Ein Kind der Leidenschaft

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Ist eine künstliche Befruchtung wirklich für sie das Richtige? Caitlin, die sich sehnlichst ein Baby wünscht, fragt Jake, ihren Freund aus Kindertagen, um Rat. Er hält sich bedeckt, aber sein heißer Blick spricht Bände - kann es sein, dass sich Jake in sie verliebt hat und sich ihre geheimsten Träume doch noch erfüllen?


  • Erscheinungstag 04.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758059
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Gib es zu, Caitlin, er ist perfekt für deinen Zweck und würde schöne Kinder in die Welt bringen.

„Er ist zu perfekt“, sagte sie zu sich in der Kabine der Damentoilette. „Nur weil er mich zum Abendessen eingeladen hat, heißt das noch lange nicht, dass er auch bereit wäre …“ Caitlin O’Hara sprach oft mit sich selbst. Das erleichterte ihr Entscheidungen, vor allem, wenn dadurch ihr ganzes Leben verändert wurde.

Caitlin wollte keinen Ehemann. Auf gar keinen Fall!

Allerdings wünschte sie sich ein Kind, und das schaffte sie nun einmal nicht allein. Genau deshalb traf sie sich jetzt ja auch mit einem möglichen Samenspender für eben dieses Kind.

Sie war absolut nicht kalt, sondern sogar sehr warmherzig. Sie sah sich nur nicht als Ehefrau. In ihrer Familie klappte es offenbar mit der Ehe nicht. Trotzdem wollte sie Mutter werden und hatte deshalb etliche Verabredungen getroffen, um nach Möglichkeit den richtigen Mann zu finden.

Bisher war es unterschiedlich gelaufen. Einige Kandidaten waren gut, andere nicht so gut gewesen. Der heutige bot Anlass zur Hoffnung.

Er ist perfekt, sagte sie sich noch einmal, während sie mit dem bronzefarbenen Lippenstift die Unterlippe nachzog. Mit den kupferroten schulterlangen Locken konnte sie nicht viel mehr machen, als dafür zu sorgen, dass sie ihr nicht ins Gesicht hingen. Caitlin holte tief Atem und zog den Ausschnitt so zurecht, dass etwas mehr von den Brüsten zu sehen war. Danach war sie für alles bereit.

„Nathan hat im letzten Vierteljahr die meisten Lebensversicherungen verkauft“, rief sie sich in Erinnerung. „Er hat ein eigenes Haus, sein Wagen ist abgezahlt, er besitzt einen guten Charakter und hat keine schlechten Eigenschaften. Und natürlich ist er bestens versichert.“ Mit etwas Glück erbte ihr gemeinsames Kind Nathans schönes dichtes blondes Haar und nicht ihre komischen Locken. Ob er tatsächlich der Richtige war?

Fest entschlossen, den Abend zu genießen und abzuwarten, wohin das alles führte, verließ sie den Waschraum.

Am Eingang des Speisesaals erstarrte sie.

Und sie hatte gedacht, Nathan Reynolds wäre der ideale Kandidat! Die Sonnenbräune stammte von den Wochenenden, die er auf seinem Segelboot verbracht hatte, und sein wundervolles Lächeln verdankte er einem sehr teuren Zahnarzt.

Aber jetzt erkannte sie schlagartig, dass er alles andere als ideal war.

Wenn sie sich nicht sehr irrte, so hatte Nathan, dieser Traum einer jeden Frau, soeben heimlich den Inhalt eines winzigen Glasröhrchens in ihr Weinglas gekippt! Mit seinem Löffel löste er das Pulver im Wein auf und stellte das Glas wieder zurück!

Oft genug las oder hörte man davon, dass Männer heimlich Frauen Drogen in die Getränke schütteten. Und am nächsten Tag erwachten diese Frauen und entdeckten, dass sie Sex mit einem Mann gehabt hatten, an dem ihnen gar nichts lag – und wer weiß was noch alles.

Caitlin lief zum Telefon, um Jake anzurufen. Ihr bester Freund kam bestimmt sofort her und schlug Nathan zusammen, wenn sie ihn darum bat, damit dieser Kerl nie wieder so etwas machte.

Sie holte Münzen aus dem Portemonnaie, griff zum Hörer, tippte die Nummer ein und stellte sich vor, wie es weitergehen würde. Jake würde Nathan also zusammenschlagen und sie dann heimfahren. Und dabei würde er ihr eine Predigt halten, dass sie vorsichtiger sein musste, wenn sie sich mit einem Mann traf. Caitlin legte wieder auf.

Nein, diese Angelegenheit musste sie selbst erledigen.

Nachdem sie tief Atem geholt hatte, kehrte sie mit einem strahlenden Lächeln an den Tisch zurück. Nathan stand sofort mit einem mindestens ebenso strahlenden Lächeln auf.

„Habe ich dir schon gesagt, wie schön du heute Abend aussiehst?“, fragte er.

„Ja, das hast du, aber ich höre es gern noch mal.“ Sie schnurrte geradezu. „Würdest du bitte den Kellner rufen?“, fügte sie hinzu und griff zum Weinglas.

Nathan drehte sich um und hielt Ausschau nach dem Kellner. Als er Caitlin wieder ansah, hatte sie bereits die Gläser vertauscht und nippte an dem ihren.

Bei jedem Schluck, den sie tat, lächelte er noch schöner, und zu ihrer Erleichterung leerte er sein Glas in einem Zug.

„Gut, nicht wahr?“, fragte sie.

„Großartig“, versicherte er und verschlang sie mit Blicken.

Oh ja, großartig, du Wurm, dachte sie. Freu dich jetzt, weil du später leiden wirst. Ganz gewaltig!

Als die Rechnung kam, starrte Nathan auf seine Brieftasche, als hätte er noch nie eine gesehen.

„Hast du etwas zu viel Wein getrunken, mein Lieber?“, erkundigte Caitlin sich sanft, schob seine Kreditkarte vorsichtig in seine Brieftasche und lächelte dem Kellner zu.

„Du willst doch sicher nicht, dass der Abend schon endet.“ Nathan sprach leicht schleppend, während er unterschrieb.

„Natürlich nicht.“ Caitlin hielt seine Brieftasche fest und fügte der Rechnung noch zwanzig Dollar hinzu, als sie merkte, wie knauserig Nathan mit dem Trinkgeld gewesen war. Danach half sie ihm auf die Beine und schaffte ihn mit Unterstützung des Oberkellners zum Ausgang. „Vielen Dank“, sagte sie mit dem gequälten Lächeln einer Frau, deren Begleiter betrunken war, und drückte dem Oberkellner einen Zwanziger aus Nathans Brieftasche in die Hand.

Der Mann lächelte dankbar und gab dem Angestellten, der für die Wagen zuständig war, einen Wink.

„Mein Freund fühlt sich nicht ganz wohl“, erklärte Caitlin und tat, als wäre es ihr peinlich, dass er betrunken war. „Könnten Sie ihm ein Taxi rufen? Ich folge ihm in seinem Wagen.“

„Selbstverständlich, Ma’am.“ Ein zweiter Zwanziger beschleunigte die Ankunft des Taxis.

„Nathan, Schatz, du siehst gar nicht gut aus“, stellte Caitlin besorgt fest. „Ich schicke dich in einem Taxi heim und komme mit deinem Wagen nach.“

„Niemand fährt meinen Wagen!“, wandte er betroffen ein.

„Nathan, du weißt, wie gut ich fahre. Außerdem willst du ihn nicht über Nacht hier stehen lassen, oder?“ Sie stieß ihn förmlich auf den Rücksitz des Taxis, nannte dem Fahrer die Adresse und folgte in Nathans BMW-Spitzenmodell.

„Sollten Sie die tolle Karre nicht lieber in die Garage stellen?“, fragte der Taxifahrer, nachdem er Nathan am Ziel ins Haus geschafft hatte. „Es könnte heute Nacht regnen.“

Caitlin warf einen Blick auf Nathan, der auf dem Sofa wie ein Fisch auf dem Trockenen lag. Sie wusste, wie stolz er auf seinen Luxusschlitten war. „Das wäre aber sehr schade“, meinte sie lächelnd, warf die Schlüssel auf den Tisch und schloss die Haustür von außen.

„Kommen Sie“, sagte der Taxifahrer und führte sie zu seinem Wagen. „Ich bringe Sie nach Hause. Das haben Sie verdient.“

Während der Heimfahrt erfuhr Caitlin, dass der Mann vier Töchter hatte, von denen eine in ihrem Alter war.

„Suchen Sie sich einen anständigen Mann und kriegen Sie ein paar Kinder mit ihm“, riet er ihr und lehnte sogar ein Trinkgeld ab, als er vor ihrem Haus hielt.

„Ich sage Ihnen was“, erwiderte Caitlin und gab ihm die Hand, nachdem er sie zur Tür begleitet hatte. „Finden Sie einen Mann für mich, und ich ziehe es ernsthaft in Betracht. Vielen Dank für alles.“

„Gern geschehen.“

In der Diele stellte sie die Handtasche auf den Tisch, sah sich um und lauschte. Probeweise stampfte sie auf, aber nichts geschah.

„Ivan?“, rief sie, doch die Dänische Dogge antwortete nicht. „Großartig, nicht mal auf dich kann man sich verlassen“, murmelte sie, hängte die rote Wolljacke auf und ging zur Küche. Nach diesem Abend brauchte sie eine Tasse Tee.

Kaum hatte sie die Küche betreten, als das Telefon klingelte. Seufzend griff sie nach dem Hörer, weil klar war, wer so spät anrief.

„Hallo, Jake.“

„Ebenfalls hallo. Warst du nicht mit Mr. Langweiler verabredet? Wieso kommst du mit einem Taxi heim?“ Seine angenehme tiefe Stimme tat ihr gut. „Ist sein schicker Schlitten liegen geblieben?“

Caitlin stellte sich vor, wie der für diese Nacht angesagte Regen auf den feinen weißen Lack trommelte, ganz zu schweigen von den grässlichen Flecken, die garantiert von den Samen des Baumes zurückblieben, unter dem der Wagen parkte.

„Nathan fühlte sich nach dem Essen nicht ganz wohl“, erwiderte sie. „Darum habe ich lieber ein Taxi genommen.“ Sie hielt den Hörer mit der Schulter ans Ohr und suchte im Schrank nach dem Tee.

„Wurde er aufdringlich?“

„Aber, Jake, wie kommst du bloß darauf? Nathan ist ein Vorbild, eine Säule der Gesellschaft.“ Dreck ist er, Dreck von der übelsten Sorte und nicht wert, auch nur ein einziges Y-Chromosom zu besitzen.

„Das heißt noch lange nicht, dass er nicht was probiert. Ich komme sofort zu dir.“

„Jake!“, wehrte Caitlin vergeblich ab und legte seufzend auf. Jake Roberts tat immer, was er wollte.

Caitlin stellte soeben den Teekessel auf den Herd, als ein hochgewachsener Mann zur Hintertür hereinkam. Im Mund hatte er einen Lolli wie ein Fieberthermometer, in der Hand eine grüne Flasche.

„Das ist viel besser als Tee“, erklärte er und holte zielsicher den Korkenzieher aus der Schublade, bevor er den Herd ausschaltete.

„Nein, was sind wir großzügig“, scherzte Caitlin und stellte zwei Weingläser auf die Theke. „Die Flasche hat ja sogar einen richtigen Korken. Gibt es einen besonderen Anlass?“

„Du hast eine Verabredung mit Nathan, der päpstlicher als der Papst ist, überlebt“, erklärte Jake und schenkte ein, reichte ihr ein Glas und zog es sofort wieder zurück. „Was ist passiert?“

Caitlin hielt seinem bohrenden Blick stand. „Wir haben gegessen, er hat etwas zu viel Wein getrunken, und ich bin mit einem Taxi nach Hause gefahren.“ Sie griff nach dem Glas, doch Jake hielt es noch höher.

Seine blaugrauen Augen waren unverwandt auf sie gerichtet.

Caitlin kannte diesen Blick nur allzu gut. Sie war mit Jake Roberts schon seit ewigen Zeiten befreundet, da sie gemeinsam hier in Bridgetown in Oregon aufgewachsen waren. An ihrem ersten Tag in der Vorschule war sie von älteren Kindern wegen der roten Haare gnadenlos gehänselt worden. Jake, bereits in der zweiten Klasse der Volksschule, hatte sie mit Fäusten verteidigt und sich dafür ein blaues Auge eingehandelt. Seither war er Caitlins Held und bester Freund. Und mittlerweile waren sie auch Nachbarn.

„Caitlin Rose O’Hara“, sagte Jake leise, „was hat Nathan getan, dass du schon so zeitig hier bist?“

Sie verzog das Gesicht, als sie ihren verhassten zweiten Vornamen hörte. „Wir haben im ‚Petite Château‘ zu Abend gegessen. Dort gibt es das beste Essen in der ganzen Stadt.“

„Und weiter?“

Caitlin sprang hoch, entwand ihm das Glas und trank lächelnd.

Jake zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Er hat etwas versucht!“

„Du hättest Anwalt werden sollen, wenn du so gern jemanden ins Kreuzverhör nimmst.“ Sie trank noch einen Schluck. „Den Wein hat dir bestimmt wer geschenkt. Er ist garantiert älter als zwei Jahre, und man kann ihn sogar trinken.“

„Hat er sich dir aufgedrängt?“

Caitlin verdrehte die Augen. „Meines Wissens nach bist du nicht mein Vater.“

„Ich will es wissen!“ Jake kam näher.

Sie zog sich vor ihm zurück, was in der engen Küche nicht einfach war, aber sie musste es tun. Jake wusste nämlich, dass er ihr mit Kitzeln jede Antwort abrang. Ein Blick in seine mutwillig funkelnden Augen bestätigte, dass er genau das plante.

„Er hat etwas in meinen Wein geschüttet!“, rief sie.

„Ich wusste, dass du es mir früher oder später … Was hat er?“ Jetzt blitzte reine Mordlust aus Jakes Augen. Er stellte das Glas auf die Theke und ging zur Hintertür. „Dieser Mistkerl wird …“

„Jake, nein!“ Caitlin packte ihn am Arm und wurde über den gekachelten Boden mitgeschleift. „Er ist schon genug bestraft. Ich habe die Gläser vertauscht.“

Jake blieb mit der Hand auf der Klinke stehen und drehte sich um.

„Nathan Reynolds ist Abschaum“, stellte er mit zusammengebissenen Zähnen fest. „Er betrachtet Frauen als Beute. Sobald er eine hatte, lässt er sie fallen. Das musstest du wissen. Ich begreife nicht, wie du mit ihm ausgehen konntest.“

Caitlin hielt es für keine gute Idee, Jake zu gestehen, was sie von Nathan gewollt hatte.

Jake beugte sich so weit zu ihr, dass ihre Nasen sich fast berührten. „Ich wusste, dass du es mir nicht verheimlichen kannst! Du konntest bei mir noch nie ein Geheimnis für dich behalten!“

Sie fühlte, dass sie rot wurde. „Konnte ich schon“, behauptete sie beleidigt.

„Konntest du nicht“, sagte er zufrieden.

„Konnte ich schon!“, rief sie, jammernd wie ein kleines Mädchen.

„Aber ja, natürlich.“ Jakes breites Lächeln schwand, als er sich an den Grund dieses Gesprächs erinnerte. „Wäre er bei dir ans Ziel gekommen, hätte ich ihn zu Brei geschlagen.“

„Zuerst wollte ich dich anrufen und genau darum bitten“, räumte sie ein. „Aber dann wollte ich mich selbst rächen.“

Er lehnte sich an die Tür. „Und was hast du raffiniertes kleines Luder gemacht?“

Voll Stolz erzählte sie ihm alles.

Jake lachte lauthals. „Herrlich! Zwar nicht so gut wie meine Fäuste, aber dafür unblutiger.“ Er griff wieder nach den Gläsern und gab Caitlin das ihre. „Ich bin stolz auf dich, Kleines.“

„So, das haben wir geklärt. Verrätst du mir jetzt, wo Ivan steckt?“

„Bei mir drüben. Er sieht sich mit Spike die Weltmeisterschaft im Freistilringen an“, erwiderte er.

„Du willst meinem Hund und deinem Frettchen die Schuld an deinem schlechten Geschmack beim Fernsehen in die Schuhe schieben?“

„Hoffentlich lassen sie mir noch etwas Popcorn übrig. Du weißt, wie gierig die beiden bei Popcorn sind.“

Jake machte sich in den Schränken auf die Suche, holte ein Päckchen Schokokekse heraus und fiel darüber her. „Du bist in letzter Zeit oft ausgegangen“, bemerkte er. „Hängt dir dein eigenes Essen schon zum Hals heraus?“

Caitlin wusste genau, was er wissen wollte.

Jake war ihr bester Freund. Sie kannte den wahren Grund, aus dem Candace Tucker mit ihm unmittelbar vor dem Abschlussball Schluss gemacht hatte. Und er wusste, dass sie an der Highschool ein Jahr lang in Joel Carstairs verknallt gewesen war.

Sie wussten alles voneinander.

Bis jetzt.

„Also, meine Liebe, ich will alle pikanten Einzelheiten deines Abends mit Nathan wissen.“

Caitlin unterbrach die Buchhaltung, mit der sie sich seit einer Stunde herumschlug. Sie musste die Rechnungen erledigen, zog es jedoch vor, sich mit ihrer Freundin zu beschäftigen.

„Reicht das Wort ‚Abschaum‘ als Hinweis?“

Sheri, ihre beste Freundin seit der Volksschule, ließ sich auf einen Stuhl sinken. „War es so schlimm?“

„Noch schlimmer.“ Caitlin beugte sich zu ihr, damit die Kunden in ihrer Buchhandlung nichts mitbekamen.

„Du hättest Jake anrufen sollen, damit er ihn zu Brei schlägt“, meinte Sheri blutrünstig.

„Damit er wen zu Brei schlägt?“, fragte Misty kokett.

Caitlin versetzte es jedes Mal einen Schlag, wenn sie ihre Teilzeit Angestellte sah. Die Neunzehnjährige wäre hübsch gewesen, hätte sie nicht einen goldenen Ring in der Nase und sechs Ringe in jedem Ohr gehabt. Außerdem wies ihr Zopf sämtliche Regenbogenfarben auf. Hätte Caitlin von Misty nicht taktvoll verlangt, keine bauchfreien Tops zu tragen, hätte man auch den goldenen Ring in ihrem Nabel gesehen.

„Caitlin, Mr. Winters will wissen, ob Sie ihm diese Bücher bestellen können.“ Misty hielt ihr einen Zettel hin.

Caitlin holte tief Atem. „Hast du denn schon nachgesehen?“

„Nein“, gestand Misty.

„Dann könntest du doch prüfen, ob die Bücher lieferbar sind. Wenn ja, kannst du ihm sagen, dass wir sie bestellen.“

„In Ordnung“, versicherte Misty.

Sheri seufzte. „Kann sie denn gar nichts von sich aus machen, abgesehen von der Entscheidung, an welchem Körperteil sie noch einen Ring anbringen lässt?“

„Es ist schwer zu glauben, aber die Kunden mögen sie“, erwiderte Caitlin.

„Meine Kunden würde sie verscheuchen.“ Sheri bot ihren Kundinnen jede erdenkliche Pflege sowie alle Schönheitsmittel für die Haut und das Haar an. „Oh, ich muss los“, stellte sie nach einem Blick auf die Uhr fest. „Mrs. Palmer kommt um zwei. Wie wäre es, wenn wir morgen zu Mittag essen?“

„Sehr gern.“

Sheri wollte schon gehen, bemerkte jedoch eine Broschüre, die unter einem Stapel hervorlugte. Sheri wollte ihre Freundin rasch ablenken, doch Sheri war schneller und griff danach.

„Sag jetzt bloß nicht, du willst dich an eine Agentur für Partnervermittlung wenden!“ Sheri hielt Caitlin die Broschüre vor die Nase.

„Ich habe nur einen Blick hineingeworfen“, behauptete Caitlin und wurde rot. „Nach dem gestrigen Abend erscheint mir das sicherer, als wieder mit irgendeinem Nathan auszugehen.“

Sheri warf die Broschüre auf den Tisch. „Cait, du wirst morgen noch nicht alt. Es gibt keinen Grund, aus dem du nicht einen wunderbaren Mann kennenlernen solltest. Einen, der dir so viele Kinder schenkt, wie du nur haben willst.“

„Das sagt ausgerechnet eine Frau, die in den letzten zwei Jahren sechs Heiratsanträge erhalten hat.“ Caitlin versteckte die Broschüre sorgfältig unter den Papieren. „Ich bin in der Zeit nicht einmal so oft ausgegangen.“

„Du hättest es nur einfach entspannter anfangen müssen“, behauptete Sheri. „Und glaube nicht, dass ich diese Geschichte vergesse. Morgen reden wir darüber.“

„Nein, tun wir nicht“, sagte Caitlin zu sich, als ihre Freundin ging, lehnte sich zurück und lauschte auf das beruhigende Plätschern des Wasserfalls, den sie an der Rückseite der Buchhandlung installiert hatte.

Als sie vor fünf Jahren den Laden eröffnete, hatte sie sich eine kundenfreundliche Atmosphäre gewünscht. Es gab eine Leseecke mit bequemen Sesseln und Lampen. Kaffee, Tee und Plätzchen standen für die Leute bereit. In einer anderen Ecke des Ladens fanden Lesestunden für Kinder statt. Das Geschäft machte sie nicht reich, aber zufrieden.

Am College hatte Caitlin sich Ziele gesteckt. Bisher hatte sie ein Haus, einen Laden und ein erfülltes Leben auf der Plusseite. Sie hatte es nicht zum erhofften Ehemann gebracht, aber wenn sie es richtig anstellte, kam sie wenigstens zu einem Kind.

Die Entscheidung nahm sie nicht auf die leichte Schulter. Ein Baby würde ihr Leben entscheidend verändern. Von einer ungestörten Nachtruhe konnte dann keine Rede mehr sein, und die schmutzige Wäsche würde sich häufen. Sie konnte sich dann auch nicht mehr einige Tage freinehmen, sondern musste auf einen anderen Menschen Rücksicht nehmen.

Bestimmt war sie eine gute Mutter. Sie hatte alle einschlägigen Bücher gelesen und es sich genau überlegt. Allerdings hätte sie es sich nicht so schwierig vorgestellt, einen Vater für das Kind zu finden.

„Vielen Dank, dass Sie für uns diese Bücher bestellt haben.“ Mrs. Lambert hielt eine Tüte auf den Armen und fügte leise hinzu: „Sie haben vielleicht mitbekommen, dass wir im Bridgeklub auch schreiben wollen.“

„Ja“, erwiderte Caitlin und ging auf den verschwörerischen Tonfall ein. „Wissen Sie schon, worüber Sie schreiben wollen?“

„Aber natürlich.“ Die sonst so würdige Mrs. Lambert lachte. „Andere Frauen in unserem Alter haben sagenhaft erotische Geschichten verfasst. Warum sollten wir das nicht auch können?“, fragte sie und entfernte sich.

„Und ich dachte, mich könnte nichts mehr überraschen“, murmelte Caitlin erstaunt.

„Entschuldigen Sie, wo finde ich guten Lesestoff?“

Jake stand in einer Jeans vor ihr, die schon vor Jahren auf dem Müll hätte landen müssen. Das blau karierte Flanellhemd hing halb aus der Hose, und die Laufschuhe hatten Löcher. Eine blaue Baseballmütze mit den aufgestickten Worten „Alphabet Soup“ verdeckte das lange Haar, eine Fliegersonnenbrille die Augen. Er nahm die Brille ab, steckte sie ein und lächelte mit dem unwiderstehlichen Charme und dem Mutwillen eines Fünfjährigen.

Caitlin hütete sich, von diesem Charme angezogen zu werden. Sie war eine Motte, die nicht in die Flamme flog.

„Bei dem Lesestoff, den du bevorzugst, solltest du es bei Zach versuchen“, schlug sie vor. „Ich habe gehört, dass er heute neue Comicbücher bekommen hat.“

„Witzig, Kleine, sehr witzig“, erwiderte er und tat, als hätte sie ihn verletzt. „Ich dachte, du willst Geld verdienen, aber du vertreibst deine Kunden.“

„Wäre ich auf dich als Kunden angewiesen, hätte ich schon nach der ersten Woche Pleite gemacht.“ Sie schob die Kataloge zur Seite. „Was führt dich zu mir?“

„Zwei weitere Zeitungen drucken ‚Alphabet Soup‘. Ich dachte, wir könnten das mit einem Abendessen auswärts feiern.“

Caitlin betrachtete sein schäbiges Äußeres.

„Wie du aussiehst, muss man im Restaurant die Bestellung in den Mund eines Clowns sprechen, und ich darf mir die Kinderportion Fritten aussuchen.“

„Hey, ich scheue für mein Lieblingsmädchen keine Kosten.“

„Gestern Abend habe ich köstlich gespeist, und heute …“

„Ja, sicher, aber Ivan und Spike hätten das ‚Petite Château‘ kaum betreten dürfen, oder?“

Daraufhin ging Caitlin ans Schaufenster und warf einen Blick nach draußen. Jakes schwarzer Jeep Cherokee stand vor dem Laden. Ivan leckte die Fensterscheibe und bellte. Spike, das kleine Frettchen mit der schwarzen Augenmaske, saß auf der Schulter der Dänischen Dogge.

„Sieh dir die beiden an“, sagte Jake leise und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Willst du die Kinder um ihr Vergnügen bringen? Sie gehen doch so selten aus.“

„Das ist nicht fair“, meinte Caitlin seufzend.

„Ja, ich weiß, aber ich konnte den beiden nicht erklären, dass sie daheim bleiben müssen, während wir zwei ausgehen und uns amüsieren.“ Dabei sah er sie so sehnsüchtig wie die beiden Tiere im Auto an. „Du kannst es ihnen ja beibringen.“

„Das ist wirklich unfair, Jake!“

„Du hast ja so recht.“ Er lächelte alles andere als schuldbewusst.

„Misty, ich gehe jetzt“, verkündete Caitlin, während Jake ihr in die Jacke half.

„So, Leute, rutscht rüber“, befahl er, als er die Beifahrertür öffnete. „Wir führen euch zum Abendessen aus.“

Spike, ein silberfarbenes Frettchen, sprang Caitlin schnatternd auf die Schulter und stupste sie mit der Nase an. Ivan gab ihr einen feuchten Kuss.

„Das heißt wohl, dass wir zu ‚Ernie’s‘ fahren“, sagte sie und dachte dabei an das Schnellrestaurant am Ende der Stadt.

„Tolles Essen im Freien.“

„Vor allem im Freien.“ Caitlin wich Ivans nächstem feuchten Kuss aus.

Jake stellte den Wagen in der Nähe eines Tisches im Freien ab und half Caitlin beim Aussteigen.

„Krabben und Fritten?“, fragte er. „Eistee mit Zitrone?“

„Wie gut du mich doch kennst.“

„Und du, Vielfraß?“, fragte er Ivan. „Cheeseburger?“ Die Dänische Dogge bellte zustimmend. „Keine Sorge, Spike, ich weiß, was du willst.“ Er reichte Caitlin die Leine des Frettchens und lief ins Restaurant.

Caitlin streichelte die beiden Tiere, die sie selig betrachteten.

„Hi, Caitlin. Hallo, Ivan und Spike.“ Ein junges Mädchen brachte ein Tablett mit zwei flachen Schalen. Die eine stellte sie auf die Bank neben Caitlin, die andere auf die Erde.

Ivan schlabberte sofort die Hälfte des Wassers in seiner Schale, während das Frettchen schnatternd auf Caitlins Schulter saß.

„Jake sagt, ihr feiert, dass er den Comicstrip an noch zwei Zeitungen verkauft hat. Cool!“

„Ja, Patti, er ist ein toller Kerl“, sagte Caitlin trocken.

„Ich lese den Comicstrip jeden Morgen. Der ist echt lustig.“ Patti legte Servietten und Besteck auf den Tisch und stellte den Eistee daneben. „Wie kommt er bloß auf diese witzigen Ideen?“

„Das ist einfach, wenn man geistig noch in der Vorschule steckt.“ Caitlin schob den Trinkhalm in ihren Becher.

„Mann, bist du heute schlecht drauf. Bestimmt hast du das Mittagessen ausfallen lassen.“ Jake kam mit einem großen Tablett an den Tisch. „Krabben und Fritten für die Dame. Riesen-Chili-Cheeseburger für den Herrn, Cheeseburger für den zweiten Herrn und Gurkensalat für den dritten Herrn.“ Er verteilte das Essen, wobei er den Cheeseburger rasch zerkleinerte, bevor er den Teller auf die Erde stellte. Ivan verputzte seine Mahlzeit innerhalb von fünf Sekunden.

Caitlin setzte Spike auf die Bank, damit er an sein Essen kam. Da Gurken seine Lieblingsspeise waren, machte er sich mit größtem Appetit darüber her.

„Ich habe den Eistee von Patti einfüllen lassen, damit du sicher bist, dass ich nichts hineingeschüttet habe“, erklärte Jake und setzte sich Caitlin gegenüber.

„Du willst ja nur nicht, dass ich deinen Jeep fahre.“ Sie prostete ihm mit ihrem Becher zu. „Gratuliere zu dem Verkauf, Jake. Freut mich, dass der Comicstrip so gut läuft.“

„Danke“, erwiderte er wie ein stolzer Vater.

Seit Jake einen Bleistift halten konnte, zeichnete er Cartoons. Begonnen hatte er mit Karikaturen von Lehrern und Mitschülern. „Alphabet Soup“ handelte von vier Kindern in der Vorschule, die ständig über die Welt redeten. Dabei ging es um ihre Welt mit Geschwistern, Lehrern, Haustieren und Eltern. Zuerst war der Strip nur in der Lokalzeitung erschienen, erregte jedoch allmählich landesweit Aufmerksamkeit.

Jake sagte stets, das wäre besser als richtige Arbeit, für die er sich wie ein Erwachsener hätte anziehen müssen.

Er biss in einen Zwiebelring, den er in würzige Grillsoße getaucht hatte, und sah Caitlin zu, wie sie die Krabben aß. So oft Spike den Kopf hob und etwas in seiner eigenen Sprache von sich gab, streichelte sie ihn lächelnd mit einer Fingerspitze.

Ihm zog sich das Herz zusammen vor Liebe. Sie war die wunderbarste Frau auf der Welt für ihn, und sie wären das perfekte Paar. Wie oft er schon versucht hatte, ihr das klarzumachen!

Natürlich hatte er das nicht so direkt gesagt. Sie zog sich jedes Mal zurück, wenn er zu persönlich wurde. Und er wollte sie nicht verscheuchen. Also scherzte er mit ihr, obwohl er es ernst meinte.

Caitlin fand ihr Haar zu rot. Ihm gefiel es einmalig. Sie fand, die Sommersprossen auf der Nase würden sie zu jung machen. Es hielt sie für zauberhaft. Weil sie als Kind keine Liebe erfahren hatte, glaubte sie, nicht liebenswert zu sein. Er dachte anders darüber. Er musste sie nur noch davon überzeugen.

„Was hältst du davon, wenn wir nach dem Essen ordentlich feiern?“, fragte er und schob den Rest des Zwiebelrings in den Mund. „Wir könnten das Tanzbein schwingen.“

Autor

Linda Randall Wisdom
Linda Randall Wisdom ist in Kalifornien geboren und lebt in der Nähe von San Diego. Sie hat zwei Hunde, vier Hasen und eine Schildkröte namens Florence. Alle ihre Tiere sind in ihren Büchern erschienen. Sie wollte schon immer Autorin werden und wurde durch ihre Familie und Lehrer in der High...
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