Dieses Feuer, das man Liebe nennt

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Eva schäumt vor Wut, als ihr Kyle Messena diesen frechen Vorschlag macht! Aber leider hat er recht: Ihn zu heiraten bedeutet die Lösung aller Probleme. Nur eins allerdings bleibt: Kyle ist der attraktivste Mann, den sie kennt. Schon einmal ist Eva in seinen Armen schwach geworden - das darf ihr kein zweites Mal passieren! Denn sie weiß, dass Lust bei Kyle nichts mit Liebe zu tun hat. Also kommt in ihren Ehevertrag natürlich eine No-Sex-Klausel. Aber schon in der Hochzeitsnacht beginnt ein gefährliches Spiel mit dem Feuer …


  • Erscheinungstag 21.03.2017
  • Bandnummer 1968
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723644
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kyle Messena blinzelte im Licht der Sonne, als das Brautauto neben der kleinen Kirche über der Bucht von Dolphin Bay anhielt. Die Tür öffnete sich, und die Braut, in einen weißen Traum aus Tüll und Seide gehüllt, stieg aus der Limousine. Ihr Gesicht wurde von einem Schleier verdeckt, aber das Sonnenlicht ließ ihr mahagonifarbenes Haar aufleuchten, wodurch Kyles Herz einen Moment aussetzte, denn dieses Haar war ihm schmerzlich vertraut.

Adrenalin pumpte durch seine Adern, und die Zeit schien stillzustehen. Wie konnte es sein, dass Eva Atraeus heute mit diesem Mann vor den Altar trat, der sie nur ihres Geldes wegen heiratete? Kyle hatte doch alles dafür getan, diese Hochzeit zu verhindern.

Mit zwei großen Schritten trat er aus dem Schatten der alten Eiche in den strahlenden Sonnenschein des neuseeländischen Sommertages, als der Wind, der vom Meer her wehte, den Schleier der Braut für einen Moment lüftete.

Es war nicht Eva.

Erleichterung durchströmte ihn, und er spürte, wie die Anspannung etwas nachließ.

Diese Anspannung, die ihn immer begleitete und es ihm unmöglich machte, eine Beziehung einzugehen, seit seine Frau und sein kleiner Sohn vor Jahren ums Leben gekommen waren. Und er hatte ihren Tod nicht verhindert.

Dann plötzlich war er vor einigen Monaten mit der Aufgabe betraut worden, die Erbin des Atraeus-Vermögens gemäß dem letzten und sehr strengen Willen ihres Adoptivvaters zu verheiraten. Wenn Eva ihr Erbe antreten wollte, musste sie entweder einen Mann aus der Messena-Familie heiraten – zum Beispiel Kyle selbst – oder einen Mann, der sie wirklich liebte und nicht auf ihr Geld aus war. Diese Verpflichtung hatte Kyle seitdem viele schlaflose Nächte bereitet.

Es gefiel ihm ganz und gar nicht, Evas Treuhänder zu sein. Ihm war nur allzu bewusst, dass dies ein letzter Schachzug seines gerissenen Großonkels Mario war, ihn doch noch dazu zu bringen, die Frau zu heiraten, die Kyle einmal gewollt hatte. Doch es hatte sich nie etwas zwischen ihnen ergeben.

Sosehr er auch dagegen ankämpfte, er konnte sich dennoch der Anziehung, die Eva noch immer auf ihn ausübte, nicht entziehen. Er konnte nicht zulassen, dass diese Frau, die er bis heute nicht vergessen konnte, jemand anderen heiratete. Deshalb hatte er die Aufgabe einfach nicht ablehnen können.

Ein weiterer Windstoß wehte den Schleier der Braut zur Seite, und Kyle sah jetzt deutlich ihr rundliches Gesicht. Auch waren ihre Haare viel heller als Evas lange, dunkle Mähne, die ihn schon damals, als sie noch Teenager waren, magisch angezogen hatte.

Kyle wandte sich zum Gehen. Jetzt, wo er Evas neueste Hochzeitspläne erfolgreich durchkreuzt hatte, hatte er hier nichts mehr verloren. Doch dann fuhr ein kleiner weißer Sportwagen mit dem Schriftzug „Perfect Wedding“ – Evas Firma – in die letzte freie Parklücke, und Kyle wusste, er würde nirgendwohin gehen.

Eva Atraeus stieg aus dem Wagen. Sie trug ein elegantes zartrosa Kostüm, das ihre weiblichen Kurven wunderbar umschmeichelte. Mit der einen Hand presste sie ihr Mobiltelefon gegen das Ohr, während sie mit der anderen nach ihrer Handtasche angelte. Dann ging sie auf ihren High Heels irritierend sexy und mit schwingenden Hüften auf die Kirchentür zu. Mit einem Meter siebzig war Eva für den Laufsteg deutlich zu klein, aber ihr atemberaubender, kurviger Körper, ihre hohen Wangenknochen und ihre exotischen dunklen Augen hatten sie zu einem erfolgreichen Fotomodell gemacht. Die Klatschreporter der Zeitungen rissen sich um sie, und sie machte alle Männer verrückt, Kyle eingeschlossen.

Eva verlangsamte jetzt ihren Schritt, und Kyle wusste, dass sie ihn entdeckt hatte. Als sich die Tür hinter dem letzten Gast der Hochzeitsgesellschaft geschlossen hatte, beendete Eva ihr Telefonat und änderte die Richtung. Sie trat in den Schatten der Eiche, stopfte ungeduldig ihr Telefon in die Tasche und funkelte Kyle wütend an. „Was machst du auf meiner Hochzeit?“

Kyle schluckte die bissige Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag. Er wusste, sie wollte ihn mit dem Ausdruck „meine Hochzeit“ provozieren. Obwohl dies tatsächlich ihre Hochzeit hatte sein sollen. Kein Wunder, dass sie sauer auf ihn war. Er hatte ihre Pläne durchkreuzt, indem er dem Bräutigam einen lukrativen Job in Dubai angeboten hatte. Die Tatsache, dass der sofort zugegriffen und zusätzlich noch ziemlich erleichtert gewirkt hatte, hatte Kyle das Gefühl gegeben, das Richtige getan zu haben. „Du hättest keine Hochzeit planen sollen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war.“

Ihre dunklen Augen sprühten Funken. „Und was, wenn ich Jeremy geliebt hätte?“

Kyle hob spöttisch eine Augenbraue. „Nach vier Wochen?“

„Du weißt genauso gut wie ich, dass es noch viel schneller passieren kann …“ Sie wurde rot, kramte hektisch in ihrer Handtasche nach einer Sonnenbrille und schob sie sich auf die Nase. „Aber jetzt verrate mir mal, was du auf einer privaten Hochzeit machst. Oder bist du hier, um zu streiten?“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du glaubst, du kannst mich rauswerfen, vergiss es. Ich bin ein Gast des Bräutigams, ich manage sein Aktienportfolio.“

Eva holte tief Luft, und Kyle beobachtete fasziniert, wie sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Dieses bezaubernde Lächeln, das Titelblätter und Poster geziert hatte und Männerherzen höherschlagen ließ. „Das ist ziemlich armselig, sogar für dich.“

„Aber es funktioniert.“

„Und ich dachte schon, du wärst hier, um sicherzugehen, dass ich nicht im letzten Moment noch irgendeinen Ehemann für mich aus dem Hut gezaubert habe.“

Der Duft ihres Parfums stieg ihm in die Nase, und er widerstand dem Impuls, näher an sie heranzutreten. „Ich habe gar nicht die Absicht, dich am Heiraten zu hindern.“

Sie legte den Kopf schief und warf ihm einen eisigen Blick zu. „Nein, du willst mich nur daran hindern, den Mann meiner Wahl zu heiraten.“

„Du musst eben sorgfältiger wählen.“ Innerhalb der vergangen Monate hatte Eva drei potenzielle Ehemänner angeschleppt. Alle drei waren knapp bei Kasse und nur zu bereit gewesen, den Ehevertrag zu unterschreiben, in dem das Ende der Ehe bereits festgeschrieben war: auf den Tag genau zwei Jahre nach der Hochzeit – so wie es Mario in seinem Testament festgelegt hatte. Ebenso wie Kyles moralische Verpflichtung, gegen diese Verbindungen sein Veto einzulegen.

„Jeremy war der perfekte Mann für mich. Er war attraktiv, sympathisch und hatte einen guten Job. Er …“

„… hatte rein finanzielle Motive für diese Ehe.“

Eva musterte ihn gereizt. „Er musste ein paar Schulden begleichen. Was ist daran verwerflich?“

„Mario hätte sich im Grabe umgedreht, wenn du jemanden geheiratet hättest, der spielsüchtig ist.“

Die ersten Takte des Hochzeitsmarsches ertönten aus der Kirche und unterbrachen die eisige Stille, die sich zwischen ihnen breitgemacht hatte. „Vielleicht solltest du den richtigen Mann für mich aussuchen, damit er auch den hohen Ansprüchen von Kyle Messena gerecht wird. Aber du musst dich beeilen, denn ich muss ihn spätestens nächsten Monat heiraten. Dank deiner Einmischung habe ich noch genau drei Wochen Zeit, und danach komme ich dreizehn Jahre lang nicht an mein Erbe.“

Kyle war fest entschlossen, sich von Eva nicht einschüchtern zu lassen, aber als er ihre bitteren Worte hörte, fühlte er sich doch ein wenig schuldig.

Frauen, ihre Gefühle und Beziehungen im Allgemeinen hatten ihm schon immer Probleme bereitet. Er fühlte sich weit mehr zu Hause in der strengen Welt des Militärs oder der kühlen Logik, die im Bankhaus seiner Familie herrschte. Er konnte mit Waffen umgehen, taktische Operationen leiten und auf dem Parkett der Finanzmärkte seinen Mann stehen. Aber nie wieder wollte er sich den schmerzhaften Schuldgefühlen aussetzen, die Liebe und die Verantwortung für einen anderen Menschen unweigerlich mit sich brachten. „Nichts liegt mir ferner, als dir dein Erbe vorzuenthalten.“

Evas Lächeln verschwand. „Natürlich nicht“, sagte sie und ihre Stimme klang heiser. „Aber du tust es gerade.“

Und damit drehte sie sich auf dem Absatz herum und ging zu ihrem Wagen.

Kyle runzelte die Stirn. Evas Stimme hatte geklungen, als ob sie kurz davor wäre, in Tränen auszubrechen, und das sah ihr überhaupt nicht ähnlich. In den vielen Jahren, seit sie sich kannten, hatte er sie nur zweimal weinen sehen. Auf Marios Beerdigung im vergangenen Jahr hatte sie natürlich geweint. Das andere Mal lag beinahe elf Jahre zurück, damals war Kyle gerade neunzehn gewesen. Es war der Morgen danach – als Mario ihnen beiden die Hölle heißgemacht hatte wegen ihrer romantischen Nacht am Strand.

In Kyle stiegen Erinnerungen hoch. Eine warme Sommernacht, der Vollmond über dem Meer und in der Ferne die leise Musik von der Familienfeier im Hotel dort in der Bucht. Eva hatte die Arme um seinen Nacken geschlungen, und er hatte den Duft ihrer Haut eingeatmet. Einen Augenblick lang hatte er wie erstarrt dagestanden. Dann hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt und endlich das getan, wonach er sich den ganzen Sommer lang gesehnt hatte – sie geküsst …

Wenn Mario nicht gekommen wäre, um nach Eva zu sehen, hätten sie weit mehr getan, als sich bloß zu küssen. Sein Gespräch mit Mario in jener Nacht war ebenso kurz wie deutlich gewesen. Eva war hinreißend und sah mit siebzehn bereits sehr erwachsen aus. Doch sie hatte Schlimmes durchgemacht und war sehr verletzlich. Sie brauchte jemanden, der sie beschützte, nicht jemanden, der sie verführte. Mario hatte keine langen Erklärungen hinzugefügt, aber seine Botschaft war klar gewesen: Eva war für Kyle tabu.

Bis jetzt.

Kyle machte sich keine Illusionen darüber, warum Mario seine Meinung geändert und ausgerechnet ihn zum Treuhänder von Evas Vermögen gemacht hatte. Und das, nachdem Mario jahrelang so getan hatte, als ob Kyle ein böser Eindringling wäre, der ihm seine geliebte Prinzessin entreißen wollte.

Eva hatte sich in den ganzen Jahren stur jedem von Marios Versuchen widersetzt, sie mit einem der Söhne seiner reichen Geschäftsfreunde zu verheiraten. Also hatte Mario seinen Widerwillen gegenüber den „wilden“ Messena-Jungs heruntergeschluckt und versucht, Eva mit Kyles älteren Brüdern Gabriel und Nick zu verkuppeln. Als das nicht funktionierte, weil Gabe und Nick andere Frauen ehelichten und Kyles jüngerer Bruder Damian nicht vorhatte, seiner langjährigen Freundin den Laufpass zu geben, hatte Mario sich schließlich schweren Herzens für Kyle als Evas zukünftigen Ehemann entschieden.

Nachdenklich warf Kyle einen letzten Blick auf Eva und ging dann langsam zurück zu seinem Maserati. Jetzt, da er sicher war, dass nicht Eva heute die Braut war, sollte er besser nach Auckland zurückfahren. Dort warteten seine Arbeit und viele wichtige Termine auf ihn. Wenn er jetzt sofort losfuhr, würde er sogar noch pünktlich zu seiner Verabredung mit Elise kommen. Sie war eine Kollegin aus der Bank, und sie waren in den vergangenen Monaten ein paarmal miteinander ausgegangen.

Doch als er bei seinem Auto ankam, dsa direkt vor Evas weißem Sportwagen stand, zögerte er. Er wurde den Gedanken nicht los, dass Evas Gefühlsausbruch nur vorgetäuscht und sie weit davon entfernt war, tatsächlich in Tränen auszubrechen. Schauspielerisches Können besaß sie genug, schließlich hatte sie früher Unterricht genommen. Einmal war sie sogar für eine Rolle in einer beliebten Fernsehserie im Gespräch gewesen, bevor sie beschlossen hatte, sich als Hochzeitsplanerin einen Namen zu machen.

Plötzlich war er sich ganz sicher, dass sie ihn hereingelegt hatte. Er sollte sich so schuldig fühlen, dass er der Trauung fernblieb – und dafür konnte es nur einen Grund geben. Sie hatte bereits einen neuen Kandidaten gefunden und ihn als ihren Begleiter zur Hochzeit mitgebracht. Da sie nur noch drei Wochen Zeit hatte, selbst vor den Altar zu treten und ihr Erbe zu bekommen, war es nur logisch, dass sie ihren neuen zukünftigen Ehemann möglichst nicht mehr aus den Augen lassen wollte.

Aus seiner Vermutung wurde Gewissheit, als er näher kam und die letzten Sätze eines Gesprächs mitbekam, das sie mit jemandem namens Troy führte. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es Troy Kendal. Kyles Mine verfinsterte sich bei dem Gedanken. Ausgerechnet Troy Kendal, dieser Lackaffe. Eva hatte den Sportstar doch vor höchstens einer Woche kennengelernt. Die Eifersucht, die er so unbedingt unterdrücken wollte, überfiel ihn ganz plötzlich und mit einer Heftigkeit, die ihn selbst erstaunte. Seine Gefühle waren unlogisch – genauso wie das brennende Verlangen, das er nach dieser Frau verspürte.

Evas Tränen waren also nur Krokodilstränen gewesen. Sie hatte ihn bloß loswerden wollen.

Aber so leicht ließ Kyle sich nicht abschütteln. Er wartete in aller Seelenruhe, bis Eva ihr Telefonat beendet hatte und das Telefon in ihre Handtasche gleiten ließ. „Wir müssen uns unterhalten“, sagte Kyle zu ihr.

„Ich dachte, das hätten wir gerade.“ Eva warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz, schob die Sonnenbrille herunter und blickte ungeduldig auf die Uhr. Offenbar wollte sie ihm zu verstehen geben, dass sie in Eile war.

Ohne die dunkle Brille und mit den losen Haarsträhnen, die ihre Wangen umspielten, sah sie plötzlich jung und sehr verletzlich aus. Aber das war sicher nur eine Illusion. Kyle wusste sehr genau, wie sie mit Männern umsprang und dass er eher mit Troy Mitleid haben sollte. „Es gibt eine ganz einfache Lösung für dein Problem“, sagte er daher ungerührt. „Wenn du einen Messena-Mann heiratest, gibt es keine weiteren Bedingungen, außer, dass die Ehe mindestens zwei Jahre halten muss.“

Eva runzelte die Stirn und sah ihn misstrauisch an. „Selbst wenn ich das wollte – was ich nicht tue –, wäre es auch gar nicht möglich. Gabriel und Nick sind beide schon verheiratet, und Damian ist ebenfalls bereits vergeben.“

Kyle biss die Zähne zusammen bei dem Versuch, sich nicht von ihr provozieren zu lassen. Ihn selbst hatte sie bei ihrer Aufzählung natürlich absichtlich nicht erwähnt. Als ob sie nie Hand in Hand über den dunklen Strand gelaufen wären und Eva ihn nie im Mondlicht geküsst hätte.

„Wie du weißt, gibt es noch einen Messena“, stieß er ungeduldig hervor. „Wir beide, du und ich, könnten heiraten. Eine Zweckehe.“

2. KAPITEL

Eva schluckte die heftige Erwiderung hinunter, die ihr auf der Zunge lag. Sie wusste nicht genau, warum der Gedanke, sie beide könnten heiraten, sie so sehr aufwühlte. Marios frühere Versuche, sie mit einem der Messenas zu verheiraten, hatten sie nicht im Geringsten aufgebracht.

Als sie vor einem Jahr im Büro des Anwalts diesen einen kleinen Satz im Testament gelesen hatte und ihr dessen Bedeutung klar wurde, hätte sie sich am liebsten unter dem Schreibtisch versteckt und wäre nie wieder darunter hervorgekommen. Der Gedanke daran, dass ausgerechnet Kyle sich verpflichtet fühlen sollte, sie zu heiraten, war demütigend. Er war der einzige unverheiratete Messena-Mann – und er hatte sie damals einfach abserviert. „Ich brauche dein Mitleid nicht, vielen Dank.“

Der Wind ließ einen Augenblick nach, und in der plötzlichen Stille hörte man deutlich, wie das zukünftige Ehepaar drinnen in der Kirche sein Eheversprechen austauschte. Worte von zeitloser Schönheit, die hier draußen wie Hohn in Evas Ohren klangen.

„Aber du brauchst einen Ehemann. Und nach zwei Jahren, wenn du dein Erbe bekommen hast, können wir uns sofort wieder scheiden lassen.“

Seine nüchternen Worte versetzten Eva einen Stich, und das irritierte sie maßlos.

Kyle, der früher Soldat in einer Spezialeinheit gewesen war, wirkte auf viele Frauen immens anziehend, das wusste Eva. Er war groß und muskulös, sein dunkles Haar trug er noch immer militärisch kurz, und er hatte dieses leicht ramponierte Aussehen, dem die meisten Frauen einfach nicht widerstehen können.

Normalerweise gehörte Eva nicht zu diesen Frauen, doch Kyle schien obendrein eine Art geheimnisvollen sechsten Sinn zu haben, als wüsste er, was sie tun würde, bevor sie es selbst wusste. Es würde sie nicht im Geringsten wundern, wenn er einige ihrer potenziellen Ehemänner vergrault hätte.

Eigentlich sollte es ihr nichts ausmachen, Kyle zu heiraten. Sie hatte schon früh im Leben gelernt, ernsthafte Beziehungen zu vermeiden. Wenn Mario und seine Frau sie nicht damals vor zwölf Jahren von der Straße aufgelesen und in ihr Haus aufgenommen hätten, würde sie sogar bis heute noch keinem Menschen vertrauen.

Als die beiden damals herausfanden, dass sie von zu Hause weggelaufen war, weil ihr Pflegevater sie sexuell bedrängt hatte, verständigten sie sofort das Jugendamt. Und anstatt zuzulassen, dass sie in einer weiteren Pflegefamilie untergebracht wurde, hatte Mario seine Beziehungen spielen lassen und Eva bei sich und seiner Frau aufgenommen.

Bei Mario und Teresa hatte Eva mit sechzehn Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben diese unerschütterliche, bedingungslose Liebe erfahren, zu der nur Eltern in der Lage sind. Sie hatte eine Weile gebraucht, bis sie den Panzer aus Misstrauen, den sie in den vielen Pflegefamilien um ihr Herz herum errichtet hatte, aufbrechen und ihnen wirklich vertrauen konnte. Und als die beiden ihr dann anboten, sie zu adoptieren, hatte Eva nicht gewusst, was sie antworten sollte. Zu oft war sie in ihrem Leben schon enttäuscht worden. Daher hatte sie Angst davor, dass man ihr alles wieder wegnehmen würde, wenn sie weich werden und zugeben würde, dass auch sie es verdiente, geliebt zu werden.

Doch Mario hatte sich nicht abweisen lassen, und am Ende hatte sie verstanden, dass er sein Versprechen halten und sie niemals im Stich lassen würde. Ihr Widerstand war nach und nach in sich zusammengebrochen, und schließlich hatte sie unterschrieben. So wurde aus Eva Rushton von einem Moment zum anderen Eva Atraeus, Mitglied einer ebenso großen wie liebevollen Familie.

Dennoch hatte sie ihr Misstrauen gegenüber anderen Menschen nie völlig abgelegt. Nachdem sie die drei Ehen ihrer Mutter hatte scheitern sehen und mit siebzehn Jahren auch den Grund dafür erfuhr, hatte sie sich geschworen, niemals so verletzbar zu sein.

Sie roch den männlichen Duft von Kyles Rasierwasser, und es fuhr ihr wie ein Stich ins Herz. Genau das war das Problem, rief sie sich selbst zur Ordnung. Jedes Gefühl für ihn hätte in dem Moment sterben sollen, als er sie damals einfach abserviert hatte. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, warum er sie nach all den Jahren immer noch so aus der Fassung bringen konnte. Ihre Romanze hatte ja nicht lange gedauert, und auch sonst verband sie nichts, außer dieser jugendlichen Schwärmerei.

Einige Jahre später hatte Kyle eine Andere geheiratet – spätestens da hatte Eva verstanden, dass ihm das, was zwischen ihnen gewesen war, längst nicht so viel bedeutet hatte wie ihr.

Jetzt blieben ihr dank seiner Einmischung nur noch drei Wochen, einen anderen Ehemann als ihn zu finden. Ihr lief die Zeit davon …

Als Jeremy ihr gesagt hatte, dass er ihre Verbindung auflösen wollte, war sie frustriert gewesen, doch mittlerweile war diese Frustration echter Panik gewichen. Mario hätte wirklich keinen besseren Aufpasser finden können, um sicherzugehen, dass die Klausel in seinem Testament erfüllt wurde.

Sie war schon so gut wie verheiratet gewesen, bis Jeremy sich plötzlich wie ein verschrecktes Kaninchen aus dem Staub gemacht hatte. Natürlich konnte sie nicht beweisen, dass Kyle ihm diesen Job angeboten hatte. Aber Eva wusste, dass er diese Taktik bereits zuvor zweimal sehr erfolgreich angewendet hatte. Jedes Mal, wenn sie einen geeigneten Kandidaten zum Heiraten fand, gelang es Kyle, ihn im Handumdrehen wieder loszuwerden.

Ihr war nur nicht klar, warum er verhindern wollte, dass sie Jeremy heiratete. Er hatte wirklich gut zu ihr gepasst. Auch wenn sie nicht besonders verliebt in ihn gewesen war, hatte sie Jeremy doch sehr gerne gemocht. Außerdem hatte sie erwartet, dass Kyle seine Aufgabe als ihr Treuhänder nur allzu gerne wieder losgeworden wäre. Diesen Job hatte er ja schließlich nicht gewollt.

Genauso wenig, wie er sie gewollt hatte.

Bei dem Gedanken an ihre leidenschaftliche Begegnung vor elf Jahren runzelte sie die Stirn und blickte Kyle direkt in die Augen. „Danke für dein Angebot, aber nein danke.“

Dann stieg sie in ihren Wagen und knallte die Tür hinter sich zu. Sie konnte nicht fassen, dass er ihr gerade aus lauter Mitleid einen Antrag gemacht hatte. Tränen schossen ihr in die Augen, und mit einem energischen Ruck legte sie den Gang ein und fuhr an Kyle vorbei die Einfahrt hinunter.

Auf dem Weg zum Dolphin Bay Resort, wo der Empfang stattfinden sollte, biss sie die Zähne fest zusammen. Eigentlich mied sie diesen Ort, weil er nur unliebsame Erinnerungen an Kyle hervorrief. Doch sie führte jetzt ihr eigenes Unternehmen als Hochzeitsplanerin und konnte sich solche Sentimentalitäten nicht leisten. Das Familienunternehmen gewährte ihr schließlich einen ordentlichen Rabatt, und sie wäre dumm, das Angebot nicht zu nutzen.

Eva kochte noch immer vor Wut, als sie das Hotel betrat, um ein letztes Mal zu prüfen, ob auch alles bereit war. Sie hatte die perfekte Märchenhochzeit geplant, und sie sollte gleichzeitig als Werbung für ihr Unternehmen dienen. Eine Märchenhochzeit, die eigentlich ihre eigene gewesen wäre, hätte Jeremy sich nicht vorher aus dem Staub gemacht.

Schluss damit, rief sie sich selbst zur Ordnung. Wenn doch bloß Kyle nicht mit diesem Jobangebot für Jeremy in Dubai angekommen wäre! Sie holte tief Luft, um sich zu sammeln, und überprüfte ihr Aussehen in einem der großen Spiegel in der Lobby. Der Anblick beruhigte sie. In der letzten Zeit hatte sie ihre Emotionen kaum unter Kontrolle gehabt. Ständig brach sie in Tränen aus, hatte ein beunruhigendes Verlangen nach romantischen Liebesfilmen und konnte nachts nicht schlafen.

Aber all das sah man ihr nicht an. Sie sah so entspannt und erholt aus, wie sie sich gerne auch gefühlt hätte. Ihr dichtes, dunkles Haar hatte sie zu einem eleganten Knoten geschlungen, und das unauffällige blassrosa Kostüm verbarg ihre üppigen weiblichen Rundungen. So konnte sie sicher sein, nicht die Braut oder einen der anderen weiblichen Gäste zu überstrahlen, und wie entscheidend das war, hatte sie auf ihrer ersten Hochzeit gelernt. Damals hatte der zukünftige Ehemann ein allzu auffälliges Interesse an Eva gezeigt, woraufhin die Braut die Hochzeit kurzerhand abgeblasen hatte.

Eva betrat den Saal, in dem der Empfang stattfinden sollte, und begrüßte das Personal. Sie zuckte zusammen, als sie den mitleidigen Blick des Oberkellners auf sich spürte. Er legte letzte Hand an die kristallenen Schwäne aus Eis, die das Buffet schmückten. Eva hatte sie in einem Anfall von Leichtsinn bestellt, denn schließlich heiratete man nur einmal im Leben, und dies hatte ja ihr großer Tag sein sollen.

Dann fiel ihr Blick auf die fünfstöckige Torte mit ihrer schneeweißen Glasur und den modellierten Blüten, die so fein gearbeitet waren, dass sie beinahe echt aussahen. Und da wurde sie beinahe von ihren Gefühlen übermannt. Dies hätte der schönste Tag in ihrem Leben werden sollen – und jetzt würde eine andere Frau einen perfekten Hochzeitstag erleben.

Die Tatsache, dass Kyle offenbar ihre Hochzeitspläne vereiteln wollte, löste ein Gefühlschaos aus Wut, Panik und einer merkwürdigen Verletzlichkeit in ihr aus. Entschlossen drehte sie sich auf dem Absatz herum und eilte in die Küche.

Sie holte noch einmal tief Luft und stieß dann die Doppeltür auf, die in den großen Raum mit weißen Wänden und glänzend sauberen Stahloberflächen führte. Als sie eintrat, hörte das geschäftige Klappern auf, und auch die fröhlichen Gespräche verstummten. Eva spürte das Mitgefühl der versammelten Küchenmannschaft, und die Tränen, die sie gerade erst mühsam zurückgedrängt hatte, stiegen ihr erneut in die Augen. Sie verstand selbst nicht, warum sie so traurig war, sie hatte Jeremy ja nicht wirklich geliebt und auch nie vorgehabt zu heiraten, bis Mario sie mit der Klausel in seinem Testament förmlich dazu gezwungen hatte. Er hatte gewollt, dass sie genauso glücklich wurde, wie er es mit Teresa gewesen war.

Erst glaubte sie, er hätte einen Fehler begangen – bis sie mit der Planung dieser Hochzeit begann. Jedes kleine Detail bei den Vorbereitungen erinnerte sie schmerzhaft daran, dass es für sie dieses Happy End nie geben würde. Sie nie die Romantik und das überwältigende Gefühl der einen großen Liebe erleben würde. Was jedoch noch viel quälender war: Sie würde niemals ihr eigenes Baby in den Armen halten.

Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr wusste sie, dass sie niemals Kinder haben könnte, denn sie litt an einer seltenen genetischen Erkrankung. Die Krankheit hatte ihren Zwilling und ihre beiden Geschwister getötet, und damals hatte sie beschlossen, niemals zu heiraten.

Es war ein Fehler gewesen, diese Hochzeit so zu planen, als wäre es mehr als nur eine Zweckehe. Es hatte Gefühle und Bedürfnisse in ihr geweckt, von denen sie geglaubt hatte, sie längst hinter sich gelassen zu haben. Es wäre besser für sie gewesen, eine schlichte Trauung auf dem Standesamt vorzunehmen, ohne viel Aufwand und ohne große Emotionen.

Sie zwang sich zu lächeln und eilte durch die Küche auf Jerome zu, den preisgekrönten Pariser Küchenchef. Das heutige Menü hatte er eigens für sie kreiert und war entrüstet, dass jetzt nicht sie, sondern eine andere Braut die Köstlichkeiten genießen würde.

Die junge, wunderschöne Braut würde nicht nur eine perfekte Hochzeit erleben, sie war obendrein auch noch schwanger. Für Eva war der Gedanke beinahe unerträglich, dass andere Frauen im Nullkommanichts schwanger werden konnten, während sie selbst niemals eigene Kinder haben würde.

Für den Moment schob sie den Gedanken entschlossen zur Seite, fischte den Menüplan aus ihrer Tasche und ging ihn ein letztes Mal mit dem Küchenchef durch. Ausnahmsweise gab es keine Katastrophen in letzter Minute, und mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf die fertigen Cupcakes flüchtete sie aus der Küche, bevor Jerome auf die Idee kam, sie tröstend in seine Arme zu schließen.

Kyle hatte ihr einen Antrag gemacht.

Als die Türen der Küche sich hinter ihr geschlossen hatten, blieb Eva wie erstarrt in dem festlich geschmückten Ballsaal stehen, ohne ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen. Sie wusste nicht, warum Kyle sie so durcheinanderbringen konnte. Sie war schließlich kein verliebter Teenager mehr wie damals mit siebzehn, und sie wollte ihn auch nicht mehr.

Als die ersten Gäste in den Saal strömten, kramte sie die große, strenge Brille aus ihrer Tasche hervor, die sie extra für so einen Anlass besorgt hatte, und setzte sie auf. Sie brauchte keine Brille, die Gläser waren aus einfachem Fensterglas, aber das dunkle Gestell lenkte von ihrem Gesicht ab. Sie wollte heute mit ihrem guten Aussehen nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Mit einem professionellen Lächeln im Gesicht nahm sie den großen Saal in Augenschein, den sie und ihre Assistentin Jacinta am Morgen dekoriert hatten. Kellner reichten Champagner auf Silbertabletts herum, und auf einer Anrichte am Rand standen ihre Lieblings-Kanapees bereit.

Es brach ihr fast das Herz: Diese Hochzeit war einfach perfekt. Da es ihre eigene hatte werden sollen, hatte Eva alles bis ins kleinste Detail geplant und keine Kosten gescheut. Ihr einziger Trost war, dass sie sehr gut dafür entlohnt wurde, und wenn sie in drei Wochen nicht verheiratet wäre, würde sie jeden Cent brauchen, um ihre Miete zu bezahlen und ihr Unternehmen am Laufen zu halten.

Autor

Fiona Brand
<p>Fiona Brand ist eine Autorin aus Neuseeland. Derzeit lebt Sie an der wunderschönen „Bay of Islands“, einem subtropischen Paradies zum Angeln und Tauchen. Dort genießt Sie die traumhafte Natur zusammen mit ihren beiden Söhnen, zwei Wellensittichen und einem Goldfisch. Sie liebt Bücher seit sie alt genug ist Seiten umzublättern Mit...
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