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Die nie erloschene Liebe zu der schönen Shay bringt den gut trainierten Luke nach zehn Jahren wieder auf ihre Familienranch nach Montana. Hier kämpft er gegen Intrigen, Diebstahl und Mordversuche. Aber er erobert auch Shay zurück!


  • Erscheinungstag 14.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755485
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Einige Dinge ändern sich nie, stellte Luke Turner melancholisch fest, als er seinen Pick-up vor dem Tor der Circle-M-Ranch ausrollen ließ und sich umsah. Unzählige Hektar fruchtbares Weideland erstreckten sich auf beiden Seiten der langen Auffahrt. Unmittelbar vor ihm, weiß glänzend in der Mittagssonne, lag das Ranchhaus mit seinem grünen Giebeldach und einer rundum laufenden Veranda. Dahinter befanden sich Ställe, Korrals, das Quartier der Rancharbeiter, das Haus des Verwalters und der Gästebungalow.

Nichts schien sich in den letzten zehn Jahren verändert zu haben, und doch wirkte alles anders.

Wer hat noch gleich behauptet, im Leben führe nie ein Weg zurück? überlegte Luke. Unwichtig. Schließlich war er, allen guten Vorsätzen zum Trotz, an den einzigen Ort zurückgekehrt, der ihm je ein Zuhause gewesen war. Zurück nach Grassy Ridge in Montana. Und zu den McKenzies.

Luke steckte sich ein Zitronenbonbon in den Mund, legte den Gang ein und fuhr durch den Torbogen. In der Nähe des Ranchhauses parkte er und sah zuerst im Anhänger nach seinem Hengst Maverick. Vorsichtig führte er das unruhig tänzelnde Pferd zur nächsten Grasfläche. „Entspann dich, mein Junge, jetzt sind wir endlich da.“

Von den Ställen kam der vertraute Geruch von Heu, Leder und Tieren. Obwohl es noch früh war und erst Mitte Juni, brannte die Sonne vom Himmel. Diese Hitze! Luke fuhr sich mit dem Handrücken über die Augenbrauen. Lampenfieber? Unsinn!

Andererseits waren zehn Jahre eine lange Zeit.

Und dann sah er sie.

In lang gestrecktem Galopp hielt Shay auf die Koppel zu. Ihr langes rotbraunes Haar flatterte im Wind, als sie sich tief über die Fuchsstute beugte. Die Finger hatte sie in der dichten Mähne vergraben, und natürlich ritt sie wieder ohne Sattel.

Jetzt hatte sie die Koppel erreicht und schwang sich graziös vom Pferderücken. Ausgeblichene Jeans schmiegten sich eng um ihre schlanken Beine, und das weite karierte Männerhemd mit den hoch gerollten Ärmeln betonte ihre zierliche Figur.

Shay strich sich ihr widerspenstiges Haar aus dem Gesicht und führte die Stute am Zaun entlang, um sie nach dem hitzigen Ritt abzukühlen. Plötzlich sah sie auf und wäre dann fast über ihre eigenen Füße gestolpert.

Luke Turner! Du lieber Himmel! Fassungslos starrte sie ihn an. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Diese verräterische Reaktion ihres Körpers fachte sogleich ihre Wut an. Der Mann hatte wirklich Nerven, nach all den Jahren einfach wieder aufzutauchen!

Wenn er glaubt, ich falle ihm jetzt auch noch freudestrahlend um den Hals, dachte Shay aufgebracht, dann ist er aber schief gewickelt. Was hatte er überhaupt hier zu suchen, nachdem er sich still und heimlich mitten in der Nacht aus dem Staub gemacht hatte, ohne ein Wort, ohne eine Erklärung? Wo hatte er all die Jahre gesteckt? Und warum war er gerade jetzt zurückgekommen?

Schweigend beobachtete Luke, wie sie auf ihn zukam. Seit der Nacht ihres neunzehnten Geburtstags war viel Zeit vergangen. Dass die Jahre ihre Spuren hinterlassen würden, darauf war er vorbereitet gewesen. Nur hatte er nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass das hübsche Mädchen von damals zu einer so verführerisch schönen Frau mit einer atemberaubenden Figur heranreifen würde. Die Entdeckung warf ihn völlig aus dem Konzept.

Ihr Teint war von der Sonne golden getönt, die verhassten Sommersprossen waren verblasst, und im Moment lag eine verräterische Röte auf ihren Wangen. Rötliche Reflexe tanzten auf ihrem Haar, während sie mit großen Schritten auf ihn zustürmte. Sie sah einfach bezaubernd aus – und unübersehbar wütend. Mit blitzenden Augen blieb sie vor ihm stehen.

„Wie ist es dir ergangen, Shay?“, brach er das unangenehme Schweigen.

„Gut. Einfach großartig.“ Ihr Blick traf ihn wie ein giftiger Pfeil. Auf keinen Fall durfte Luke erfahren, wie tief er sie verletzt hatte!

Er stützte einen Ellenbogen auf den Zaun. „Du siehst wundervoll aus.“

Shay ignorierte das Kompliment und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Geste, die selbst ein Fünfjähriger nicht fehlinterpretieren könnte. Luke verspürte einen Anflug von Verärgerung. Zugegeben, er hatte sie verlassen, aber ein Wort von ihr, und er wäre unverzüglich zurückgekommen. Sie aber hatte seine Liebe mit Füßen getreten und hinter seinem Rücken einen anderen geheiratet. Also wenn einer das Recht hatte, wütend zu sein, dann er!

Lukes undurchdringliche Miene verriet nicht, wie sehr es in ihm brodelte. Auch heute noch hielt er seine Gefühle stets unter Kontrolle und wirkte nach außen hin aufreizend gelassen.

Unser Wiedersehen scheint ihn nicht annähernd so durcheinander zu bringen wie mich, stellte Shay empört fest und musterte ihn dann leicht entnervt vom Scheitel bis zur Sohle.

Wenn er schon zurückkommen musste, warum nicht wenigstens mit X-Beinen, Bierbauch und Glatze? Aber nein, er sah sogar noch besser aus als in ihren Träumen. Hoch gewachsen, schlank und muskulös, sexy wie die Sünde – geradezu unverschämt attraktiv. Sein dichtes blondes Haar war von der Sonne gebleicht und leicht zerzaust. Die tiefblauen Augen erschienen in dem gebräunten Gesicht noch strahlender. Kräftige Muskeln an Brust und Armen zeichneten sich unter dem blauen Jeanshemd ab.

Er wirkte aufregend männlich – und ausgesprochen gefährlich.

„Was willst du hier?“, fragte sie scharf, erleichtert, dass ihre Stimme halbwegs fest klang.

„Deine Mutter hat mich eingeladen“, erwiderte er ungerührt.

„Was?“ Sie schüttelte den Kopf. „Unmöglich. Ich wüsste nicht, was du hier noch zu suchen hast.“

Luke stieß frustriert den Atem aus. „Warum bist du bloß so wütend auf mich?“

Wütend? Damit kam er der Sache nicht annähernd nahe. „Wirklich scharfsinnig beobachtet. Wenn du dich sehr anstrengst, fällt dir vielleicht auch der Grund dafür ein“, fuhr sie ihn gereizt an.

Allmählich gewann Luke den Eindruck, Hauptdarsteller in einem schlechten Theaterstück zu sein, und anscheinend fiel ihm dabei die Rolle des Schurken zu. Zu allem Überfluss und völlig ungerechtfertigt hatte sich die sanftmütige Heldin seiner Träume in eine angriffslustige Amazone verwandelt. „Ich denke, wir beide haben einander nichts vorzuwerfen.“

„Ach, tatsächlich?“ Shay hatte genug von seinen Spielchen. „Wie wäre es dann damit, dass du uns alle einfach im Stich gelassen hast?“ Mich ganz besonders, fügte sie in Gedanken hinzu.

Bei ihrer unfairen Anschuldigung verlor Luke seine hart erkämpfte Gelassenheit. „Ich habe euch nicht im Stich gelassen“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „sondern eine unerträgliche Situation beendet. Ich habe alles Menschenmögliche getan, um mich anzupassen. Aber wenn es hart auf hart kam, war ich immer der Außenseiter – der Sohn eines Herumtreibers, der wegen seiner Vorliebe für billigen Whisky nie einen Cent in der Tasche gehabt hatte.“ Betont sah er auf ihre Hände. „Und wie geht es dem noblen Herrn Gemahl?“

„Ex-Gemahl. Wir sind geschieden.“

Das nahm Luke den Wind aus den Segeln. Da er jeden Kontakt zu den McKenzies abgebrochen hatte, war seine einzige Verbindung zur Circle-M-Ranch Hollis gewesen, der fast siebzigjährige Viehtreiber. Hollis hatte ihm gelegentlich eine kurze Nachricht geschickt, die McKenzies dabei aber selten erwähnt, und er hatte nie gefragt.

Er machte einen Schritt auf Shay zu. „Shay, ich …“

„Luke!“, ertönte plötzlich eine Stimme von den Verandastufen.

Er drehte sich um, da eilte schon Liz McKenzie quer über den Rasen auf ihn zu. Shays Mutter musste jetzt Mitte fünfzig sein, trotzdem war sie immer noch knabenhaft schlank. Nur das Haar trug sie jetzt kürzer, doch bis auf wenige graue Strähnen war es so unverändert dick und rotbraun wie das ihrer Tochter.

Stürmisch zog sie ihn in die Arme und blinzelte ein paar Freudentränen fort. „Danke, dass du gekommen bist.“

Sie war das einzig Beständige in seinem Leben, der einzige Mensch, der stets bedingungslos auf seiner Seite gestanden hatte. „Das war doch selbstverständlich“, erwiderte er und küsste sie auf die Wange.

Mit eisiger Miene beobachtete Shay die herzliche Szene. „Anscheinend haben einige von uns ein sehr kurzes Gedächtnis.“ Da ihr beißender Sarkasmus jedoch offensichtlich abprallte, wirbelte sie herum und zischte: „Entschuldigt mich bitte. Cora braucht mich in der Küche.“

Seufzend ließ Liz Luke los. „Tut mir leid, Luke.“ Sie strich sich durchs Haar. „Das Ganze kommt für Shay etwas überraschend.“

„Sie hat mir meine Abreise nie verziehen“, meinte Luke mehr zu sich selbst.

„Nein.“

Luke betrachtete Liz genauer und entdeckte dunkle Ringe unter den ausdrucksvollen braunen Augen. „Was ist passiert? Du hast mich doch sicher nicht nur zum Spaß eingeladen?“

„Jacob hatte einen Herzinfarkt.“

„Wann? Wie schlimm ist es?“

„Vor etwa einem Monat, doch mittlerweile geht es ihm deutlich besser.“ Liz nahm seinen Arm und ging mit Luke zum Haus.

„Wo ist er jetzt?“

Sie hielt ihm die Haustür auf, wartete, bis sie in der Halle waren, und wies dann die Treppe hoch nach oben. „Vor zwei Tagen wurde er aus der Klinik entlassen. Er ist noch schwach, aber er wird schon wieder. Das heißt, falls er diesmal die Anordnungen des Arztes befolgt.“

Luke schüttelte verwundert den Kopf. Jacob McKenzie hatte die Statur eines Hünen und die Konstitution eines Löwen besessen. Nie hatte ihn je auch nur eine Grippe aus der Bahn geworfen, obwohl er sogar bei Eis und Schnee auf den Weiden gewesen war und die Arbeit von zwei Männern verrichtet hatte. „Er kam mir immer wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung vor.“

„Ein sechzig Jahre alter Fels“, sagte Liz weich. „Seine Schwäche für Steaks und Zigarren hat Jacobs Arterien ganz schön zugesetzt.“

„Weiß er, dass du mir geschrieben hast?“

„Nein. Ich war nicht sicher, ob du tatsächlich kommen würdest.“

„Ich fand es immer schon schwierig, dir etwas abzuschlagen, Liz.“

„Schwierig ist es vielleicht, aber nicht unmöglich.“

Ihm war klar, worauf sie anspielte, und auch er dachte an ihre letzte Unterhaltung, kurz vor seiner Abreise. „Vielleicht war es ein Fehler, die Ranch vor zehn Jahren auf diese Art zu verlassen. Doch glaub mir, ich habe dafür gezahlt.“

Wie früher verbirgt er seinen Stolz und sein tiefes Einfühlungsvermögen hinter einer Fassade von Unnahbarkeit, bemerkte Liz. Darin gleicht er Jacob. Vermutlich mochte sie ihn deshalb so sehr. Beiden Männern fiel es schwer, Fehler einzugestehen. Liebevoll strich sie ihm über die Wange. „Ich weiß, Luke.“

Er warf einen bezeichnenden Blick Richtung Küche. „Shay hasst mich.“

„Nein. Sie … sie hat nur eine schwere Zeit hinter sich.“ Liz hakte sich bei ihm ein und führte ihn zur Treppe. „Wir haben eine Menge nachzuholen. Zuerst sollten wir aber Jacob einen Besuch abstatten. Ich war gerade bei ihm, und er ist wach.“

„Hoffentlich ist mein Anblick kein Schock für ihn. Ich wäre nur ungern der Grund für einen Rückfall.“

Liz schüttelte den Kopf und lächelte. „Gute Neuigkeiten sind nie belastend für das Herz, Luke.“

„Ist meine Rückkehr wirklich eine so gute Nachricht?“

„Unbedingt. Allerdings solltest du etwas Geduld mit uns aufbringen, Luke. Zehn Jahre sind eine lange Zeit.“

Geduld hatte er schon früh lernen müssen. Es war ihm keine andere Wahl geblieben. Aufmunternd nickte Liz ihm zu, und dann folgte er ihr in den abgedunkelten Raum.

„Besuch für dich, Jacob“, verkündete sie.

Langsam kam Luke näher und versuchte sich die Erschütterung nicht anmerken zu lassen. Der früher so kraftstrotzende Mann wirkte seltsam zerbrechlich, und sein Teint unter der Sonnenbräune war fahl. „Hallo Jacob.“

Schmunzelnd sah Jacob von seiner Frau zu dem unerwarteten Besucher. Nach fünfunddreißig Ehejahren gab es wenig, womit Liz ihn noch aus der Fassung bringen konnte. Daher überraschte es ihn nicht im Mindesten, dass sie Luke aufgestöbert und ihn dahin zurückgebracht hatte, wo er hingehörte: auf die Circle-M-Ranch. Eine Weile hatte er seinem Pflegesohn die überstürzte Abreise übelgenommen. Doch das war lange her. Außerdem setzte ein knapp überstandener Herzinfarkt schnell neue Prioritäten.

„Gut siehst du aus, mein Sohn.“

Lukes Fassung hing ohnehin am seidenen Faden, und das letzte Wort erschütterte seine eiserne Selbstbeherrschung. Er trat ans Bett und umarmte den Mann, der ihm mehr ein Vater gewesen war als sein eigener. Seine Kehle war wie zugeschnürt. „Ich schulde dir eine Erklärung, Jacob“, sagte er rau. „Ich hätte nicht einfach so gehen sollen …“

„Du schuldest mir gar nichts“, wischte Jacob die Bemerkung beiseite. „Ein Mann muss tun, was er für richtig hält.“ Sein Blick glitt zu Liz, die sich auf die Bettkante setzte und seine Hand ergriff. „Und eine Frau ebenfalls. Danke, Darling.“ Er wusste, sie würde verstehen, was er damit sagen wollte.

Das wortlose Verständnis zwischen ihnen versetzte Luke erneut in Erstaunen. Wie sehr hatte er sie in der Vergangenheit darum beneidet und sich ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl auch für Shay und sich gewünscht. Damals, als er noch glaubte, sie verbände ein ebenso festes Band …

„Wirst du diesmal bleiben?“

„Eine Weile zumindest“, erwiderte er vorsichtig. Solange Liz ihm nicht den Grund für ihren Hilferuf verriet, wollte er keinerlei Pläne machen.

„Auf jeden Fall bleibt er uns noch einige Zeit erhalten.“ Liz küsste Jacob auf die Stirn. „Ruh dich aus, während ich Luke etwas zu essen mache. Ihr beide könnt euch später unterhalten.“

Jacob hasste seine körperliche Schwäche. Widerwillig nickte er, drückte Luke zum Abschied die Hand und lehnte sich erschöpft in die Kissen zurück.

„Das war phantastisch, Cora“, lobte Luke die Haushälterin, die ihn vor einer Viertelstunde mit verdächtig feuchten Augen an ihre Brust gedrückt hatte. „Ich bin ja schon viel herumgekommen, aber nirgendwo schmecken die Brathähnchen so toll wie bei dir.“

Cora strahlte vor Freude. „Noch Kaffee?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, füllte sie die Tassen nach. Dann ging sie zurück zur Anrichte, wo Shay blassrosa Glasur auf einen Schokoladenkuchen strich. „Möchtest du auch eine Tasse Kaffee, Shay?“

„Nein danke. Mir ist warm genug.“ Shay tauchte das Messer in die Glasur und verteilte sie sorgfältig.

Cora stellte die Kaffeekanne ab. „Zum Dinner gibt es Huhn, Klöße und Geburtstagskuchen. Punkt sechs wird gegessen.“ Sie suchte im Schrank nach der Silberpolitur. „Schließlich haben wir heute einen Geburtstag zu feiern.“ Damit stieß sie die Schwingtür auf und verließ die Küche.

Nachdenklich betrachtete Luke Shays steifen Rücken. Seit er die Küche betreten hatte, zeigte sie ihm die kalte Schulter. Bei Coras überschwänglicher Freude war ihr eisiges Schweigen nicht weiter aufgefallen. Doch länger wollte er sich das nicht länger bieten lassen. „Wessen Geburtstag ist es denn?“

Shay schwieg beharrlich. Liz seufzte entnervt auf und antwortete dann: „Beth, Shays Tochter, ist heute sieben geworden.“

„Sieben.“ Luke runzelte die Stirn. Wenn diese starrsinnige Frau seine Anwesenheit nicht zur Kenntnis nehmen wollte, würde er es ihr eben mit gleichen Mitteln heimzahlen. „Ja, ich hörte, dass du eine Enkelin hast.“

Liz spielte mit dem Löffel und warf ihrer Tochter einen verärgerten Blick zu. „Im Moment ist sie im Kälberstall. Warte nur, bis du sie siehst. Sie ist genauso hübsch wie ihre Mutter.“

„Nein Mom, sie gleicht dir“, erklärte Shay und legte den zweiten Tortenboden auf den ersten.

„Dann würde ich sagen, sie ist doppelt gesegnet“, bemerkte Luke und drückte Liz’ Hand.

Liz sah auf seine Finger. Sie waren stark und gebräunt – und ringlos. „Und was ist mit dir, Luke? Hast du je geheiratet?“

Luke schüttelte den Kopf.

„Warum nicht?“

Er zuckte die Schultern, täuschte eine Gleichgültigkeit vor, die er nicht im Entferntesten empfand, und meinte: „Der Rodeo-Zirkus ist kein Leben für eine Frau. Genauso wenig sollte sie einem Cowboy von Ranch zu Ranch folgen.“ Natürlich gab es auch in seinem Leben Frauen, aber deren Namen hatte er immer schnell vergessen. „Mein Vater hätte nie heiraten und ein Kind in die Welt setzen sollen. Ich wollte nicht so enden wie er.“ Nun schwang doch Bitterkeit in seinen Worten mit.

Offenbar hat er das Trauma seiner Jugend nie überwunden, erkannte Liz. Lukes Mutter war bei seiner Geburt gestorben, und Gavin Turner hatte Trost im Alkohol gesucht und war ziellos durch die Lande gezogen, bis er sich eines Tages um einen Job auf der Circle-M-Ranch beworben hatte. Ein Blick auf den hoch aufgeschossenen Jungen mit den traurigen Augen an Gavins Seite hatte genügt und Jacob hatte den Cowboy eingestellt. Nachdem Gavin durch einen tragischen Zusammenstoß mit einem Bullen ums Leben gekommen war, hatte Liz Luke unter ihre Fittiche genommen und ihn wie ihr eigenes Kind aufgezogen, obwohl er sich anfangs gegen ihre mütterliche Fürsorge vehement zur Wehr gesetzt hatte.

„Du bist nicht wie dein Vater, Luke“, erinnerte sie ihn nun.

Luke schlang die Finger um ihre zierliche Hand, erstaunt, wie gut Liz immer noch in ihm zu lesen vermochte. „Hoffentlich nicht. Da wir gerade beim Thema sind, was macht eigentlich Gil?“ Noch ein McKenzie, der bei seinem Anblick sicher keine Freudensprünge vollführen würde.

„Kurz nach deiner Abreise ist er aufs College nach Billings gegangen. Was hat er noch gleich studiert, Shay?“

Resigniert ließ Shay das Messer sinken und drehte sich um. Jetzt hatte ihre Mutter es also doch geschafft, sie in die Unterhaltung einzubeziehen. „Betriebswirtschaft.“

„Stimmt. Anschließend hat er eine ganze Reihe von Jobs ausprobiert, aber nichts hat ihm so richtig gefallen. Nach Jacobs erstem Infarkt ist er dann zur Ranch zurückgekehrt.“

„Das war nicht sein erster?“, rief Luke besorgt.

„Nein. Vor zwei Jahren hatte er eine leichte Herzattacke. Eine Warnung, wie Dr. Emmett sagte. Aber Jacob hielt sich für unbesiegbar – und das ist jetzt die Quittung.“

„Gil lebt also wieder hier?“

Liz nickte. „Er hoffte, sein Vater würde ihm den Verwalterposten überlassen, schließlich ist er unser einziger Sohn. Nur hatte Jacob in der Zwischenzeit Zeke Crawford als Manager eingestellt.“

Luke runzelte die Stirn. „Müsste ich mich an ihn erinnern?“

„Er kam erst nach deiner Abreise zu uns. Wie du hat er ebenfalls als Verwalter auf verschiedenen Farmen gearbeitet. Natürlich war Gil nicht allzu begeistert, als sich seine hochfliegenden Pläne in Luft auflösten. Besonders da Jacob der Ansicht war, Gil müsse sich seinen Weg an die Spitze erst erarbeiten.“

Shay wusch sich die Hände und griff nach dem Handtuch. „Gil und Zeke leiten die Ranch jetzt gemeinsam, und sie kommen ganz gut zurecht. Gil war sogar Trauzeuge bei Rheas und Zekes Hochzeit.“

„Die kleine Rhea ist verheiratet?“, hakte Luke verblüfft nach. „Sie war erst siebzehn, als ich fortging.“

„Die Zeit ist nicht stehen geblieben“, meinte Shay spöttisch. „Wir alle haben uns verändert. Rhea ist glücklich, und Gil ebenfalls.“ Sollte er ruhig wissen, dass nach seiner Abreise weder die Ranch zusammengebrochen war, noch dass sich die McKenzies gramgebeugt ihrem Schmerz ergeben hatten.

Warum ist sie nur so angriffslustig? überlegte Luke, erwiderte aber nur: „Das freut mich zu hören.“ Jetzt war er in fast jeder Hinsicht auf den neuesten Stand gebracht worden, über den Grund für Liz’ überraschenden Brief wusste er allerdings immer noch nichts. „Na schön, Liz. Heraus mit der Sprache. Weshalb hast du mich herbeordert?“

Liz senkte den Kopf und sah auf ihre gefalteten Hände. „Bei uns sind Rinder verschwunden. Achtzig bis hundert Stück nach den neuesten Berechnungen. Bisher haben wir Jacob die Sache verschwiegen, damit er sich nicht aufregt.“

Viehdiebstahl? Sicher, das war auch in Montana keine Seltenheit, doch irgendwie war ihm die Circle-M-Ranch immer wie eine unangreifbare Festung erschienen. „Bist du sicher?“ Als Liz nickte, blickte er zu Shay und sah, dass sie das Gesicht verzog.

„Ich dachte, Gil und Zeke wollten sich darum kümmern, Mom.“

„Die sind mit ihren eigenen Aufgaben beschäftigt. Ehe uns das Problem vollends aus der Hand gleitet, sollten sie für Hilfe dankbar sein.“ An ihn gewandt fuhr Liz fort: „Jacob braucht auch jetzt noch nichts davon zu erfahren. Sonst geht er gleich wieder auf die Barrikaden.“

Er schob den Stuhl zurück und stand auf. Unruhig wanderte er auf und ab. Den Viehdieben auf die Schliche zu kommen, würde Wochen dauern, vielleicht sogar Monate. In Wyoming wartete seine eigene Ranch auf ihn. Außerdem konnte er Shays Feindseligkeit nicht ewig ertragen. „Was wird Gil fühlen, wenn ich jetzt auch noch in die Sache hineingezogen werde? Und was ist mit Zeke?“ Sie gehörten zur Familie, während er der Außenseiter war. Das herzliche Willkommen von Liz und Jacob änderte nichts daran.

„Nicht gerade begeistert, wenn du mich fragst“, war Shays Kommentar.

„Keine Sorge, sie werden sich schon damit abfinden“, verkündete Liz mit ruhiger Autorität.

Luke blieb stehen und musterte Liz. Hinter dem zarten Äußeren verbarg sich ein eiserner Wille. „Ich gebe dir einen Monat, und nicht einen Tag länger.“

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf Liz’ Gesicht aus. Liebevoll drückte sie seine Hand. „Danke.“ Ein Monat. Nicht schlecht für den Anfang.

Shay sah das sehr offensichtlich ganz anders. Sie warf das Handtuch auf den Tresen und stürmte aus der Küche.

„Leicht wird es nicht werden“, murmelte Luke und seufzte.

„Gib ihr Zeit, Luke.“

Plötzlich wurde die Hintertür geöffnet, und Rhea kam mit windzerzausten Locken herein. „Luke! So eine Überraschung! Gerade hatte ich mich gefragt, wem dieser prächtige Hengst gehört.“ Freudestrahlend fiel sie ihm um den Hals.

Luke grinste. Mit ihren eins neunundfünfzig war Rhea der Winzling der McKenzies. Ein sehr runder Winzling. Sie hatte nie Shays auffallende Schönheit besessen und auch heute noch einige überflüssige Pfunde, doch sie war immer gut gelaunt, besaß ein atemberaubendes Lächeln und einen tollen Sinn für Humor. „Das soll die kleine Rhea sein? So erwachsen und sogar verheiratet?“

„Schließlich konnte ich ja nicht ewig auf dich warten. Hast du Zeke schon kennen gelernt?“

„Noch nicht.“

„Er wird dir gefallen. Jeder mag Zeke, nicht wahr Mom?“ Ihr Wortschwall wurde unterbrochen, als nun ihr Bruder beschwingt in die Küche trat. Kaum erkannte Gil den Gast, blieb er wie angewurzelt stehen.

„Schau mal, wer hier ist, Gil“, rief Rhea und schlang den Arm um Lukes Taille. „Die Heimkehr des verlorenen Sohnes.“

Gils Miene verhärtete sich. „Luke ist weder ein Sohn noch ein McKenzie“, verbesserte er sie scharf. „Sein Name ist Turner, oder hast du das vergessen?“

2. KAPITEL

Über den Bergen im Westen hing der Vollmond. Im schwachen Licht der Dämmerung entdeckte Shay zwei Männer auf den Stufen der Schlafbaracke. Kein Zweifel, der eine war Luke. Sie hielt sich stocksteif und ging mit hoch erhobenem Kopf, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei und weiter zu Dancers Koppel. Doch sie spürte genau seinen durchdringenden Blick im Rücken.

Die Fuchsstute wieherte erwartungsvoll, als sie in den Korral stieg und ihr den allabendlichen Leckerbissen reichte. „Hast du geglaubt, ich würde heute nicht kommen?“ Sie streichelte Dancers seidig glänzenden Hals. „Ich weiß, ich bin spät dran, aber es war nicht meine Schuld.“

Im angrenzenden Stall wurde die Außenbeleuchtung eingeschaltet. Ein sanfter Schein fiel auf den Eingang der Schlafbaracke, und sie trat um das Pferd herum, damit sie unauffällig diesen aufreizenden Mann beobachten konnte. Offensichtlich frischte er gerade mit seinem alten Freund Hollis Erinnerungen auf. Nun, bei mir wird er damit kein Glück haben! dachte sie verärgert und war froh, dass er Liz’ Einladung zum Dinner ausgeschlagen hatte. Seine Anwesenheit hätte die Geburtstagsparty ihrer Tochter völlig ruiniert. Doch leider würde sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen können. Schließlich beabsichtigte er, einen ganzen Monat zu bleiben.

Vier endlos lange Wochen … Seufzend strich sie durch Dancers dichte Mähne. Gefühle, die sie für immer begraben geglaubt hatte, kamen an die Oberfläche. Warum hatte ihre Mutter die Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen können? Und warum hatte Luke auf ihre Einladung hin dann auch noch so umgehend und so begeistert herkommen müssen?

Sie war neun Jahre alt gewesen, da tauchte er mit seinem Vater hier auf der Ranch auf, ein dünner, stiller Vierzehnjähriger. Auf Liz’ Drängen stellte Jacob Gavin Turner für die Arbeit in den Ställen ein, und nach der Schule half Luke beim Ausmisten und striegelte die Kühe. Ob im Heuschober oder beim Melken – überall machte er sich nützlich, bestimmt, um den McKenzies nichts schuldig zu bleiben.

Oft versuchten sie, die McKenzie-Kinder, ihn in ihre Spiele einzubeziehen, aber er verbrachte seine Zeit lieber mit den Cowboys oder über seinen Schulbüchern.

Shay ging zum Zaun und schwang sich auf die oberste Latte. Dancer kam näher und drückte den Kopf an ihre Schulter. Gedankenverloren streichelte sie das weiche Fell der Stute. Nach Gavins Tod wuchsen Luke und sie alle wie Geschwister miteinander auf. Gil freute sich, ein weiteres männliches Wesen in der Familie zu haben. Zusammen gingen sie Fischen, nahmen am Viehtreiben teil oder übernachteten im Freien mit den Cowboys. Dann bekam Gil Asthma, was seine Aktivitäten drastisch einschränkte. Eifersüchtig begann er Luke zu beobachten, der zunehmend mehr über das Ranchmanagement lernte, als es ihm mit seiner Behinderung möglich gewesen war.

Für Rhea war Luke ein großer Bruder, dem sie auf Schritt und Tritt folgte. Luke ließ diese offenkundige Bewunderung mit einer Nachsicht über sich ergehen, die sie, Shay, heute noch erstaunte.

Autor

Pat Warren
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