Ein Pirat zum Weihnachtsfest

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Weihnachten an Bord eines Schiffs, in den Armen eines attraktiven Piraten? Nie hätte Juliana sich das träumen lassen. Der verwegene Freibeuter Rawden Wood hilft ihr nicht nur, den Schatz ihres Vaters zu finden - er entfacht auch einen wilden Sturm des Verlangens in Juliana.


  • Erscheinungstag 16.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504874
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Rawden machte eine finstere Miene und schob die Hände tiefer in die Taschen seiner warmen Wollhose. Was für ein Wetter! Dicke, nasse Schneeflocken wirbelten vom Himmel. Eine Horde schäbig gekleideter Straßenkinder tobte ausgelassen um ihn herum, und immer wieder streckte eines von ihnen die Zunge heraus, um eine Flocke aufzufangen. In ein paar Tagen war Weihnachten, und selbst in den ärmsten Vierteln Londons machte sich festliche Stimmung breit. Einige der Tavernen, die die enge, dunkle Gasse säumten, hatten sogar Kränze aus Immergrün über dem Eingang aufgehängt.

Nur Rawden war überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung.

Wie auch, wenn sein Schiff, die Golden Maiden, sich in einem so jämmerlichen Zustand befand, dass er jedes Mal, wenn er in See stach, fürchten musste, unterzugehen und ein nasses Grab zu finden? Wenn seine Besatzung so unzufrieden war, dass er eine Meuterei nur noch dadurch verhindern konnte, dass er den Männern androhte, sie kielholen zu lassen? Wenn seine Börse praktisch leer war, weil er die letzten Monate auf allen sieben Meeren vergeblich Ausschau nach Beuteschiffen gehalten hatte?

Es war nicht die Sehnsucht nach weihnachtlichen Gefühlen, die ihn nach London zurückgebracht hatte, sondern die Hoffnung auf Informationen über neue Jagdgründe. Rawdens Blick glitt über die heruntergekommenen Fassaden der Häuser und blieb am grob geschnitzten Wirtshausschild des „Mucky Duck“ hängen, einer bei lichtscheuen Londoner Kaufleuten beliebten Schänke. Rasch überquerte er die Gasse, schob die schwere Eichentür auf und trat in den feuchtkalten, spärlich beleuchteten Schankraum. Ohne den späten Zechern und den leichten Mädchen Beachtung zu schenken, ging er zum Tresen und hob den Finger. Sofort wurde ihm ein schwerer Krug mit dunklem, schäumendem Ale hingeschoben. Rawden trank in langen, bedächtigen Schlucken und suchte dabei mit seinem Blick unauffällig den Raum nach ihm bekannten Kaufleuten oder Informanten ab.

Doch jeder Gedanke an Seeräuberei war sofort vergessen, als er sie auf der anderen Seite des Schankraums erblickte. Er wusste nicht, wer sie war oder wo sie herkam, nur, dass sie atemberaubend schön war. Ihr blondes Haar hatte sie locker aufgesteckt, und ein paar widerspenstige Löckchen umrahmten ihr fein geschnittenes Gesicht. Die schlanke Biegung ihres Halses erinnerte ihn an einen Schwan, ihr Teint war glatt und hell wie Alabaster. Sie trug ein viel zu dünnes Kleid mit einem skandalös tiefen Ausschnitt, dessen winzige Puffärmel gerade einmal über ihre schmalen Schultern reichten. Ein betrunkener Seemann hätte sie für eine gewöhnliche Hure halten können – aber Rawden wusste es besser. Obwohl sie ähnlich angezogen war wie die anderen käuflichen Frauen, war ihr Kleid viel zu weiß, viel zu sauber. Und statt mit anzüglichem Grinsen von einem Mann zum anderen zu schlendern, bewegte sie sich zögernd und schreckte fast unmerklich zurück, wenn ein Gast die Hand ausstreckte und nach ihr grapschte. Am auffälligsten aber war ihr scheuer Gesichtsausdruck, der viel zu unschuldig wirkte für ein leichtes Mädchen. Es war nur zu offensichtlich, dass sie hier nicht hingehörte, obwohl sie bemüht war, nicht aufzufallen. Um Rawdens Lippen zuckte es amüsiert, als er sie dabei beobachtete, wie sie sich unbehaglich von Tisch zu Tisch bewegte. Er fragte sich kurz, welcher törichte Einfall die junge Frau wohl zu dieser ebenso gewagten wie unüberlegten Maskerade bewogen haben mochte.

Ein Schwall eiskalter Dezemberluft traf ihn, als die Tür aufging und zwei Ordnungshüter der Marine Police den Schankraum betraten. Schlagartig verstummten die Gespräche, und die stämmigen Männer steuerten auf den Tresen zu.

Rawden runzelte die Stirn und trank den Rest seines Ales in einem Zug aus. Er warf ein paar Kupfermünzen auf den Tisch und stand auf. Am besten, er verschwand auf der Stelle. Solange die Polizisten in der Taverne waren, würde ihm sowieso niemand Auskunft geben, und er wollte nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er hatte auch so schon genug Schwierigkeiten.

Als er sich umdrehte, sah er, dass die Polizisten mitten in der Taverne stehen geblieben waren und den Blick suchend über die lärmende Gästeschar schweifen ließen.

Möglichst unauffällig näherte er sich der Tür. Auch er wurde scharf gemustert, als er sich den Uniformierten näherte. Vorsichtshalber sah er beiseite, als plötzlich ein blonder Lockenschopf in seinem Blickfeld auftauchte.

Hervorragend. Wenigstens hatte er nun einen Grund, die Ordnungshüter nicht anzuschauen.

Er setzte ein anzügliches Grinsen auf und unterzog die junge Frau einer schamlosen Musterung. Wie ein hungriger Köter. Im Vorbeigehen hörte er, wie einer der Gesetzeshüter angewidert schnaubte. Aber selbst als die Männer der Marine Police ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richteten, schaffte Rawden es nicht, seinen Blick von der schüchternen Schönen loszureißen, die zu allem Überfluss auch noch auf ihn zukam. Als er die Tür schon fast erreicht hatte, stolperte sie plötzlich über irgendein Hindernis und sank ihm in die Arme.

Die Zuschauer johlten und pfiffen, als Rawden die junge Frau auffing. Er genoss das Gefühl ihres weichen, biegsamen Körpers an seinem, der glatten Haut ihrer Arme unter seinen Händen, ihres seidigen Haars an seinem stoppeligen Kinn. Langsamer, als er es erwartet hätte, löste sie sich von ihm, legte zögernd die Handflächen auf die Aufschläge seiner Lederweste und sah zu ihm hoch, die vollen Brüste nach wie vor an ihn gepresst. Rawden verstärkte den Griff um ihre Ellbogen und musterte ihr fein geschnittenes Gesicht. Aus der Nähe betrachtet war sie sogar noch schöner. Dichte Wimpern umrahmten ihre meerblauen Augen, ihre feucht schimmernden Lippen waren leicht geöffnet, so, als sei sie überrascht. Rawden holte tief Luft und sog ihren sauberen, frischen Duft ein. Sie roch wie ein sonniger Frühlingstag.

Zu sauber, mahnte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf.

Rawden seufzte unhörbar und riss sich zusammen. Er umfasste ihre Ellbogen, als sie entschlossen einen Schritt zurücktrat.

„Du solltest jetzt besser gehen“, sagte er schroff, während er aus dem Augenwinkel die Polizisten beobachtete.

Er bekam keine Antwort und musterte die junge Frau missmutig. Sie hatte den Kopf schräg gelegt und sah ihn ruhig an. In ihren blaugrünen Augen stand Neugier.

„Warum?“, fragte sie leise.

Rawden verstärkte den Griff um ihre Ellbogen und beugte sich zu ihr. Mit den Lippen streifte er ihr Ohr. „Weil ich weiß, dass du nicht hierhin gehörst“, murmelte er. Sein warmer Atem strich über ihren Hals.

Er richtete sich auf, weil er sicher war, sie mit seiner dreisten Geste schockiert und endlich zu Verstand gebracht zu haben, doch er musste ungläubig feststellen, dass dem nicht so war. Kühn trat die junge Frau einen Schritt näher und legte ihm die Hand auf den Unterarm. Sie schmiegte sich an ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen und presste ihm mit geöffnetem Mund einen Kuss auf die Schläfe.

„Wie kommst du auf die Idee?“ Mit der Zungenspitze berührte sie ganz leicht seine Ohrmuschel.

Sie ließ sich lächelnd auf die Fußsohlen herunter und streifte dabei mit ihren Rundungen an seinem harten, muskulösen Oberkörper entlang. Nackte Begierde schoss in Rawden hoch und sammelte sich dort, wo sie ihre Hüften an ihn presste. Sein Verlangen siegte über seine Vernunft, und er ergötzte sich an der Wärme ihres Körpers an seinem, den Anblick ihrer nackten Schultern und ihrer vollen Brüste. Mit seinen rauen Händen packte er die Fremde und schob sie in Richtung der Tür, durch die er noch vor wenigen Augenblicken zu entkommen versucht hatte. Seufzend presste er sie gegen die harte Holzfläche. Sie schlang ihre Arme um seine Taille, und Rawden spürte, wie sie ihm mit den Fingerspitzen ein verführerisches Muster auf den unteren Teil seines Rückens zeichnete.

„Mädchen“, warnte er sie mit gesenkter Stimme, „du spielst ein gefährliches Spiel.“

„Und?“, erwiderte sie herausfordernd und biss ihm sacht ins Kinn. „Spielst du mit?“

„Vielleicht.“ Er griff in ihre Locken und zog ihren Kopf nach hinten, sodass sie ihn ansehen musste. „Die ein oder andere Lektion könnte dir nicht schaden.“

„Findest du?“ Sie ließ zu, dass er ihr eine Spur rauer Küsse über die entblößte Kehle zog. „Was für Lektionen sollten das wohl sein?“

„Tu nicht so ahnungslos.“ Rawden kniff sie leicht in ihr reizvolles Hinterteil. „Lektion eins: Eine unberührte junge Dame sollte nicht Dirne in einer Hafenkaschemme spielen.“

„Ich bin also unberührt?“

Rawden schloss schweigend die Augen. Einen kurzen Augenblick gestattete er sich in der Vorstellung zu schwelgen, wie sich ihre alabasterfarbenen Schenkel um seine Taille schlangen, während ihr nachgiebiger Körper sein Verlangen stillte und sie leidenschaftlich unter ihm stöhnte. Wenn er wollte, konnte er sie haben – er brauchte nur ihre Maskerade mitzumachen und sie zu nehmen, ohne sich um ihre Tugend zu scheren. Doch dann … würde er sie entehren und ruinieren.

Schwer atmend schob er sie von sich. Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände und sah ihr in die strahlenden Augen. Ja, dachte er beim Anblick ihrer geröteten Wangen. Du bist ganz gewiss noch unschuldig. Obwohl ihr Vertrauen in ihre Verführungskünste auf gewissen Erfahrungen beruhen mochte, hatte sie nicht den abgestumpften und berechnenden Blick einer Hafenprostituierten. Ihre Züge waren noch nicht gezeichnet von der Verbitterung, die Frauen entwickelten, wenn sie Männern gegen Bezahlung Lust bereiteten. Er atmete tief ein. Ihre Haut war glatt und duftete nach kostbaren Essenzen. Rawden seufzte.

„Du gehörst nicht hierher“, wiederholte er schroff. „Geh nach Hause, bevor jemand dich ins Verderben stürzt.“

„Jemand?“, fragte sie und zog spöttisch eine Augenbraue hoch.

„Ich nicht“, sagte er warnend durch zusammengebissene Zähne und zog sie weg von der Tür. „Aber wenn du hier bleibst, wird dich jemand anderes zwingen, Dinge zu tun, die du mit Sicherheit später bereust.“ Er ließ sie los. „Also geh besser nach Hause, Kleine.“

Abrupt drehte er sich um, riss die Tavernentür so heftig auf, dass sie gegen die Wand krachte, und marschierte hinaus in die Kälte. Eine Woge der Enttäuschung wallte durch ihn hindurch. Die Vorstellung ihres Körpers unter seinem hatte sich so verdammt echt angefühlt. Er setzte sich in Bewegung. Es war immer noch kalt, darum beschleunigte er sein Tempo, schob die Hände wieder in die Hosentaschen – und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.

Ganz langsam ließ er die Hände tiefer in die Taschen gleiten, tastete mit den Fingern darin herum, wühlte vergeblich. Er begann allmählich zu begreifen, aber er wendete die Taschen noch von innen nach außen, um ganz sicherzugehen.

Fort, dachte er ungläubig staunend. Es ist tatsächlich fort.

Autor

Linda Skye
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