Ein hoffnungsloser Fall von Liebe

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Hat sie für diese Schuhe einen Waffenschein? Ein Blick auf Karas rote High Heels, und Declans Puls rast. Seit die Chirurgin in seinem Team ist, will er sie berühren, verführen … Leider ist er, der allen Hoffnung schenkt, selbst ein hoffnungsloser Fall – für die Liebe.


  • Erscheinungstag 16.06.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507288
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nur meine Schokoladenseite, bitte!“, rief Declan den wartenden Paparazzi zu, nachdem er sein Motorrad vor dem Princess Catherine’s Hospital abgestellt und den Helm abgenommen hatte.

Kameraverschlüsse klickten, Fragen prasselten auf ihn herab aus einer Menge sensationshungriger Reporter, die an diesem sonnigen Sommermorgen anscheinend nichts Besseres zu tun hatten, als ein Krankenhaus zu belagern. Declan lächelte höflich, obwohl ihm kaum danach zumute war. Gerade heute hatte er es besonders eilig.

„Ist Prinzessin Safia hier?“

„Wird sie sich vollständig erholen? Oder für den Rest ihres Lebens entstellt sein?“

Declan war die hellen Steinstufen hinaufgeeilt, drehte sich um, wartete, bis Ruhe herrschte. „Ladies und Gentlemen, wie Sie wissen, sind mir die Hände gebunden. Die Privatsphäre des Mädchens geht vor. Also – kein Kommentar.“

Er machte sich mentale Notizen: Jalousien immer geschlossen lassen. Patientin in ein höheres Stockwerk verlegen. Sicherheitsmaßnahmen verstärken.

Natürlich brauchten die Hunter Clinic und das Kate’s, wie dieses Krankenhaus allgemein genannt wurde, eine gute Presse. Aber der Medienrummel war Declan zu viel, auch wenn es um eine Scheichtochter ging. Das junge Mädchen kämpfte um sein Leben, und da sollte alles andere zweitrangig sein.

Kein Wunder, dass das Personal des Scheichs streng darauf bedacht war, sie abzuschotten. Wäre auch nur irgendjemand aus Declans Familie in eine solche Tragödie geraten, er hätte alles versucht, um sie zu schützen. Einen Moment lang wurde ihm die Brust eng. Ich habe versucht, sie zu schützen, aber es hat nichts genützt.

„Ach, kommen Sie, Declan. Sie sind landesweit einer der besten Chirurgen für Brandverletzungen. Dass Sie hier sind und ein Privatjet aus Aljahar jeden Augenblick in London landen wird, das kann doch kein Zufall sein!“

War das nicht die blonde Journalistin, mit der er kürzlich ein paar Mal ausgegangen war? Wollte sie den Kontakt nutzen, um ihm Informationen zu entlocken? Declan warf ihr ein Lächeln zu, ähnlich dem, als er sich zum letzten Mal von ihr verabschiedet hatte: Hey, bedräng mich nicht.

Allmählich schmerzten ihm die Kiefermuskeln vom Lächeln. Aber Leo, der Leiter der Hunter Clinic, hätte es nicht gern gesehen, wenn sein Stellvertreter das entspannte Verhältnis zu den Medien gefährdet hätte. „Tut mir leid, aber wie Sie alle wissen, steht es mir nicht zu, Gerüchte zu dementieren oder zu bestätigen. Der Scheich legt großen Wert auf Diskretion. Ich bin mir allerdings sicher, dass er und seine Familie Ihre Anteilnahme zu schätzen wissen und zu einem angemessenen Zeitpunkt eine Presseerklärung herausgeben werden. Jetzt muss ich zur Arbeit. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“

Als die Glastüren sich hinter ihm schlossen, flammten erneut Blitzlichter auf. Declan atmete tief durch, während er sich auf den Weg zur Abteilung für Brandverletzte machte. Zwei aufwendige Operationen, ein Sprechstundennachmittag und ein abendlicher Termin lagen vor ihm, gewürzt mit einem nervigen Medienhype wegen einer prominenten Patientin.

Das wird ein langer Tag, dachte er.

„Sie da! Ja, Sie. Halt, warten Sie!“

Eine Männerstimme mit starkem Akzent und in gebieterischem Tonfall draußen auf dem Flur ließ Declan aufhorchen, als er am Schreibtisch Notizen durchsah und dabei sein Lunch-Sandwich aß.

„Was ist da unten auf der Straße los? Die Fotografen, Presse? Seine Hoheit hatte sich klar ausgedrückt, dass Scheicha Safias Ankunft keine Aufmerksamkeit erregen darf. Seine Tochter leidet, sie braucht absolute Ruhe!“

„Das verstehe ich vollkommen“, antwortete eine Stimme, die einen leichten Hauch vom anderen Ende der Welt mitbrachte. „Ich habe bereits mit dem Sicherheitsdienst gesprochen. Die Prinzessin soll durch den Hintereingang gebracht werden.“ Trotz des entschiedenen Tonfalls klang die Australierin bemerkenswert ruhig, ihre Stimme ein bisschen rauchig, berückend feminin. Declan legte sein Sandwich hin und lauschte.

„Wir sind davon ausgegangen, dass Dr. Underwood sich um jedes Detail kümmert“, erwiderte der Mann scharf.

„Was den Eingriff und die Behandlung betrifft, selbstverständlich. Doch nicht alles auf Ihrer Liste …“

Sie verstummte, Declan hörte Papier rascheln.

„Er ist nicht verantwortlich für die Qualität der Bettwäsche, das Essgeschirr oder die Speisenfolge. Ich werde den Servicemanager bitten, ein Auge darauf zu haben.“

„Und Lilien … wir haben um weiße Lilien als Blumenschmuck für ihr Zimmer gebeten.“

„Natürlich, die Lilien, Punkt zweiundzwanzig.“ Die Frau blieb unerschütterlich gelassen. „Leider sind frische Blumen in der Abteilung für Brandverletzte nicht gestattet. Aus Gründen der Infektionskontrolle.“

„Ach ja? Sicher können Sie das für die Scheicha arrangieren. Sie hat immer Lilien in ihrem Zimmer. Ich muss Sie warnen – Seine Hoheit erwartet hohe Standards, und er wird sie bekommen. Seine Tochter ist ihm das Kostbarste unter der Sonne, er sieht es nicht gern, wenn sie traurig ist. Ich bestehe darauf, dass Sie eine Ausnahme machen.“

„Und ich bestehe darauf, dass unsere Mediziner sich nach den Regeln richten, Sir. Durch die Blütenpollen frischer Blumen können sich Wunden entzünden, was für unsere Patienten schwerwiegende Folgen hätte. In dem Punkt müssen wir sehr streng sein. Also keine Ausnahmen.“

Declans Interesse war erwacht. Das Management hatte einen Glücksgriff getan, als es diese Frau einstellte. Lächelnd stellte er sich vor, wie sie und der Lakai des Scheichs sich mit Blicken maßen.

„Ist das alles? Sir?“

„Nicht in dem Ton. Der Scheich ist sehr einflussreich. Ein Wort von ihm genügt, und Sie verlieren Ihre Stelle.“

Da verging Declan das Lächeln. Niemand hatte das Recht, so mit dem medizinischen Personal zu sprechen!

Er stieß seinen Stuhl zurück und marschierte in den Flur, bereit, den Mann zur Schnecke zu machen, sollte die Sache außer Kontrolle geraten. Allerdings beschränkte er sich vorerst darauf, die beiden Kontrahenten aus der Ferne zu beobachten. Die Frau würde ihm seine Einmischung nicht danken, zumal er damit aus ihrer Sicht nur eins signalisierte: dass sie der Situation nicht gewachsen war. Seine jüngeren Schwestern hatten Declan gelehrt, sich erst einzumischen, wenn Körperkraft gefordert war.

„Nun, ich könnte auch ein paar Worte dazu äußern, doch ich werde es nicht tun.“ Bei dem energischen Tonfall und so viel Selbstbewusstsein hätte Declan eine ältere Frau erwartet. Aber diese hier war jung und mit gut einem Meter fünfundsechzig nicht gerade überragend groß! Sie stand mit dem Rücken zu ihm, und es war etwas an ihr, das Alarmglocken auslöste. Schrill, warnend …

Hellblonde Locken, zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, verführerische weibliche Kurven in einer eisblauen Seidenbluse und einem schwarzen Bleistiftrock, der gerade noch ihre Knie bedeckte. Dazu trug sie schwarze High Heels mit schwindelerregend hohen Absätzen. Declan fragte sich immer wieder, wie Frauen darauf überhaupt laufen konnten. Aber in diesen Schuhen wirkten ihre Beine unglaublich lang und sehr sexy. Sie hielt sich gerade, der Rücken war durchgedrückt.

„Lassen Sie mich Ihnen versichern, Sir, dass Safia bei uns die beste Pflege der Welt bekommt“, fuhr sie fort. „Der Prinzessin wäre mehr gedient, wenn ich mich statt mit der Dekoration ihres Zimmers jetzt mit den Vorbereitungen für ihre Aufnahme beschäftigen könnte.“

Ihr Gegenüber starrte sie an, als hätte es ihm die Sprache verschlagen.

Unbeirrt fuhr sie fort: „Ich bin überzeugt, dass Seine Hoheit es nicht gern hört, wenn die Behandlung sich verzögert, weil das medizinische Team sich erst um Lilien oder die richtige Kristallvase kümmern muss. Sind wir fertig?“

Oh Mann. Der pochende Kopfschmerz, den Declan nach dem Anruf seiner Schwester heute Morgen mühsam im Griff gehalten hatte, drohte wieder stärker zu werden. Diese Frau gehörte zu seinem Team? Seit wann? Und warum hatte das niemand mit ihm besprochen? Declan mochte keine Überraschungen. Er legte großen Wert darauf, genau zu wissen, womit er es zu tun hatte.

Der Bedienstete des Scheichs wurde blass und verbeugte sich leicht. „Natürlich. Verzeihen Sie, Doktor. Sie wissen, was am besten ist.“

„Richtig. Danke.“

Als sie sich umdrehte, um dem Mann nachzusehen, entdeckte sie Declan. Ihr Lächeln schwand augenblicklich, und ein rosiger Hauch überzog ihre Wangen. „Oh.“

Für einen Moment, zum ersten Mal in den letzten zehn Minuten, wirkte sie verunsichert, fing sich jedoch wieder.

Küss mich.

Hitze durchpulste ihn, als die Erinnerungen ihn überfielen. An ein goldfarbenes Abendkleid, schimmernde blonde Locken, die ihr über den Rücken fielen, an betörende grüne Augen und einen verlockenden roten Mund, der ihm den sinnlichsten Kuss seines Lebens schenkte. Aber Declan hatte auch die Traurigkeit gespürt, die von ihr ausging, als er sie an der Bar getroffen hatte, wo sie sich einen Kurzen nach dem anderen einverleibte. Er hatte ein Spiel daraus gemacht, nur weil er sie lächeln sehen wollte. Und danach war es interessant geworden.

Wann war das gewesen? Vor sechs Monaten? Beim Krankenhausball? Der Kuss blieb unvergessen, genau wie die Frau, die er gelegentlich von Weitem erspäht hatte. Entweder auf der Chirurgiestation oder in Drake’s Bar. Einmal hatte er geglaubt, ihr Parfüm in der Hunter Clinic wahrzunehmen. Flüchtig nur, es hätte auch Einbildung sein können.

Declan hatte nie versucht, sie wiederzusehen. Aus einem Grund: Mit ihr zu reden, zu lachen, sie zu küssen, das hatte in ihm ungewohnte Sehnsucht nach mehr geweckt. Und für „mehr“ war Declan Underwood nicht zu haben. Niemals.

„Guten Tag, Dr. Underwood. Gehört Lauschen auch zu Ihren legendären Fähigkeiten?“

„Sie und Ihr Sparringspartner standen praktisch genau vor meinem Büro.“ Declan versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. Hatte er ihn überhaupt gewusst? „Warum schüchtern Sie meine geschätzten Besucher ein und geben sich als Mitglied meines Teams aus? Und wo zum Teufel ist Karen?“

Seine schüchterne, aber ausgesprochen tüchtige Assistenzärztin Karen, die keinen reizvollen Mund und nicht dieses verführerische Funkeln in den Augen hatte!

Der Blondschopf verzog spöttisch die vollen Lippen. „Weiße Lilien, also wirklich. Wenn Ihre geschätzten Besucher alle so sind wie er, kommen wir hier nicht mehr zum Arbeiten. Safia scheint eine kleine Diva zu sein. Und wegen Karen … haben Sie es nicht gehört? In ihrer Familie gab es einen Notfall, und ich wurde gebeten, für sie einzuspringen und Ihnen zu assistieren, bis Karen wieder da ist.“

„Moment mal, habe ich Sie richtig verstanden – Sie übernehmen Karens Aufgaben?“

Sie lächelte, wirkte aber nicht gerade begeistert. Declan fragte sich, ob sie auch an jenen Kuss dachte und vor allem daran, wie sie ihren Mumm oder die Nerven – oder auch beides – verloren hatte, als sie ihn mitten auf der Tanzfläche einfach stehen ließ.

Allein der Gedanke an den Kuss überschwemmte ihn mit heißem, unerwünschtem Verlangen.

„Tja, da haben die Glücksfeen heute ihren Zauberstaub über uns beiden ausgeschüttet“, meinte sie ironisch. „Ich bin in Ihrem Team, bis Karen sich um ihre Familie gekümmert hat.“

Mit Notfällen in der Familie kannte er sich besser aus, als ihm lieb war. Und seiner Erfahrung nach konnte es Wochen dauern, bis Karen zurückkam. Ihm sank der Magen in die Kniekehlen. Declan hielt nichts davon, Arbeit und Vergnügen zu vermengen. Und ganz gleich, was sein Körper wollte, er würde jetzt nicht damit anfangen!

„Welches Genie hat sich das denn ausgedacht?“

„Ethan Hunter. Er rief mich heute Morgen an, erklärte mir den Sachverhalt und sagte, dass er mit Ihnen darüber reden wollte, Sie aber nicht erreicht hätte. Jedenfalls hat er Ihnen eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen. Karen übrigens auch.“

Wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, als die älteste seiner Schwestern ihm ausführlich von dem neuen Freund seiner mittleren und den unbefriedigenden Klausurnoten seiner jüngsten berichtet hatte. Damit nicht genug, hatte sie ihm in epischer Breite ihre Pläne für den anstehenden Geburtstag seiner Mutter mitgeteilt. Declan nahm sich vor, solche Telefongespräche in Zukunft kurz zu halten und im Allgemeinen seiner Familie gegenüber Grenzen zu setzen. Allerdings versuchte er das seit siebzehn Jahren vergeblich …

„Ist das Ihr Ernst? Ich verpasse einen Anruf und werde einfach vor vollendete Tatsachen gestellt? Bei einem der profiliertesten Fälle seit Jahren kann ich nicht entscheiden, wer mit mir zusammenarbeitet?“

„Ich oder keine, so sieht’s aus.“ Sie stemmte die Hände in die sanft gerundeten Hüften. „Wenigstens habe ich eine Menge Erfahrung mit Brandverletzten. Da Leo und Lizzie noch in den Flitterwochen sind, bleibt Ihnen nichts anderes übrig.“

„Tatsächlich?“

„Sie könnten natürlich alles selbst machen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die niederen Arbeiten übernehmen möchten. Wie zum Beispiel den leidigen Papierkram? Oder Blutkonserven organisieren?“

„Vielen Dank, ich weiß genau, was Sie meinen. Und es geht nicht darum, dass ich das nicht machen möchte. Mir fehlt schlicht die Zeit dazu.“ Seit er auch noch in Leos Abwesenheit die Hunter Clinic leitete, könnte er mehr Assistenten gebrauchen und nicht weniger!

Unglaublich, aber er hatte wirklich keine Wahl. Declan rieb sich den Nacken. Hoffentlich ist sie als Chirurgin genauso gut wie beim Küssen. Patzer konnte er sich nicht leisten. Nicht nur, weil sein Ruf auf dem Spiel stand, sondern vor allem die Zukunft eines jungen Mädchens.

Na toll. Sein Tag war gerade noch ein Stück länger geworden!

„Es wird also keine Probleme geben?“

„Absolut nicht.“

Was gelogen war. Kara hatte gerade ein großes Problem. Declans tiefe Stimme mit dem rauen irischen Akzent streichelte ihre Haut wie liebkosende Hände. Sanft, forschend, sexy … Nein, das durfte sie nicht denken! Der Mann war ihr Chef. Und er küsste wie ein Gott. Jetzt betrachtete er sie, nickte kaum merklich, ein Zeichen, dass er sich erinnerte?

Sie hatte das Gefühl, am ganzen Körper zu erröten. Die verräterische Wärme kroch höher, erreichte ihre Wangen. Mit ihm zu tanzen, war der erste Fehler gewesen. Der zweite, ihn hemmungslos zu küssen, wie berauscht von seinen starken Armen und der tiefen Stimme. Kein Wunder, dass sie kalte Füße bekommen und ihn auf der Tanzfläche einfach hatte stehen lassen.

Er lehnte am Türrahmen zu seinem Büro, die muskulösen Arme vor der breiten Brust verschränkt, und musterte sie wachsam.

Schade, schade, aber sie hatte jenen Kuss wirklich genossen. Egal, wie falsch und wie dumm er gewesen war. Declan Underwood schien sich jedoch kaum an sie zu erinnern. Was sie nicht überraschte. Der Mann konnte sich vor Frauen nicht retten.

Kara kratzte zusammen, was an Selbstbewusstsein übrig war. Beziehungsweise das, was sie in schwierigen Situationen zur Schau stellte. Augen geradeaus, Schultern nach hinten. Das letzte Mal, als sie Stärke vorgetäuscht hatte, war an einem offenen Grab gewesen. Die Erinnerung überrollte sie.

„Der Name ist Kara“, begann sie.

Nur falls er es vergessen haben sollte. Hatte sie sich damals überhaupt vorgestellt? Sie erinnerte sich, wie sie aufgeblickt hatte. Daran, wie er dastand, in seinem tadellos sitzenden Smoking, atemberaubend attraktiv, das schwarze Haar leicht zerzaust. Und als er sich vorbeugte, sein Duft nach herbem Aftershave und Mann – ein Hauch nur, aber so verlockend! Kara hatte nicht vergessen, wie heiß ihr geworden war, als sie in seinen dunkelbraunen Augen unerwartet Verlangen aufblitzen sah. Oder wie der Boden unter ihren Füßen leicht schwankte, nachdem er sie auf der Tanzfläche in die Arme gezogen hatte.

„Kara Stephens?“, fügte sie sicherheitshalber hinzu.

Declan runzelte die Stirn. „Fragen Sie mich? Denn wenn Sie es nicht wissen, dann haben wir wirklich ein Problem.“

Sehr witzig. „Mein Name ist Kara Stephens“, sagte sie und betonte jedes Wort mit einer kleinen Pause. „Sie sehen nicht gerade glücklich aus, und ich kann nur annehmen, dass ich der Grund bin.“

Noch immer starrte er sie an. Groß, breitschultrig, arroganter Blick. Selbst die formlose OP-Kleidung konnte den durchtrainierten Männerkörper nicht verbergen, den flachen, muskulösen Bauch, den harten Bizeps, an den sie sich beim Tanzen geschmiegt hatte. Geschweige denn die starken Schultern, auf denen ihre Arme gelegen hatten, als sein Mund ihren berührt hatte.

Hitze knisterte in ihrem Bauch, als hätte jemand eine Zündschnur in Brand gesetzt.

Er ist dein Chef!

Seit jenem Kuss, den sie gebraucht hatte und der doch so falsch gewesen war, hatte Kara einen Bogen um Dr. Herzensbrecher Underwood gemacht. Und jetzt war sie in seinem Team gelandet, und er wollte sie nicht einmal haben. Nicht nur, weil sie mit dem Bediensteten des Scheichs nicht gerade zimperlich umgegangen war. Nein, vor allem dieser verdammte Kuss war schuld!

„Es steht viel auf dem Spiel“, sagte er scharf. „Was wissen wir über Sie? Wo wurden Sie ausgebildet? Welche Erfahrungen haben Sie mit Brandverletzungen?“

„Ich habe zuerst in Melbourne, dann in Perth Medizin studiert und einen Abstecher ans Croftwood Institute in Sydney gemacht.“

„Sie waren am Croftwood? Beeindruckend.“

„Genau. Und ich habe jedes Examen mit Auszeichnung bestanden.“ Auch wenn sich ihr Herz verkrampfte, wenn sie an ihre letzten Tage dort dachte.

Aber sie würde nicht zurückblicken. London war ein neuer Anfang und die Stelle ein Traumjob. Gekrönt von der Chance, an der Seite eines Weltklassechirurgen zu arbeiten.

Den du nicht wieder küssen wirst, flüsterte eine mahnende Stimme. Das hatte Kara auch nicht vor. Wenn es nach ihr ginge, bräuchte sie nie wieder jemanden zu küssen!

„Also, was wird das hier? Ein Vorstellungsgespräch auf dem Flur? Ich bin auch schon in der Hunter Clinic eingesprungen. Wenn Sie meinen Lebenslauf oder Referenzen sehen wollen, sagen Sie einfach Bescheid. Außerdem hat Ethan bereits alles arrangiert.“

„Ohne mich zu fragen? Hat er jemals mit Ihnen gesprochen? Sie in Aktion erlebt? Ich habe einen Großteil Ihrer Unterhaltung gerade eben mitbekommen, und ich muss sagen, Ihre Art …“

Kara unterbrach ihn. „Hören Sie, ich halte nicht viel davon, Patienten einem Risiko auszusetzen, nur weil jemand, der viel Geld und Einfluss hat, das von mir verlangt. Es geht nicht allein um Safia, sondern auch um die anderen Patienten auf der Station. Mit Geld kann man eine Menge kaufen, aber meine professionellen Standards stehen nicht zur Debatte.“ Sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, doch seine Miene gab nichts preis. „Ich hoffe allerdings, dass ich diplomatisch genug war.“

Er nickte, sah sie an. Forschend, als müsste er ein Rätsel lösen. „Ehrlich gesagt, ich fand, dass Sie den richtigen Ton getroffen und Ihren Standpunkt gut verteidigt haben. Es ist leicht, sich von solchen Leuten beeindrucken zu lassen, und selten kommt dabei etwas Gutes heraus.“

Sie traute ihren Ohren nicht. Hatte er sie tatsächlich gelobt? Das überraschte sie. Er stand in dem Ruf, ein fantastischer Liebhaber und ein großartiger Arzt zu sein, der alles für seine Patienten tat, aber nicht lange bei einer Frau blieb. Sehr zu deren Verdruss.

„Wenn Sie bei einer Hauttransplantation genauso selbstsicher vorgehen wie bei dem Erfüllungsgehilfen des Scheichs, dann werden Sie es weit bringen.“

Da musste sie lachen. „Wissen Sie was? Ich hätte ihn zu gern in die Wüste geschickt!“

„Ich auch.“ Er zwinkerte ihr zu. „Aber erstens haben Sie es nicht getan, und zweitens haben Sie ihm Ihre Kompetenz und Professionalität bewiesen, indem Sie nicht gekuscht haben.“

„Ich habe mein Bestes versucht.“

„Gut. Sicher haben Sie sich Respekt verschafft. Das ist auch im Umgang mit dem Scheich und den Medien nötig, die es uns nicht leicht machen werden. Wir sind ein kleines Team mit hoher Verantwortung. Fühlen Sie sich dem gewachsen?“

„Ja, auf jeden Fall.“

„Bei der Scheicha sollten Sie jedoch behutsamer vorgehen. Sie mag verwöhnt sein und erwarten, dass man ihr jeden Wunsch von den Augen abliest, doch sie hat eine schwere Zeit hinter sich.“ Ein weicher Ausdruck trat in seine schokoladenbraunen Augen. „Und einen beschwerlichen Weg vor sich. Der Unfall hat ihr Leben für immer verändert. Sie wird Angst haben und Schmerzen, und sie wird Hilfe und Zuwendung brauchen. Nicht nur heute, sondern jeden Tag. Also gehen wir sanft mit ihr um.“ Er blickte sie prüfend an. „Können Sie sanft sein?“

„Natürlich.“ Kara wäre sogar auf die Knie gefallen und hätte gebettelt, um mit einem erfahrenen Chirurgen wie ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Erleichterung durchflutete sie, und sie schenkte ihm ihr lieblichstes Lächeln. „Dann bin ich dabei?“

„Fürs Erste, ja. Anscheinend bleibt mir keine Wahl – wir müssen jetzt zu Safia. Über Ihren Platz in meinem Team mache ich mir später Gedanken.“

„Ich habe ausgezeichnete Empfehlungen. Rufen Sie im Croftwood an und fragen Sie nach. Ich garantiere Ihnen, dass Sie nicht enttäuscht sein werden.“

„Den Eindruck habe ich auch.“ Declan lachte. „Meine Güte, Sie nehmen wirklich kein Blatt vor den Mund.“

Etwas Ähnliches hatte er auch beim Ball gesagt, nachdem sie von ihm verlangt hatte, sie zu küssen – mitten auf der Tanzfläche, weil sie nicht aufhören konnte, daran zu denken, wie sich sein Mund auf ihrem anfühlen würde.

Kara schloss die Augen, hoffte inständig, dass er sich nicht daran erinnerte. Als sie sie wieder öffnete, sah er sie an. Seltsam … interessiert. Wie ein Schatten hing der Kuss zwischen ihnen, während Declan ihr in die Augen blickte. Ja, er wusste es noch. Und wenn sie das flüchtige Aufblitzen in den dunkelbraunen Tiefen richtig deutete, erinnerte er sich auch daran, wie heiß dieser Kuss gewesen war. Das warme Glühen in ihrem Bauch wurde stärker.

Mit einem kräftigen Schuss Realität löschte sie die Glut. Das letzte Mal, als sie sich von Herzchen und Rosen und körperlichem Verlangen hatte hinreißen lassen, war sie kurze Zeit später verheiratet gewesen. Und danach hatte sie ein Wechselbad sämtlicher Gefühle von A bis Z erlebt. Die schmerzlichen Erfahrungen reichten ihr fürs Leben, und Kara hatte nicht vor, den gleichen Fehler noch einmal zu begehen. Sie war fast daran zerbrochen, während sie sich immer wieder fragte, wie etwas, das so wundervoll begonnen hatte, so bitter enden konnte. Der einzige Weg aus dem Tal war ihre Arbeit gewesen – auch wenn diese sie ironischerweise erst in Schwierigkeiten gebracht hatte.

„Vermutlich liegt es daran, wie ich aufgewachsen bin“, gab sie Declan etwas verspätet zur Antwort und ging den Flur entlang Richtung Station.

„Ach ja? Inwiefern?“ Er blieb an ihrer Seite.

„Meine Eltern waren beim Militär. Immer in Bewegung, nie lange an einem Ort. Ich musste lernen, den Mund aufzumachen, wenn ich zu meinem Recht kommen wollte. Allerdings bringt es mich manchmal in Schwierigkeiten.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Und wie, sagte sein Blick. Zum Beispiel neulich auf der Tanzfläche. „Australische Armee?“

„Ja. Sie waren noch Rekruten, als sie sich kennenlernten, und sind beide beim Heer geblieben.“

„War das aufregend? Interessant?“

„Schwierig, würde ich eher sagen. Wenn einer aus der Familie bei der Armee ist, ist das schon hart, aber wenn beide Eltern versuchen, die Karriereleiter hinaufzusteigen, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Es gab oft Diskussionen, Streitereien, manchmal einen regelrechten Kampf darum, wessen Aufgaben wichtiger sind. Was das Kind möchte, steht ganz am Ende der Hackordnung.“

Sie hatte lautstark und hart verhandeln müssen, um überhaupt gehört zu werden.

„Man bekommt ein dickes Fell und hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, wenn man ständig den Wohnort wechselt und auf Militärbasen aufwächst. Und ich kann gut schießen, auf hundert Meter genau.“

„Ich auch.“ Als sie ihn erstaunt ansah, fügte er hinzu: „Farmersjunge.“

Der Mann steckte voller Überraschungen. Er sah nicht nur umwerfend aus, sondern strahlte Klasse aus – ein Umstand, der ihm bei seinen reichen und berühmten Patienten zugutekam. „Vom irischen Bauernburschen zum Londoner Topchirurgen? Muss eine wahnsinnig spannende Geschichte sein.“

„Nicht wirklich.“ Sein Lächeln verschwand, und Declan blickte sie an, als hätte sie eine verbotene Grenze übertreten. Er schob die Hände in die Hosentaschen und beschleunigte seine Schritte.

Kara verstand: Zusammen arbeiten, okay, küssen vielleicht auch noch, aber sein Privatleben war strikt tabu. Von mir aus, dachte sie. Ihr lag auch nichts daran, von ihrer Vergangenheit zu erzählen.

Sie holte unmerklich tief Luft und schlüpfte in die Rolle der tüchtigen Ärztin. „So, hier wissen alle Bescheid, dass die Privatsphäre der Scheicha oberste Priorität hat“, sagte sie, kaum dass sie die Station betreten hatten. „Jeder ist angehalten, am Telefon keine Fragen zu beantworten, egal, wer angeblich am anderen Ende dran ist.“

„Ausgezeichnet.“ Declan betrat das Zimmer, das er persönlich für Safia ausgesucht hatte. „Hier ist auch alles vorbereitet, wie ich sehe. Aber lassen Sie das Bett vom Fenster abrücken.“ Er lugte durch die Jalousien auf die Straße hinunter. „In diesem Stockwerk dürfte niemand einen Blick auf sie werfen können. Sobald sie eintrifft, überprüfen wir als Erstes ihr Schmerzempfinden und die Medikation. Sie soll keine Angst haben, dass es wehtut, wenn wir die Verbände entfernen. Danach brauche ich ein Blutbild, um sicherzugehen, dass sie hämodynamisch stabil ist. Und dann sehen wir uns genau an, womit wir es zu tun haben.“

„Keine Sorge.“ Sie nahm das Klemmbrett vom Fußende des Betts ab und checkte kurz, ob die Papiere vollständig waren.

„Okay.“ Declan sah sich um. „Wann soll sie eintreffen?“

Kara warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „In zehn Minuten.“

„Sehr gut.“

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