Ein betörend schamloses Frauenzimmer

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Seufzend schmiegt Pompeia sich in die starken Arme von Sir James. Vor Jahren wies er sie ab, nun macht er ihr ein unmoralisches Angebot. Sie lässt sich darauf ein - obwohl sie eigentlich viel mehr will als eine stürmische Herbstromanze …


  • Erscheinungstag 02.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716851
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

 

 

 

Sussex 1801

Als Sir James Carling nach einem dreijährigen Aufenthalt in Amerika an einem sonnigen Herbsttag zu Hause eintraf, wurde er mit der haarsträubenden Neuigkeit empfangen, dass er verheiratet sei …

Dankbar, endlich wieder daheim zu sein, zügelte er sein Pferd vor dem Stall von Carling Manor und lächelte breit, als er seinen jüngeren Bruder aus dem hinteren Eingang treten sah. Doch Simon starrte ihn nur verdutzt an, um dann auszurufen: „James, alter Junge! Jetzt stecken wir ganz schön in Schwierigkeiten!“

James schwang sich aus dem Sattel. „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Bruderherz. Und nun sag mir, warum wir in Schwierigkeiten stecken.“

„Wenigstens bist du mit der Kutsche nicht beim Vordereingang vorgefahren.“ Simon schien keinen Tag älter geworden zu sein, sein Lächeln war noch genauso spitzbübisch, wie James es in Erinnerung hatte. „Großmutter ist zu Besuch, und sie darf dich nicht zu Gesicht bekommen, ehe du Bescheid weißt.“

James seufzte unhörbar. Bei der Rückkehr in den Schoß der Familie erwartete ihn jedes Mal eine unerfreuliche Geschichte. „Was für Schwierigkeiten gibt es diesmal?“, fragte er und begrüßte seinen Stallmeister, der herbeigeeilt war, um ihm das Pferd abzunehmen.

„Wo ist dein Gepäck?“ Simon runzelte die Stirn.

„Ich lasse es per Fuhrwerk nachbringen. In Amerika habe ich mir angewöhnt, mit leichtem Gepäck zu reisen.“ James musterte Simons elegante Weste, die eng anliegenden Pantalons und die sorgfältig in Unordnung gebrachten Locken, bevor er sein Gewehr und die beiden Pistolen aus den Halftern nahm und sich die Satteltaschen über die Schulter warf. „In der Wildnis hat man andere Sorgen, als sich wie ein eitler Geck aufzuputzen“, setzte er trocken hinzu.

Simon schnalzte ein paarmal leise mit der Zunge. „Das ist gar nichts im Vergleich zu der Garderobe, die man derzeit in London trägt.“ Er warf einen verstohlenen Blick in Richtung Haus. „Lass uns durch den Wohnturm gehen. Ich gebe dir ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln, denn so kannst du dem alten Mädchen unmöglich unter die Augen treten.“

Der wuchtige steinerne Donjon war vor vielen Jahrhunderten von den Normannen erbaut worden und schon lange nicht mehr bewohnt. Er hatte sich bei James’ und Simons jugendlichen Eskapaden als zweckdienlicher Fluchtweg erwiesen. Doch da ihr Vater nicht mehr lebte und James der Hausherr war, wirkte es ein wenig sonderbar, als sich die beiden Brüder wie Schuljungen durch die schwere Eichentür in den Turm stahlen und die ausgetretenen Steinstufen hinaufschlichen.

„Großmutter weiß, dass mir Mode egal ist“, sagte James mit gesenkter Stimme. „Was will sie überhaupt hier?“

„Sally begutachten.“ Simon schnitt eine Grimasse. „Das Trauerjahr für Vater ist fast vorüber, und sie will nächstes Frühjahr debütieren.“

Liebe Güte, seine kleine Schwester wurde tatsächlich erwachsen? Als James sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie noch ein unverbesserlicher Wildfang gewesen.

„Der alte Drachen weigert sich, seine einflussreichen Busenfreundinnen um Eintrittskarten für Almack’s zu bitten, ohne Sally persönlich in Augenschein genommen zu haben“, fuhr Simon fort. „Weil das Mädchen eine Zierde für die Familie sein müsse und haufenweise mehr von diesem Unsinn.“ Mit dem Handrücken wischte Simon sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Werde sie los, James, bitte! Ich überlebe es nicht, wenn ich noch länger den braven Jungen spielen muss.“

Sie hatten das obere Treppenpodest erreicht und traten durch eine weitere schwere Eichentür in den Waffensaal. „Gott sei Dank hält sie dich für einen Ausbund an Tugend, sonst hätte sie uns die Geschichte nicht abgenommen.“

„Ach ja, die unvermeidliche Geschichte.“ James verdrehte die Augen. „Um welches Ränkespiel handelt es sich diesmal?“

„James!“ Im Stockwerk über ihnen fiel eine Tür ins Schloss, dann waren Schritte auf der Hintertreppe zu hören, und einen Moment später schoss Sally in den Raum. „Du bist wieder daheim!“ Sie schlang ihre Arme um ihren Bruder und drückte ihn fest an sich, ehe sie zurücktrat und ihn prüfend musterte. „Du siehst älter aus – auf eine gute Art älter. Und wie findest du mich?“

„Du bist erwachsener, weiblicher und hübscher – aber so unordentlich wie immer.“ James grinste und trug das Seine zu ihrem wenig damenhaften Erscheinungsbild bei, indem er ihr das rote Haar zerzauste. „Du Wildfang!“

„Ich weiß, ich bin unmöglich, und daran wird sich auch nie etwas ändern. Deshalb musst du mir bei dieser Geschichte unbedingt Rückendeckung geben. Unbedingt, hörst du?“ Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich. „Mir blieb nichts anderes übrig, ehrlich. Sie ist kaum zwei Tage hier und mustert mich jedes Mal, wenn sie mich sieht, von oben bis unten, als wäre ich eine Art Wechselbalg. Und natürlich weiß ich genau, dass sie nicht mit mir einverstanden ist, aber was soll ich in London, wenn ich keine Eintrittskarten für Almack’s habe? Und dann dieses ständige Gefasel, wie zuverlässig du bist und …“

„Ihr scheint völlig entfallen zu sein, was für ein aufbrausendes Temperament du hast“, warf Simon ein.

„… der Einzige in der Familie, der vernünftig und verantwortungsvoll ist und …“

„Was ich verflixt ungerecht finde, weil du deine Charakterschwächen nur besser verbergen kannst“, fuhr Simon lauter fort. „Zumal ich schon seit zwei Nächten den Moralapostel spiele und fest entschlossen bin, damit weiterzumachen, bis sie fort ist … selbst wenn es mich umbringt! Die letzten beiden Tage waren verteufelt anstrengend“, setzte er finster hinzu. „Das kann ich dir versichern.“

„… welche Enttäuschung wir für sie sind, weil wir Mama so ähneln und nur du auf Vater herauskommst, den sie unaufhörlich als ein Muster an Vollkommenheit ins Feld führt. Und wie glücklich es sie machen würde, wenn du dich entschließen könntest, dafür zu sorgen, dass der Name Carling nicht ausstirbt …“

„Indem du ein Rudel braver Kinder zeugst, die keine roten Haare haben und keinen widerspenstigen Charakter“, ergänzte Simon bereitwillig. „Glücklicherweise ist eine Schulfreundin von Sally zu Besuch gekommen.“

„Ich kenne sie aus dem Internat in Bath, und wir verstanden uns immer gut. Sie war eines der älteren Mädchen und hat mir mehr als einmal Strafen erspart.“ Sally unterbrach sich, um Luft zu holen. „Jedenfalls haben wir uns eine fabelhafte Geschichte für Großmama ausgedacht.“

„Und was für eine Geschichte, wenn ich fragen darf?“ James biss die Zähne zusammen. Er war keine fünf Minuten daheim und schon kurz davor, die Geduld zu verlieren.

„Dass du in Amerika eine hinreißende junge Dame aus England kennengelernt, dich in sie verliebt und sie geheiratet hast!“

Wie bitte? James starrte seine Schwester an. „Sag, dass das nicht wahr ist. Sag, dass ihr euch einen Scherz mit mir erlaubt.“

Pech gehabt. „Das alte Mädchen war regelrecht begeistert“, fügte Simon zufrieden hinzu. „Besser hätten wir es nicht machen können.“

„Nicht einmal du selbst, James.“ Sally nickte bekräftigend. „Ich habe deine Gattin zu einem Vorbild an Schicklichkeit, Pflichtbewusstsein und gesundem Menschenverstand gemacht. Sie ist genau die Art Frau, die zu dir passen würde. Großmutter befindet sich in dem Glauben, deine junge Gattin sei dir vorausgereist, um deine Ankunft hier zu erwarten … Allerdings hatten wir mit deinem Eintreffen nicht so bald gerechnet.“

Die Frau hörte sich nach einer unerträglichen Langweilerin an, doch das war sein geringstes Problem. James versuchte den wachsenden Ärger zu beherrschen. „Aber sie existiert nicht.“

Die Frau, die er heiraten würde, gab es nicht einmal im wirklichen Leben, geschweige denn in Sallys Einbildungskraft. Die jungen Damen von heute waren ihm zu schwierig. Entweder zählten für sie nur Anstand und Schicklichkeit und sie beurteilten jedermann nach ihren Maßstäben, so wie seine Großmutter es tat. Oder sie waren unberechenbar und durchtrieben wie seine Mutter und seine Schwester und ständig in irgendwelche Ränkespiele und Täuschungsmanöver verwickelt.

Alles, was er wollte, war ein einfaches Leben. Er hatte sich die Hörner abgestoßen und die romantischen Hirngespinste seiner Jugend hinter sich gelassen. Heutzutage gab es keine Jungfern mehr, derentwegen man Drachen tötete – nicht im langweiligen alten England. Und selbst in Amerika war das einzige Untier, das er hatte erlegen müssen, ein Braunbär gewesen. Glücklich bis ans selige Ende lebte man hier wie dort nicht. Man hielt sich an Regeln, arrangierte eine passende Verbindung und fand sich für den Rest seiner Tage damit ab.

„Ich habe nicht vor zu heiraten“, erklärte er mühsam beherrscht. „Und ich möchte nicht, dass Großmama glaubt, ich trüge mich mit entsprechenden Absichten.“

„Unsinn!“, rief Sally aus. „Eines Tages begegnest du der Frau deines Lebens und verliebst dich unsterblich in sie, aber im Augenblick reicht es, wenn du so tust, als hättest du eine Ehefrau. Großmutter wird keinen Unterschied merken, und alles läuft wie am Schnürchen.“

„Bis sie die Wahrheit herausfindet“, entgegnete James aufgebracht. „Hast du diese Möglichkeit bedacht?“

„Du bist noch genauso reizbar wie vor drei Jahren“, stellte Simon fest. „Dass man dich nach Amerika verschifft hat, scheint daran nichts geändert zu haben.“ Er grinste. „Hältst du bereits Ausschau nach einem Tümpel, in den du mich schubsen kannst?“

„Darum kümmere ich mich später.“ James richtete den Blick auf seine Schwester. „Außerdem will ich Großmutter nicht belügen.“

„Es war nicht vorgesehen, dass du es tun musst“, rechtfertigte sich Sally. „Wir dachten, dass du erst in ein paar Monaten zurückkehrst. Bis dahin hätte ich die Eintrittskarten längst gehabt und Großmama erzählt, dass deine Frau bei einem Kutschunfall zu Tode kam oder vom Fieber dahingerafft wurde.“

„Tragisches Ende, kurzer Prozess, Problem gelöst“, fühlte Simon sich bemüßigt zu erläutern.

James atmete tief durch und zählte bis zehn. Dann bis zwanzig. „Das interessiert mich alles nicht. Ich werde Großmutter nicht belügen.“

„Aber du musst! Unbedingt“, bettelte Sally. „Sie war so angetan von der Vorstellung von Urenkeln, die die Abstammungslinie weiterführen! Sie ist viel umgänglicher, seit wir deine Gattin erfunden haben. Wenn sie erfährt, dass alles eine Lüge war, wird sie mir niemals helfen … und dann werde ich nie zu Almack’s kommen und dem Mann meines Lebens begegnen!“

Das Mädchen hatte den Kopf voller Flausen. „Kein Mann, dessen schweres Schicksal es wäre, dich zu bändigen, würde je diesen tödlich langweiligen Ort aufsuchen“, erklärte James müde und hob die Hand, um ihrem Protest Einhalt zu gebieten. „Ja, ich weiß. Du musst trotzdem hingehen, unbedingt.“

„Es könnte Großmama umbringen, wenn du ihr jetzt die Wahrheit sagst“, gab Simon zu bedenken.

Sally faltete die Hände wie zum Gebet. „Lieber James, bitte sag, dass du mitspielst. Nicht bloß meinetwegen. Stell dir vor, wie peinlich es für meine arme Freundin würde! Sie zeigt sich unglaublich hilfsbereit, und das, nachdem sie anfangs gar nicht wollte.“

James kannte das Gefühl, das Besitz von ihm ergriff, nur allzu gut. Es war, als würde er in einem Sumpf versinken, aus dem es kein Entrinnen gab. „Was nicht wollte?“, erkundigte er sich matt.

Sally zuckte mit den Schultern. „Nun, deine Frau spielen natürlich.“

Wäre sie doch nur bei der Hecke geblieben …

Verzweifelt stach Pompeia Grant die Nadel in ihre Strickarbeit. Sally war nach oben gegangen, um neues Garn für ihre Großmutter zu holen, die in den zwei Tagen, die sie hier weilte, bereits fünf Paar Strümpfe für die Armen fertiggestellt hatte. Aber während die alte Lady Carling strickte, was die Nadeln hergaben, stellte ihre unglückselige Schwiegertochter sich selten geschickt an, um es milde auszudrücken. Nicht dass Pompeia etwas dagegen hatte, zwischen den beiden zu vermitteln, doch es wäre ihr lieber, wenn die herrschsüchtige alte Dame sie nicht ständig als leuchtendes Beispiel für all das hinstellen würde, was die Gattin eines Carling auszeichnen sollte. Es mochte sein, dass sie beim Stricken von Strümpfen mit den Besten mithalten konnte, aber als Ehefrau war sie völlig ungeeignet. Das bewies nicht zuletzt der Betrug, an dem sie gerade mitwirkte.

Autor

Barbara Monajem
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