauso gut hätte er sie in die Tiefen der Hölle befördern können. Über ihrer Oberlippe hatte sich ein feiner Schweißfilm gebildet. Marnie wischte ihn nicht weg, sie bemerkte ihn nicht einmal.

Mit jeder Faser ihres Körpers war sie auf die nächste halbe Stunde fixiert. Wie sollte sie das nur durchstehen?

Ich muss dich sehen. Es ist wichtig.

Seine Stimme hatte sich kein bisschen verändert. Noch immer schwang in jeder Silbe eine unbändige Selbstsicherheit mit. Natürlich, mittlerweile besaß er Milliarden. Aber selbst mit einundzwanzig Jahren, ohne einen Dollar auf der Bank, hatte Nikos Kyriazis schon dasselbe an Arroganz grenzende Selbstbewusstsein besessen, die Fähigkeit, Befehle zu erteilen.

Eine winzige Sekunde lang hatte Marnie daran gedacht, Nein zu sagen. So viel Zeit war seit damals verstrichen. Was konnte Gutes daraus entstehen, die Vergangenheit wieder aufzuwärmen? Vor allem, da Marnie wusste, wie verwundbar sie ihm gegenüber in ihrem tiefsten Herzen noch immer war. So ausgeliefert.

„Es geht um deinen Vater.“

Um meinen Vater?

Der winzige Teil in Marnie, der schon bei dem Gedanken, Nikos Kyriazis wieder gegenüberzustehen, meilenweit wegrennen wollte, war schlagartig bedeutungslos geworden.

Als Marnie jetzt an ihren Vater dachte, runzelte sie die Stirn. In der letzten Zeit hatte Arthur Kenington sich verändert. War zerstreut geworden. Er hatte auch etwas Gewicht verloren, und das bestimmt nicht, weil er plötzlich einen gesunden Lebenswandel führte. Marnie hatte angefangen, sich Sorgen um ihn zu machen, und Nikos’ überraschender Anruf verstärkte diese Besorgnis noch.

Der Fahrstuhl hielt an, die Türen glitten auf, und zwei Männer, beide trugen Anzüge, traten in die Kabine. Einer von ihnen starrte Marnie einen Augenblick zu lange an, auf diese ganz bestimmte Weise, wenn Leute nicht genau wussten, woher sie ihr Gesicht kannten. Marnie räusperte sich und sah starr geradeaus. Sie versuchte, die Verlegenheit zu verbergen, die sie immer empfand, wenn jemand sie erkannte.

Als sich die Fahrstuhltüren im obersten Stockwerk wieder öffneten, sah sie auf der gegenüberliegenden Wand ein riesiges Schild mit der Aufschrift: KYRIAZIS.

Ihr Herz hämmerte in der Brust.

Kyriazis.

Nikos.

„Oh Gott“, flüsterte sie und hielt einen Augenblick inne, um ruhiger zu werden.

Die mühsam erarbeitete Fähigkeit, ihre innersten Gedanken und Gefühle zu verbergen, hatte sie gründlich verlassen. Ihre normalerweise stets honiggoldene Haut war blass. Ihre Finger zitterten unkontrollierbar.

Sie blinzelte. Ihre großen goldbraunen Augen spiegelten für einen kurzen Moment den Aufruhr in Marnies Innerem wider, bevor es ihr gelang, das unwillkommene Gefühl zu unterdrücken. Sie setzte ein Lächeln auf. Ihre Absätze klapperten, als sie die geflieste Halle durchquerte.

Mehr Aufmerksamkeit, mehr Erkennen.

„Lady Kenington“, sagte die Empfangsdame. Sie betrachtete die Besucherin mit unverhülltem Interesse von dem braunen Haar mit den natürlich blonden Strähnchen über die symmetrischen Gesichtszüge in dem zarten Gesicht bis hin zu dem zierlichen Körper.

„Ja, hallo. Ich habe einen Termin mit …“ Sie zögerte einen winzigen Moment, als wollte sie sich selbst Mut machen, seinen Namen laut auszusprechen. „Nikos Kyriazis.“

„Selbstverständlich.“ Die Empfangsdame warf ihr langes rotes Haar über eine Schulter und deutete auf eine Reihe von Stühlen auf der anderen Seite des Raums. „Es wird nicht lange dauern. Bitte nehmen Sie Platz.“

Unter anderen Umständen hätte Marnie über den nüchternen Empfang nach all der Anspannung gelacht. Den ganzen Morgen über hatte sie jede Sekunde bis zu diesem Augenblick gezählt, und jetzt ließ Nikos sie warten?

Ärgerlich über seine Unpünktlichkeit, presste sie die Lippen zusammen und ging zum Wartebereich hinüber. Die gläserne Wand gab den Blick auf eine spektakuläre Aussicht frei.

Marnie hatte Nikos’ kometenhaften Aufstieg an die Spitze verfolgt, hatte zusammen mit dem Rest der Welt über jeden Erfolg und Triumph in den Zeitungen gelesen. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es nicht zu vermeiden gewesen. Nikos hatte sich selbst so mühelos in einen Milliardär verwandelt, wie andere Leute sich morgens die Schuhe anzogen. Alles, was er anfasste, wurde zu Gold.

Marnie hatte sich damit zufriedengegeben, ihm in ihren Träumen zu gratulieren. Oder im Internet über ihn zu lesen – außer, wenn sie den Anblick der Bilder von Nikos mit immer anderen Frauen im Arm nicht länger ertragen konnte. Sie waren stets langbeinig, blond, mit großen Brüsten und besaßen die Art von extrovertiertem Selbstbewusstsein, die Marnie nur bewundern konnte. Auch in tausend Jahren würde sie nicht so locker wie diese Frauen sein.

Als wollte sie den Punkt noch einmal betonen, glitt ihre Hand zu dem eleganten Knoten, zu dem sie ihre schulterlangen Haare heute Morgen aufgesteckt hatte. Einige Strähnen hatten sich gelöst. Sie steckte sie sorgfältig wieder fest, dann legte sie die manikürten Hände zurück in den Schoß.

Fast zwanzig Minuten später kam die Empfangsdame zu ihr herüber. „Lady Kenington?“

Marnie sah erwartungsvoll auf.

„Mr. Kyriazis lässt bitten.“

Ach ja, tut er das? Das wird auch Zeit, dachte sie ärgerlich, als sie aufstand und der jungen Frau folgte.

Durch eine zweiflügelige Milchglastür sah sie eine Silhouette, und sie wusste sofort, dass er es war.

„Lady Kenington, Sir“, kündigte die Empfangsdame sie an.

Marnie fühlte sich, als stünde sie nicht nur auf der Schwelle der Tür, sondern zu dem Moment, den sie sich jahrelang in Gedanken ausgemalt hatte. Sie holte tief Luft, dann trat sie mit leicht zitternden Knien in das palastartige Büro.

Würde er noch derselbe sein?

Würde der Funke zwischen ihnen noch lodern?

Oder hatten die vergangenen sechs Jahre ihn vollkommen ausgelöscht?

„Nikos.“

Ihre Stimme klang kühl und gleichgültig, obwohl ihr Herz schmerzhaft gegen die Rippen hämmerte. Er stand am Fenster. Bei der Ankündigung der Rezeptionistin wandte er sich um.

Die sechs Jahre seit ihrer letzten Begegnung waren großzügig mit ihm umgegangen. Das Gesicht, das Marnie so geliebt hatte, war kaum verändert, nur vielleicht noch ein wenig attraktiver durch die Zeichen von Lebenserfahrung und Erfolg. Dunkle Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, die schmale Nase mit dem kleinen Höcker, den er sich nach einem Unfall als Kind zugezogen hatte, und der ausdrucksvolle Mund über einem Kinn mit Grübchen. Nikos’ Wangenknochen waren so ausgeprägt wie damals, als wären seine Züge zu Anbeginn der Zeit aus Stein gehauen worden.

Sein dunkles Haar trug er etwas kürzer, aber immer noch reichte es im Nacken bis zum Kragen und war so dicht und voll, dass sie wie damals mit den Fingern hindurchfahren wollte. In seinen hinreißenden dunklen Augen lag ein Funkeln, das Marnie fast zu verspotten schien.

Unverhüllt arrogant ließ er seinen Blick langsam über ihr Gesicht gleiten, dann tiefer, über das nicht gerade eindrucksvolle Dekolleté hinunter zu ihrer schmalen Taille. Marnie spürte, wie lange unterdrückte Gefühle in ihr aufstiegen und heiße Schauer durch ihren Körper strömten.

Ihre Haut glühte unter Nikos’ Blick, als würden seine Fingerspitzen über ihren Körper gleiten und Wonne und Befriedigung versprechen.

„Marnie.“

Ihr Inneres krampfte sich zusammen. Sie hatte es immer geliebt, wie er ihren Namen aussprach, mit der Betonung auf der zweiten Silbe, wie eine Note aus einem Liebeslied.

Als die Tür hinter ihr leise zufiel, musste Marnie einen Fluchtinstinkt unterdrücken. Nur mit größter Mühe schaffte sie es, ihren gelassenen Gesichtsausdruck beizubehalten.

„Nun, Nikos?“, sagte sie. Ihr schmales Lächeln war das einzige Zugeständnis an gesellschaftliche Konventionen. „Du hast mich herbestellt. Vermutlich nicht nur, um mich anzustarren?“

Er runzelte die dichten Brauen, und ihr stockte der Atem. Sie hatte vergessen, wie umwerfend er war. Und das nicht nur, weil er so gut aussah. Er pulsierte vor Leben. Wenn er die Brauen runzelte, war es, als würde sein ganzer Körper die Geste widerspiegeln. Dasselbe galt, wenn er lächelte oder lachte. Er war ein leidenschaftlicher Mann, und er verbarg nichts.

Jetzt spürte sie seine Ungeduld, und ihr war, als würde nun auch der letzte Teil von ihr sterben, der ihre Trennung überlebt hatte.

„Möchtest du einen Drink?“ Sein Akzent klang so weich und so verführerisch. Ihr Puls schlug unkontrolliert.

„Einen Drink?“ Sie verzog missbilligend die Lippen. „Um diese Uhrzeit? Nein. Danke.“

Er zuckte mit den Schultern. Der maßgeschneiderte Anzug spannte sich dabei über seiner muskulösen Brust. Marnie wandte den Blick ab, um zu verbergen, dass ihr erneut heiße Schauer über den Rücken liefen. Als Nikos auf sie zukam, schaffte sie es nicht, sich zu bewegen.

Dicht vor ihr blieb er stehen, seine Miene war undurchdringlich. Sein Duft erfüllte Marnies sämtliche Sinne, und seine intensive männliche Ausstrahlung entfachte ein Feuer in ihrem Körper. Ihre Knie fühlten sich an, als würden sie jeden Moment nachgeben. Doch nur die zitternden Finger verrieten ihr Unbehagen. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, und sie blickte ihn herausfordernd an.

„Du hast gesagt, du müsstest mit mir reden. Es wäre wichtig.“

„Ja“, murmelte er. Wieder glitt sein Blick über ihr Gesicht, als wären die Tage, Monate, Jahre, die sie getrennt verbracht hatten, eine Geschichte, die er darin lesen konnte, wenn er sie nur lange genug anschaute.

Marnie dachte darüber nach, wie sie sich äußerlich verändert hatte, seit er zum letzten Mal in Kenington Hall gewesen war. Ihr Haar, damals lang und hell, trug sie jetzt kürzer und viel dunkler, in einem Karamellton. In modischen Wellen fiel es bis zu ihren Schultern. Damals hatte sie sich nie geschminkt, doch jetzt verließ sie das Haus nicht ohne ein wenig Make-up. Sie hatte gelernt, vorsichtig zu sein. Die Paparazzi warteten nur darauf, das nächste unvorteilhafte Bild von ihr zu schießen.

„Also?“, fragte sie. Ihre Stimme klang heiser.

„Warum so eilig, agape mou?“

Bei den Koseworten zuckte sie zusammen. Ihr war, als würde er ein Messer in ihre Brust rammen.

Sie unterdrückte das Bedürfnis, ihn wegen der Ansprache zurechtzuweisen. Wenn sie diese Begegnung unbeschadet überstehen wollte, durfte sie sich nicht ablenken lassen. „Du hast mich zwanzig Minuten lang warten lassen. Ich habe gleich einen Anschlusstermin“, log sie. „Ich kann nicht mehr viel Zeit erübrigen. Also, ich schlage vor, du bringst hinter dich, was auch immer du mir sagen willst.“

Wieder hob er gebieterisch die Brauen. „Dann schlage ich vor, du sagst deinen Anschlusstermin ab“, erwiderte er unbeeindruckt.

„Autoritär wie eh und je“, sagte sie.

Sein Lachen schallte durch den Raum und traf sie mit Wucht. „Wenn ich mich recht erinnere, hat es dir damals gefallen.“

Ihr Herz raste. Sie hob die Arme, verschränkte sie vor der Brust und hoffte, sie würden ihr Zittern verbergen. „Ich bin nicht hergekommen, um in Erinnerungen zu schwelgen“, erwiderte sie steif.

„Du hast nicht die geringste Idee, warum du hier bist.“

Ihre Blicke trafen sich, und Marnie spürte, wie der Funke zwischen ihnen übersprang. „Nein. Du hast recht. Das habe ich nicht.“

Hätte sie nur ihrem Instinkt vertraut und sich geweigert, Nikos zu treffen! Sie ging zur Tür.

Sich im selben Raum mit ihm zu befinden, seine Feindschaft mit voller Wucht zu spüren – sie wusste nur noch, dass nichts wichtig genug sein konnte, um das noch länger durchzustehen.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte nicht herkommen sollen.“

Er lachte wieder, folgte ihr zur Tür und presste die Handfläche dagegen. „Halt.“

Marnie zuckte zusammen, und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass sie nervös war. Ihre Selbstbeherrschung war wirklich außergewöhnlich.

Kalt, gefühllos, gelassen. Aber auch Marnie war unsicher. Sie sah ihn mit ihren riesigen mandelförmigen Augen an, dann veränderte sich der Ausdruck zu Ungeduld.

Aber sie war nicht ungeduldig. Wie könnte sie? In diesem Augenblick waren sie wieder die Teenager von damals, unsterblich verliebt, sie wussten alles und nichts und konnten die Finger nicht voneinander lassen.

Er spürte genau, dass sie ihre Ungeduld nur vortäuschte. „Dein Vater steht kurz vor dem Ruin“, sagte er fest. „Wenn du mir nicht zuhörst, wird er in einem Monat bankrott sein.“

Sie erstarrte, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht.

Langsam schüttelte sie den Kopf und murmelte etwas davon, dass sie ihm nicht glaubte, aber sie wusste, dass Nikos die Wahrheit sagte. Der Stress. Der Ärger. Das Trinken. Der Gewichtsverlust. Schlaflose Nächte. Warum hatte sie ihn oder ihre Mutter nicht hartnäckiger gedrängt, ihr ehrlich zu sagen, was los war?

„Ich habe kein Interesse, dich anzulügen“, sagte Nikos nur. „Setz dich.“

Sie nickte, dann ging sie durch den Raum und nahm an dem riesigen Konferenztisch Platz. Ohne sie aus den Augen zu lassen, folgte er ihr, füllte zwei Gläser mit Wasser und schob ihr eins über den Tisch zu, dann setzte er sich auf einen Stuhl ihr gegenüber.

Unter dem Tisch berührten sich versehentlich ihre Beine. Bei der Berührung sprang Marnie fast auf. Ihr ganzer Körper reagierte darauf. Der Schock über die Situation ihres Vaters hatte ihr die gewohnte Selbstkontrolle genommen.

Und Nikos hatte ihre kindische Reaktion auch noch bemerkt. Wäre sie nicht so überwältigt von der Sorge um ihren Vater, hätte sie sich geschämt, als er jetzt spöttisch grinste.

„Dad … ich … nein …“ Sie schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.

„Dein Vater war genau wie viele andere Investoren nicht vorsichtig genug. Er hat sich für dumm verkaufen lassen und unkluge Entscheidungen getroffen.“

Nikos Worte waren respektlos und voller offensichtlicher Abneigung, aber Marnie verteidigte ihren Vater nicht. Früher hatte sie ihn gegen alles und jeden verteidigt, aber auch das hatte sich verändert.

Damals nach Libbys Tod war kein Raum für Zweifel an ihm gewesen, nur für bedingungslose Loyalität. Sie brauchte ihre Familie, und sie konnte nicht riskieren, die einzigen Menschen zu verlieren, die ihre Trauer teilten. Sie hätte alles dafür getan, ihren Eltern weiteren Schmerz zu ersparen, selbst wenn das bedeutete, den Mann zu verlassen, den sie liebte. Sie hatten ihr deutlich gezeigt, wie sehr sie ihre Beziehung zu ihm missbilligten.

Sie sah Nikos an. Die Erinnerungen taten unbeschreiblich weh. Ärgerlich unterdrückte Marnie diesen Anflug von Sentimentalität. Diese Erinnerungen lagen lange zurück, sehr lange. Nikos und sie hatten sich verändert. Sie waren nicht mehr dieselben Menschen wie damals.

„Ohne schnelle Hilfe wird er alles verlieren. Ohne Geld.“

Marnie drehte den Ring, den sie immer am Finger trug – eine nervöse Geste, die sie selbst nicht bemerkte. Ihr schönes zartes Gesicht wirkte verzweifelt.

Nikos spürte einen Hauch von Mitleid. Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre allein der Gedanke, ihr wehzutun, ein absolutes Tabu gewesen. Eine Zeit, in der er, ohne zu zögern, vor einen Bus gesprungen wäre, um ihr Leben zu retten – eine Zeit, in der er geschworen hatte, sie für immer über alles zu lieben, sie zu ehren.

Und sie hatte ihm auf diesen Schwur geantwortet, er würde nie gut genug für sie sein, auch wenn sie es etwas anders ausdrückte.

Er richtete sich in seinem Stuhl auf.

Doch Marnie sprach zuerst. „Dad hat viele Freunde. Leute mit Geld.“

„Er braucht eine Menge Geld.“

„Das wird er auftreiben“, sagte sie mit gespielter Zuversicht.

„Hundert Millionen Pfund bis zum Monatsende?“

„Hundert …“ Ihre seidigen Wimpern senkten sich und verhüllten ihren Schock.

„Und das ist nur der Anfang“, bestätigte Nikos mit einem kleinen Nicken. „Aber wenn du gehen willst …“ Er deutete mit der Hand zur Tür, als interessierte es ihn kein bisschen, was Marnie tun würde.

Sie spielte wieder mit dem Ring, bevor sie den Blick zu Nikos’ Gesicht hob. „Und du? Warum bist du an den Geschäften meines Vaters interessiert?“

„An seinen Geschäften?“ Nikos lachte kurz und humorlos auf. „Die interessieren mich absolut nicht.“

Marnie kniff die Augen zusammen. Verwirrung zeichnete sich in ihrer Miene ab. Nikos betrachtete sie einen Augenblick, die schmale, elegante Nase. Ihre Hände, ihre Nägel, das perfekt geschminkte Gesicht. Selbst ihre Frisur sah konservativ aus. Sie war die Verkörperung einer eleganten jungen Dame aus gutem Hause, genau wie ihre Eltern es sich immer gewünscht hatten.

„Ich gehe davon aus, du hast mich hierher bestellt, weil du einen Plan hast.“ Sie schaute ihn mit ihren goldbraunen Augen an, bis ihre Gefühle sie überwältigten und sie den Blick abwenden musste. „Ich wünschte, du würdest aufhören, mir auszuweichen. Sag mir einfach, was du zu sagen hast.“

Er verzog die Lippen zu einem sarkastischen Lächeln. „Du bist wohl kaum in der Position, mir Befehle zu erteilen.“

Überrascht sah Marnie ihn an. „Das habe ich doch gar nicht getan.“ Zögernd schüttelte sie den Kopf. „Wenigstens war das nicht meine Absicht. Es ist nur … bitte. Sag mir alles.“

Er zuckte mit den Schultern. „Schlechte Entscheidungen, schlechte Investitionen, schlechte Geschäfte.“ Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. In seinem Blick lag eine Intensität, die jede Faser in Marnies Körper vibrieren ließ. „Auf der ganzen Welt gibt es keine zehn Personen, die finanziell in der Lage wären, deinem Vater zu helfen. Noch weniger dürften allerdings bereit dazu sein.“

Marnie biss sich auf die Unterlippe und überlegte verzweifelt, wer eine so große Summe in das bröckelnde Unternehmen ihres Vaters investieren konnte. Nur ein einziger Mann kam infrage, und er starrte sie auf eine Weise an, die jeden klaren Gedanken unmöglich machte.

Unfähig, noch eine Sekunde länger still zu sitzen, stieß sie ihren Stuhl zurück, sprang auf und lief zum Fenster. Dort unten liefen die Menschen durch die Stadt oder lenkten ihre Autos durch den dichten Verkehr und lebten ihr ganz normales Leben. Hier oben fühlte Marnie sich, als wäre sie stattdessen in einem Irrenhaus gelandet.

„Du mochtest meinen Vater noch nie“, sagte sie leise. „Woher weiß ich, dass du dir das Ganze nicht einfach aus irgendeinem grausamen Grund ausgedacht hast?“

„Die Situation deines Vaters ist kein Geheimnis, matakia mou. Ich habe von Anderson davon erfahren.“

„Anderson?“ Der Name versetzte ihr einen Stich. Tiefe Trauer begleitete den Gedanken an Libbys ehemaligen Verlobten. Wie alles, was sie an ihre verstorbene Schwester erinnerte. An früher.

„Wir stehen noch in Kontakt.“ Er zuckte die Schultern, als wäre das ein unwichtiges Detail.

„Er weiß Bescheid?“ Sie dachte an Anderson Holts Familie, an deren Vermögen. Vielleicht konnte er helfen? Sofort verwarf sie die Überlegung wieder. Bestimmt hatte er nicht spontan hundert Millionen Pfund zur Verfügung.

Marnie biss die Zähne zusammen. Tiefes Mitleid für den Mann, der sie großgezogen hatte, erfasste sie. Eilig blinzelte sie die aufsteigenden Tränen fort. Niemals würde sie Schwäche zeigen, erst recht nicht vor Nikos.

„In letzter Zeit wirkte Dad etwas gestresst“, gestand sie zögernd. Noch immer stand sie mit dem Rücken zu Nikos und schaute hinunter auf die belebten Straßen.

„Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Vorstellung, nicht nur sein Lebenswerk, sondern auch das Erbe seiner Vorfahren zu verlieren, lastet sicher schwer auf seinem Gewissen. Ganz abgesehen von seinem gigantischen Ego.“

Sie ignorierte den Seitenhieb. „Ich verstehe nicht, warum er mir das verschweigen sollte.“

„Das verstehst du nicht?“ Bei dem Gedanken an sein letztes Gespräch mit Lord Arthur Kenington kochten die alte Wut und Abneigung wieder in Nikos hoch. „Sein größter Stolz ist, dass er dich vor der ganzen Welt beschützt. Um dir zu ersparen, wie der Rest der Menschheit in der harten Realität zu leben, würde er alles tun.“

„Das hier nennst du ‚harte Realität‘?“, fragte sie spöttisch. Betont langsam ließ sie den Blick durch das luxuriöse Büro mit den eleganten Möbeln schweifen. Die moderne Kunst an den Wänden hätte jede hochklassige Galerie aufgewertet.

Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer, und Marnie wünschte, sie könnte ihre Worte zurücknehmen. Mit welchem Recht verurteilte sie seinen Erfolg? Nikos hatte ihr nicht alles, aber genug über seine Kindheit erzählt. Sie wusste, dass er Armut besser kannte als die meisten anderen.

„Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Du trägst keine Schuld an dieser Situation.“

Erneut empfand Nikos so etwas wie Mitgefühl, das er jedoch mit aller Kraft unterdrückte.

„Das stimmt.“ Er rieb mit einer Hand über sein Kinn. „Dein Vater steht kurz davor, alles zu verlieren. Seine Investitionen. Seinen Ruf. Kenington Hall. Im besten Fall wird man ihn als eine Warnung betrachten. Im schlechtesten Fall als Witzfigur.“

„Nicht …“ Sie zitterte. Ihre Eltern hatten bereits so sehr gelitten, so viel verloren. Der Gedanke, dass sie eine weitere Tragödie ertragen mussten, schnürte ihr die Kehle zu.

„Ich muss gestehen, dass ich nicht schlecht Lust hätte, ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen. Einem Schicksal, das er ganz ähnlich für mich prophezeit hat.“

Marnie spürte einen Schauer ihren Rücken hinunterlaufen, diesmal war er jedoch eiskalt. „Bist du deswegen immer noch wütend?“

Nikos’ Augen funktelten. „Wütend? Nein. Angewidert? Ja.“ Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ohne Hilfe wird dein Vater den Rest seines Lebens damit verbringen, seine Schulden zurückzuzahlen.“ Ihm war bewusst, dass seine Worte sie tief im Innersten erschütterten. Aber er schonte sie nicht. „Einige seiner Entscheidungen könnte man sogar als grob fahrlässig bezeichnen.“

„Oh Gott, Nikos, hör auf!“ Sie sah ihn an, und der Ausdruck in ihren Augen traf ihn ins Mark.

Er biss die Zähne zusammen, untersagte sich aber nach wie vor jedes Mitleid für Marnie. „Es ist die Wahrheit. Würde es dir besser gefallen, wenn ich lüge?“

„Genießt du die Situation?“ Ihre Stimme klang heiser. „Hast du mich hierhergeholt, um deine Schadenfreude auszukosten?“

„Nein.“

„Warum dann? Was willst du? Wieso erzählst du mir das alles?“

Er hob eine Braue. „Ich könnte alle Probleme deines Vaters lösen.“

Ein kleiner Funken Hoffnung keimte in ihr auf. „Wirklich?“

„Ohne Schwierigkeiten.“

„Sogar hundert Millionen Pfund?“

„Ich bin ein wohlhabender Mann. Liest du keine Zeitung?“

„Oh Gott, Nikos.“ Erleichtert lachte sie auf. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.“

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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