Du bist himmlisch, Celine

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Sie ist wütend, sie ist bemüht burschikos, sie ist unnachgiebig - und trotzdem hat der smarte Tyrell Blaylock noch nie eine hinreißendere Frau getroffen! Dabei macht die faszinierende Celine ihm wirklich schwere Vorwürfe: Sie behauptet, seine Familie hätte ihren Großvater von seinem rechtmäßigen Land vertrieben ...


  • Erscheinungstag 06.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745998
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ich wette, es ist Ärger im Anmarsch, dachte Tyrell Blaylock. Er lehnte im Schatten der Fichten und Tannen, die überall in den Rocky Mountains von Wyoming wuchsen, und betrachtete die Frau, die sich auf dem steinigen Weg seiner einsamen Hütte näherte. Sie ging nicht locker und lässig, sondern sehr zielstrebig. Also wollte sie etwas.

Seine ehemalige Verlobte hatte andere Methoden gewählt, doch Else, seine Schwester und Älteste der großen Blaylock-Familie, ging genauso energisch. Und sie hatte stets ein Ziel vor Augen.

Tyrell wischte sich den Schweiß vom Kinn. Mit Holzhacken hatte er versucht, seine düstere Stimmung zu vertreiben. Er beobachtete einen Fuchs im Unterholz und lenkte dann den Blick zum bewölkten Himmel, an dem ein Adler schwebte. So hoch im Gebirge war es auch Ende Mai noch kühl, obwohl die Äcker und Weiden im Tal bereits grünten. Noch vor sechs Monaten war er ein Spitzenmanager gewesen und hatte die Finanzabteilung einer New Yorker Firma geleitet. Und gerade jetzt, wo er noch dabei war, sein Leben neu zu ordnen, wurde er von einer Frau gestört.

Er wollte zurzeit nicht einmal seine Angehörigen sehen, von anderen Leuten ganz zu schweigen. Else mochte es nicht, wenn ihre Brüder sich vor ihr zurückzogen. James, Logan, Dan, Roman und Rio waren alle schon verheiratet und bedauerten kaum, dass sie sich nicht mehr verkriechen konnten, wann sie wollten.

Genau das wollte Tyrell machen, bis er den in ihm tobenden Aufruhr besänftigt hatte. Er suchte eine Atempause und war zur Erholung an den Quell allen Friedens zurückgekehrt – zu den Bergen und zu seiner Familie.

Er holte mit der Axt aus und ordnete seine Gedanken nach Zahlen. Zahlen mochte er, weil sie ihm stets geholfen hatten. Mit jedem harten Axthieb gegen den Baumstamm zählte er seine Gedanken durch.

Erstens – sobald er diese innere Unruhe bezwungen und wieder zu sich gefunden hatte, wollte er … Mit einem zweiten Schlag vergrößerte er die Kerbe, die den Baum zu Fall bringen würde.

Zweitens – dann wollte er eisern vorgehen und herausfinden, wer die fatalen Gerüchte über ihn in die Welt gesetzt hatte. Jemand hatte sein Leben, seine Kreditkarten, sein Bankkonto, seine Reisen und seine Telefonrechnungen überwacht. Die Axt schnitt erneut tief ins Holz.

Drittens – die Heimkehr gehörte zu dem Plan, mit dessen Hilfe er sein Leben in Ordnung bringen wollte. Und es würde sehr lange dauern, bevor er wieder einer Frau vertraute!

Ein Falke, der offenbar ein Beutetier erspäht hatte, schwang sich hoch in den Himmel. Tyrell packte die Axt fester. Die Frau ging unbeirrbar auf sein Refugium zu.

Die wenigen Frauen in seinem Leben hatten stets etwas gewollt – Geld, Karriere oder Status. Früher hatte er sich das auch gewünscht, doch jetzt nicht mehr. Jetzt wollte er nur noch Frieden.

Tyrell betrachtete Jasmine, die Kleinstadt unten im Tal. Sein Vorfahre Micah Blaylock hatte sich als Erster in diesem Tal in Wyoming angesiedelt und hier auch geheiratet. Seither wurde der ehrenvolle Name Blaylock mit Respekt genannt.

Als jüngstes von sieben Kindern war Tyrell nach Hause gekommen, um seine Wurzeln und die traditionellen Familienwerte wieder zu finden. Er hatte sie während der jahrelangen Aufbauarbeit für Mason Diversified verloren. Mason’s, ein führendes Speditionsunternehmen, besaß mittlerweile viele Tochterfirmen, doch Tyrell hatte für seine Karriere einen hohen Preis bezahlt. Zu lange war er seiner Familie und seiner Heimat, die ihn geprägt hatte, fern geblieben.

Micah Blaylocks alte Hütte war stets Tyrells Zuflucht gewesen. Es hatte ihm geholfen, sie wieder instand zu setzen.

Die Rückkehr zu seiner Familie war nicht einfach. Er konnte den letzten Anruf seines Vaters nicht vergessen. Eigentlich hätte er sofort heimkommen sollen, doch er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, dafür zu sorgen, dass Mason Diversified noch mehr Profit machte.

Er atmete tief die frische Morgenluft ein. Bald würden die wilden Rosen zu blühen beginnen. Ein Rotkehlchen flatterte zu den Pappeln, die wunderschön aussahen mit ihren zarten hellgrünen Blättern. Nichts konnte seine Reue mindern. Seine Eltern lebten nicht mehr. Sie waren bei einem Unfall auf eisglatter Straße umgekommen. Eis umschloss auch sein Herz, und die Bilder des zerschmetterten Wagens in der tiefen Schlucht verfolgten ihn.

Er musterte die Frau, die seinen Frieden störte, genauer. Mit einem Fluch schleuderte er die Axt geschickt durch die Luft. Der Stiel drehte sich einmal im Kreis, ehe sich die Klinge tief in den Stamm einer Espe bohrte. Wenn die Frau es schafft, an dem großen Felsen vorbeizukommen, braucht sie ungefähr zwei Stunden bis zur Wiese, aber das schafft sie nicht. Ich bin hier, weil ich Ruhe und Frieden will, sagte er sich.

Die Frau trug eine Baseballmütze, einen roten Sweater und Kakishorts. Mit einer Hand stützte sie sich auf einen Felsen und sprang behände darüber hinweg. Ihre Brille funkelte im Sonnenschein, als die Frau einen Bach überquerte und auf dem steinigen Weg unbeirrt höher stieg.

Per Luftlinie war es nicht weit bis zu Tyrells Hütte, doch der Pfad wand sich durch eine tiefe schmale Schlucht. Von seinem Standort über ihr betrachtete Tyrell die Wanderschuhe der Fremden und ihre schlanken Beine. Der Rucksack hüpfte auf und ab, als sie über einen Baumstamm sprang.

Sie würde sich noch den Fuß verstauchen, und dann hatte er sie am Hals. Er wollte erst mal für lange Zeit nichts mehr von Frauen wissen. Hillary hatte tiefe Wunden bei ihm hinterlassen. Seine Exverlobte, die Tochter seines Chefs, war nicht gerade die Liebe seines Lebens gewesen, doch sie hatte in seine Karriere gepasst. Nach einer fünf Jahre dauernden Beziehung hatte er vorausgesetzt, dass sie ihm mehr glaubte als irgendwelchen Gerüchten.

Er biss die Zähne zusammen. Jemand hatte bewusst seine Karriere durch Gerüchte über sein Privatleben und die Behauptung, er hätte die lukrative Kundenliste von Mason’s an die Konkurrenz verkauft, zerstört.

Melvin Mason, ein alternder Playboy und eifersüchtig auf Tyrells Jugend und Energie, hatte sich zunehmend gegen seinen Spitzenmann gestellt. Als die Firma hohe Gewinne abwarf, wünschte Mason sich die alleinige Kontrolle über die Firma.

Eine Bewegung riss Tyrell aus seinen Gedanken. Als Nachfahre von Jägern hatte er keine Mühe, das Tier, das oberhalb der Hütte über die roten Felsen kletterte, als Dickhornschaf zu identifizieren.

Er hatte erwartet, dass ihm sein zukünftiger Schwiegervater, für den er seit zehn Jahren arbeitete, glaubte. Doch Melvin Mason hatte sich aus Unsicherheit bedroht gefühlt und nach einem Grund gesucht, um Tyrells wachsenden Einfluss in der Firma zu beschneiden. Die Gerüchte hatte er daher für wahr gehalten, außerdem lieferten sie ihm den nötigen Anlass, sich von Tyrell zu trennen.

Mit Melvin konnte man nur schwer reden, doch Tyrell hatte auch nicht um Freundschaft gebeten. Er hatte Mason Diversified zu einer höchst erfolgreichen Firma gemacht und für Mason Millionen verdient. Gewinn war stets sein oberstes Ziel gewesen.

Seine Kollegen hatten seine Integrität nicht angezweifelt, sondern ihn respektiert. Das Gleiche hatte er von seiner Verlobten und von einem Arbeitgeber, den er reich gemacht hatte, erwartet. Weder von Hillary noch von ihrem Vater hatte er Wärme erhofft. Er hatte sie nur gebeten, ihm zu glauben. Nach so vielen gemeinsamen Jahren hatte er nicht daran gezweifelt, dass sie ihm die nötige Zeit geben würden, um den Intriganten zu entlarven.

Er hatte sich geirrt. Mason hatte die Firma ganz für sich beansprucht, ohne abzuwarten, bis Tyrell die Gerüchte widerlegen konnte. Rücksichtslos hatte er Tyrell um seine Stellung und alle damit verbundenen Privilegien gebracht. Doch dieser Schuss war für Mason nach hinten losgegangen, denn seine besten Kunden hatten sich an Tyrell gewandt und ihn gebeten, sie Masons Konkurrenten zu empfehlen.

Nachdem Hillary und Mason dermaßen auf die Gerüchte über sein angeblich skandalöses Privatleben reagiert hatten, war es Tyrell gleichgültig gewesen, wer die Behauptungen in Umlauf gebracht hatte. Nach Masons ständigen Attacken hatte er endgültig genug gehabt.

Schon bevor Mason ihm Hausverbot erteilte, hatte er mit Ärger gerechnet. Zwei Wochen vor dem entscheidenden Tag hatte er die Investitionen und den Rentenfonds seiner Mitarbeiter gesichert, die an ihn glaubten und wollten, dass er kämpfte. Nachdem er diese Gelder Masons Zugriff entzogen hatte, zerstörte er, was er aufgebaut hatte. Am letzten Tag hatte es genügt, eine einzige Taste am Computer zu drücken, um nicht wieder gutzumachenden Schaden anzurichten.

Tyrell verstand es zu kämpfen. Dafür hatten seine Vorfahren gesorgt – Apachen, spanische Eroberer und europäische Siedler. Er wusste, wie man sowohl Gewinne als auch Verluste in die Höhe trieb. Als er Mason verließ, stand die Firma so schwach wie vor zehn Jahren da, und er wollte nichts mehr von seinem bisherigen Lebensstil wissen.

Nach Jasmine und zu seiner Familie, den Blaylocks, war er zurückgekehrt, um wieder zu sich selbst zu finden. Er wollte die Enttäuschung und den Zorn auf sich und Mason überwinden und seinem Leben eine neue Richtung geben.

Dafür brauchte er Ruhe und keine Besucher – und schon gar keine hilflose Frau. Genau diese Frau überquerte wieder einen Bach auf einem umgestürzten Baum. Tyrell hielt den Atem an und hoffte trotz seines Ärgers, sie würde nicht abrutschen. Sie schaffte es, setzte sich auf einen Felsen und nahm die Baseballmütze ab. Kurze rötliche Locken kamen zum Vorschein. Das Gesicht wirkte sogar aus dieser Entfernung sehr hell.

Sie wird sich so hoch oben in den Bergen trotz der Wolken einen Sonnenbrand holen, schoss es Tyrell durch den Kopf. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er, wie sie etwas aus dem Rucksack holte, die Brille abnahm und Gesicht und Hände einrieb. Also schützte sie sich gegen die Sonne. Aber hier oben gab es noch einiges mehr, was einer Frau das Leben schwer machte. Zum Beispiel ein Mann, der sich geschworen hatte, sie nicht in seine Nähe zu lassen.

Er blickte zu den Wolken und den Nebelschwaden hinauf, die die schwarzen, wild gezackten Berggipfel in wechselnden Formationen verschleierten. Hier war er in seinem Element und konnte sich mit Holzhacken abreagieren und die Blockhütte ausbauen. Bestimmt regnete es bald, und die unerwünschte Besucherin überlegte es sich garantiert anders und kehrte nach einer Ruhepause ins Tal zurück. Dann würde endlich den Frieden, den er so dringend brauchte.

Er soll mich ruhig kommen sehen, dachte Celine Lomax. Er soll wissen, dass ich die Enkelin von Cutter Lomax bin und die Blaylocks für das bestrafen will, was sie meinem Großvater angetan haben.

Sie lächelte kalt. Nachdem sie ein Jahr daran gearbeitet hatte, Tyrell Blaylock zu zerstören, ging es nun darum, den Blaylocks das Land zu entreißen. Die gesamten Ersparnisse hatte sie dafür ausgegeben, um sich das Land anzueignen, das laut ihrem Großvater Cutter Lomax von Rechts wegen ihr gehörte.

Sie kannte die Fehler ihres Großvaters, doch das hatte sie nicht daran gehindert, ihn zu lieben. Vielleicht lag es an Cutters Stärke. Sein Sohn Link, ihr Vater, war viel schwächer gewesen und hatte in jeder Hinsicht versagt. Vielleicht war es auch seine Miene, wenn er über das Land sprach, das man ihm weggenommen hatte, was ihre Entschlossenheit verstärkte, für Gerechtigkeit zu sorgen. Oder vielleicht war der eigentliche Grund, dass sie stets für die Benachteiligten eintrat. Cutters Verlust appellierte an diese Eigenschaft.

Sie hatte ihre beiden einzigen männlichen Verwandten trotz aller Fehler stets sehr geliebt, und darum glaubte sie auch ihrem verstorbenen Großvater ohne den geringsten Zweifel.

Sie besaß die Fähigkeit, den Anspruch der Blaylocks auf Lomax-Land zu zerstören. Auf diesen Moment hatte sie ihr ganzes Leben hingearbeitet und war Landvermesserin geworden. Cutters Rache war auf seinen Sohn, ihren Vater, übergegangen. Sie selbst war von klein auf mit diesem Rachegedanken aufgewachsen. Nun musste sie in Aktion treten.

Der unverheiratete, verwöhnte Jüngste der Blaylocks war ein idealer Beginn.

Heute war sie nervös und müde und hielt sich nur mit purer Willenskraft und Kaffee aufrecht. Jahrelang hatte sie unter den schwierigsten Bedingungen geschuftet und jeden Penny auf die hohe Kante gelegt, um die Blaylocks und deren Freund Boone Llewlyn zu vernichten. Abgesehen von der teuren Thermounterwäsche, die ihr Geld wert war, bestand ihre gesamte Garderobe nur aus billigen Sachen, die sie in einer Reisetasche unterbringen und in einem kalten Bach waschen konnte. Brauchte sie mehr, kaufte sie unterwegs in einem Secondhandladen ein.

Leichter Regen setzte ein. Nebel zog über die vor ihr liegende Wiese. Celine rollte die vom schweren Rucksack schmerzenden Schultern. Sie hatte die Arztrechnungen für ihren Vater und ihren Großvater bezahlt und nichts für sich behalten. Jetzt ging es nur noch darum, „die Blaylocks zu Fall zu bringen“, wie die beiden sich stets ausgedrückt hatten.

Celine hatte die Wiese schon halb überquert, als sie ihn sah.

Sie erkannte Tyrell Blaylock nach dem Foto, das sie von ihm gemacht hatte, als er in New York auf ein Taxi wartete. Er hatte sie mit seinen schwarzen Augen, dem kantigen Kinn und dem scharf geschnittenen Mund an ein Raubtier erinnert, auch wenn er in New York einen teuren Nadelstreifenanzug, ein Designer-Hemd und eine Seidenkrawatte getragen hatte.

Jetzt schimmerte Regen auf seinem Oberkörper, und er besaß unverändert diesen hellwachen Blick. Cutter hatte gesagt, den Blaylocks würde man die Apachen und spanischen Eroberer unter den Vorfahren ansehen. „Dunkel“ und „kraftvoll“, das waren die Ausdrücke gewesen, die er benützt hatte. Man könnte einen Blaylock an den „spanischen Augen“ erkennen. Und jetzt traf sie aus den ausdrucksvollen Augen dieses hochgewachsenen Mannes ein durchdringender Blick.

Vor sechs Monaten hatte er nicht gemerkt, dass sie ihn eingehend betrachtete. Das schimmernde blauschwarze Haar, das er vermutlich einem Apachen unter seinen Vorfahren verdankte, war jetzt nicht wie erwartet kurz geschnitten, sondern schulterlang. Ein rotes Stirnband hielt es aus dem Gesicht. Die dünnen Zöpfe zu beiden Seiten des Gesichts verstärkten noch den indianerhaften Eindruck.

Celine hatte auch nicht erwartet, dass Schweiß auf der dunklen Haut seiner nackten Brust und auf den kräftigen Armen schimmerte. Seine Muskeln spannten sich an und bewegten sich, als er auf sie zuging.

Sie konnte den Blick nicht abwenden. Ein in einem teuren Fitnessstudio trainierter Körper wirkte insgesamt glatter und nicht so hart wie Tyrell Blaylocks muskulöse Gestalt. Das war der Körper eines arbeitenden Mannes. Mit der alten Jeans und dem roten Stirnband hätte Tyrell in den Wilden Westen, so wie er vor einem Jahrhundert gewesen war, gepasst. Das lange Messer in der Scheide am Gürtel unterstrich diesen Eindruck.

Als er vor ihr stehen blieb, durchrieselte Celine ein heißer Schauer. Tyrell Blaylock spreizte die langen, muskulösen Beine und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war wesentlich größer als sie mit ihren ein Meter fünfundsechzig, sah ganz und gar nicht so als, als hätte er jemals in der Großstadt gelebt, und betrachtete sie keineswegs freundlich.

Vielleicht war sie zu weit gegangen. Wie Tyrell wohl reagierte, wenn sie ihm verriet … Doch sie konnte auf seine Gefühle keine Rücksicht nehmen. Dafür hatte sie schon zu viel auf sich genommen und zu viel Kraft in seine Vernichtung gesteckt.

„Ich bin Celine Lomax, und Sie sind Tyrell Blaylock, der früher in New York für Mason Diversified gearbeitet hat. Wir sind uns bisher nicht begegnet. Verzichten Sie bitte auf jede höfliche Begrüßung.“

Unter dem harten Blick seiner dunklen Augen sammelte Celine ihren ganzen Mut, um ihren Plan auszuführen. Luke Blaylock, Tyrells Großvater, hatte laut Cutters Aussage Garnet Marie, die Frau, die Cutter begehrte, für sich gewonnen. Und Cutter hatte Boone Llewlyn vorgeworfen, seine Grunderwerbspläne durchkreuzt zu haben. Cutter hatte den beiden verübelt, dass sie sein Leben und sein Vermögen zerstört hatten.

„Wie ich sehe, ist Ihnen der Namen nicht unbekannt. Cutter Lomax war mein Großvater. Ich werde den Anspruch meines Großvaters auf das Land, das jetzt den Blaylocks gehört, durchsetzen. Keine Angst, ich will nicht den ganzen Blaylock-Besitz und das gesamte Llewlyn-Land. Ich erhebe nur Anspruch auf Cutter Lomax’ Ehre und sein Land. Natürlich haben Sie von Cutter Lomax gehört. Er ist in dieser Gegend eine Legende. Die Blaylocks und Boone Llewlyn haben ihn gefürchtet. Deshalb haben sie ihn ruiniert.“

„Woher wissen Sie von New York und Mason Diversified?“, fragte Tyrell scharf und mit einem warnenden Unterton. Gleichzeitig betrachtete er ihren alten Sweater, die ausgefransten Kaki-Shorts und die ausgetretenen Wanderschuhe.

Celine hob stolz den Kopf. Sie brauchte keine Kleidung von New Yorker Designern. Sie hatte genug Geld, um ihr Ziel zu erreichen. Schließlich hatte sie schon immer gearbeitet und früher Cutter und ihrem Vater den Haushalt gefühlt. Die beiden hatten behauptet, ihre Mutter hätte sie nicht geliebt und wäre deshalb fortgegangen. Celine hatte bloß Cutter und ihren Vater gehabt, die jahrelang nur getrunken und ihre Niederlage durch die Blaylocks beklagt hatten – bis zu ihrem Tod.

Jetzt war der Moment der Rache gekommen, und Celine sprach endlich die Worte aus, auf die sie schon so lange gewartet hatte. „Sie lecken Ihre Wunden, Blaylock, und ich habe sie Ihnen zugefügt. Sie werden nicht mehr kleine Versandhäuser ruinieren und Mason Diversified in den Rachen werfen. Sie werden keine Firmenübernahmen mehr durchziehen. Aber vielleicht könnten Sie in einer Ihrer Fabriken arbeiten und Pakete für den Versand packen.“

Celine genoss jeden einzelnen Satz, den sie sprach. „Mason Diversified war eine kleine Firma, bis Sie andere Firmen, die in Schwierigkeiten steckten, aufkauften. Sie haben Mason aufgebaut, und Sie hatten alles im Griff. Kein Wunder, dass Mason sämtliche Gerüchte über Sie glaubte. Als Spitzenmanager wussten Sie zu viel, besaßen zu viel Kontrolle und hatten zu mächtige Freunde. Sie stellten für ihn eine Bedrohung dar.“

Tyrell ließ den Blick erneut über sie wandern, ehe er ihr in die Augen sah. „Lomax“, sagte er tonlos.

„Sehr richtig, Blaylock, mein Name ist Lomax. Im Auftrag der Firma, für die ich arbeitete, überwachte ich den Bau einer Halle und eines Parkplatzes für Mason Diversified in Montana. Ich fand Ihren Namen auf dem Vertrag. Mein Großvater hasste die Blaylocks und Boone Llewlyn mit gutem Grund. Er und mein Vater starben mittellos, und ich musste ihre Rechnungen bezahlen. Ihr Leben war wegen der Blaylocks und dieses Landräubers Boone Llewlyn schwer. Ich folgte jedenfalls Ihrer Spur zum Firmensitz in New York, bis ich den jüngsten Blaylock vor mir hatte.“

„Sie sind die Frau, die scheinbar rein zufällig mit meiner Verlo … mit Hillary Mason in einem Einkaufszentrum zusammentraf und behauptete, sie würde von mir ein Kind erwarten? Die sagte, dies wäre bereits ihr zweites Kind von mir und sie wäre verzweifelt, weil ich nicht für sie sorge?“ Tyrells Stimme klang trügerisch sanft.

Celine rang sich ein fröhliches Lächeln ab. Der Trick hatte geklappt. Die Frau war natürlich nicht wieder aufzutreiben gewesen.

„Sie sind die Frau“, fuhr er fort, „die Mason das Dankschreiben schickte und behauptete, ich hätte ihr seine Kundenliste verkauft?“

„Auf diesen Brief bin ich sehr stolz. Ich brauchte mich nur mit einigen Angestellten zu unterhalten, um zu erfahren, dass Mason unsicher war und eifersüchtig auf Sie. Ich schrieb Mason, wie nett es von ihm wäre, Ihnen zu erlauben, die Liste mit den wichtigsten Kunden an die Konkurrenz zu verkaufen.“

„Mason war viel zu wütend, um die Angaben zu überprüfen. Und Sie sind auch die Frau, die noch einmal mit Hillary am Eingang des Bürogebäudes von Mason Diversified zusammentraf. Dabei trugen Sie einen Body mit Leopardenmuster, hohe Absätze, eine lange blonde Perücke und angeklebte Wimpern. Sie fragten nach dem Weg zu meinem Büro, um die Dienste zu liefern, die ich für die Mittagspause angefordert hätte. Und Sie hofften, dieses Mal nicht so viel Öl auf meinem Schreibtisch zu verschütten. Nicht wahr?“ Er ließ den Blick über ihren sportlich trainierten Körper gleiten.

Celine lächelte zufrieden. „Ihre damalige Verlobte war schockiert, vor allem als sie hörte, dass alle meine Berufskolleginnen Sie kannten und mochten.“

„Woher hatten Sie eigentlich die Informationen über mich?“, fragte er in schneidendem Ton.

„Ihre Sekretärin ist ja so mütterlich. Wir unterhielten uns im Waschraum für Damen. An dem Tag war ich die Putzfrau, der es sehr schlecht ging.“ Beinahe hatte sie deshalb ein schlechtes Gewissen. Als sie zu weinen begann, hatte Mary sie wie eine Mutter in die Arme genommen.

„Sie haben Marys Gutherzigkeit ausgenützt. Das war nicht nett, Lomax. Ihnen ist doch klar, dass Sie sich wegen Schädigung meines Rufs und meiner Karriere eine Klage einhandeln könnten. Wieso geben Sie jetzt alles zu?“

„Ich habe mich schon gefragt, wann Sie zu diesem Punkt kommen. Sie werden gar nichts gegen mich unternehmen. Sie werden Ihre Familie und Ihren Ruf schützen – was davon noch übrig ist. Sie werden nicht wollen, dass jemand erfährt, dass die Blaylocks und Llewlyn Landräuber waren. Es ist alles ganz einfach, Blaylock. Ich will, dass Sie auf mich vorbereitet sind. Mir war klar, dass Sie hierher fliehen würden, um Ihre Wunden zu lecken.“

Tyrell sah sie herausfordernd an. „Meine Wunden lecken? Fliehen?“, wiederholte er, und seine Stimme erinnerte an das Knurren eines Wolfes.

Sie war schon früher bedroht worden. „Sie sind schließlich hier, nicht wahr, und suchen nicht Trost bei Hillary.“

„Bleiben wir bei der Sache, Lomax. Warum haben Sie gerade mich ausgesucht? Ich habe eine große Familie.“

„Sie sind das Nesthäkchen, der wunde Punkt der Familie. Fünf Brüder und eine Schwester hängen an Ihnen. Sie waren meine erste Wahl. Ich habe Erkundigungen über Ihren beruflichen Werdegang und Ihren Ruf eingezogen. Dann habe ich Sie studiert. Da standen Sie an der Straße und warteten auf ein Taxi. Teure Designerkleidung und eine Uhr, die mehr als so manches Auto kostet. Und Sie wirkten ungeheuer selbstbewusst und erfolgreich – mit einem Wort: vom Schicksal verwöhnt.“ Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr.

„Ich mochte Sie auf den ersten Blick nicht. Eigentlich war es mir egal, ob mein Plan funktionierte. Ich wollte ohnedies nach Jasmine kommen, um mir das Lomax-Land anzusehen. Wohlgemerkt, das Lomax-Land! Aber ich musste einfach versuchen, Sie zu Fall zu bringen. Wissen Sie, eine Lomax trickst einen Blaylock aus – dem Gedanken konnte ich einfach nicht widerstehen. Hätten Ihre Verlobte und Ihr Chef mir nicht geglaubt, wäre es auch gut gewesen. Aber der Versuch hat sich gelohnt, finden Sie nicht?“

Voll Wut schleuderte sie ihm diese Worte entgegen. Tyrell Blaylock hatte es im Leben stets leicht gehabt, während sie für jeden Penny hart gearbeitet hatte. Er hatte das College problemlos hinter sich gebracht, und sie hatte ihren kranken Großvater und ihren Vater versorgt. Ihre Mutter war weggelaufen, als sie erst ein Jahr alt war.

Celine hatte nie Zeit gehabt, um sich mit Jungen zu treffen. Als sie es als Jugendliche dann doch einmal mit der Liebe versuchte, hatte sie nichts weiter als kurzen, schmerzhaften Sex auf dem Rücksitz eines Wagens erlebt.

Sie musterte Tyrells muskulösen Körper. Ein Mann mit diesem Aussehen hatte bestimmt stets alles Gewünschte ganz einfach gefunden, auch Sex. „Bei den Masons blickten Sie in eine vergoldete Zukunft. Die wollte ich zerstören, so wie Ihr Großvater und sein Freund Boone meinen Großvater zerstörten. Also habe ich Ihnen ein paar sorgfältig ausgesuchte Weihnachtsgeschenke präsentiert, und Sie sind darüber gestolpert.“

„Das nennt man Verleumdung und Belästigung, Lomax. Ich könnte die Polizei rufen, aber das werde ich nicht tun. Stattdessen werde ich Ihr Gesicht genießen, wenn Sie herausfinden, dass das Land stets den Blaylocks gehört hat.“ Tyrell lächelte kalt und strich mit dem Daumen über ihre Wange. „Ein Tropfen Sonnenöl, den Sie nicht richtig verrieben haben“, erklärte er.

Also hatte er sie beobachtet. Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, weil Männer sie sonst nicht beachteten. Doch jetzt hielt Tyrell Blaylock wachsam den Blick auf sie gerichtet. Celine konzentrierte sich auf ihr Ziel. Sie durfte sich nicht davon verunsichern lassen, dass er jede Sommersprosse in ihrem Gesicht betrachtete und ihr tief in die grünen Augen blickte. Und sie wehrte den Gedanken ab, Tyrells Aufmerksamkeit hätte etwas mit sexuellem Interesse zu tun. Männer sahen in ihr keine erregende Frau.

Er ließ langsam den Blick über ihre kurz geschnittenen rotblonden Locken wandern. Sie zuckte zusammen, als er ein Blatt aus ihrem Haar zupfte, es ihr zeigte und dabei ein völlig unschuldiges Gesicht machte. Es gefiel ihr gar nicht, wie er lächelte, als würde er sie nicht ernst nehmen.

„Sie sind erst siebenunddreißig, Blaylock“, bemerkte sie geringschätzig. „Sie können sich eine neue Karriere aufbauen. Betrachten Sie das jetzt als Urlaub. Diese Zöpfchen sehen übrigens recht niedlich aus, wenn Sie sich das Aussehen eines Kriegers geben wollen. Der Großstadtjunge spielt den wilden Macho – ach, du lieber Himmel!“

Sein Lächeln fiel eisig aus. „Vielen herzlichen Dank. Sie sind mindestens einen Kopf kleiner als ich und befinden sich auf meinem Land, aber Sie fordern mich heraus und bedrohen mich und meine Familie. Bestimmt sind Sie auch die Frau, die in der Telefonzentrale von Mason Diversified die Nachricht hinterlassen hat, ich solle Schlagsahne, meinen Tarzan-Ledenschurz und eine große Flasche Massageöl zu unserer Verabredung in dem schäbigen Stundenhotel mitbringen. Haben Sie da nicht etwas übertrieben?“

„Oh!“, rief sie unschuldig. „Habe ich wirklich darum gebeten, dass Mason Ihnen das ausrichtet? Wie dumm von mir. Meine Größe hat übrigens nichts damit zu tun, dass ich …“

„Und Sie haben ein freches Mundwerk.“ Er warf einen scharfen Blick auf ihre Lippen, ehe er ihr wieder in die Augen sah. „Mit Drohungen allein machen Sie mich aber nicht fertig, und Sie nehmen meiner Familie auch kein Stück Land weg. Verraten Sie mir doch, wieso Sie Ihrer Ansicht nach Anspruch auf das Land meiner Familie haben.“

„Mein Großvater hat das behauptet“, erwiderte sie trotzig.

Er drehte den Schirm ihrer Mütze nach hinten, um ihr Gesicht besser sehen zu können. „Das ist alles?“„Das reicht. Er hat nicht gelogen. Immer wieder hat er mir die ganze Geschichte erzählt, und nie hat er daran etwas verändert. Er kaufte einige Grundstücke, markierte die Grenzen und hatte auch eine Besitzurkunde. Er baute ein Haus in einer tiefen Schlucht und begann gerade mit der Arbeit auf der Ranch, als Ihr Großvater und Boone sein Land haben wollten.“ Celine drehte die Mütze wieder richtig herum. Wenn Tyrell auch nur eine Bemerkung über ihre Sommersprossen oder ihre Familie machte …

„Die beiden behaupteten, es würde den Blaylocks und Boone Llewlyn gehören. Mein Großvater hätte darauf keinen Anspruch. Angeblich hätte er nur ein kleines Grundstück in seinen Besitz gebracht, indem er die Eigentümer bedrohte, und dann hätte er die Grenzsteine versetzt. Luke Blaylock, Ihr Großvater und damals Sheriff, saß meinem Großvater so im Nacken, dass er nicht arbeiten und daher keine Anwälte bezahlen konnte. Der Richter, der ihn wegen Raubes und tätlichen Angriffs ins Gefängnis warf, war bestochen – oder die Zeugen waren es. Und so bekamen die Blaylocks das Land.“ Nur mühsam beherrschte Celine ihren Zorn.

„Ich bin eine gute Landvermesserin, Blaylock. Ich kann mit Gerichtsprotokollen und Zahlen umgehen. Ich finde die Wahrheit heraus. Wenn eine Eisenstange, die als Grenzmarkierung diente, auch nur einen Zentimeter versetzt wurde, finde ich das heraus. Wenn ein Haufen Steine, der zu Zeiten der Pioniere ebenfalls als Markierung diente, umgeschichtet wurde, finde ich das heraus. Wenn man bei einem Grenzstein die Inschrift herausgemeißelt hat, finde ich auch das heraus. Mit Fälschungen kenne ich mich aus. Darum werde ich die Blaylocks vernichten.“ Celine zwang sich dazu, ganz still zu stehen, als Tyrell langsam die Hand ausstreckte, ihr die Mütze abnahm und mit einem Finger durch die Locken strich. Keinesfalls wollte sie sich von seiner Größe einschüchtern lassen.

„Damit wir uns richtig verstehen“, sagte Tyrell leise. „Sie sind fest entschlossen zu beweisen, dass die Geschichte Ihres Großvaters stimmt.“

Er spielte mit ihrem Haar, wickelte es um die Finger und betrachtete es. Er nahm sie nicht ernst! Wenn es etwas gab, das ihr Temperament zum Überschäumen brachte, war es ein Mann, der sich über sie lustig machte. Sie entriss ihm die Mütze und setzte sie sich mit einer Heftigkeit auf, die an einen Ritter erinnerte, der vor dem Kampf mit dem Gegner das Visier seines Helms herunterklappt.

Autor

Cait London
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