Ein frivoles Festtagsmenü

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Bis zum Fest muss die Restaurantkritikerin Tatiana jeden Abend mit ihrem Kollegen Cole essen gehen! Ihr Puls rast. Natürlich nur, weil Cole so unmöglich ist. Und dass sie sich plötzlich nach ihm verzehrt, liegt auch nur an der romantischen Weihnachtsstimmung überall, oder?


  • Erscheinungstag 07.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759773
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Frohes Fest! Draußen vom Walde komm ich her … Und wer hatte bloß den idiotischen Einfall mit dem Wichteln gehabt? Die Tochter des Chefredakteurs natürlich. Also hatten sämtliche Kollegen brav jeweils einen Zettel aus dem Hut gezogen, mit dem Namen eines anderen Kollegen darauf, dem sie ein Weihnachtsgeschenk machen mussten.

Tatiana verdrehte die Augen. Ja, auf diesen vorweihnachtlichen Brauch zurückzugreifen, war wirklich eine brillante Idee. In knapp zwei Wochen war Heiligabend. Und jetzt musste sie im Stress vor den Feiertagen auch noch ein Weihnachtsgeschenk für Cole Mitchell besorgen. Ausgerechnet für Cole, der mit einem silbernen Löffel im Mund auf die Welt gekommen war. Arrgh!

Nun, wenn sie ehrlich war, hatte sie an Weihnachten nicht gerade übermäßig viel vor. Ihre Eltern machten wie bereits im letzten Jahr eine Kreuzfahrt. Beide hatten ihr Leben lang beim Energieversorgungsunternehmen in Yurgash, Indiana, gearbeitet und waren inzwischen im wohlverdienten Ruhestand. Eis und Schnee im Dezember in Yurgash oder bei strahlendem Sonnenschein durch die Karibik schippern? Darüber musste man nicht lange nachdenken.

Ihre Eltern hatten ihr mitgeteilt, dass sie nach der vielen Arbeit ihr Leben noch ein bisschen genießen und Spaß haben wollten, bevor es zu spät dafür war. Tatsächlich hatte ihre Mutter ihr sogar einen mahnenden Vortrag über den Fluch der legendären Arbeitsmoral der Rumaskys gehalten. Was für ein Unsinn. Mom brauchte definitiv eine Auszeit.

Vergangenes Jahr hatte Tatiana Weihnachten zusammen mit Grandma Rumasky gefeiert. Doch in diesem Jahr waren Grandma und Ivan Chertoff nach Las Vegas aufgebrochen. Dort wollten die beiden schnell und unkompliziert in einer Hochzeitskapelle heiraten und dann die Flitterwochen in Spielkasinos verbringen. Grandma Rumasky hatte kein Glück, was ihre Ehemänner anging – sie hatten die ungute Neigung, ihr wegzusterben. Aber sie und Ivan waren entschlossen, jeden Tag in vollen Zügen auszukosten, der ihnen noch blieb. Nur zu!

Schließlich war sie achtundzwanzig Jahre alt und kein kleines Kind mehr. Es gab keinen Grund, warum sie Weihnachten nicht allein hier in ihrer Eigentumswohnung verbringen konnte. Das war keine große Sache.

Sie zerknüllte das Papier, auf dem die Restaurantkritik mit dem Namen ihres Kollegen und Erzfeindes abgedruckt war, und warf es in den Papierkorb unter ihrem Schreibtisch. Okay. Sie hatte vielleicht die Zeit, um ein Geschenk zu besorgen. Tatsächlich mochte sie Zeit in Hülle und Fülle haben. Aber für Cole? Nun, solange niemand erwartete, dass sie das Geschenk für ihn mit Wohlwollen aussuchte …

„Hast du deine E-Mails gecheckt?“ Elle steckte den Kopf durch die Tür von Tatianas Büro.

Wenn die Redaktionsassistentin solche Fragen stellte, konnte das nichts Gutes bedeuten. „Nein. Warum?“

„Melvin hatte eine Schnapsidee. Bestimmt hat sein Therapeut wieder die Dosis des Antidepressivums erhöht, das er einnimmt.“

Ihr allseits geschätzter Chefredakteur funktionierte optimal, wenn er genau die richtige Dosis Prozac einnahm. Im Gegensatz dazu war Elle auch ganz ohne die Unterstützung von Medikamenten emotional stabil und eine gradlinige Person. Sie sagte die Dinge so, wie sie waren. Daher war Tatiana auf alles gefasst. „Schieß los. Worum handelt es sich?“

„Melvin hat per E-Mail verfügt, dass wir uns jetzt an acht Tagen Weihnachtsgeschenke machen sollen, um so richtig in Festtagsstimmung zu kommen.“

„Oh, Mann. Das klingt wirklich nach einem Knaller. Wie ist er darauf gekommen?“

„Er wollte politisch korrekt sein“, erklärte Elle. „Neben Weihnachten, das zwölf Tage lang dauert, hat er das achttägige jüdische Lichterfest Chanukka und das siebentägige afroamerikanische Fest Kwanzaa berücksichtigt. Von diesen drei Winterfesten hat er den Durchschnittswert errechnet. So ist er auf acht Tage gekommen.“

Tatiana wollte nicht jammern, aber in diesem Jahr entwickelte sich die Weihnachtszeit zunehmend zu einem Fiasko. Sie rechnete schnell nach und stellte fest, dass Melvin nicht gerade ein Mathematikgenie war. Das richtige Ergebnis lautete neun Tage, was sie allerdings mit keinem Wort erwähnte.

„Weißt du, warum sich die Fenster hier im siebenundzwanzigsten Stockwerk nicht öffnen lassen?“, fragte sie Elle und zeigte mit dem Daumen auf das Fenster hinter sich. „Weil wir sonst zu sehr in Versuchung geraten würden hinauszuspringen.“

Es war gut, dass Melvin brillant in seinem Job war, denn was er sich sonst noch so einfallen ließ … Jetzt sollte sie Cole sogar acht Weihnachtsgeschenke machen. Offenbar reichte es nicht, dass sie ihn während der Arbeit ertragen musste. Nun musste sie auch noch ihr hart verdientes Geld für ihn ausgeben. „Bitte sag mir, dass Melvin nur einen Scherz gemacht hat.“

„Äh … nein.“

Tatiana betrachtete Elle, die sich eine Strähne ihrer glatten, blonden Haare hinter ein Ohr strich. Sie war groß gewachsen, dünn wie ein Model und hatte Niveau. Es wäre so einfach, sie zu hassen, wenn sie nicht zu nett dazu wäre. Ganz anders als Cole Mitchell. Ihn zu verabscheuen war ein Kinderspiel.

Connoisseur war das führende Reise- und Gourmetmagazin, das seit langem ein großes Renommee genoss. Schon seitdem sie während des Colleges als Kellnerin gejobbt hatte, war ihr klar gewesen, dass sie Restaurantkritikerin bei dem Magazin werden wollte. Fremde, exotische Länder zu besuchen, um für anspruchsvolle Reisende Restaurants zu testen und zu bewerten, war ihr Traumjob. Mit unbeirrter Entschlossenheit hatte sie lange und hart dafür gearbeitet, um eine der beiden begehrten und viel beachteten Positionen bei Connoisseur zu ergattern.

Und dann war Cole hereinspaziert und hatte den gleichen Job bekommen, einfach weil seine Familie Beziehungen hatte. Vielleicht hätte sie es noch geschafft, darüber hinwegzusehen, wenn zwischen ihnen nicht vom ersten Tag an die Funken geflogen wären. Nein, Cole Mitchell nicht zu mögen, fiel ihr leicht. Sein gutes Aussehen und sein lässiger Charme sprachen ihrer Ansicht nach nur noch zusätzlich gegen ihn.

„Das ist Melvin, der unter achtzehn Leuten gleichzeitig Liebe und Frieden verbreitet“, fuhr Elle fort. Sie ging näher an den Schreibtisch heran und senkte die Stimme. „Also, wen musst du beschenken?“

„Oh nein“, meinte Tatiana. „Das verrate ich nicht.“ Mit Elle konnte man wirklich Spaß haben. Zudem war sie eine großartige Informationsquelle, wenn es um Interna ging. Aber sie war auch eine notorische Klatschtante. Und die Feindseligkeit, die sich zwischen Tatiana und Cole entwickelte, verfolgten sowieso schon alle Kollegen mit Argusaugen. Auf keinen Fall könnte Elle für sich behalten, dass Cole derjenige war, den Tatiana beschenken musste.

„Dir rutscht es mit Sicherheit heraus. Dann erfährt Melvin, dass ich den Mund nicht halten konnte. Er wird sich etwas total Schreckliches für mich ausdenken, weil ich das Überraschungselement seiner achttägigen Wichtelaktion zunichte­gemacht habe. Das geht auf keinen Fall.“

„Ich erzähle es nicht weiter“, beharrte Elle.

Das ist so sicher wie die Steuer, dachte Tatiana. „Natürlich nicht absichtlich“, meinte sie beschwichtigend.

„Na, dann lies jetzt mal die E-Mail.“ Die Redaktionsassistentin verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Sie überflog Melvins Rundschreiben. Demnach musste sie Cole Mitchell tatsächlich acht Geschenke machen. Vielleicht könnte sie ihm zuerst passend zu seinem großen Ego eine Persönlichkeit schenken. Leider wusste sie nicht, wo sie für den arroganten Blödmann eine Persönlichkeit erstehen könnte. Aber sie wusste, was sie ihm als erstes Geschenk bestellen konnte. Sie gab ihre Anfrage in eine Suchmaschine ein und grinste dabei teuflisch. Sie liebte Onlineshopping.

Tatiana Allen. Er hatte das große Los gezogen. Cole Mitchell dehnte die Nackenmuskulatur. Vergeblich. Der Schmerz, den Tatiana auslöste, war nicht körperlich, sondern mental. Ohnehin machte sie ihm in weit südlicheren Gefilden seines Körpers zu schaffen als seinem Nacken.

Achtzehn Kollegen waren in der Redaktion versammelt, und er musste ausgerechnet diese Xanthippe mit der scharfen Zunge beschenken. Fröhliche Weihnachten! Vielleicht könnte er ihr einen Fahrschein schenken, mit dem sie möglichst weit wegfahren konnte. Ohne Rückfahrticket. Das Problem war, dass sie in ferne Länder verreiste, aber genau wie sein wiederkehrender Schmerz immer wieder zurückkam. Dabei konnte er es inzwischen kaum erwarten, sich mit ihr verbale Scharmützel zu liefern, wenn sie beide in der Redaktion waren – so pervers es war.

Cole dachte nochmals darüber nach. Wenn sie genau die Weihnachtsgeschenke bekäme, die sie verdiente, wäre die ganze Sache vielleicht überhaupt nicht so schlimm. Ja, er würde ihr etwas schenken, das alle anderen in Gelächter ausbrechen und sie dumm dastehen ließ. Dann könnte die Bescherung sogar spannend sein.

Das Telefon klingelte, und das Display zeigte die hausinterne Leitung. Er nahm den Hörer ab.

„Cole?“, meinte Elle.

„Ja?“

„Melvin will, dass du so schnell wie möglich in sein Büro kommst.“

„Sicher.“ Er legte auf, nahm seinen Terminkalender und stand auf.

Der Chefredakteur war ein echter Spinner. Er war einer jener Typen, bei denen man sich fragte, wie sie mit ihren zahlreichen Ticks im Beruf so weit gekommen waren. Zu seinem Glück hatte Melvin ein sehr gutes Auge für Kritiken und Artikel. Das nannte man wohl professionelle Schizophrenie.

Natürlich stellte eine Reihe von Leuten Coles Erfolg infrage. Er wusste, dass Tatiana ihm gegenüber vor allem deswegen so negativ eingestellt war. Sie sah nur, wie er den Job anscheinend bekommen hatte. Dabei hatte sie keine Ahnung, dass er gerade noch einmal mit heiler Haut davongekommen war. Alle hatten sich bereits fünf Minuten nachdem das Treffen seines Vaters mit dem Herausgeber von Connoisseur stattgefunden hatte, den Mund darüber zerrissen.

Doch niemand außer Cole wusste, dass sein Vater bei der Unterredung versucht hatte, ihm Steine in den Weg zu legen. Aber wenn die Leute glauben wollten, dass er durch Beziehungen an den Job gekommen war, scherte er sich nicht darum. Er hatte es schon lange aufgegeben, die Leute zu bitten, ihm eine Chance zu geben, um ihnen zu beweisen, dass sie ihn mögen könnten.

Er ging durch den Flur und hielt vor Melvins Eckbüro inne. Elle, die den Telefonhörer am Ohr hatte, winkte ihn herein. Er betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich. Großartig. Tatiana saß bereits in einem der beiden Stühle, die vor Melvins Schreibtisch standen.

Die boshafte Feenkönigin, wie er sie insgeheim ab und zu nannte, hatte rote, kaum zu bändigende Locken und grüne Augen. Die markante Nase erinnerte an Barbra Streisand. Ihr sinnlicher Mund ließ einen Mann unweigerlich an heiße Küsse denken … Aber nur, solange er noch keine Bekanntschaft mit ihrer scharfen Zunge gemacht hatte. Sie war eher eine auffallende Erscheinung als hübsch im klassischen Sinn.

Melvin, der hager war und schon vor der Zeit schütteres Haar hatte, deutete ihm mit einer Handbewegung an, sich auf den Stuhl neben Tatiana zu setzen. Als Cole der Aufforderung folgte, fielen ihm nicht zum ersten Mal ihre Beine ins Auge. Sie hatte wirklich sehr schöne Beine – insbesondere für einen Drachen. Sie lächelte ihn zwar an, doch er traute ihrer demonstrativ zur Schau gestellten Freundlichkeit keine Sekunde lang über den Weg. Entweder sie war krank, oder sie führte etwas im Schilde. „Geht es dir heute nicht so gut?“, fragte er.

„Mir geht es bestens.“ Sie lächelte zuckersüß. „Danke der Nachfrage.“

Obwohl ihr Lächeln aufgesetzt war, elektrisierte es ihn.

„Ihr beide fragt euch wahrscheinlich, warum ich euch zusammen zu mir bestellt habe“, ergriff Melvin das Wort.

Cole warf einen Seitenblick auf Tatiana und konnte beinahe sehen, dass ihr eine bissige Bemerkung auf der Zunge lag. Er musste zugeben, dass es nie langweilig wurde, wenn sie in der Nähe war.

Sie schluckte und sagte: „Du wolltest uns persönlich sagen, dass du dir nur einen Spaß erlaubt hast. Ich meine das Rundschreiben, laut dem wir jetzt alle an acht Tagen den Weihnachtsmann spielen sollen.“

Melvin zuckte zurück. „Definitiv nicht. Das ist für uns alle eine wundervolle Gelegenheit, enger zusammenzuwachsen. Ich möchte wirklich, dass du und alle anderen Kollegen sich Gedanken darüber machen, welches Geschenk dem Betreffenden gefallen könnte. Wie ich schon in der E-Mail ausgeführt habe, sollen die Geschenke sowohl etwas über den Schenkenden als auch über den Beschenkten aussagen.“

Hoppla, da hatte wohl wieder jemand die Dosis von Melvins Wohlfühlpillen erhöht. Cole konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hatte gewiss vor, Tatiana mit seinen Geschenken etwas mitzuteilen.

„Siehst du, Cole ist begeistert von der Idee“, sagte Melvin zu Tatiana. „Du musst dich einfach noch in Weihnachtsstimmung bringen. Immerhin ist es das Fest der Liebe.“

Sie warf Cole einen vernichtenden Blick zu.

Er konnte sich nicht mehr zurückhalten und grinste breit. Danke, Melvin. Es stand eins zu null für ihn.

Autor

Jennifer La Brecque
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