Ein königlicher Verführer

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Ein Prinz vor ihrem New Yorker Apartment! Die Schmuckdesignerin Maria traut ihren Augen nicht. Tausendmal hat sie an jene Liebesnacht gedacht, in der sie in Prinz Alexandros' Armen lag! Jetzt befiehlt der Prinz ihr, mit ihm nach Aristo zurückzukehren: Sie soll das kostbare Collier zum Geburtstag von Königin Tia entwerfen. Doch statt zu jubeln, ist Maria vorsichtig. Sie weiß, wie unendlich zärtlich Alex sein kann - aber auch, wie gefährlich kühl! Was, wenn er sie wieder zu seiner Geliebten macht und in ihr die unbändige Sehnsucht weckt, diesmal möge es für immer sein?


  • Erscheinungstag 06.03.2010
  • Bandnummer 1913
  • ISBN / Artikelnummer 9783862954513
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Prinz Alexandros Karedes, zweiter in der Thronfolge des Königreichs von Aristo, war nicht dafür geschaffen, zu warten.

Geduld hatte noch nie zu seinen herausragenden Stärken gehört. Wer mochte also so ignorant sein, einen Mann wie ihn auf diese Weise unnötig herauszufordern?

Sein eigener Vater! Alexandros ließ einen resignierten Seufzer hören, während er im Vorraum zum Thronsaal wohl zum zehnten Mal – in ebenso vielen Minuten – den antiken Marmorkamin passierte. Der kleine Zeiger der vergoldeten französischen Uhr auf dem Kaminsims zeigte auf sechs.

Man hatte ihm ausgerichtet, der König erwarte ihn um fünf Uhr dreißig. Doch Aegeus war nicht gerade für seine Pünktlichkeit bekannt, selbst wenn es seine Kinder betraf.

„Eine unglückliche Angewohnheit“, nannte es Königin Tia, doch Alex, wie ihn Normalsterbliche nannten, war weniger zurückhaltend. Er kannte seinen Vater sehr gut und war überzeugt davon, dass seine chronische Unpünktlichkeit nur eine weitere subtile Methode war, jedermann daran zu erinnern, eingeschlossen seine Familie, dass er, obwohl in die Jahre gekommen, immer noch der König war.

Wahrscheinlich verlangte er auch genau aus diesem Grund, dass sein Sohn ihn hier, in diesem formellen Rahmen, aufsuchte, anstatt mit ihm in den königlichen Privatgemächern zu sprechen.

Aber so war er eben, und aus Erfahrung wusste Alex, dass es keinen Zweck hatte, das Verhalten seines Vaters zu kritisieren oder gar infrage zu stellen. Aegeus war ein mehr als kompetenter Herrscher und der Bevölkerung von Aristo ein gütiger Regent.

Nur, was seine Frau und seine Kinder betraf, verhielt er sich von jeher seltsam distanziert.

Alex war das egal. Mit sechs oder sieben Jahren hätte ihm etwas weniger Formalität und eine wie auch immer geartete Demonstration von Zuneigung sicher noch etwas bedeutet. Doch heute, mit einunddreißig, hatte er sich längst ein eigenes, sehr erfolgreiches Leben aufgebaut, vertrat das Königreich nach außen auf internationalem Parkett und genoss, als kluger Stratege und geschickter Geschäftsmann, weltweite Reputation.

Alex schaute erneut zur Uhr.

Auch wenn er die lästige Marotte seines Erzeugers hinlänglich kannte, empfand er das unsinnige Warten als irritierend. Das Meeting an sich würde nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, auch das wusste er aus Erfahrung.

Da er gerade erst von einer Geschäftsreise aus Fernost zurückkam, wollte Aegeus sicherlich wissen, ob alles wie erwartet gelaufen war und genügend wichtige neue Banken und Konsortien auf der beeindruckenden Liste von Alex’ ausländischen Geschäftsverbindungen zu verzeichnen seien. An Details war er selten interessiert. Für Aegeus zählte einzig das Resultat.

Auch damit konnte Alex ausgezeichnet leben. Nur, wenn sein Vater ihn noch lange warten ließ, würde er möglicherweise zu spät zu seinem Date in die Stadt kommen.

Obwohl … eigentlich war selbst das kein Problem.

Mit seinem neuen Ferrari konnte er die kurvigen Serpentinen, die über das steile Kliff zum Mittelmeer hinunterführten, zügig überwinden. Und sollte er das Grand Hotel später als angekündigt erreichen, erwartete er keinen Einwand oder gar eine Beschwerde.

Um seinen Mund spielte ein zynisches Lächeln.

Falsche Bescheidenheit war Alexandros Karedes völlig fremd. In allem, was sein Leben bereicherte und es angenehm machte, bewies er ein glückliches Händchen. Egal, ob es um schöne Frauen ging, rasante Autos oder Glücksspiel. Und ganz nebenbei verfügte er über ein untrügliches Gespür für geschäftlichen Erfolg, was sich in seinem ganz privaten Imperium niederschlug, das er hier in Aristo und in New York aufgebaut hatte.

Sein Lächeln verblasste. Was das Thema Frauen betraf, schien ihn sein Glück in der letzten Zeit allerdings verlassen zu haben.

Dabei mangelte es ihm wahrlich nicht an verlockenden Angeboten. Sein heutiges Date war ein internationales Top-Model, das ihm bei einem Foto-Shooting vor dem Casino aufgefallen war, als er mit dem Manager über eine geplante Erweiterung der Spielbank sprach.

Sie war einfach umwerfend attraktiv und atemberaubend sexy, und Alex ging davon aus, dass sie den heutigen Abend in seinem Stadtapartment im Bett verbringen würden …

Und?, dachte er.

Was für eine verrückte Reaktion! Eine weitere schöne Frau auf seiner Liste, eine heiße Liaison mehr, und das war alles was ihm dabei durch den Kopf ging?

Vielleicht lag es daran, dass er genau wusste, was nach dieser Nacht kam. Sie würde versuchen, ihren One-Night-Stand zu einer Affäre auszubauen, und er nach einem höflichen Weg suchen, genau das zu verhindern. Schließlich würde das Intermezzo enden, bevor es richtig angefangen hatte, wie stets.

Aber er mochte Sex … und Frauen. Ihre weichen Körper, ihren betörenden Duft und die anregende Gesellschaft. Es war nur so, dass es ihm momentan einfach nicht gelingen wollte, sich auf eine einzige von ihnen zu konzentrieren. Nicht, dass er ein Faible für langfristige Beziehungen hegte! Einen Monat, vielleicht zwei. Drei maximal, dann gab es nur noch eines zu tun: ein kostbares Geschenk zu schicken und weiterziehen.

Alex runzelte die Stirn.

In den letzten Wochen schien ihm nur noch das geblieben zu sein: das rastlose Weiterziehen. Was auch seinen Geschwistern nicht entgangen war. Seither neckten sie ihn mit seiner Wanderlust.

Natürlich mit der Betonung auf Lust, hatte Sebastian gesagt, während Andreas sich mit einem breiten Grinsen begnügte. Selbst Alex’ Schwestern schlugen in die gleiche Kerbe. Lissa via Mail aus dem fernen Paris, und Kitty, die ihren Hang zur Melodramatik ins Feld führte, nannte ihn ihren armen Bruder, der einfach nicht die Liebe seines Lebens finden konnte.

Alex verzichtete weise darauf, ihr den Unterschied zwischen Liebe und Lust zu erklären. Denn Liebe war seiner Ansicht nach ein überschätztes Gefühl, das ins Reich der Mythen und Märchen gehörte. Was heutzutage allgemein als Liebe bezeichnet wurde, war nicht mehr als hormonelle Anziehung, und bei seinen Eltern nicht einmal das!

Ihre Ehe war aus Staatsraison und Vernunftgründen geschlossen worden. Einen großen Namen, königlichen Titel und eine Blutlinie weiterzutragen, die seit Jahrhunderten existierten, das war die Bestimmung der Mitglieder aus königlichem Geblüt.

Und genau das musste auch für Sebastian, als Thronfolger, das entscheidende Kriterium sein. Er würde sich seine Königin selbst aussuchen können – immerhin schrieb man inzwischen das einundzwanzigste Jahrhundert – aber nur aus einer mit Sorgfalt aufgestellten Liste akzeptabler junger Frauen.

Auf ihm selbst, als zweitem in der Thronlinie, lag weniger Druck, doch Alex war sich der Verantwortung seines Standes sehr wohl bewusst und würde selbstverständlich ebenfalls nur eine standesgemäße Braut wählen.

Allerdings sollte seine Zukünftige wenigstens attraktiv sein. Was geistige Anregung und sexuelle Lust betraf, dafür gab es schließlich die Geliebte. Natürlich würde er diskret sein, um seine Frau nicht vorsätzlich zu brüskieren, aber als königliche Gattin wäre sie sich ohnehin ihrer Stellung und Aufgabe bewusst, die darin bestanden, an seiner Seite zu repräsentieren und ihm Kinder zu gebären.

Keiner von ihnen würde so naiv und unvernünftig sein, vom Ehepartner so etwas wie Liebe zu erwarten. Diskretion in ihren außerehelichen Affären reichte völlig.

Alex unterbrach seine nervöse Wanderung, schob die Hände frustriert in die Hosentaschen und starrte missmutig auf die Waffensammlung an der Wand über dem Kamin.

Vor vielen Jahren hatte es einmal eine Frau gegeben …

Frau war eigentlich zu viel gesagt, ein junges Mädchen. Sie hatte ihn mit ihren Küssen, ihren Berührungen und gehauchten Versprechungen verhext und hinterher ausgelacht. Er war kaum mehr als ein Junge gewesen! Von einem Teil seines Körpers gesteuert, der nicht unbedingt mit seinem Gehirn in Verbindung stand. Doch er hatte seine Lektion gelernt und nie wieder den gleichen Fehler gemacht.

Bis zu jener Nacht vor zwei Monaten …

Eine Nacht, in der eine Fremde in seinen Armen lag, deren Gesicht vor vermeintlicher Unschuld geradezu leuchtete. Sie bot ihm ihren weichen Mund an, öffnete ihn unter dem hungrigen Druck seiner Lippen, und die Welt um ihn herum war vergessen.

Bis zum nächsten Morgen, als er erkennen musste, das alles nur eine Lüge gewesen war.

„Prinz Alexandros.“

Nein, nicht einfach nur eine Lüge! Alex presste die Kiefer zusammen, bis sie schmerzten. Betrug! Geplanter Betrug … von der ersten Sekunde an!

„Sir? Der König und die Königin bitten Sie zu sich.“

Aber so einfach hatte er sie nicht davonkommen lassen! Anstatt sie direkt zur Rede zu stellen, tat er so, als wüsste er nichts von ihrer Infamie. Sie spielte weiter ihren Unschuldspart und er seine Rolle, indem er sie erneut zu heißem Sex verführte. Doch als sie dieses Mal erschöpft und mit seligem Lächeln an seiner Seite lag, beobachtete er kalt, wie sich ihre Augen vor Schock weiteten, als er ihr mitteilte, er wisse genau, wer und was sie sei. Und dann schickte er sie weg.

Sie hatte hoch gepokert … und verloren. C’est la vie!

„Eure Hoheit? Ihre Majestäten warten …“

In den darauffolgenden Wochen gab sich eine schier endlose Kette der attraktivsten und begehrenswertesten Frauen des Universums die Klinke zu seinem Apartment in die Hand. Daneben legte Alexandros Karedes endlose Meilen mit seinem nagelneuen Ferrari zurück, und noch mehr Flugmeilen im königlichen Privatjet. Von seinen Büros in New York ging es zu den Bahamas, von Virgin Island weiter nach Florida, Mexiko, und gerade eben erst war er aus Japan zurückgekommen.

Erfolgreiche Trips, aber das Tempo, das er dabei an den Tag gelegt und von seinen Geschäftspartnern gefordert hatte, war mörderisch gewesen. Bei Tag, mitten in der Nacht … an Roulette-Tischen und in Pokerrunden mit unglaublich hohen Einsätzen …

Selbst beim Sex.

Wüsste er es nicht besser, hätte man fast annehmen können, er versuche mit seiner Hetze von einem Kontinent zum anderen, einem Bett zum nächsten, die hässlichen Erinnerungen an jene Nacht auszulöschen, als er sich fast als Opfer einer skrupellosen Frau gefühlt hatte, die versuchte, ihn auszunutzen …

„Sir! Der König und die Königin erwarten Sie dringend.“

Alex blinzelte. Galen, der Leibdiener seines Vaters, stand in steifer Pose vor ihm. Der angestrengte Ausdruck auf seinem Gesicht sagte Alex, dass er schon eine ganze Weile versucht haben musste, seine Aufmerksamkeit zu wecken.

„Danke, Galen. Efcharisto.“

„Geht es Ihnen gut, Sir?“

„Ja … alles bestens. Ich bin nur ein wenig unkonzentriert.“ Alex zwang sich zu einem sorglosen Grinsen. „In der Stadt wartet eine Lady auf mich. Sie verstehen?“

Galen gestattete sich den Anflug eines Lächelns. „Ich bin sicher, die Lady wartet gern auf Sie, Sir.“ Mit einer tiefen Verbeugung trat er zurück und öffnete die Tür zum Thronsaal.

Seine Eltern waren nicht allein. Eine Handvoll Lakaien standen um seinen Vater herum, der an einem antiken Schreibtisch saß, den man unter dem Wust von Papieren kaum ausmachen konnte. Seine Mutter stand hoheitsvoll aufgerichtet auf der Thronplattform, umgeben von einem Schwarm Zofen, die auf dem Boden hockten und den Saum ihres prachtvollen Gewandes aus Samt und Brokat in Händen hielten. Sie schienen etwas abzustecken, festzupinnen oder was Frauen mit Metern und Metern dieser pompösen Stoffe sonst so veranstalteten.

Um Alex’ ausdrucksvollen Mund zuckte es verdächtig.

Trotz seiner Eleganz, der einmaligen Fresken, dem unschätzbar kostbaren byzantinischen Wandbehang und der von einem Meister aus dem sechzehnten Jahrhundert kunstvoll bemalten, gewölbten Decke, ähnelte der Thronsaal mehr dem Wohnzimmer eines notorischen Messies als dem Platz, an dem sonst die äußerst formalen Empfänge des Königshauses stattfanden.

Sein Vater schaute auf. „Da bist du ja endlich!“, stellte er in einem Ton fest, als wäre er derjenige gewesen, den man unzumutbar lange hatte warten lassen. „Na, was hältst du davon?“

Alex hob die dunklen Brauen. „Wovon?“

„Von unseren Plänen, natürlich!“ Aegeus fuhr mit der Hand über die Papierstapel auf dem Schreibtisch. „Wollen wir ein bestimmtes Thema, oder wollen wir es nicht?“

„Ein Thema wofür?“, fragte sein Sohn zurückhaltend.

Aegeus sprang auf die Füße, wobei er mit den Ärmeln seines steifen Jacketts einige Papierstapel vom Tisch fegte. „Für das große Fest zum sechzigsten Geburtstag deiner Mutter, natürlich! Wenn du dich den letzten Monat nicht Gott weiß wo herumgetrieben hättest, müsstest du jetzt nicht so dumm fragen!“

„Aegeus …“

Automatisch schauten Vater und Sohn zur Königin, die sie beide liebevoll anlächelte. „Du weißt doch, wie bemüht Alexandros ist, die ganze Welt davon zu überzeugen, dass unser Königreich der perfekte Platz ist, Investitionen für die Zukunft zu tätigen. Und ich gehe davon aus, dass er diesmal ebenso erfolgreich darin war wie gewohnt. Ist es so, mein Lieber?“

Alex lächelte, ging zu seiner Mutter hinüber und zog ihre schmale Hand an die Lippen, weil er wegen des ausladenden Kleides nicht weiter an sie herankam.

„Ich habe dich schrecklich vermisst, Mutter.“

„Wie war deine Reise?“

„Es ist uns gelungen, eine beträchtliche Anzahl von Interessenten zu gewinnen, die jetzt alle in eine lukrative und glückliche Zukunft schauen können.“

Königin Tia lachte herzlich. „Siehst du, Aegeus? Wie ich gesagt habe!“ Dann wedelte sie ihre Zofen mit der Hand beiseite und schritt mit Hilfe ihres Sohnes die Stufen des Podests herab. „Es ist gut, dich wieder hier zu haben, Alexandros.“

„Es tut gut, wieder hier zu sein“, entgegnete er charmant und wies fragend mit dem Kopf auf die Zofen, die sich dezent in den Hintergrund zurückgezogen hatten. „Was bedeutet das alles?“

„Das habe ich dir doch eben erklärt“, mischte sich sein Vater ungeduldig ein. „Vorbereitungen für das Geburtstagsfest deiner Mutter. Ich denke, wir müssen endlich konkrete Entscheidungen bezüglich der Ausstattung und des Dekors treffen. Zum Beispiel, welche Stoffe und Farben für den Thronsaal infrage kommen, wo der offizielle Teil des Festes stattfinden wird. Habe ich nicht recht, Gentlemen?“

Die Lakaien nickten pflichtschuldig.

„Ich möchte nicht, dass irgendetwas übersehen wird oder dem Zufall überlassen bleibt.“ Erneut musterte Aegeus streng seine Untergebenen, die wieder eifrig nickten.

Auf Alex wirkten sie wie Truthähne, die zu Füßen des Farmers Körner aufpickten. Nur mit Mühe gelang es ihm, ein despektierliches Grinsen zu unterdrücken.

„Nun, was ist deine Meinung, Alexandros? Welches Thema sollen wir wählen? Etwas aus der Antike? Oder etwas aus der Zeit der Kreuzzüge? Oder das ottomanische Reich? All das hat einen Bezug zu unserer Vergangenheit, weißt du?“

Was für einen geschichtlichen Bezug sein Vater suchte, war ihm egal. Alex ging es einzig darum, woran seine Mutter wirklich Freude haben könnte.

„Das Thema ist doch zweitrangig. Hauptsache, es wird ein aufwändiges, prachtvolles Spektakel“, murmelte er gedehnt. „Wir wollen doch nicht, dass behauptet wird, nur die Calistans seien in der Lage, spektakuläre und glamouröse Partys zu veranstalten, oder?“

Aus den Augenwinkeln sah er, wie seine Mutter leise den Kopf schüttelte und sich ein Lächeln verbot. Die Wirkung auf seinen Vater fiel wie beabsichtigt aus. Jegliche Erwähnung des Königshauses von Calista, das einst mit Aristo das sagenumwobenen Königreich Adamas bildete, ließ ihn die Nackenhaare aufstellen.

„Ha! Spektakulär? Glamourös sagst du?“

„Exakt.“ Alex schüttelte den Kopf. „Wohingegen ich nie diesen Tamtam um die Geburtstagsfeier der englischen Königin verstanden habe, die dagegen in einem vergleichsweise schlichten Rahmen begangen wurde, du etwa, Mutter?“

„Nein“, versicherte Königin Tia in schöner Unschuld. „All diese Reporter und Fernsehleute, und das weltweite Interesse an Elisabeth und dem englischen Königshaus. Trotz der, wie du schon sagtest, eher schlichten und doch so eleganten Feier …“

Ihr Gatte schnaubte verächtlich. „Was ist daran so schwer zu verstehen? Entweder man kennt und schätzt die Virtuosität des Einfachen, oder nicht! Es gibt nur ein probates Thema für deine Geburtstagsfeier, Tia!“, verkündeter er mit neugewonnener Energie und schob die Papierstapel auf seinem Schreibtisch mit einer ungeduldigen Handbewegung zu Boden. „Frühlingserwachen! Ich kann es direkt bildhaft vor mir sehen … Massen von Frühlingsblumen! Venezianische Tischwäsche in allen Schattierungen von gelb und grün. Und du, die Königin, gekleidet im gleichen blassen Rosa wie der Diamant in der Krone von Aristo …“

Danke!, formte seine Frau lautlos mit den Lippen in Richtung ihres Sohnes. Alex grinste und zwinkerte ihr vertraulich zu.

„Das hört sich nett an“, wandte sie sich dann demütig an ihren Gatten.

„Nett? Es wird einfach prachtvoll! Besonders, wenn du im Mittelpunkt stehst, geschmückt mit dem Collier, das ich extra als dein Geburtstagsgeschenk in Auftrag gegeben habe. Obwohl, wenn man dazu vielleicht noch eine Brosche …“

„Keine Brosche“, bremste Königin Tia seinen Elan. „Es wäre unangebracht, ein Collier und eine Brosche zu tragen.“

Derart kleinliche Einwände interessierten König Aegeus nicht. „Wie auch immer. Mach das mit dem Handwerker ab.“

„Der Schmuck-Designerin“, korrigierte seine Frau sanft. „So nennt sie sich.“

Sie? Alex schob die Brauen zusammen und warf seiner Mutter einen scharfen Blick zu. Er dachte an das Wochenende zurück, als ein halbes Dutzend Juweliere aus allen Teilen der Erde von seinen Eltern nach Aristo eingeladen waren. Hatte es etwa noch eine andere Frau in dieser Gruppe gegeben? Er konnte sich nur an eine erinnern.

Aber genau das hatte offensichtlich zu ihrem Plan gehört! Den Prinzen, der später seinen Einfluss zu ihren Gunsten geltend machen konnte, so zu bezaubern, dass er nur noch Augen für sie hatte!

Was hatte sein Vater da eben von dem Collier erzählt, das er als Geburtstagsgeschenk für seine Mutter in Auftrag geben wollte? Die Entscheidung darüber war doch bereits vor Wochen getroffen worden.

„Bist du nicht meiner Meinung, Alexandros?“

„Entschuldige, Vater. Ich war einen Moment abgelenkt.“

„Ich sagte gerade, es sei doch egal, wie diese Frau sich nennt. Designer, Künstlerin oder Handwerkerin“, wiederholte Aegeus mit einem Nicken in Richtung seiner Frau. „Sie muss in der Lage sein, die Bedeutung dieses einmaligen Auftrags zu erkennen und … warum lungert ihr eigentlich alle noch hier herum?“, wollte der König wissen, als sein Blick auf die wartenden Lakaien und Zofen fiel. Er klatschte auffordernd in die Hände, bis die ganze Truppe aus dem Thronsaal verschwunden war. „Sie muss einfach die Tragweite dieser immens wichtigen Aufgabe erfassen, Tia“, wiederholte er fast beschwörend.

Die Königin nickte ernst. „Ich bin sicher, sie ist dazu in der Lage.“

Aegeus seufzte. „Ich hoffe, du hast recht. Sie erschien mir doch ziemlich jung.“

Alex schaute von einem zum anderen. Das Ganze wurde immer verworrener und unverständlicher. Seine Eltern hatten sich offensichtlich für eine Designerin entschieden. Auch noch für eine junge Designerin.

Nein. Sie konnten unmöglich über Maria Santos reden. Verdammt! Nur zu gut erinnerte er sich noch an ihren Namen. Wie könnte es auch anders sein? Kein Mann, der das Pech hatte, in die Fänge einer Hexe zu geraten, würde ihren Namen je vergessen, oder?

„Wie willst du das beurteilen können, Aegeus?“, fragte Tia amüsiert. „Wir hatten doch gar nicht das Vergnügen, sie persönlich kennenzulernen, weil sie sich an jenem Morgen wegen plötzlichen Unwohlseins entschuldigt hat. Aber natürlich lagen uns Miss Santos’ Skizzen vor und …“

Alex hatte das Gefühl, einen Fausthieb in den Magen bekommen zu haben. „Maria Santos?“, fragte er mit bemüht gleichmütiger Stimme. „Aber hast du mir nicht gesagt, ein französischer Juwelier hätte den Zuschlag erhalten?“

„So war es auch. Erst gestern hat man uns davon in Kenntnis gesetzt, dass der Eigentümer unerwartet verschieden sei und sich die Firma deshalb in der unglücklichen Position sieht, den Auftrag stornieren zu müssen.“ Tia legte eine Hand auf den Arm ihres Sohnes. „Es ist eine Entscheidung in allerletzter Minute, und Miss Santos weiß noch gar nicht, dass wir jetzt sie beauftragen wollen, das Collier anzufertigen.“

„Deshalb ist deine Reise nach New York auch von so außerordentlicher Wichtigkeit, mein Sohn.“

Alexandros starrte seinen Vater verständnislos an. „Was für eine Reise nach New York?“

„Du sollst die Santos-Frau treffen und sie von unserer Entscheidung unterrichten.“

Tia zupfte an Alex’ Ärmel, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Was dein Vater sagen will …“, erklärte sie ruhig, „… wir möchten dich bitten, Miss Santos zu erklären, was passiert ist, und sie zu fragen, ob sie so freundlich und großzügig wäre, eine Änderung, quasi in letzter Sekunde, auch zu akzeptieren.“

Erneut ließ König Aegeus ein Schnauben hören. „Sie wird sich überschlagen, eine derartige Chance zu ergreifen!“

„Das wäre natürlich perfekt, ist aber nicht sicher“, widersprach seine Gattin sanft. „Echte Künstler sind sehr sensibel und haben empfindliche Egos. Vielleicht gefällt sich Miss Santos nicht in der Rolle als zweite Wahl.“

Am liebsten hätte Alex laut aufgelacht. Maria Santos sensibel und mit einem verletzlichen Ego ausgestattet?

„Du bist auf jeden Fall der Diplomat in der Familie“, erklärte sein Vater brüsk. „All dieses Verhandeln und Auftreten im Ausland, das du unternommen hast, um unserem Königreich eine internationale Bedeutung zu verleihen …“

Es war das dichteste an einem Kompliment, was sein Vater je im Stande sein würde auszusprechen, aber es reichte nicht, um Alexandros zu veranlassen, Maria Santos aufzusuchen und ihr die Chance ihres Lebens zu Füßen zu legen.

„Ich wäre sehr gerne zu Diensten …“, versicherte er absolut unaufrichtig, „… aber ich habe einige drängende Verpflichtungen hier auf der Insel. Sicher kann irgendjemand …“

„Jemand anders kommt nicht infrage!“, entschied der König kategorisch. „Du hast deine Büros und ein Apartment in New York. Du kennst die Stadt, ihr Tempo, den Umgangston. Du wirst mit dieser Santos-Frau fertig werden und sicherstellen, dass sie das Collier pünktlich abliefert.“

So viel zu Komplimenten von seinem Erzeuger! Kein Zweifel, dies war ein königlicher Befehl, dem sich selbst Alex nicht widersetzen konnte.

„Es gab doch noch mindestens vier bis fünf andere Designer“, versuchte er es ein letztes Mal. „Könnte nicht jemand von ihnen das Collier …“

Der Griff der Königin auf seinem Arm verstärkte sich. „Ich habe von Anfang an Miss Santos’ Entwurf favorisiert, Alex“, sagte sie leise, aber sehr eindringlich. „Natürlich stimmte ich zu, als dein Vater entschied, der französischen Firma den Auftrag zu geben, doch jetzt …“

Alex schaute seiner Mutter in die Augen und gab sich geschlagen. Er wusste, es würde ein Leichtes sein, seinen Vater, der ebenso spontan und aufbrausend, wie seine Frau freundlich und zurückhaltend war, davon zu überzeugen, einen anderen Designer zu wählen. Doch gerade jetzt beschlich ihn wieder einmal das Gefühl, dass Königin Tia an der Seite ihres Gatten nicht das Leben führte, von dem sie einst geträumt hatte. Und wenn ein Geburtstagsgeschenk – entworfen von Maria Santos – nun einmal das war, was sie ersehnte …

„Alexandros?“, fragte Tia weich. „Denkst du wirklich, ich mache einen Fehler?“

Rasch legte er einen Arm um die Schultern seiner Mutter und zog sie zärtlich an sich. „Ich denke, du solltest genau das bekommen, was du dir zu deinem Geburtstag wünschst.“

Tia strahlte. „Danke, mein Sohn.“

„Dank lieber mir“, brachte sich Aegeus wieder in Erinnerung und schenkte seiner Frau, was er für ein liebevolles Lächeln hielt. „Immerhin bezahle ich das Collier.“

Die Königin lachte. Sie hob sich auf die Zehenspitzen, küsste die Wange ihres Sohnes und ergriff die Hand ihres Mannes, der eifersüchtig nähergekommen war. „Ich danke euch beiden, wie ist das?“

„Bestens“, versicherte Alex mit schiefem Lächeln.

Und das versicherte er sich auch selbst immer wieder, während des endlos scheinenden Fluges von Aristo nach New York …

2. KAPITEL

Alles wird gut!

Das war es, was Maria versuchte sich einzureden, während die U-Bahn rumpelnd zum Halten kam.

So müde und erschöpft, wie sie sich fühlte, störte es sie nicht einmal, dass der Mann neben ihr penetrant nach Knoblauch roch. Oder dass ihre Füße nach einem Tag in den umwerfend schicken, aber völlig laufuntauglichen Manolo-Stilettos vor Schmerzen geradezu schrien.

Davon abgesehen hatte der andauernde Nieselregen, der sich im Laufe des Tages zu einem unangenehmen Eisregen steigerte, ihre dreihundert Dollar glatt gestylte Traumfrisur von Chez Panache in die gewohnte, kaffeebraune Fülle wilder Locken zurückverwandelt. Und zu allem Überfluss schien sich jetzt auch noch eine Grippe anzukündigen.

O ja, alles würde wieder gut werden.

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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