Dieses brennende Verlangen

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Zehn Jahre ist es her, dass Susanna in Caseys Armen schwach wurde. Und schon am nächsten Tag ließ er sie sitzen! Warum muss ausgerechnet dieser Mann jetzt im Nachbarhaus einziehen? Wieder spürt Susanna dieses erotische Prickeln, das ihr schon einmal zum Verhängnis wurde …


  • Erscheinungstag 09.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746773
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Susanna Hart den Cadillac-SUV um die Ecke kommen und die Straße hinunterrasen sah, krampfte sich ihr Herz zusammen. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde.

Casey Thomas war wieder da.

Der Ball ihrer Nichte Ally rollte über die Straße und blieb auf dem Rasen vor Caseys Elternhaus liegen. Susanna hielt die Hand des Mädchens fest und hastete zum anderen Grundstück hinüber. Wieso musste Casey ausgerechnet jetzt kommen? Ins Haus zurückrennen konnte sie nicht mehr, dafür war es zu spät.

„Oh nein“, murmelte sie. Ally sah sofort fragend zu ihr hoch. Schnell hob Susanna den Ball auf und reichte ihn der Zweijährigen, dann zog sie die Kleine, so rasch es ging, wieder in Richtung ihres Hauses und lächelte das Kind an. Auf keinen Fall durfte Ally etwas von ihrer Nervosität spüren.

Der besorgte Blick auf dem Gesicht der Kleinen verschwand, und sie lachte Susanna fröhlich an. „Komm, wir spielen weiter.“

Ally wohnte nun seit einem Monat bei ihr, und das Wichtigste für Susanna war, dass sich das Kind bei ihr wohlfühlte und das Gefühl hatte, von ganzem Herzen geliebt zu werden. Wenn Ally etwas von der Panik mitbekam, die in Susanna aufstieg, würde sie das nur verunsichern und verstören.

Der SUV kam in der Einfahrt neben ihr zum Stehen. Vor etwa zehn Jahren hatte Casey ihr das Herz gebrochen, und Susanna war nie darüber hinweggekommen. Obwohl sie ihn seither schon ein paar Mal gesehen hatte, tat ihr sein Anblick immer noch weh.

Verdammt, reiß dich zusammen! rief sie sich zur Vernunft. Sie würde einfach so tun, als sei nie etwas passiert, als wäre nicht er es gewesen, der sie vor langer Zeit verführt und ihr dann so schrecklich wehgetan hatte. Bei der Beerdigung von Susannas Vater hatte sie das ja auch hinbekommen. Und als sie Casey nach einem Reitunfall mit ihrer Freundin Audrey im Krankenhaus besucht hatte, konnte sie auch so tun, als mache es ihr nichts mehr aus, ihn zu sehen.

Die Fahrertür ging auf, und sofort hüpfte ein kleiner Hund aus dem Wagen. „Wie süß!“, rief Ally begeistert und fuchtelte aufgeregt mit den Armen.

Der Hund rannte schwanzwedelnd auf sie zu.

„Charger!“, rief Casey das Tier zurück, und Susanna nahm Ally schnell auf den Arm.

„Entschuldigung“, rief Casey zu ihr hinüber. „Er ist zwar sehr stürmisch, aber er tut nichts.“

Etwas schwerfällig stieg Casey aus dem Wagen. Seit seinem Reitunfall – er hatte sich bei einem Rodeo einen Wirbel gebrochen – waren seine Bewegungen etwas langsamer. Er war über einen Meter fünfundachtzig groß und wirkte noch immer imposant, als er jetzt neben seinem Wagen stand. Irgendetwas schien ihn jedoch zu verärgern, das sah Susanna an seinem Blick. War es der Hund? Oder hatte er immer noch Schmerzen im Rücken?

„Ich hoffe, er hat das Kind nicht erschreckt“, sagte Casey freundlich.

Mit eingezogenem Schwanz schlich der kleine Hund zu seinem Herrchen zurück. Das Fell des Tiers war genauso blond und struppig wie Caseys Haare, und selbst der Blick des Hundes kam Susanna ebenso verschmitzt vor wie der seines Herrchens. Casey kam auf Susanna zu, blieb aber ein paar Schritte von ihr entfernt stehen. „Hallo, Susanna.“

Ihre nackten Zehen bohrten sich in das Gras. Noch immer sah Casey umwerfend gut aus. Mit seinem braunen Hemd und der beigen Hose wirkte er kultivierter als früher. Er war braun gebrannt und lachte sie charmant an. „Hallo. Wir werden nun wieder Nachbarn sein.“

Susanna hatte bereits von ihrer besten Freundin Audrey erfahren, dass Casey aus geschäftlichen Gründen für eine Weile wieder herziehen würde. Sie war also darauf vorbereitet. Was sie Audrey allerdings verschwiegen hatte, war, wie sehr es sie stresste, dass der erfolgreiche und attraktive Bruder ihrer Freundin wieder neben ihr wohnen würde.

„Audrey hat es mir schon erzählt“, antwortete sie und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht bemerkte.

So viel war zwischen ihr und Casey unausgesprochen. Vor langer Zeit hätten sie darüber reden sollen, nun wollte Susanna nicht mal mehr darüber nachdenken. „Äh, das ist Ally“, fuhr sie unsicher fort. „Sie wohnt jetzt bei mir.“ Sie drückte die Kleine fest an sich und berührte mit den Lippen ihre blonden Locken. „Ally, das ist Casey.“

Ally blickte von dem Hund zu seinem Besitzer. Erst jetzt schien sie den Mann zu bemerken. „Hallo“, sagte sie leise.

Casey kam über das Gras näher, lächelte das Mädchen freundlich an, ging in die Hocke und schüttelte ihm die Hand. „Hi, Ally.“

„Ich mag deinen Hund“, antwortete die Kleine.

Winselnd sprang Charger an seinem Herrchen hoch. „Ich glaube, er mag dich auch.“

„Darf ich ihn streicheln?“

„Da musst du nicht mich fragen, sondern …“ Casey sah zu Susanna.

„Tante Susie“, beendete Susanna seinen Satz. Sie war zwar nicht wirklich Allys Tante, aber nun war keine Zeit für Erklärungen. „Ja, natürlich darfst du ihn streicheln.“

Casey stand wieder auf und hob den Hund hoch, und ganz behutsam strich Ally mit ihrer kleinen Hand über seinen Kopf. „Ganz weich“, sagte sie ehrfürchtig.

„Stimmt.“

Ein Hauch von Limone und Moschus stieg Susanna in die Nase. Caseys Duft erinnerte sie sofort an das letzte Mal, als sie sich nahe gewesen waren. Sie hatte das Gefühl, wieder mit ihm im Haus der Familie Thomas auf dem Sofa zu liegen, und spürte beinahe, wie sich seine starken Arme beruhigend um sie legten. Susanna hatte damals bitterlich geweint, und es kam ihr vor, als sei es erst gestern gewesen. Selbst zehn Jahre später raste ihr Herz noch in Caseys Nähe.

Wenn er doch nur nicht direkt neben ihr einziehen würde. Ach, wäre er doch bloß nicht der Bruder ihrer besten Freundin. Und wieso brachte ihn sein Geschäft ausgerechnet nach Reno zurück? Aber so war es nun mal. Er würde eine Weile hier wohnen, und Susanna musste damit fertig werden. Und das würde sie auch, sie war mit manch anderen Dingen fertig geworden.

„Die Straße sieht noch immer aus wie früher“, bemerkte Casey, als er sich umsah.

„Zum größten Teil, ja.“ Es war eine ganz normale Wohngegend, in der die Häuser und Vorgärten sauber gepflegt waren. „Mrs. Martinez ist ausgezogen. Sie ist jetzt im Altersheim. Peter Albertson hat geheiratet, aber seine Eltern wohnen noch hier.“

„Ach, echt? Dann muss ich mal rübergehen und sie begrüßen.“

Casey warf einen Blick auf sein eigenes Haus. Seit Audrey vor einem Jahr ausgezogen war, wohnte dort niemand mehr. Susanna kümmerte sich um das Anwesen und sorgte dafür, dass der Gärtner regelmäßig den Rasen mähte.

„Hast du noch den Ersatzschlüssel?“, wollte Casey wissen.

Susanna blinzelte, die Frage kam aus heiterem Himmel. „Ja, willst du ihn wiederhaben?“, fragte sie barsch.

„Nein, Ma’am“, antwortete Casey und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich muss ihn mir nur ausleihen, denn ich habe meinen zu Hause in Tahoe vergessen.“

„Ja, natürlich.“ Susanna klang jetzt etwas freundlicher. „Ich hole ihn dir. Komm, Ally.“

Aber Ally wollte nicht mitkommen. Sie drückte Susanna mit ganzer Kraft von sich und rief: „Charger. Charger.“

„Wir kommen doch gleich wieder, Süße.“

„Du kannst sie ruhig hierlassen, wenn du willst. Ich passe auf sie auf.“ Casey bückte sich, setzte den Hund ab und kraulte ihm den Kopf. Dann sah er zu Susanna. Gott, was hatte er für schöne blaue Augen. „Natürlich nur, wenn es dir recht ist.“

Nein, es war ihr gar nicht recht. Nicht, dass sie Casey nicht vertraut hätte, schließlich hatte er seine Schwester Audrey großgezogen und kannte sich mit Kindern aus. Aber sie wollte nicht zu vertraulich werden mit ihrem neuen ehemaligen Nachbarn. Und sie wollte erst recht nicht, dass Ally sich mit ihm anfreundete.

„Biiiiittte.“ Ally legte die Hände auf Susies Wangen und sah sie flehentlich an. Die Kleine wusste genau, welchen Knopf sie drücken musste. Allys Blick traf Susanna direkt ins Herz. Ach, was sollte es? Die Kleine hatte so viel Traurigkeit erlebt, wie konnte sie ihr diesen Wunsch abschlagen?

Lachend schüttelte sie den Kopf. „Okay, und du hörst auf Casey, ja?“

Sofort rannte der Hund auf Ally zu und umkreiste sie mit wedelndem Schwanz. Die beiden hatten bereits Freundschaft geschlossen.

Nicht gut.

Seufzend ging Susanna ins Haus. Vor der Haustür wandte sie sich noch mal um. Charger wälzte sich im Gras, und Ally lachte laut. Casey sah zu ihr hinüber, ihre Blicke trafen sich. Einige Sekunden lang sahen sie sich an. Nein, sie wollte nicht, dass er sie beobachtete. Fluchtartig drehte sie sich um, trat ins Haus und zog die Fliegengittertür hinter sich zu.

Casey stand mit verschränkten Armen an den SUV gelehnt und passte auf Ally auf. Der Hund und das Mädchen saßen nebeneinander auf dem Rasen, wobei Ally dem Hund etwas erzählte und dieser aufmerksam zuzuhören schien. Viel wusste Casey nicht über die Kleine. Seine Schwester Audrey hatte ihm lediglich erzählt, dass ihre Mutter an einer Überdosis verstorben war. Sie und Susanna waren Cousinen gewesen.

Allys Vater hatte sich bereits vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht, und Susanna war die Einzige, die das Kind noch hatte.

Das Quietschen von Susannas Fliegengittertür unterbrach Caseys Gedanken, und er sah auf. Susanna kam auf ihn zu. Casey fiel auf einmal auf, wie angespannt sie war. Hatte sie ihm denn noch immer nicht verziehen?

Zehn Jahre waren eine halbe Ewigkeit, und trotzdem hatte auch Casey die wunderbare gemeinsame Nacht, in der sie sich geliebt hatten, nicht vergessen. Es war ganz und gar seine Schuld, dass ihr Verhältnis zueinander so heikel war, und es war ihm deshalb nicht leichtgefallen, wieder hierherzuziehen. Irgendwie musste er Susannas Vertrauen zurückgewinnen, erst dann würde er ihr helfen können. Denn das schuldete er ihr und ihren Eltern.

Ohne Eleanor und George Hart hätte er seine Schwester Audrey nie allein großziehen können. Jahrelang waren die Harts wie eine Familie für Audrey gewesen, als er wegen des Rodeos so viel unterwegs gewesen war.

Casey war zunächst nicht begeistert gewesen, als Audrey ihm vorgeschlagen hatte, in ihr gemeinsames Elternhaus zurückzuziehen, um Susanna insgeheim dabei zu helfen, wieder auf die Füße zu kommen. Er hatte nur zugestimmt, weil er sowieso eine neue Zweigstelle von Sentinel Construction in Reno eröffnen wollte und den Bau eines Restaurants in der Stadt beaufsichtigen musste.

„Sie ist ganz allein, Case, und muss ihr Geschäft führen und gleichzeitig das Kind ihrer Cousine großziehen. Du weißt doch, wie das ist.“

Ja, das wusste er. Es war hart gewesen, als Caseys und Audreys Eltern gestorben waren, und er hatte schnell erwachsen werden müssen, um für seine Schwester da zu sein. Deshalb hatte er sich auch von ihr überreden lassen, herzukommen. Das Problem an der ganzen Sache war nur, dass Susanna kaum mit ihm sprach.

Während sie langsam auf ihn zukam, beobachtete sie missbilligend, wie Ally im Schatten eines Baumes mit dem Hund spielte. Er seufzte. Sie war ganz offensichtlich nicht gerade begeistert von dem Hund.

Das mit Charger war auch Audreys Idee gewesen. Eigentlich hatte er den Hund nicht mitbringen wollen, er hätte ihn, wie immer auf Geschäftsreisen, bei Audrey auf der Sunset Ranch lassen können. Aber Audrey hatte darauf bestanden, dass er Charger mitnahm, denn er sollte das Eis zwischen ihm und Susanna und Ally brechen. Aber Susies Blick nach zu urteilen, würde das bei ihr nicht ganz so leicht werden.

„Bitte schön.“ Susie reichte ihm den Schlüssel, der an einem törtchenförmigen Plastikanhänger hing, auf dem SweetSusies.com stand.

Ihre Finger berührten sich dabei leicht. Susie zuckte zusammen und riss erschrocken die Augen auf. Die Berührung schien sie nervös zu machen, und das störte Casey. Wieso reagierte sie nur so? „Ich beiße nicht, Suse.“

„Niemand nennt mich heute noch so“, war alles, was sie entgegnete.

„Ich werd’s mir merken“, antwortete er leicht genervt. Seine Schwester benutzte diesen Spitznamen seit eh und je, wenn sie von Susanna sprach. „Ich habe gehört, du hast eine Firma eröffnet. Du konntest schon immer super backen. Wie läuft es denn?“ Vielleicht wollte sie ja darüber reden.

Susanna wandte ihren Blick Ally zu. Immer noch saß das Mädchen neben dem Hund. „Ganz gut. Es macht mir Spaß … und das ist das Wichtigste“, erwiderte sie etwas trotzig.

Audrey hatte erwähnt, dass es Susanna schwerfiel, mit all den Veränderungen in ihrem Leben klarzukommen. Aber sie war zu stolz, um irgendjemanden um Hilfe zu bitten. „Da hast du recht, es ist gut, wenn einem das, was man tut, Spaß macht.“

Nervös biss sie sich auf die Unterlippe. Schon immer hatte Casey sie wegen ihrer natürlichen Art sehr hübsch gefunden. Jeder andere Mann wäre vermutlich verdammt glücklich darüber, sie als neue Nachbarin zu haben. Aber dummerweise waren die Umstände in diesem Fall etwas komplizierter.

„Oh, es tut mir … leid. Ich hätte das nicht sagen sollen …“ Wieder biss sie sich auf die Lippe.

„Ist okay.“

Sie konnte ihr Mitgefühl nicht verbergen. Aber er wollte kein Mitleid, und zwar von niemandem. Ein schlimmer Sturz von einem Pferd hatte seinen großen Traum zunichtegemacht. Aber das gehörte der Vergangenheit an. Als Rodeo-Reiter war er sich des Risikos bewusst gewesen. Weil er sein Geld während seiner Zeit als Rodeo-Champion gut angelegt hatte, war er jetzt als Geschäftsführer von Sentinel Construction wohlhabend genug, um sorgenfrei zu leben. „Das ist alles lange her. Keine Sorge.“

„Na gut … Ich sollte Ally reinbringen. Es ist bald Essenszeit.“

„Ja, und ich muss meine Sachen ausladen.“ Als Casey zur Haustür seines Elternhauses hinüberblickte, rief das plötzlich ganz viele Erinnerungen in ihm wach. Hier hatte er Audrey großgezogen. Es war nicht leicht gewesen, für seine acht Jahre jüngere Schwester gleichzeitig Vater und Mutter zu sein. Die Verantwortung war sehr groß, und Audrey sagte immer, er sei ein kompromissloser Tyrann gewesen. Er war oft überfordert gewesen.

Aber die Harts hatten Audrey immer geholfen und ihr ein zweites Dach über dem Kopf gegeben. Umso mehr musste er das mit Susanna durchziehen und sie unterstützen. „Es ist so lange her, dass ich hier gewohnt habe“, sprach er seufzend das aus, was er dachte.

„Es ist merkwürdig, dass das Haus jetzt leer ist.“

„Wer weiß, was ich darin finden werde“, sagte Casey lachend.

„Außer Staub vermutlich nicht viel. Audrey hat das Haus immer in Schuss gehalten.“

„Vermisst du sie?“ Casey sah Susanna fragend an, und sie schaute sehnsüchtig zum Haus hinüber. „Ja, aber … Sie ist glücklich als junge Mutter.“

„Du bist ja ganz offensichtlich auch Mama geworden.“

Susannas Augen nahmen einen zärtlichen Ausdruck an, während sie weiterhin in Richtung Haus blickte. „Ja, Ally ist ein tolles Kind. Aber nun muss ich wirklich gehen.“

„Okay, danke für den Schlüssel. Wir sehen uns.“

„Tschüss.“

Susanna drehte sich um und ging zu Ally. Ihr langes kastanienbraunes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden hatte, ließ sie viel jünger als achtundzwanzig aussehen. Ihre Kurven kamen in ihrer knallengen Jeans und der schmal geschnittenen Bluse perfekt zur Geltung, was Casey natürlich nicht entging.

Während ihres kurzen Gesprächs hatte Susanna jeden Augenkontakt mit ihm vermieden und sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht.

Na, toll.

Seufzend öffnete Casey den Kofferraum seines Wagens und wuchtete seinen großen Koffer hinaus.

„Charger“, rief er seinen Hund, der gleich reagierte, dann aber sah, dass Ally und Susanna auf ihre Haustür zugingen. Sofort trottete er den beiden hinterher. „Nein, hierher!“, befahl Casey. Widerwillig blieb der Hund stehen und drehte sich zu seinem Herrchen um.

„Du darfst nicht da rüber“, sagte Casey leise. „Dort bist du nicht willkommen.“ Noch nicht, fügte er im Stillen hinzu.

Der Wecker riss Susanna am nächsten Morgen aus dem Tiefschlaf. Vier Uhr. Stöhnend schaltete sie das Summen ab, bevor Ally davon aufwachte. Sie streckte sich und gähnte. Es war für sie zur Routine geworden, so früh am Morgen aufzustehen, denn sie musste backen, ehe Ally munter wurde. Draußen war es noch stockfinster, als sie den Vorhang zur Seite schob.

In ihrem Kopf ging sie die Dinge durch, die sie heute Morgen zu erledigen hatte.

Auf Zehenspitzen schlich sie in den Flur. Die Holzdielen quietschten. Susanna stieß ein Stoßgebet aus, dass die Kleine jetzt bloß weiterschlief, denn sie brauchte ein paar Stunden, um ihre Aufträge zu erledigen.

Ihre Sorge war jedoch unbegründet, denn als Susanna in Allys Zimmer sah, lag das Mädchen friedlich schlafend im Bett. Das Gefühl, das Susanna jedes Mal befiel, wenn sie das Kind betrachtete, war unbeschreiblich. Die Liebe für Ally war überwältigend.

„Versprich mir, dass du sie zu dir nimmst und sie großziehst, wenn mir etwas zustößt“, hatte Susannas drogensüchtige Cousine sie immer angefleht. „Sie hat ein besseres Leben verdient.“

Susanna hatte es ihr versprochen, und Rhonda hatte immer wieder versucht, clean zu werden. Zwei Mal hatte sie eine Entziehungskur gemacht, aber jedes Mal war sie kurz danach wieder rückfällig geworden. Kurz vor ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag war sie an einer Überdosis gestorben. Da der Vater nichts von Ally wissen wollte und die anderen Verwandten zu alt waren, war Susanna Allys einzige Hoffnung. Und Susanna wollte Ally ein schönes und sicheres Leben bieten.

Leise tapste sie in die Küche, kochte Kaffee, schaltete den Ofen ein und machte sich an die Arbeit. Das alte Ding hatte in der letzten Zeit manchmal nicht funktioniert, und sie hoffte jeden Morgen inständig, dass es sie nicht wieder im Stich ließ.

Nachdem sie das erste Blech Muffins in den Ofen geschoben hatte, duschte sie schnell und zog sich an. Anschließend ging sie wieder in die Küche und buk weiter. Sie hatte verschiedene Muffins im Sortiment – von Schokolade über Banane bis zu Cranberry-Käse.

Um halb sieben hatte sie bereits zwölf Dutzend Muffins gebacken. Überall standen Bleche mit Muffins und Törtchen zum Abkühlen herum, und das Spülbecken war voll mit teigverschmierten Schüsseln und anderen Küchengeräten. Sauber machen würde sie erst nach dem Ausliefern. Schnell nahm sie einen Schluck Kaffee, ehe sie das Gebäck in Kuchenschachteln verpackte.

Plötzlich ertönte Hundegebell auf der Straße. Susie sah aus dem Fenster und sah, wie Charger und sein Herrchen angejoggt kamen. Der kleine Hund gab sein Bestes, um auf seinen kurzen, krummen Beinen mit den kräftigen Schritten seines Besitzers mitzuhalten. Susanna sah die beiden näher kommen. Die kurze Hundeleine war straff gespannt, Charger schien völlig erschöpft zu sein. Als er vor seinem Haus angelangt war, verlangsamte Casey das Tempo.

Susanna atmete tief durch. Casey trug ein Muskelshirt – das i-Tüpfelchen zu seinen gebräunten Armen und dem muskulösen Oberkörper. Ihre Freundin Mindy würde ihn eine Augenweide nennen, was eine gelinde Untertreibung wäre. Die dunkelblonden Locken hatte er nach hinten gebunden, und seine Haut glänzte vom Schweiß. Völlig fasziniert starrte Susanna ihn an.

Als er an seiner Haustür angelangt war, wollte sie sich gerade wieder ihrer Arbeit zuwenden, als Casey stehen blieb und zu ihrem Küchenfenster hinüberblickte. Mist! Breit grinsend winkte er ihr zu, und Susanna schluckte. Langsam hob sie die Hand und winkte zurück, um sich gleich darauf wieder abzuwenden.

Sie musste jetzt unbedingt arbeiten. Auf keinen Fall wollte sie ihre Zeit damit verplempern, ausgerechnet Casey anzuschmachten.

Nachdem sie alle Muffins verpackt hatte, ging sie zu Ally, die gerade aufwachte. „Guten Morgen, mein Schatz. Zeit zum Aufstehen. Wir müssen Waren ausliefern.“ Sie küsste das kleine Mädchen liebevoll und fuhr ihm durch die blonden Locken.

Ally blickte ängstlich im Zimmer umher. Erst als sie merkte, wo sie war, wurde ihr Gesichtsausdruck entspannter. Das war jeden Morgen so, wenn sie erwachte. Eines Tages, das hoffte Susanna, würde die Kleine aufwachen, ohne an all das Schreckliche erinnert zu werden, das ihr widerfahren war.

Susanna hatte mit einem Psychologen gesprochen, der davon ausging, dass Ally aufgrund ihres Alters relativ schnell darüber hinwegkommen würde. Eine gewisse Routine und Stabilität waren dabei allerdings sehr wichtig. Alles, was sie jetzt brauchte, war Sicherheit. Böse Überraschungen hatte sie genug gehabt.

„Komm, anziehen! Ich habe zwei Vanilletörtchen für dich aufgehoben, und Zuckerguss habe ich auch noch. Möchtest du die Törtchen dekorieren?“

Ally sah sie begeistert an, schob die Bettdecke zur Seite und setzte sich auf. „Was für Zuckerguss?“

„Es gibt noch Kirsch mit Schokostreusel oder Schokolade-Marshmallow.“

„Schokolade-Marshmallow!“

Lachend half Susanna ihrer Nichte aus dem Bett und beim Anziehen. Die ausgetretenen rosa Turnschuhe zog sich Ally zum Schluss ganz allein an. „Toll“, lobte Susanna. „Nun sind wir gleich fertig. Nur noch Gesicht und Hände waschen und Haare kämmen. Dann frühstücken wir und verzieren die Törtchen, ja?“

Kurz nach dem Frühstück vernahm Susanna ein leises Klopfen an der Tür. Als sie aus dem Fenster blickte, sah sie Casey vor der Tür stehen. „Oh nein“, murmelte sie. Verdammt, sie musste aufmachen, denn er wusste, dass sie zu Hause war.

Schnell wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab und zupfte sich die Haare zurecht. „Ich mach nur schnell die Tür auf“, sagte sie zu Ally, die sich Zuckerguss von den Fingern leckte.

Dann holte sie tief Luft und öffnete die Haustür.

„Guten Morgen“, begrüßte sie Casey, dessen Blick sofort auf den Schriftzug auf ihrer Schürze fiel: Sweet Susie’s … Leckeres Gebäck und mehr.

Er war glatt rasiert, sein Haar war nach hinten gekämmt, und er trug einen geschmackvollen, teuer aussehenden Anzug. Seine tiefblauen Augen strahlten. Wow! Mit dem wild aussehenden Rodeo-Reiter von früher hatte dieser Mann nicht mehr viel gemeinsam. „Was heißt und mehr?“, fragte er.

„Und mehr?“, verwirrt sah sie ihn an, ehe sie verstand, was er meinte. „Oh, die Schürze. Ich backe auch Kuchen und alle möglichen Desserts.“

„Aber deine Spezialität sind Muffins und kleine Törtchen, oder?“

„Ja.“

„Und das kann ich sogar bei mir drüben riechen.“ Casey hob die Nase und schnupperte. „Es duftet wunderbar, Susanna.“

„Danke. Ich … äh, möchtest du vielleicht einen Muffin?“ Ach, hätte ihre Mutter doch nicht immer auf guten Manieren bestanden. Schon gestern Abend hatte sie beinahe ein schlechtes Gewissen gehabt, als sie Casey mit einer Tüte Fast Food hatte heimkommen sehen. Weil er Audreys Bruder war, und nur deshalb, hätte sie ihm eigentlich am ersten Abend Essen rüberbringen sollen. Sie sah auf ihre Armbanduhr, ein wenig Zeit hatte sie noch. „Ich muss zwar noch das Auto beladen, aber du kannst gerne kurz reinkommen.“

Sag Nein. Sag, du musst zur Arbeit!

„Gerne!“, antwortete er freundlich.

Mist!

Sie ging ihm voraus zur Küche. „Hier herrscht das große Chaos, denn ich räume erst nach dem Ausliefern auf.“

Als sie in die Küche traten, blickte Ally den Nachbarn neugierig an.

„Hi, Ally.“ Casey ging neben ihr in die Hocke. „Hilfst du Tante Susie beim Backen?“

Die Kleine nickte eifrig. „Ich habe zwei Törtchen verziert.“

„Das ist aber lieb von dir.“ Mit dem Zeigefinger stupste er ihre Nasenspitze an. „Hast du auch deine Nase verziert?“

Ally kicherte und wischte sich die Nase an ihrem Handrücken ab. „Nein. Wo ist Charger?“

„Oh, der ist bei mir zu Hause und schläft.“

„Das hat er auch verdient“, mischte sich Susanna in die Unterhaltung ein. „Du bist ganz schön schnell mit ihm gerannt.“

„Ach ja, genau“, wandte sich Casey ihr zu. „Das ist auch ein Grund, warum ich hier bin.“

Schnell drehte Susanna sich um. Mach irgendwas, Susie, und tu einfach so, als sei nie etwas mit ihm gewesen, ermahnte sie sich.

„Ich gehe jeden Morgen joggen, aber Charger bellt immer so laut. Ich hoffe, er hat Ally nicht geweckt.“

„Nein, sie hat ganz ruhig weitergeschlafen.“

Casey seufzte erleichtert. „Okay, dann bin ich beruhigt.“

Sie legte ein paar Muffins auf einen Teller und stellte ihn auf den Tisch. „Möchtest du eine Tasse Kaffee dazu?“

„Nein danke.“ Dann setzte er sich an den Küchentisch. Ihre kleine Küche war mittlerweile etwas schäbig, und die Fliesen über der unordentlichen Küchenablage waren teilweise abgeschlagen. Von dem Luxus, an den Casey mittlerweile gewöhnt war, war das meilenweit entfernt. Audrey hatte ihr erzählt, er habe vor einigen Jahren in ein Bauunternehmen investiert, und als der Besitzer in den Ruhestand gegangen sei, sei Casey der neue Chef der Firma geworden.

„Ich will dich nicht aufhalten“, unterbrach er ihre Gedanken. „Ich will nur einen davon probieren.“ Er schnappte sich den Cranberry-Käse-Muffin, biss kräftig hinein und kaute genüsslich. „Der ist echt gut.“

„Danke.“ Sie nahm ein mit Himbeer gefülltes Zitronentörtchen, stellte es sorgfältig in eine Kuchenschachtel und klebte die Schachtel mit Tesafilm zu.

Casey nahm sich noch einen Muffin. „Mhm, lecker. Wie nennt sich der?“

„Das ist ein Karamell-Apfel-Muffin.“ Diese Sorte war ihr absoluter Verkaufsschlager. Sie musste sich für ihre Kunden immer wieder etwas Besonderes einfallen lassen, denn die Konkurrenz war groß.

„Köstlich.“

Autor

Charlene Sands
<p>Alles begann damit, dass der Vater von Charlene Sands, ihr als Kind die schönsten, brillantesten und fantastischsten Geschichten erzählte. Er erfand Geschichten von plündernden Piraten, mächtigen Königen und Sagen von Helden und Rittern. In diesen Erzählungen war Charlene immer die Prinzessin, Königin oder Heldin um die gekämpft oder die gerettet...
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