Ein Mann nicht nur für gewisse Stunden

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Happy Birthday, Lucy! Es ist ein Präsent der ganz besonderen Art: Ihre Freundin schenkt ihr einen Cowboy - mit Handschellen ans Bett gefesselt - der sie auf die "Fantasy Ranch" begleiten soll. Nur für Erwachsene, wo auch die erotischsten Träume wahr werden! Und Lucy, eigentlich eher konservativ, lässt sich von soviel männlichem Sex-Appeal glatt verführen. Allerdings ahnt sie nicht, dass ihr sexy Begleiter in Wirklichkeit ein Privatdetektiv ist...


  • Erscheinungstag 17.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746360
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„… und dann zog ich mein Kleid aus und sprang in den Brunnen.“

Lucy Connors beugte sich vor und lauschte fasziniert der Erzählung ihrer Freundin Claire Elliot. „Und was tat er?“

„Er zog seine Schuhe aus und sprang ebenfalls hinein.“ Claire hielt einen Moment inne und rührte Sahne in ihren Kaffee. „Und dann liebten wir uns leidenschaftlich mitten im Park.“

Claire hatte ein aufregenderes Liebesleben, als Lucy es sich je erhoffen konnte. Gut aussehende Männer, interessante Dates, turbulente Wochenenden – Claires Leben glich einer Soap Opera. Sogar ihre leuchtend roten Haare deuteten eine Wildheit an, mit der Lucy nie würde mithalten können.

Wenigstens hatte Lucy ihre Fantasien. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und stellte sich vor, wie sie mitten in der Nacht in einem Springbrunnen im Park nackt mit einem sexy Fremden planschte. Natürlich trug der Mann ihrer Träume einen Stetson und würde Cowboystiefel und verwaschene Jeans ausziehen, um zu ihr in den Springbrunnen zu steigen.

Die Realität war dagegen ernüchternd. Lucy war nicht mehr in die Nähe eines Mannes gekommen, der ihrer Fantasie entsprach, seit der UPS-Mann an ihrer Tür geklingelt hatte, um ein Paket für sie zu liefern. Lucy machte die Augen wieder auf und betrachtete den Rest ihres Salats.

Claire nahm Lucys Hand. „Ach, Süße, fühl dich nicht schlecht. Du wirst bald auch wieder wilden, leidenschaftlichen Sex haben.“

„Wieder?“ Ihr bisheriges Sexleben war langweilig gewesen.

Claire stutzte. „Sag nicht, dass du noch nie …“

„Nicht wild und leidenschaftlich.“

„Nicht ein einziges Mal?“

„Zählen Fantasien mit?“

„Du bist ja schlimmer dran, als ich dachte. Lass dich mal gehen! Du musst deine heißen Fantasien ausleben!“

Lucy sah sich um und hoffte, dass niemand sie belauschte. Sie senkte ihre Stimme und sagte: „Es ist nicht so, als hätte ich es nie versucht. Aber nachdem, du weißt schon wer, mich bei meinem Striptease ausgelacht hat …“

Claire verdrehte die Augen. „Er war ein Mistkerl.“

Lucy nickte zustimmend, schaute aus dem Fenster und beobachtete die müden Geschäftsleute, die in der drückenden Hitze von Phoenix, Arizona, zu ihren Autos oder in irgendwelche Gebäude eilten. Gab es in dieser Stadt auch nur einen einzigen Single, der mit einer schlichten, altmodischen Frau wie sie glücklich wäre?

Der Kellner trat an ihren Tisch. „Soll ich jetzt das Dessert servieren?“, fragte er Claire.

„Ja, bitte.“

„Dessert? Das schaff ich nicht mehr.“

Claire tat Lucys Protest mit einer kurzen Bewegung ihrer sorgsam manikürten Hand ab. Der Kellner räumte ihre Teller ab und verschwand.

Als Augenblicke später sämtliche Angestellte des Restaurants ihren Tisch umringten und „Happy Birthday“ sangen, verstand Lucy. Der Kellner stellte eine kleine Schokoladentorte mit Kerzen darauf vor sie.

Nach ihrem Ständchen verschwanden die Angestellten wieder, und Claire sagte: „Wünsch dir was.“ Sie zückte eine Kamera, richtete sie auf Lucy und begann Fotos von ihrem überraschten Gesicht zu machen.

Eigentlich war Lucys Geburtstag erst morgen. Aber dies war ihre letzte Chance, mit ihrer Freundin zu feiern, da Claire über das Wochenende zu Meetings außerhalb der Stadt musste.

Lucy machte die Augen zu, wünschte sich etwas und pustete die Kerzen aus. Vor langer Zeit schon hatte sie gelernt, sich nichts allzu Extravagantes zu wünschen. Etwas Vernünftiges konnte eher in Erfüllung gehen. Und nach der Katastrophe vom letzten Jahr war der vernünftigste Wunsch, der ihr einfiel, dass nie wieder ein Verlobter auf ihrer Geburtstagsparty mit ihr Schluss machte.

„Komm schon, gib mir wenigstens einen Tipp, was du dir gewünscht hast“, drängte Claire. „Wenn ich deinen Wunsch dann rate, kann er trotzdem in Erfüllung gehen.“

„Wer hat denn diese Regel aufgestellt?“

„Ich, gerade eben.“

„Glaub mir, du willst es gar nicht wissen. Du würdest nur enttäuscht sein.“

„Ach, Schätzchen, du kommst mir nicht glücklich vor. Wo ist deine Lebensfreude? Der Spaß?“

„Na ja, ich mag meine Arbeit“, entgegnete Lucy lahm.

Aber ihre Arbeit als Reisekauffrau hatte ihr Leben nicht so aufregend gemacht, wie sie es sich vor Jahren erhofft hatte, nachdem sie den Beruf gewechselt hatte. Es gelang ihr einfach nicht, ein so aufregendes Leben wie Claire zu führen. Ihr Leben verlief so ruhig, dass sie nicht einmal mehr eine Ahnung hatte, wie man etwas riskierte.

Eine Falte bildete sich zwischen Claires Brauen, was stets bedeutete, dass sie etwas ausbrütete. „Ich fordere dich heraus, anlässlich deines Geburtstages etwas absolut Wildes und Lucy-Untypisches zu tun.“

Lucy bekam ein flaues Gefühl im Magen. „Auf keinen Fall. Ich werde nicht so dumm sein und eine deiner Herausforderungen annehmen.“

Claire kaute auf der Unterlippe, die auch während des Essens gleichmäßig knallrot geblieben war. Nach kurzem Nachdenken sagte sie: „Das werden wir ja sehen.“

„Was soll das denn heißen?“

Claire schaute auf ihre Uhr. „Ich muss in dreißig Minuten bei einem Meeting in der Innenstadt sein.“ Sie stand auf, nahm ihr Portemonnaie aus der Handtasche und legte das Geld für das Geburtstagsessen auf den Tisch. „Tut mir leid, dass ich so schnell los muss. Wir telefonieren heute Abend noch mal miteinander, bevor ich wegfahre. Einverstanden?“

Sie lief zur Tür, drehte sich noch einmal um und lächelte hintergründig. „Oh, dein Geburtstagsgeschenk – fast hätte ich es vergessen!“

„Was ist es denn?“

„Es wird auf deinem Bett auf dich warten, wenn du nach Hause kommst.“ Damit eilte sie hinaus.

Lucy winkte ihrer Freundin nach. Das Geschenk wartete auf ihrem Bett? Da Claire wusste, wo sie, Lucy, ihren Ersatzschlüssel versteckte, konnte sie ohne Weiteres in ihre Wohnung. Offenbar hatte sie ihr etwas gekauft, das zu groß oder zu sperrig war, um es durch die Gegend zu tragen. Wahrscheinlich das Steppdeckenset, das sie neulich im Katalog gesehen hatte.

Sie lächelte und aß einen kleinen Bissen von der Geburtstagstorte. Ja, das pinkfarbene Steppdeckenset wäre das ideale Geburtstagsgeschenk, und Claire wusste ja stets, was sie schenken sollte.

Die Torte schmeckte köstlich. Lucy schloss die Augen und seufzte. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie zum letzten Mal etwas so sündhaft Süßes genossen hatte. Nun, heute würde sie sich erlauben, die ganze Miniaturtorte aufzuessen. Damit nähme sie auch gleich Claires Herausforderung an, etwas Wildes und völlig Lucy-Untypisches zu tun. Ja, ihre Freundin wäre stolz auf sie.

1. KAPITEL

Er war halb nackt und mit Handschellen an ihr Bett gefesselt. Lucy starrte auf den schlafenden Cowboy, unfähig, sich zu rühren oder auch nur einen Protestschrei auszustoßen.

Alles andere an diesem Freitag war bisher normal gewesen. Sie hatte eine Zwölfstundenschicht im Reisebüro „Sunny Horizons Travel“ gehabt und sich mit hektischen Last-minute-Reisenden und sämtlichen anderen Kunden, die ihre Kollegen nicht hatten haben wollen, auseinandergesetzt. Dann hatte sie mit Claire zu Mittag gegessen – der einzige Lichtblick des Tages. Auf dem Heimweg hatte sie noch beim Bankautomaten und der Tankstelle Halt gemacht. Endlich hatte sie Zeit, sich zu entspannen und fern zu sehen, vielleicht Kassensturz zu machen und sich um die Wäsche zu kümmern.

Aber jetzt war dieser Fremde mit Stetson und Handschellen da. Woher kam er, und was machte er in ihrem Bett?

Er hatte die muskulösen Arme über dem Kopf ausgestreckt, während der weiße Stetson sein Gesicht fast ganz bedeckte. Seine Schultern waren breit, und sein Oberkörper war nackt und sehr verführerisch. Seine verwaschene Jeans saß ihm tief auf den schmalen Hüften und umspannte seine starken Oberschenkel. Weiße Schlangenlederstiefel mit silbernen Sporen vervollständigten das Bild.

Ruf die Polizei!, riet ihr eine innere Stimme. Doch sie stand benommen in der Tür und konnte den Blick nicht lösen von dem Mann. Durch einen bizarren Glücksfall war eine ihrer Fantasien wahr geworden – ein echter, lebendiger Prachtkerl von einem Cowboy lag in ihrem Schlafzimmer und war ihr ausgeliefert. Ihre Müdigkeit war verflogen, und sie verspürte ein sinnliches Prickeln an Stellen ihres Körpers, wo sich seit Monaten nichts mehr geregt hatte.

Ihr Herz pochte immer schneller. Lucy versuchte wegzulaufen, konnte sich aber nicht bewegen.

Plötzlich erinnerte sie sich daran, dass Claire gesagt hatte, ihr Geburtstagsgeschenk würde auf ihrem Bett auf sie warten.

Auf einmal ergab alles einen Sinn. Und sie würde Claire Elliot umbringen!

Lucy schlich aus dem Zimmer, um den Cowboy nicht aufzuwecken, bevor sie nicht sichergestellt hatte, dass er tatsächlich ihr Geschenk war und kein masochistischer Einbrecher. Sie lief zum Telefon in der Küche und drückte Claires eingespeicherte Nummer. Nach dem zweiten Klingeln nahm ihre Freundin ab.

„Bist du verrückt geworden?“

„Hallo, Lucy. Ich nehme an, du hast dein Geburtstagsgeschenk gefunden.“ Claire klang äußerst zufrieden mit sich.

„Wenn du den Westerngigolo meinst, oder was immer er ist, ja, den habe ich gefunden.“

Claires helles Lachen drang laut und deutlich aus dem Hörer. „Er ist kein Gigolo, aber ich bin sicher, er wird einer hübschen Frau wie dir gern gefällig sein.“

„Claire!“

„Er ist deine Begleitung zur Ranch. Hat er das nicht erklärt?“

„Dazu hatte er noch keine Gelegenheit, da er in meinem Schlafzimmer momentan Holz sägt.“

„Wie bitte?“

„Er schläft! Von was für einer Ranch redest du da eigentlich?“

„Oh, Liebes, mir war nicht klar, dass du so lange arbeiten würdest. Ich habe ihm gesagt, er soll um fünf Uhr da sein“, erklärte Claire und ignorierte Lucys Frage. „Der arme Kerl ist seit über drei Stunden an dein Bett gefesselt. Was hältst du übrigens von den Handschellen? Die waren meine Idee.“

„Welche Ranch?“ Plötzlich kam Lucy ein schrecklicher Verdacht. Die „Fantasy Ranch“ war ein berüchtigtes Ferienparadies nur für Erwachsene, ein paar Autostunden entfernt in der Wüste, wo Partymenschen wie Claire gern Urlaub machten. In Phoenix kursierten regelmäßig Gerüchte über wilde Partys dort und sexuelle Ausschweifungen. Erst letzten Monat hatte eine Story von einer solchen Party in den Klatschspalten gestanden, die mit einer Schlägerei zwischen einem bekannten Filmschauspieler und einem Paparazzo endete, der den Star buchstäblich mit heruntergelassenen Hosen erwischt hatte.

Vor einigen Wochen hatte das Reisebüro ein Fax von der Ranch erhalten mit dem Hinweis, dass sie bald die berühmte Sommerabschiedsfete steigen lassen würden. Es würde Claire durchaus ähnlich sehen, wenn sie ihr an einem so ungeheuerlichen Ort einen Urlaub gebucht hätte.

Claire seufzte. „Ich wünschte, ich könnte dich begleiten. Das hatte ich ursprünglich auch vor, aber dann kamen in letzter Minute diese Wochenendmeetings dazwischen.“

„Wir können jederzeit zusammen verreisen. Wenn du zurück bist, könnten wir diesen Trip nach Hawaii machen, von dem wir schon so lange sprechen. Bis dahin verbringe ich das Wochenende mit TV-Wiederholungen …“

„Nein, das wirst du nicht tun. Als deine Chefin befehle ich dir, diese Reise anzutreten. Nimm einfach Buck statt mir als Begleitung. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles in Bewegung setzen musste, um ihn für dich zu bekommen.“

Lucy erschauerte bei dem Gedanken an all die Möglichkeiten, die ein Aufenthalt in einer solchen Freizeitanlage – nur für Erwachsene – mit einem völlig fremden Mann bot. „Aber ich …“

„Keine Widerrede. Du hast selbst gesagt, dass du den Rest deines Lebens nicht nur mit deinen Katzen verbringen willst. Dies ist deine Chance zu lernen, wie man sich entspannt und amüsiert. Ich fordere dich heraus, wenigstens ein Mal in deinem Leben ein bisschen unanständig zu sein. Also solltest du dich mindestens eine Woche lang besser nicht bei der Arbeit blicken lassen.“

Geschockt starrte Lucy auf den Hörer, nachdem es klick gemacht hatte. Sie drückte mehrmals die Wahlwiederholung, aber es war ständig besetzt. Claire hatte einfach aufgelegt und es ihr überlassen, mit diesem Kerl namens Buck fertig zu werden. Sie hätte ihrer Freundin niemals von ihren Cowboyfantasien erzählen dürfen.

Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, um sich zu beruhigen, schlich sie wieder den Flur hinunter zum Schlafzimmer und spähte hinein. Seinem gleichmäßigen Atmen nach zu urteilen, schlief Buck noch tief und fest.

Lucy wollte etwas sagen, doch ihr fiel nichts ein. Was sagte man in einer solchen Situation? He, Cowboy, bist du öfter hier? Oder vielleicht: Entschuldigen Sie, könnten Sie wohl bitte die Stiefel von meinem Bett nehmen?

Es gab keine passenden Einleitungsworte für diese Situation.

Lucy gestattete es sich, ausgiebig seinen nackten, gebräunten Oberkörper zu betrachten. Die Brust- und Armmuskeln wölbten sich leicht durch die von den Handschellen verursachte Haltung. Am erstaunlichsten fand sie jedoch die Tatsache, dass ein so fantastisch gebauter Mann überhaupt in ihrem Bett lag. Wann war das zum letzten Mal passiert? Nie. Rasch zählte sie in Gedanken ihre Exfreunde auf, alle vier, und musste sich eingestehen, dass keiner von ihnen so attraktiv gewesen war wie dieses Prachtexemplar. Meistens waren sie nett gewesen, aber niemals umwerfend attraktiv. Es war einfach keine Qualität, die sie bei einem Mann bisher angetroffen hatte.

Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hatte, mit durchschnittlich aussehenden Männern auszugehen. Es war ihr sogar lieber so. Attraktive Männer waren gefährlich, selbstgefällig, oberflächlich und sich ihrer Macht über Frauen zu sehr bewusst. Sie bekamen zu leicht, was sie wollten, und schlichte, altmodische Frauen wie sie, Lucy Connors, nahmen sie nicht wahr. Und selbst wenn, war sie immun gegen ihren Charme.

Wieso seufzte sie dann sehnsüchtig beim Anblick des halb nackten Buck in ihrem Bett? Lucy schaute an sich herunter und fühlte sich in ihrer zugeknöpften weißen Bluse und dem braunen Tweedrock plötzlich unsicher. Sie sah aus wie eine verklemmte Langweilerin. Zerknirscht musste sie sich eingestehen, dass sie genau das war, wofür jeder sie hielt – eine Frau, die nicht die leiseste Ahnung hatte, wie man sich amüsierte.

Claires Worte kamen ihr wieder in den Sinn: „Ich fordere dich heraus, wenigstens ein Mal in deinem Leben ein bisschen unanständig zu sein.“

Vergiss es, sagte sie sich. Sie und ihre beste Freundin waren nun mal grundverschieden, und sie brauchte sich nicht zu ändern, nur damit Claire zufrieden war. Wenn sie den Rest der Woche im Pyjama vor dem Fernseher saß und Karottenstäbchen und ungebuttertes Popcorn aß, zwischendurch ihre Wäsche wusch und vielleicht Kassensturz machte, war das ganz allein ihre Sache.

Lucy fasste einen Entschluss. Sie würde Claires alberne Herausforderung nicht annehmen. Aber das änderte nichts daran, dass sie Buck irgendwie loswerden musste. Sie machte einen Schritt ins Zimmer, zögerte jedoch. In ihrer Mauerblümchenkluft konnte sie einen attraktiven Mann wie ihn schlecht wecken. Nein, sie würde rasch in etwas weniger Langweiliges schlüpfen, sodass wenigstens ihr weibliches Ego intakt blieb, wenn er aufwachte.

Auf Zehenspitzen ging sie weiter. Der Kleiderschrank kam ihr meilenweit entfernt vor. Erleichtert registrierte sie Bucks leises Schnarchen.

In Gedanken ging sie ihre Garderobe durch. Dabei wurde ihr klar, dass sie nichts besaß, was dazu geeignet wäre, einen so gut aussehenden Mann aufzuwecken. Plötzlich entdeckte sie vor dem Schrank einen schwarzen Koffer mit einer pinkfarbenen Schleife, an der ein Brief befestigt war.

Lucy löste den Brief ab, auf dem in Claires Handschrift ihr Name stand. Sie öffnete den Umschlag und fand darin eine Karte.

Das ist alles, was Du für die Woche brauchst, außer der Reisekleidung. Die findest Du im Bad an der Tür. Zieh sie an!

Die letzten Worte waren zwei Mal unterstrichen. Claire hatte die Nachricht mit Alles Liebe, C. unterschrieben.

Misstrauisch betrachtete Lucy den Koffer. Während sie zu eher konservativen, neutralen Farben tendierte, hatte Claire eine Vorliebe für schrille Plateauschuhe und Unterwäsche mit Leopardenmuster. Es war besser, nicht gleich in den Koffer zu schauen, solange Buck in der Nähe war und jederzeit aufwachen konnte.

So leise wie mögliche huschte Lucy ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Das Outfit, das sie dann nach dem Einschalten des Lichts sah, war weit gewagter, als sie es sich vorgestellt hatte.

Und sie konnte kaum erwarten, es anzuprobieren.

Zwei Minuten später bildete ihre Arbeitskleidung einen Haufen auf dem Boden, während sie über die Schulter im Spiegel ihren Po betrachtete, der in einer hautengen schwarzen Hose steckte. Zu ihrer größten Überraschung sah sie in den Sachen, die Claire ausgesucht hatte, gar nicht so schlecht aus. All die Jahre, in denen sie sich von Weizenkleie und gedünstetem Gemüse ernährt hatte, hatten sich also gelohnt.

Aber ob sie deswegen aus dem Badezimmer heraustreten und sich so zeigen wollte, war eine andere Frage. Lucy schloss die winzigen Häkchen des roten Stretchtops – Rot war eine Farbe, die sie sonst nie trug – und schlüpfte in die schwarzen Plateausandalen, die viel bequemer waren, als sie aussahen. Dann betrachtete sie sich noch einmal in dem großen Spiegel an der Badezimmertür.

Na schön, die Natur hatte sie nicht gerade mit üppigen Brüsten ausgestattet, aber trotzdem … Sie sah aus wie ein Groupie, das sich bei einem Rockkonzert hinter die Bühne schleichen wollte. Aber das Outfit stand ihr nicht schlecht. Ihre Frisur passte allerdings überhaupt nicht dazu.

Lucy zog die Nadeln heraus, die ihren Knoten zusammenhielten, und fuhr sich durch die hellbraunen Haare, sodass sie ihr Gesicht umrahmten und ihr auf die Schultern fielen. Sie hatte ihre Haare nie besonders gemocht, vor allem nicht die unscheinbare Farbe oder dass sie ihr an schlechten Tagen ein Aussehen verliehen, als habe sie lauter kleine Hörner auf dem Kopf. Doch zu dem Groupieoutfit passte der zerzauste Look ganz gut.

Sie trug kein Make-up, aber das jetzt nachzuholen, war keine Zeit mehr. Außerdem bestanden ihre Utensilien zur Verschönerung des Gesichts hauptsächlich aus Cremes und Gesichtspackungen statt aus knallrotem Lippenstift.

Jetzt musste sie einen Cowboy aufwecken. Mit weichen Knien verließ sie das Bad. Was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht? Sie konnte doch schlecht einen fremden Mann aufwecken, der sie dann in diesem Aufzug sah.

Erneut klang ihr Claires Stimme im Ohr. „Du hast selbst gesagt, dass du den Rest deines Lebens nicht nur mit deinen Katzen verbringen willst.“

Sie liebte ihre Katzen, aber sie konnten keinen Mann ersetzen.

Bei diesem deprimierenden Gedanken entschied Lucy, dass sie wenigstens stolz sein wollte auf ihr Aussehen in ihrem neuen Outfit, und sei es nur für die paar Minuten, die sie brauchte, um Buck aus ihrer Wohnung zu bekommen.

Mit halbwegs neuem Selbstbewusstsein hielt sie noch einmal inne und sah ihn in all seiner Pracht an. Wieso mussten solche wundervollen Männer existieren und solche unscheinbaren Frauen wie sie daran erinnern, was sie alles nicht haben konnten? Wahrscheinlich war es nicht sehr klug, weiter über diese Ungerechtigkeiten nachzudenken, aber es schadete sicher auch nicht, ihn sich einmal ganz genau anzusehen. Schließlich hatte sie noch nie einen solchen Prachtkerl aus der Nähe gesehen. Diese Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen, daher kniete sie sich neben das Bett, stützte die Ellbogen darauf und beugte sich über ihn. Zuerst nahm sie seinen wundervoll männlichen Duft wahr. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und schmolz fast dahin.

Dann machte sie die Augen wieder auf und bewunderte seine glatte, gründlich gebräunte Haut und die flachen Brustwarzen. Seine Brust war nicht behaart, doch unterhalb des Bauchnabels verlief eine schmale Spur dunkler Härchen, die unter seinem Hosenbund verschwand. Sie lockte ihren Blick tiefer zu der beeindruckenden Ausbuchtung seiner Jeans. Es erstaunte Lucy, dass es Männer gab, die von der Natur sehr großzügig ausgestattet worden waren. Offenbar war ihr bisher so einiges entgangen.

„He, Süße, gefällt Ihnen, was Sie sehen?“

Vor Schreck wich Lucy so abrupt zurück, dass sie sich unelegant auf den Po setzte. „Wie … wie lange sind Sie schon wach?“ Sie fühlte, dass sie errötete, während er sie amüsiert betrachtete.

„Seit Sie sich gegen das Bett gelehnt haben.“

„Oh.“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

Lucy war so fasziniert von seinem Mund, dass sie auf seine Worte kaum achtete. Es war der sinnlichste Mund, den sie bei einem Mann je gesehen hatte, und sie wollte nur noch herausfinden, wie es war, ihn zu küssen. Und es war nicht nur der Mund, es war das ganze Gesicht! Der Stetson war zurückgerutscht, sodass sie nun Bucks gerade Nase, die markanten Wangenknochen, die winzigen Bartstoppeln und seine dunklen Wimpern sehen konnte und dass seine Haare zerwühlt waren.

„Welche Frage?“

„Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“ Er hatte ein träges Lächeln und eine noch tiefere Stimme, als sie vermutet hatte.

Sie stand auf und versuchte sich die Katzenhaare von der schwarzen Hose zu klopfen. Hauptsache, sie konnte ihre tiefroten Wangen vor Buck verbergen. „Ich war nur ein bisschen erschrocken, einen fremden Mann mit Handschellen an mein Bett gefesselt vorzufinden, das ist alles.“

„Sie verletzen meine Gefühle, Süße.“

Lucy wünschte, sie könnte sich unter dem Bett verkriechen. Stattdessen zwang sie sich, ihm in die Augen zu sehen, und stellte fest, dass sie von einem faszinierenden Hellgrau waren. „Sie sehen ganz annehmbar aus.“

„Annehmbar?“

„Hübsch, meine ich.“

„Hören Sie, Schätzchen, ich kann die Ranch anrufen und Ihnen jemand anderes schicken lassen, falls ich Ihren Ansprüchen nicht genüge …“

„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich fürchte, meine Freundin – die Frau, die dafür gesorgt hat, dass Sie hier sind – ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen.“ Inzwischen musste ihr Gesicht die Farbe ihres Tops haben. Sie räusperte sich, in der schwachen Hoffnung, dass er aufhören würde, sie so unverhohlen anzustarren.

„Was für falsche Voraussetzungen?“

„Sie nahm an, dass ich einverstanden sein würde mit dieser Reise, aber …“

Er bewegte die Schulter und zuckte dabei zusammen.

„Die Handschellen müssen ihnen bestimmt schon wehtun“, sagte sie spontan. „Ich werde sie Ihnen abnehmen. Haben Sie den Schlüssel?“

„In meiner rechten Hosentasche“, erklärte er. „Greifen Sie einfach hinein und suchen Sie ihn.“

Sie bekam einen trockenen Mund. „In Ihrer Hosentasche?“

Er nickte und lächelte.

„Ich glaube nicht, dass meine Hand da hineinpasst.“ Während sie die hautenge Jeans musterte, fragte sie sich, wie sie sich in eine solch vertrackte Lage gebracht hatte. Es war Claires Schuld. Sie würde sie erwürgen.

„Sie können den Reißverschluss aufmachen, damit es leichter geht.“

„Das wird nicht nötig sein.“ Sie holte tief Luft und versuchte, nicht an die Dinge zu denken, die schief gehen konnten, während man in der Hosentasche eines Fremden herumwühlte.

Was soll’s? sagte Lucy sich. Dies ist deine Chance, die Hand in die Tasche eines umwerfend attraktiven Mannes zu schieben.

Sie stolperte vorwärts, da sie sich mit einem ihrer Plateauschuhe in dem dicken Plüschteppich verfangen hatte, fand ihr Gleichgewicht aber rechtzeitig wieder. Buck schien es nicht im Mindesten unangenehm zu sein, als sie ihre Hand in seine Hosentasche schob. Es war sehr eng darin, sodass sie sich etwas vorbeugen musste, damit ihre Hand sich im richtigen Winkel befand. Diese Position zwang sie allerdings, erneut seinen wundervollen Duft einzuatmen. Und wieder überlief es sie heiß.

Doch da war kein Schlüssel.

„Sind Sie sicher, dass Sie ihn in die rechte Tasche gesteckt haben?“ Sie zog ihre Hand heraus und war erleichtert, gewisse Teile seines Körpers nicht berührt zu haben.

„Vielleicht war es doch die linke Tasche.“

Sie starrte ihn an und hatte das sichere Gefühl, dass er sie absichtlich erst in der falschen Tasche hatte herumwühlen lassen und dass er dieses kleine Spielchen genoss. Na schön, vielleicht genoss sie es auch. Aber nur ein bisschen.

Sie stützte sich mit dem Knie aufs Bett, um sich weiter vorbeugen zu können, und schob ihre Hand in seine linke Hosentasche. Erst da registrierte sie, dass sich die Ausbuchtung, die sie vorhin bestaunt hatte, genau auf dieser Seite seiner Hose befand. Automatisch hielt sie inne und wurde sich dann ihrer verfänglichen Stellung, so über ihn gebeugt, bewusst. Mindestens zehn Zentimeter ihrer Taille waren durch das kurze Top entblößt.

Je schneller sie den Schlüssel fand, umso eher konnte sie wieder einen Abstand zwischen ihnen herstellen. Also drängte sie ihre Bedenken zurück und schob die Hand weiter hinein. Zum Glück ertastete sie sofort etwas Hartes aus Metall, statt eines gewissen anderen Teils, dem sie auszuweichen versuchte. Sie bekam es zwischen die Finger und zog es heraus.

„Ist er das?“ Als sie den Schlüssel nun hochhielt, stellte sie fest, dass der Cowboy abgelenkt war und den schmalen Streifen nackter Haut an ihrer Taille betrachtete.

„Ja“, bestätigte er heiser.

Mit zitternden Händen schloss sie die Handschellen auf und befreite Buck. Er setzte sich auf und rieb sich die Handgelenke. Sie beobachtete ihn, doch statt erleichtert zu sein, dass nicht länger ein Cowboy an ihr Bett gefesselt war, fühlte plötzlich sie sich ihm ausgeliefert. Schließlich war er ein Fremder in ihrem Schlafzimmer, und jetzt war er nicht mehr gefangen.

Er musste ihr Unbehagen bemerkt haben, denn er sagte: „Keine Sorge, Schätzchen. Das ist mein Job – ich mache keine Jagd auf Frauen.“

„Was genau machen Sie denn, außer sich mit Handschellen an die Betten fremder Frauen fesseln zu lassen?“

„Ich arbeite auf der Ranch in verschiedenen Bereichen. Normalerweise komme ich nicht zu den Gästen nach Hause und lasse mich dort ans Bett fesseln. Aber Ihre Freundin mag Sie offenbar sehr, weil sie ein spezielles Arrangement getroffen hat.“

„Meine Freundin ist ein wenig exzentrisch.“

„Und sie hat einen Irrtum begangen?“

Das glaubte ich, dachte Lucy. Doch während sie jetzt Bucks ausgeprägte Bauchmuskeln bewunderte, konnte sie sich nicht mehr an den Irrtum erinnern, auf den sie ihn hatte hinweisen wollen. Dieser Cowboy war einfach zu sexy.

Wahrscheinlich warfen sich ihm die Frauen auf der Ranch förmlich in die Arme. Frauen machten an solchen Orten Urlaub, um sich gehen zu lassen, um wild zu sein und ihren langweiligen Alltag zu vergessen. Wahrscheinlich hielt er sie, Lucy, für eine von diesen Frauen, die sich amüsieren wollten. Die Vorstellung schockierte sie. Dann aber fand sie sie nicht mehr so abwegig.

Wieso sollte sie, Lucinda Jane Connors, die langweilige Reisekauffrau, sich nicht auch einmal gehen lassen und eine wilde, unvergessliche Zeit haben? Claire wollte doch, dass sie genau das tat. Und möglicherweise war es sogar das, was sie selbst wollte.

Autor

Jamie Sobrato
Schon als Jamie Sobrato mit acht Jahren ihre ersten, eher schlechten ,Gedichte schrieb, träumte sie davon, Autorin zu werden. Jetzt, nachdem sie viele Romane in den USA und in der ganzen Welt veröffentlicht hat, ist sie ihren damaligen Lehrern sehr dankbar, dass sie sie nach den ersten Fehlversuchen nicht gänzlich...
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