Ein Mann zu viel

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Das soll Grant Whiting sein? Die hübsche Mitzi muss sich sehr wundern. Zugegeben, er sieht gut aus, aber er ist nicht so charmant, wie ihre Freundin Kay immer erzählt. Kein Wunder - es ist ja auch gar nicht Grant, sondern dessen Zwillingsbruder! Dem "echten" Grant begegnet Mitzi erst am nächsten Tag …


  • Erscheinungstag 01.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758950
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Ich bitte dich doch nur um einen kleinen Gefallen“, sagte Grant Whiting zu seinem Zwillingsbruder Ted. „Du gehst für mich zur Hochzeitsprobe und am nächsten Tag zur Trauung. Das ist alles.“

„Tatsächlich? Ist das alles?“ Ted, der sich im Sessel vor Grants Schreibtisch bequem zurückgelehnt hatte, saß plötzlich kerzengerade. In dieser Haltung sah er nun aus wie das Spiegelbild seines Bruders. „Du nennst es einen kleinen Gefallen, wenn ich für dich den Trauzeugen spiele?“

„Hey, du sollst nicht für mich zum Mond fliegen. Es ist nur eine Hochzeit.“

Grant wusste, was sein Bruder dachte. Dass es nämlich gar nicht zu ihm passte, sich vor einer Verpflichtung zu drücken. Man brauchte Grant nur anzusehen, um zu wissen, dass er ein verantwortungsvoller Mensch war. Das zeigte schon seine konservative Kleidung. Trauerkleidung, wie Ted sie nannte. Dunkler Anzug, dezente Krawatte, polierte Schuhe. Während Ted heute in einem Outfit aufgetaucht war, das eher an den Strand von Waikiki passte. Weiße Shorts, Hawaiihemd und Sandalen! Ihm fehlte nur noch ein tropischer Drink mit Schirmchen.

Womöglich mixte Teds Sekretärin in dieser Sekunde einen solchen Drink im Nachbarbüro.

Die wenigen Male, wo sie die Rollen getauscht hatten, war immer Ted der Nutznießer gewesen. Sei es beim Schulfest, wo er wegen Lampenfiebers die Rolle von George Washington nicht spielen konnte. Oder weil er in Geometrie oder im Spanischunterricht nicht mitkam. Oder auch nur, weil er Mary Pepperburg nicht sagen konnte, dass er sich schon mit einem anderen Mädchen verabredet hatte. Grant war noch nie darauf angewiesen gewesen, dass sein Bruder ihn rettete.

„Ich dachte, du freust dich auf die Hochzeit“, sagte Ted.

„Natürlich. Kay und Marty sind meine besten Freunde.“

„Aha.“ Ted trommelte mit den Fingern, während er seinen Bruder eindringlich musterte. „Es ist wegen der Übernahme, stimmt’s? Großer Gott, meinst du wirklich, das Geschäft kommt nicht mal einen Tag ohne dich aus?“

„Einen Abend und den nächsten Tag“, verbesserte Grant ihn. „Du scheinst den Ernst der Lage noch nicht begriffen zu haben.“ Die beiden Zwillingsbrüder liefen Gefahr, ihre kleine Kaufhauskette zu verlieren, wenn sie nichts gegen die Übernahmepläne von Horace Moreland unternahmen. „Wir stecken in der größten Krise, seit Herman Little versucht hat, die Verkäufer gewerkschaftlich zu organisieren.“

„Und was passierte damals?“, fragte Ted. „Die Leute bekamen eine kleine Gehaltserhöhung, und der Fall war ausgestanden.“

„Sieben Prozent nennst du eine kleine Gehaltserhöhung?“

Ted zuckte die Achseln. „Reg dich nicht auf.“

„Dich ruft Moreland nicht alle zehn Minuten an. Ich sage dir, er ist fest entschlossen.“

Horace Moreland vergrößerte sein Unternehmen, indem er kleinere Geschäfte verschlang wie Kinder die Süßigkeiten zu Halloween. Und er hatte für diese Woche seinen Besuch angekündigt, um nun auch Whiting’s zu verschlingen. Ted und Grant waren natürlich gegen die Übernahme, konnten aber über das Schicksal der Firma nicht allein entscheiden. Zu einem Viertel war immer noch ihr Onkel Truman am Geschäft beteiligt.

Onkel Truman war ein Golfnarr, der ständig Geld brauchte, um den Verpflichtungen in seinem Club nachzukommen. Eine Schwäche, die ihn für Morelands Angebot empfänglich machte. Ein weiteres Viertel hielt ihre Stiefmutter Mona. Ted und Grants Vater war vor sieben Jahren verstorben, doch mit ihren fünfundzwanzig Prozent übte seine vierte Frau immer noch beträchtlichen Einfluss auf das Leben der Zwillingsbrüder aus. Und Mona musste zum Verkauf nicht erst überredet werden. Sie war eine Sklavin der Mode. Stets im neuesten Trend gekleidet zu sein kostete Geld. Und war Barvermögen nicht besser als eine Geschäftsbeteiligung, die sie von ökonomischen Zwängen abhängig machte? Mit anderen Worten, wenn Moreland der feindliche General war, dann waren Mona und Truman die Überläufer, die seine Panzer mit wehenden Fahnen und Konfetti begrüßten.

„Wenn ich die Katastrophe verhindern will, muss ich hier sein.“

„Weißt du, was ich glaube?“, fragte Ted. „Ich glaube, du willst nicht zu dieser Hochzeit, damit du nicht erinnert wirst.“

„Erinnert? Woran?“

„An deine Scheidung.“

Grant seufzte. „Du hast recht. Daran will ich nicht erinnert werden.“ Er war immer noch schockiert, dass ausgerechnet er, der seinen Vater drei Mal hatte heiraten sehen und sich geschworen hatte, es besser zu machen, nun auch geschieden war.

„Du kannst den Frauen nicht ewig aus dem Weg gehen. Warum genießt du dein neues Junggesellendasein nicht? Sei nicht so verkrampft!“

„Das hat Janice auch immer gesagt.“ Janice war seine Exfrau. „Sie fand mich zu spießig und zu eingefahren.“

„Janice war verrückt!“ Ted hatte Grants Frau nie gemocht. Aber er hatte auch eine angeborene Abneigung gegen alles, was nach Häuslichkeit roch.

„Findest du mich spießig?“

„Na ja …“ Ted wand sich unbehaglich. „Vielleicht nicht direkt spießig … eher seriös. Würdevoll.“

„Spießig.“ Grant seufzte. „Janice hat sich oft darüber beklagt, dass wir nie was spontan unternommen haben. Sie meinte, ich hätte zu viel Verantwortungsgefühl. Kann man überhaupt zu viel davon haben?“

„Janice war verrückt“, wiederholte Ted.

War sie das wirklich? Grant hatte vorgeschlagen, einen Psychiater aufzusuchen. Er glaubte tatsächlich, dass Janice eine Therapie brauchte. Und er wollte dabei sein, wenn der Psychiater erklärte, dass sie nur nicht einsehen wollte, was für einen vorbildlichen Ehemann sie hatte und dass in ihrer Ehe alles stimmte, genau wie Grant es behauptete.

Aber kurz vor ihrer ersten Sitzung wachte Grant eines Morgens auf und entdeckte, dass seine Frau mit dem Kronprinz eines winzigen Ölstaates im Nahen Osten davongelaufen war.

Okay, vielleicht hatte in ihrer Ehe doch nicht alles gestimmt … Aber Janices Eskapaden katapultierten ihre Beziehungsprobleme weit über den normalen Ehealltag hinaus.

„Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie ich so blind sein konnte. Ich war der ergebene Ehemann und hoffte, dass wir bald Kinder bekommen würden. Und dabei vergnügte Janice sich längst mit Prinz Omar.“

„Du hast die Nummer des nützlichen Ehemannes gespielt, während sie den Tanz mit den sieben Schleiern aufgeführt hat“, bemerkte Ted.

„Wie soll ich nach diesem Betrug jemals wieder einer Frau vertrauen?“

„Vergiss das Vertrauen. Denk an die Beine“, tat Ted seine Sorge ab.

Grant wünschte, er wäre ein eingefleischter Junggeselle wie sein Bruder. „Ich will nicht wieder heiraten.“

„Gut!“

„Ich will nicht mal daran denken.“

„Dann lass es bleiben. Such dir ein Mädchen und amüsier dich.“

Teds Rat war schön und gut, aber bei dieser Trauung würde er eine lange Zeremonie durchstehen müssen. Er würde noch einmal das Versprechen hören, dass er selbst so ernsthaft einer Frau gegeben hatte, der die Worte „bis der Tod uns scheidet“ offensichtlich nichts bedeuteten. Nein, dazu hatte er wenig Lust. Und dann war da auch noch die Sache mit der Trauzeugin.

„Was gibt es sonst noch für Probleme?“, fragte Ted.

„Kay. Die Braut“, erwiderte Grant.

„Die Frau mit dem Köter!“ Ted stöhnte entsetzt.

Kay war seit der Wirtschaftsschule mit Grant befreundet und war Ted nur einmal begegnet. Einmal war auch genug gewesen. Bei einer Gartenparty hatte Kays Dackel Chester sich Teds Feindschaft zugezogen, indem er auf Teds geliebte australische Stiefel aus original Wallaby-Leder gepinkelt hatte. Mann und Hund hatten sich seitdem ewige Feindschaft geschworen.

„Es hat nichts mit ihrem Hund zu tun“, versicherte ihm Grant. „Weißt du, Kay ist so ein mütterlicher Typ. Und jetzt, wo sie heiratet und ich Trauzeuge bin, drängt sie mich natürlich, auch wieder zu heiraten.“

„Frauen!“ Ted, der die Frauen liebte, jedenfalls die blonden mit langen Beinen, wurde aggressiv, wenn es um das Thema Ehe ging. „Sie geben nicht eher Ruhe, als bis jeder Mann auf der Welt mit einer Frau, einer Hypothek und einem Stall voll Kindern angebunden ist.“

Grant nickte. „Das ist Kay, wie sie leibt und lebt.“

Ted tippte mit einem Bleistift auf sein Bein. „Lass mich raten. Kay findet, dass ihre Trauzeugin wie für dich geschaffen ist.“ Er sah Grant fragend an.

Grant grinste. „Woher weißt du das?“ Tatsächlich hatte Kay ihre Trauzeugin schon häufig erwähnt. Keine Frage, dass sie Grant mit ihr verkuppeln wollte.

„Frauen sind so leicht zu durchschauen.“ Ted lehnte sich zurück, steckte den Bleistift hinter sein Ohr und schüttelte abgeklärt den Kopf. „Sie inszenieren ihre Hochzeit so, dass sie eine Lawine auslösen. Wenn eine heiratet, spielt sie der Nächsten den Ball zu, und bevor der arme Trottel dies merkt, steht er schon vorm Traualtar. Und so geht es immer weiter. Wenn du nicht aufpasst, lieber Bruder, wirst du von diesem Wirbelsturm aufgesogen.“

Grant lächelte reumütig. „Warum hast du mir das nicht vor fünf Jahren gesagt. Dann hätte ich Prinzessin Janice vielleicht nicht geheiratet.“

Ted runzelte die Stirn. Er hatte in der Tat ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Bruder nicht zu einem standhaften Junggesellen hatte erziehen können. Obwohl er dies mit allen Mitteln versucht hatte. Ted war auf der Hut vor dem anderen Geschlecht, seit ihr Vater zum vierten Mal geheiratet hatte. Damals waren sie fünfzehn. Und er machte sich heute noch Vorwürfe, weil er zugelassen hatte, dass Janice die Verteidigungslinie durchbrochen hatte.

Grant hatte für diesen Fehler hart bezahlt. Man brauchte ihn sich nur anzuschauen, er war immer noch verletzlich. Leichte Beute für jede raffinierte Frau. Allein der Gedanke daran machte Ted wütend.

„Natürlich tue ich dir den Gefallen“, stimmte er plötzlich zu. „Ich finde sogar, dass es meine Pflicht ist. Genau wie die Arbeit hier im Geschäft.“

Grant trank einen Schluck Kaffee. Teds Mitarbeit war für das Geschäft lebensnotwendig, besonders wenn es darum ging, die Kunden zu unterhalten. Im stressigen Alltagsgeschäft glänzte er lieber durch Abwesenheit und bräunte sich stattdessen auf seinem geliebten Boot. Wenn er wegen seines mangelnden Engagements dann kritisiert wurde, konnte er unvermittelt auftauchen und für ein paar Stunden in seinem Büro alles auf den Kopf stellen.

Aber Ted war stolz darauf, dass er der Ältere war, um genau zwölf Minuten älter, und dass er zweifellos klüger war, zumindest was Frauen betraf. „Du bist noch nicht so weit, dass du mit dieser Frau fertig wirst. Wie hieß sie noch gleich?“, fragte Ted.

„Mitzi. Die Trauzeugin heißt Mitzi Campion. Sie war schon auf der High School mit Kay befreundet.“

„Mitzi.“ Ted kniff nachdenklich die Augen zusammen. „Weißt du, was ich mit diesem Namen verbinde?“

„Nein. Was?“

„Mitzi, die kecke, kleine Draufgängerin.“

Grant lachte.

„Denk doch nur an Mitzi Gaynor in South Pacific“, beharrte er ernsthaft. „War die Kleine etwa nicht keck? Und hat sie nicht am Ende geheiratet?“

„Diese Mitzi aus New York bleibt eine Woche“, überging Grant diesen Einwand. „Sie hütet ein, solange Kay und Marty auf Hochzeitsreise sind. Jetzt möchte Kay natürlich, dass ich mich um das Mädchen kümmere und …“

Plötzlich horchte Ted alarmiert auf. „Nein, nein und nochmals nein. Nenn diese Mitzi nicht Mädchen. In der anerkannten Junggesellensprache heißt sie räuberische Kreatur. Und noch bevor diese Probeveranstaltung am Freitag zu Ende ist, werde ich ihr zeigen, was wir von ihrer Gattung halten.“

Grant lachte.

„Lach nur, wenn du willst“, sagte Ted. „Du wirst mir noch dankbar sein. Glaub mir, alter Junge, nach der Hochzeit wird diese Mitzi nicht mehr durch die Weltgeschichte fliegen, um Männer in die Falle zu locken.“

Es hat durchaus Vorteile, einen überfürsorglichen „großen“ Bruder zu haben, dachte Grant lächelnd. „Okay, zeig ihr die Zähne.“

1. KAPITEL

„Du wirst dich in Grant Whiting verlieben!“, begeisterte sich Kay auf der Fahrt zur Kirche. „Er ist ein absoluter Traummann!“

Mitzi Campion biss die Zähne zusammen und lächelte Kay und Marty an, als könnte sie es kaum erwarten, diesen Traum von einem Mann kennenzulernen, von dem Kay schon den ganzen Nachmittag erzählte. „Das glaube ich dir gern, Kay, aber im Moment ist Chester mein idealer Begleiter.“

„Mitzi, das meinst du doch nicht ernst.“

„Und ob.“ Mitzi freute sich wirklich darauf, eine Woche auszuspannen und auf den Hund aufzupassen. „Während ich vorm Fernseher sitze, wird Chester mir die Füße wärmen und mich schmachtend ansehen, wenn er die Tüten mit dem Knabberzeug knistern hört. Und er wird mir auf jeden Fall treuer sein als meine letzten Freunde.“

Das war kein Scherz. Drei Beziehungen in drei Jahren. Und alle waren mit Liebeskummer geendet. Außerdem mit Sodbrennen nach den unvermeidlichen Fressorgien, die sie nach jeder Trennung veranstaltet hatte, um ihren Kummer zu ersticken.

Dabei hatte immer alles rosig angefangen. Die Männer waren attraktiv, hatten einen guten Job und schienen auch sonst völlig in Ordnung zu sein. Doch alle drei waren in Deckung gegangen, als sie erfuhren, dass Mitzi von einer Zukunft träumte, die Ehe, Kinder und ein nettes Haus einschloss. Mike war mit einem Model davongelaufen, als sie nur das Wort Baby erwähnte. Und ein Jahr später genügte schon die Andeutung des Themas Ehe, um Jeff in die Flucht zu jagen. Er lief mit einem weiblichen Jockey davon.

Und schließlich war da noch Tim. Heute Bruder Tim. Er hatte Zuflucht im Kloster gesucht. Das war wirklich der Gipfel der Erniedrigung.

Kay schüttelte tadelnd den Kopf. Jetzt sah sie aus wie eine Grundschullehrerin. Was sie auch war. „Du kannst Mr. Right nicht kennenlernen, wenn du mit Chester vorm Fernseher sitzt.“

„Ich habe die Suche nach Mr. Right aufgegeben. Anscheinend haben die männlichen Großstädter nichts als ihre Arbeit im Kopf und werden furchtbar nervös, wenn sie eine Frau treffen, die an Heirat denkt. Und außerdem ist mein Mr. Right wahrscheinlich längst mit einer anderen verheiratet.“

„Sei doch nicht so pessimistisch“, sagte Kay.

Leicht gesagt, wenn man schon mit einem Fuß vorm Traualtar steht. „Ich halte mich nur an die Tatsachen“, erwiderte Mitzi. Sie war alles andere als eine Träumerin, bis auf die Gelegenheiten, wenn sie hoffnungslos romantisch war. „Drei Männer in drei Jahren. Das bedeutet, ich bin aus dem Rennen. Wenn ein Rennpferd meinen Rekord hätte, würde man es auf die Weide schicken oder erschießen oder was immer man mit den todsicheren Verlierern macht.“

Kay sah Marty an und zwinkerte wissend. „Wären sie nicht das perfekte Paar?“

Marty lachte.

Nun erwachte Mitzis Neugier. „Soll das heißen, Grant Whiting gehört auch zu Amors Opfern?“

Kay drehte sich zu Mitzi um und legte die Hand auf ihre Schulter. „Eine traurige Geschichte. Er ist so nett. Aber vor ungefähr einem Jahr hat seine Frau ihn verlassen.“

Sofort läuteten Mitzis Alarmglocken. „Okay. Was stimmt mit ihm nicht?“

„Er ist ein wunderbarer Mensch. Janice wusste das nur nicht zu schätzen“, sagte Kay mit der Überzeugung, mit der man einen alten Freund verteidigt. „Jedenfalls hat sie diesen Ölscheich kennengelernt und … na ja, den Rest kannst du dir denken.“

Und ob sie das konnte. Das alte Lied. Mitzi begann Mitgefühl für Mr. Dreamboat zu entwickeln.

„Der Typ ist ein Ölscheich aus dem Nahen Osten“, erzählte Kay weiter. „Ich glaube, er ist sogar ein richtiger Prinz.“ Sie seufzte. „Grants Exfrau lebt womöglich irgendwo in der Wüste in einem Zelt, aber sie könnte schon vor dem Lunch etliche kleine Länder kaufen oder verkaufen, ohne groß darüber nachzudenken.“

„Wegen eines Prinzen verlassen.“ Mitzi seufzte. Wenigstens hatte sie nicht mit irgendwelchen Royals konkurrieren müssen. „Darüber kommt man nicht so leicht hinweg.“

Kay klopfte ihr auf den Arm. „Janices Dummheit ist dein Glück.“

Mitzi lächelte geduldig. „Selbst wenn ich noch an die Liebe glauben würde, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich innerhalb einer Woche bis über beide Ohren verliebe, Kay.“

„Warum so pessimistisch? Sieh doch Marty und mich an.“

Mitzi sah ihre beste Freundin an, mit einem völlig verständnislosen Blick. Selbst Marty runzelte irritiert die Stirn.

„Ihr beide kennt euch schon vom College“, bemerkte Mitzi. „Es hat dreizehn Jahre gedauert, bis ihr euch zum ersten Mal verabredet habt.“

Kay nickte. „Stimmt. Dreizehn Jahre. Und dann, bum! Eines Tages stellte ich fest, dass es gefunkt hatte.“

Mitzi sank in den Sitz zurück. Das Beispiel ihrer Freundin tröstete sie wenig. Wenn es dreizehn Jahre dauerte, um sich auf den ersten Blick zu verlieben, hatte sie schlechte Karten. Der einzige Mann, den sie annähernd so lange kannte, war Stanley, der Portier in dem Manhattaner Apartmenthaus, in dem sie wohnte. Stanley war zweiundsiebzig und hatte falsche Zähne, die wie Kastagnetten klapperten.

Marty bog in eine Querstraße ein und hielt auf dem Parkplatz neben einer großen, alten Kirche.

„Wunderschön“, begeisterte sich Mitzi. Als Fotografin konnte sie sich schon jetzt mühelos die Hochzeitsszene vorstellen. Die strahlende Morgensonne, die durch die hohen Eichen auf den Platz schien. Ein leichter Wind, der an Kays Hochzeitskleid zupfte. Und die Brautjungfern …

Mitzi runzelte die Stirn und versuchte die Kleider der Brautjungfern aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Es war Kays Hochzeit, ihr großer Tag. Es stand der Braut zu, für ihre besten Freundinnen die Jungfernkleider auszusuchen, wie grauenvoll hässlich diese Kleider auch sein mochten.

„Dort drüben!“ Kay winkte jemandem auf dem Parkplatz zu. „Da ist er! Und ich hatte schon Angst, er würde nicht pünktlich sein.“

„Grant ist praktisch mit seinem Geschäft verheiratet“, erklärte Marty.

Ein Workaholic also. Das verhieß nichts Gutes. Ihre Verflossenen waren alle arbeitssüchtig gewesen. Sie selbst arbeitete auch hart, das verlangte ihr Job in der Werbebranche nun mal. Aber es sollte nicht ein Leben lang so bleiben. Ein Shootingstar der Madison Avenue war sie ohnehin nicht. Sie arbeitete als Assistentin und hatte bisher eine siegreiche Produktpräsentation entwickelt … für Schinken in Dosen. Nicht gerade das Sprungbrett für eine steile Karriere. Abgesehen davon wäre sie am liebsten Porträtfotografin, aber dieses Ziel erschien ihr manchmal ebenso unerreichbar wie ihr Traum von einer perfekten Familie mit 2,5 Kindern, getreu dem amerikanischen Durchschnitt.

Mitzi schaute immer noch Richtung Kirche, als sie plötzlich merkte, dass ihr Unterbewusstsein sich längst auf einen ganz anderen Anblick konzentrierte.

Direkt vor ihr stand an einen weißen Truck gelehnt ein Adonis erster Güte. Seine lässige Haltung unterstrich die eindrucksvolle Größe und seine breiten Schultern. Er hatte kurze, blonde Locken und war braun gebrannt wie eine Olympiastatue. Außerdem hatte er das markante Kinn und die strahlend weißen Zähne, von denen die Werbeleute träumten.

Mitzi war sprachlos.

„Denk dran, er ist unser bester Freund“, sagte Kay, bevor sie die Wagentür öffnete. „Und er ist noch zu haben.“

Mitzi schaute noch einmal zu Mr. Traumhaft hinüber, und sie bekam Herzklopfen. So etwas war ihr seit Monaten nicht mehr passiert.

Kay und Marty stiegen aus, um Grant zu begrüßen. Durch die Seitenscheibe sah Mitzi, wie Kay zum Wagen deutete, in dem sie, Mitzi, immer noch saß. Grant drehte sich zu ihr um und sah sie an. Bei so viel Männlichkeit, die sich allein ihr zuwandte, klopfte ihr Herz, dass es in ihren Ohren hallte.

Während Kay und Marty nun Kays Mutter begrüßten, trat Grant auf den Wagen zu. Mitzi war wie gelähmt. Sie hatte den Türgriff schon in der Hand, blieb aber reglos sitzen, als er mit energischen Schritten auf sie zukam. Selbst eine simple Handlung wie das Öffnen der Tür wirkte männlich kraftvoll, wenn er sie vollführte. Vielleicht würde die nächste Woche so erfreulich, wie Kay versprochen hatte … Plötzlich wurde die Realistin in Mitzi von der Romantikerin gnadenlos verdrängt.

Grant stand vor ihr. Die Art, wie er die Mundwinkel nach oben zog, hatte etwas Unbekümmertes.

Also … Je länger sie dieses Lächeln auf sich einwirken ließ, desto höhnischer fand sie es.

Mit diesen blauen Augen, die in ihrer Ausdruckslosigkeit fast einem Hai glichen, musterte er sie von oben bis unten. „Wollen Sie im Wagen sitzen bleiben?“

Mitzi zuckte zusammen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Vielleicht, dass Grant sie freundlich begrüßte oder ihr aus dem Wagen half. Immerhin hatte Kay von ihm geschwärmt. Durfte sie da nicht gute Manieren erwarten?

Ihre realistische Ader gewann wieder die Oberhand. Sie nahm ihre Handtasche, die von Größe und Inhalt eher einer Reisetasche ähnelte und selbstverständlich auch ihre Kamera enthielt, und stieg aus. Neben Grant kam sie sich völlig overdressed vor in ihrem langen, schwarzen Rock und der weißen Bluse. Er trug eine Khaki-Hose und ein schlichtes Hemd. Obendrein wirkte er darin selbstbewusster als sie.

„Sie sind also Mitzi“, sagte er, während er die Arme verschränkte.

Mitzi, die Beulenpest, interpretierte sie im Stillen. Warum er so enttäuscht auf sie reagierte, konnte sie sich eigentlich nicht erklären. Dann kam ihr eine Idee. „Lassen Sie mich raten. Sie haben Mitzi Gaynor erwartet.“

Er kratzte sich am Kinn. „Nun … ehrlich gesagt, ja.“

Er funktionierte zuverlässig, der Fluch, den ihre Musical liebende Mutter ihr auferlegt hatte! Jeder erwartete eine kleine, blonde, kecke Mitzi, eben eine Nellie Forbush. Vielleicht hatte sich ihre Mutter eine kleine, süße Tänzerin gewünscht. Stattdessen war Mitzi gewachsen und gewachsen. Mit ihren eins achtundsiebzig hatte sie jedenfalls nicht die Statur ihrer zierlich anmutigen Namensschwester.

„Okay, ich bin kein berühmter Filmstar. Komme ich deswegen als Trauzeugin nicht infrage?“

Er sah sie verächtlich an. „Bringen wir die Sache hinter uns.“ Damit steuerte er auf die Kirche zu und ließ Mitzi stehen.

Es war ihr noch nie passiert, dass jemand so grob auf ihre Erscheinung reagierte. Dabei sah sie nicht schlecht aus! Einer ihrer Verehrer hatte sie sogar als gertenschlanke Schönheit bezeichnet. Dieser verflossene Liebhaber allerdings läutete nun die Glocken in einem Kloster.

Trotzdem war Grants Reaktion extrem. Das war das Traumboot, von dem Kay schwärmte? Auf Mitzi wirkte er wie ein Kriegsschiff, das alle Waffen auf sie gerichtet hatte.

Denk dran, er ist unser bester Freund, hatte Kay gesagt.

Hatte sie Mitzi etwas verschwiegen? Vielleicht gab es irgendwelche Gründe, weshalb Grant Whiting seinen umwerfenden Charme vorübergehend verloren hatte. Vielleicht hasste er Hochzeiten oder Parkplätze. Oder Mitzi gefiel ihm einfach nicht.

Kay winkte vom Kircheneingang und bedeutete Mitzi und Grant, dass sie sich beeilen sollten. Die angehende Braut schüttelte ihren blonden Lockenkopf und grinste. „Hört auf zu flirten, ihr beiden, und beeilt euch. Schließlich seid ihr die Hauptdarsteller.“

Grant hielt Kay mit einem leutseligen Lächeln die Kirchentür auf. „Ich dachte, die Hauptrollen wären für dich und Marty reserviert“, sagte er.

Was das Flirten betraf, widersprach er ihr nicht, bemerkte Mitzi.

Kay lachte. „Aber erst morgen. Heute springt ihr beide für uns ein.“

Mit einem säuerlichen Blick drehte Grant sich zu Mitzi um. Sah Kay das nicht? Offensichtlich nicht, denn sie lächelte Grant bewundernd an.

„Immer dieser Aberglaube bei den Hochzeiten“, sagte er seufzend.

„Du wärst auch abergläubisch, wenn du mit hochhackigen Schuhen vor zweihundert Gästen zum Traualtar schreiten würdest“, erwiderte Kay.

Grant zuckte die Achseln und wandte sich zu Mitzi. „Das ist zum Glück nicht unser Problem, Mitz.“

Mitz? Sollte das ein Witz sein? Sie schaute verblüfft zu, wie Grant, Mr. Charming persönlich, scherzhaft an Kays Locken zupfte, bevor er in der Kirche verschwand.

Kay winkte Mitzi heran. „Was habe ich gesagt?“, fragte sie. „Ist er nicht toll?“

„Er ist … beeindruckend“, murmelte Mitzi.

„Und stell dir vor, er hat einen Bruder, der genauso aussieht.“

„Zwei von der Sorte.“ Kaum zu glauben, dass der Natur ein so tragischer Fehler gleich zwei Mal unterlief.

„Sein Bruder ist nicht so nett, aber Grant ist wirklich ein Schatz. Ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen.“

Nur nicht widersprechen, ermahnte sich Mitzi, nur nicht die Braut aufregen. Kay zuliebe schwieg sie geduldig.

Zum Glück waren alle Teilnehmer einschließlich des Priesters bereits anwesend. Der Priester begann sofort mit der Zeremonie, bei der Mitzi und Grant das Brautpaar spielten. Zu ihrem Erstaunen absolvierte Grant die Probehochzeit wie ein Profi. Als sie zum Altar ging, wo Grant auf sie wartete, mimte er vergnügt den aufgeregten Bräutigam und kaute auf den Nägeln. Selbst Mitzi musste wie alle anderen in der Kirche herzlich lachen. Dann kam die Stelle, wo der Priester verkündete, dass der Bräutigam die Braut nun küssen dürfte. Grant sprang über eine Kirchenbank und küsste Kay auf den Mund, was ihm schallenden Applaus einbrachte.

Offenbar war er zu allen bezaubernd, nur zu Mitzi nicht. Trotzdem lächelte sie nach der Zeremonie etwas entspannter und ließ sich ihren Unmut nicht anmerken. Kay zuliebe.

„Haben alle eine Mitfahrgelegenheit zum Restaurant?“, fragte Marty vor der Kirche.

Die Teilnehmer gingen bereits in kleinen Gruppen zu ihren Wagen. Kay warf Mitzi einen kurzen Blick zu. Dann zupfte sie an Martys Ärmel und tuschelte mit ihm, während sie in Grants Richtung nickte.

„Oh, Mitzi“, begann Marty harmlos, als hätte Mitzi nicht bemerkt, dass sie etwas mit ihr im Schilde führten. „Kays Mutter hat ein paar Hochzeitsgeschenke mitgebracht, die wir jetzt auf dem Rücksitz verstauen müssen. Ich denke, du fährst am besten mit Grant.“

Mitzi stand wie angewurzelt auf den Kirchenstufen und starrte auf Grants strahlend weißen Truck. „Wäre es nicht besser, wenn ich mit deiner Mutter fahre? Ich meine …“

Kay fiel ihr ins Wort. „Du hast doch Platz für Mitzi, oder, Grant?“, drängte sie ihn.

Grant verzog das Gesicht zu einem eisigen Lächeln. „Vielleicht solltet ihr eurer Freundin sagen, dass ich nicht beiße.“

Kay und Marty lachten, als hätte er einen bestechend geistreichen Witz gemacht. „Er beißt nicht“, sagte Kay zu Mitzi und schob sie förmlich die Stufen hinunter. Dann fügte sie im Flüsterton hinzu: „Er mag dich. Glaub mir.“ Damit schob sie Mitzi in Grants Richtung.

Mitzi kletterte auf den Beifahrersitz des Trucks. „Nun“, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln. „Das war doch schon ganz nett.“

Ted schnaubte verächtlich. Oh, er hatte die Verschwörung sofort erkannt. Sein Instinkt hatte sich wieder einmal bestätigt. Diese Trauung war eine einzige Eheschmiede … und Grant war das Opfer. Dieses Getuschel zwischen Kay und Mitzi. Sogar Marty, den armen Kerl, hatten sie auf ihre Seite gezogen und ihn gegen seine eigenen Geschlechtsgenossen aufgewiegelt.

Autor

Liz Ireland
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