Ein heißer Wunsch wird wahr

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Jasons Auftrag ist klar: Er soll die schöne Meredith davon abbringen, weiterhin einem kriminellen Mitglied des Texas Cattleman’s Clubs nachzustellen. Und Jason weiß nur einen Weg, wie er sie stoppen kann: Er wird Meredith einfach für sich gewinnen …


  • Erscheinungstag 25.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726577
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Jetzt sagt bitte nicht, ich sei hier der Experte in Sachen Verführung“, meinte Jason Windover und sah sich im Kreis seiner Freunde um.

Sie saßen in einem der eleganten Tagungsräume, den der „Texas Cattleman’s Club“ seinen Mitgliedern zur Verfügung stellte. Die mit dunklem Holz getäfelten Wände, die dicken Teppiche auf dem Parkettboden, der steinerne Kamin und ein funkelnder Kronleuchter verliehen dem großen Raum eine gediegene Atmosphäre. Der „Texas Cattleman’s Club“ war einer der ältesten und exklusivsten Clubs in Texas. Normalerweise war er für Jason der ideale Ort, um Freunde zu treffen und sich zu entspannen. Aber im Moment war er ein bisschen verärgert.

„Du bist derjenige, der in Sachen Verführung ein besonders gutes Händchen hat“, erklärte Sebastian Wescott seinem langjährigen Freund. „Und deshalb bist du der geeignete Kandidat, um uns diese Frau vom Leib zu halten.“

„Ich unterstütze den Vorschlag“, pflichtete ihm Will Bradford bei.

Jason schüttelte den Kopf. „Sorry, aber sie ist absolut nicht mein Typ“, meinte er betont lässig und war sich sicher, dass er damit durchkommen würde. „Ich mag große schöne Blondinen mit langen Beinen, die selbstsicher, kultiviert und sexy sind. Diese kleine Wildkatze scheint nur Ärger zu machen. Vergesst es, Jungs.“

„Die Frau ist völlig außer Kontrolle geraten. Sie gehört in eine Anstalt“, fügte Dorian Brady in scharfem Ton hinzu. „Im Augenblick trägt sie eine Fehde mit mir aus – wer weiß, wen sie morgen im Visier hat. Sie ist psychisch labil und könnte sich im nächsten Moment auch auf einen von euch konzentrieren. Der Himmel weiß, dass ich die Dinge nicht getan habe, die sie mir vorwirft.“

Als Jason Dorian musterte, empfand er Widerwillen. Außer ihm mochte Jason alle Mitglieder des Clubs. Die Männer hatten sich unter dem Deckmantel dieses Clubs zusammengetan, um in geheimer Mission das Leben unschuldiger Menschen zu retten. Die meisten Mitglieder waren in Royal, Texas, oder der näheren Umgebung aufgewachsen. Dorian war vor noch nicht allzu langer Zeit neu dazugekommen. Es war seine Arroganz, die Jason ganz und gar nicht behagte. Aber er wusste, dass er seine Abneigung überwinden musste. Schließlich war Dorian Sebastians Halbbruder.

„Dann bist du also dazu bestimmt“, bemerkte Robert Cole trocken zu Jason. „Du bist der Mann, der an Rodeos teilgenommen hat und mit wilden Bullen in der Arena war. Ich bin sicher, dass du auch mit einer wild gewordenen Frau fertig werden kannst.“

„Du bist doch der Detektiv. Du solltest doch wissen, wie man sie in den Griff bekommt.“

„Nein. Die Frauen mögen dich, und ich bin schon völlig damit ausgelastet, den ungeklärten Mordfall hier in Royal zu lösen.“ Robert sah in die Runde. „Jemand versucht, Sebastian den Mord an Eric Chambers anzuhängen. Während wir herauszufinden versuchen, wer dahinter stecken könnte, muss uns jemand diese Frau vom Hals schaffen.“

„Ich war nicht dabei, als sie hier hereingeplatzt ist, aber ich habe gehört, dass sie hier einen schrecklichen Aufruhr verursacht hat. Verdammt, verschont mich mit ihr“, entgegnete Jason.

Die anderen Männer sahen ihn nur an. „Du bist wie geschaffen für diese Aufgabe“, meinte Sebastian dann. „Du bist von der CIA geschult und hast bereits mit sehr schwierigen Leuten zu tun gehabt. Und, offen gesagt, habe ich in letzter Zeit gerade genug durchmachen müssen.“

Jason seufzte und winkte ab. „Spart euch alle weiteren Ausreden. Ich kann mir ohnehin denken, was ihr noch sagen würdet. In Ordnung. Ich werde versuchen, uns diese Verrückte vom Leib zu halten.“

„Das Problem ist gelöst. Lasst uns jetzt pokern“, schlug Keith, der Computerexperte, vor.

Die Männer stimmten eilig zu, und Jason wusste, dass die Sache abgemacht war. Er holte sich einen neuen Drink, während er über den unliebsamen Auftrag nachdachte. Er war nicht daran gewöhnt, eine Frau zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollte – und in diesem Fall würde er genau das tun müssen, wenn er die kleine Wildkatze von den anderen Männern fern halten wollte.

Will, Robert und Sebastian hatten alle erst vor Kurzem geheiratet – es war fast wie eine Epidemie. Allerdings war er, Jason, immun gegen das Hochzeitsfieber. Eine Heirat kam für ihn nicht infrage. Im Moment gab es noch nicht einmal eine Frau in seinem Leben. Vielleicht sollte Keith sich dieser kleinen Nervensäge annehmen. Jason fragte sich, ob Keith jemals über seine alte Flamme, Andrea O’Rourke, hinweggekommen war. Obwohl er beteuerte, dass es so wäre, verhielt er sich nicht so. Jason seufzte. Zum Glück war er im Augenblick nicht mit einer Frau zusammen, denn sonst könnte dieser Auftrag noch für unangenehme Komplikationen in seinem Leben sorgen. Er wünschte, er könnte Miss Silver einfach so lange einsperren lassen, bis alle Rätsel gelöst wären.

Als er bemerkte, dass er im Begriff war, die erste Pokerrunde zu verlieren, konzentrierte er sich auf das Spiel und vergaß Meredith Silver für eine Weile. Es war fast Mitternacht geworden, als er den Gewinn einsteckte und sich von seinen Freunden verabschiedete. Draußen atmete er die im Mai immer noch kühle Nachtluft ein. Am dunklen Himmel über dem spärlich beleuchteten Parkplatz funkelten die Sterne. Als er den Parkplatz überquerte, um zu seinem Pick-up zu gelangen, hörte er plötzlich außer dem Klacken seiner Cowboystiefel auf dem Asphalt ein leises Geräusch hinter sich. Abrupt blieb er neben seinem schwarzen Pick-up stehen, den er in einer Reihe anderer Fahrzeuge geparkt hatte. Durch seine Erfahrungen bei der CIA war er ein wachsamer Beobachter geworden, und er wusste, dass das, was er gehört hatte, Schritte gewesen sein mussten.

Beim Überqueren des Parkplatzes hatte er keine weitere Person bemerkt. Trotzdem bezweifelte Jason, dass er allein hier war. Sollte er unter dem Auto neben seinem Pick-up nachsehen? Oder wäre es besser, wenn er herauszufinden versuchte, was die Person vorhatte? Jason steckte die Autoschlüssel wieder ein und ging zurück in den Club, wo er durch den langen Korridor hinunter bis zur riesigen Küche eilte. Wortlos legte er kurz die Hand an seinen Stetson, um die Köche zu begrüßen, und durchquerte den Raum. Da die Küchencrew die Mitglieder des Clubs kannte, wunderte sich niemand über seine kurze Anwesenheit. Er verließ das Haus durch die Hintertür, trat in ein Blumenbeet und zwängte sich dann an Büschen und Zedern vorbei. Froh darüber, dass er ein dunkelblaues Jeanshemd und dunkle Jeans anhatte, bewegte er sich lautlos zum Parkplatz. Dort angekommen, hielt er kurz inne, um den schwach beleuchteten Parkplatz mit den Augen abzusuchen. Sein Blick blieb an dem Auto hängen, das neben seinem Pick-up parkte.

Jason wusste, dass das Auto Dorian gehörte. Er bemerkte eine Bewegung und konzentrierte sich auf die schwarze Gestalt, die unter Dorians Wagen hervorgekrochen kam und jetzt neben dem Hinterreifen kniete. Dann sah er im Mondlicht etwas aufblitzen und hörte, wie die Luft aus dem Reifen entwich. Als der Reifenaufschlitzer sich zum Vorderreifen bewegte, sprintete Jason aus seinem Versteck, er war fest entschlossen, dem Vandalen das Handwerk zu legen.

Sowie der Täter Jason auf sich zukommen sah, ließ er das Messer fallen und rannte los. Der kleinen Gestalt nach muss es sich um einen Teenager handeln, dachte Jason. Mit seinen langen Beinen holte er den Rowdy noch auf dem Parkplatz ein, stürzte sich mit einem Hechtsprung auf ihn und schlang die Arme um seine schmale Taille.

„Ich hab dich!“, schnauzte er ihn triumphierend an, als sie beide auf den harten Asphaltboden knallten. Der hohe Schrei, den der Täter ausstieß, irritierte Jason noch nicht. Aber als sie auf dem Boden landeten und er einen weichen, kurvenreichen Körper unter sich spürte, wurde ihm klar, dass es sich um eine Frau handeln musste. Nach der ersten Überraschung ahnte er, wer das sein musste. Die Verrückte, die Dorian Brady belästigte – die Wildkatze, die jetzt zu seiner Aufgabe geworden war.

„Oh, verdammt“, murmelte er. Er hatte noch nie in seinem Leben eine Frau verletzt. Gewissensbisse erfüllten ihn, als er seufzte, sie losließ und sich auf seine Fersen setzte. „Sind Sie okay?“

Zwar spendete die Laterne über ihnen genug Licht, um gut sehen zu können, aber die Frau hatte ihm den Rücken zugedreht, sodass ihr Gesicht vollkommen verdeckt war. Sie trug einen schwarzen Jogginganzug und eine schwarze Kappe. Außerdem hatte sie sich irgendeine schwarze Masse ins Gesicht geschmiert, sodass Jason ihr Gesicht auch dann nicht erkennen konnte, als sie sich langsam aufsetzte.

Sie holte aus und traf ihn mit voller Wucht in die Magengrube, denn er war völlig überrascht, dass eine knapp über einsfünfzig kleine Frau das machte, was ein weit über eins achtzig großer und an die achtzig Kilo schwerer Mann nie getan hätte. Der Hieb verschlug ihm einen Moment den Atem, und ein schneller Stoß, der dem Faustschlag folgte, ließ ihn das Gleichgewicht verlieren. Dann sprang Meredith Silver mit einem Satz auf die Füße und versuchte wegzurennen.

Jasons Überraschung hielt einen Moment an, bevor seine natürliche Reaktion einsetzte. Er warf sich nach vorn, packte ihren Knöchel und zog ihr das Bein weg. Zum zweiten Mal in seinem Leben brachte er eine Frau zu Fall. Jetzt ließ er ihr keine Chance mehr. Ohne zu zögern, hob er sie hoch und warf sie sich über die Schulter. Für jemand, der kriminelle Handlungen beging und über einen erstaunlich kräftigen Haken verfügte, hat sie ein erstaunlich zahmes Vokabular, schoss es ihm durch den Kopf, als sie wie ein Rohrspatz schimpfte. Doch das ignorierte er ebenso wie ihre harmlosen Schläge auf seinen Rücken. Er transportierte sie zu seinem Pick-up, schloss die Tür auf und ließ sie auf den Sitz fallen. Wie eine Katze sprang sie ihn sofort wieder an. Aber diesmal war er vorbereitet.

Während er mit einer Hand seinen Stetson auf die Rückbank warf, packte er mit der anderen ihre Handgelenke und drängte sie mit seinem Körper auf den Sitz. Obwohl sie sich heftig wehrte, wurden ihm gleich mehrere Dinge auf einmal bewusst. Er nahm ein verführerisches Parfüm wahr sowie einen Körper, der sich jetzt noch viel verlockender anfühlte als vorhin. Er bemerkte, dass sie durchtrainiert und kräftig war. Außerdem stöhnte sie vor Anstrengung in einer Art und Weise, die ihn an ganz andere Dinge denken ließ. Und obwohl es alles andere als klug war, wurde er neugierig und wollte wissen, wie sie aussah.

„Sie haben gerade den Autoreifen eines Clubmitglieds aufgeschlitzt. Ich kann den Sheriff rufen und Sie ins Gefängnis bringen lassen.“

„Na, los. Rufen Sie schon an, Sie abartiger Gewalttäter“, schnauzte sie ihn an. „Sie können mich nicht ins Gefängnis stecken, weil ich einen Reifen aufgeschlitzt habe. Ich werde meinen Anwalt benachrichtigen.“

„Warum habe ich nur meine Zweifel, dass Sie einen Anwalt haben?“ Abartiger Gewalttäter? Ja, das war die wild gewordene Frau, die Dorian belästigte. Jason hatte gedacht, dass Dorian etwas dick aufgetragen hätte, aber nach den vergangenen Minuten glaubte er ihm aufs Wort. Alles an ihr schien irgendwie dilettantisch, und er dachte nicht, dass ein Plan oder ein Sinn hinter der Geschichte steckte. Nach seiner ersten Einschätzung war sie entweder verrückt oder – was wahrscheinlicher war – emotional völlig aus der Bahn geworfen, weil ein Mann sie schlecht behandelt hatte. War sie etwa eine Exgeliebte Dorians, und er wollte das nicht zugeben? „Beruhigen Sie sich, Wildkatze. Gegen mich zu kämpfen wird Ihnen nichts nützen. Sie werden nicht noch einmal meine Überraschung ausnutzen können.“

„Das denken auch nur Sie. Lassen Sie mich los. Ich kann Sie wegen Gewaltanwendung anzeigen.“

„Wohl kaum“, entgegnete Jason. „Ich habe Sie gerade bei einer kriminellen Handlung erwischt.“ Sie zappelte und wand sich, um sich zu befreien, aber auf ihn hatte das eine ganz andere Wirkung. Er war schon längere Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen, und sie hatte tolle weiche Rundungen an den richtigen Stellen. „Wissen Sie eigentlich, was Sie da tun?“, fragte er atemlos.

Sofort verharrte sie regungslos. Und er wusste, dass sie jetzt seine natürliche, männliche Reaktion auf ihren warmen, süß duftenden und sich sinnlich an ihm reibenden Körper bemerkt hatte.

Als er mit der freien Hand nach unten griff, um seinen Gürtel aufzumachen, setzte sie sich energisch zur Wehr. Schnell zog er den Gürtel aus, band damit ihre Hände zusammen und befestigte das andere Ende am Türgriff. „Ich werde Ihnen nicht wehtun. Aber Sie werden nirgendwo mehr hingehen. Sie haben hier schon genug Probleme gemacht. Und jetzt haben Sie die Wahl. Entweder nehme ich Sie mit zu mir nach Hause und sperre Sie über Nacht in einem Zimmer ein. Ich habe keine anderen Absichten, das verspreche ich. Oder ich bringe Sie zum Sheriff. Das entscheiden Sie.“

Warum er sie mit nach Hause nehmen wollte, wusste er selbst nicht so genau. Abgesehen von der Tatsache, dass er beauftragt worden war, die Frau den anderen Clubmitgliedern vom Hals zu schaffen und er sie auf diese Weise im Auge behalten würde. Meredith Silver versuchte schon wieder, sich zu befreien, und Jason verstärkte seinen Griff. „Sie bringen sich selbst in große Schwierigkeiten. Es gibt Gesetze, die es verbieten, jemand zu belästigen.“

„Belästigen! Ich belästige diese dreckige, miese Ratte nicht. Er ist gemein, rachsüchtig und verlogen“, schimpfte sie.

Jason wurde neugierig. „Ich lasse Ihnen die Wahl. Treffen Sie eine Entscheidung. Ich wäre ganz froh, Sie einfach beim Sheriff loswerden zu können.“

Sie atmeten beide schwer, was bei ihm nicht auf die Anstrengung zurückzuführen war. In seinem Kopf machten sich erotische Fantasien breit, bei der sie die Hauptrolle spielte. Die kleine Wildkatze mochte nur Probleme machen, aber sie war durch und durch eine Frau, noch dazu eine, die sehr verführerisch duftete. Jason fischte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und begann, ihr die schwarze Schmiere von der Stirn zu wischen.

„Wie soll ich wissen, dass Sie mir nicht wehtun werden?“, fragte sie so leise, dass er sich näher zu ihr beugte und ihm erneut ein Hauch ihres Parfüms in die Nase stieg.

„Sie haben mein Wort“, sagte er, und sie lachte nur bitter. „Der Sheriff oder mein Haus?“, wiederholte er.

„Zu Ihnen“, flüsterte sie.

Er rückte von ihr ab, zog die Autoschlüssel aus der Tasche und fuhr los. Nun saß sie zusammengekauert in der Ecke. Als Jason vom Parkplatz abbog, warf er noch einen Blick auf sie. Sie wirkte wie ein Häufchen Elend, aber sein schmerzender Bauch warnte ihn davor, sich täuschen zu lassen und Mitleid zu empfinden. Die kleine Wildkatze verfügte über eine erstaunliche Kraft.

Jason machte jeden Tag eine gute Stunde lang Krafttraining und schwor sich, ab morgen länger und härter zu trainieren. Er klappte das Handschuhfach auf, nahm eine kleine Flasche Whiskey heraus und bot sie ihr an. „Brauchen Sie einen Drink?“

„Sie wollen mich ja nur betrunken machen, damit ich Ihnen nachher zu Willen bin“, zischte sie.

„Meine Güte“, knurrte er und hätte nun selbst einen starken Drink gebraucht. Doch weil er am Steuer saß, widerstand er der Versuchung. „Wo haben Sie denn das Vokabular her? Aus irgendeinem uralten Groschenroman? Ich kenne niemand, der außerhalb von solchen Melodramen so reden würde.“

„Sie wissen nur zu gut, was ich damit gemeint habe.“

„Ich habe Ihnen diesbezüglich doch mein Wort gegeben. Übrigens sind Sie nicht mein Typ.“

„Ich kann mir Ihren Typ vorstellen.“

Jason, der immer neugieriger wurde, warf ihr wieder einen Blick zu. Sie schwiegen beide, während er die Main Street in Royal, Texas, entlangfuhr, wo er aufgewachsen war und einen Großteil seines Lebens verbracht hatte. „Also, wie stellen Sie sich meinen Typ denn vor?“, fragte er schließlich.

„Schön, sexy, kultiviert und sehr entgegenkommend.“

Amüsiert sah er sie an. Aber es war wegen der schwarzen Schmiere immer noch nicht möglich, ihr Gesicht zu erkennen. „Trauen Sie mir nicht den Charme zu, jemand für mich zu gewinnen, der nicht entgegenkommend ist?“

„Sie haben mich zwei Mal tätlich angegriffen. Das ist nicht gerade die beste Art, um jemand für sich einzunehmen.“

„Ich habe nicht versucht, Sie für mich einzunehmen. Ich habe nie vorgehabt, Sie zu verführen. Ich habe versucht, eine kriminelle Handlung zu unterbinden. Das ist keine gerechte Beurteilung“, bemerkte er amüsiert.

Er fuhr jetzt durch Pine Valley, einer exklusiven, eleganten Wohngegend mit herrschaftlichen Häusern. Eines davon gehörte seiner Familie. Dort lebte gegenwärtig sein Bruder. Jason könnte sie dort hinbringen, aber er zog es vor, mit ihr zur Windover Ranch zu fahren. Die war so weit weg von der Stadt, dass sie eine lange Wanderung vor sich hätte, falls sie entwischen würde. „Ich halte es für eine gute Idee, wenn wir uns beim Namen nennen würden. Ich bin Jason Windover.“

„Ich heiße Meredith Silver.“

„Nun, dann hallo, Meredith. Woher kommen Sie?“

„Aus Dallas.“

„Und was machen Sie beruflich?“, fragte er, um mehr Informationen über sie zu bekommen.

„Ich bin Programmiererin und arbeite im Moment freiberuflich.“

„Ein interessanter Job. Und er gibt Ihnen Gelegenheit, sich Ihre Zeit einzuteilen.“

„Ja“, erwiderte sie, während sie aus dem Fenster starrte. „Wir sind außerhalb der Stadt.“

„Ich bringe Sie auf die Ranch der Familie Windover.“

„Sind Sie ein Cowboy?“

„Ja. Ich war für die Regierung tätig, habe mich aber vor Kurzem auf die Ranch zurückgezogen. Also, Meredith, mit wem sind Sie zurzeit liiert?“

„Es gibt keinen Mann in meinem Leben“, antwortete sie. „Aber ich wette, dass es in Ihrem Leben eine Frau gibt.“

„Nein, im Moment nicht.“

„Ich bin sicher, dass das nur eine kurze, vorübergehende Phase ist. Die nächste Kandidatin steht bestimmt bereits vor der Tür.“

„Wie kommen Sie denn darauf? Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Sie haben die unbeschwerte Art eines Mannes, der daran gewöhnt ist, immer eine Frau um sich zu haben.“

„Ach, wirklich?“

„Das wissen Sie verdammt gut. Und Sie sind auch egoistisch und anmaßend.“

„Donnerwetter, kennen Sie sich aus. Daran werde ich unbedingt arbeiten müssen.“

„Sie können Ihren Charme herunterfahren, weil er bei mir keine Wirkung zeigen wird.“

„Ist das jetzt eine Herausforderung, oder was?“, fragte er mit rauer Stimme, als er sie ansah.

„Ist es definitiv nicht. Außerdem bin ich nicht Ihr Typ, erinnern Sie sich?“

„Der Punkt geht an Sie.“ Einige Minuten lang fuhr Jason still weiter. „Haben Sie in Royal ein Hotelzimmer, oder hatten Sie vor, noch heute Nacht nach Dallas zurückzufahren?“

„Ich wohne im ‚Royalton Hotel‘“, antwortete Meredith und nannte damit eines der besten Hotels in Royal.

„Haben Sie Familie in Dallas?“

„Ja. Meine Schwester und meine Mutter. Ich habe auch einen älteren Bruder, der in Montana lebt.“

„Silver“, sagte Jason, der sich an einen stämmigen, wilden Typ aus dem Rodeo-Business erinnerte. „Ich bin einmal einem Rodeoreiter namens Hank Silver begegnet.“

„Das ist mein Bruder“, meinte Meredith fast widerwillig.

„Nun, die Welt ist klein. Er ist ein harter Bursche. Ich wette, dass Sie Ihren treffsicheren Haken von ihm haben.“ Jason wurde immer neugieriger, wie sie aussah. Ihre Stimme war weich, tief und angenehm. Es war eine sexy Stimme, die man einer cholerischen Person nicht zuordnen würde. Wenn er nur am Telefon mit ihr geredet hätte, hätte er sich eine völlig andere Frau vorgestellt. Ihre verführerische Stimme passte absolut nicht zu einer kleinen Wildkatze, die zuschlagen konnte, dass es einem den Atem verschlug. Aber Jason konnte sich gut vorstellen, dass sie in ihrer Kindheit gelernt hatte, sich gegen einen Bruder wie Hank Silver zu behaupten, der – wie Jason wusste – schon mehr als einmal wegen Prügeleien mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. „Ich habe zwei ältere Brüder“, sagte er dann. „Ethan und Luke.“

„Wie nett.“ Meredith versuchte erst gar nicht, ihren Ärger zu verbergen.

Die nächsten beiden Stunden schwiegen beide. Schließlich fuhr Jason durch ein großes Tor mit dem Brandzeichen der Windovers und folgte der langen Straße, bis er vor dem großen weitläufigen Haupthaus anhielt, das seit vier Generationen seiner Familie gehörte. Die ausladende Veranda an der Vorderseite war überdacht und von einem sehr gepflegten Rasen umgeben. Weiter hinten auf dem Gelände befanden sich ein Gästehaus, die Unterkünfte für die Arbeiter sowie eine Scheune.

Jason parkte den Pick-up vor dem Hintereingang und führte Meredith am Arm ins Haus. Im Flur drehte er das Licht an und wandte sich einer kleinen Schalttafel zu. Er drückte auf einige Knöpfe, um die Alarmanlage auszuschalten, die beständig piepte. Sobald er damit fertig war, gingen das rote Licht und der Alarm aus. In der großen, hellen Küche schaltete er die indirekte Beleuchtung an und führte Meredith am Handgelenk sanft zur Spüle.

„Kommen Sie.“ Sie trug schwarze Stiefel und einen unförmigen schwarzen Jogginganzug, der ihre Figur verbarg. Durch den Körperkontakt wusste Jason jedoch mittlerweile, dass sie eine ausgesprochen gute Figur hatte. Er nahm ein Handtuch, tauchte es in warmes Wasser und drehte sich dann zu ihr, um ihr Gesicht abzuwaschen.

„Ich würde gern erfahren, wie Sie aussehen. Vorhin auf dem Parkplatz waren Sie nur eine dunkle Gestalt für mich.“ Er schaute sie an, während er ihr Kinn anhob. In dem Licht bemerkte er die tiefe Schramme auf ihrer Wange. Gewissensbisse plagten ihn, weil er wusste, dass er dafür verantwortlich war. Als er ihre Wange leicht berührte, drehte sie sofort das Gesicht weg. „Es tut mir leid, dass Sie verletzt sind. Ich dachte, Sie wären ein Mann.“

Sie schaute mit ihren dunkelgrauen Augen, die von dichten, schwarzen Wimpern umrahmt waren, zu ihm hoch. Als sich ihre Blicke begegneten, traf ihn der nächste Schlag, der ihm den Atem nahm. Ihre Augen faszinierten und verzauberten ihn. Jason konnte sich nicht erinnern, jemals Augen von einer solchen Farbe gesehen zu haben. Aber neben der Farbe machte ihn noch etwas atemlos. Er fühlte sich wie elektrisiert, so sehr sprühten die Funken zwischen Meredith und ihm. Sie sagten beide immer noch keinen Ton, und er wollte den Kontakt nicht unterbrechen.

Meredith nahm das Handtuch und fing an, sich die schwarze Masse vom Gesicht zu wischen. Jason hätte Meredith gern berührt und war wahnsinnig neugierig zu erfahren, wie sie ohne die Schmiere im Gesicht aussehen würde. Und noch immer hatte keiner von ihnen den Blick abgewandt, etwas gesagt oder sich von der Stelle bewegt.

„Wir müssen schnell Ihre Schrammen reinigen. In einer Minute bin ich zurück.“ Er eilte ins Bad und kam mit einer Flasche Jodtinktur zurück. „Halten Sie Ihre Wange hier ins Licht. Ich werde die Wunde reinigen und desinfizieren. Wann haben Sie Ihre letzte Tetanus-Spritze bekommen?“

„Vor einem Jahr.“

Nachdem er die Wunde gesäubert hatte, tupfte er vorsichtig Jod darauf. „Tut mir leid, wenn ich Ihnen wehtun muss.“

„Oh ja, sicher“, murrte sie, und er fühlte sich noch schlechter als vorher. „Lassen Sie mich jetzt nach Ihren Händen sehen.“

„Um meine Hände kann ich mich selbst kümmern.“

„Strecken Sie die Hände aus und lassen Sie mich Ihnen helfen.“ Als sie ihm schließlich die Handflächen zeigte, zuckte er zusammen, weil er schuld an ihren Verletzungen war. Er säuberte und desinfizierte die Schrammen. „Und nun lassen Sie uns den Rest der schwarzen Schmiere abwaschen.“ Langsam und sanft wischte er ihr Gesicht sauber, während er ihr weiterhin in die Augen sah. Und mit jeder Sekunde schlug sein Puls schneller. Schließlich musste er das dreckige Tuch auswaschen, was er schweigend tat, um sich dann wieder der wunderbaren Aufgabe zuzuwenden, langsam über ihr Gesicht zu streichen. Neben den fantastischen Augen hatte sie eine ganz leicht nach oben gebogene Nase, einen schön geschwungenen Schmollmund und ausgeprägte Wangenknochen.

Meredith griff nach dem Tuch. „Ich kann mir das Gesicht selbst waschen.“ Sie drehte sich zur Spüle um und warf ihm einen Blick zu. „Wenn Sie mir sagen, wo das Bad ist, werde ich das dort machen.“

„Sie stehen hier sehr gut.“ Er wich keinen Millimeter zurück und betrachtete interessiert ihre zarte rosige Haut.

Nachdem sie sich unter laufendem Wasser die letzten Reste der Schmiere vom Gesicht gespült hatte, reichte er ihr ein sauberes Handtuch, und sie trocknete sich energisch ab. Mit großen Augen musterte sie ihn über den Rand des Handtuchs hinweg, und er fragte sich, ob er sich auf den nächsten Faustschlag gefasst machen müsste. Aber sie faltete nur das Handtuch zusammen.

Jason nahm ihr die Kappe vom Kopf. Als lange kastanienbraune Locken über ihre Schultern fielen, hielt er die Luft an. Einige ungebändigte, seidige Strähnen fielen ihr um das Gesicht. Ein bisschen hatte er jetzt schon über Meredith in Erfahrung gebracht. Sie war hitzig, impulsiv und kannte keine Angst. „Möchten Sie etwas essen oder trinken?“

„Nein danke“, antwortete Meredith.

„Kommen Sie.“ Er umfasste wieder ihre Handgelenke und führte sie in ein weiträumiges Wohnzimmer. Dort blieb er vor einer ausladenden braunen Ledercouch stehen, zog sie sanft auf den Sitz, ließ sie los und sah sie an. „Und jetzt erzählen Sie mir, warum Sie Dorians Reifen aufgeschlitzt haben. Was geht zwischen Ihnen und Dorian vor?“

2. KAPITEL

„Ich muss keine Ihrer Fragen beantworten“, erwiderte Meredith bissig. Kein Mann sollte so verteufelt gut aussehen, dachte sie. Er hatte lockige schwarze Haare, die er etwas länger trug, was ihm etwas Wildes, Gefährliches verlieh. Sein Gesicht mit dem kräftigen Kinn, den ausgeprägten Wangenknochen und der geraden Nase war markant. Aber am meisten hatten sie seine blaugrünen Augen beeindruckt. Sie wünschte, sie hätte ihn nicht angestarrt wie ein Teenager einen Filmstar, denn sie hatte den Verdacht, dass Jason Windover sich vor Frauen kaum retten konnte.

Sie warf einen Blick auf die Fenster hinter ihm. Das Haus war schließlich keine Festung, auch wenn er die Alarmanlage wieder eingeschaltet hatte, als sie hereingekommen waren. Sie wusste, wie man ein Auto kurzschließen konnte, und in der Nacht würde sie aus dem Haus gelangen und diesem Mann entkommen.

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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