Dreißig Nächte mit dem Playboy

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Unglaublich verführerisch ist Allegra – aber wegen einer Fehde zwischen ihren Familien heißt es für Tobias: Finger weg! Der Milliardär will nichts mit der sexy Schönheit zu tun haben. Doch als sie beide zu einer Testamentsverlesung geladen werden, ist Schluss mit der Distanz. Denn um das Vermögen einer gemeinsamen Bekannten zu erben, müssen sie zusammen einen Monat in deren Strandvilla in Miami wohnen. Dreißig heiße Nächte mit Allegra? Das klingt nach einer gefährlich prickelnden Herausforderung – die verhängnisvoll enden könnte …


  • Erscheinungstag 20.07.2021
  • Bandnummer 2195
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503761
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Allegra Mallory fuhr durch die Straßen von Miami und warf einen Blick in den Rückspiegel ihres brandneuen Cabrios. Wieder tauchte der glänzende schwarze Truck hinter ihr auf, der ihr schon eine ganze Weile folgte. Ihr Puls beschleunigte sich. Sie war ziemlich sicher, dass der Truck dem milliardenschweren Unternehmer Tobias Hunt gehörte.

Tobias. Ein grimmiger Muskelprotz. Kühle graue Augen. Unwiderstehliche Wangenknochen und ein markantes Kinn. Der Mann, mit dem sie vor zwei Jahren eine leidenschaftliche Nacht verbracht hatte.

Ärger stieg in ihr auf, und sie klammerte sich am Lenkrad fest. Da war noch ein anderes Gefühl, sie konnte es bloß nicht genau benennen. Erst vor ein paar Tagen hatte sie Tobias auf der Beerdigung ihrer Großtante Esmae gesehen. Selbstverständlich war sie ihm aus dem Weg gegangen. Das war auch nicht weiter schwierig gewesen, bei den vielen Menschen in der Kirche und später in Esmaes wunderschöner Strandvilla. Danach hatte das Anwaltsbüro ihrer Tante sie und Tobias zur Testamentsverlesung eingeladen. Er war eben Esmaes Stiefenkel, Allegra konnte ihm wohl nicht länger aus dem Weg gehen.

Sie hielt an einer roten Ampel. Er fuhr dicht auf. Plötzlich überfluteten sie heiße Erinnerungen.

Wieso hatte sie sich auf diesen One-Night-Stand eingelassen? One-Night-Stands waren für sie immer ein No-Go gewesen. Trotzdem war es passiert – ausgerechnet mit dem Mann, von dem sie sich eigentlich fernhalten sollte.

Nicht dass sie davon ausgegangen war, es würde bei einem One-Night-Stand bleiben.

Damals stand sie schon seit vier Jahren auf ihn und hatte in ihrer Naivität geglaubt, dass er der Richtige für sie war. Dass ihre Nacht der Anfang von etwas Echtem und Bedeutsamen war. Der Auftakt einer Beziehung, wie ihre Eltern sie hatten. Weil Allegra sie verdiente. Weil sie es wert war, geliebt zu werden.

Der Verkehr um sie herum stand inzwischen still, und der schwarze Truck fuhr so dicht auf, dass sie sich in ihrem Cabrio ganz winzig vorkam. Sie hatte im Rückspiegel einen Blick auf das Kennzeichen des Trucks erhaschen können. Hunts. Das war auf jeden Fall Tobias.

Allegra konnte sich noch einen weiteren Blick in den Rückspiegel nicht verkneifen. Dieses Mal nahm sie eine Bewegung wahr, und Miamis heiße Morgensonne reflektierte in seinen dunklen Brillengläsern. Sie spürte ein schmerzhaftes Ziehen in ihrer Magengegend, denn jetzt schaute Tobias sie direkt an. Er hatte bemerkt, dass sie ihn beobachtete.

In ihrem Cabrio war sie seinen Blicken schutzlos ausgeliefert. Schnell schaute sie wieder auf den zähfließenden Verkehr.

Diese Anspannung und das Adrenalin, das durch ihre Adern schoss, hatte sie nur Esmaes Tod und der Tatsache zu verdanken, dass sie sich jetzt wieder mit Tobias rumschlagen musste. Sie war nicht an ihm interessiert und fand ihn auch nicht attraktiv. Daher kam die Anspannung also auf keinen Fall.

Es war nur ein One-Night-Stand gewesen. Schon ein paar Tage später hatte Tobias sich mit der umwerfenden Francesca Messena in der Öffentlichkeit gezeigt. Aus Sorge, Allegra könnte diese Zurückweisung nicht verkraften, hatte ihre Mutter ihr eine Therapie bezahlt. Um den Heilungsprozess zu beschleunigen, hatte Allegra sich zusätzlich für ein paar alternative Behandlungen entschieden. Um die Erinnerungen loszuwerden und ihrem Ärger Luft zu machen.

Bei einer dieser Behandlungen ging es um Vergebung. Sie sollte ihre Gedanken auf einen Zettel schreiben, der dann verbrannt wurde. Die politisch korrekte Formulierung war ihr schwergefallen, aber das Verbrennen hatte Spaß gemacht. Die Behandlung hatte gewirkt: Allegra hatte die Zeit genutzt, intensive Recherche für ihr Wellness-Spa zu betreiben, und – das war ihr großes Ziel gewesen – Tobias aus dem Kopf zu bekommen.

Die Ampel sprang auf Grün. Sie trat aufs Gas und brachte den Motor ihres Autos zum Schnurren. Gerade noch rechtzeitig entdeckte sie die Einfahrt, die sie gesucht hatte. Schon ein paar Sekunden später fuhr sie in die Tiefgarage des Hochhauses, in dem Esmaes sündhaft teurer Anwalt seine Kanzlei hatte.

Tobias klebte ihr immer noch an der Stoßstange, als sie vor der Schranke bremste und ein Ticket zog. Ein wenig zu übermütig trat sie aufs Gas und schoss in die dunkle Tiefgarage, um einen Parkplatz zu suchen. Mitten in der Innenstadt war das allerdings, vor allem vormittags, gar nicht so einfach.

Im Augenwinkel nahm Allegra Bewegungen wahr. Sie wusste zwar nicht, ob jemand ein- oder ausparkte, bog aber trotzdem rechts ab. Auf jeden Fall war sie so Tobias losgeworden, denn er fuhr weiter geradeaus.

Mehr Glück hatte sie leider nicht. In diesem Augenblick stiegen eine hübsche Frau und ihre kleine Tochter aus dem Auto, das offensichtlich gerade in die Parklücke gefahren war. Das Mädchen trug ein pinkfarbenes Trikot, ihre Haare waren hochgesteckt und mit Strasssteinen verziert.

Ein Plakat, auf dem ein Schönheitswettbewerb beworben wurde, hatte Allegra schon an der Einfahrt bemerkt. Das kleine Mädchen war bestimmt eine Teilnehmerin. Bei ihrem Anblick dachte Allegra sofort an ihre eigene Vergangenheit als Schönheitskönigin. Mit sechzehn hatte sie sich aus dem Business verabschiedet. Nichts verabscheute sie mehr als Pink und Glitzer.

Ihre Mutter hatte später noch mal versucht, sie mit einem College-Schönheitswettbewerb zu ködern. Mit dem angesetzten Preisgeld hätte Allegra locker ihre Studiengebühren bezahlen und sich dann ein Auto und ein paar Diamanten leisten können. Sie hatte genau fünf Sekunden darüber nachgedacht. So was ließ man sich doch nicht entgehen.

Letztendlich war es ein Kinderspiel gewesen. Sie hatte das Geld, das Auto und die Diamanten eingesackt. Auf die silberne Strasskrone hätte sie verzichten können, doch an schlechten Tagen trug sie sie trotzdem gerne.

Die volle Tiefgarage war frustrierend, aber Allegra gab die Hoffnung nicht auf. Ihre Mutter würde in dieser Situation Gott um Hilfe bitten, aber da war sie selbst ganz anders. Wenn man Allegra fragte, war Gott zu sehr damit beschäftigt, das Chaos der Menschen zu beseitigen, um ihr bei der Parkplatzsuche zu helfen. Da nahm sie ihm diese Last lieber ab und kümmerte sich selbst darum.

Irgendwo gab es eine freie Lücke. Sonst hätte die Schranke sie wohl kaum reingelassen.

Sie musste sie nur vor Tobias finden.

Am Ende der Spur leuchteten rechts von ihr rote Rücklichter auf. Jemand parkte aus! Gleichzeitig bemerkte sie links von sich eine Bewegung und verzog ihren Mund. Tobias war das ausparkende Auto auch nicht entgangen. Sein massiver Truck steuerte genau auf die Lücke zu.

Das Adrenalin schoss ihr durch die Adern. In ihrer Familie hielt man sich an Regeln und legte viel Wert auf Anstand. Ihr Vater und ihre vier älteren Brüder hielten Frauen immer die Türen auf. Einladungen wurden mit der Post verschickt, nicht per Mail. Das Abendessen fand am Esstisch statt, und Stoffservietten waren Pflicht.

Der Anstand riet ihr, sich zurückzuhalten. Geduldig abzuwarten und Tobias den Parkplatz zu überlassen.

Doch vor zwei Jahren hatte Tobias sich auch nicht korrekt verhalten. Er hatte ihre leidenschaftliche Nacht zu einem bedeutungslosen Intermezzo degradiert, und ein paar Tage später auch das letzte bisschen Bedeutung mit Füßen getreten, als er am Telefon mit ihr Schluss gemacht hatte.

Sie presste ihre Lippen aufeinander.

Dann, bevor sie ihr Verhalten hinterfragen konnte, trat sie das Gaspedal durch.

Tobias Hunt bremste scharf. Das weiße Cabrio mit dem Schriftzug „Madison Spas auf der Seite schoss aus der Spur genau vor ihm um die Kurve und fuhr dann geschmeidig in seine Parklücke.

Natürlich wusste er bereits, wer hinter dem Steuer saß. Selbst wenn nicht – um nicht zu erkennen, wer aus dem Wagen stieg, hätte er schon blind sein müssen. Die kastanienroten Haare waren zu einem lässigen Knoten hochgebunden, die zarten Wangenknochen und die etwas zu große Nase verschwanden fast vollständig hinter einer riesigen Sonnenbrille.

Allegra Mallory.

Sie war eine ehemalige Schönheitskönigin und die heiße Nummer zwei auf der „Wer heiratet einen Milliardär“-Liste der bekannten Social-Media-Influencerin Buffy Hamilton. Auf Platz eins hatte Buffy sich selbst gesetzt.

Wahrscheinlich sollte er so etwas als früherer Special-Forces-Soldat und aktueller CEO einer Security-Firma gar nicht wissen. Tatsächlich hatte er aber schon intensive Bekanntschaft mit beiden Frauen gemacht.

Buffy fühlte sich zu ihm hingezogen, weil er vor sechs Monaten in die Stratosphäre der Milliardäre aufgestiegen war, nachdem der Familientreuhänder endlich sein Erbe freigegeben hatte. Ohne zu zögern hatte sie ihn eingeladen, ein Wochenende in Zweisamkeit mit ihr auf der Yacht ihres Vaters zu verbringen. Natürlich hatte er abgelehnt.

Allegra hatte ihn noch nie zu etwas eingeladen. Sie war vor sechs Jahren ganz unvermittelt aufgetaucht. Mit ihrem unterkühlten Blick, den überteuerten Klamotten und der Südstaaten-Art war sie in Miami angekommen und hatte prompt sein Leben auf den Kopf gestellt.

Im Vorbeifahren erhaschte er einen Blick auf ihre langen, braungebrannten Beine und die High Heels. Sie trug ein smaragdgrünes Kleid und eine elegante Seidenjacke. Beides schmiegte sich an ihre Kurven und betonte unverhohlen ihr verlockendes Dekolleté. Da war es ihm fast unmöglich, sich darüber zu ärgern, dass er ihretwegen zu spät zur Testamentsverlesung kommen würde.

Zähneknirschend versuchte er, das allzu vertraute Gefühl der Erregung und die flirrende Spannung zu ignorieren, die sich jedes Mal meldeten, wenn er Allegra traf. Als würde Strom durch seine Adern fließen.

Seit über fünf Jahren ignorierte er mit aller Kraft die Wirkung, die sie auf ihn hatte. Sie hatte ihn völlig überrumpelt, und das nur ein paar Wochen nachdem er mit seiner Langzeitfreundin Lindsay zusammengezogen war. Diese Anziehungskraft war immer noch so zerstörerisch und überwältigend wie vor zwei Jahren kurz nach seiner Trennung von Lindsay. Er hatte sich von ihr getrennt, weil er Allegra einfach nicht aus dem Kopf bekam. Dann hatte er endlich nachgegeben und eine unvergessliche Nacht mit ihr verbracht.

Schon währenddessen war ihm klar gewesen, dass er damit eine Grenze überschritten hatte. Er war genau wie sein Vater, den er den Großteil seines Lebens nur zu vergessen versucht hatte.

Für James Hunt waren weder eine gute Ehe noch eine miese Affäre je genug gewesen. Er hatte sich von einem Abenteuer zum nächsten gehangelt und so das Leben von Tobias’ Mutter zerstört. Er hatte sie am ausgestreckten Arm verhungern lassen, während er eine nicht enden wollende Liste von Flittchen abarbeitete. Vor fünfzehn Jahren war er dann bei einem Autounfall gestorben. Danach konnten sie endlich anfangen, die Scherben ihres Lebens wieder zusammenzusetzen. Für Alicia Hunt war diese Erlösung leider zu spät gekommen. Sie hatte ein Herzleiden und war nur sechs Monate später ebenfalls gestorben.

Tobias hatte die Krankenakte gelesen. Er kannte die Fachbegriffe, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass seine Mutter an einem gebrochenen Herzen gestorben war.

Er fuhr weiter, aber Erinnerungen an den Sex mit Allegra lenkten ihn immer wieder von der Parkplatzsuche ab.

Eine heiße, sternenklare Nacht. Die Balkontüren von Esmaes Strandhaus standen weit offen, damit die frische Seeluft ihren Weg hineinfand. Das Meeresrauschen war zu hören, und Allegra Mallory, die nackt sogar noch umwerfender war, schlief seelenruhig auf den Laken, die sie vorher zusammen zerwühlt hatten.

Seine Finger verkrampften sich um das Lenkrad, und er versuchte, die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen. Sie erinnerten ihn nur schmerzlich daran, dass er genau das getan hatte, was er sich immer verboten hatte. Er war in die schäbigen Fußstapfen der Hunt-Männer getreten und hatte eine grundsolide Beziehung weggeschmissen, um sich auf ein Abenteuer mit einem oberflächlichen It-Girl einzulassen.

Die Konsequenzen seines Fehlers verfolgten ihn bis heute. Lindsay war schwanger gewesen. Nur zwei Tage nach seiner Nacht mit Allegra hatte Lindsay das Kind verloren. Sie hatte zwar immer wieder versucht, ihn von seiner Schuld freizusprechen, doch es war ganz klar: Wäre er bei ihr geblieben, hätte er sein Interesse an Allegra ignoriert, dann hätte das Baby – sein Kind – vermutlich überlebt.

Also hatte er vor zwei Jahren den Kontakt zu Allegra abgebrochen. Die Schuld wog zu schwer, und der Schmerz über den selbstverschuldeten Verlust war zu groß. Deshalb hatte er sich gegen sie entschieden. Sie hatte es sowieso nur auf sein Vermögen abgesehen. Ihr One-Night-Stand war inzwischen Geschichte. Trotzdem beunruhigte ihn die Tatsache, dass sie für die Testamentsverlesung hier war.

Sie wollte etwas vom Hunt-Eigentum abstauben.

Sein Handy klingelte und riss ihn aus seinem Grübeln. Er tippte auf die grüne Schaltfläche und nahm den Anruf seines Ex-Militär-Kumpels JT entgegen. „Ich weiß, dass ich zu spät bin“, grummelte er. „Mein Flug hatte Verspätung. Halt Phillips noch hin, bin gleich da.“

Er durfte das Meeting auf keinen Fall verpassen. Esmae gehörten Anteile von Hunt Security. Fünf Prozent der Multimilliarden-Dollar-Firma, die seine ehemals bettelarme Familie aus dem Nichts erschaffen hatte. Doch die Mallorys waren kein unbeschriebenes Blatt. Sie hatten schon immer versucht, durch Schwindel und Betrug an das Geld der Hunts zu kommen. Das Meeting zu verpassen stand nicht zur Debatte.

JT machte keinen Hehl aus seiner Ungeduld. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Esmae ihre Anteile an Allegra vererbt hat? Es sind immerhin Hunt-Anteile …“

„Die ihr in den Schoß gefallen sind, weil mein Großvater nach der Hochzeit kein neues Testament schreiben wollte und dann bei einem Bootsunfall gestorben ist.“

Aber der wirklich hinterlistige Deal lag noch eine Generation weiter zurück. Bei seinem Urgroßvater Jebediah, der einst als einfacher Rancharbeiter für Alexandra Mallory gearbeitet hatte, bis sie sich das Land geteilt hatten. Drei Jahre später, trotz einer Dürreperiode und einer heißen Affäre mit Jebediah, hatte Alexandra sich aus dem Staub gemacht. Ihr Anwalt hatte es irgendwie geschafft, ihr genau die Hälfte zu überschreiben, die sich kurze Zeit später als eins der ergiebigsten Ölfelder von Texas entpuppte. Tobias’ Familie hingegen musste sich mit der staubtrockenen Erde begnügen. Das hatte sie fast in den Ruin getrieben.

Er ignorierte die Ungeduld. JT war zwar clever, aber – so lang sie auch schon befreundet waren – er war immer noch neu in der Firma und hatte noch nicht alle Seiten der Hunt-Mallory-Saga kennengelernt. „Esmae hätte einfach vor zwanzig Jahren das Angebot von meinem Vater annehmen können. Hat sie aber nicht. Zum Glück war mein Großvater schlau und hat vor seinem Tod meinem Vater fünfundneunzig Prozent des Unternehmens überschrieben. Sonst wäre Hunt Security jetzt wahrscheinlich Mallory Security.“

„Aber Esmae hat dir doch alles zugesichert.“

„Da war ich aber auch noch der einzige Begünstigte im Testament. Dann ist Allegra vor zwei Jahren nach Miami gezogen, das Testament wurde geändert, und Esmae hat ein riesiges Geheimnis draus gemacht.“ Gedankenverloren ließ Tobias den Blick über die unzähligen geparkten Autos schweifen. „Sie hat was geändert, das mir nicht gefällt. Sonst hätte sie es doch nicht geheim gehalten.“

Sein Puls beschleunigte sich, als er Allegra entdeckte. Sie betrat gerade den Aufzug und drehte den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Eine Sekunde später schlossen sich die Türen, und die Hoffnung, dass sie ihm den Parkplatz nicht mit Absicht vor der Nase weggeschnappt hatte, starb einen jämmerlichen Tod.

Tobias bog scharf rechts ab. „Die Hunt-Anteile stehen mir zwar zu, aber ich bin nun mal kein Blutsverwandter“, sagte er bitter. „Allegra schon und wenn eine Mallory im Spiel ist, ist alles möglich.“

Sein Urgroßvater Jebediah konnte davon ein Lied singen. „Denk dran, dass Esmae Allegras Spa finanziert hat. Und Fakt ist, dass Allegra in den letzten Monaten an Esmaes Bett gesessen hat.“

Kurz herrschte Stille. „Meinst du wirklich, sie würde so eine Nummer abziehen? Ich habe zwar mitbekommen, was auf allen Social-Media-Kanälen los war. Aber du darfst auch nicht vergessen, wer den Scheiß schreibt. Buffy Hamilton. Ich meine, komm schon …“

Tobias musste sich wirklich beherrschen. Das war neu, denn für gewöhnlich hatte er sich gut unter Kontrolle, vor allem JT gegenüber. Sie hatten zusammen einen Afghanistan-Einsatz durchgestanden. Wenn es jemanden gab, auf den er sich blind verlassen konnte, dann war das JT. „Du hast Buffy gedatet, also bist du wahrscheinlich der Experte.“

„Du klingst schon wie Julia. Ich war ein Wochenende auf ihrer Yacht“, murmelte JT. „Das ist was anderes.“

Julia war die Freundin, mit der JT gerade erst Schluss gemacht hatte. Tobias runzelte die Stirn. „Du hast gar nicht erzählt, dass das der Grund für die Trennung war.“

„War er auch nicht. Sagen wir, es gab … andere Faktoren. Julia hat Buffy ins Spiel gebracht.“

„Will heißen, es gab eine andere.“

Das überraschte ihn nicht. JT war groß, blond und braun gebrannt. Er sah aus wie die durchtrainierten Beachboys, denen Frauen nicht widerstehen konnten. Außerdem war er der Sohn eines stinkreichen Immobilienhais. Die Kandidatinnen für seine nächste Freundin standen schon in den Startlöchern.

„Ich meine nur, dass die Andere nicht Buffy war.“

„Zurück zum Testament.“ Es gab im Moment Wichtigeres. „Esmae hat vor sechs Monaten Allegra in ihr geheimes Testament aufgenommen. Das heißt, Esmae hat irgendwas gemacht, das mir nicht gefällt. Und egal, was es ist, Allegra hat ganz klar ihre Finger im Spiel.“

„Schon klar, Esmae wollte nicht mit der Sprache rausrücken. Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Allegra versucht hat, ihre Tante auf dem Sterbebett auszunehmen.“

Tobias Nacken verkrampfte sich. Als er das letzte Mal mit JT über das Testament gesprochen hatte, war sein Kumpel noch auf seiner Seite gewesen. Jetzt klang es so, als wäre er dem Allegra-Mallory-Fanclub beigetreten. „Ich wusste gar nicht, dass du sie persönlich kennst.“ Und unter ihrem Bann stehst.

Er antwortete nicht sofort. „Wir … ähm … haben uns ein paar Mal zufällig getroffen. Julia war Kundin in ihrem Spa. Vielleicht haben wir sie mal mit ein paar anderen Freunden zum Abendessen eingeladen …“

Tobias Blick verfinsterte sich. JT stand also wirklich unter ihrem Bann.

Endlich nahm er in der Tiefgarage eine vielversprechende Bewegung wahr. „Ich nehme an, das war, bevor du dich von Julia getrennt hast.“

Wieder kam die Antwort nicht sofort. „Sonst hätten wir Allegra wohl kaum gemeinsam zum Abendessen eingeladen.“

„Nein“, sagte Tobias gnädig. „Das wäre sonst auch ein Date gewesen.“

JT und Julia hatten sich vor einem Monat getrennt. Jetzt musste Tobias sich fragen, ob Allegra der Grund für das Ende der Beziehung gewesen war. Wenn man dem Internet glaubte, könnte sie sich JT als nächsten wohlhabenden Lover angeln wollen.

Schlecht gelaunt steuerte Tobias seinen Wagen zum freien Parkplatz. „Ich habe dich nur aus einem Grund gebeten, heute dabei zu sein: weil irgendwas im Busch ist. Sonst würde ich dich nicht brauchen. Bin in ein paar Minuten da.“

Er legte auf.

JT und Allegra. Damit hatte er nicht gerechnet.

Das würde er auch im Leben nicht zulassen.

Zufällig war die freie Lücke nur zwei Plätze neben Allegras Cabrio.

Er sah auf die Uhr. Inzwischen war er gut zehn Minuten zu spät. Ganz toll! Er sprang aus dem Truck und lief zu den Aufzügen. In einem der Aufzüge drückte er hastig auf die richtige Etage. Während der Aufzug nach oben schoss, dachte Tobias an sein letztes Gespräch mit Esmae. Selbst mit ihren zweiundneunzig Jahren war sie noch entschlossen, herrisch und ein klein wenig manipulativ gewesen.

Alles typische Mallory-Eigenschaften.

Aus ihren seltsamen Bemerkungen hatte er geschlossen, dass sie irgendetwas Ungewöhnliches mit dem Testament gemacht hatte. Sie hatte es um jeden Preis geheim gehalten und ihm sogar eine Kopie des Testaments verweigert.

Dass Allegra heute hier war, bekräftigte seine Vermutung nur.

Die Aufzugtüren glitten auf. Tobias betrat die exklusive Anwaltskanzlei und wurde umgehend ins Büro von Esmaes Anwalt Phillips geführt. Sein Blick fiel automatisch auf Allegra. Auch sie sah ihn mit ihren dunklen Augen an. Obwohl er darauf vorbereitet gewesen war, spannte sich jetzt jede Faser seines Körpers an.

Allegra war anders als andere Frauen. Normalerweise waren Trennungen für ihn kein Problem. Was vorbei war, war vorbei. Aber bei Allegra lagen die Dinge einfach anders.

Weder der Abstand in den letzten Jahren noch die Schuld, die an ihm nagte, hatten ihren Zweck erfüllt. Obwohl er Frauen gefunden und auch gedatet hatte, die perfekt zu ihm gepasst hätten – genau wie seine Ex Lindsay –, wollte er immer noch nur Allegra Mallory.

Beziehungen zwischen Mallorys und Hunts hatten noch nie unter einem günstigen Stern gestanden.

Alexandra Mallory hatte Jebediah hintergangen und sich nebenbei selbst bereichert. Das war der erste Streich gewesen.

Siebzig Jahre später war Esmae dem finanziellen Ruin entronnen, indem sie auf den neuen Geldzug seines Großvaters Michael Hunt aufgesprungen war. Der zweite Streich.

Allegra Mallory war mit ihren glänzenden Haaren, den zarten Gesichtszügen und den vollen Lippen noch mal eine ganz andere Liga als Esmae.

Trotzdem würde er um nichts in der Welt zulassen, dass sie ihn ausnutzte und diese Familientradition fortführte.

Einen dritten Streich würde es nicht geben.

2. KAPITEL

Allegra wand sich unter Tobias’ vorwurfsvollem Blick. Sie hatte es gewagt, sich seinen Parkplatz zu schnappen, und er war gut fünfzehn Minuten zu spät zum Termin erschienen. Jetzt sah er sie an, als hätte sie ihm den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen.

Und er hatte ihn aufgehoben.

Augenblicklich ersetzte feurige Genugtuung all ihre Schuldgefühle, weil sie sich so aggressiv verhalten hatte, und auch andere, weniger eindeutige Gefühle in den Untiefen ihrer Magengrube wollten bemerkt werden. Tobias war ein Mal in seinem Leben in seine Schranken gewiesen worden und hatte etwas nicht bekommen, obwohl er es wollte. So schlecht konnte das nicht sein.

Sie atmete tief durch. Sobald Tobias einen Raum betrat, fiel es ihr schwer, Ruhe zu bewahren. Mit seinem breiten Kreuz, den durchdringenden grauen Augen und dieser greifbaren Autorität nahm er jeden Raum sofort für sich ein.

Wie von selbst wanderten Allegras Finger zu dem schlichten Diamantarmband an ihrem Handgelenk. Sie hatte es bei ihrem letzten Schönheitswettbewerb gewonnen. Für den heutigen Termin hatte sie sich ganz bewusst dafür entschieden. Diamanten passten zu allem, und das Armband erinnerte sie daran, dass sie erfolgreich war. Dass sie sich ihr Leben nicht von den Fehlern anderer diktieren ließ.

Seit dem Social-Media-Skandal vor knapp zwei Jahren musste sie viele solcher Fehler hinnehmen. Für ihre bahnbrechende Karriere in San Francisco hatte sie Blut und Wasser geschwitzt, und dieser Skandal hatte einfach alles beendet.

Allegra ignorierte Tobias und seinen säuselnden Anwalt JT geflissentlich und wandte sich direkt an Phillips. „Können wir dann starten? Ich habe um zwölf einen Termin, den ich nicht verpassen möchte.“

Einen Termin mit einem netten veganen Café, in dem es ihren Lieblings-Kräuter-Nuss-Salat und diese göttlichen Schoko-Powerballs gab. Aber das musste ja niemand so genau wissen.

„Und wir wollen ja nicht, dass du dich verspätest.“ Tobias’ raue Stimme brachte ihren Unterleib zum Vibrieren.

Sie merkte, wie ihre Wangen rot wurden, ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen. Phillips starrte sie unverhohlen an, während er ihr eine Kopie des Testaments reichte. Nach sechs Monaten in einem männerdominierten Finanzunternehmen kannte sie diesen Blick nur zu gut. Anscheinend war es schwer vorstellbar, dass es für Frauen Wichtigeres gab, als Männer mit ihrem Aussehen zu betören.

Männern fiel es grundsätzlich schwer, Allegra ernst zu nehmen. Das lag vermutlich an ihren roten Haaren, den dunklen Augen und der umwerfenden Figur, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Eigentlich sollte das nicht ihr Problem sein, aber sie war nun mal von Natur aus hilfsbereit. Deshalb sorgte sie normalerweise bei Geschäftsterminen dafür, dass ihr Äußeres nicht allzu sehr ablenkte.

Doch heute war Tobias dabei, also hatte sie das genaue Gegenteil getan. Das Kleid, für das sie sich entschieden hatte, umspielte geschickt ihre Kurven, zeigte genug Ausschnitt, um die Fantasie anzuregen, und war kurz genug, um ihre Beine gekonnt in Szene zu setzen. Die kurze Seidenjacke verlieh dem Outfit den nötigen Business-Look, unterstrich aber gleichzeitig, wie perfekt das Kleid sich an ihre Taille schmiegte.

Statt einen strengen hohen Dutt zu tragen, hatte sie sich für einen lässigeren Knoten entschieden. Der passte perfekt zu den Diamantohrringen von Chanel.

Das Kleid und die Jacke waren von der neusten Entdeckung der Modebranche: Francesca Messena.

Es mochte seltsam wirken, dass Allegra Kleidung von der Frau trug, mit der Tobias vor und nach ihrer gemeinsamen Nacht geschlafen hatte. Aber damit setzte sie ein deutliches Zeichen, dass sie es verkraftet hatte und darüber hinweg war. Die bittere Enttäuschung war Geschichte.

Außerdem hatte sie Francesca selbstverständlich während ihrer Therapie vergeben. Es hatte eine Weile gedauert, und Allegra hatte einige Zettel verbrannt, bis es so weit war. Aber sie hatte sich immer wieder ins Gedächtnis gerufen, dass Francesca eigentlich ein guter Mensch war. Sie hatte nicht gewusst, wie hinterhältig Tobias war. Außerdem: Warum sollte Allegra nicht die Kleider tragen, die sie tragen wollte? Tobias hatte nur eine kleine Nebenrolle in ihrer beider Leben gespielt.

Würde sie die Messena-Kleider nicht tragen, würde sie Tobias Macht über sich geben. Diese Macht gestand sie ihm nicht zu.

Phillips fing an, das Testament vorzulesen, und Allegra überflog die erste Seite. Irgendwo in diesem Text versteckte sich eine Überraschung, die ihr nicht gefallen würde. Dabei musste es um Madison Spas gehen, schließlich war sie nur hier, weil Esmae fünfzig Prozent der Anteile gehörten.

Inzwischen wünschte Allegra sich, ihre Tante hätte nie investiert. Stattdessen hätte sie – wie ursprünglich geplant – bei ihrer Bank einen Kredit aufnehmen sollen.

Autor

Fiona Brand
<p>Fiona Brand ist eine Autorin aus Neuseeland. Derzeit lebt Sie an der wunderschönen „Bay of Islands“, einem subtropischen Paradies zum Angeln und Tauchen. Dort genießt Sie die traumhafte Natur zusammen mit ihren beiden Söhnen, zwei Wellensittichen und einem Goldfisch. Sie liebt Bücher seit sie alt genug ist Seiten umzublättern Mit...
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