Drei Münzen im Brunnen - In Rom wartet das Glück (3-teilige Serie)

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IN ROM BEGINNT DAS ZWEITE GLÜCK

Wie oft hat Travis ihr versprochen, nach Italien zu reisen! Zu spät, jetzt steht ihre Ehe vor dem Aus, und Kate ist ohne ihn in Rom. Doch als sie eine Münze in den Trevi-Brunnen wirft und ihren sehnlichsten Wunsch flüstert, glaubt sie zu träumen: Neben ihr steht ihr Noch-Ehemann …

VORSICHT: VERFÜHRERISCHE NANNY!

Flammend rote Haare, leuchtend grüne Augen und üppige Kurven: Dawns Anblick verführt Singledad Brian Ellis sofort zu sinnlichen Fantasien. Doch er muss sich zügeln! Sie ist nicht nur die aktuelle Nanny seines Sohnes, sondern steht auch in dem Ruf, äußerst flatterhaft zu sein …

EIN HELD ZU WEIHNACHTEN

Attraktiv, sexy, gefährlich! Mit dem Sicherheitsexperten Joe wollte Callie ein leidenschaftliches Abenteuer erleben – doch plötzlich will er mit ihr eine Familie gründen. Aber Callie ist noch nicht bereit, sich zu binden …


  • Erscheinungstag 29.04.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506656
  • Seitenanzahl 438
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Merline Lovelace

" Drei Münzen im Brunnen - In Rom wartet das Glück (3-teilige Serie)"

IMPRESSUM

In Rom beginnt das zweite Glück erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Merline Lovelace
Originaltitel: „‘I Do’ … Take Two!“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRA
Band 61 - 2017 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Umschlagsmotive: GettyImages_Halfpoint

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751506533

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Komm schon, Kate. Wir müssen es tun.“

„Nein, das ist viel zu touristisch.“

Widerstrebend folgte Katherine Elizabeth Westbrook ihren beiden Freundinnen durch die Menge zum Trevibrunnen, einem der Wahrzeichen Roms. Das Wasser, das über die wunderschönen Barockskulpturen lief, glitzerte in der Augustsonne, doch sie wollte nicht der Tradition folgen und eine Münze in den Brunnen werfen.

„Nein, ist es nicht.“ Dawn McGill, rothaarig und lebhaft, machte eine wegwerfende Geste. „Das wollen wir doch schon seit einer Ewigkeit tun.“

„Weißt du noch, als wir das erste Mal Drei Münzen im Brunnen gesehen haben?“, fragte Callie Langston. Sie war die Stillste in ihrem Dreiergespann, das sie vor über zwanzig Jahren gebildet hatten, als Kate im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie in die Kleinstadt Easthampton in Massachusetts gezogen war.

Kate lächelte. „Wie könnte ich das vergessen?“

Sie hatten damals eine Pyjamaparty gefeiert und waren schon seit Jahren befreundet gewesen, alle drei hoffnungslose Romantikerinnen und Filmfans. Bei Pizza und Süßigkeiten hatten sie sich drei Videofilme angesehen. Callie hatte sich Die Nacht vor der Hochzeit ausgesucht, Dawn Sabrina und sie Drei Münzen im Brunnen. Die Geschichten von drei Frauen, die in Rom die große Liebe fanden, hatten sie bewogen, sich zu schwören, dass sie eines Tages die Ewige Stadt besuchen und eine Münze in den berühmten Brunnen werfen würden.

Damals hatte Kate den Film geliebt. Als sie noch jung und naiv gewesen war und an Happy Ends geglaubt hatte.

„Der Wunsch geht nur in Erfüllung, wenn wir es alle machen“, beharrte Dawn, unerschütterlich wie immer.

„Stimmt“, pflichtete Callie ihr bei. „Alle für eine …“

„… und eine für alle.“ Kate rang sich ein Lächeln ab. „Okay, wer hat eine Münze für mich?“

„Ich.“ Dawn drückte ihr einen Euro in die Hand, der schon etwas angelaufen war.

Von ihrer Tätigkeit bei der Weltbank wusste Kate, dass man dieses Modell bald durch ein neueres ersetzen würde. Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen.

Das trifft auch auf mein Leben zu, dachte sie und schloss die Finger um die Münze, während schmerzliche Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchten. Von Travis, der mit seiner heißgeliebten alten Harley vor dem Fenster ihres Zimmers im Studentenwohnheim aufgetaucht war. Von ihrer Verlobung an dem Tag, als sie ihm die Flügel an die Air-Force-Uniform gesteckt hatte. Von ihrer Hochzeit zwei Jahre später. Sie dachte an die lang ersehnte Reise nach Italien, die sie wegen seiner Einsätze in Afghanistan, im Irak und unzähligen anderen Krisengebieten immer wieder hatten verschieben müssen.

Kate erinnerte sich auch an all die Tage, an denen sie sich in ihrer Arbeit vergraben hatte, um die ständige Angst um ihren Mann zu verdrängen. Und die langen, einsamen Nächte, in denen sie sich hin- und hergewälzt und gebetet hatte, dass er gesund zurückkehren möge.

Und nun waren sie hier in Italien. Sie und Major Travis Westbrook. Was für eine Ironie des Schicksals! Traurigerweise hatte sie nicht einmal gewusst, dass ihr zukünftiger Ex auf dem NATO-Stützpunkt in der Nähe von Venedig stationiert war, bis sie kurz vor ihrer Abreise mit seiner Mutter gesprochen hatte.

Venedig mochte zwar nicht weit von Rom entfernt sein, doch die Kluft zwischen Travis und ihr war unüberbrückbar. Sie waren so oft und so lange getrennt gewesen und hatten sich auseinanderentwickelt. Dem Facebook-Post zufolge, den sie offenbar nicht hatte sehen sollen, hatte Travis sich noch mehr verändert als sie.

Die Hand zur Faust geballt und die Augen geschlossen, ließ Kate ihrer Wut und ihrem Kummer freien Lauf, bevor sie die Münze warf.

Ich wünsche dem Miststück, das auf Facebook damit geprahlt hat, dass es eine Affäre mit meinem Mann hat, die … was auch immer an den Hals!

Sie holte aus und warf. Nicht einmal das Sprudeln des Wassers konnte das Klirren übertönen, als der Euro auf den Rand des Brunnens und zu Boden fiel.

„Du konntest noch nie werfen, Katydid.“

Kate erstarrte und konnte plötzlich nicht mehr atmen. Verzweifelt ließ sie den Blick zu ihren Freundinnen schweifen. Dawns finstere Miene war genauso aufschlussreich wie Callies eisiger Gesichtsausdruck. Kate zwang sich, tief Luft zu holen und sich umzudrehen. Ihre erste Reaktion auf den Anblick ihres Mannes nach mehr als vier Monaten war rein instinktiv. Sie weigerte sich, der ihr so vertrauten Sorge angesichts der Fältchen in seinen Augenwinkeln nachzugeben, und schlug einen bewusst forschen Tonfall an.

„Hallo, Travis. Anscheinend hat deine Mom dir erzählt, dass ich es endlich nach Rom geschafft habe.“

„Das hat sie in der Tat.“ Mit seinen braungrünen Augen betrachtete er ihre Lippen. Einen unwirklichen Moment lang glaubte sie, er könnte versuchen, sie zu küssen. Schnell wich sie ein Stück zurück, während ihre Freundinnen sich an ihre Seite stellten.

Nun ließ er den Blick zu den beiden schweifen. Verriet sein Gesichtsausdruck Bedauern? Oder Belustigung und Argwohn, wenn er, seinen eigenen Worten zufolge, mit den Unbesiegbaren zu tun hatte?

„Wie hast du uns gefunden?“, brachte Kate schließlich hervor.

Nun lächelte Travis jungenhaft, und wieder stürmten die Erinnerungen auf sie ein. An jenen grauen, kalten Novembertag, als sie zu dritt ins Einkaufszentrum hatten aufbrechen wollen. In dem Moment war Dawns Bruder Aaron in der Auffahrt aufgetaucht und hatte ihnen seinen Zimmergenossen vorgestellt, den er zu Thanksgiving mit nach Hause gebracht hatte.

Travis hatte schon bald ein Auge auf sie geworfen. Sie war damals im zweiten Studienjahr am Boston College gewesen, er im vierten Studienjahr an der University of Massachusetts in Amherst. Und nach nur zwei Verabredungen in jenen magischen Thanksgiving-Ferien …

„Es war nicht schwer, dich zu finden“, holten seine Worte sie in die Gegenwart zurück. „Du hast mir oft genug erzählt, dass der Trevibrunnen ganz oben auf deiner Liste für Rom steht.“ Er deutete auf ein belebtes Café auf der anderen Seite der Piazza. „Also habe ich mich da hingesetzt und auf dich gewartet.“

Sie hatte nur ihrem Assistenten David erzählt, in welchem Hotel sie absteigen würde, und der hätte es niemandem verraten. Obwohl sie kein hohes Tier in der Finanzwelt war, hatten ihr Verstand – und der Sicherheitschef ihrer Bank – ihr geraten, sich auf Auslandsreisen bedeckt zu halten. Es war typisch für Travis, dass er sie ausfindig gemacht hatte.

„Wie lange hast du gewartet?“, erkundigte sie sich.

„Seit dem frühen Morgen.“

Dawn stieß einen überraschten Laut aus. „Das muss dich einiges gekostet haben.“

„Reden wir nicht darüber.“ Er blickte wieder Kate an. „Es war jeden Euro wert.“

Verdammt! Wie schaffte er das nur? Ein Lächeln, ein flüchtiger Blickkontakt, und sie hätte ihren Wunsch von eben fast vergessen.

Dann stieg jedoch die Bitterkeit wieder in Kate auf, und ihr Herz krampfte sich zusammen. „Du hast dein Geld vergeudet, Trav. Wir haben gesagt, was zu sagen war, als wir uns mit dem Anwalt getroffen haben.“

„Wohl kaum. Am Tag, nachdem ich von einer geheimen Mission zurückgekommen bin, habe ich die Scheidungspapiere erhalten. Der Termin beim Anwalt war nicht einmal eine Woche danach anberaumt.“

„Und du hast dich auf das Fürsorgegesetz für Militärangehörige berufen, um das Ganze um weitere neunzig Tage hinauszuzögern.“

„Nur weil du …“ Travis verstummte und atmete tief durch. „Komm, Kate. Lass mich dich wenigstens auf ein Glas Wein einladen. Euch drei“, fügte er hinzu.

Dass Dawn und Callie ihre Freundin Kate unbedingt begleiten wollten, wunderte Travis nicht. Er hatte vom ersten Tag an gewusst, dass Kate und ihre beiden Freundinnen sich näher standen als viele Schwestern. So unterschiedlich sie auch sein mochten, sie hatten viele gemeinsame Interessen und waren seelenverwandt.

Und jede von ihnen bedeutete eine Gefahr für die männliche Spezies. Mit ihrem roten Haar, ihren weiblichen Kurven und ihrem Temperament zog Dawn das andere Geschlecht magisch an. Callie war ruhiger, zurückhaltender, eine aufmerksame Zuhörerin, die den Männern das Gefühl vermittelte, dass sie viel klüger waren, als sie es tatsächlich waren.

Aber es war Kate, die an jenem verschneiten Novembertag sein Interesse geweckt hatte. Sie war dick angezogen gewesen, die braunen Augen kaum sichtbar über dem voluminösen Schal, das wellige blonde Haar unter einem Beanie hervorblitzend. Die engen Jeans betonten ihre langen Beine und ihren knackigen Po, doch er spürte sofort, dass sie viel mehr zu bieten hatte. Vielleicht war es der intelligente Ausdruck in ihren Augen. Oder ihr Lächeln, als sie den Schal hinunterzog. Oder ihre Schlagfertigkeit.

Als er an die Uni zurückkehrte, war er jedenfalls im Begriff gewesen, sich in sie zu verlieben. In den folgenden zwei Jahren hatte er sich voll auf sein Studium konzentriert. Es war eine hektische Zeit gewesen, in der sie sich an den Wochenenden immer gegenseitig besuchten und die Sommerferien gemeinsam verbrachten. Danach hatte er seine Grundausbildung bei der Air Force gemacht und war schließlich für die Flugschule genommen worden. Als Kate ihn besuchte, um ihm die Nadel anzustecken, hatte er ihr den Verlobungsring über den Finger gestreift. Nach weiteren zwei Jahren, in denen sie ihr Studium beendete und er seine Flugausbildung fortsetzte, hatte er ihr den Ehering angesteckt.

Dass sie diesen immer noch trug, verschaffte ihm eine tiefe Befriedigung. Kate war seine Partnerin, seine Frau, die Einzige, mit der er je sein Leben hatte verbringen wollen. Und er würde dafür sorgen, dass sie den Ring nicht abnahm.

Es würde allerdings nicht einfach sein. Er konnte nicht leugnen, dass ihre Ehe den Bach hinuntergegangen war. Seine ständigen Auslandsaufenthalte hatten genauso dazu beigetragen wie sein Versäumnis mit Captain Chamberlain, die er nicht eindringlich genug gewarnt hatte, die Finger von ihm zu lassen. Noch immer hätte er sich dafür in den Hintern treten können, dass er sich so ungeschickt verhalten hatte.

Er hatte keine Entschuldigung dafür, dass er die Frau so dicht an sich herangelassen hatte. Jedenfalls keine, die Kate ihm abgenommen hätte. Außerdem war sie nicht nur intelligent, sondern auch sehr dickköpfig und wog alle Entscheidungen sorgfältig ab. Doch wenn sie sich zu etwas entschieden hatte, war es endgültig.

Diesmal nicht, schwor er sich.

In Massachusetts wurde eine Scheidung erst drei Monate nach einem vorläufigen Scheidungsurteil rechtskräftig. So blieben ihm genau zwei Wochen, um die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken. Entschlossen, die Frau zurückzugewinnen, nach der er sich immer noch sehnte, forderte Travis sie heraus.

„Hast du so große Angst, eine Flasche Wein mit mir zu trinken, Schatz?“

Verächtlich zog Kate die Brauen hoch. „Was glaubst du denn?“ Dann wandte sie sich an ihre Freundinnen. „Geht ruhig schon zur Piazza Navona. Ich komme nach. Oder wir treffen uns im Hotel.“

„Du solltest lieber nicht allein durch Rom laufen“, protestierte Callie.

„Sie wird nicht allein sein“, bemerkte Travis trocken. „Ich verspreche euch, sie aus der Schusslinie zu halten.“

„Ah ja“, meinte Dawn ironisch. „Wir wissen ja, was deine Versprechen wert sind, Westbrook.“

Heroisch verkniff er sich die Bemerkung, dass eine Frau, die zwei Bräutigame vor dem Altar hatte stehen lassen, lieber den Ball flach halten sollte.

„Schon gut“, versicherte Kate ihren selbst ernannten Wachhunden. „Geht ruhig. Wir sehen uns im Hotel.“

Callie zog Dawn fort, die ihm noch einen warnenden Blick zuwarf.

„Zum Glück war keine von ihnen bewaffnet“, sagte Travis. „Ansonsten wäre ich jetzt tot.“

„Du bist noch nicht außer Gefahr. Bis jetzt musste ich zum Glück nicht auf die Selbstverteidigungstechniken zurückgreifen, die du mir beigebracht hast.“

Dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um ihr zu sagen, dass diese Trainingseinheiten zu seinen erotischsten Erinnerungen gehörten.

„Ich versuche, nicht dein erstes Opfer zu werden“, konterte Travis, als sie in Richtung Café gingen. Ohne nachzudenken, legte er Kate die Hand auf den Rücken. Als sie unvermittelt stehen blieb, unterdrückte er einen Fluch und nahm die Hand wieder weg. „Es tut mir leid. Die Macht der Gewohnheit.“

Kate schluckte mühsam, bevor sie sich einen Weg durch die Menge bahnte. Seine Höflichkeit war einer der Charakterzüge, die sie so an ihrem Ehemann schätzte. Er war in einer heruntergekommenen Textilstadt in Massachusetts aufgewachsen, wo Gangs das Straßenbild beherrschten und er seinen Erzählungen zufolge entsprechende Verhaltensweisen entwickelt hatte. Seine Mutter hatte dem allerdings energisch entgegengewirkt und ihm perfekte Manieren beigebracht. Ein Stipendium an der Uni und die Ausbildung bei der Air Force hatten ihm noch mehr Schliff verliehen.

Auch das ist eine Ironie des Schicksals, überlegte Kate, während ihr Ehemann ihr unter einer Markise einen Stuhl hervorzog. Mühelos vereinte er mehrere Persönlichkeiten in sich: den Universitätsabsolventen mit Prädikatsexamen, den Gentleman und den Gladiator.

Kate verspürte einen Stich, als sie daran dachte, dass Loyalität ebenfalls eine hervorstechende Charaktereigenschaft ihres Mannes war. Er gehörte zu einer Eliteeinheit, die das modernste Transportflugzeug fliegen durfte. Es war eine hoch dekorierte eingeschworene Gemeinschaft. Hatte Travis deswegen so ein starkes Interesse an Captain Diane Chamberlain entwickelt? Er behauptete es zumindest und schwor, er hätte die intelligente junge Kommunikationsoffizierin nur betreuen wollen.

Kate hätte ihm zu gern geglaubt. Wäre sie sich nicht allzu deutlich der ungeschriebenen Regel bewusst gewesen, dass alles, was im Einsatz passierte, auch dort blieb. Wenn sein ehrgeiziger Protegé in seinem Facebook-Post nicht ins Detail gegangen wäre … Wenn Trav und sie, Kate, sich nicht schon so auseinanderentwickelt hätten …

Genau das aber war die Crux. Durch ihre Berufe hatten sich ihre Wege getrennt. Er war inzwischen Major und sie, die als Foreign Accounts Managerin in der Niederlassung einer großen Bank angefangen hatte, arbeitete inzwischen in der Zentrale der Weltbank in Washington, D.C.

Und nun waren sie hier. Vier ereignisreiche Jahre Beziehung und fünf Jahre Ehe später. Nahezu Fremde an einem kleinen Tisch in der Stadt, die sie immer zusammen hatten besuchen wollen. Während Travis ihnen Wein einschenkte, ließ Kate den Blick über die Piazza schweifen.

„Ich kann nicht glauben, dass wir wirklich in Rom sind“, sagte sie leise.

„Hat lange genug gedauert.“

Forschend betrachtete sie Travis und bemerkte wieder jene Fältchen in seinen Augenwinkeln, die vereinzelten grauen Haare in seiner dunklen Kurzhaarfrisur.

Ohne zu überlegen, streckte sie die Hand aus und strich ihm über die Schläfe. „Hast du etwa schon graue Haare?“

„Allerdings. Kein Wunder, wenn die Gene und der Job einen mit zweiunddreißig zu einem alten Mann machen.“

Kate ließ den Blick tiefer schweifen. Sein blaues Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln betonte seine breiten Schultern, den muskulösen Hals und die gebräunten Arme. Sie ließ die Hand sinken, lehnte sich zurück und nahm verhalten lächelnd das Weinglas von ihm entgegen.

„So hinfällig sehen Sie noch nicht aus, Major Westbrook.“

„Und Sie sehen für einen Senior Investments Accounts Officer verdammt gut aus, Mrs. Westbrook.“

„Für einen leitenden Investments Accounts Officer. Ich wurde vor zwei Monaten befördert.“

„Wer ist gestorben?“

Das war ein geläufiger Witz zwischen ihnen, und Kate lachte. Zum Glück hatte sie für ihre jetzige Position nicht über Leichen gehen müssen. Nach dem Bachelorabschluss in Betriebswirtschaft am Boston College hatte sie ihren Master in Internationaler Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Columbia University gemacht. Jedes Mal, wenn man Travis versetzt hatte, hatte sie in einen Job mit mehr Verantwortung gewechselt und es so schnell an die Spitze gebracht.

„Niemand.“

Travis prostete ihr zu. „Auf den klügsten und bestaussehenden leitenden Investments Accounts Officer der Weltbank.“

Sie stieß mit ihm an, überrascht und dankbar, weil sie so locker miteinander plänkeln konnten. Noch immer hatte sie sich nicht von dem Schock über sein unerwartetes Auftauchen erholt. Obwohl …

Kate trank einen Schluck. Sie hätte zumindest die Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, dass Travis sie ausfindig machen würde, weil ihre geplante Italienreise ebenfalls eine geläufige Anspielung zwischen ihnen gewesen war.

„Und wie gefällt es dir in Washington?“

„So weit, so gut“, erwiderte sie vorsichtig.

Sie hatte sich die Entscheidung nicht leichtgemacht. Travis hatte es auch als einmalige Chance betrachtet, zumal seine Karriere bis dahin immer an erster Stelle gestanden hatte. Was keiner von ihnen zugeben konnte, war die Tatsache, dass ihr Wechsel nach Washington den Anfang vom Ende bedeutet hatte.

Trotzdem hatten sie sich Mühe gegeben. Er hatte sie dort besucht, und sie war nach Florida geflogen, als man ihm für besondere Verdienste den Silbernen Stern verlieh. Sie war immer so stolz auf ihn gewesen. Oft hatte sie mit den Tränen gekämpft, wenn sie Außenstehenden erzählte, was er machte. Ihr Stolz war allerdings nur ein schwacher Trost gewesen, wenn Travis wieder in ein Kriegsgebiet abberufen wurde.

Dann gab es da noch die geheimen Missionen, über die er nicht sprechen durfte. Wie vermutlich auch die gegenwärtige. Das erste Indiz dafür war die Tatsache, dass er ihre Frage, wie lange er in Italien bleiben würde, nur ausweichend beantwortete.

„Das wissen wir nicht genau. Einen Monat, vielleicht auch länger. Und wie lange bleibst du?“

„Ich fliege am zwanzigsten zurück.“

Travis neigte den Kopf. „Zwei Tage, nachdem unsere Scheidung rechtskräftig wird.“

Kate spielte mit ihrem Glas. Es kostete sie große Mühe zu lächeln. „Ich dachte, es wäre eine gute Ablenkung, mit Dawn und Callie durch Italien zu reisen.“

„Was hältst du davon, es mit mir zu tun?“

Sie zuckte zusammen und hätte dabei fast den Wein verschüttet. „Wie bitte?“

„Lass mich wenigstens diese Schuld begleichen, Kate.“

Entgeistert schüttelte sie den Kopf. „Wir können jetzt nicht mehr zurück, Trav.“

„Stimmt.“ Nun beugte er sich so weit vor, dass sie die goldenen Sprenkel in seinen braunen Augen erkennen konnte. „Aber wir können uns Zeit nehmen, um herauszufinden, ob da noch genug ist, um einen anderen Weg einzuschlagen.“

„Das ist verrückt. So wird es uns noch schwerer fallen, Lebewohl zu sagen.“

„Nein, Kate, das wird es nicht. Ich halte mein Wort.“ Er streckte die Hand aus und umfasste ihr Kinn. „Wenn … falls es dazu kommt, wirst du diese gemeinsame Zeit nicht bereuen, das verspreche ich dir.“

2. KAPITEL

„Kate!“, rief Dawn bestürzt. „Erzähl mir nicht, dass du tatsächlich mit dem Typen losziehst!“

„Ich sagte, ich überlege noch.“ Kate schnitt ein Gesicht. „Ich weiß, diese Reise sollte mir in erster Linie vor Augen führen, dass es auch noch eine Welt ohne Travis Westbrook gibt.“

„Und jetzt soll sie sich wieder um ihn drehen?“

„Vielleicht. Für eine Woche. Oder auch nicht.“

Dawn drehte sich um. Sie lag auf einem der beiden purpurfarben Brokatsofas im Wohnzimmer ihrer Suite in dem luxuriösen Fünfsternehotel, das, von einem Park umgeben, auf einem Hügel lag und einen fantastischen Blick auf die Ewige Stadt bot.

„Rede du mit ihr, Callie“, forderte Dawn ihre Freundin eindringlich auf. „Erinnere sie daran, wie oft sie und Travis versucht haben, die Kluft zu überbrücken – wenn er mal zu Hause war.“

„Das weiß sie selbst am besten. Außerdem haben wir beide uns auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was Liebe und Ehe angeht.“

Dawn rümpfte die Nase, während Callie Kate forschend ansah. „Und wozu tendierst du? Ja oder nein?“

Seufzend zog diese sich die Spange aus dem Haar und fuhr sich durch die blonden Locken. Eigentlich wollte sie sich eine Kurzhaarfrisur zulegen, ein weiterer Ausdruck ihres neuen Ichs, genauso wie die Kostüme, die sie sich für ihren neuen Job hatte schneidern lassen, und die Dreizimmerwohnung, die sie in Washington gemietet hatte.

„Ich schwanke noch“, räumte sie ein. „Mein Verstand sagt mir, dass es ein Riesenfehler wäre. Wenn ich es als Gewinn einer Investition betrachte, sehe ich nicht, wie ein paar gemeinsame Tage das langfristige Bestehen unserer Ehe sichern können, es sei denn, es kommen neue Unbekannte in die Gleichung.“

„Hör auf, wie eine Bankerin zu denken“, drängte Callie. „Denk wie eine Ehefrau, die entscheiden muss, ob sie ihrem Mann noch eine letzte Chance gibt.“

„Ich kann euch beide doch nicht zu Beginn unseres Urlaubs hängen lassen.“

„Natürlich kannst du das. Klar, ohne dich wird es nicht annähernd so lustig. Doch wir werden es schon schaffen, uns zu unterhalten.“

„Ich habe doch alles bis ins kleinste Detail geplant und mich mit U-Bahn-Plänen, Öffnungszeiten von Museen beschäftigt …“

„Dawn und ich sind große Mädchen. Wir schaffen es schon von A nach B, oder?“

„Ich glaube ja“, meinte Dawn widerstrebend, bevor sie aufstand, um den kleinen Marmortisch herumging und sich neben Kate auf das andere Sofa setzte. Dann zog sie ein Bein an und nahm Kates Hand. „Ohne dich durch Italien zu reisen macht nicht halb so viel Spaß. Aber wir werden schon klarkommen, und ich werde alles daransetzen, dass wir ein paar heiße Italiener kennenlernen. Nimm also auf uns keine Rücksicht. Du musst nur entscheiden, ob du Travis noch eine Chance geben willst, dir das Herz zu brechen.“

„Oh, wenn du es so ausdrückst …“

„Du meine Güte, Dawn!“, rief Callie, bevor sie sich auf der anderen Seite neben Kate setzte und ihre linke Hand nahm.

Als Mädchen hatten sie oft so beieinander gesessen und ferngesehen oder über Jungen gelästert. Als Teenager hatten sie sich Geheimnisse anvertraut und zusammen geträumt. Als Frauen hatten sie Schönes und ihren Kummer miteinander geteilt – in den letzten Jahren allerdings vorwiegend ihren Kummer, wie es schien.

„Für mich klingt es so, als würden dein Verstand und dein Gefühl miteinander ringen“, bemerkte Callie leise. „An deiner Stelle würde ich auf meinen Bauch hören.“

Als die drei Frauen zum Abendessen nach unten kamen, erwartete Travis sie bereits im Außenbereich des Restaurants. Sturmlaternen flackerten, die Tische waren mit weißem Leinen und funkelnden Kristallgläsern gedeckt. Die angestrahlte Kuppel des Petersdoms hob sich in etwa anderthalb Kilometern Entfernung gegen den Sternenhimmel ab und verlieh der Aussicht etwas Magisches.

Kate vermutete, dass ihr Mann es vorgezogen hätte, wenn sie ihm ihre Antwort unter vier Augen gegeben hätte. Am Trevibrunnen hatten Callie und Dawn keinen Hehl aus ihrer Feindseligkeit ihm gegenüber gemacht, und er sollte wissen, dass sie alles andere als begeistert über die Vorstellung wären, ohne sie weiterzureisen.

Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf, als eine Kellnerin sie zum Tisch begleitete. Er trug immer noch das blaue Hemd und die Jeans, darüber aber seine graue Lederjacke, die ihn genauso lässig-elegant wirken ließ wie die anderen männlichen Gäste.

Kate hatte sich ebenfalls chic gemacht und sich für die karamellfarbene Strickjacke und die dazu passende Hose entschieden, die sie extra für diese Reise gekauft hatte. Sie konnte beides so wie jetzt elegant mit einem schwarzen Seidentop kombinieren oder mit einem schlichten Baumwolloberteil. Das anerkennende Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass ihr Outfit ihm gefiel.

Kein Wunder, dachte sie, als sie sich setzten. Eigentlich hatte Travis immer alles an ihr gefallen, egal, ob sie lässig oder elegant gekleidet gewesen war.

Nun lächelte er verhalten. „Fast wie in alten Zeiten.“

„In welchen Zeiten?“, erkundigte Dawn sich scharf. „Bevor oder nachdem du mit deinem Captain auf Tuchfühlung gegangen bist?“

Callie zuckte zusammen, und Kate ballte die Hände zu Fäusten.

Travis stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Okay, ich weiß, dass Kate die Posts und auch meine erbärmliche Rechtfertigung auf Facebook mit euch geteilt hat. Ich sage es noch ein einziges Mal.“ Unbeirrt erwiderte er Dawns zornigen Blick. „Ich habe Zeit mit Captain Chamberlain verbracht und über Berufswege und – ziele gesprochen. Offenbar mehr, als ich hätte verbringen sollen. Ich habe sie aber nicht berührt, geküsst oder ihr sonst wie zu verstehen gegeben, dass ich Sex mit ihr haben will. Und ich hatte auch keine Ahnung, dass sie diese Bilder von mir veröffentlicht hat, auf denen ich verschwitzt und mit nacktem Oberkörper zu sehen bin.“

„Sie wurden bei einem Volleyballmatch zwischen zwei Flugzeugcrews aufgenommen“, warf Kate ein, bevor noch Blut vergossen wurde. „Travis hat mir die unbearbeiteten Fotos später geschickt, nachdem …“

„Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war“, beendete Travis den Satz für sie. „Kannst du deine Krallen jetzt einziehen, damit wir essen können, Dawn?“

„Ich versuche es. Doch ich verspreche nichts.“

Erstaunlicherweise wirkte er jetzt weniger angespannt. „Ich möchte euch einladen“, begann er schroff. „Ihr habt Kate all die Monate zur Seite gestanden, Dawn und Callie, und ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar ich euch dafür bin, dass sie euch hatte.“

Daraufhin blinzelte Dawn, und auch Callie wirkte nicht mehr ganz so unterkühlt. „Für dich war es auch nicht leicht“, erwiderte sie. „Du sollst wissen, dass wir mit allem einverstanden sind, was Kate für den Rest ihres Aufenthalts in Italien beschließt.“

„Ja, darüber möchte ich auch sprechen.“

Im nächsten Moment kam die Kellnerin an den Tisch, um die Getränkebestellungen entgegenzunehmen. Die Frauen entschieden sich für Bellini, Travis für einen Whisky mit Eis. Sobald die Kellnerin gegangen war, legte er die Karten auf den Tisch.

„Ich weiß, dass ich eure Pläne mit meiner Bitte durchkreuze. Und ich möchte es wiedergutmachen, indem ich eine Alternative zu eurer Reiseroute vorschlage.“

Kate musste an sich halten, um nicht zu protestieren, weil ihre ganze Arbeit umsonst gewesen wäre.

„Kate hat euch vielleicht erzählt, dass ich momentan auf dem NATO-Stützpunkt in der Nähe von Venedig stationiert bin. Die Familie eines meiner Kollegen, eines italienischen Piloten namens Carlo, besitzt eine Villa in der Toskana. Momentan wohnt niemand dort, aber die Angestellten sind da. Ihr könnt dort eine Woche oder auch länger wohnen. Mit dem Schnellzug seid ihr in wenigen Stunden in Mailand oder Venedig.“

„Klingt toll“, räumte Dawn ein, „aber wir haben uns schon dieses Hotel gegönnt und können uns keine Villa mehr leisten.“

Doch sie konnte es. Da Kate sie regelmäßig bei Anlagen beriet, kannte sie das Jahreseinkommen ihrer Freundin als Grafikdesignerin für ein Unternehmen in der Gesundheits- und Fitnessbranche, das zu den fünfhundert umsatzstärksten der Welt zählte.

Bei Callie hingegen verhielt es sich anders. Zu Kates und Dawns Erleichterung hatte sie ihren Job als Kinder- und Jugendbeauftragte in Massachusetts kurz vor dieser Reise gekündigt, weil die psychische Belastung zu stark gewesen war. Ihr Angebot, ihren Anteil zu übernehmen, hatte sie entschieden abgelehnt. Doch vermutlich hatte sie schon auf ihre Ersparnisse zurückgreifen müssen.

„Ihr braucht nichts zu bezahlen“, fuhr Travis fort. „Carlo ist Befehlshaber einer italienischen Eliteeinheit. Wir haben vor einigen Monaten zusammen an einer Mission teilgenommen, und er glaubt, er wäre mir etwas schuldig.“

„Warum?“, hakte Dawn nach.

„Nicht der Rede wert.“

Obwohl er es mit einem Schulterzucken abtat, verspürte Kate jenes vertraute Engegefühl in der Brust. Falls dieser italienische Major glaubte, ihrem Mann etwas zu schulden, musste es sich um einen sehr gefährlichen Einsatz gehandelt haben.

Im nächsten Moment kam die Bedienung und servierte die Getränke. Sobald sie gegangen war, fuhr Travis fort:

„Also, was haltet ihr davon? Möchtet ihr eine Woche gratis in der Toskana verbringen?“

„Das hängt von Kates Entscheidung ab.“

Alle drei blickten sie fragend an. Hin- und hergerissen, befolgte sie Callies Rat und ließ ihren Bauch entscheiden.

„Ich finde, ihr solltet Carlos Angebot annehmen“, erwiderte sie. Dann sah sie Travis an. „Und ich nehme deins an.“

Danach entspannte sich die Atmosphäre. Die verlockende Aussicht auf eine Woche in einer Villa in der Toskana stimmte Dawn versöhnlicher. Allerdings war Kate klar, dass ihre Freundin bald wieder in die Offensive gehen würde. Genauso wie Callie. Sie hätte die beiden für ihren bedingungslosen Beistand geliebt, selbst wenn sie nicht schon so lange beste Freundinnen gewesen wären. Und sie liebte Travis auch, weil er den beiden etwas derart Gutes tat.

Dann kam ihr jedoch ein Gedanke. Hatte er das alles etwa geplant? Major Travis Westbrook überließ niemals etwas dem Zufall. Und er bot grundsätzlich alle verfügbaren Gegenmaßnahmen auf, um feindliches Feuer abzuwehren. Allerdings musste sie zugeben, dass er einen ziemlich beeindruckenden Plan ersonnen hatte, um ihre Freundinnen kampfunfähig zu machen.

Wenig später schickte Travis seinem Kameraden Carlo eine SMS und teilte ihm mit, dass Ms. Dawn McGill und Ms. Callie Langston am übernächsten Tag in der Villa seiner Familie eintreffen würden. Daraufhin sandte der italienische Luftwaffenoffizier ihm die Wegbeschreibung und den Code für das Tor.

Nachdem Travis die Nachricht an Callie und Dawn weitergeleitet hatte, ließen sie sich in entspannter Atmosphäre das köstliche Essen schmecken. Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als die Kellnerin den Tisch abräumte und ihnen den Rest des Asti Spumante einschenkte.

Als Kate andeutete, dass sie einen Moment mit Travis unter vier Augen sprechen wollte, diskutierten ihre Freundinnen kurz, aber heftig mit ihm, weil sie sich an der Rechnung beteiligen wollten. Schließlich gaben sie sich geschlagen und standen auf. Nachdem Dawn einige Schritte gegangen war, drehte sie sich um und deutete mit dem Finger auf ihn.

„Vergiss nicht, Westbrook. Kate muss uns nur anrufen, dann sind wir sofort da.“

„Gut zu wissen, dass sich das nicht geändert hat, seit ich die Unbesiegbaren kenne.“

Callie stupste sie an. „Er hat die Botschaft verstanden. Komm, lass uns gehen.“

„Das habe ich wohl verdient“, bemerkte Travis, als die beiden sich entfernten.

„Sie haben es dir leichtgemacht. Du möchtest sicher nicht wissen, welche Foltermethoden Dawn dir in Abwesenheit zugedacht hat.“

„Die meisten mit einem rostigen Taschenmesser, schätze ich.“

„In ihren edelmütigen Momenten. Sonst war sie mit einer Säge zu Gange.“

„Autsch!“ Er schauderte demonstrativ, was Kate mit einem matten Lächeln quittierte. Am liebsten hätte er ihre Hand genommen. „Es war mein Ernst, als ich sagte, ich wäre ihnen dankbar. Sie waren für dich da, als du sie brauchtest.“

Als er nicht für sie hatte da sein können.

Travis musste sich eingestehen, dass er seine Rolle als Ehemann viel zu oft vernachlässigt hatte. Als die Bank Kate beförderte, hatte er auf einem gottverlassenen Flugplatz in Kenia Moskitos totgeschlagen. Und vor wenigen Monaten, als sie sich den Kopf zerbrochen hatte, ob sie das Angebot der Weltbank annehmen und nach Washington ziehen sollte, hatte er sich den Hintern an einem geheimen Ort abgefroren. Höchste Zeit, Prioritäten zu setzen und sich wieder einen Platz in ihrem Leben zu sichern, schwor er sich.

Wenn Kate ihn ließ.

„Worüber wolltest du reden?“, fragte er.

„Über die Verhaltensregeln – was wir während dieser gemeinsamen Zeit tun sollten und was nicht.“

Das klang nicht gut. „Ich dachte, wir improvisieren.“

„Ah ja. Wie du mit der Villa? Das war eine spontane Idee, ja?“

„Okay, vielleicht hatte ich ein paar mögliche Abläufe erwogen … Dann nenn mir deine Verhaltensregeln.“

Sie hob die Hand und zählte energisch ab. „Erstens: getrennte Schlafzimmer. Zweitens: Wir teilen alle Kosten. Drittens: Wir legen die Reiseroute zusammen fest. Viertens: Veränderungen nur nach Absprache. Fünftens: keine Überraschungen.“

Er brauchte einen Moment, um zu antworten. „Okay.“

„Das war zu einfach“, bemerkte sie, die Stirn gekraust. „Was ist mir entgangen?“

„Nichts.“

„Möchtest du die Liste noch ergänzen?“

„Ich glaube, du hast alles Wesentliche abgedeckt.“

„Es wird nicht funktionieren, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind, Trav.“

„Das bin ich. Ich werde meine Energie größtenteils auf Nummer vier verwenden. Das ist mein einziges Ziel, Katydid. Deine Zustimmung gewinnen – zu Veränderungen im Hinblick auf Schlafzimmer, Ausgaben, Reiseroute … und unsere bevorstehende Scheidung.“

Kate lehnte sich zurück und sah ihn erstaunt an. „Das nenne ich ehrlich.“

„Gut.“ Travis stand auf. „Schick mir doch eine vorläufige Reiseroute. Ich sehe sie mir heute Abend an. Achte nur darauf, dass du etwas Fahrzeit einplanst. Du sollst Italien so sehen, wie man es sehen sollte.“

„Ich … Prima.“

Auf dem Weg durch die elegante Lobby zu den Aufzügen berührte Travis sie nicht, und als die Türen sich öffneten, eilte sie hinein und versprach, ihm innerhalb der nächsten Stunde einen Vorschlag für die Reiseroute zu schicken.

Dawn und Callie waren noch wach, und Kate arbeitete am Laptop ein anderes Programm für sie aus, sodass sie alle Orte von der Villa aus erreichen konnten. Dann stellte sie eins für Travis und sich auf.

Da das Autofahren in Rom der reinste Albtraum war, beschloss sie, die Stadt am nächsten Morgen zu verlassen und erst am Ende der Reise zu besichtigen – vorausgesetzt, sie wären dann immer noch zusammen. Die Ungewissheit machte ihr zu schaffen, als sie Travis ihren Vorschlag per Mail schickte.

Er mailte ihr zurück, während sie immer noch die Karte studierte. Er war mit allem einverstanden und wollte sie um halb neun abholen.

Kate rechnete damit, dass sie, von Zweifeln gequält, die ganze Nacht wach liegen würde. Als sie sich ins Bett legte, zerbrach sie sich immer noch den Kopf über Travis’ Worte, dass er versuchen wollte, sie umzustimmen. Doch schon nach kurzer Zeit schlief sie ein.

Am nächsten Morgen wurde sie um sieben vom Alarm ihres Smartphones geweckt. Zum Glück reiste sie wie ihre Freundinnen mit leichtem Gepäck, denn sie hatten alle nur einen Trolley und eine Umhängetasche mitgenommen. Allerdings war die Auswahl an Kleidung dadurch begrenzt. Sie entschied sich für ein schwarzes T-Shirt, das sie mit ihrer auffälligen Holzkette kombinierte, und Jeans.

Da Dawn noch schlief, verabschiedete sie sich nur von Callie, der sie versprechen musste, gut auf sich aufzupassen und sie immer auf dem Laufenden zu halten. Die Zweifel überkamen sie mit aller Macht, während sie in der eleganten Lobby wartete. Monatelang hatte sie unter der Trennung von Travis gelitten. Sie musste unzurechnungsfähig sein, weil sie sich diesem Schmerz wieder aussetzte.

Mit seiner Aussage, er wolle ihre Zustimmung gewinnen, hatte Travis sie völlig durcheinandergebracht. Und dann der Spitzname. Katydid – Laubheuschrecke. Er hatte ihn ihr an einem heißen Sommerabend gegeben, als sie auf einer Decke unter dem Sternenhimmel lagen und dem Zirpen der Heuschrecken lauschten. Nur er konnte sie als Insekt bezeichnen und es wie eine Liebkosung klingen lassen. Und nur er konnte jeden dieser Milliarden Sterne mit einem einzigen Kuss ausblenden.

Was machte sie hier bloß?

Kate spielte schon mit dem Gedanken, in ihre Suite zu flüchten, als sie aus den Augenwinkeln etwas bemerkte. Sie wandte sich um und sah ihren Mann am Steuer eines knallroten Sportwagens, der vor dem Eingang hielt. Draußen angekommen, staunte sie genauso wie der Portier.

„Ist das ein Ferrari?“

„Ja“, bestätigte Travis, während er dem herbeieilenden Parkwächter den Wink gab, zu verschwinden. Dann kam er um den Wagen herum, nahm ihr den Trolley ab und verstaute ihn im Kofferraum. „Mit herzlichen Grüßen von Carlo.“

„Er stellt dir eine Villa und einen Ferrari zur Verfügung? So viel schuldet er dir?“

„Er schuldet mir gar nichts. Er glaubt es nur.“

Als Kate einstieg und in den weichen Ledersitz sank, versuchte sie die Vorstellung zu verdrängen, was vorgefallen sein konnte.

Travis setzte sich wieder ans Steuer. „Sag Bescheid, wenn es dir zu kühl wird, dann lasse ich das Verdeck hoch.“

Sie nickte und bemühte sich weiter, nicht an abgeschossene Flugzeuge und feindliches Feuer zu denken, während er den Motor anließ und langsam die lange, gewundene Auffahrt hinunterfuhr. Seine Worte, dass das sich aufbäumende Pferd auf dem Emblem ursprünglich das Symbol von Baron Francesco Baracca war, einem Fliegerass der Aeronautica Militare aus dem Ersten Weltkrieg, den man kurz vor Kriegsende abgeschossen hatte, halfen ihr nicht gerade dabei.

„Ich hoffe, dein Freund Carlo hat das Symbol nicht auf seinem Flugzeug“, bemerkte sie.

„Nein, das hat er nicht“, erwiderte Travis.

Kate nahm eine Spange aus der Handtasche und fasste ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Ich würde ihn gern mal kennenlernen.“

Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Gern. Hast du Lust, dir auch den Stützpunkt in Aviano anzusehen? Und vielleicht Venedig?“

„Ich …“ Verdammt, sie hatten nicht einmal das Hotelgelände verlassen und änderten schon ihre Reiseroute! „Okay, einverstanden.“

„Prima.“

Als sie das Ende der Auffahrt erreicht hatten, bremste Travis, die Hand lässig auf der Gangschaltung. „Dieses Baby beschleunigt von null auf hundert in 3,5 Sekunden“, informierte er sie, während er darauf wartete, dass die Straße frei wurde. „Sobald wir Rom hinter uns gelassen haben, gebe ich richtig Gas.“

3. KAPITEL

Auf dem Weg nach Florenz machten sie einen Abstecher in die Region Chianti, wo sie mehrere Zwischenstopps einlegten, um Wein und Olivenöl zu verkosten. Nach einem leichten Mittagessen in der historischen Altstadt von Siena fuhren sie eine gewundene Landstraße entlang nach San Gimignano, eine historische Kleinstadt auf einem Hügel, deren Wahrzeichen die sieben Geschlechtertürme aus dem Mittelalter waren.

Da Autoverkehr im Zentrum verboten war, ließen sie den Ferrari stehen und erkundeten die geschichtsträchtigen Straßen zu Fuß. In einer Gelateria ließen sie sich am späten Nachmittag ein Eis schmecken und kehrten schließlich abends in ein Restaurant ein, das sich in der Stadtmauer befand und einen fantastischen Blick auf die toskanische Landschaft mit den sanften Hügeln und den hohen Zypressen bot.

Als es dunkel wurde, trafen sie in Florenz ein. Kate hatte bereits telefonisch zwei Zimmer in einem kleinen Boutiquehotel am Arno in der Nähe der berühmten Brücke Ponte Vecchio reserviert. Nach dem langen Tag war sie angenehm müde, allerdings nicht müde genug, um das Unwohlsein zu verbannen, weil sie getrennte Zimmer bewohnten. Du warst diejenige, die darauf bestanden hat, rief sie sich ins Gedächtnis, als Travis und sie mit dem Aufzug in den zweiten Stock fuhren.

Trotzdem krampfte ihr Herz sich zusammen, als sie vor der Tür zu ihrem Zimmer stehen blieb. Sie rang sich ein Lächeln ab. „Danke für diesen Tag, Trav. Ich … habe es genossen.“

„Ich auch, Katydid.“

Sie hatten beide darauf geachtet, sich nicht zu berühren und keine heiklen Themen anzusprechen. Nun sehnte sie sich schmerzlich danach, die Schuhe abzustreifen und sich auf einem gemütlichen Sofa an ihn zu kuscheln und die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen.

„Ich bin furchtbar müde“, schwindelte sie und steckte den Kartenschlüssel in den Türschlitz, damit Travis nicht sah, wie sie mit den Tränen kämpfte. „Bis morgen.“

Nachdem Kate in ihrem Zimmer verschwunden war, blickte er starr auf die weiße Holztür.

Er hatte gewusst, dass diese Reise schwer sein würde – und dennoch hatte er es gewaltig unterschätzt. Er musste sich zusammenreißen, um nicht an die Tür zu klopfen, seine Frau in die Arme zu ziehen und die Traurigkeit wegzuküssen, die ihre Miene flüchtig verraten hatte.

Als Travis am nächsten Morgen den Frühstücksraum des Hotels betrat, spürte er noch die Nachwirkungen von zwei Gläsern Scotch und einer unruhigen Nacht. Kate saß bereits an einem Tisch, die Kaffeetasse in der Hand und verschiedene Prospekte vor sich ausgebreitet.

Als er auf sie zuging, blickte sie auf. Die leichten Schatten unter ihren Augen verschafften ihm ein Triumphgefühl. Offenbar hatte sie auch nicht besser geschlafen als er. Ansonsten sah sie jedoch gut aus. Zu gut. Er setzte sich ihr gegenüber und fragte sich dabei, wie er einen weiteren Tag überstehen sollte, ohne sie auf die Wange zu küssen.

„Guten Morgen.“

Ihr höflicher Gruß irritierte ihn noch mehr. „Morgen“, erwiderte Travis schroff.

„Ach je.“ Über den Rand ihrer Tasse hinweg sah sie ihn an. „Hast du eine unruhige Nacht gehabt?“

„Ich hatte schon bessere.“ Nachdem er einen Moment überlegt hatte, beschloss er, offen zu sein. „Ich habe eine Weile gebraucht, um einzuschlafen. Zwei Gläser warmer Scotch und eine kalte Dusche haben dann geholfen.“

„Ich habe auch noch eine Weile wach gelegen“, gestand Kate widerstrebend. Sie blickte in ihre halb leere Tasse, bevor sie ihn wieder ansah. „Vielleicht ist das hier keine so gute Idee, Trav.“

„Was?“ Er schenkte sich ebenfalls Kaffee ein. „Dass wir in getrennten Betten schlafen? Stimmt, die schlechteste Idee aller Zeiten.“

Klirrend stellte sie ihre Tasse ab. „Ich meinte, du und ich. Zu glauben, wir könnten unsere Ehe retten, indem wir Touristen spielen.“

„Okay, warte mal.“ Da er erst einen starken Kaffee brauchte, trank er einige Schlucke. „Erstens spiele ich nicht. Ich meine es ernst. Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt und werde es immer tun. Zweitens …“

„Warte!“

Dass sie plötzlich die Stirn runzelte, ärgerte ihn über alle Maßen. „Komm schon, Kate. Trotz dieser albernen Facebook-Geschichte weißt du, dass du die einzige Frau bist, die ich je gewollt habe und mit der ich mein Leben verbringen möchte.“

Als sie ein noch finstereres Gesicht machte, kam ihm ein anderer Gedanke, den er bisher erfolgreich verdrängt hatte. „Es sei denn …“ Es kostete Travis große Mühe, ruhig zu bleiben. „Oder hast du jemand anders kennengelernt? Jemanden, mit dem du dein Leben verbringen möchtest?“

„Du meine Güte, nein!“

„Du kannst es mir ruhig sagen. Ich höre es nicht gern, aber ich würde es verstehen.“

„Verdammt, Travis! Glaubst du, ich würde Dawn und Callie sitzen lassen, wenn es einen anderen gäbe?“

Er atmete tief durch. „Worauf willst du dann hinaus, Kate? Warum hast du Callie und Dawn sitzen lassen?“

Kate biss sich auf die Lippe. Travis sah ihren gequälten Gesichtsausdruck, der wohl das Ende bedeutete. Wenn es der Fall war, würde er sich zurückziehen. Die verdammte Scheidung hinnehmen. Kate ihr eigenes Leben leben lassen.

„Ich liebe dich auch“, gestand sie schließlich leise. „Ich habe es immer getan und werde es immer tun. Doch wir haben beide auf die harte Tour gelernt, dass Liebe nicht immer genügt. Ich glaube, ich wollte … ich brauchte eine letzte Chance auf eine Veränderung.“

Die Starre fiel von ihm ab, und er konnte wieder durchatmen. „Wir müssen neue Verhandlungen führen.“

Argwöhnisch hob Kate die Hände. „Auf keinen Fall. Ich bin nicht bereit …“

„Hast du Lust auf einen weiteren Abstecher?“, fiel er ihr ins Wort.

„Kommt drauf an. Wohin möchtest du?“

„Ich muss telefonieren. Danach sage ich dir die Einzelheiten.“

Er stand auf und fand eine ruhige Nische im Foyer. Dort nahm er sein Smartphone aus der Tasche, rief den Kontakt auf und drückte auf die Taste. Wenige Sekunden später meldete sich sein Gesprächspartner.

„Ellis.“

„Hallo, Ellis. Hier ist Westbrook.“

Brian Ellis war Geschäftsführer von Ellis Areonautical Systems, dem wichtigsten Vertragspartner für die weiterentwickelte Bordelektronik des Transportflugzeugs, die Carlo und er gerade testeten. Er war nach Italien geflogen, um Gespräche über die Fortschritte und die abschließenden Testflüge zu führen.

Carlo und er hatten sich auf Anhieb sehr gut mit dem ehemaligen Piloten verstanden. Bei einem gemeinsamen Bier vor einigen Tagen hatte Ellis erwähnt, dass seine Firma gerade mit dem Flugzeughersteller über einen Millionenvertrag über die Verbesserung des elektronischen Einspritzsystems verhandelte.

„Sie fahren heute Nachmittag trotzdem nach Modena?“, fragte er Ellis.

„Ja. Vorausgesetzt, Mrs. Wells kann sich um Tom kümmern.“

„Oh. Stimmt.“

Fast hätte Travis vergessen, dass Ellis seinen sechsjährigen Sohn mit nach Europa genommen hatte. Bevor dieser eingeschult wurde, wollte er etwas Zeit mit ihm verbringen und ihm das Land zeigen. Dafür bewunderte Travis ihn. Er hatte allerdings grinsen müssen, als Ellis erzählte, dass der kleine Rotzlöffel schon zweimal seinem Kindermädchen entwischt wäre und so viel Chaos im Hotel verursacht hätte, dass man sie dort in Zukunft wohl nicht mehr beherbergen würde.

„Wie ist Ihr Terminplan in Modena?“, erkundigte sich Travis.

„Das Treffen in der Zentrale ist um ein Uhr, danach besichtigen wir die Halle, in der die Motoren hergestellt werden.“

„Können wir Sie kurz vor eins treffen? Ich brauche nur zehn Minuten.“

„Wer ist wir?“ Noch ehe Travis antworten konnte, fuhr Ellis fort: „Haben Sie etwa Ihre Frau überredet, Sie zurückzunehmen?“

„Ich arbeite daran.“

„Dann müssen wir uns unbedingt treffen.“

„Prima. Bis dann.“

Nachdem Travis das Telefon eingesteckt hatte, kehrte er zu Kate zurück, die sichtlich neugierig war. „Wenn es dir nichts ausmacht, Florenz erst morgen zu erkunden, würde ich dich gern jemandem vorstellen. Er besichtigt heute Nachmittag die Maserati-Fabrik in Modena, also nördlich von Bologna. Wir wären rechtzeitig zum Sonnenuntergang wieder zurück.“

Kate zog eine Braue hoch. „Erst ein Ferrari und nun eine Maserati-Fabrik. Du machst deinen Weg, Westbrook.“

„Schon möglich“, murmelte er, bevor er sich wieder setzte.

Kate hörte es nicht, denn sie war in Gedanken schon in Bologna. „Bestell du das Frühstück“, wies sie Travis an. „Ich google mal, was es sonst noch in Bologna und Modena zu sehen gibt.“

Eine Menge, wie sich herausstellte. Fasziniert recherchierte sie, während Travis bestellte: ein Omelett für sich und einen frischgepressten Saft und einen Bagel für sie. Plötzlich hielt sie inne. Wie gut er sie kannte – ihre Vorlieben beim Frühstück, ihre große Liebe zur klassischen Musik, die er nicht teilte. Außerdem zeigte er Verständnis für ihren erbitterten Kampf, damit aus den zehn Pfund, die sie seit ihrer ersten Begegnung zugenommen hatte, nicht mehr wurden. Nicht, dass es ihn störte. Als er ihr in Las Vegas BH und Slip abgestreift hatte und mit der Zunge …

Langsam, ermahnte sie sich. Dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um darüber zu fantasieren. Mit wild pochendem Herzen recherchierte Kate weiter.

„Ah, das ist interessant“, verkündete sie. „Bologna ist Hauptsitz der Cassa di Molino, einer der größten Banken Italiens. Und ich glaube … Ja, da ist er. Antonio Gallo, der neue Vorstandsvorsitzende.“ Sie zeigte ihm das Foto eines distinguiert wirkenden älteren Herrn mit vollem silbergrauem Haar und einem freundlichen Lächeln. „Ich habe ihn letztes Jahr auf einer Konferenz kennengelernt. Da hat er mir erzählt, dass er Aussicht auf eine leitende Position hätte. Eben ist mir eingefallen, dass es in Bologna war.“

„Könnte sich als nützlicher Kontakt erweisen. Warum rufst du ihn nicht an? Vielleicht hat er Zeit für einen Höflichkeitsbesuch.“

Nachdem sie die Nummer herausgesucht und man sie mehrfach weiterverbunden hatte, erreichte sie schließlich seinen Assistenten, der ihr einen vorläufigen Termin um elf Uhr zwanzig gab. Signor Gallo würde zurückrufen und den Termin bestätigen und ob sie einen Lebenslauf mailen könnte.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, schickte Kate ihm ihren Lebenslauf aus ihrer Cloud.

„Schaffen wir es bis zwanzig nach elf?“, fragte sie dann Travis.

Er blickte auf die Uhr. „Bestimmt, wenn wir in der nächsten halben Stunde aufbrechen. Geh du nach oben, zieh dich um, und such deine Sachen zusammen. Ich lasse uns etwas zu essen zusammenstellen, packe auch und treffe dich in der Lobby.“

Oben sichtete Kate schnell ihre kleine Garderobe. Sie entschied sich wieder für den Hosenanzug vom Vorabend, den sie mit einem cremefarbenen Seidentop kombinierte, beschloss aber, dass sie einen Schal brauchte. Nachdem sie mit Signore Gallos Assistenten telefoniert hatte, der den Termin bestätigte, eilte sie nach unten, wo Travis bereits auf sie wartete, seine Reisetasche in einer Hand, ein Papptablett mit zwei Kaffeebechern und eine Tüte mit dem Frühstück in der anderen. Er trug wieder die graue Lederjacke und Jeans und dazu einen schwarzen Pullover mit Rundhalsausschnitt.

„Ich brauche unbedingt einen Schal“, informierte sie ihn leicht atemlos. „Ich laufe schnell nach draußen, während sie den Wagen holen.“

Schnell fand sie einen Straßenhändler mit einer großen Auswahl. Sie entschied sich für einen langen Seidenschal mit einem Landschaftsprint, der lang genug war, dass sie ihn um den Kopf binden konnte.

Während der Fahrt versuchte sie, mehr Informationen über Brian Ellis von Travis zu bekommen. Doch er erzählte ihr nur, dass dieser seinen kleinen Sohn mit nach Italien gebracht hatte. Also unterdrückte sie ihre Neugier und beschloss, die Sonne und die herrliche Aussicht zu genießen.

Um elf Uhr, zwanzig Minuten vor dem vereinbarten Termin, erreichten sie die Cassa di Molino in Bologna, doch sie fanden keinen Parkplatz. Nachdem Travis einmal im Kreis gefahren war, entdeckten sie ein Schild mit der Aufschrift Riservato Signora Westbrook – direkt vor dem prachtvollen Palazzo aus rosafarbenem und weißem Marmor, in dem sich die Bank befand.

Die Empfangsdame in der Lobby rief Signore Gallos Assistenten an, der kurz darauf erschien und sich als Maximo Salvatore vorstellte. Kate versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt sie war, als er sie eine prachtvolle Treppe mit schmiedeeisernem Geländer hinaufführte und sie die Gemälde und Statuen im ersten Stock sah.

Sichtlich stolz auf seine Bank, zeigte Maximo ihnen eine Bibliothek mit einer kunstvollen Stuckdecke und mehrere mit Antiquitäten eingerichtete Salons. Er wollte sie gerade in die Suite des Vorstandsvorsitzenden führen, als Kate eine Damentoilette entdeckte.

„Ich muss mich kurz frisch machen“, informierte sie die beiden Männer. „Ich bin gleich wieder da.“

„Natürlich“, erwiderte Maximo höflich. „Wir erwarten Sie hier.“

Die Damentoilette war klein, aber genauso luxuriös ausgestattet wie die übrigen Räume. Eine Frau stand dort mit gesenktem Kopf und am ganzen Körper zitternd, beide Hände auf das Marmorbecken gestützt.

„Oh!“ Kate wollte den Raum wieder verlassen. „Scusi.“

Daraufhin wandte die Fremde unvermittelt den Kopf. Sie war einige Jahre älter als Kate, ihr dunkelbraunes Haar von grauen Strähnen durchzogen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Kate zögerte, denn einerseits wollte sie nicht die Privatsphäre der Unbekannten verletzen, andererseits hätte Kate sie gern getröstet.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Die Frau war offenbar peinlich berührt und antwortete mit einem Schwall Italienisch.

„Non parlo italiano“, erwiderte Kate.

Erneut redete die Fremde auf Italienisch auf sie ein und gestikulierte dabei sichtlich erregt. Dann wischte sie sich mit einem nassen Papierhandtuch die Tränen von den Wangen und eilte hinaus.

Während Kate sich schnell kämmte und ihr Make-up auffrischte, überlegte sie, ob sie Maximo von der Begegnung erzählen sollte, entschied sich allerdings dagegen. Offensichtlich war es der Italienerin unangenehm gewesen, dass sie sie weinend angetroffen hatte.

Also verdrängte Kate es und setzte ein Lächeln auf, als sie sich wieder zu den beiden Männern gesellte. Maximo führte Travis und sie durch ein Vorzimmer mit fünf vergoldeten Schreibtischen, von denen momentan nur zwei besetzt waren. Dort gab es ebenfalls eine Wand mit zahlreichen gerahmten Porträts verschiedener Banker.

Dann betraten sie einen Raum, der mit heller Eiche vertäfelt war und hohe, von rosa- und goldfarbenen Damastvorhängen gesäumte Fenster hatte. Der grauhaarige ältere Herr, der nun um den großen Schreibtisch herumkam, war genauso liebenswürdig, wie Kate ihn erinnerte. Signor Gallo begrüßte sie überschwänglich, sagte, er würde sich sehr freuen, ihren Ehemann kennenzulernen, und quittierte ihre Glückwünsche zu seiner Beförderung mit einem Schulterzucken.

„Eine Ehre wie diese wird einem zuteil, wenn man lange genug in diesem anstrengenden Beruf überlebt, stimmt’s? So wird es auch bei Ihnen der Fall sein, Signora Westbrook.“

„Ja, vielleicht. Wenn ich lange genug überlebe.“

„Natürlich werden Sie das. Man muss nur Ihr Profil im Wall Street Journal lesen, um zu wissen, dass Sie auf dem Weg an die Spitze sind.“ Als er Travis’ überraschten Gesichtsausdruck sah, fuhr er fort: „Ihre Frau hat Ihnen anscheinend nicht erzählt, dass man sie zu den jungen Superstars zählt, vor denen eine große internationale Karriere liegt. Sie können sehr stolz auf sie sein, Major Westbrook.“

„Das bin ich auch. Mehr, als sie ahnt.“

„Sehr gut. Also, erzählen Sie. Sind Sie geschäftlich oder privat in Italien?“

„Beides“, erwiderte Kate. „Mein Mann ist vorübergehend in Aviano stationiert, und ich … bin zu Besuch hier.“ Das war nicht gelogen, denn sie war zu Besuch hier. Nur nicht bei Travis.

„Und nun sind Sie hier in Bologna“, erklärte Signor Gallo begeistert. „Es ist eine wunderschöne Stadt, in der es so viel zu sehen gibt.“

„Leider haben wir nur Zeit für einen kurzen Abstecher. Wir sind auf dem Weg nach Modena und Venedig.“

Mit einem diskreten Zeichen wies sein Assistent ihn darauf hin, dass auch seine Zeit begrenzt war.

Nachdem er sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass er sich nun verabschieden müsse, stand Signor Gallo auf. Als sie sich ebenfalls erhoben, nahm er Kates Hände. „Sie sollten mich noch einmal unbedingt besuchen, Signora. Ich würde gern über einige Dinge mit Ihnen sprechen, zum Beispiel über den Liquiditätsindex. Darf Maximo Sie in einigen Tagen anrufen? Vielleicht können wir einen Termin arrangieren.“

„Gern.“

Im Vorzimmer entdeckte Kate zu ihrer Überraschung die Frau aus der Damentoilette an einem der Schreibtische. Mit ihren immer noch geröteten Augen blickte sie sie beinah flehend an. Kate nickte ihr unmerklich zu, bevor sie Maximo nach unten folgte. Sie wollte Travis von der flüchtigen Begegnung erzählen, doch er lenkte sie ab, indem er sich nach ihrem Profil im Wall Street Journal erkundigte.

Anschließend mussten sie sich darauf konzentrieren, aus der Stadt hinauszufinden. Da sie außerdem wegen eines Unfalls im Stau stehen blieben, erreichten sie die Zentrale von Maserati in Modena nur wenige Minuten vor dem vereinbarten Termin. Dort machte Travis sie mit Brian Ellis bekannt, und fünf Minuten später hatte sie jene flüchtige Begegnung in der Bank vergessen.

4. KAPITEL

„Du wirst für Ellis Aeronautical Systems arbeiten? Als Leiter der Testabteilung?“ Ungläubig blickte Kate zwischen ihrem Mann und Brian Ellis hin und her. „Und du fängst am ersten Januar an?“

Sie saßen in einem kleinen Besprechungsraum in der obersten Etage der Zentrale von Maserati. Sonnenlicht fiel durch die Jalousien und zeichnete Streifen auf sein Gesicht, als Travis ihre schockierte Frage beantwortete. „Es ist noch keine beschlossene Sache.“

„Nicht, dass ich es nicht versucht hätte.“ Ellis, ein großer, breitschultriger Mann mit eisblauen Augen, lächelte ironisch. „Ihr Mann ist eine Legende bei den Special Forces, Mrs. Westbrook. Nicht nur wegen seiner Auszeichnungen, sondern auch wegen seiner fliegerischen Fähigkeiten und seiner Courage unter Beschuss. Dazu seine Flugstunden … Ich muss Ihnen wohl nicht erzählen, dass er doppelt so viele hat wie seine Kollegen mit derselben Dienstzeit.“

„Nein, das müssen Sie nicht“, bestätigte Kate angespannt. „Aber …“ Auf ihrem Drehstuhl wandte sie sich zu ihrem Mann um. Nun, da der erste Schock abgeklungen war, wurde sie von anderen Emotionen überwältigt. Sie zweifelte daran, dass er seinen Beruf, den er so liebte, einfach aufgeben konnte. Sie fühlte sich schuldig, weil er überhaupt mit dem Gedanken spielte. Vor allem aber schöpfte sie plötzlich Hoffnung, dass es vielleicht doch eine gemeinsame Zukunft für sie gab. Dann stieg Ärger in ihr auf, weil er sie hier in Gegenwart eines Fremden und ohne Vorwarnung damit konfrontierte.

„Wie lange spielst du schon mit dem Gedanken?“, fragte sie heiser.

„Brian hat mir das Angebot vor ein paar Tagen gemacht, aber bis zum gestrigen Abend habe ich nicht einmal in Erwägung gezogen, es anzunehmen. Und bevor ich es tue“, fuhr er fort, „sollst du hören, was das Angebot beinhaltet.“

Ellis betrachtete sie forschend. „Wenn wir eine leitende Position besetzen, versuchen wir auch den jeweiligen Ehepartner zu gewinnen, Mrs. Westbrook. Hätten wir uns in unserer Zentrale getroffen, wäre das Ganze förmlicher ausgefallen.“

„Sagen Sie bitte Kate zu mir. Und Sie müssen mich nicht mit teuren Menüs und anderen Dingen umwerben.“

„Dann streiche ich das und komme gleich zur Sache. Unser Unternehmen gehört zu den fünfhundert umsatzstärksten der Welt. Die Hälfte unserer Verträge schließen wir mit dem Verteidigungsministerium ab, den Rest mit anderen staatlichen Stellen in den USA und im Ausland. Unsere Zentrale befindet sich in Bethesda in Maryland.“

Ihr Herz klopfte plötzlich schneller, denn Bethesda war nur etwa dreißig Minuten Fahrzeit von ihrem Arbeitsplatz im Zentrum von Washington entfernt.

„Unsere Hauptproduktionsstätte und Testanlage liegt in Texas. In seiner Position müsste Travis einen großen Teil seiner Zeit dort und in den Fabriken unserer Subunternehmer verbringen.“

Texas hatte allerdings den großen Vorteil, dass es kein Krisen- oder Kriegsgebiet war.

„Ihr Mann und ich verhandeln immer noch über das Gehalt und die Zusatzleistungen“, informierte Ellis sie. „Ich weiß durchaus, dass es keine leichte Entscheidung für ihn wäre, das Militär zu verlassen.“

„Allerdings“, bestätigte sie, während sie das Ganze zu verarbeiten versuchte.

„Da Sie in der Finanzbranche tätig sind, verstehe ich, dass er Ihre Meinung hören möchte, bevor wir den Vertrag unterzeichnen.“ Sein Lächeln verriet, dass er mit harten Gehaltsverhandlungen rechnete. „Haben Sie noch Fragen?“

„Viele“, erwiderte sie, „aber erst muss ich mit Travis reden.“

„Natürlich. Ich gehe jetzt in meine Besprechung.“ Als sie aufstanden, schüttelte Ellis ihr die Hand. „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Kate. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Vielleicht sehen wir uns in Aviano oder im Hotel in Venedig.“ Sein Lächeln wirkte jetzt etwas zerknirscht. „Aber ich muss Sie warnen, dass ich in Begleitung eines hyperaktiven Sechsjährigen bin. Er ist schon einmal in den Canal Grande gefallen.“

Kate musste über seinen Gesichtsausdruck lachen. Ja, die beiden Männer passten gut zusammen. Sie waren beide so bodenständig, aber gleichzeitig sehr selbstsicher. Nachdem Ellis gegangen war, wandte sie sich mit verschränkten Armen zu Travis um und funkelte ihn an.

„Warum, zum Teufel, hattest du mich nicht darauf vorbereitet?“

„Aus zwei Gründen. Erstens wollte ich von dir hören, was dein Bauchgefühl sagt. Zweitens … Ich schätze, ich musste noch einmal gesagt bekommen, wie das Angebot aussieht, bevor ich es wirklich glaube.“

Kate ließ die Arme sinken. Plötzlich schnürte sich ihr die Kehle zu. „Willst du es denn annehmen, Trav?“

„Nur wenn du es willst.“

Sie hatte immer gewusst, dass er sofort den Dienst quittieren würde, wenn sie ihn darum bat. Genau deswegen konnte sie ihn jedoch nicht darum bitten.

„Wir waren zusammen mit Carlo in der Hotelbar“, erzählte er. „Das Projekt, an dem wir gerade arbeiten, hatte an dem Tag große Fortschritte gemacht, und wir haben es bei einigen Bieren gefeiert. Brian sagte, der derzeitige Leiter würde in den Ruhestand gehen, und fragte, ob ich jemanden mit meinem Fachwissen und meiner Praxiserfahrung wüsste, der als Nachfolger infrage käme. Ich weiß nicht, wer von uns dreien mehr geschockt war, als ich antwortete, dass ich vielleicht interessiert wäre.“

Am Vorabend war ihm klar geworden, dass er den Job annehmen würde, wenn er Kate damit zurückgewinnen könnte.

„Also, was meinst du?“, hakte er nach.

„Ich will ehrlich sein“, räumte Kate langsam ein. „Mein Kopf, mein Herz und mein Bauchgefühl haben alle Ja gesagt.“

Ein Hochgefühl überkam ihn, und er ging auf sie zu, doch sie legte ihm die Hand auf die Brust.

„Warte, Trav! Es ist eine zu wichtige Entscheidung. Lass … lass uns diese gemeinsame Zeit nutzen, um herauszufinden, ob du es wirklich willst.“

„Ich bin mir ganz sicher.“

„Ich mir aber nicht.“ Ein zweifelnder Ausdruck trat in ihre braunen Augen. „Bisher war das Militär dein Leben.“

„Falsch.“ Travis legte die Hand auf ihre und spürte ihre Wärme. „Du hast immer an erster Stelle gestanden, Katydid. In den letzten Jahren habe ich nur falsche Prioritäten gesetzt. Das wird nicht wieder vorkommen.“

Noch immer verriet ihr Gesichtsausdruck Zweifel und nun auch Unschlüssigkeit. Er musste ihr Zeit geben.

„Okay“, räumte Travis ein. Noch nie war ihm etwas so richtig erschienen. „Wir fahren nach Venedig und lassen uns Ellis’ Angebot durch den Kopf gehen.“

Und dann würde er die Scheidungsurkunde symbolisch verbrennen, bevor er mit seiner Frau ins Bett ging.

Sie ließen den Ferrari in einem Parkhaus auf der Insel Tronchetto stehen und fuhren dann mit einem Wassertaxi weiter. Als das Vaporetto in den Canal Grande einbog, die stark befahrene Hauptwasserstraße Venedigs, verriet Kates Miene Begeisterung. Sie standen am offenen Bug, und im Fahrtwind hatte sich ihr Haar aus dem Schal gelöst, doch Kate merkte es nicht einmal.

Er war schon oft hier gewesen, doch nun sah Travis die Häuser, Kirchen und Brücken, eine faszinierende Mischung aus byzantinischer, maurischer und römischer Architektur, noch einmal mit den Augen seiner Frau. Sobald sie um die erste Kurve kamen und auf die Rialtobrücke zusteuerten, wurden die Häuser noch prunkvoller und größer. Der Fahrer hielt auf eines davon zu, das in einem dunklen Terrakottaton getüncht war, drei Stockwerke mit Bogenfenstern und im Erdgeschoss einen Säulengang hatte.

„Das ist unser Hotel?“, fragte Kate erstaunt, als Travis ihr auf den Anlegesteg half.

„Ja.“

„Das kostet bestimmt ein Vermögen!“

„Nein, denn Carlo ist mit dem Besitzer verwandt. Ich glaube, sie sind Cousins.“

„Wow“, sagte sie leise, während der Fahrer des Vaporetto ihnen ihr Gepäck aushändigte. „Dein Freund und seine Familie leben nicht schlecht.“

„Sieht ganz so aus. Aber Carlo redet nicht viel über seine Herkunft, und ich stelle ihm keine Fragen. Ich weiß nur, dass ihm sein Titel maggiore wichtiger ist als sein Adelstitel.“

„Und der lautet?“

„Prinz von Lombard und Marino.“

Ungläubig blickte Kate ihn an. „Bist du in ein Paralleluniversum gestolpert?“

Autor

Merline Lovelace
Als Tochter eines Luftwaffenoffiziers wuchs Merline auf verschiedenen Militärbasen in aller Welt auf. Unter anderem lebte sie in Neufundland, in Frankreich und in der Hälfte der fünfzig US-Bundesstaaten. So wurde schon als Kind die Lust zu reisen in ihr geweckt und hält bis heute noch an.
Während ihrer eigenen Militärkarriere diente...
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