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Jeden Samstag Sex! Keine Bindung - pure Lust! Als die impulsive Faith Dowell, Direktorin einer Klinik in Malibu, diesen Vorschlag macht, stockt Dr. Luke Walker der Atem. Eigentlich der Traum jeden Mannes: unglaublich leidenschaftliche Stunden - ganz ohne Verpflichtungen. Doch das geht nur gut, solange sich Luke nicht in die wunderschöne Faith verliebt ...


  • Erscheinungstag 26.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745592
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nur ein paar Meter von Luke entfernt warfen sich zwei fast nackte Frauen lachend in die Wellen, und er konnte nur desinteressiert gähnen.

Ich muss wirklich ziemlich ausgebrannt sein, dachte er. Am Ende meiner Kräfte.

Hinter ihm, auf den Klippen von Malibu, lag sein Haus, vor ihm erstreckte sich der Strand mit den Bikini-Schönheiten, doch er fühlte nur Leere und Erschöpfung. Im Grunde kam er sich vor wie ein Zombie, der willenlos durchs Leben lief. Doch wen interessierte das schon?

Leider half ihm nicht einmal Schlaf. Jedenfalls heute nicht. Wenn er die Augen schloss, sah er immer wieder dieselben Bilder vor sich:

Seine Hände waren blutüberströmt, und auch sein Kittel war mit Blut bespritzt. Er kniete auf der Tolltrage über dem reglosen sechsjährigen Jungen. Sanitäter schoben sie im Laufschritt einen Gang entlang zum OP, während er lautstark Anordnungen erteilte und dem kleinen Jungen die blutende Wunde zuhielt. Gleichzeitig flehte er innerlich, dass es noch nicht zu spät sein möge.

Plötzlich wurde Luke aus seinen Gedanken gerissen. „Sagen Sie, wieso sind Sie nicht da unten bei diesen Bikinischönheiten? Warum amüsieren Sie sich nicht mit denen im Wasser?“

Luke stöhnte auf, als er die Stimme mit dem starken spanischen Akzent hörte, und öffnete die Augen wieder. Carmen DeCosta meinte, ihn mittlerweile gut genug zu kennen, um ihn herumkommandieren zu können. Die Hände in die breiten Hüften gestemmt, stand sie da und wartete offenbar auf eine Antwort.

Luke fragte sich, ob er heute eigentlich von all seinen Mitmenschen diese altklugen Blicke erntete. „Vorsicht“, sagte er warnend. „Versuchen Sie gar nicht erst, mich zu verkuppeln. Ich will mich nur entspannen.“

„Na prima. Das tun Sie viel zu selten.“ Die dunkelhaarige Carmen bewegte sich trotz ihres Gewichts überraschend schnell und elegant, als sie sich neben Luke in den Sand setzte.

Eigentlich war es ihre Aufgabe, sein Haus sauber und ordentlich zu halten. Offenbar gönnte sie sich gerade eine Pause, um ihn an ihren Weisheiten über das Leben teilhaben zu lassen. Das kannte er schon. Sie mischte sich ständig ein und gab sich alle Mühe, ihm seine längst verstorbene Mutter zu ersetzen.

Ich brauche keine Mutter, dachte er. Die habe ich noch nie gebraucht. Doch obwohl er sich das schon seit Langem sagte, war es ihm noch nie ganz gelungen, sich selbst davon zu überzeugen.

Luke ließ seinen Blick über die schäumenden Wellen und die albernen Blondinen in ihren Bikinis schweifen und sah in Gedanken doch nur immer wieder Dr. Leo Atkinson aus dem Krankenhaus vor sich. Luke leitete im „South Village Medical Center“ die Notaufnahme, aber Leo war der Leiter der Chirurgie. Außerdem war er der Vorgesetzte aller leitenden Ärzte. Im Grunde standen sie zwar auf derselben Stufe, doch Leo saß im Vorstand des Krankenhauses und war auch Mitglied des Stadtrats. Deshalb hatte Leo wesentlich mehr Macht als er.

Luke machte das nichts aus. Er wollte lediglich seine Ruhe haben, um Patienten zu heilen. Mit der Verwaltungspolitik im Krankenhaus wollte er sich so wenig wie möglich befassen.

„Du bist zu weit gegangen, Luke“, hatte Leo gesagt. „Für unsere Öffentlichkeitsarbeit bist du ein Albtraum, und jetzt müssen wir leider etwas unternehmen. Sonst verlierst du deinen Posten als Leiter der Notaufnahme.“

Ihm war natürlich sofort klar gewesen, worauf Leo sich dabei bezogen hatte. Es ging um seine Bemerkungen über die Bürokraten in der Krankenhausverwaltung. Er hatte sich wahnsinnig darüber aufgeregt, als er erfahren hatte, dass das Krankenhaus die „Healing Waters Clinic“ finanziell unterstützte, und hatte das als idiotisch bezeichnet. In dieser Klinik wurde nicht einmal Schulmedizin praktiziert. Das Krankenhaus fühlte sich dieser Klinik für Naturheilkunde verpflichtet, weil dort nur ambulant behandelt wurde und Patienten, die über Nacht versorgt werden mussten, von dort in das Krankenhaus verlegt wurden.

Lukes Bemerkung war an die Presse durchgesickert, und die Journalisten hatten sie gierig aufgenommen und sofort veröffentlicht. Die Wirkung hatte er umgehend zu spüren bekommen. Die Eigentümerin der Klinik hatte den Vorstand des Krankenhauses angerufen, der Vorstand hatte sich an Leo gewandt, und der war zu ihm gekommen.

„Nimm die Bemerkung zurück“, hatte Leo empfohlen. „Begrenz den Schaden.“

Das war aber nicht so einfach für ihn, denn er sah die Welt mehr oder weniger schwarz oder weiß. Entweder konnte man bei einem medizinischen Notfall helfen, oder man konnte es nicht.

Da gab es keine Grauzonen.

Aber in der „Healing Waters Clinic“ wurde eindeutig in einer Grauzone gearbeitet, mit Aromatherapie, Massagen, Akupressur und sogar Yoga.

Dass der Vorstand so eine Klinik unterstützte und gleichzeitig Patienten abwies, die nicht zahlen konnten, obwohl sie dringend medizinische Hilfe brauchten, konnte Luke nicht nachvollziehen.

Das war jedenfalls seine unbedeutende Meinung. Aber anscheinend war diese Meinung doch nicht ganz so unbedeutend, wie er angenommen hatte, denn jetzt sollte er für seinen Wutausbruch bestraft werden. Und zwar auf die schlimmstmögliche Art.

„So ist es nun mal“, hatte Leo gesagt und entschuldigend mit den Schultern gezuckt. „Mit Patienten kannst du fantastisch umgehen, aber bei allen anderen Menschen bekommst du Schwierigkeiten. Der Vorstand, deine eigenen Angestellten, einfach alle sagen, du seist ein Albtraum, und sogar ich muss ihnen da zustimmen. Du musst lernen, dich etwas vorsichtiger auszudrücken, Luke. Sonst nützt es dir gar nichts, ein so guter Arzt zu sein. Du wirst trotzdem entlassen. Um es nicht dazu kommen zu lassen, wirst du drei Monate lang freiwillig jeden Samstag in der ‚Healing Waters Clinic‘ arbeiten.“

Er hatte Leo einen Moment lang fassungslos angesehen. „Wieso entziehst du mir nicht einfach die Approbation?“, hatte er dann gefragt. „Das wäre weniger schmerzhaft für mich.“

Lachend hatte Leo ihm auf den Rücken geklopft. „Nimm’s leicht, Luke. Das ist deine letzte Chance, uns allen zu beweisen, dass du Teamgeist hast.“

Teamgeist, na wunderbar.

In Gedanken versunken saß Luke jetzt da und blickte aufs Meer.

„Schöne Aussichten.“ Mit einem Nicken deutete Carmen zu den Strandschönheiten.

Luke zuckte mit den Schultern. Ich bin ein guter Arzt, sagte er sich. Ein ausgezeichneter Arzt. Das sollte das Einzige sein, was zählt, und es sollte völlig egal sein, ob ich mich vor der Presse ins rechte Licht rücken kann oder ob die Leute in meinem Umfeld mich mögen.

„Na?“ Carmen stützte sich auf ihren Ellbogen ab und wirkte, als hätte sie nicht mehr vor, an diesem Tag noch etwas zu putzen. „Wie viele Patienten hatten Sie heute?“

Luke seufzte. „Eine Menge.“

„Irgendeine interessante Patientin dabei? Vielleicht interessant genug, dass Sie sich mit ihr verabreden?“

Wieso versuchten bloß alle immer, einen ledigen Mann zu verkuppeln? „Warum?“

„Weil eine dieser Patientinnen Ihnen Kekse geschickt hat. Sie müssen großen Eindruck auf sie gemacht haben, Doktor.“

Eine schäumende Welle nach der anderen rollte auf den Strand, und die Gazellen im Bikini juchzten. Luke atmete tief die salzige Luft ein und stieß sie langsam wieder aus.

„Wollen Sie denn nicht wissen, wer die Kekse geschickt hat? Ich muss Ihnen wohl dabei helfen, sich zu erinnern. Bestimmt war sie groß, blond und gut aussehend. Und auch noch …“, Carmen hielt sich die Hände vor ihre gewölbte Brust, „… gut gebaut.“

Einatmen, salzige Luft genießen, ausatmen.

„Hören Sie mir überhaupt zu?“

„Ich versuche wegzuhören. Klappt aber nicht.“

„Ach, Sie! Wissen Sie nun, wer die Kekse geschickt hat oder nicht?“

Lucy Cosine. Anfang der Woche hatte Luke sie zusammengeflickt, nachdem Lucy eine rote Ampel übersehen hatte und von einem Postauto gerammt worden war. Sie war mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe geknallt. Lucy war Ende zwanzig, reich und auf der Suche nach einem angesehenen Ehemann. Das waren ihre eigenen Worte, und anscheinend fand sie, dass diese Beschreibung auf ihn passte.

Schade nur, dass er nicht zur Verfügung stand. „Schmecken die Kekse denn?“

„Igitt.“ Carmen verzog ihr Gesicht. „Meine sind viel besser.“

Direkt vor ihnen überspülte eine Welle eine der Blondinen, und die Frau tauchte albern lachend wieder auf.

„Im Job leisten Sie doch auch so viel, Doktor. Wieso schaffen Sie es dann nicht, eine Frau zu finden?“ Kritisch beäugte Carmen ihn von Kopf bis Fuß. „Vielleicht haben Sie ein Problem damit, sich lange genug auf eine zu konzentrieren.“

Luke blickte in den strahlend blauen Himmel, der ausnahmsweise keinerlei Anzeichen vom üblichen Smog zeigte. „Wirklich witzig.“

„Liebe kann sehr hilfreich beim Stressabbau sein, wissen Sie?“

„Auf keinen Fall werde ich jetzt mit Ihnen über Sex sprechen.“

„Ich sagte ja auch: Liebe. Nicht Sex.“ Carmens Stimme klang spöttisch. „Aber Sex wirkt auch.“

Luke musste lachen. Wie dreckig es ihm auch ging, Carmen schaffte es immer, ihn aufzuheitern. „Verderben Sie mir jetzt bloß nicht die schlechte Laune.“

„Bestens.“ Carmen strahlte vor Stolz und gab ihm einen lauten Schmatzer auf die Wange. „Ich will nur, dass Sie glücklich sind, Luke. Jeder Mensch verdient ein bisschen Glück.“

„Das habe ich doch.“ Jedenfalls hatte ich es bis heute, bis Leo mir dieses Ultimatum gestellt hat.

„Quatsch. Sie brauchen eine Frau, um glücklich zu sein. Eine Frau, die Haus und Bett mit Ihnen teilt und Ihnen ihr Herz schenkt. Vielleicht auch in anderer Reihenfolge.“

Eine Frau in seinem Bett, das konnte Luke sich noch gut vorstellen. Am liebsten in jeder Nacht, in der er nicht arbeiten musste oder Bereitschaftsdienst hatte. Aber einer Frau sein Herz schenken? Nie im Leben. Dazu war ihm seine Arbeit viel zu wichtig. Welche Frau, die halbwegs bei Verstand war, wollte einen Mann, der ihr nichts zu geben hatte?

Und welche Frau würde sich auf einen Arzt einlassen, der gerade aus disziplinarischen Gründen zu einer zusätzlichen Arbeit verdonnert worden war, die ihn bestimmt umbringen würde?

Er sollte in einer Klinik für Naturheilkunde arbeiten! Drei Monate lang! Unvorstellbar.

Etwas Schlimmeres konnte Luke sich im Moment nicht vorstellen.

In ihrem Horoskop hatte sie gelesen, dass die Sterne im Moment nicht günstig für sie standen. Faith McDowell hätte es lieber glauben und sich die Bettdecke über den Kopf ziehen sollen. Aber im Bett hatte sie es noch nie lange ausgehalten. Das passte nicht zu ihr. Was genau zu ihr passte, wusste sie zwar selbst nicht so eindeutig, aber sie hatte auch selten Zeit, darüber nachzudenken.

Faith schaltete das Radio ein und zündete eine Kerze mit anregendem Jasminduft an. Dann stieg sie unter die Dusche. Während sie sich einseifte, sang sie aus Leibeskräften einen Song aus dem Radio mit, denn sie war der Meinung, dass Singen ausgezeichnet dabei half, Energien freizusetzen. Es funktionierte genau sechzig Sekunden lang, dann achtete sie nicht mehr auf die Musik und den Jasminduft. Ihre Gedanken kehrten in die Wirklichkeit zurück.

Und diese Wirklichkeit war nicht leicht zu ertragen.

In dieser Woche musste sie sich ihr eigenes Gehalt als Direktorin der „Healing Waters Clinic“ kürzen.

Aber wenigstens blieben ihr die Klinik und das hübsche Gebäude im South Village, in dem die Klinik lag. Im letzten Jahr hatte Faith sie direkt an der North Union Street eröffnet. Abgesehen vom Sunset Strip waren hier die meisten Passanten unterwegs.

Zuvor hatte Faith vier Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet. In der Notaufnahme in San Diego war ihr alles begegnet, jedes Leiden, jede Krankheit, jede Verletzung. Und sehr oft hatte sie den Eindruck gehabt, dass die moderne Medizin nicht optimal war. Allerdings hatte niemand ihre Anregungen beachtet. Niemand wollte natürliche Heilmittel anwenden oder homöopathische Arzneien verschreiben. Alle alten und bewährten Methoden, die tatsächlich wirkten, wurden ignoriert, weil die Mediziner tagtäglich damit beschäftigt waren, sich um Schusswunden, Verletzungen durch Autounfälle und andere schreckliche Notfälle zu kümmern.

In ihrer Heilklinik konnte Faith sich auf das konzentrieren, was von vielen anderen nur belächelt wurde. Ihr ging es darum, mit weniger aggressiven Mitteln zu heilen. Sie hatte es kaum fassen können, als die Leitung des örtlichen Krankenhauses sich bereit erklärte, Patienten an sie zu überweisen. Und dann hatte das Krankenhaus sie auch noch finanziell unterstützt. Sie war niemals in ihrem Leben glücklicher gewesen.

Faith dachte darüber nach, wie sehr es sie überrascht hatte, als dann einer der Ärzte dieses Krankenhauses, Dr. Luke Walker, sich öffentlich negativ über ihre Arbeit geäußert hatte. Sie kannte solche abfälligen Bemerkungen, aber sie hatte den Ruf dieses Dr. Walker und die Anzahl seiner Anhänger unterschätzt.

Als die Öffentlichkeit erfuhr, dass Dr. Walker ihre Klinik nicht guthieß, hatte sie einen Großteil des Tages damit verbringen müssen, Fragen zu beantworten und die Anwendung bestimmter Heilverfahren zu rechtfertigen. Dadurch blieb ihr weniger Zeit für ihre Patienten, die Wartezeiten wurden länger, und letztendlich kamen viele Patienten nicht mehr wieder.

Zum Glück hatte das Krankenhaus ihr jedoch versprochen, die ganze Angelegenheit schnell zu regeln. Sie boten ihr personelle Unterstützung an, und zwar in Person von Dr. Walker höchstpersönlich. Er sollte drei Monate lang am Wochenende in der „Healing Waters Clinic“ aushelfen.

Na also, dachte Faith und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. Endlich ein Silberstreif am Horizont. Anscheinend stimmte ihr Horoskop doch nicht.

Das Wasser aus der Dusche wurde plötzlich eiskalt und riss sie aus ihren angenehmen Gedanken. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als das restliche Shampoo damit auszuspülen. Die Waage, auf die sie anschließend stieg, war auch nicht gerade ihr Freund, und frische Socken konnte sie auch nirgends finden.

Obwohl es erst sieben Uhr war, hatte Faith schon genug von diesem Tag. Sie ging nach draußen, um die Zeitung hereinzuholen, und stellte wieder einmal fest, dass es auch Nachteile hatte, an der Hauptstraße direkt über der Klinik zu wohnen. Die Leute standen hier früh auf. Auf der Straße tummelten sich bereits Jogger, Fahrradfahrer, Frühaufsteher und Angestellte auf dem Weg zur Arbeit. Die meisten waren junge Leute, hip und so gut drauf, wie Faith es noch nie in ihrem Leben um sieben Uhr früh gewesen war.

Die Tageszeitung lag wieder mal nicht auf den Stufen vor der Haustür, sondern auf ein paar durchnässten Grasbüscheln. Als Faith sie mit zwei Fingern anhob, zerrissen die Seiten wie aufgeweichtes Konfetti. Seufzend blickte sie dem riesigen Dobermann ihres Nachbarn in die Augen. „Warst du das schon wieder, Tootsie?“

Tootsie hechelte und wedelte kurz mit dem Schwanz, bevor er abtrottete.

„Das kommt davon, wenn man direkt an seinem Arbeitsplatz wohnt.“ Das war Shelby Anderson, Faiths Kollegin. Eine Naturheilkundlerin und ihre beste Freundin. Sie kam den Fußweg entlang und folgte Faith durch die hintere Tür in die Klinik. In ihrem geblümten Kittel sah sie wie eine Schauspielerin aus, die eine Ärztin spielt.

Faith wusste, dass Shelby gar nichts dagegen tun konnte, dass ihr blondes Haar immer perfekt frisiert aussah. Sie brauchte auch kein Make-up, um strahlend zu wirken. Und ihr schlanker Körper war sicher der einzige auf dem ganzen Planeten, der auch in einem Kittel toll aussah. Dennoch konnte Faith diesen perfekten Anblick so früh am Morgen kaum ertragen.

„Ich lebe über meinem Arbeitsplatz“, stellte sie richtig und strich sich den Kittel glatt, der an ihr bei Weitem nicht so reizvoll wirkte wie bei Shelby.

„Das kommt doch auf das Gleiche raus.“ Shelby schüttelte den Kopf. „Ist beides Mist.“

Faith betrachtete ihre ruinierte Tageszeitung. „Na gut, manchmal ist es blöd.“

Shelby stellte ihre Handtasche ab und lehnte sich an den Tresen, während sie von dem Kräutertee trank, den sie mitgebracht hatte. „Möchtest du auch? Du siehst fertig aus.“

„Schade. Ich dachte, ich hätte mir die Augenringe weggeschminkt.“

Shelby lächelte. „Du trägst doch überhaupt kein Make-up, das weiß ich genau. Denk lieber daran, dass du dir jedes Mal eine Erkältung einfängst, wenn du abgespannt bist.“

Erkältung, totale Erschöpfung, Schweißausbrüche, Zitteranfälle und mörderische Kopfschmerzen. Faith kannte das nur zu gut. Schon seit Jahren wurde sie von diesem Virus geplagt. In letzter Zeit, seit sie die Klinik hatte, litt sie häufiger darunter, aber jetzt würde sie es nicht zulassen, krank zu werden.

Mit diesem Virus war sie als Kind auf Bora-Bora infiziert worden. Ihre Eltern hatten dort als Missionare gearbeitet. Um nicht zu oft darunter zu leiden, ernährte sie sich ausgewogen und schlief regelmäßig. Nur hin und wieder gab sie ihrer Sucht nach einem Stück Schokolade nach.

Eigentlich hatte sie das Naschen aufgegeben, weil ihre Mutter immer übergewichtig gewesen war und weil Faith nicht dieselbe Richtung einschlagen wollte. Außerdem konnte sie schlecht ihren Patienten einhämmern, auf ihre Gesundheit zu achten, wenn sie selbst es nicht tat.

Aber ihr Körper spielte manchmal trotzdem nicht mit. „Mir geht’s gut“, sagte sie zu Shelby.

„Warum gönnst du dir heute nicht mal eine Kräuterkur? Oder besser noch, lass dich von mir verwöhnen.“

„Mal sehen.“ Zuerst musste sie in der Klinik das Versäumte wieder aufholen, was hoffentlich nicht so lange dauern würde. Im Grunde lief die Klinik sehr erfolgreich. Die Menschen kamen gern zu ihr in Behandlung. Nur zahlten die meisten Versicherungen nicht für diese Behandlungen, deshalb stellte Faith den Patienten weniger in Rechnung, als sie eigentlich sollte. Folglich hatte sie kein Geld, um mehr Personal einzustellen. Deshalb war die Klinik personell unterbesetzt.

Eine gute Nachricht gab es allerdings. Dr. Walker würde umsonst arbeiten. Zwölf Wochenenden lang.

„Glaubst du wirklich, dass dieser Doktor Walker uns helfen kann?“

„Ja, und bevor du danach fragst, er kommt garantiert zu spät. Da bin ich sicher.“

Shelby sah auf ihre Uhr. „Zwanzig Dollar, dass er überhaupt nicht auftaucht.“

Das sollte er lieber, dachte Faith. Das Krankenhaus hat versprochen, dass er kommt und seine Arbeit mit einem Lächeln verrichtet. Man hatte ihr versichert, er würde alles tun, um sie zu unterstützen und den guten Ruf der Klinik wieder herzustellen.

Darauf verließ Faith sich. Dr. Luke Walker genoss großes Ansehen, und die Leute hörten auf ihn. Mit ein bisschen Glück konnte sie ihn dazu bringen, ihre Klinik etwas freundlicher zu beurteilen, wenn er den Alltag erst miterlebt hatte. Dann konnte er anderen davon berichten. „Er wird auftauchen.“

„Also schön, aber in ein paar Minuten kommen die ersten Patienten, und wenn er dann nicht hier ist …“

„Ich weiß, ich weiß.“ Faith war auf seine Hilfe angewiesen. Wenn die Patienten lange warten mussten, wurden sie unruhig, beschwerten sich und kamen nicht wieder. Das durfte sie einfach nicht zulassen.

Doch die beiden Frauen warteten eine halbe Stunde lang vergeblich auf Luke Walker und blieben tatsächlich hinter ihrem Zeitplan zurück.

„Normalerweise ist das heute sein freier Tag“, meinte Faith. „Vielleicht hat er verschlafen.“

„Dann können wir einpacken.“

„Nein, das müssen wir nicht.“ Faith griff nach ihrem Schlüsselbund. „Haben wir irgendwo seine Adresse?“

„Die liegt auf deinem Schreibtisch.“ Shelby lächelte. „Willst du ihn aus dem Bett schmeißen?“

„Wenn nötig, ja. Ich weiß, dass wir bis über beide Ohren in Arbeit stecken, aber wir können jemanden bekommen, der uns unter die Arme greift. Also werde ich hinfahren und ihn holen.“ Faith biss sich auf die Unterlippe. „Wünsch mir Glück.“

„Das wirst du brauchen.“

Faith stand vor Luke Walkers Haus und klopfte erneut. Noch immer rührte sich nichts, und sie verglich noch einmal die Adresse. Ja, es musste hier sein. Das Haus mit den großen Glasflächen und dem ausgefallenen Design passte perfekt zu einem erfolgreichen Arzt. Und der dunkelgrüne Jaguar in der Auffahrt auch.

Faith starrte auf ihren alten Ford und seufzte. Sie konnte zwar stur und hartnäckig sein, und Ungerechtigkeit konnte sie auf den Tod nicht ausstehen, aber sie war keine wirkliche Kämpfernatur. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommen sollte, würde sie klein beigeben, das wusste sie genau. Andererseits ging es hier um die Zukunft ihrer Klinik, und sie fühlte sich wie eine Bärin, die ihr Junges beschützen musste.

Oder wie ein Pantherweibchen. In Gedanken fuhr Faith die Krallen aus.

Das ist sicher das Erbe der Rothaarigen, dachte sie und strich sich etwas verlegen über das lange rote und immer leicht wellige Haar. Na und? Dieser Kerl kommt zu spät, da braucht er sich nicht zu wundern, wenn ich mich aufrege. Er hat sich schließlich verpflichtet, an diesem Samstag und an jedem weiteren in den nächsten drei Monaten in meine Klinik zu kommen.

Wieder klopfte sie an die Tür, diesmal lauter. Sie war überzeugt davon, unendliche Geduld zu zeigen. Wieso machte denn niemand auf? Sie wippte ungeduldig auf den Füßen auf und ab und fixierte den Jaguar. Es musste doch jemand zu Hause sein.

Wieder klopfte sie und hörte das Dröhnen im Haus widerhallen.

Schlief dieser Mann etwa noch? Schnarchte er glücklich vor sich hin, während ihr Leben den Bach runter ging?

Die Tür schwang plötzlich auf, und Faith hatte eine nackte Männerbrust vor sich. Sie schaute hoch und starrte in das Gesicht von Dr. Luke Walker. Faith schluckte.

Natürlich hatte sie von ihm gehört und hin und wieder auch einen Artikel über ihn in der Zeitung gelesen. Vor allem den, in dem er diese unverschämten Bemerkungen über ihre Klinik gemacht hatte. Doch der Mann war nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Er war schlanker und muskulöser, als sie gedacht hatte. Sein Gesicht wirkte angespannt, und sein fast nackter Körper war besser gebaut, als sie angenommen hatte.

„Ja, was gibt’s?“ Durchdringend blickte er sie aus hellblauen Augen an.

Faith bekam im Moment keinen Ton heraus. Sie starrte auf sein dunkles und leicht welliges Haar, das er kurz trug. Es war vom Schlafen noch ganz zerzaust.

Faiths Blick glitt tiefer. Er trug nur eine Jogginghose, die er nicht zugebunden hatte. Vor ihr standen neunzig Kilo Mann. Neunzig schlecht gelaunte Kilo, das merkte Faith ihm deutlich an. Offenbar hatte sie ihn aus dem Bett geholt. Doch der Blick, mit dem er sie musterte, wirkte in keiner Weise verschlafen.

„Wer sind Sie, und wieso versuchen Sie, meine Haustür einzuschlagen?“

„Faith McDowell.“ Sie bemühte sich sehr, nicht auf seine festen Muskeln und die glatte gebräunte Haut zu starren. Aber dieser Mann – noch dazu so dicht vor ihr – machte sie ein bisschen unsicher.

„Also, Faith McDowell, was wollen Sie?“

„Ich …“ Tja, was wollte sie noch mal? Ach, ja, die Klinik. Ihre Klinik. Ihr Leben. Faith fuhr wieder die Krallen aus. „Ich bin hergekommen, um Sie mit zur Klinik zu nehmen, denn anscheinend funktioniert Ihr Wagen nicht. Das würde jedenfalls erklären, weshalb Sie nicht wie abgesprochen vor einer Stunde bei uns aufgetaucht sind.“

Luke Walker blickte sie nur schweigend an.

Faith verkniff sich den Blick auf die Uhr. Sie wollte ihn nicht hetzen. „Dort warten Patienten auf Sie. Haben Sie das vergessen?“ Sag jetzt bloß nicht, dass du es vergessen hast!

„Ich weiß.“ Sein Tonfall verriet, dass die Vorstellung, jetzt zu ihrer Klinik zu fahren, für ihn so angenehm war wie die Fußnägel ausgerissen zu bekommen. „Aber ich wünschte, ich hätte es vergessen.“

„Dann … dann hat Ihr Wecker nicht geklingelt?“ Diesmal konnte sie sich nicht mehr beherrschen und blickte auf die Uhr. Als sie sah, wie spät es war, geriet sie fast in Panik.

„Kein Wecker sollte so früh klingeln.“

„Richtig, ich vergaß. Sie als Arzt können ja in die Klinik kommen, wann es Ihnen gefällt. Auch wenn die Patienten auf Sie warten. Ihnen ist es gleichgültig, ob Sie die Pläne anderer über den Haufen werfen.“ Wie hatte sie nur vergessen können, wie arrogant Ärzte waren? „Sehen Sie, ich weiß, dass Sie das hier eigentlich nicht tun wollen, aber vor uns liegt ein anstrengender Tag mit zahlreichen Patienten. Dank Ihrer Trödelei hinken wir dem Behandlungsplan schon weit hinterher, und je länger ich hier stehe und auf Sie warte, desto schlimmer wird es.“

„Dank meiner Trödelei?“

„Wenn wir bis zum Lunch noch weiter in Rückstand geraten, dann wird der Nachmittag die reinste Hölle, glauben Sie mir.“

Luke fuhr sich übers Kinn. Die dunklen Bartstoppeln schabten an seinen Fingern, sodass man es in der morgendlichen Stille deutlich hörte. „Man hat mir neun Uhr gesagt.“

„Sieben Uhr.“

„Das wüsste ich.“

Also ein Missverständnis. Unschön, aber damit konnte Faith zurechtkommen. „Entschuldigen Sie, aber dann wurden Sie falsch informiert.“

Luke rieb sich die Brust, deren Anblick Faith die ganze Zeit angestrengt mied. Anscheinend verbrachte er seine Zeit nicht ausschließlich mit dem Behandeln von Patienten, sondern er hielt sich auch fit, denn an seinem Körper war kein Gramm Fett zu entdecken.

„Sieben Uhr, da hätte ich nie zugestimmt. Das ist mir zu früh.“

„Tja, in den nächsten drei Monaten werden Sie sich daran gewöhnen müssen.“ Es sollte ein Gesetz dagegen geben, dass so unglaublich gut aussehende Männer solche Ekel waren, dachte sie wütend. Schließlich war dieser Mann selbst schuld an seiner Lage. Genau jetzt warteten die Patienten auf ihn, aber das kannte Dr. Luke Walker ja vermutlich. Im „South Village Medical Center“ hieß es, Dr. Walker wurde geboren, um Menschen zu heilen. Jeden Tag bewirkte er angeblich wahre Wunder, und die Patienten himmelten ihn an.

Die Leute, mit denen er zusammen arbeitete, die Ärzte, die Krankenschwestern und die übrige Belegschaft, respektierten seine außerordentlichen Fähigkeiten, aber niemand mochte ihn sonderlich. Faith vermutete, dass da auch viel Neid und Eifersucht mitspielten, denn schließlich war er erst fünfunddreißig, und sicherlich würde er das Krankenhaus leiten, noch bevor er vierzig war.

Vorausgesetzt, er lernte, hin und wieder den Mund zu halten.

Den Patienten gegenüber verhielt er sich mitfühlend, selbstlos und aufopfernd, aber der übrigen Umwelt begegnete er eher schroff. Faith kannte all diese Geschichten und vermutete, dass er von anderen lediglich dasselbe erwartete wie von sich selbst und dass er nichts für Trägheit und Dummheit übrig hatte.

Jetzt fragte sie sich allerdings, ob dieser Mann vielleicht unfähig war, sich anderen gegenüber nett zu verhalten. „Für Sie spielt das alles zwar keine große Rolle, aber Sie haben versprochen, in der Klinik zu arbeiten.“

Luke stieß ein entnervtes Lachen aus.

Faith griff nach dem letzten Strohhalm. „Es ist doch Ihre eigene Schuld. Wenn Sie diese Bemerkungen, die an die Presse weitergeleitet wurden, nicht gemacht hätten, dann hätten Sie diese drei Monate Strafarbeit nicht aufgebrummt bekommen. Dann könnten Sie jetzt Golf spielen oder …“

„Golf spielen?“ Ungläubig riss er die Augen auf. „Sie glauben, dass ich Golf spiele?“

„Oder was auch immer reiche Ärzte mit all dem Geld machen, das sie ihren Patienten abknöpfen.“

„Meine Güte, Sie haben wirklich eine sehr direkte Art.“

Autor

Jill Shalvis
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