Ein Heiratsantrag zum Fest der Liebe?

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Sechs Jahre ist es her, seit Isabella einem Verletzten half. Jetzt erwartet sie eine Überraschung: Gesund und munter steht Lord Easton vor ihr - attraktiv und sehr entschlossen, sie an Weihnachten zu erobern.


  • Erscheinungstag 20.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728380
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Hier ist Wasser.“

Eine sanfte Hand hob seinen Kopf, und der Rand eines Metallbechers wurde an seine trockenen Lippen gehalten. Begierig trank er. Erst jetzt merkte er, wie durstig er war – ein Gefühl, das die Schmerzen der Brandwunden und anderer Verletzungen verdrängt hatten.

Als der Becher verschwand, stellte er die Frage, die ihn schon sein Stunden verfolgte. „Ist der Morgen angebrochen?“

„Nein, es ist immer noch Nacht.“

Eine weibliche Stimme. Englisch. Und kultiviert, schätzte er unwillkürlich.

„Noch etwas Wasser?“

„Bitte.“ Das Bedürfnis, die Frau an seiner Seite festzuhalten – das Dunkel zu verscheuchen –, überwog sogar seinen Durst. Trotzdem trank er einige Schlucke.

Kurz nach der Schlacht hatten sie ihm die Augen verbunden. Doch da war er bereits von der Finsternis eingehüllt gewesen. Nur sie allein fürchtete er.

Ein zweites Mal wurde der Becher von seinen Lippen entfernt, und er wusste, nun würde die Frau ihn verlassen. So wie die Freunde, die ihn hierher gebracht hatten. An diesem Ort an der französischen Küste sollte er warten, bis die Schiffe eintreffen und die Verwundeten nach England befördern würden.

Wenn sie davonging, würde die schreckliche Schwärze zurückkehren.

„Könnten Sie eine Weile hierbleiben?“, hörte er sich bitten, trotz seiner Erkenntnis, wie feige dieser Wunsch wirken musste. „Es sei denn, andere Männer brauchen Wasser …?“

„Nein, Sie sind der letzte Patient“, antwortete die Frau mit freundlicher Stimme.

„Das fiel mir auf“, sagte er, um das Gespräch fortzusetzen, „dieses klirrende Geräusch des Bechers am Rand des Eimers. Aber dann kam niemand.“

„Sie waren so still, Sir. Sicher dachten alle Pflegerinnen, Sie würden schlafen.“

Angesichts seiner Verletzungen hatten sie das wahrscheinlich für einen Segen gehalten. Und es wäre tatsächlich erstrebenswert gewesen. Doch er hatte keinen Schlaf gefunden, denn die Sorge um die Zukunft raubte ihm alle Hoffnung auf erholsame Ruhe.

Er hatte beschlossen, niemand dürfte ihn klagen hören. Immerhin war er ein Soldat, und andere hatten noch schlimmer gelitten als er.

Und jetzt – vielleicht lag es am Gedanken an zu Hause oder an der anonymen Situation – musste er sich dieser Frau anvertrauen, das Ausmaß seiner Feigheit gestehen, wenn auch nur einer unbekannten Stimme in der Dunkelheit.

Voller Selbstverachtung verzog er den Mund, weil es so lächerlich klingen würde, was er zu sagen hatte. Von einem schmerzhaften Ziehen in seiner verbrannten Wangenhaut wurde die Bewegung behindert. Doch das Geständnis rang sich wie von selbst aus seiner Kehle.

„Wie ein Kind fürchte ich mich in der Dunkelheit.“

Dann verstummte er und erwartete eine strenge Moralpredigt oder sogar einen Tadel wegen seiner Schwäche. Stattdessen schwieg die Frau – so lange, dass er wieder die Laute menschlicher Qualen ringsum hörte.

Schließlich fragte sie: „Sie nehmen bereitwillig Wasser von mir an, aber nicht meine Hilfe, wenn ich Sie umherführen würde?“

„Nicht wenn …“ Er zögerte, bevor er die Wahrheit aussprach. „Nicht wenn ich für immer geführt werden müsste.“

Nie mehr reiten. Nie mehr tanzen. Nie wieder unbeschwert über eine Wiese wandern. Nie die Gesichter seiner Kinder sehen.

Bei diesem Gedanken schien sich ein schweres Gewicht auf seine Brust zu legen. Noch nie im Leben hatte er an seine künftige Nachkommenschaft gedacht, immer war etwas anderes wichtiger gewesen. Freunde. Sein Regiment. Die Kameraden. Der berauschende Sog der Gefahr, der sie täglich die Stirn boten, manchmal mit einer Zuversicht, die an Wahnsinn grenzte.

Jetzt erstreckte sich vor ihm eine Vision seines restlichen Daseins – eine Kombination aus Abhängigkeit und Invalidität. Diesem Los würde er sogar den Tod vorziehen, am besten hier, fern von allem, was er jemals gekannt und geliebt hatte.

„Weil Sie dann kein ganzer Mann mehr wären, Sir?“

Mochte es das sein, was er fürchtete? Zeugungsunfähig infolge seines Gebrechens?

„Müsste ich damit rechnen?“

Sie war eine Frau. Sicher konnte sie diese Frage besser beantworten als er selbst.

„Nach meiner Ansicht würde das von dem Mann abhängen, der Sie früher waren.“

Darüber dachte er eine Zeit lang nach und nutzte die geistige Herausforderung, um die unbarmherzigen Schmerzen im Zaum zu halten. Natürlich wusste er, welchen Ruf er genoss. Furchtlos. Dieses Wort war oft genug gebraucht worden, um ein leichtfertiges Abenteuer zu schildern, in das er sich bedenkenlos gestürzt hatte.

Und darin lag die Kernfrage. Niemals hatte er über den Moment zwischen Leben und Tod hinausgedacht, niemals die Möglichkeit eines Lebens erwogen, das sich von seinen gewohnten Erfahrungen unterschied. Besaß er den Mut, mit der Behinderung zu leben, die er sich ausmalte, seit sie die Binde über seine Augen gelegt hatten?

„Gewiss führt man ein einfaches Leben, wenn man jung und frei und stark ist.“ Die Stimme neben ihm echote seine Gedanken. „Aber ohne das alles – ich glaube, das Schicksal der Blindheit erfordert einen Mann von bemerkenswertem Mut.“ Sie sprach so leise, dass er sich anstrengen musste, um das letzte Wort zu verstehen.

Und dann, in der Stille, die endlich auf die Verwundeten herabgesunken war, ertönte fernes Glockenläuten, ein heiterer, klarer Klang, ganz anders als das Stöhnen der Leidenden.

Ein Fest? Die Feier eines hart erkämpften Sieges, in einer Schlacht, an der er nicht teilgenommen hatte?

„Was bedeutet das? Was geschieht da draußen?“

„Weihnachten.“ In der Frauenstimme schwang Staunen mit. „Der Weihnachtsmorgen. Das hatte ich ganz vergessen …“ Der letzte Satz wies auf schwache Belustigung hin.

„Weihnachten“, wiederholte er kaum hörbar.

Erinnerungen, die dieses Wort heraufbeschwor, stürmten auf ihn ein und verjagten das Dunkel, das alles Gute in seinem Leben zu vernichten gedroht hatte. Plötzlich erschienen tausend Bilder, hell und fröhlich und einst so vertraut, so geliebt.

„Eine Jahreszeit voller Wunder“, fügte sie hinzu. „Vielleicht …“

Erneut verhallten die restlichen Worte. Doch sie waren überflüssig. Was wirklich zählte, hatte sie bereits gesagt.

Daran klammerte er sich in den nächsten langen Tagen und Nächten, nicht so sehr an die unausgesprochene Andeutung, ein Wunder könnte sich immer noch ereignen. Ich glaube, ein solches Leben verlangt einen Mann von bemerkenswertem Mut.

Und in den Jahren, die diesem Augenblick folgten, war unerschütterlicher Mut das Einzige, worum er in seinen Gebeten flehte.

1. KAPITEL

Soeben ist Post eingetroffen, Mylord, vielleicht die Antwort, auf die Sie gewartet haben.“

Rodgers’ Mitteilung verengte seine Kehle, was Guy sich nicht ganz erklären konnte. Gewiss, er hatte eine Antwort auf eine Erkundigung erwartet. Doch er sah keinen Grund, diese würde die gewünschte Information enthalten – ebenso wenig wie seine zahlreichen anderen Anfragen in den letzten fünf Jahren.

„Würden Sie mir den Brief vorlesen, Rodgers?“ Zu Guys Erleichterung verriet seine Stimme nichts vom Aufruhr seiner Gefühle.

„Natürlich, Mylord.“ Nach einer kurzen Pause fügte der Butler hinzu: „Die Kerzen, Mylord. Wenn ich darf …?“

„Ja, selbstverständlich.“ Guy wartete, bis Rodgers genug Kerzen angezündet hatte, um in ihrem Licht den Brief zu entziffern.

Bevor der Butler anfing zu lesen, räusperte er sich. Nur stockend kamen die komplizierten Wörter über seine Lippen, die einfachen umso schneller.

Im ersten Abschnitt des Schreibens würdigte Major Roland Abernathy in höflichen Worten Viscount Eastons militärische Leistungen. Dann bekundete er seine Hoffnung auf einen weiteren guten Gesundheitszustand Seiner Lordschaft. Erst im zweiten Absatz erwähnte er den Grund der Korrespondenz. Obwohl Rodgers ein wenig stotterte – die gewünschte Erklärung wurde überraschend schnell abgegeben.

Falls man nach fünf Jahren von „schnell“ sprechen konnte.

„‚Meines Wissens hielt sich während des Zeitraums, den Sie nannten, nur eine einzige Engländerin von gehobenem Stand in St. Jean de Luz auf, Captain William Stowes Gemahlin Isabella. Allerdings weiß ich nicht, ob sie die Dame ist, die Sie suchen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass Mrs. Stowe, deren Großmutter eine Portugiesin war, den Bemühungen der Alliierten hervorragende Dienste geleistet hat. Ihren derzeitigen Wohnort kenne ich leider nicht. Da sie inzwischen verwitwet ist und die Pension ihres verstorbenen Ehemanns bezieht, wird Ihnen der Kommandeur von Captain Stowes Regiment möglicherweise weitere Auskünfte geben …‘“

Während Rodgers die abschließenden Bemerkungen des Majors vorlas, galt Guys Interesse nurmehr der ersehnten Information. Nun hatte die Frau, die in jener Dezembernacht sein Leben gerettet hatte, einen Namen. Isabella Stowe, deren Großmutter eine Portugiesin gewesen und die nun verwitwet war.

In seiner Fantasie entstanden infolge der neu gewonnenen Kenntnisse Visionen, die sich von früheren Vermutungen unterschieden. Was immer die Frau sein mochte, deren Worte ihn vor abgrundtiefer Verzweiflung bewahrt hatten – sie war keine typische Engländerin, abgesehen von einem wichtigen Aspekt.

So wie viele Hundert andere Frauen, die wegen des Krieges gegen Napoleon ihre Ehemänner verloren hatten, lebte sie vielleicht in beschränkten Umständen. Wenigstens in dieser Hinsicht konnte er etwas unternehmen.

Und falls er sich diesbezüglich irrte, wollte er ihr danken, denn sie hatte so viel für ihn getan. Natürlich war das der Grund gewesen, der ihn zu seinen Nachforschungen bewogen hatte. Jetzt kannte er ihren Namen, das Ziel seiner langen Suche geriet in Reichweite.

Isabella senkte den Kopf. Mit ihrem Daumen und dem Zeigefinger schloss sie die Augen. Dadurch verringerte sie weder die Schmerzen in ihren Schläfen noch den Stapel der Rechnungen, die vor ihr lagen.

Gegen dieses Problem konnte sie anscheinend nichts tun. Die Pension ihres verstorbenen Mannes reichte nicht aus, ihre Bemühungen, das spärliche Einkommen aufzubessern, waren fehlgeschlagen. Und wenn kein Essen mehr auf den Tisch gelangte …

„Eine gute Tasse Tee wird Sie stärken, meine Liebe“, entschied die Haushälterin. Mit der Vertraulichkeit ihres jahrelangen Dienstes schob die sie Zahlungsaufforderungen der Ladenbesitzer beiseite, um auf dem Schreibtisch Platz für die Kanne zu schaffen. „Ein Gewitter braut sich zusammen. Nur deshalb haben Sie Kopfweh“, fuhr sie fröhlich fort und schenkte den Tee ein. „Meinem Großvater ist es genauso gegangen, der hat jedes Unwetter vorausgesehen.“

In der Tat, ein Gewitter braute sich zusammen, stimmte Isabella in Gedanken zu und hob die Tasse an ihre Lippen. Und zwar eines, bei dem Sturm und Regen keine Rolle spielten.

„Was sagte Mr. Winters, als er Ihnen diese Mahnung gab?“ Isabella blickte auf, um herauszufinden, ob sie eine ehrliche Antwort erhalten würde.

„Nun, ich habe ihm ganz gehörig die Meinung gegeigt“, erwiderte Hannah resolut. „Einer von seiner Sorte stellt Forderungen an Mrs. Stowe, warf ich ihm vor, und er sollte sich schämen.“

„Weil er bezahlt werden will? Das dürfen Sie ihm wohl kaum verübeln. Immerhin muss er eine Familie ernähren.“

„Und haben Sie ihm nicht stets sein Geld gegeben? Solange wir seine Kundschaft waren? Er wird’s schon noch kriegen, das habe ich ihm versichert.“

Diesmal vermutlich nicht, dachte Isabella bedrückt, weder Mr. Winters noch die anderen Geschäftsleute, die mir während des Winters einen Kredit zubilligten …

In diesen Wintermonaten hatte das Dach repariert werden müssen. Zudem hatten Hannah und ihr Mann, der das Haus wartete, die Dienste des Apothekers gebraucht.

Nach fünf Jahren war nichts von Williams Vermögen übrig geblieben, und Isabella bezog nur ihre bescheidene Witwenrente. Die genügte ihr nicht einmal, um ihr Domizil instand zu halten oder für ihr Personal zu sorgen.

„So, jetzt geht’s Ihnen besser, nicht wahr?“, meinte Hannah.

„Ja, danke“, log Isabella. Irgendwie gelang es ihr, die Haushälterin anzulächeln, die in den letzten Jahren gleichsam ein Familienmitglied geworden war.

Wie Hannah und Ned zurechtkommen sollten, wenn sie das Haus notgedrungen verkaufen würde, wollte Isabella sich gar nicht vorstellen. Die beiden befanden sich im fortgeschrittenen Alter, was die Krankheiten im vergangenen Winter bewiesen hatten, und die Arbeit fiel ihnen zusehends schwerer.

Vielleicht würde ihr der Verkaufserlös ermöglichen, für die beiden ein bescheidenes Cottage zu erwerben, in dem sie ihre letzten Jahre verbringen konnten? Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Selbst wenn sie ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten vermochte, das Geld würde für den Lebensunterhalt des Ehepaars und ihren eigenen nicht reichen.

Bei dieser Erkenntnis der grausamen Realität musste sie geseufzt haben, denn Hannah wandte sich vom Kamin ab, wo sie das Feuer geschürt hatte, und schaute sie an.

„Soll ich Ihre Schläfen abreiben, Mrs. Stowe? Mit einem Taschentuch, in Essig getränkt? Darauf schwor meine Mutter. Bis zum Tag ihres Todes litt sie an Kopfschmerzen.“

„Um meinen Kopf geht es nicht“, gestand Isabella. „In Wirklichkeit …“ Sie zögerte, denn es widerstrebte ihr, die qualvolle Erkenntnis auszusprechen, zu der sie an diesem Morgen gezwungen wurde. „Ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll“, fuhr sie mit schwacher Stimme fort.

Um sich selber bangte sie nicht. Sie entstammte einer guten Familie und hatte eine hervorragende Ausbildung genossen. Und sie hatte weite Reisen unternommen, in einer Zeit, die diesen Luxus den meisten Engländerinnen verwehrt hatte. Sogar in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten bezweifelte sie nicht, dass sie die Stellung einer Gesellschafterin oder einer Gouvernante antreten könnte, obwohl sie nur über sehr geringe Erfahrungen mit Kindern verfügte. Andererseits, Hannah und Ned …

„Bald wird sich alles zum Guten wenden, meine Liebe“, beteuerte die Haushälterin. „Machen Sie sich unseretwegen keine Gedanken. Solange wir ein Dach über dem Kopf und eine Tasse Tee haben – was sollen wir uns sonst noch wünschen? Erst neulich sagte Ned, die Gartenbeete an der Seite würden sich für den Anbau weiterer Gemüsesorten eignen, weil die Morgensonne darauf scheint. Wer weiß, was ihm alles einfällt, wenn er sich damit beschäftigt!“

Als es an der Haustür klopfte, zuckten beide Frauen erstaunt zusammen. Hannah legte den Schürhaken beiseite, den sie geschwungen hatte, und wischte ihre Hände an der Schürze ab. „Wer mag das sein, bei diesem Regen?“

Das fragte sich auch Isabella. Inzwischen prasselte der Gewitterregen auf das neue Dach. In einem stummen Gebet flehte sie den Himmel an, nach der kostspieligen Reparatur möge es dem Angriff des Unwetters standhalten.

Während Hannah in der Eingangshalle verschwand, starrte Isabella wieder auf die gestapelten Rechnungen. Bitte, lieber Gott, nicht noch eine Mahnung …

Sie hörte Hannahs Stimme, die des Besuchers nicht. Vielleicht der Nachbar? Oder ein Reisender, der sich nach dem Weg erkundigen wollte. Offenbar keiner ihrer gefürchteten Gläubiger …

„Da ist ein Gentleman, Mrs. Stowe.“ Die Haushälterin kehrte in die Bibliothek zurück. „Und er besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen.“

„Hat er seinen Namen genannt?“

„Wakefield. Anscheinend kommt er nicht aus unserer Gegend. Zu vornehm, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Da war Isabella sich nicht sicher. Doch sie stand auf und strich die Falten in ihrem Rock glatt. An diesem Morgen trug sie ihr zweitbestes Kleid, das schon mehrmals sorgsam geflickt worden war. Falls der Gentleman an der Haustür gehobenen Kreisen angehörte, wie Hannah es behauptete, sollte sie die Dienerin anweisen, ihn in den Salon zu führen. Doch das tat sie nicht, weil sie sich nicht vorstellen konnte, ein echter Gentleman würde sie besuchen. Viel eher war er von jemandem hierher geschickt worden, der einige ihrer Schulden eintreiben wollte. Und falls das zutraf … „Ich spreche mit ihm“, kündigte sie an.

Die Haushälterin öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Mittlerweile war Isabella bereits an ihr vorbei ins Vestibül gegangen. Hannah hat recht, entschied sie beim Anblick des Besuchers. Um in die Kategorie zu passen, in die sie ihn eben noch eingeordnet hatte, sah er zu distinguiert aus.

Zaudernd hielt sie inne. Doch der Mann spürte ihre Anwesenheit, wandte sich zu ihr und beseitigte den letzten Rest des Verdachts, er könnte der Bote eines Geschäftsmanns sein.

Vom kunstvoll geschlungenen Krawattentuch bis zu den glänzend polierten Reitstiefeln war er jeder Zoll ein Gentleman. Wahrscheinlich hatte der Zylinder in seinen Händen mehr gekostet als die Summe, die sie letztes Jahr für ihren Haushalt ausgegeben hatte.

„Mrs. Stowe?“

„Ja?“

Seine hochgezogenen Mundwinkel erzeugten ein sonderbares Gefühl in ihrer Magengrube. Wie sie jetzt feststellte, war der Besucher nicht nur tadellos gekleidet, sondern auch noch beängstigend attraktiv.

An seinen Schläfen durchzogen graue Fäden das pechschwarze Haar und schienen die jugendlichen Züge Lügen zu strafen. Am interessantesten fand sie ein leuchtend blaues Augenpaar, umrahmt von langen dunklen Wimpern, um die ihn jede Londoner Schönheit beneiden müsste.

Autor

Gayle Wilson
<p>Gayle Wilson hat zweimal den RITA® Award gewonnen. 2000 und 2004 in der Kategorie „Romantic Suspense Novel“. Im Angesicht, dass sie zweimal den RITA® - Award gewonnen hatte, wurde sie für 50 andere Preise nominiert oder damit ausgezeichnet. Gayle Wilson hat einen Master – Abschluss in Lehramt. Sie arbeitet als...
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