Ein Herzogtum für deine Liebe

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Sehnlichst wünscht sich das Topmodel Angela, dass aus dem heißen Spiel mit Philippe de Marchal Wirklichkeit wird. Sie soll nur so tun, als ob sie seine Freundin wäre, doch die Küsse des Großherzogs werden immer leidenschaftlicher. Angela will nur noch eins: von Philippe geliebt werden ...


  • Erscheinungstag 16.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754525
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Leg den Kopf ein wenig zur Seite, Angela. Dein Haar muss locker fallen. Noch mehr. Ja, so ist es gut.“ Die aufmunternden Zurufe des Fotografen wurden vom surrenden Klicken der Kamera begleitet.

Angela Archer lächelte so strahlend in die Kamera, wie man es vom Vendome-Girl, dem Aushängeschild einer weltberühmten Kosmetikfirma, erwartete. Es war jetzt über ein Jahr her, seit sie den Exklusivvertrag für die Shampoo-Werbung von Vendome unterschrieben hatte, und Angela wusste, wie sie sich bewegen musste. Sie und Fotograf Fred Nestor waren ein gut eingespieltes Team.

„Jetzt heb das Kinn an! Ja, sehr schön.“ Fred ging in die Knie, um sein Modell aus einem anderen Winkel aufzunehmen. „Wenn wir weiter so gut vorankommen, werden wir bald sämtliche Fotos für die Kampagne im Kasten haben.“

„Wunderbar!“ Jetzt lächelte Angela nicht auf Anweisung. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lästig es ist, sich jeden Tag die Haare zu waschen.“

„Wenn du jemanden suchst, der dich bemitleidet, bist du bei mir an der falschen Adresse. Weißt du nicht, wie viele Fotomodelle alles dafür geben würden, an deiner Stelle zu sein?“

„Natürlich, ich habe wirklich Glück gehabt.“ Manchmal fand Angela es immer noch unglaublich, dass ausgerechnet sie aus Hunderten von Bewerberinnen ausgewählt worden war.

„Dazu gehört mehr als Glück.“

Fred und auch Angela wussten, dass man von einem Modell in der Shampoo-Werbung schönes Haar erwartete. Angela Archer erfüllte die Voraussetzung. Ihre Haarpracht schimmerte in einem ungewöhnlich rotgoldenen Ton. Doch noch faszinierender wirkte ihr Gesicht, das davon eingerahmt wurde. Angela hatte einen fein gezeichneten Mund, eine kleine, gerade Nase und leicht schräg stehende tiefblaue Augen mit dichten dunklen Wimpern.

Fred war es gewöhnt, schöne Frauen zu fotografieren, aber Angela war eine der wenigen, die aus jedem Blickwinkel gut aussahen. Selbst wenn ihr Gesicht nicht so bezaubernd gewesen wäre, hätte Angela mit ihrer makellosen Figur Karriere gemacht. Zudem hatte sie niemals Launen. Fred konnte davon berichten, wie nervenaufreibend manchmal die Arbeit mit berühmten Fotomodellen war. Angela war natürlich geblieben.

Die Studiosekretärin steckte den Kopf zur Tür herein. „Angela, ich bekam gerade einen Anruf von Vendome. Ihr heimlicher Bewunderer hat wieder mal seine Großzügigkeit bewiesen. Miss Cooper möchte wissen, ob die Blumen zu Ihnen nach Hause geschickt werden sollen, oder möchten Sie sie selbst abholen?“

Angela zögerte mit der Antwort. Seit einigen Wochen wurde sie von einem Unbekannten mit kunstvollen Gebinden aus Rosen, Gladiolen oder Nelken förmlich überschüttet. Aber immer fehlte die Angabe des Absenders. „Bitten Sie Miss Cooper, die Blumen in meine Wohnung bringen zu lassen. Der letzte Korb war so groß, dass er kaum ins Taxi passte.“

„Solche Probleme möchte ich auch mal haben“, meinte das junge Mädchen und verschwand.

„Er hat also noch nicht aufgegeben.“ Fred sah Angela fragend an. „Weißt du schon, wer es ist?“

„Der Blumenhändler beteuert jedes Mal, dass er auch keine Ahnung hat, obwohl ich mir das kaum vorstellen kann. Jedenfalls erfahre ich nichts durch ihn.“

„Der edle Spender wird bestimmt nicht mehr lange im Hintergrund bleiben. Eines Tages gibt er seinen Namen preis, zweifellos in Verbindung mit einer Einladung, das Wochenende mit ihm auf seiner Yacht oder in seinem Landhaus zu verbringen.“

Angela schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Aber Angela! Du bist doch nun schon lange genug in New York, um die Spielregeln zu kennen.“

„Fred, ich bin ganz sicher, dass du dich irrst. Er hat bereits ein kleines Vermögen für Blumen ausgegeben, ohne jemals zu versuchen, Verbindung mit mir aufzunehmen.“

„Das beweist nur, dass er sehr schlau vorgeht. Du bist neugierig geworden, oder?“

„Wer wäre das nicht? Mein heimlicher Bewunderer ist vermutlich ein älterer Herr“, meinte Angela nachdenklich.

„Das ist gut möglich.“ Fred lächelte spöttisch. „Früher nannte man solche Herren Sugar-Daddys.“

Angela wurde ungehalten. „So habe ich das nicht gemeint. Ich glaube, dass er einsam ist.“ Ohne Freds abfällige Handbewegung zu beachten, fuhr sie fort: „Vielleicht erinnere ich ihn an seine erste Liebe oder eine Tochter, die er verloren hat.“

„Träum ruhig weiter. Aber mach mir später nicht den Vorwurf, ich hätte dich nicht gewarnt. Er hat bereits eine Menge Geld für dich ausgegeben. In nächster Zeit wird er dafür eine Gegenleistung verlangen.“

„Fred!“, erwiderte Angela zurechtweisend. „Wie kannst du nur auf so abscheuliche Gedanken kommen! Willst du mir die Freude verderben?“

„Auf keinen Fall. Aber vielleicht ist der Kerl nicht ganz richtig im Kopf. Ich würde dir raten, ihm durch den Blumenhändler ausrichten zu lassen, dass du plötzlich allergisch gegen Blütenstaub jeder Art geworden bist.“

Später fragte sich Angela oft, was wohl geschehen wäre, wenn sie Freds Rat befolgt hätte. In einem Punkt hatte er allerdings recht – sie war neugierig geworden. Hartnäckige Bewunderer waren nichts Neues für Angela, aber bisher war noch keiner unerkannt geblieben. Auf den ersten Blumenstrauß hatte sie ebenso argwöhnisch wie Fred reagiert. Als der Absender jedoch keinen Versuch unternahm, mit ihr näher in Verbindung zu treten, weckte das ihre Aufmerksamkeit. Und als Woche für Woche neue üppige Blumengebinde eintrafen, wuchs sogar ihre Sympathie für ihren unbekannten Verehrer.

Das neueste Geschenk war ein erlesenes Gesteck aus Orchideen. Als Angela sich vorbeugte, um sie zu bewundern, entdeckte sie einen kleinen weißen Umschlag, der zwischen den Blüten steckte. Aufgeregt zog sie ihn heraus.

„Ich hoffe, dass meine kleinen Aufmerksamkeiten Sie nicht beleidigt haben. Es war lediglich meine Absicht, Ihrer außergewöhnlichen Schönheit zu huldigen. Ergebenst, Claude“, stand auf der Karte.

Die Wahl seiner Worte bestärkte Angela in der Überzeugung, dass es sich um einen älteren Mann handeln musste. Junge Leute drückten sich weniger steif aus. Sie verspürte leichte Enttäuschung. Obwohl sie es Fred gegenüber niemals zugeben würde, hatte sie sich ihren unbekannten Verehrer insgeheim jung und aufregend vorgestellt.

Angela lächelte niedergeschlagen. Die Wirklichkeit sah immer anders aus. Ein heißblütiger, ungestümer Mann, wie sich Angela ihn gewünscht hatte, würde sich kaum damit zufrieden geben, sie aus der Ferne zu verehren. Es war schon so, wie sie von Anfang an vermutet hatte: Ein einsamer, älterer Herr hatte ihr Bild gesehen und bedachte sie nun mit Aufmerksamkeiten, weil er sonst niemanden hatte.

In der folgenden Zeit lag jedes Mal eine mit „Claude“ unterzeichnete Karte beiden Blumensträußen. Dann traf eines Tages ein Brief ein.

Er war an „Miss Angela Archer, c/o Vendome Cosmetics“ adressiert und wurde vom Büro aus an ihre Privatadresse weitergeleitet. Voller Ungeduld öffnete Angela ihn. Das Schreiben war von einem Claude Dumont unterzeichnet. Claude Dumont, Rue Royale eins, Großherzogtum Beaumont.

Auf den Gedanken, dass ihr unbekannter Verehrer vielleicht Ausländer sein könnte, war sie bisher nicht gekommen. Das erklärte auch, warum seine englischen Formulierungen oft ein wenig gestelzt klangen.

Aber auf welcher Landkarte sollte Angela Beaumont suchen? Sie nahm das Lexikon aus dem Regal. Hier fand sie etwas: „Das Großherzogtum Beaumont ist seit dem 16. Jahrhundert unabhängig. Dank seiner Lage am Mittelmeer ist das Klima während des ganzen Jahres angenehm. Die Landessprache ist Französisch, aber bedingt durch die Nähe mehrerer anderer Staaten, werden auch andere Sprachen bevorzugt.“

Es folgte ein Absatz über Kultur und Wirtschaft, aber den wollte Angela später lesen. Zuerst musste sie wissen, was Claude schrieb.

„Sehr verehrte Miss Archer,

wenn es Ihnen unangenehm ist, dass ich Sie direkt anschreibe, dann lassen Sie es mich bitte wissen, und ich werde Sie nie wieder belästigen. Niemals zuvor habe ich eine so liebreizende Frau gesehen wie Sie. Sollten Sie die Güte haben, mir auch nur mit einer einzigen Zeile zu antworten, werde ich diese wie einen Schatz hüten.“

Angela war gerührt. Sie empfand Mitleid mit dem alten Mann. Sofort ging sie zum Schreibtisch, um ihrem Bewunderer zu antworten.

Beinahe täglich kam jetzt ein Brief von Claude. Er versicherte immer wieder, wie glücklich er sei, und dass er keineswegs mit einer Antwort gerechnet hätte. Es entstand der Eindruck, als wäre ein Damm gebrochen, nachdem der erste Kontakt einmal hergestellt war. Außer Angela schien es niemanden zu geben, dem er sein Herz ausschütten konnte.

Die Blumengrüße wurden immer aufwendiger und üppiger. Es bedrückte Angela, dass er sich offenbar verpflichtet fühlte, sie für die Zeit zu entschädigen, die sie beim Schreiben ihrer Briefe aufwandte.

„Die Blumen sind zwar sehr schön“, teilte sie Claude taktvoll mit, „aber meine Wohnung wird allmählich zu klein für die vielen Sträuße.“

Seine Reaktion wirkte auf Angela wie ein Schock. Die Antwort kam nicht per Post, sondern wurde von einem Boten zusammen mit einem kleinen Päckchen abgegeben.

„Ich hätte merken müssen, dass Sie der Blumen überdrüssig sind“, schrieb Claude. „Bitte werten Sie die kleine Aufmerksamkeit als Zeichen meiner Wertschätzung.“

In dem Samtkästchen lag ein Kollier aus Diamanten und herrlichen Saphiren.

Ungläubig betrachtete sie die Kostbarkeit. Die war ein Vermögen wert! Was hatte Claude sich nur dabei gedacht? Freds Warnung fiel ihr wieder ein, aber Angela verdrängte sie. Claude hatte keine Andeutung gemacht, dass er irgendeine Gegenleistung erwartete. War er vielleicht schon ein wenig altersschwach? Seinen Briefen konnte Angela zwar nichts dergleichen anmerken, aber eine andere Erklärung wollte ihr für Claudes Verhalten beim besten Willen nicht einfallen.

Behalten durfte sie das Kollier auf keinen Fall, doch wie sollte sie es ihm zurückgeben? Es handelte sich um ein wertvolles Stück, das Angela nicht so einfach der Post anvertrauen wollte.

Ihr kam plötzlich eine Idee. Warum sollte sie den Schmuck nicht selbst zurückbringen? Die Werbeaufnahmen waren abgeschlossen, und sie hatte vier Wochen frei. Andere Aufträge konnte Angela ohnehin nicht annehmen, denn sie hatte einen Exklusivvertrag bei Vendome Cosmetics unterschrieben.

Je länger sie über ihren Plan nachdachte, desto besser gefiel er ihr. Außerdem war es über ein Jahr her, seitdem sie zuletzt Urlaub gemacht hatte, und eine Reise nach Europa reizte sie schon lange. Sie könnte das Kollier in Beaumont bei Claude abgeben und anschließend eine Rundreise durch Frankreich und Italien machen.

Claude würde sich bestimmt freuen. Angelas Augen leuchteten, als sie sich seine Überraschung ausmalte. Sie würde einfach unangemeldet bei ihm auftauchen.

Kurz entschlossen griff sie zum Telefonbuch und suchte die Nummer eines Reisebüros heraus.

Schon aus der Luft wirkte Beaumont wie ein Stück vom Paradies. Häuser in Weiß und Rosa standen an sanften grünen Hängen wie Tupfen auf einem riesigen Tuch. Boote schaukelten auf dem Wasser der halbkreisförmigen Bucht. Als das Flugzeug an Höhe verlor, entpuppten sich die Boote als elegante Yachten und die Häuser als luxuriöse Villen. Noch nie hatte Angela ein so bezauberndes Fleckchen Erde gesehen.

Sie war über das bevorstehende Zusammentreffen mit Claude so aufgeregt, dass sie ihre Koffer gar nicht erst auspackte, sondern sich nur ein wenig frisch machte.

„Könnten Sie mir sagen, wie ich zur Rue Royale eins komme?“, erkundigte sich Angela beim Hotelportier.

„Sie möchten zum Schloss?“

„Vielleicht später. Zuerst will ich einen Freund aufsuchen.“

„Ich dachte, Sie wollen zur Rue Royale Nummer eins“, erwiderte der Mann verwirrt.

„Genau.“

„Das ist die Adresse des Schlosses.“

Angela war überrascht. War Claude vielleicht dort beschäftigt und lebte deshalb auf dem Schlossgelände? „Kann ich zu Fuß dorthin gehen?“

„Nein, das ist zu weit. Außerdem ist das Schloss nur an bestimmten Tagen für Besucher geöffnet.“

Die gleiche Auskunft bekam Angela von dem Taxifahrer, der sie zur Rue Royale brachte. Doch als sie ihm erzählte, dass sie jemanden dort besuchen wollte, grinste er anzüglich.

Angelas Vorfreude war verflogen. Gab es ein Geheimnis um Claude, ihren überaus höflichen Verehrer? Wenn er nun doch Freds Vorstellung entsprach und nicht ihrer eigenen? Das wäre zwar schade, aber sie konnte es nicht ändern. Jetzt war sie hier, und das Kollier musste zurückgegeben werden, besonders wenn Claude nicht der Gentleman war, für den Angela ihn hielt.

Das Schloss sah aus wie die Abbildung in einem Märchenbuch. Ein Soldat in prächtiger Uniform marschierte vor einem Schilderhäuschen auf und ab.

Entschlossen ging sie auf den Wachposten zu. „Ich möchte zu Claude Dumont. Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass Angela Archer hier ist?“

Der junge Mann schlug ein Buch auf, das sich im Schilderhäuschen befand. „Es tut mir leid, aber er ist heute nicht da.“

Wenigstens existiert er! dachte Angela erleichtert. Sie hatte schon geglaubt, dass alles ein einziger Schwindel sei. „Er wohnt aber hier?“, fragte sie.

„O nein, Mademoiselle. Das hier ist das Schloss.“

Von neuem fühlte sich Angela völlig verunsichert. „Das weiß ich, aber … Wann wird er denn hier sein?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Claudes Frau erwartet ein Baby, und er hat Urlaub genommen.“

Angela hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihr einsamer, älterer Bewunderer war verheiratet und hatte Familie! Das hieß, er war weder einsam noch alt. Wohlhabend musste er allerdings sein, denn ein solches Kollier konnte sich nur ein sehr reicher Mann leisten. Je länger sie nachdachte, desto größer wurde ihre Verwirrung.

„Ist alles in Ordnung, Mademoiselle?“ Der Posten musterte sie besorgt.

„Wie bitte? Ja, natürlich!“

Auf der Fahrt zurück ins Hotel dachte Angela ärgerlich daran, dass Claude Dumont ein verheirateter Mann war. Er hatte seine Frau zwar nicht betrogen, aber warum schickte er Briefe an eine fremde Frau und verschenkte Schmuck, der ein Vermögen wert war?

Plötzlich kam Angela der Gedanke, dass das Kollier vielleicht gar nicht echt war, und sie hatte die Reise von Amerika hierher gemacht, nur um ein wertloses Schmuckstück zurückzugeben.

Angela ließ sich vor ihrem Hotel absetzen und ging ein Stück die Straße hinunter zu einem Juweliergeschäft, das sie vom Taxi aus gesehen hatte. Ein diskretes Schild am Eingang wies „Jacarde et Fils“ als Hofgoldschmiede aus. Hier konnte man ihr bestimmt sagen, ob der Schmuck eine Imitation war.

Der elegant gekleidete Mann im Laden untersuchte das Kollier und legte es schließlich mit zitternden Fingern in das Kästchen zurück. „Woher haben Sie das, Mademoiselle?“

„Das ist unwichtig. Ich wollte nur wissen, ob es echt ist.“

„Um das genau festzustellen, muss ich weitere Tests durchführen.“ Ohne ihre Zustimmung abzuwarten, verschwand er in einen Nebenraum.

Der Juwelier verhielt sich wirklich seltsam. „Monsieur, dafür habe ich jetzt leider keine Zeit“, rief Angela ihm nach, aber sie erhielt keine Antwort. Sollte sie ihm folgen und verlangen, dass er ihr den Schmuck wieder aushändigte? Sie konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass ausgerechnet der Hoflieferant das Schmuckstück stehlen sollte. Und wenn es sich nicht um eine Fälschung handelte, musste sie das Kollier unbedingt zurückgeben.

Mehrere Minuten verstrichen, als die Ladentür aufging und vier uniformierte Polizisten hereinkamen. Im gleichen Augenblick tauchte auch der Juwelier aus dem Nebenzimmer auf und deutete auf Angela: „Das ist die Frau!“

Die Polizisten umringten sie mit ausdruckslosen Gesichtern.

„Was ist denn los?“, fragte Angela erschrocken.

Ein Beamter mit einer goldenen Kordel an der Schulter antwortete ihr. „Monsieur Jacarde hat uns informiert, dass Sie ein wertvolles Kollier mit sich führen. Darf ich fragen, woher Sie es haben?“

„Nein, das dürfen Sie nicht“, erwiderte Angela aufgebracht. „Sagen Sie mir, was das alles soll!“

„Leider muss ich auf die Beantwortung meiner Frage bestehen.“ Die Miene des Polizisten ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht nachgeben würde.

Angela fühlte sich sehr unbehaglich. An die Möglichkeit, dass der Schmuck vielleicht gestohlen war, hatte sie überhaupt nicht gedacht. Wenn sie nur wüsste, was sie jetzt machen sollte! Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit Claude in Verbindung treten sollte. Außerdem würde er vermutlich alles leugnen. Aber ohne seine Bestätigung würden ihr die Polizisten niemals glauben, dass er ihr das Kollier geschenkt hatte und sie es jetzt dem Absender zurückbringen wollte.

Unter den gegebenen Umständen war selbstbewusstes Auftreten vermutlich das einzig Richtige. Angela richtete sich kerzengerade auf. „Ich bin Amerikanerin und Gast in Ihrem Land. Wenn Sie mir nicht sofort meinen Schmuck aushändigen, werde ich mich bei der Botschaft über Ihre Behandlung beschweren.“

Plötzlich flog die Ladentür auf, und ein Mann kam mit langen Schritten hereingestürmt. Respektvoll wichen die Polizisten zurück. Das bewirkte wohl nicht nur seine ungewöhnliche Größe, sondern vor allem sein energisches Auftreten. Sein Gesicht mit den markanten Konturen wurde von durchdringenden grauen Augen beherrscht. Der an sich sinnliche Mund war jetzt allerdings zornig zusammengepresst.

„Wo ist es?“, fragte er ohne Einleitung.

Als der Juwelier ihm stumm das Kästchen mit dem Kollier hinhielt, verfinsterte sich die Miene des Mannes noch mehr. Er wandte sich zu Angela, und sie bemerkte sofort, dass er von ihrer Schönheit beeindruckt war. Eine Weile betrachtete er sie schweigend. Angela erwiderte seinen Blick. Doch plötzlich spürte sie ein erregendes Kribbeln. Der Mann hatte etwas an sich, das sie irritierte.

„Woher haben Sie das?“, fragte er jetzt genauso ungehalten wie die Polizisten.

Bei dem unwirschen Ton fand Angela ihn schon weniger sympathisch. „Das ist keine sehr originelle Frage. Seit fast einer Stunde höre ich nichts anderes.“

„Aber diesmal werden Sie sie beantworten“, versicherte er grimmig.

Er trug eng sitzende Reithosen, in denen sich seine muskulösen Beine deutlich abzeichneten. Einige Knöpfe an dem cremefarbenen Seidenhemd waren geöffnet und zeigten einen Teil seiner gebräunten, mit dichten schwarzen Haaren bedeckten Brust.

Angela sah allerdings nicht ein, warum sie seiner Aufforderung nachkommen sollte. „Wer sind Sie überhaupt?“

„Das ist Großherzog Philippe de Marchal“, teilte ihr Monsieur Jacarde mit, offenbar schockiert über ihren respektlosen Ton.

„Muss ich jetzt beeindruckt sein?“, fragte sie spöttisch.

Amüsiert blitzte es in Philippe de Marchals Augen auf, doch gleich darauf wurde er wieder ernst. „Wir können die Angelegenheit auf angenehme oder auf unangenehme Art klären. Über eins sollten Sie sich jedoch klar sein: Ich werde meine Antwort bekommen.“

Angela wusste, wann sie nachgeben musste. Der hochgewachsene Mann vor ihr strahlte eine Autorität aus, die keinen Widerspruch duldete. „Das Kollier ist ein Geschenk von einem gewissen Claude Dumont.“

Was auch immer er erwartet hatte, das war es jedenfalls nicht. „Unmöglich!“, rief er.

Angela zuckte mit den Schultern. „Sie haben gefragt, und ich habe geantwortet.“

Auch die anderen im Raum reagierten verblüfft. Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Verlegenheit und Schadenfreude. Aber niemand sagte etwas über Claude Dumont.

„Wer ist er eigentlich?“, platzte Angela heraus.

Der Großherzog musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Sie haben mir einiges zu erklären.“ Philippe de Marchal betrachtete die Umstehenden, die ihre Neugier kaum verbergen konnten. „Aber nicht hier.“ Er ergriff Angelas Arm und zog sie mit sich zur Tür.

„Ich denke nicht daran, mit Ihnen irgendwohin zu gehen!“

Trotz ihrer Proteste ging er mit Angela zu einem Maserati, der vor dem Juwelierladen parkte, und schob sie auf den Beifahrersitz.

„So etwas können Sie mit mir nicht machen!“, rief sie wütend.

Er hielt ihre beiden Hände mit einer fest und hob ihr Kinn mit der anderen hoch. „Ich weiß nicht, welches Spiel Sie treiben, aber wenn ich mit Ihnen fertig bin, wird es Ihnen leid tun, jemals einen Fuß in unser Land gesetzt zu haben.“

Sein Gesicht war Angela jetzt so nah, dass sie jede einzelne der Wimpern erkennen konnte, die seine grauen Augen umrahmten. Obwohl er außer sich war vor Zorn, strahlte er Sinnlichkeit aus. Mit seinen markanten Gesichtszügen und der sportlichen Figur könnte er in der Werbung ein Vermögen verdienen.

Angela stellte sich den Großherzog von Beaumont als Modell für modische Unterhosen vor, und sie konnte ein belustigtes Kichern nicht unterdrücken.

Er zog die Brauen hoch. „Ich bin froh, dass Sie die Angelegenheit so erheiternd finden. Hoffentlich vergeht Ihnen das Lachen nicht, wenn ich Sie der Polizei übergebe.“

Angela wurde klar, dass ihr die Situation zu entgleiten drohte. „Wenn Sie mir einige Minuten zuhören, kann ich alles erklären“, versuchte sie deshalb einzulenken.

„Sparen Sie sich das auf, bis wir im Schloss sind“, erwiderte er schroff und startete den Motor.

Sie sah zwar nicht ein, warum sie erst dorthin fahren mussten, aber da das Polizeirevier die einzige Alternative zu sein schien, fügte sie sich.

Außerdem erkannte sie bald, dass Erklärungen während der Fahrt zwecklos gewesen wären. Der Großherzog nahm jede Kurve mit quietschenden Reifen, und nur die Hoffnung, dass er den Wagen jederzeit unter Kontrolle haben würde, bewahrte Angela davor, in Panik zu geraten.

Im Schloss führte der Großherzog Angela in eine Bibliothek.

„Warten Sie hier“, sagte er kurz, und als er ihren trotzigen Gesichtsausdruck bemerkte, fügte er hinzu: „Eine Flucht wäre zwecklos. Die Posten haben Anweisung, Sie nicht hinauszulassen.“

„Ich denke nicht daran, wegzulaufen. Schließlich bin ich ebenso wie Sie daran interessiert, die Angelegenheit zu klären. Ich freue mich schon auf Ihr Gesicht, wenn es so weit ist.“

„Warten wir ab, bis Claude seine Version der Geschichte erzählt hat.“

Angela lief unruhig in der Bibliothek auf und ab. Philippe de Marchal wusste offenbar nicht, dass Claude Dumont nicht im Schloss war. Jetzt waren draußen Schritte zu hören. Unwillkürlich straffte sich Angelas Körper, aber nicht der Großherzog kam herein, sondern ein hochgewachsener Junge von höchstens sechzehn Jahren. Auch er hatte schwarzes Haar und graue Augen, aber seine Züge waren weicher.

Er starrte sie mit offenem Mund an. „Angela! Sie sind hier?“

„Sie wissen, wer ich bin?“

„Natürlich! Aber was machen Sie denn hier?“

„Ich wollte Claude Dumont besuchen. Er hat mir …“ Sie schwieg einen Augenblick, dann meinte sie: „Das ist jetzt nicht wichtig. Wer sind Sie? Woher kennen Sie meinen Namen?“

Der Junge war rot geworden. „Sie wollten zu Claude?“

„Ja, aber er ist nicht da, und jetzt stecke ich in Schwierigkeiten. Kennen Sie ihn?“

Er zögerte. „Warum erzählen Sie mir nicht einfach alles?“

Warum nicht? dachte Angela. Er ist hier der Erste, der mich freundlich behandelt. Angela begann von den Blumen zu erzählen, aber der Junge unterbrach sie sofort.

„Die hat nicht Claude geschickt, sondern ich.“

„Das verstehe ich nicht. Warum sollten Sie …? Wer sind Sie eigentlich?“

„Mein Name ist Alain de Marchal.“

„Aber wenn Sie nicht Claude Dumont sind, warum haben Sie dann mit seinem Namen unterschrieben?“

Er machte ein Gesicht wie ein Schuljunge, der beim Abschreiben erwischt worden war. „Als ich Ihr Bild in der Zeitung sah, war ich von Ihrer Schönheit begeistert. Anfangs wollte ich Ihnen nur meine Bewunderung ausdrücken, aber dann begann ich zu hoffen, dass wir vielleicht Freunde werden könnten. Also sorgte ich dafür, dass der Blumenhändler eine Karte beilegte.“

„Weshalb haben Sie einen falschen Namen benutzt? Gibt es überhaupt einen Claude Dumont?“

„O ja. Er ist mein Hauslehrer.“

„Wusste er davon?“

„Nein“, gestand Alain widerstrebend.

Angela fiel es schwer, die Gedanken zu ordnen. Ihr einsamer alter Herr war also in Wirklichkeit ein verliebter Teenager, und die Briefe mit der Unterschrift Claude Dumont hatte Alain de Marchal geschrieben … An das Kollier wagte Angela gar nicht zu denken. Sie setzte sich. „Ich glaube, Sie erzählen mir lieber die ganze Geschichte.“

Alain zog sich einen Stuhl heran. „Ich wollte Sie bestimmt nicht verletzen“, erklärte er mit unglücklicher Miene, „sondern Ihnen nur eine Freude machen.“

„Das ist Ihnen auch gelungen. Die Blumen waren wunderbar“, beruhigte Angela ihn. „Aber warum haben Sie mir nicht einfach geschrieben? Das wäre doch auch ohne die aufwendigen Geschenke möglich gewesen.“

„Ich hatte Angst, Sie würden das nicht wollen, wenn Sie wüssten, wer ich bin.“

„Weil Sie noch so jung sind?“, fragte sie taktvoll.

„Ich glaube, das Alter spielt keine Rolle, wenn zwei Menschen sich wirklich mögen, meinen Sie nicht auch?“ Er sah sie so bittend an, dass sie gerührt war.

„Da stimme ich Ihnen zu. Aber auf Lügen sollte eine Beziehung unter keinen Umständen aufgebaut sein. Sehen Sie nur, was alles passiert ist. Jetzt glauben alle, dass Claude seine Frau betrügt, und dieser Mann, der ein Großherzog sein will …“ Angela hielt abrupt inne. „Augenblick mal. Sagten Sie nicht, Ihr Name sei de Marchal? So heißt er doch auch.“

„Philippe ist mein Onkel. Außerdem ist er mein Vormund, bis ich alt genug bin, um die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.“

„Dann sind Sie also …“

„Prinz Alain Rupert Robaire de Marchal de Charolais, Regent von Beaumont“, erwiderte er niedergeschlagen.

Angela war überrascht. „Das soll wohl ein Scherz sein?“

„Sehen Sie? Schon betrachten Sie mich mit anderen Augen.“

„Aber nein, Alain. Ich war nur so erstaunt, weil ich noch nie mit einem Prinzen gesprochen habe.“ Er sah so bedrückt aus, dass Angela ihm tröstend die Hand auf den Arm legte.

Angela war sehr nachdenklich geworden. Alain musste sich sehr einsam fühlen. Warum sonst würde ein gut aussehender junger Mann aus adeligem Hause sein Herz einer Fremden ausschütten, die weit entfernt lebte?

„In einigen Jahren werden Sie der begehrteste Junggeselle in Europa sein“, meinte sie vorsichtig. „Es erstaunt mich, dass Sie Zeit gefunden haben, mir so oft zu schreiben, wo Ihnen doch die Mädchen bestimmt in Scharen nachlaufen.“

Er lachte bitter. „In Wahrheit habe ich keinen Kontakt zu anderen Leuten, wenn ich einmal von den Staatsbanketten absehe, bei denen ich stets mit den Frauen der Minister tanzen muss.“

Angela war entsetzt. „Gibt Ihnen Ihr Onkel denn gar keine Möglichkeit, mit Ihren Freunden zusammen zu sein?“

„Außer Claude habe ich keine. Und Philippe natürlich. Wir reiten oft zusammen aus, und manchmal fahren wir übers Wochenende in seine Jagdhütte.“ Alains Gesicht leuchtete. „Ich bin gern mit ihm zusammen.“

Angela dachte an den Mann, der sie mit Gewalt hierher gebracht hatte. Er war ja ein noch größeres Ungeheuer, als sie angenommen hatte! Philippe de Marchal hielt seinen Neffen wie einen Gefangenen, um seinen Einfluss auf ihn nicht zu verlieren. Er hatte den Jungen sogar dazu gebracht, ihn zu bewundern. Vielleicht wollte der Großherzog den Thron für sich allein? Es sah fast so aus. Aber Angela konnte nichts dagegen tun, außer Alain eine gute Freundin zu sein.

Impulsiv ergriff sie seine Hand. „Ich bin froh, dass Sie mir geschrieben haben.“

„Meinen Sie das ehrlich?“, fragte er freudig erregt. „Es stört Sie also nicht, dass ich einige Jahre jünger bin?“

Autor

Tracy Sinclair
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