Ein Feind zum Verlieben

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die ganze Welt scheint gegen sie zu sein! Trinity ist verzweifelt. Nur der attraktive Rhett Brannon steht ihr zur Seite, während sie die Stiftung ihres verstorbenen Mannes vor dem Verkauf zu retten versucht. Schon bald kann sich die junge Witwe dem Charme des sexy Beraters nicht mehr entziehen. Prickelnde Liebesstunden, in denen er sie sinnlich verwöhnt, wecken in ihr eine nie gekannte Sehnsucht. Doch dann erfährt Trinity, wer ihr leidenschaftlicher Liebhaber wirklich ist. Hat sie sich etwa in ihren Feind verliebt?


  • Erscheinungstag 26.05.2020
  • Bandnummer 2135
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726201
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Trinity Hyatt ging leise, fast auf Zehenspitzen, den Museumsflur entlang, wie ein Kind, das versucht, geräuschlos an seinen Eltern vorbeizuhuschen. Dabei war der Lärm, den die Veranstaltung im Westflügel machte, laut genug, um ihren Rückzug zu übertönen.

Nur einen Moment lang allein sein, ein paar Minuten ohne die bohrenden Blicke, die hämischen Bemerkungen, die neugierigen Fragen. Ein Augenblick Ruhe, um durchzuatmen.

Doch Trinity bekam die gemeine Schlagzeile einfach nicht aus dem Kopf, die sie heute Morgen als Erstes gelesen hatte, als sie den Computer anschaltete.

Verdächtige Heirat bedroht hiesige Jobs

Dieser verdammte Blogger … Ihre Mutter hatte ihr zwar eingeimpft, dass man keine Schimpfworte benutzen sollte, weil das nur ungebildete Leute taten. Doch jetzt, als Erwachsene, nahm Trinity es sich ab und zu heraus, zu fluchen. Es erleichterte die Seele, und es war die einzige Möglichkeit, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen.

Wusste dieser anonyme Schreiberling denn nicht, wie verletzend seine Worte waren? Ganz abgesehen von dem heimlich aufgenommenen Foto, das sie an Michaels Grab zeigte. Das halbe Land schaute zu, und alle fällten ihr Urteil. Warum begriff dieser selbsternannte Richter nicht, dass ihre Trauer echt war? Dass sie aus tiefstem Herzen weinte?

Heute Abend auf der Wohltätigkeitsgala hatte sie überall misstrauische Blicke geerntet und an jeder Ecke hinterhältiges Geflüster gehört. Der Blogger hatte ganze Arbeit geleistet. Aber nun war sie für eine Weile entkommen und genoss die Einsamkeit an einem ihrer Lieblingsorte in New Orleans.

Die Erinnerung an die schönen Stunden, die sie früher hier in diesem Museum verbracht hatte, beruhigte ihre gestressten Nerven. Wie oft war sie an der Hand ihrer Mutter durch die stillen Säle gewandert, versunken in den Anblick der Gemälde. Es waren Momente der Nähe, der Gemeinsamkeit, der Zuflucht, ohne dass jemand sie anbrüllte oder ihnen damit drohte, sie aus dem Haus zu werfen, weil sie zu arm waren, um die Miete zu bezahlen. Jeden Samstag, wenn der Eintritt ins Museum nichts kostete, waren sie mit dem Bus gekommen, um hier die freie Zeit zu verbringen, weit weg von Trinitys gewalttätigem Vater. Obwohl sie von Kunst damals nichts verstand, hatte sie sich magisch angezogen gefühlt von den Bildern und Skulpturen. Eine faszinierende Welt voller Schönheit.

Jahre später war sie an Michaels Seite durch diese Räume geschlendert. Er hatte ihr alles über die Künstler erzählt und beschrieben, auf welch verschlungenen Pfaden die Kunstwerke teilweise hierhergekommen waren.

Sowohl ihre Mutter als auch Michael waren jetzt tot. Doch Trinity verschloss ihr Leid in sich, denn Michael hatte ihr einen wichtigen Auftrag hinterlassen. Und sie hatte vor, ihn auszuführen. Mit hocherhobenem Haupt würde sie gleich zurück zu der Wohltätigkeitsveranstaltung gehen, um ihren besten Freund dort würdig zu vertreten.

Nur ein paar Minuten wollte sie die Stille hier in der Sammlung genießen, um sich zu wappnen für das, was ihr bevorstand.

Eine Spur von Schuldgefühl überkam sie, als sie an ihren Ehemann dachte. Ehemann – wie fremd das klang. Michael Hyatt war zehn Jahre älter gewesen als sie, und schon als sie noch ein Kind war, hatte er sie unter seine Fittiche genommen. Verheiratet waren sie gerade mal eine Woche gewesen. Immer noch konnte sie es kaum fassen, dass er nun nicht mehr da war. Vor knapp sechs Wochen war sein privater Hubschrauber abgestürzt und explodiert.

Seitdem drückte die Trauer um Michael sie nieder, Tag und Nacht.

Vor einem großen, über hundert Jahre alten Gemälde blieb sie stehen. Es zeigte eine Bäuerin mit einem kleinen Kind auf dem Arm. Es war ein vertrautes Bild in erdigen Farben, doch während Trinity es anschaute, drifteten ihre Gedanken ab. Selbst der Schmerz, der sie jedes Mal erfasste, wenn sie hier vor diesem Gemälde stand, war diesmal nur wie ein fernes Echo. Kinder, geliebt, geborgen … Es war ihr Lebensthema, aber heute Abend verdrängte sie es. Trinity schloss die Augen und konnte nicht verhindern, dass ihr eine einzelne Träne über die Wange rollte.

„Sie wirkt glücklich … Oder jedenfalls zufrieden, finden Sie nicht? Obwohl sie es im Leben bestimmt schwer hatte.“

Verblüfft, dass jemand genau das äußerte, was sie dachte, wenn sie dieses Bild betrachtete, drehte Trinity sich um. Sie hatte niemanden herankommen gehört. Hinter ihr stand ein Mann, dessen überwältigende Ausstrahlung sie atemlos machte.

An den Schläfen war sein Haar vorzeitig von ein paar Silberfäden durchzogen. Das passte zu seinen kühlen graugrünen Augen. Seine Haltung und sein Outfit verrieten, dass er sich in dem eleganten Ambiente des Museums zu Hause fühlte, doch er wirkte nicht, als habe das Leben in der High Society ihn verweichlicht. Neben ihm fühlte Trinity sich winzig. Bewundernd bemerkte sie die Muskeln, die sich unter seinem Smoking abzeichneten, ohne dass der Eindruck entstand, dieser Mann würde ständig nur trainieren.

Jetzt ließ er seinen Blick zu der einzelnen Träne auf ihrer Wange wandern, und Trinity wischte sie schnell weg. Zum Glück ließ er das unkommentiert.

Seine faszinierende Aura schlug sie stärker in den Bann, als es jedes Gemälde hier gekonnt hätte. Endlich atmete sie tief durch und nickte. „Ja, das habe ich auch schon oft gedacht.“

Es war nur ein winziger Moment, aber Trinity merkte, dass er überrascht war. Diesen Blick kannte sie nur zu gut. Sofort war sie alarmiert. Konnte es sein, das er ein Journalist war? Mittlerweile konnte sie diese Bluthunde von Weitem riechen. Schließlich wurde sie Tag für Tag von ihnen verfolgt.

Da den Medien bekannt war, dass sie in einer ländlichen Gegend aufgewachsen und streng religiös erzogen worden war, gingen die meisten Reporter davon aus, dass sie Dialekt sprach und dumm war. In den Augen der Öffentlichkeit war sie eine geldgierige Betrügerin, die sich das Hyatt-Vermögen erschlichen hatte. Dieses Vorurteil hatte zumindest Michaels Familie von ihr verbreitet, und die Journalisten waren darauf angesprungen, denn diese Geschichte sorgte für höhere Auflagen als die Wahrheit. Niemand schien sich dafür zu interessieren, wer sie wirklich war und was sie durchgemacht hatte.

Doch der erstaunte Blick des Mannes verschwand so schnell, dass Trinity dachte, wohl schon Gespenster zu sehen. Verzeihlich, wenn man ihre gegenwärtige Situation bedachte. Der Fremde musterte sie nun kühl von Kopf bis Fuß. Trinity wusste, dass sie in dem saphirblauen Abendkleid, das Michael ihr geschenkt hatte, gut aussah, und ausnahmsweise fühlte sie sich unter dem prüfenden Blick nicht ausgeliefert und verletzbar. Stattdessen durchflutete sie eine sinnliche Wärme, die sie verwirrte.

„Wollten Sie eine Weile allein sein und durchatmen?“, fragte er ruhig.

Wahrscheinlich war es nur Small Talk, aber es berührte Trinity, dass er ihre Gedanken aussprach. „Auf diesen Partys wird es immer schneller so stickig“, sagte sie.

„Stimmt. In jeder Hinsicht.“

Sein Grinsen war so echt, so mitreißend, dass es Trinity unter die Haut ging. Es erregte sie auf eine Weise, die sie nie zuvor verspürt hatte, und dieses Gefühl machte ihr Angst.

Aber er hatte sich schon wieder den Gemälden in der Rotunde zugewandt. Es handelte sich um zwölf auserwählte Kunstwerke, die dauerhaft in dem weißgolden gestrichenen Raum ausgestellt wurden.

„Hier ist es nicht nur unglaublich friedvoll. Es ist einzigartig. Ein Traum“, sagte er mit tiefer, samtweicher Stimme, die einen lustvollen Schauer über Trinitys Rücken sandte.

Was war denn heute Abend mit ihr los? „Waren Sie noch nie hier?“, fragte sie.

Einerseits hätte sie die Atmosphäre des Raumes gern allein genossen, und sie fühlte sich von diesem Mann gestört. Andererseits war die Anziehungskraft, die von ihm ausging, so stark, dass sie sich ihr nicht entziehen konnte.

Ich bin doch gerade erst Witwe geworden, rief sie sich im Stillen zur Ordnung.

Der Fremde schien ihren inneren Aufruhr nicht zu bemerken. „Nein. Heute zum ersten Mal. Überhaupt bin ich zum ersten Mal in New Orleans.“ Er reichte ihr die Hand. „Rhett Butler. Schön, Sie kennenzulernen.“

Trinity blieb der Mund offen stehen. „Meinen Sie das ernst?“

„Nein“, erwiderte er und lächelte sein umwerfendes Lächeln. „Ich heiße Rhett Brannon. Aber da wir hier in den Südstaaten sind …“

„Ich dachte schon, Ihre Eltern hätten einen seltsamen Sinn für Humor.“ Allerdings erinnerte er mit seinem dunklen Haar, der hochgewachsenen Gestalt und seinem unglaublichen Charisma durchaus an Rhett Butler aus Vom Winde verweht.

Trinity zögerte, denn sie witterte Gefahr. Dieser Mann war nicht nur höchst attraktiv, er könnte zugleich auch jemand sein, der ihr schaden wollte. Wenn sie die Ziele erreichen wollte, die Michael ihr vorgegeben hatte, durfte sie keinen Fehler machen.

Höflich gab sie ihm die Hand. „Danke. Ich bin Trinity, Trinity … Hyatt.“

Immer noch zögerte sie automatisch, wenn sie ihren neuen Nachnamen aussprechen sollte, obwohl die Hochzeit bereits zwei Monate her war. Aber sie wusste, dass es höchst wichtig war, selbstbewusst als Michaels Frau aufzutreten. Er hatte seine ganzen Hoffnungen auf sie gesetzt. Der Erhalt der Institution, an der ihnen beiden so viel lag, hing davon ab, dass sie das Richtige tat.

„Trinity?“, erwiderte Rhett und machte nicht den Eindruck, als wüsste er, wer sie war. Log er? Oder hatte er wirklich keine Ahnung? „Das ist auch ein ungewöhnlicher Name.“

„Meine Mutter war strenggläubig.“ Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht. „Ich habe mich immer gefragt, ob der Name mich ständig an Vater, Sohn und Heiligen Geist erinnern soll.“

„Und? Funktioniert es?“

Seine Frage kam so überraschend, dass sie ehrlich antwortete: „An manchen Tagen ja, an manchen nein.“

Sein breites Grinsen verriet ihr, dass er es nicht ganz ernst gemeint hatte. Wieder war sie fasziniert von seiner Ausstrahlung. „Das kann ich mir vorstellen“, sagte er.

Sie schwiegen einen Moment, und Trinity fühlte sich unbehaglich in der Gegenwart dieses überwältigend attraktiven Mannes. Ein wenig entspannte sie sich, als sie begannen, die Rotunde entlang zu schlendern. Zumindest musste sie so nicht seinem elektrisierenden Blick begegnen. Nach einer Weile brach sie das Schweigen. „Was führt Sie nach New Orleans?“

„Geschäfte. Leute, mit denen ich demnächst zusammenarbeiten werde, haben mich zu dieser Veranstaltung mitgenommen.“

„Wie großzügig.“

Er knurrte etwas, das sie als Zustimmung auffassen konnte oder auch nicht. „Sind Sie in Begleitung Ihres Mannes hier?“, fragte er dann.

Zuerst war sie verblüfft, doch dann folgte sie seinem Blick, der auf ihrem Ehering haftete. Der Smaragd, umgeben von kleinen Brillanten, glitzerte im Licht. „Nein“, antwortete sie. „Ich bin verwitwet.“

Es auszusprechen, fühlte sich seltsam an. Aber ihr kam es auch immer noch seltsam vor, dass sie und Michael verheiratet gewesen waren. Von Anfang an war ihr klar gewesen, dass sein Antrag zu seinen weitreichenden Plänen gehörte. Für sie war es selbstverständlich gewesen, jenem Mann zu helfen, der ihr bester Freund war. Nie hätte sie gedacht, dass ihre Entscheidung sie vor die härteste Prüfung ihres Lebens stellen würde. Das riesige Erbe, das sie angetreten hatte, entpuppte sich mehr und mehr als Fluch. Und es gab niemanden mehr, der ihr beistand.

Rhett schaute sie fragend an.

„Mein … mein Ehemann Michael Hyatt ist vor Kurzem bei einem Unfall ums Leben gekommen.“

Rhett nickte. „Ich glaube, ich habe davon gehört. Ein Hubschrauberabsturz, nicht wahr? Wie tragisch.“

Natürlich musste er davon gehört haben. Michael war ja nicht nur Trinitys langjähriger bester Freund und der Eigentümer jener Institution gewesen, deren Leiterin sie war. Darüber hinaus war er auch ein millionenschwerer Geschäftsmann gewesen. Blieb die Frage, was Rhett Brannon sonst noch gehört hatte.

Als ob er spüren würde, dass sie ihm misstraute, suchte er offen ihren Blick. „Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges, tief empfundenes Beileid aussprechen.“

Sie schaffte es nicht, seinem magischen Blick auszuweichen. Es schien, als meine er seine Worte ernst. „Danke“, sagte sie schlicht.

„Gern geschehen.“ Diesmal war sein Lächeln sanft, aber dadurch wirkte es fast noch charmanter.

Sekundenlang verlor sich Trinity in diesem Lächeln und wünschte, sie wäre nicht Michaels Witwe und nicht das derzeitige Stadtgespräch, sondern einfach eine Frau, die einem Flirt mit diesem attraktiven Mann nicht ausweichen würde.

Aber sie hatte keine Chance. Ganz abgesehen davon, dass man ihr Verschwinden von der Party bald bemerken würde.

„Ich muss da wieder rein“, erklärte sie. Bestimmt hatten Michaels Tante und Onkel längst jemanden auf die Suche nach ihr geschickt. Den beiden entging nichts, was Trinity tat.

Ebenso wenig wie den Medien.

Als sie an den Blogbeitrag in NOLA Secrets & Scandals von heute Morgen dachte, wurde sie ganz mutlos. Wenn Jenny, ihre Sekretärin, sie nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, wäre ihr der boshafte Artikel wohl entgangen. Darin wurde breit ausgewalzt, wie die reich gewordene Witwe dafür sorgen würde, dass zahllose Jobs verloren gehen und viele Tausend Familien ihren Lebensunterhalt verlieren würden. Woher die Informationen stammten, die die Grundlage des Artikels bildeten, wusste Trinity nicht. Als ob sie nicht schon genug Stress gehabt hätte …

Wieso begriffen die Menschen nicht, dass es sie sehr wohl beunruhigte, dass der Tod ihres Mannes und die Erbschaftsklage, die seine Tante und sein Onkel eingereicht hatten, Auswirkungen auf die Geschäftslage der Hyatt-Corporation haben würden? Immerhin beschäftigte das Unternehmen weltweit etwa fünfzigtausend Mitarbeiter.

Da konnte sie sich noch so oft sagen, dass sie ja nur Michaels Wünsche ausführte. Eigentlich aber wunderte sie sich, dass er sein global agierendes Unternehmen und das Schicksal seiner Angestellten in die Hände einer Frau gelegt hatte, die bisher nur Geschäftsführerin einer wohltätigen Einrichtung gewesen war. Doch ihre Zweifel ließ sie sich in der Öffentlichkeit nicht anmerken. Sie wusste genau, dass man jede Schwäche, die sie zeigte, gegen sie verwenden würde.

Sie hatte sich geschworen, alles zu tun, um Schaden von Michaels Firma und seinen Mitarbeitern abzuwenden. Wenn er der Überzeugung gewesen war, sie sei die Richtige für diesen Job, dann würde sie ihn nicht enttäuschen.

Dazu gehörte, sich von den flirrenden Gefühlen, die der Mann an ihrer Seite gerade in ihr weckte, nicht ablenken zu lassen. „Ich muss jetzt unbedingt wieder zurück zur Veranstaltung.“

„Aber wir haben uns doch noch gar nicht richtig …“

Trinity beschleunigte ihren Schritt, doch dabei verfing sich ihr hochhackiger Schuh im Saum ihres Kleides. Sie stolperte und suchte verzweifelt nach einem Halt.

Da fühlte sie sich von Rhetts festen, warmen Händen aufgefangen, roch sein elegant-maskulines Eau de Toilette und spürte seine Kraft, seine Energie. Zu gern hätte sie sich einfach in seine Arme geschmiegt.

Schuldbewusst wollte sie sich ihm entziehen, doch er hielt sie fest, bis er sicher war, dass sie wieder allein stehen konnte.

„Bitte nicht“, keuchte sie, erschrocken von ihrer Reaktion auf seine Nähe. Sie konnte sich Gefühle zurzeit nicht leisten, und schon gar nicht für einen Menschen, den sie kaum kannte.

„Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass Sie größere Menschenansammlungen nicht mögen“, bemerkte er.

Wieso sagte er das? „Ja, das stimmt, aber …“

„Wenn ich Sie nicht festgehalten hätte, wären Sie mit voller Wucht in dieses schöne Bild dort geknallt und hätten den Alarm ausgelöst. Dann wäre die Rotunde in Sekundenschnelle voller Menschen gewesen.“

Und die hätten sie in den Armen eines attraktiven Fremden erwischt, sechs Wochen, nachdem sie ihren Mann zu Grabe getragen hatte. Bei diesem Gedanken errötete sie unwillkürlich. Ein Albtraum.

„Danke“, krächzte sie und mied seinen Blick.

Doch das ließ er ihr nicht durchgehen. Sanft, doch nachdrücklich, legte er zwei Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Er stand so nah vor ihr, dass sie sich fast berührten.

Als er mit dem Daumen über ihre Unterlippe strich, rann ein heißer Schauer durch ihren Körper. Aus graugrünen Augen, die seltsam verhangen wirkten, schaute er auf sie hinunter, und in diesen Augen las sie etwas, das sie nicht deuten konnte.

„Es war mir ein Vergnügen“, erwiderte er leise. Und damit wandte er sich ab und ging davon.

„So, so, dann haben Sie unsere kleine Goldgräberin bereits kennengelernt.“

In Rhetts Ohren klang die Stimme von Richard Hyatt, als würde man mit den Fingernägeln auf einer Schultafel kratzen. Nur mühsam gelang es ihm, seinen Widerwillen zu verbergen. Er drehte sich um zu dem korpulenten Mann mit dem aufgedunsenen Gesicht. Richards Frau stand direkt neben ihm, äußerlich das genaue Gegenteil ihres Mannes. Sie war dünn und lang wie eine Bohnenstange, und ihr mageres Gesicht wirkte immer wie versteinert, egal, worum sich das Gespräch gerade drehte.

Irgendwie fiel es Rhett schwer zu glauben, dass das blasse, zarte Geschöpf, das er in der Rotunde kennengelernt hatte, freiwillig in diese Familie eingeheiratet hatte. Aber er durfte sich nicht von ihrem Äußeren täuschen lassen. Wer wusste besser als er, dass der schöne Schein oft trog. Oft genug war er das Ziel von Unehrlichkeit und Betrug geworden, sowohl privat als auch geschäftlich. Seitdem hatte er seine Sinne für jede Art von Täuschungsmanöver geschärft und galt als Experte darin, hinter einer hübschen, wohlanständigen Fassade die hässliche Wahrheit aufzuspüren.

Trinity wirkte auf den ersten Blick vollkommen unschuldig mit ihren rehbraunen Augen, die, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, jede ihrer Gefühlsregungen widerspiegelten. Ihre Schönheit hatte etwas so Reines, Wahrhaftiges, dass es ihm schwerfiel, in ihr eine berechnende Frau zu sehen, die Richards verstorbenen Neffen nur aus Habgier geheiratet hatte. Abgesehen davon weckte Trinity in ihm Gefühle, die seinem Auftrag, sie auszuforschen, nur hinderlich sein konnten.

In seiner Gegenwart hatte sie eine Träne vergossen. Echt oder gespielt? Vielleicht war sie einfach nur eine gute Schauspielerin, die sich an Michael Hyatt herangemacht hatte und durch seinen unverhofften Tod nun unendlich reich geworden war? Wie hatte sie es angestellt, sich erst in sein Bett und dann in sein Testament einzuschleichen? Was er bisher gehört hatte, war, dass ihre verführerische Unschuld nichts als eine Lüge war. Seine Aufgabe war nun, das zu beweisen.

Doch ihm kamen Zweifel. Irgendetwas an der ganzen Sache war faul. Normalerweise konnte Rhett seinem Instinkt blind vertrauen, wenn er jemanden kennenlernte. Doch bei Trinity war er unsicher, denn die Signale, die sie aussandte, waren nicht eindeutig. Allerdings hatte er nicht vor, seinem Auftraggeber diesen Verdacht mitzuteilen.

„Finden Sie es klug, mit mir gesehen zu werden?“, fragte Rhett und nippte an seinem Whisky. Normalerweise trank er im Dienst keinen Tropfen Alkohol, aber hier auf dieser Party musste er so tun, als sei er ein ganz normaler Gast. Ein Blick bewies ihm, dass Trinity sich bisher noch nicht wieder unter die Leute gemischt hatte. Doch falls sie erschien und ihn mit den Hyatts im Gespräch fand, musste es so beiläufig wie möglich aussehen.

„Nur ganz kurz“, sagte Richard und schaute suchend umher, ehe er Rhett eine schweißige, fette Hand reichte. „Ihnen fällt es bestimmt nicht schwer, das hier wie eine zufällige Begegnung wirken zu lassen.“

Rhett seufzte im Stillen und gab Hyatt die Hand. Er hasste es, mit Amateuren zu arbeiten, die glaubten, sie wüssten Bescheid.

„Selbstverständlich“, erwiderte er leise. „Schön, Sie kennenzulernen, Mr. Hyatt. Ich hatte vor einigen Minuten das Vergnügen, Trinity Hyatt zu begegnen.“

Richard grinste, als ob er Rhett dafür loben wollte, das Spiel, das er vorgeschlagen hatte, souverän mitzuspielen. Patricia jedoch fuhr scharf dazwischen: „Unterlassen Sie es, sie so zu nennen. Ich werde diese sogenannte Eheschließung mit meinem Neffen niemals akzeptieren. Niemals.“

Nun, diesen Standpunkt konnte sie Rhett zufolge gern vertreten. Laut Gesetz war Trinity jedoch eine Hyatt. Er verkniff sich nichtsdestoweniger eine Bemerkung. Sollten sich die Anwälte damit beschäftigen.

„Unsere Begegnung war übrigens sehr zufriedenstellend“, erläuterte er. „Für mein weiteres Vorgehen sehe ich keine Probleme.“

Die beiden Hyatts lächelten anerkennend. So sehr Rhett es auch verachtete, wie gierig Richard und Patricia hinter dem Erbe ihres Neffen her waren, so war ihr Misstrauen Trinity gegenüber doch nicht ganz ungerechtfertigt. Schließlich war Trinity Romero erst eine Woche vor dem tödlichen Unfall Michaels Frau geworden. Sie war von der kleinen Angestellten in einer seiner sozialen Einrichtungen zur millionenschweren Witwe geworden. Ihre neuen Verwandten hatten dagegen bereits Klage eingereicht. Zwar verfügte sie nur über ein handgeschriebenes Testament, doch ihr Anwalt beharrte darauf, dass das beglaubigte Original bei dem Hubschrauberabsturz verbrannt war.

Wie praktisch, dachte Rhett.

„Ich wusste, dass Sie der Richtige für diesen Job sind“, sagte Richard nun. „Unser Anwalt hat Sie empfohlen. In spätestens einer Woche ist sie Wachs in Ihren Händen …“

„Wahrscheinlich noch schneller“, murmelte seine Frau und musterte Rhett über den Rand ihres Weinglases hinweg anzüglich.

Richard ignorierte ihre Bemerkung und fuhr fort: „Sie werden die Wahrheit herausfinden, Rhett, und uns genügend Beweise für unser Gerichtsverfahren liefern, welches wir gewinnen werden. Dann hat dieser Spuk endlich ein Ende.“

„Ich muss Sie daran erinnern, dass ich möglicherweise länger brauchen werde. Es gibt keine Garantie für den von Ihnen gesteckten Zeitrahmen.“

„Ich habe volles Vertrauen in Sie“, sagte Richard und klopfte Rhett mit seiner fleischigen Hand herzhaft auf den Rücken. „Scheint übrigens, als ob wir Verstärkung bekommen hätten.“

Rhett war die Szene unangenehm, doch er ließ sich nichts anmerken. Außerdem wusste er, wovon der Mann sprach, aber er fragte: „Inwiefern?“

„Ein anonymer Blogger, der in New Orleans ziemlich viel Einfluss hat, schreibt seit Neuestem über Trinitys schmutzige kleine Geheimnisse. Das sollte uns helfen.“ Richard lachte hämisch. „Mein Anwalt schickt Ihnen gern den Link, damit Sie sich vor dem morgigen Meeting einen Überblick verschaffen können.“

Wieder ließ Rhett es sich nicht anmerken, dass er den Klatsch-Blog kannte. Wenn er arbeitete, stimmte jedes Detail. Nichts überließ er jemals dem Zufall. Natürlich hatte er den neuen Eintrag sofort gesehen, nachdem dieser online gegangen war. NOLA Secrets & Scandals war in der Stadt und in der Region überaus populär. Schon nach weniger als drei Monaten hatte der Instagram-Blog über hunderttausend Nutzer gewonnen, die ihm folgten. Wer Klatsch und Tratsch liebte, besonders in der High Society, kam hier voll auf seine Kosten und verbreitete die kleinen und größeren Skandalgeschichten weiter, die der Blogger aufgedeckt hatte.

Zum ersten Mal wünschte Rhett, er hätte diesen Job Chris, seinem Partner, übertragen. Doch Chris war vollauf damit beschäftigt, eine ältere Dame davor zu bewahren, von einem Loverboy ausgenommen zu werden. Dazu musste er die Lady selbst verführen und so dafür sorgen, dass ihren Kindern das rechtmäßige Erbe erhalten blieb.

Wenn man es oberflächlich betrachtete, war das, was Rhetts Firma tat, ein ziemlich schmutziges Geschäft. Aber das Gegenteil war der Fall. Vielleicht setzten er und Chris ihren Charme und ihr gutes Aussehen ein, flüsterten zärtliche Worte oder umarmten eine Frau ein wenig länger, als es sich gehörte, doch es gab eine Grenze, die sie niemals überschritten. Bisher war Rhett auch nie in Versuchung gewesen. Zu oft in seinem Leben hatten sich ihm Frauen in betrügerischer Absicht genähert. Daher würde er selbst nie eine Situation herbeiführen, die in einer Katastrophe enden musste.

Chris hatte sein Ziel fast erreicht, doch Rhett konnte nicht warten, bis der Fall gelöst war. Und Trinity war so schön, dass er bereit war, ihre unangenehmen Verwandten in Kauf zu nehmen. Sein Jagdinstinkt war erwacht, und er freute sich fast darauf, all seine Talente einzusetzen, um Trinitys Anspruch auf das Hyatt-Erbe auszuhebeln.

Dass diese Frau noch ganz andere Gefühle in ihm weckte, musste er einfach ignorieren.

Seine neuen Auftraggeber verabschiedeten sich lässig winkend. Rhett nahm noch einen kleinen Schluck Whisky und beobachtete Trinity. Instinktiv hatte er es sofort wahrgenommen, als sie in den Saal zurückgekehrt war. Seitdem war ihm keiner ihrer Blicke entgangen, obwohl sie versucht hatte, ihre Neugier zu verbergen. Jetzt verzog er den Mund, um sie wissen zu lassen, dass er die Hyatts verabscheute. Dann suchte er direkten Blickkontakt und hob sein Glas zu einem stummen Toast. Zufrieden sah er, dass sie seine Geste verwundert, jedoch mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis nahm.

Ganz gleich, was die Öffentlichkeit dachte, was ihre angeheirateten Verwandten sagen würden oder was sein schlechtes Gewissen ihm riet – Trinity näher kennenzulernen, würde ihm großes Vergnügen bereiten.

2. KAPITEL

Trinity musste sich zusammenreißen, um sich von der Anzahl der Leute, die im Konferenzraum von Hyatt Heights Inc. zu einer Sondersitzung zusammengekommen waren, nicht einschüchtern zu lassen. Ihr kam es eher vor wie eine UNO-Friedensversammlung als ein normales Meeting.

Zum einen waren da die ganzen Anwälte. Mit unbewegtem Gesichtsausdruck bauten sie ihre Laptops vor sich auf. Dann gab es die Manager. Einige von ihnen kannte Trinity, andere waren ihr völlig fremd. Und schließlich Richard und seine Frau Patricia. Von ihnen hatte Trinity in all den Jahren kein einziges freundliches Wort gehört.

Auch Michael gegenüber hatten sie nie so getan, als mochten sie ihn, obwohl er ihr einziger Neffe war. Stattdessen hatten sie ständig darüber geklagt, dass Hyatt Heights nicht genügend Umsatz machte. Ihr Hauptvorwurf war allerdings immer gewesen, dass er sein Geld zum Fenster hinauswarf, indem er das Maison de Jardin unterstützte. Diese soziale Einrichtung für Frauen und Kinder, die dort vor gewalttätigen Vätern und Ehemännern Schutz suchten, war nach dem Unfalltod seiner Eltern Michaels wichtigstes Anliegen gewesen.

Damals hatte auch die sonderbare Freundschaft zwischen Michael und Trinity begonnen. Beide hatten ihre Familien verloren, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. Gemeinsam mit ihrer Mutter hatte Trinity im Maison de Jardin Zuflucht gefunden. Die Begegnung mit Michael war entscheidend für ihren weiteren Lebensweg geworden.

Doch es nützte nichts, in Erinnerungen zu versinken, denn heute, bei dieser Vorstandssitzung, ging es für sie um alles.

Diese verdammten Blogs. Bestimmt hatten sie etwas damit zu tun.

Autor

Dani Wade
<p>Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...
Mehr erfahren