Ein schottischer Sommer

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Eine Fahrradtour durch Schottland, die eigentlich nur der Erholung dienen sollte, wird für Sabina zu einem erregenden Abenteuer. Von einem Unwetter überrascht, sucht sie Zuflucht in einer einsamen Hütte - und landet in den Armen des faszinierenden Popstars Joel Brent …


  • Erscheinungstag 03.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754846
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Endlich war sie unterwegs, aber sehr sicher fühlte sie sich nicht auf dem Fahrrad, das sie in Inverness für vierzehn Tage gemietet hatte. Als Sabina noch in London war, hatte sie ihren Plan großartig gefunden, in den Ferien einen Teil Schottlands mit dem Fahrrad kennen zu lernen. Nun aber kamen ihr Zweifel, ob sie sich nicht zu viel zugemutet hatte, denn sie war seit Jahren nicht mehr geradelt.

Ihr Vater war außer sich gewesen, als sie ihm von ihrem Plan erzählt hatte. Er fand es unmöglich, London ausgerechnet jetzt zu verlassen, acht Wochen vor ihrer Hochzeit mit Nicholas Freed, seinem Partner und Mitinhaber einer der größten Tageszeitungen.

Dennoch stand für Sabina fest, dass sie wegfahren musste, um sich fern von London darüber klar zu werden, ob es richtig sei, Nicholas zu heiraten.

Je länger sie radelte, desto mehr Spaß machte es ihr. Mit ihren Gedanken war sie noch in London, aber sie merkte, dass sie Abstand gewann und nüchtern zu denken vermochte. In Gegenwart ihres Vaters gelang ihr das selten. Sie war neunzehn Jahre alt und hatte sich zeit ihres Lebens seinem Willen untergeordnet. Stets hatte er alle Entscheidungen für sie getroffen. Auch die Ehe mit Nicholas war sein Vorschlag gewesen.

Nicholas gehörte zur Generation ihres Vaters. Er war fünfundvierzig Jahre und hatte bereits zwei Ehen hinter sich. War er nicht zu alt für sie? Sabina wunderte sich jetzt, wie gedankenlos sie vor vier Monaten in die Verlobung eingewilligt hatte. Gewiss, Nicholas war attraktiv, groß und schlank, hatte dunkles Haar und tiefblaue Augen. Was sie für ihn empfand, war nicht Liebe, sondern Freundschaft, aber genügte das für eine Ehe?

Und da war noch eine ungeklärte Frage, die ihr zu schaffen machte. Warum hatte sich die zweite Frau von Nicholas scheiden lassen? Das Stillschweigen darüber beunruhigte sie. Ihr Vater, mit dem sie einmal darüber sprach, hatte ihr lediglich geraten, nicht weiter darüber nachzugrübeln.

Schluss mit diesen bedrückenden Gedanken! Sie passten nicht zu dem sonnigen Tag und der herrlichen Landschaft. Sabina fuhr am Ufer des Ness entlang und würde bald das Seegebiet des legendären Loch Ness erreichen. Total verrückt hatte ihr Vater sie gestern Morgen genannt, als sie sich mit gepacktem Rucksack verabschiedete. Verrückt oder nicht, sie genoss ihren ersten Ferientag in vollen Zügen und fühlte sich zum ersten Mal seit Jahren frei.

Eine öffentliche Telefonzelle am Wege erinnerte sie daran, ihren Vater anzurufen, damit er sich keine Sorgen um sie machte. Seit dem Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren neigte er dazu, seinen Besitzanspruch auf Sabina geltend zu machen, und in seiner übertriebenen Liebe behandelte er sie wie ein unselbstständiges Kind.

Das Telefon läutete nur einmal, und schon wurde der Hörer abgenommen, als hätte ihr Vater neben dem Telefon gesessen und auf ihren Anruf gewartet. Seine Stimme klang ärgerlich. „Sage mir sofort, wo du bist.“

„Ich werde mich hüten, das zu tun. Sonst würdest du herkommen und mich zurückholen.“

„Das täte ich ganz bestimmt. Übrigens, auch Nicholas ist nicht gerade begeistert von deinem Benehmen.“

„Hast du es ihm erzählt?“

„Sollte ich etwa ein Geheimnis daraus machen? Du bist immerhin mit ihm verlobt.“

Sabina seufzte. „Daddy, du weißt, aus welchem Grund ich wegfuhr.“

„Angeblich, weil du nachdenken willst. Wieso musst du jetzt damit anfangen, acht Wochen vor der Hochzeit? Ich … Verdammt noch mal, was ist das? Sabina, bist du noch da?“

Sie warf wieder Münzen ein. „Kein Grund zur Aufregung, Daddy. Ich bin in einer Telefonzelle, und das Telefon wollte noch ein bisschen Geld haben.“

„Warum hast du nicht gleich genug Geld eingeworfen? Ich will nicht alle paar Minuten unterbrochen werden.“

„Wirst du auch nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir gut geht. Ich bin bisher weder vergewaltigt noch von einem Kidnapper entführt worden.“

„Kein Grund, sich lustig zu machen, Sabina. Auch in Schottland wird es schlechte Menschen geben.“

„Sicher, aber ich … Die Sprechzeit ist abgelaufen. Ich rufe nicht wieder an, Daddy.“

„Sabina …“

„Wir sehen uns in vierzehn Tagen“, konnte sie gerade noch sagen, bevor die Verbindung unterbrochen wurde.

Erleichtert setzte Sabina sich wieder auf ihr Rad. Ihre langen Beine waren noch sonnengebräunt vom Aufenthalt in Monte Carlo. Sie trug hautenge weiße Shorts und ein dunkelrosa T-Shirt. In ihren grünen Augen strahlte Vorfreude auf vierzehn Ferientage. Mit wehendem langen blonden Haar radelte sie Loch Ness entgegen.

Was für ein riesiger See, staunte Sabina, als sie das Ufer erreichte. Durch seine Länge schien er unendlich. Steilufer erhoben sich zu beiden Seiten von Loch Ness. Am jenseitigen Ufer weideten Schafe im saftigen Gras. Diesseits machte die Landstraße einen Bogen, bevor sie steil bergan stieg. Im dichten Grün der Bäume erspähte Sabina einige kleine Häuser.

Da sie ihre Radtour in Inverness erst am Nachmittag begonnen hatte, war es Abend geworden, bevor sie ihr Ziel, die Urquhart Schlossruine an der Urquhart Bucht, erreichte. Sie hatte ein Zelt mit und die notwendige Campingausrüstung. Da sie aber mehrere Hotels an der Bucht sah, beschloss sie, im Hotel zu übernachten und die Schlossruine am anderen Morgen zu besichtigen.

Es war fast Mittag, als Sabina am nächsten Tag aufwachte, so tief hatte sie geschlafen. Beim Aufstehen verspürte sie einen unbeschreiblichen Muskelkater. Alles tat weh, sogar Körperstellen, von denen sie angenommen hatte, dass sie nie schmerzen könnten. Wie wenig trainiert sie war, wenn schon eine harmlose Radtour solche Auswirkungen hatte!

Sabina humpelte aus dem Bett, nahm ein Bad, das die Schmerzen ein wenig linderte, und beschloss, anstelle eines Frühstücks das Mittagessen zu bestellen, zumal es beinahe zwölf Uhr war. Das Wetter hatte sich geändert. Es nieselte, und leichter Nebel lag über der Landschaft. Sie ließ sich davon nicht beirren. Da sie nun einmal hier war, wollte sie auch die Schlossruine besichtigen.

Sie zog Jeans, Pullover und eine wasserdichte Regenjacke an. Beim Bezahlen der Rechnung fragte sie den Hotelbesitzer, ob sie ihr Fahrrad zurücklassen könne, während sie Schloss Urquhart besichtigte.

„Sie werden heute doch keine größere Tour unternehmen?“, fragte der Mann, als er ihren Zimmerschlüssel entgegennahm.

„Ich will bis Fort Augustus radeln.“

„Bei diesem Wetter? Da kann ich nur abraten. Besser, Sie bleiben hier.“

Sabina sah durch die Fenster. „So schlecht sieht es draußen nicht aus, ein bisschen Regen.“

„Aber hier kann plötzlich dichter Nebel auftreten. Bis Fort Augustus ist es eine ziemliche Strecke. Es wäre schlimm, wenn Sie sich verirren.“

„Aber die Straße verläuft doch ganz gerade, nicht?“

„Das schon, nur gibt es Abzweigungen zu kleinen Häusern im Wald. Da kann man im Nebel leicht von der Straße abkommen.“

„Ich werde schon aufpassen“, sagte sie kühn, zog ihre Kapuze über das Haar und sah dem Nieselregen gefasst entgegen.

Schloss Urquhart lag in der Rundung der Bucht mit einzigartiger Aussicht auf Loch Ness, über dessen Wasserfläche sich jetzt leichter Nebel wie ein dünner, weißer Schleier ausbreitete.

Laut Reiseführer, den Sabina in Inverness gekauft hatte, war das Schloss im zwölften Jahrhundert erbaut und im sechzehnten Jahrhundert restauriert worden. Geblieben war eine malerische Schlossruine mit verfallenen Mauern aus grauem Stein, welche die einstige Größe und Pracht des Schlosses erahnen ließen.

Nach ihrem Rundgang goss es in Strömen. Sabina beschloss, in der Hotelhalle einen Kaffee zu trinken und zu warten, bis der Regen aufhörte.

„Wollen Sie wirklich losfahren?“, fragte der Hotelinhaber, als Sabina sich wenig später zum Abfahren bereitmachte.

„Ja.“

„Es ist leichtsinnig, wenn ich das mal sagen darf.“

„Wenn das Wetter schlechter wird, kehre ich um und komme zurück.“

Sie war schon längere Zeit unterwegs, als das Vorderrad plötzlich einen Plattfuß hatte. Die Luftpumpe half nicht, und gerade jetzt wurde der Nebel so dicht, dass sie kaum noch zwei Meter weit sehen konnte. Es blieb nichts anderes übrig, als das Rad zu schieben. Da Sabina überzeugt war, bis Fort Augustus sei es näher als bis zur Urquhart Bucht, beschloss sie, vorwärts zu gehen.

Wo Sabina von der Landstraße abgekommen war, wusste sie später nicht. Sie merkte nur an der veränderten Bodenoberfläche, dass sie sich nicht mehr auf der Straße, sondern auf einem Waldweg befand.

Hätte sie doch nur auf den Hotelbesitzer gehört! Als Einheimischer, der wahrscheinlich sein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht hatte, kannte er sich mit dem Wetter aus.

Nun, es war sinnlos, hier stehen zu bleiben und sich Vorwürfe zu machen. Trotz des Nebels konnte sie auf dem Erdboden die Abdrücke von Pferdehufen entdecken, die vorwärts führten und nicht zurück. Gab es ein Dorf in der Nähe? Und wenn kein Dorf, dann zumindest eine Behausung? Das schien ihr wahrscheinlich, denn irgendwohin mussten die Hufspuren führen. Sie hoffte nur, der Besitzer eines Hauses würde einen ungebetenen Gast für die Nacht aufnehmen, denn ihr Zelt konnte sie bei diesem Wetter kaum aufbauen.

Es war nicht schwer, die Richtung einzuhalten. Trotz des dichten Nebels erkannte sie nun auf beiden Seiten hohe Bäume, sodass sie sich nicht verirren konnte. Dennoch fühlte sie sich unbeschreiblich erleichtert, als sie einen Lichtschimmer sah.

Wo es elektrisches Licht gab, mussten auch Menschen wohnen. Sabina erreichte ein kleines Bauernhaus. Rauch stieg aus dem Schornstein. Licht und Wärme! Für Sabina schien sich der Himmel zu öffnen. Erst jetzt merkte sie, wie feucht ihre Kleidung war.

Nichts rührte sich, als sie energisch an die Tür pochte, daher klopfte sie wieder. Keine Antwort. Aber es musste jemand im Hause sein. Sie ging bis zu dem Fenster, hinter dem Licht brannte, und blickte durch den schmalen Spalt der Vorhänge. Sie erstarrte, als sich die Vorhänge leicht bewegten und ihr zwei große grüne Augen entgegenfunkelten. Ihr Schrecken war so groß, dass sie aufschrie.

„Satan ist von neugierigen Besuchern genauso wenig begeistert wie ich“, ertönte eine eisige Stimme hinter ihr.

Sabina drehte sich um. Vor ihr stand ein hochgewachsener, etwas unheimlich wirkender Mann.

Er trug schwarze Cordhosen, einen schwarzen Pullover, und auch sein Haar war tiefschwarz. Sein Gesicht war schmal und kantig, und was ihr besonders auffiel, waren seine kalten grauen Augen, die sie unerbittlich anstarrten. Er wirkte verwegen und war, obwohl unrasiert und nicht sonderlich gepflegt, der bestaussehende Mann, dem sie je begegnet war.

Ihre Stimme zitterte. „Wer sind Sie?“

„Satans Herr, wer sonst?“

Als sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, lag Sabina auf einem harten Sofa. Nie zuvor war sie ohnmächtig geworden, aber genau das war ihr nun passiert. Guter Gott, was für ein Mann, der sich als „Satans Herr“ bezeichnete. Sie schwang die Beine auf den Fußboden, setzte sich aufrecht und blickte mit großen erschrockenen Augen zu ihm hinüber.

„Endlich aufgewacht?“ Er stieß den schwarzen Kater von seinem Schoß und stand auf. „Was wollen Sie hier? Wer sind Sie?“

„Ich habe zuerst gefragt. Wer sind Sie?“

„Und ich habe Ihnen geantwortet.“ Seine Stimme war dunkel und faszinierend.

„Aber das war Unsinn“, sagte Sabina und lachte nervös. Wie töricht war es gewesen, so einen Schreck zu kriegen! Dieser Mann in Schwarz mochte unheimlich wirken, aber er hatte bestimmt nichts mit dem Teufel zu tun. „Der Kater heißt Satan, ja?“

„Ja.“

„Gehört er Ihnen?“

Sein flüchtiges Lächeln zeigte sehr weiße Zähne. „Er hat keinen Besitzer. Er gehörte zum Haus, als ich es übernahm.“

Sabina nickte nur. Sie fühlte, wie er sie musterte. Auch sie hatte ihn heimlich betrachtet. Mit seinen geraden schwarzen Brauen, mit dem langen schwarzen Haar, das ihm bis zur Nasenwurzel fiel, kam ihr dieser Mann irgendwie bekannt vor.

Das Feuer im Kamin brannte. Der Mann hatte sie anscheinend so, wie er sie aufgefangen hatte, auf das Sofa gebettet. Darum schob Sabina jetzt ihre Regenkapuze zurück und begann, den Reißverschluss ihres feuchten Anoraks aufzuziehen. „Stört es Sie, wenn ich den Anorak ausziehe?“

„Ziehen Sie alles aus, was Sie möchten.“ Er betrachtete unverfroren ihre Rundungen, die beim Öffnen des Anoraks sichtbar wurden. „Weibliche Gesellschaft ist in dieser Gegend Mangelware.“

Sabina errötete unter seinem Blick und behielt den geöffneten Anorak an. Am liebsten hätte sie die Arme verschränkt vor sich gehalten, da er sie unentwegt musterte. „Warum leben Sie dann hier?“

Sein Gesichtsausdruck wurde hart, in seinen Augen blitzte es eiskalt auf. „Ich lebe hier, weil es mir passt, und jetzt wiederhole ich meine Frage: Wer sind Sie?“

„Sabina. Sabina Smith.“ Sie musste ihn ständig ansehen, denn unterschwellig grübelte sie, woher sie ihn kannte, oder ob sie jemanden kannte, der ihm ähnelte.

„Warum starren Sie mich so an?“ Er stieß gegen eines der brennenden Holzscheite, und im Kamin sprühte ein ganzer Funkenregen. „Antworten Sie mir.“

„Ich? Sie?“

„Ja!“

„Sie erinnern mich an jemanden.“

Sein Mund wurde hart und schmal vor Zorn, sodass sie sich tiefer in ihren Anorak verkroch. Er trat auf sie zu und krampfte seine Hände schmerzhaft in ihre Oberarme, während er sie hochzog. „An wen?“ Sein Gesicht dicht über ihr, schüttelte er sie wütend. „An wen erinnere ich Sie?“

„Ich weiß es nicht.“ Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte sie das Gefühl, ohnmächtig zu werden. „Ich weiß es nicht“, wiederholte sie böse. „Was fällt Ihnen ein, mich so zu behandeln? Lassen Sie mich los.“

„Nicht bevor Sie mir geantwortet haben. Also sagen Sie, an wen ich Sie erinnere.“

Sabina trat einen Schritt zurück und unbeabsichtigt auf die Pfote des Katers, der fauchend mit der zweiten Pfote ausholte und ihr einen wütenden Schlag gegen den Knöchel versetzte. Dann lief er die Holztreppe nach oben hinauf.

Sie zuckte zurück. „Ihr Kater scheint von meiner Anwesenheit ebenso wenig erbaut zu sein wie Sie.“ Der Knöchel schmerzte, und sie hatte das Gefühl, als ob Blut aus einer Wunde sickerte. „Kann ich mal sehen, was mit meinem Knöchel los ist?“

„Warum nicht?“ Er trat ein wenig zurück. „Sie haben übrigens ganz recht, Satan spricht für uns beide. Es passt mir nicht, dass Sie hier sind.“

Sabina saß wieder auf dem Sofa, das sich in seiner Schäbigkeit nicht von den übrigen Möbeln und dem abgewetzten Teppich unterschied. Der Kleidung des Mannes dagegen sah man an, dass sie nicht aus irgendeinem billigen Warenhaus stammte. Er war ihr ein Rätsel.

Die Kratzwunde an ihrem Knöchel blutete. Sabina nahm ein Taschentuch und beugte sich vor, um das Tuch auf die Wunde zu drücken, wobei ihr langes blondes Haar über ihr Gesicht fiel. „Hat sich der Nebel verzogen?“, fragte sie.

„Nein.“

Sie strich das Haar hinter die Ohren. „Dann können Sie unmöglich erwarten, dass ich jetzt gehe.“

„So habe ich das auch nicht gemeint. Ich habe nur gesagt, es passt mir nicht, dass Sie hier sind.“

„Den Weg zurück würde ich im Nebel niemals finden.“

„Sie haben hergefunden, also könnten Sie auf dem gleichen Weg zurückkehren“, erwiderte er unfreundlich.

Wieder zerbrach Sabina sich den Kopf, woher sie dieses Gesicht kannte, ehe sie ihm antwortete. „Ich habe den Weg hierher nicht gefunden. Ich habe mich im Nebel verirrt. Haben Sie vielleicht ein Pflaster?“ Sie wies auf ihren Knöchel. „Ihr Liebling hat mich verletzt.“

„Das könnte ich auch tun, wenn Sie bleiben. Von mir aus können Sie bleiben. Machen Sie mich aber nicht für die Folgen verantwortlich.“

„Was für Folgen?“

„Hier gibt es nur ein Schlafzimmer.“

„Ich kann auf dem Sofa schlafen. Ich werde Sie nicht stören, bestimmt nicht. Ich will nur so lange bleiben, bis der Nebel aufhört.“

„Oh, der hält sich hier manchmal Tage.“

„Tage?“

„Ja. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vielleicht tagelang bei mir fest, und keiner kommt Ihnen zu Hilfe.“

Sie warf ihren Kopf herausfordernd zurück. „Warum sollte ich Hilfe brauchen? Vor wem? Vor Ihnen?“

„Vor wem sonst? Ich sagte Ihnen ja, in dieser Gegend sind Frauen Mangelware. Ich lebe hier seit fast einem Jahr, und bis heute ist keine Frau über die Schwelle dieses Hauses getreten. Wenn Sie an meiner Männlichkeit zweifeln sollten …“ Er zog sie unvermittelt vom Sofa hoch und küsste sie heftig auf den Mund.

Nach anfänglichem Widerstand gab Sabina nach. Sie fühlte, wie seine Hände unter ihren Anorak glitten, den Pullover hochzogen und seine Handflächen auf ihren Brüsten lagen. Sie wich zurück und zog den Pullover herunter.

Mit einem fast abfälligen Lächeln beobachtete er sie. „Was ist los, Miss Smith? Ich dachte, jemand wie Sie würde alles tun für eine gute Zeitungsstory.“

„Jemand wie ich?“, wiederholte sie, noch völlig verwirrt von seiner plötzlichen Attacke. „Und was für eine Story?“

„Tun Sie nicht so, Miss Smith! Sie wissen genau, was ich meine.“

„Sie sprechen meinen Namen jedes Mal so ironisch aus, als ob Sie mir nicht glaubten, dass ich so heiße.“

„Natürlich glaube ich Ihnen nicht, verdammt noch mal!“ Er war jetzt wirklich böse, und seine Augen glühten vor Zorn. „Sie sind hergekommen, um mir nachzuspionieren, und Sie sind bereit, jeden Trick anzuwenden, um mich zum Reden zu bringen.“

„Sie müssen sich irren. Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind und was Sie zu verbergen haben.“

„Ich habe nichts zu verbergen. Mich machen nur diese Zeitungsmenschen krank, diese neugierigen, schnüffelnden Reporter, die ihre Nase in alles stecken, was sie nichts angeht.“

Nun wurde auch Sabina wütend. „Ich bin keine Reporterin. Wie kommen Sie auf diese verrückte Idee?“

„Sie sind keine sehr gute Schauspielerin, und Sie hätten sich einen originelleren Namen zulegen müssen als ausgerechnet Smith.“

„Aber das ist mein Name. Ich kann es beweisen.“ Sie ging zur Tür.

Er hielt sie am Handgelenk fest. „Wo wollen Sie hin?“

„Zu meinem Fahrrad. Ich habe einen Personalausweis in der Satteltasche.“

„Mag sein, aber ich gehe jede Wette ein, dass Sie flüchten, sowie Sie draußen sind. Geben Sie es zu, Miss Smith: Inzwischen haben Sie festgestellt, dass Sie hier nichts erreichen, aber eine Veröffentlichung über meinen Aufenthaltsort wäre auch schon ein Erfolg.“

„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden. Was sollte ich um alles in der Welt hier erreichen?“

„Ich kann mir gut vorstellen, wie das in London war“, höhnte er. „Jemand gab Ihnen einen Hinweis, wo ich mich aufhalten könnte. Sie beschlossen, das herauszufinden, um eine Story über mich zu schreiben. Sie dachten, Sie könnten alles, was gewesen ist, aus mir herauslocken. Durch den einfachsten Trick der Welt, natürlich. In meinem Bett.“

Sabina zitterte, als er ihr Handgelenk noch fester umschloss. „In Ihrem Bett? Mein Gott, Sie haben Nerven.“

„Mehrere hundert. Und alle fiebern Ihnen im Augenblick entgegen. Ihre Zeitung weiß nur zu genau, wen sie in solchen Fällen schickt.“ Er warf ihr einen kritischen Blick zu. „Sie brauchen sich nicht zu verstellen, Sabina.“ Seine Stimme war plötzlich sanft. „Schon in dem Augenblick, als ich Ihr blondes Haar sah und diese großen unschuldigen Augen, wäre es nicht mehr nötig gewesen. Hören Sie auf, Versteck zu spielen. Vielleicht, wenn Sie Ihre Karten offen auf den Tisch legen, erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.“ Seine Hand strich über ihr seidiges Haar. „Wie recht Ihr Redakteur hatte, gerade Sie zu schicken. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Blondinen.“ Wieder küsste er sie, aber dieses Mal zärtlich ihre Lippen öffnend, bis sein Kuss leidenschaftlich wurde.

In diesem Augenblick veränderte sich alles in Sabinas Leben.

Während dieser Mann sie küsste, wurden alle Überlegungen hinfällig, ob sie Nicholas heiraten sollte oder nicht. Sie konnte ihn niemals heiraten. Sie gehörte diesem Fremden, einem harten und durch irgendetwas verbitterten Mann.

Seine Lippen und seine zärtlichen Hände versetzten sie in einen Taumel der Seligkeit, wie sie es noch nie erlebt hatte. Es schien ihr undenkbar, jemals einen anderen Mann zu lieben als ihn.

2. KAPITEL

Vielleicht, so überlegte Sabina, ließ er sich überzeugen, dass sie keine Reporterin war, nur wusste sie nicht wie. Ihr, als Tochter des Inhabers einer großen Tageszeitung, eines Skandalblattes, würde er niemals glauben. Nichts sprach zu ihren Gunsten, um sein Vertrauen zu gewinnen.

Sabina war wie betäubt. Was sie soeben erlebt hatte, kam ihr jetzt vor, als habe sie geträumt. Es war doch nicht möglich, sich in einen wildfremden Mann zu verlieben. Sie wusste nicht einmal seinen Namen. Ihr Vater würde so etwas als reine Einbildung bezeichnen, und das war es wahrscheinlich auch. Sie war so verwirrt, dass sie nur den einen Wunsch hatte: allein zu sein.

„Nun?“, fragte er herausfordernd. „Für welches Skandalblatt arbeiten Sie?“

„Ich …“

„Für welches? Für Chronicle, News and Views oder für das mieseste von allen, für Daily News?“

Ihr Gesicht wurde blass, als er die Zeitung ihres Vaters nannte. Sie wusste, welch schlechten Ruf diese Zeitung hatte, die ihre Auflagenhöhe den Skandalen, dem Unglück, der Verzweiflung anderer Menschen verdankte.

„Also Daily News. O Gott, welch ein Niveau. Und macht es ihm nichts aus, dass Sie für eine Story bereit sind, alles einzusetzen? Nicht nur Ihren Verstand, sondern auch Ihre körperlichen Reize?“

„Ihm? Wen meinen Sie?“

Seine Hand zog an der schmalen goldenen Kette, die sie um den Hals trug, bis am Ausschnitt ihres Pullovers ihr Verlobungsring zum Vorschein kam. „Sie haben mir noch nicht geantwortet. Macht es ihm nichts aus, mit wem Sie schlafen?“

„Was geht Sie das an?“, meinte sie ungeduldig. „Ich mache Ferien.“

„Ach so?“

„Ich bin allein unterwegs, wenn Sie es genau wissen wollen.“

Spott glitzerte in seinen Augen. „Wollte ich nicht, aber vielen Dank für die Auskunft.“

„Was sollte dann Ihre Bemerkung?“

„Mich interessiert, ob Sie immer dann Ihre Verlobung vergessen, wenn Sie ein Auge auf einen anderen Mann geworfen haben.“

„Auf Sie habe ich jedenfalls kein Auge geworfen.“ Wie konnte sie sich eingebildet haben, in einen so unverschämt arroganten Mann verliebt zu sein? Gott sei Dank war sie wieder vernünftig. Er hatte mit seiner starken sexuellen Ausstrahlung vorübergehend ihre Sinnlichkeit geweckt, sodass sie die Wirklichkeit vergessen hatte, aber das war vorbei.

„Aber beruflich haben Sie ein Auge auf mich geworfen.“

„Wie könnte ich, da ich nicht weiß, wer Sie sind.“

„Ich habe schon einmal gesagt, Sie sollten das Versteckspiel lassen.“

„Und ich glaube, Sie überschätzen sich, denn ich weiß es wirklich nicht. Sind Sie ein Bankräuber oder so etwas Ähnliches?“

„So etwas Ähnliches“, erwiderte er verbittert.

„Hören Sie, wer Sie auch immer sind, haben Sie nun ein Pflaster für meinen Knöchel?“

Mit einem ungeduldigen Seufzer drehte er sich um und ging durch eine Tür in einen winzigen Raum, der offensichtlich die Küche war. Er suchte in einem Schränkchen über dem Ausguss, kam wieder zurück und warf ihr das Gewünschte zu.

„Danke“, sagte sie so ruhig, als habe er ihr das Pflaster höflich übergeben. Während Sabina die Wunde an ihrem Knöchel versorgte, merkte sie, dass er sie unentwegt beobachtete. Nervös fragte sie, ob sie jetzt das Haus verlassen könne.

„Wohin wollen Sie denn?“

„Ich habe ein Zelt mit. Irgendwo werde ich es schon aufstellen können.“

Er schüttelte den Kopf. „Sie wissen, dass ich an Ihrer Aufrichtigkeit Zweifel habe, aber ich bin bereit, diese zu verdrängen. Im Augenblick jedenfalls. Sie können heute Nacht hier bleiben.“

„Aber Sie sagten, Sie hätten kein Zimmer für mich.“

„Ich sagte, es gibt hier im Haus nur ein Schlafzimmer“, verbesserte er spöttisch.

„Oh.“

„Haben Sie in Ihrer Satteltasche auch einen Schlafsack?“

„Ja. Wieso?“

Autor

Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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