Die verbotene Sehnsucht des Kronprinzen

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Thronfolger Alessio von Lasserno kennt seine Pflichten: Er muss schon bald eine Prinzessin heiraten. Was für ihn dagegen nicht infrage kommt, ist eine Bürgerliche. Doch woher stammen bloß die heißen Gefühle für die schöne Malerin Hannah Barrington? Zwei Wochen wohnt sie im Palast, um an seinem Krönungsporträt zu arbeiten. Plötzlich brennt in Alessio eine verbotene Sehnsucht: Er will seinem goldenen Käfig entkommen und frei für die Liebe sein, für sinnliche Nächte voller Leidenschaft – mit der bezaubernden, aber nicht standesgemäßen Hannah!


  • Erscheinungstag 25.01.2022
  • Bandnummer 2529
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509459
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Hannah stand in ihrem vom Sonnenlicht durchfluteten Atelier. Sie war nervös. Der Geruch von Ölfarben und Terpentin, den sie so liebte, machte sie heute schwindelig. Hastig öffnete sie ein Fenster und atmete tief die klare Sommerluft ein.

„Alles in Ordnung, Miss Barrington?“ Einer der Personenschützer, die vor wenigen Minuten in ihrem Cottage eingetroffen waren, musterte sie misstrauisch. Die drei Männer überprüften gerade ihr Zuhause auf mögliche Sicherheitslücken. Denn die Ankunft des Kronprinzen stand unmittelbar bevor, und jegliches Risiko musste vermieden werden. Hannah verstand das, aber dass man sogar sie selbst für verdächtig hielt, ging zu weit. Wie hätte ich denn in der halben Stunde Vorlaufzeit ein Attentat planen sollen?

Sie fächelte sich mit der Hand etwas Luft zu und erklärte: „Es ist stickig hier drinnen. Das wird Seiner Hoheit sicher nicht gefallen.“

Der Mann nickte, offenbar zufrieden, dass sie sich um das Wohlbefinden des Prinzen sorgte. Leider dachte im Moment niemand daran, wie sie sich fühlte. Ihr Herz raste, und sie war den Tränen nahe. Am liebsten wäre sie geflüchtet, aber der Bodyguard, der inzwischen mit vor der Brust verschränkten Armen am Eingang zum Atelier stand, hätte sie sicher aufgehalten. Außerdem fiel ihr spontan auch kein geeignetes Versteck ein.

Ihr Zufluchtsort war hier. Das Cottage war ihr Zuhause. Es war alles, was ihr von ihren Eltern geblieben war, und Hannah verband viele Erinnerungen mit dem Haus.

Doch jetzt würde sie vielleicht alles verlieren. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte das Gericht ihren Onkel und ihre Tante als Vormund eingesetzt. Ihr Onkel hatte sich um ihre Finanzen gekümmert und sie durch ein riskantes Investment um ihr ganzes Vermögen gebracht.

Dass sie nun vermutlich auch noch das Haus verkaufen musste, brach ihr das Herz.

Hannah trat noch näher ans Fenster. Sie fischte ein Haarband aus ihrer Hosentasche und fasste ihr Haar mit zittrigen Fingern zu einem nachlässigen Dutt zusammen.

Der Bodyguard sah sie an. „Sie wirken beunruhigt.“

Sie konnte ihm nicht sagen, welche Verbindung zwischen ihr und dem zukünftigen Herrscher von Lasserno bestand. Daher griff sie zu einer Notlüge. „Ich habe noch nie zuvor so hohen Besuch erwartet, und ich konnte nicht mehr aufräumen.“

Der Mann bedachte sie mit einem abschätzigen Blick. Sie sah auf ihre Hände herab. Sie waren gesprenkelt mit kleinen Farbflecken. Schnell griff sie sich einen Lappen, tränkte ihn mit einem Schuss Terpentin und schrubbte mit wenig Erfolg an ihren Fingern herum. Die Flecken verschwanden nicht, aber dafür roch sie jetzt wie ein ganzer Kiefernhain.

Es klingelte an der Tür.

Hannah schrak zusammen. Er kam früher als erwartet.

„Denken Sie an den Hofknicks“, erinnerte sie der Bodyguard.

Die Herablassung, mit der man sie behandelte, verärgerte sie. Schon vor Monaten hatte sie den Auftrag, das Krönungsporträt des Prinzen zu malen, abgelehnt. Trotzdem suchte er sie hier auf. Was für ein Affront! Aber sie würde sich nicht in ihrem eigenen Haus herumkommandieren lassen, Prinz hin oder her.

„Ich weiß durchaus, wie man sich in Gegenwart von Adligen verhält.“

Der Mann wirkte überrascht, erwiderte aber nichts.

Schon besser.

Die Tür schwang auf, und der Kronprinz trat ein, begleitet von mehreren Männern.

„Seine Königliche Hoheit, Kronprinz Alessio von Lasserno“, verkündete der Bodyguard.

Alessio Arcuri.

Ihr Schwarm aus Teenagertagen. Ihre Wege hatten sich immer wieder gekreuzt, als sie ihn bei zahlreichen Reitturnieren aus der Ferne bewundert hatte. Er war immer noch genauso attraktiv wie damals. Diese sinnlichen Lippen, die meistens ein leicht strenger Zug umspielte, die markante und doch perfekte römische Nase, das volle dunkle Haar, die sonnengebräunte Haut. Prinz Alessio war ein Bild von einem Mann.

Inzwischen waren fast zehn Jahre vergangen, aber er weckte immer noch Gefühle in ihr.

Der Prinz wirkte, als ob er einen Auftritt auf dem roten Teppich absolvierte. Er trug einen maßgeschneiderten marineblauen Designeranzug, ein gestärktes weißes Hemd und eine perfekt gebundene rotblaue Seidenkrawatte.

Hannah hatte keine Zeit mehr gehabt, sich umzuziehen. Das war ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern. Schnell sank sie in einen tiefen Hofknicks. „Eure Hoheit.“

„Signorina Barrington.“ Er wies auf den Mann, der hinter ihm stand. „Darf ich Ihnen meinen Privatsekretär, Stefano Moretti, vorstellen? Er hat den Kontakt zu Ihrer Galeristin hergestellt.“ Der Sekretär wirkte wie eine Schmalspurversion des Prinzen. Auch er war makellos gekleidet und legte perfekte Manieren an den Tag. Er war attraktiv, aber nicht ganz so charismatisch wie der Prinz. Hannah nickte ihm kurz zu, und er lächelte zurück.

„Willkommen in meinem Atelier. Bitte verzeihen Sie, ich hatte nicht mit royalem Besuch gerechnet. Möchten Sie Tee?“

Alessio blickte auf den wackeligen Tisch mit dem rostigen Teekessel und den angestoßenen Tassen, als betrachte er ein trauriges Stillleben. Ihr wurde bewusst, wie schäbig alles auf ihn wirken musste. Ihr Atelier im Cottage war nicht für Besuch geeignet. Noch bis vor Kurzem hätte sie ihn in ihren Räumlichkeiten in einem Londoner Vorort empfangen, aber ihre finanzielle Situation hatte es erfordert, diese aufzugeben.

„Danke, ich halte mich nicht lange auf. Ich war ohnehin geschäftlich in der Gegend, und da Sie anders nicht zu erreichen waren …“ Er sprach mit leichtem italienischem Akzent. Seine Stimme war tief, ein warmer Bariton. Sie hätte ihm stundenlang zuhören können, trotz des leisen Vorwurfs, der in seinen Worten mitschwang.

„Ich hatte den Auftrag doch bereits abgelehnt“, erwiderte sie.

Er neigte den Kopf zur Seite und schien über etwas nachzudenken. Hannah fühlte sich wie eine Ameise unter einem Brennglas.

„Kennen wir uns?“, fragte er.

Sie musterte den Prinzen kurz, ließ ihren Blick über seine hohen Wangenknochen schweifen. Seine dunklen Augen umrahmten geschwungene Wimpern.

Ja, wir kennen uns. Sie waren einander zwar nie offiziell vorgestellt worden, aber es war schwer, einen Mann wie Alessio Arcuri zu übersehen. Damals hatte er alle Turniere mit der Mischung aus Furchtlosigkeit und Arroganz absolviert, die einen perfekten Reiter auszeichnet.

Die halbe Welt hatte wild über die Gründe spekuliert, als er sich mit nur zweiundzwanzig Jahren aus dem Wettkampfsport zurückgezogen hatte. Hannah war deswegen todunglücklich gewesen. Doch dann war der schreckliche Unfall passiert, und plötzlich war das alles nicht mehr wichtig gewesen. Seitdem hatte sie versucht, nicht mehr an Prinz Alessio zu denken.

Aber als ihre Galeristin sie vor einer halben Stunde angerufen hatte, hatten die Erinnerungen sie mit aller Macht eingeholt.

„Nein, ich glaube nicht“, log sie. Sie waren sich nur einmal begegnet, als Hannah den zweiten Platz bei einem Reitturnier belegt hatte. Ihre Blicke hatten sich damals nur kurz getroffen, aber dieser Moment hatte ihr Leben verändert.

Nur wenig später war es dann zu der Katastrophe gekommen, die ihr alles, was ihr im Leben lieb gewesen war, genommen hatte.

Hannah hatte darum gebeten, bei ihrer Freundin mitfahren zu dürfen. Also hatten ihre Eltern ihr Pferd in den Anhänger geladen und waren vorausgefahren. An das, was dann gefolgt war, konnte sie sich nur bruchstückhaft erinnern. Die lang gezogene Kurve. Dahinter ein Trümmerfeld. Das zerstörte Auto ihrer Eltern, der umgestürzte Anhänger. Sie schloss die Augen und versuchte, die schrecklichen Bilder auszublenden.

„Signorina Barrington, geht es Ihnen gut?“

Nach einem tiefen Durchatmen nickte sie langsam und verbannte ihren Kummer energisch an einen Ort tief in ihrem Inneren. Alessio durfte nichts merken, sonst würde er anfangen, Fragen zu stellen, und das ertrug sie im Moment nicht.

Der Prinz befahl seinen Bodyguards, das Zimmer zu verlassen, nur sein Sekretär durfte bleiben. Dadurch entspannte sich die Atmosphäre etwas.

„Ich möchte noch einmal über den Auftrag für mein Porträt sprechen“, hob er an.

„Meine Galeristin hat Ihnen sicher gesagt, dass ich zurzeit sehr beschäftigt bin.“

Alessio trat näher. Jetzt wirkte er noch imposanter. Er war so groß, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm aufzuschauen. Seine braunen Augen hatten eine fast hypnotische Wirkung auf sie.

„Ich würde Ihr Honorar verdoppeln, und wenn Sie mich malen, wird bald jeder Ihren Namen kennen.“

Sie rang mit sich. Schließlich hatte sie sich fest vorgenommen, nur Aufträge anzunehmen, von denen sie wirklich überzeugt war. Damit ein gelungenes Bildnis entstand, musste die Chemie zwischen Künstler und Porträtiertem stimmen. Hannah wollte den Charakter eines Menschen auf Leinwand bannen und so Werke für die Ewigkeit schaffen. Wenn sie das Gefühl hatte, ihrem Gegenüber mit ihrer Arbeit nicht gerecht werden zu können, litt sie. Andererseits konnte sie sich hohe Ansprüche gerade nicht leisten, dafür brauchte sie das Geld zu dringend.

Ihr Blick fiel auf ihre Staffelei mit dem noch unfertigen Porträt einer älteren Frau. „Ich ziehe es vor, Menschen zu malen, die sonst nicht von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Sie stehen ohnehin schon immer im Fokus“, wandte sie ein.

„Die Presse versucht oft, ein gewisses Bild von mir zu vermitteln, liegt aber meist falsch mit ihren Vermutungen.“

„Wie stellt man Sie denn dar?“ Sie vermutete, dass man ihm Gefühlskälte unterstellte. Und auch sie selbst fragte sich, ob unter der perfekten Fassade vielleicht kein Mensch, sondern ein Roboter steckte, der statt Herz und Muskeln Schaltkreise und Drähte besaß.

Alessio schien erstaunt. „Sie haben nicht im Internet über mich recherchiert? Ich dachte, Sie befassen sich intensiv mit den Menschen, die Sie porträtieren.“

„Ich habe Ihrem Auftrag noch nicht zugestimmt, also war bisher keine Recherche nötig.“

Er betrachtete das Porträt auf der Staffelei. „Ihre Bilder haben eine unglaubliche Aussagekraft. Niemand wäre besser geeignet, mich zu malen, als Sie.“

Hannah war hin- und hergerissen. Prinz Alessio war ein faszinierendes Studienobjekt, gleichzeitig erinnerte er sie an alles, was sie verloren hatte.

„Meine Galeristin hat Ihnen mitgeteilt, unter welchen Bedingungen ich arbeite, und daraufhin haben Sie Ihre Anfrage zurückgenommen.“

„Wie Sie sehen, bin ich trotzdem gekommen.“

Er hört mir nicht zu.

Hannah drehte sich um und ging zu dem kleinen Tisch in der Ecke, der mit Farbspritzern übersät war. Sie öffnete eine Schublade, zog einen Stapel Papiere daraus hervor, machte kehrt und drückte sie Alessio brüsk in die Hand.

Mit gerunzelter Stirn überflog er den Inhalt. „Was soll das?“

Es war ein Fragebogen. Hannah verlangte von jedem Kunden, dass er ihn ausfüllte. So lernte sie ihr Gegenüber besser kennen.

„Dieser Fragebogen ist der Grund, warum ich so gut in dem bin, was ich tue. So lerne ich mein Modell intim kennen.“

Verärgert biss sie sich auf die Zunge. Hoffentlich dachte er jetzt nicht, dass sie … Hannah errötete.

Der Prinz schmunzelte kurz, widmete sich dann aber schnell wieder den Papieren in seiner Hand.

„Was waren Ihre prägendsten Kindheitserinnerungen? Was macht Sie glücklich?“, las er laut vor, verzog das Gesicht und gab ihr die Seiten mit einer unwirschen Handbewegung zurück. „Kommt nicht infrage. Wenn die Presse das in die Hände bekommt …“

„Das wird nicht passieren. Nach dem Lesen vernichte ich die Unterlagen. Das mache ich bei all meinen Auftraggebern so. Und ich werde eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnen. Von mir erfährt niemand etwas.“

„Ich bin der Prinz von Lasserno. Ich habe den Klatschblättern noch nie Grund dazu gegeben, eine Skandalstory über mich zu verbreiten. So ein Schriftstück könnte mich kompromittieren. Ich werde den Fragebogen nicht ausfüllen, und damit basta.“

„Sie können die Fragen auch gern sofort mündlich beantworten“, schlug Hannah vor.

„Auf keinen Fall. Ich kenne Sie doch gar nicht.“

Er sträubte sich zwar, aber sie hatte dennoch das untrügliche Gefühl, dass Alessio wollte, dass sie den Auftrag bekam. Sie fühlte sich geschmeichelt. Ihr jüngeres Ich hätte sich jetzt am Ziel seiner Träume gesehen. Beflügelt von diesem Gedanken ging sie in die Offensive.

„Sie wollen ein fabelhaftes Porträt von sich? Dann beantworten Sie meine Fragen. Das Angebot für das doppelte Honorar nehme ich gern an. Es ist Ihre Entscheidung.“

Damit hatte Alessio nicht gerechnet. Diese Frau verwirrte ihn. Er musterte sie eingehend. Sie trug ein blau-weiß gestreiftes Herrenhemd mit ausgefranstem Kragen. Die Ärmel waren hochgekrempelt und an den Manschetten mit Farbe bekleckert. Ihre Jeans saß etwas zu locker und hatte Risse an den Knien. Und ihre Frisur war äußerst kurios.

Komischerweise wirkte sie gerade in dieser nachlässigen Aufmachung unglaublich anziehend.

„Ich lasse mir nicht gerne meine Vorgehensweise diktieren“, sagte er kühl.

Ihre Blicke trafen sich, und als er in ihre smaragdgrünen Augen schaute, hatte er wieder dieses Gefühl von Déjà-vu. Warum kommt sie mir nur so bekannt vor?

Sie funkelte ihn wütend an. „Normalerweise ist es auch nicht nötig, ein Ultimatum zu stellen.“

„So kommen wir nicht weiter“, bemerkte er. Dann hatte er eine spontane Eingebung. Vielleicht fanden sie eine Lösung, die für beide Seiten akzeptabel war.

Alessio drehte sich zu seinem Privatsekretär um, der die ganze Szene still abwartend mitverfolgt hatte. Stefano war nicht nur sein Sekretär, sondern auch sein Freund und engster Vertrauter.

„Es ist schön, zu sehen, dass es auch noch Frauen gibt, die immun gegen deinen Charme sind“, meinte Stefano ironisch. Sie sprachen Italienisch, damit Hannah sie nicht verstand.

Alessio reagierte ungeduldig. „Hör auf zu spotten und sag mir lieber, wie es in nächster Zeit mit meinen Terminen aussieht.“

Stefano startete die Kalender-App auf seinem Smartphone. Alessio überflog die Einträge und wandte sich dann wieder Hannah zu.

„Sie wollen mich besser kennenlernen? Dann reisen Sie mit mir nach Lasserno. Ich werde Ihnen zwei Wochen meiner kostbaren Zeit opfern. Das sollte genügen, um Ihnen einen Eindruck von mir zu erlauben.“

Stefano schnappte vor Erstaunen nach Luft, aber das war dem Prinzen egal. Alessio hatte nur Augen für die Frau, die vor ihm stand. Für einen Moment stellte er sich vor, wie es wäre, sie zu küssen. Dann rief er sich zur Ordnung. In seinem Leben war kein Platz für eine Geliebte. Aber wenigstens könnten wir Zeit miteinander verbringen.

„Ich habe auch noch andere Kunden“, protestierte sie.

Sie wehrte sich immer noch, aber genau das fand er so reizvoll. Er ahnte, dass er sie fast überzeugt hatte.

„Um die kann sich Ihre Galeristin kümmern. Wenn sich herumspricht, dass Sie gerade einen Prinzen porträtieren, werden die Preise für Ihre Gemälde explodieren.“ Er machte eine Kunstpause. „Und ich erhöhe mein Angebot noch einmal. Sie erhalten das Fünffache Ihres normalen Honorars.“

Jetzt war sie sprachlos.

Alessio lächelte, er hatte gewonnen.

2. KAPITEL

Am Flughafen erwartete Hannah eine dunkle Limousine samt Fahrer, in der sie zum Palast gefahren wurde. Das mächtige turmbewehrte Gebäude ragte hoch über einer malerischen Landschaft aus Olivenhainen und Weinbergen auf.

Nun stand sie in einem opulent ausgestatteten Vorzimmer. Das Mobiliar war allerdings gewöhnungsbedürftig. Wie konnte ein so üppig gepolsterter, brokatbezogener Stuhl nur so unbequem sein? Hannah versuchte vergeblich, eine erträgliche Sitzposition einzunehmen. Seine Hoheit ließ auf sich warten. Sie fühlte sich wie ein Schulmädchen, das ins Büro des Schulrektors zitiert worden war.

Sie blickte auf die massiven Eichentüren, hinter denen das Arbeitszimmer des Prinzen lag. Alles hier war so überdimensional und einschüchternd. Was mich hier wohl in den nächsten zwei Wochen erwarten wird?

Ihre Galeristin hatte ihr erst eine Typveränderung verpasst – Maniküre, neue Frisur, elegante Kleider – und sie dann mit Freuden ziehen lassen. Seit ihrer Ankunft in Lasserno holte die Vergangenheit Hannah immer wieder ein, und sie dachte voller Wehmut an die Zeit zurück, bevor ihre ganze Welt zusammengebrochen war.

Aber für diese Gedanken war jetzt keine Zeit. Die mächtigen Türen schwangen auf, und der Privatsekretär des Prinzen trat heraus. Im Vorfeld ihres Besuches hatte sie mehrfach mit ihm telefoniert. Er war stets formvollendet höflich und freundlich gewesen, aber sie hatte ihm keine Auskünfte über den Prinzen entlocken können.

„Seine Hoheit hat jetzt Zeit für Sie.“

Sie trat in den riesigen Raum und staunte.

An sämtlichen Wänden hingen großformatige Ahnenporträts in kunstvoll verzierten vergoldeten Rahmen. Die Decke des Arbeitszimmers zierten opulente Fresken, der Boden war mit einem luxuriösen karmesinroten Teppich ausgelegt. Aber am beeindruckendsten war der Mann, der hinter dem antiken Schreibtisch stand und sie prüfend ansah.

Der Prinz schien auf etwas zu warten. Richtig, das hatte sie fast vergessen! Schnell sank sie in einen angedeuteten Hofknicks und trat anschließend näher. Er bedeutete ihr, sich zu setzen. Hannah nahm auf einem Lehnstuhl Platz. Gerade noch rechtzeitig, denn als er sie anlächelte, bekam sie weiche Knie.

„Hatten Sie einen angenehmen Flug?“

Sie dachte an ihre Reise im Privatjet des Prinzen, auf der das Personal sie wie eine Prinzessin umsorgt hatte. „Ja, vielen Dank, aber ein Linienflug hätte auch genügt.“

„Nehmen Sie es einfach als Entschädigung für Ihre Unannehmlichkeiten. Ich vermute, Ihre anderen Auftraggeber waren nicht allzu enttäuscht über Ihre vorübergehende Abwesenheit?“

Das war noch untertrieben. Wie prophezeit, rechneten alle ihre Kunden damit, dass mit dem Auftrag aus dem Königshaus auch der Wert ihrer eigenen Porträts steigen würde. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihre Kunden hätten sie mit einer rauschenden Party und einem Feuerwerk verabschiedet. Hannah schüttelte den Kopf, und Alessio zog leicht amüsiert die Mundwinkel hoch. Ihr Herz tat einen kleinen Hüpfer. Wenn er lächelte, sah er noch viel attraktiver aus.

Aber dieser Mann war ein Prinz und damit für eine Normalsterbliche wie sie unerreichbar.

Nun setzte er sich ebenfalls. „Sprechen wir darüber, was ich von Ihnen während unserer Zusammenarbeit erwarte.“

Man hatte ihr bereits während des Fluges ein umfangreiches Dossier überreicht, in dem alle Etikette- und sonstigen Verhaltensregeln verzeichnet waren. Die nächsten Tage würden anstrengend werden.

„Ihr Verhalten fällt auch auf mich zurück. Ich möchte Sie darum bitten, dies stets zu bedenken und dementsprechend zu agieren.“

Was fällt ihm ein? „Das versteht sich von selbst. Sie werden meine Anwesenheit gar nicht bemerken.“

Er sah sie eindringlich an. Seine Augen hatten die Farbe von Umbra. „Das ist erfreulich. In der Öffentlichkeit werden Sie stets mit gebührendem Abstand hinter mir gehen. Die einzige Frau, die an meiner Seite schreiten darf, ist die Prinzessin.“

„Werde ich sie auch kennenlernen?“

„Noch gibt es keine Prinzessin.“

„Schade. Ich dachte, ich könnte sie vielleicht ein wenig über Sie ausfragen.“

„Ich lebe für mein Land. Mehr müssen Sie nicht wissen“, antwortete er eisig. Es schien wirklich nichts anderes für ihn zu geben. Das fand Hannah unglaublich traurig.

„Sie sagten, die Regeln gelten in der Öffentlichkeit. Was ist, wenn wir allein sind?“

„Das wird nicht vorkommen.“

Hannah blickte sich gespielt übertrieben um. „Ich sehe hier gerade niemanden.“

„Stefano.“

„Sì?“

Sie fuhr herum. Der Sekretär stand direkt neben der Tür und schmunzelte. Sie drehte sich wieder zu Alessio um.

„Wo haben Sie den armen Mann denn versteckt? Im Aktenschrank?“

„Das ist irrelevant. Es genügt, zu wissen, dass wir nie allein sein werden.“

„Und wie soll ich so meine Arbeit machen?“ Hannah war frustriert.

„Das sollten Sie eigentlich wissen. Sie nehmen sich eine Leinwand, einen Pinsel …“

Enerviert schüttelte Hannah den Kopf. „Ich kann nicht arbeiten, wenn ständig Fremde um mich herumwuseln. Porträtmalerei ist eine sehr persönliche Angelegenheit, eine intensive Interaktion zwischen zwei Menschen …“

„Mein Haus, meine Regeln, Signorina Barrington.“

Wie kann er nur so stur sein? Na, warte

„Nun, wenn es so leicht ist, warum malen Sie sich dann nicht gleich selbst, Eure Hoheit?“

Er verzog keine Miene. Sie wurde nicht schlau aus ihm, er war wie eine weiße Leinwand, bei der man nicht wusste, welches Motiv darauf entstehen würde.

„Weil ich die Beste für diese Aufgabe haben möchte, und das sind nun einmal Sie.“

Hannah wusste nicht, ob das unter diesen Umständen noch zutraf. Sie war nur hier, weil sie keine Wahl hatte, und ihr erschloss sich immer noch nicht, wie sie den Prinzen malen sollte. Er war so ausdruckslos, so glatt. Natürlich sah er sehr gut aus, seine Gesichtszüge waren makellos, sein Körper wie gemeißelt. Aber genau das war das Problem, er hätte ebenso gut ein Denkmal sein können. Ein hübsch gestalteter Marmorblock ohne Herz und Seele.

Sie stand auf und ging zu den Ahnenbildern.

„Ich habe nicht gesagt, dass Sie aufstehen dürfen.“ Prinz Alessios Stimme klang unerbittlich. Bisher hatte sie seine Spielchen erduldet, aber um Erlaubnis bitten, um sich bewegen zu dürfen? Das ging zu weit!

„Es wird aber ermüdend für uns beide, wenn ich bei allem, was ich tue, erst Ihr Einverständnis einholen muss. Eure Hoheit, ist es gestattet, dass ich mir ein Glas Wasser einschenke? Eure Hoheit, darf ich ins Bad? So wird das nichts.“

Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

Hannah wies auf die Gemälde an der Wand. „Wenn Sie so viel Wert darauf legen, über alles zu bestimmen, dann sagen Sie mir doch, wie Sie gern dargestellt werden möchten.“

Nach kurzem Zögern kam der Prinz ihrer Bitte nach und stellte sich neben sie. Er studierte die verschiedenen Darstellungen seiner Vorfahren. Einige posierten stehend, in Uniform mit dazugehörigem Säbel, andere saßen auf einem Thron, ein Zepter in der Hand.

„Wie soll man Sie einmal in Erinnerung behalten, wenn Sie nicht mehr leben?“

Seine Antwort kam schnell. „Als der beste Herrscher, den Lasserno je hatte. Ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.“

Sie zweifelte nicht daran, dass ihm dieses Unterfangen gelingen würde. Aber wie sollte sie das bildlich darstellen?

Ich hätte hinter meinem Schreibtisch bleiben sollen. Jetzt war er ihr fast zu nah. Hannah Barrington übte eine starke Anziehungskraft auf Alessio aus. Ihre Widerspenstigkeit war entzückend. Die meisten Menschen verhielten sich ihm gegenüber unterwürfig, verbeugten sich permanent oder knicksten. Sie war anders, sie behandelte ihn, als wäre er nichts Besonderes. Sie hatte sich nicht einmal vorher umgezogen, als er sie in ihrem Atelier besucht hatte. Schon in ihrer Malerkleidung und mit dem wilden Haar hatte sie ihn mit ihrer Unbekümmertheit bezaubert.

Aber das war kein Vergleich dazu, wie sie gerade auf ihn wirkte.

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